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in Mannheim
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der Gemeinde (diese Seite)
- Berichten zu einzelnen Personen aus der
jüdischen Gemeinde
Mannheim (Stadtkreis
)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Hier: Berichte zu den Rabbinern, Lehrern
sowie weiteren Kultusbeamten des 19./20. Jahrhunderts (bis 1938)
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Mannheim wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Die Texte wurden dankenswerterweise von Frau Susanne Reber, Mannheim,
abgeschrieben und mit ergänzenden Anmerkungen versehen.
Übersicht:
Aus der Geschichte der Rabbiner in Mannheim
Über Rabbiner Naphtali Hirsch Katzenellenbogen (gest. 1800
als Rabbiner in Mannheim; Artikel von 1867)
Anmerkung: Naftali Hirsch Moses Katzenellenbogen (geb. ca. 1715 Schwabach,
gest. 1800 Mannheim; Sohn des Rabbiners Moses): studierte in Frankfurt,
1741-1763 Rabbiner für den Tauber-Neckar-Kreis des Deutschen Ordens mit Sitz in
Mergentheim, 1763-1800 Landesrabbiner der
Kurpfalz mit Sitz in Leimen/Heidelberg,
zugleich 1763-68 Hausrabbiner bei Hoffaktor Aron Elias Seligmann in Leimen,
1768 verlegte er den Amtssitz als Landesrabbiners nach Mannheim, hier
gleichzeitig Oberrabbiner an der Klaus, entfaltete eine reiche Lehr- und
Forschungstätigkeit (insbesondere zum Talmud).
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Januar 1867: "Galerie der
Rabbiner. Erste Centurie. (Fortsetzung) 11. (hebräisch und deutsch:)
Rabbiner Naphtali Hirsch Katzenellenbogen hatte sich schon in der
frühesten Jugend zum wahren Rabbiner gebildet, sich mit Freuden allen
Aufopferungen unterworfen, welche dieser Stand mit sich führt und sich der
frömmsten Lebensart beflissen. Kaum war er sechzehn Jahre alt, als er sich
zu Frankfurt am Main durch eine rabbinische Dissertation (Chiluk)
voll Scharfsinn und tiefer Gelehrsamkeit auszeichnete und die Bewunderung
aller Kenner erregte. Der Oberrabbiner Jakob Cohen Poppers* zog ihn an
seinen Tisch und beehrte ihn mit einem Rabbiner-Diplom. Diese Auszeichnung
machte einen tiefen Eindruck auf das Herz der Tochter des Oberrabbiners von
Frankfurt. Frommet, so hieß das junge Mädchen, hatte nun keinen anderen
Wunsch mehr als diesem hochgeehrten Jüngling ihr Leben zu weihen. Ihre
Eltern, die ihren Wunsch bald errieten, überredeten Naphtali Hirsch in
Frankfurt zu bleiben und unter der Direktion Cohen Poppers* sein Studium zu
vollenden. Der junge Katzenellenbogen, der nicht lange vorher seinen Vater
und Lehrer, den Rabbiner |
Moses
Katzenellenbogen von Ansbach verloren
hatte, nahm dieses Anerbieten mit Dank an und so wurde er Schüler und
Schwiegersohn des hochgerühmten Maharich.
Im Jahre 1740 veröffentlichte er in
Homburg vor der Höhe, bei Aaron Zebi Hirsch, die Chiruschei
Ramban oder Discussive Expositionen, zum Talmudtraktat Jebamot von R.
Moses ben Rachman, nach einer alten Handschrift und nannte seine Ausgabe:
Toledot Adam. Bald darauf wurde er zum Rabbiner in
Mergentheim und anderen Gemeinden an
der Tauber und dem Neckar gewählt. Hier schrieb er 1747 eine rabbinische
Approbation zum Zwi Kodesch, eine andere 1761 zum Reschit Chochma.
Aus der Überschrift dieser letzten Approbation geht hervor, dass unser
Rabbiner Katzenellenbogen zur Zeit der Herausgabe des Reschit Chochma,
d.i. 1763 zum Rabbiner in Heidelberg und der Pfalz ernannt wurde, nachdem er
dem Rabbinate von Mergentheim mehr
als 22 Jahre vorgestanden.
In Heidelberg gab er 1767 eine Druckapprobation zu Maimonides (https://de.wikipedia.org/wiki/Maimonides) großem Werke:
Mischne Tora. In demselben Jahre nahm er Anteil an dem Streit der
Frankfurter Rabbiner gegen den Rabbiner von Krefeld. Er stand mit den
meisten Rabbinern Deutschlands auf der Seite der Verfolgten (Vergl. Or
Hajaschar, S.13 a und 13 b). Bei dieser Gelegenheit schrieb er zwei
Rechtsgutachten, wovon eines an R. Teble Heß, Rabbiner in Mannheim,
gerichtet war. Da R. Teble bald darauf starb, so erhielt er dessen Platz in
Mannheim, nachdem er sechs Jahre hindurch in Heidelberg rühmlich gewirkt
hatte. In Mannheim war es ihm vergönnt, noch 32 Jahre lang den Rabbinerstuhl
zu zieren. Er starb im hohen Greisenalter, in der Nacht des 2. Tischri 561,
d.i. den 21. September 1800, nachdem er 60 Jahre als öffentlicher Rabbiner
segensreich gewirkt hatte. Während dieser langen Zeit seiner Amtstätigkeit
gab er über viele in- und auswärtige kasuistische Fragen rabbinische
Bescheide ab, die er gesammelt hinterließ. Die Collect. Michael Nr. 785
enthält einen Teil dieser Rechtsgutachten von seiner eigenen Hand
geschrieben. Die Nr. 788-9 derselben Collection bewahrt eines auf.
*Anmerkung: Jacob Ben Benjamin Cohen Poppers: deutscher Rabbiner, geboren
Mitte des 17. Jahrhunderts in Prag, starb 1740 in Frankfurt a. M. Sein Vater
war ein sehr geachteter Talmudgelehrter. Rabbiner Jacob Cohen Poppers
amtierte als Rabbiner in Koblenz,
Trier und Halberstadt. 1718 wurde er nach
Frankfurt a. M. berufen. Bedeutende Werke: 'Schab Ja'akob' (Frankfurt a. M.,
1742) und 'Hidduschim' (Fürth, 1741)
http://www.jewishencyclopedia.com/articles/12280-poppers-jacob-ben-benjamin-cohen. |
Über
Rabbiner Moses Präger (geb. 1817 in Altdorf, gest. 1861 in Mannheim)
Moses Elias Präger ist 1817 in
Altdorf geboren als Sohn des Lehrers Elias Hirsch Präger und der Gittel
geb. Löwenstein; er studierte in Karlsruhe, Mannheim,
Heidelberg und war 1847-1854 Bezirksrabbiner in
Bruchsal, 1854-1861 Stadt- und
Bezirksrabbiner in Mannheim. 1855 gab er ein neues israelitisches Gebetbuch heraus, das heftigen Widerstand
konservativer Kreise herausforderte. Die Gründung des Mannheimer Waisenvereins
ist ein besonderes Verdienst von ihm. Er starb am 8. November 1861 in
Mannheim. |
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Rechts: Artikel von Rabbiner
Benjamin Willstätter über "Moses Präger" in "Badische
Biographien" Bd. II S. 144-145. Der Artikel wurde nicht
ausgeschrieben - zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
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Text online
siehe:
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/periodical/pageview/152141
|
Auf die Bestätigung der Wahl von Rabbiner Moses Präger durch den
Oberrat wird noch gewartet
(1854)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 30. Oktober 1854: "Die Wahl des Herrn Präger zum Rabbiner in
Mannheim harrt noch immer der Bestätigung von Seiten des Oberrats in
Karlsruhe." |
Rabbiner
Moses Präger veröffentlicht eine Predigt "der
verlorne Sohn" (1857)
Anmerkung: zu Rabbiner Präger vgl. den Wikipedia-Artikel
"Moses Präger" ; Abbildung von Rabbiner Moses Präger:
https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=723706.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Dezember 1857: "Vom Rhein, im Dezember
(Privatmitteilung). Herr Rabbiner Präger in Mannheim hat soeben eine sehr
lesenswerte Predigt, 'der verlorene Sohn', veröffentlicht. Die geistigen und
begeisternden Reden dieses würdigen Mannes haben auch auf den Gottesdienst
der übrigen Landgemeinden Badens sehr segensreichsten Einfluss; hingegen
lässt unser Schulwesen noch vieles zu wünschen übrig. Da trifft man noch
alte und veraltete Schulschriften an (Rosenfelds Fibel) und es ist zu
bewundern, dass die Lehrer Badens sich so wenig nach den neuen Erzeugnissen
der Schulliteratur umsehen.
Wir möchten den Großherzoglichen Oberrat auf die trefflichen, in ganz
Deutschland verbreiteten Schulschriften des Emanuel Hecht aufmerksam
machen. Die Hecht'sche biblische Geschichte, 3. Auflage, die noch Geographie
und Karte von Palästina enthält, verdient ihrer gemütlichen und
kindlichen Darstellung wegen allgemeine Einführung. –
Nicht uninteressant wird den Lesern Ihrer geschätzten Zeitung die Mitteilung
sein, dass ich schon bei einigen protestantischen Pfarrern Ihre Siloah
und Ihr Predigtmagazin fand. Dass auch christliche Gelehrte sich die
Werke jüdischer Autoren – wenn auch vielleicht incognito – anschaffen, hat
immer einige Bedeutung. – Bei dem bekannten Unglücke (sc. Pulverturmexplosion in
Mainz im Jahr 1857) in Mainz, haben die jüdischen Glaubensgenossen
einen tagelangen Gottesdienst abgehalten, und hat sich für die Verunglückten
ein Hilfskomitee aus allen Konfessionen gebildet, welche den Bürgermeister
an der Spitze hat. Wie man hört, soll das Haus Rothschild eine bedeutende
Unterstützungssumme zur Verfügung gestellt haben. I. - L …" |
Anmerkung: Emanuel Hecht
(1821-1862), deutscher Gelehrter und Autor zahlreicher Schriften zur
jüdischen Religion. Siehe einige Texte auf einer
Seite zu Hoppstädten. Wikipedia-Artikel
(englisch):
https://en.wikipedia.org/wiki/Emanuel_Hecht.
|
Rabbiner
Moses Präger hat eine Sammlung seiner Predigten
herausgegeben (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. August 1859: "Wir schließen mit folgender Pièce. Der
Stadtrabbiner M. Präger in Mannheim, ein Mann, der in seinem Amte
aufs Segensreichste wirkt, ist von vielen Zuhörern aufgefordert worden, eine
Sammlung seiner Predigten herauszugeben. Er will Diesem nun nachkommen,
indem unter dem Titel 'Sabbathfeier' eine Reihe von Predigten in je 30, aber
zwanglosen Lieferungen erscheinen soll, von denen jede Lieferung eine
Predigt enthalte. Als Probe wird ausgegeben: 'Das Heiligtum der Religion,
Text 2. Mose 25, 8, gehalten am S. Theruma 5615 (4. März 1854)', und war
dies die Probepredigt des Verfassers zu seinem jetzigen Amte selbst. Mit
Recht wählte daher der Verfasser diese zur Einleitung in seine Sammlung. Er
wollte damit seine Ansichten darlegen, die sich als die der gemäßigten
Reform bezeichnen, welche keinen Neubau, sondern einen Umbau aus dem
geschichtlichen Judentum nach dem Geiste und Bedürfnisse der
fortgeschrittenen Kultur und des frei gewordenen Israels beabsichtigt. Der
Redner legt dies dar, indem er über 'die Aufgabe Israels' spricht, den
'Glauben in seiner Reinheit und das sittliche Leben in seiner Heiligkeit zu
erhalten.' Der Verfasser gehört zu den Rednern, die in edler, ruhiger,
bemessener Weise den Hörer sanft überreden, würdig überzeugen und liebevoll
bestärken, ohne gewaltige Erregung, Schwung und Sturm, anzuwenden. Seine
Weise ist gedankenvoll und angenehm in den Wendungen. Wir wünschen daher
lebhaft, dass das Unternehmen einen glücklichen Fortgang habe." |
Zum Tod von Stadtrabbiner
Moses Präger
(1861)
Anmerkung: zu Rabbiner Präger vgl. den Wikipedia-Artikel
"Moses Präger" .
Vgl. "Gedenk-Rede zu Ehren des seligen Herrn Rabbiners Moses Präger, weil.
Rabbiners zu Mannheim, gehalten in der dortigen Synagoge Sonntag, den 10.
November 1861..."
https://www.google.de/books/edition/Gedenk_Rede_zu_Ehren_des_seligen_Herrn_R/529Owg3TD70C?hl=de&gbpv=1&dq=moses+präger&pg=PA1&printsec=frontcover
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1.
Oktober 1861: "Mannheim, im Dezember (Privatmitteilung).
Durch ein Versehen wurde Ihnen der folgende Nekrolog des seligen
Stadtrabbiners Präger nicht rechtzeitig übersandt. Das Interesse an dem
frühverklärten Manne ist aber zu groß, als dass diese Erinnerung an ihn
nicht noch einen Raum in diesen Blättern finden sollte.
Nekrolog. Die erste Stunde der Ruhe und Fassung, die wir nach dem
tief empfundenen schweren Verluste unseres innig geliebten und verehrten
Freundes, des seligen Stadtrabbiners Präger wiedergewonnen, glauben wir dazu
verwenden zu sollen, dass wir für die zahlreichen Freunde und Verehrer
desselben seinen Lebens- und Bildungsgang in kurzen Umrissen entwerfen.
Moses Präger wurde am Neujahrstage 1817 zu
Altdorf, Amtsbezirk Ettenheim, geboren. Sein Vater, ein Mann der alten
Schule und Richtung, mit gründlichen rabbinischen Kenntnissen ausgerüstet,
von milder und versöhnlicher Gemütsart, den profanen Wissenschaften zwar
fremd, aber durchaus nicht feind, ward im Jahre 1822 als Bezirksrabbiner
nach Bruchsal berufen. In der dortigen
israelitischen Schule genoss der geistesrege Knabe den ersten
Elementarunterricht, während er im zarten Alter schon vom Vater ins
Hebräische eingeführt und zum Studium der Bibel in der Ursprache vorbereitet
wurde. Zur Freude seiner Eltern wie seiner Lehrer wuchs der Knabe wie an
Jahren, so an Kenntnissen und Lernbegierde, und wurde darum zur
theologischen Laufbahn bestimmt.
Ein fleißiger und wissensdurstiger Schüler, ward er bald der Liebling seiner
Lehrer; zu Hause lehrte ihn der Vater Bibel und Talmud kennen. Nach einigen
Jahren des besten Fortgangs sollte der Jüngling auch mit der Lehrweise
anderer namhafter Talmudlehrer sich bekannt machen und wurde zu diesem
Behufe nach Karlsruhe und einige Zeit
später hierher geschickt. Nachdem er so im rabbinischen Fachstudium
gründlich Kenntnisse gesammelt, kehrte er im Herbste des Jahres 1834 ins
Vaterhaus zurück, saß von neuem zu Füßen seines väterlichen Meisters, mit
warmer Kindesliebe die Unterweisung des greisen Vaters in sich aufnehmend,
trat überdies in die oberen Klassen des Gymnasiums ein, das er im Jahre 1837
absolvierte.
So vorbereitet, bezog er alsbald die Universität Heidelberg, wo er bis zum
Jahre 1839 seine Studien mit Fleiß und Eifer oblag, sodass er noch in
demselben Jahre die wissenschaftliche Prüfung mit Auszeichnung bestand und
im nächsten Jahre nach gleichfalls glücklich bestandenem jüdisch
theologischen Examen unter die Zahl der Rabbinatskandidaten aufgenommen
wurde.
Seine erste Probepredigt, ausgezeichnet ebenso wohl durch Ideenreichtum und
glänzende Diktion, als streng logische und leichtfassliche Anordnung,
prognostizierte ihm, er werde mit der Zeit ein talentvoller, tüchtiger
Kanzelredner werden, als welchen er sich später auch in vollem Maße bewährt
hat.
Vom Jahre 1840 ab nahm ihn der Vater zum Vikar an seine Seite und es
gestaltete sich zwischen beiden ein seltenes harmonisches Zusammenleben und
Wirken; die alte und neue Zeit lernten sich miteinander vertragen und
söhnten sich durch wechselseitig liebe- und nachsichtsvolles Entgegenkommen
nach und nach aus. Der Spross der Neuzeit schmiegte sich an den alten Stamm
fest und rankte langsam an ihm empor. Manche neue bessere Ordnung in Schule
und Synagoge wusste der Sohn durch seine Befürwortung beim Vater ins Leben
zu rufen und damit eine weitere |
Reform
anzubahnen; dagegen blieb er aus Pietät dem Vater den weitgreifenden
Reformversammlungen fern, obwohl er grundsätzlich dieselben billigte und
später sich offen dazu bekannte.
Im Jahre 1846 erhielt der Verewigte den Ruf als Landrabbiner in
Meiningen, den er in Rücksicht des
hohen Greisenalters seines Vaters ablehnte, zumal ihm der Großherzogliche
Oberrat die Amtsnachfolge eben zugesichert hatte. Im folgenden Jahre 1847
ward der greise Bezirksrabbiner Präger (sc. Rabbiner Elias Präger) zu
seinen Vätern versammelt, und unser Moses folgte ihm im Amte. Obwohl nunmehr
eine freiere, weil selbständige Stellung behauptend und ungeachtet
vielseitig dazu aufgefordert, vermied unser seliger Freund dennoch, die Bahn
einer entschiedenen religiösen Reform zu betreten, sein milder,
versöhnlicher, den Frieden über alles liebender Charakter hielt ihn davon
ab.
Dem Kultus hingegen widmete er von nun an seine volle Aufmerksamkeit und
Sorgfalt, er wollte ihn erhebender, erbaulicher und nutzbringender machen;
er arbeitete um diese Zeit sein Erbauungsbuch aus, dass im Jahre 1851 zu
Brilon erschien und im vergangenen Jahre verband er sich auch ehelich mit
seiner nunmehr von Kummer beschwerten Lebensgefährtin.
Im Spätjahre 1854 wählte ihn die hiesige Gemeinde zu ihrem Rabbiner und
eröffnete ihm die Bahn, auf der er unsterblichen Ruhm sich errungen. Wir
wagen es nicht, sein Leben und Wirken von hier ab zu schildern; ist dies ja
unser aller Herz und Gedächtnis mit unverlöschlichen Zügen geschrieben – und
dem kommenden Geschlechte mag die vortreffliche Gedächtnisrede erzählen, die
eben dem Drucke übergeben worden.
Was wir mit am 8. des Monats Heimgegangenen verloren, bekundete die
aufrichtige Trauer, die bei der Todesnachricht auf aller Gesicht sich
ausprägte und heute noch nicht verwischt ist, bezeugte ferner die allgemeine
Teilnahme bei der Leichenbestattung und er darauffolgenden Seelenfeier. Zehn
befreundete Amtsgenossen von Nah und Fern gingen trauernd hinter der Bahre
her; alle Kaufläden der israelitischen Gemeinde waren geschlossen, aller
Geschäftsverkehr ruhte zurzeit, da man dem verehrten Seelenhirten die letzte
Ehre erweisen sollte. Die Grabrede hielt der stellvertretende
Klausrabbiner Lindemann; nach ihm drückte der Vorsteher des
Synagogenrats, Herr Dr. Ladenburg, die Gefühle der Gemeinde in
kurzen, aber inhaltsschweren Worten aus. Es folgte nunmehr eine ebenso
erschütternde, als erhebende Seelenfeier in der Synagoge, wobei Herr
Rabbiner Dr. Stein aus Frankfurt die Gedächtnisrede hielt, die
anknüpfend an die Einweihungspredigt des verewigten Lehrers in sinniger und
würdigster Weise dessen Verdienste um die Gemeinde und ganz Israel
hervorhob. Wenn der ausgezeichnete Kanzelredner am Schlusse seines Vortrages
sagte: 'Nur ein solcher Mann konnte in solcher Gemeinde Solches leisten', so
sagten wir: 'Nur ein solcher Redner mit dem liebeswarmen Herzen und der
Feuerzunge konnte vor solcher Gemeinde eines solchen Toten würdige Feier
bereiten.'
'Der Gerechte bleibt in ewigem Andenken'. Diesem Nekrologe lassen Sie
mich hinzufügen, dass unsere Gemeinde die Verehrung gegen ihren verklärten
Lehrer auch durch die Tat erwiesen hat. Die
Gemeinde hat der Witwe auch desselben eine lebenslängliche Pension von 500
Fl. zugesichert; ein Komitee brachte in wenigen Tagen 1.200 Fl. zur
Errichtung eines würdigen Grabdenkmals zusammen und widmete der Witwe eine
von sämtlichen Mitgliedern der Gemeinde unterschriebene Beileidsadresse und
veranlasste die Herausgabe des Bildnisses der Verewigten zu Gunsten der von
ihm gestifteten Waisenanstalt. W……r." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. November 1861: "Mannheim, 10.November. Soeben kommt uns die
Trauerbotschaft zu, dass der Stadtrabbiner Präger seinem Brustleiden erlegen
ist. Die 'Karlsruher Zeitung' berichtet über sein Leichenbegräbnis vom
obigen Datum: Diesen Nachmittag wurde die Leiche des verstorbenen Rabbiner
Präger zur Erde bestattet. Ein Leichenzug, wie er selten hier vorkommt,
folgte dem Sarge. Der Kreisdirektor, großherzogliche Beamte, der
Oberbürgermeister und Mitglieder des Gemeinderats, die Geistlichkeit und die
Volksschullehrer der katholischen und evangelischen Konfession, die
Professoren des Lyceums und der höhern Bürgerschule, Gesangsvereine, die am
Grabe den letzten harmonischen Nachruf brachten, schlossen sich den
israelitischen Rabbinern, der Schuljugend, vielen von auswärts gekommenen
Freunden und Verehrern des Hingegangenen und der großen Schar der hiesigen
Gemeinde an, um dem Verblichenen die letzte Ehre zu erweisen. Eine religiöse
Feier in der herrlichen neuen Synagoge (sc. Hauptsynagoge in F2, 13)
beschloss nach der Rückkehr vom Friedhof
das Leichenbegräbnis, bei welchem durch fremdes Wort und eigenes Gefühl
jedem klar wurde, welch' reichen Schatz redlichen Strebens und
menschenfreundlichen Wirkens hier zu Grabe getragen worden sei.
Anmerkungen: zu Rabbiner Moses Präger vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Moses_Präger;
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/a2-10-32a-praeger-moses-elias;
https://www.geni.com/people/Moses-Präger/6000000027386026780; Abbildung
von Rabbiner Moses Präger:
https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=723706:
Johanna Hachenburg geb. Präger war Moses Prägers Schwester und Mutter des
späteren Juristen Dr. Max Hachenburg.
https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Hachenburg;
Lyceum:
https://www.mannheim.de/de/tourismus-entdecken/stadtgeschichte/stadtpunkte/buergertum-handel-industrie/lyceum
Klausrabbiner Lindmann: Rabbiner Lippmann Lindmann, 1808 - 1877. |
Zur Wiederbesetzung des Rabbinates
(1862)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. April
1862:
"Die Wiederbesetzung des Rabbinats in Mannheim betreffend.
Zur Wiederbesetzung der durch den Tod des Rabbiners Präger erledigten
Stelle in unserer Gemeinde hat der Synagogenrat geeignete Schritte getan,
indem er durch die Gemeinde 12 Männer wählen ließ, welche ihm bei der
Ernennung eines würdigen Nachfolgers ratend zur Seite stehen
werden.
In der am 23. März stattgehabten gemeinschaftlichen Sitzung wurde
beschlossen, bis zum 1. Mai (auch spätestens 15. Mai) dieses Jahres
Vorschläge entgegenzunehmen, welche die Berufung eines kompetenten Mannes
bezwecken. - Eine richtige Wahl ist für unsere Gemeinde von hoher
Bedeutung; es ist aber auch zu erwarten, dass die Bewerbung von Männern
gewürdigt wird, welche bei entsprechenden Eigenschaften die seltene
Gelegenheit finden, einer Gemeinde als Seelsorger vorzustehen, die dem
Fortschritte huldigend, in allen ihren Gliedern vollkommen einig ist.
Möge es den Bemühungen des Synagogenrates gelingen, den rechten Mann
für die Gemeinde zu finden, und wir hoffen, es gibt die Veröffentlichung
dieses seines Beschlusses Veranlassung, dass sich unser Wunsch bald
verwirkliche.
Anmeldungen sowohl als freundliche Hindeutungen auf Männer, welche einem
Rufe folgen möchten, sind zu adressieren an
den Großherzoglichen Synagogenrat in Mannheim. Mannheim, 4. April
1862." |
Rabbiner Dr. Markus Jastrow verlässt Mannheim
(1862)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Markus Jastrow (geb. 1829 in Rogasen, Prov. Posen,
gest. 1903 in Germantown, Penn.): studierte in Berlin und Halle; 1858 als
Prediger in Warschau, 1862 ausgewiesen wegen Beteiligung an der Revolution 1861
und Aufenthalt in Breslau; Wahl zum Stadtrabbiner in Mannheim; im November 1862
vorübergehend nach Warschau zurückgekehrt, doch wieder ausgewiesen; 1864
Rabbiner in Worms; im Herbst 1866 nach Amerika ausgewandert, Rabbiner der
Gemeinde "Rodeph Schalom" in Philadelphia, 1892 Ruhestand).
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November
1862: "Mannheim, 4. November (1862). Nachdem Rabbiner
Jastrow, ungeachtet der gegenteiligen schiedsrichterlichen Entscheidung,
auf seiner Entlassung besteht, wurde solche demselben heute vom
Synagogenrat erteilt. Dr. Jastrow wird nun nächster Tage Mannheim
verlassen und nach Warschau zurückkehren." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. November 1862: "Mannheim, im November
(Privatmitteilung) Der vom hiesigen Synagogenrate zum Stadtrabbinen
gewählte, früher in Warschau fungierende Prediger Dr. Jastrow hatte, nachdem
ihm die Rückkehr nach Polen gestattet worden, dem Rufe dahin wieder folgen
wollen. Auf seinen Wunsch wurde ein Schiedsgericht zusammengesetzt, um über
das Verbleiben oder den Abgang des Herrn Dr. J. zu entscheiden. Das
Schiedsgericht sprach sich für ein Verbleiben an hiesigem Orte aus. Dennoch
fühlte sich Herr Dr. Jastrow gedrungen, Mannheim zu verlassen und nach
Warschau zu gehen. Die Motive hierzu hat er in einem offenen Sendschreiben
vom 2. November veröffentlicht und liegen sie besonders in der
eigentümlichen und bedeutenderen Wirksamkeit, die er unter den jetzigen
Verhältnissen in Warschau sich verspricht, da er mit der wissenschaftlichen
Bildung auch die Fähigkeit, polnisch zu predigen, verbindet." |
Hinweise
zu Rabbiner Isaac Blumenstein (1843 - 1903), 1870 als Rabbinatskandidat in
Mannheim, seit 1871 Großrabbiner in Luxemburg
(eingestellt auf Grund einer Mitteilung von Holger
Hübner, Berlin)
Rabbiner Dr. Isaac Blumenstein (geb. 26. September 1843 in Merchingen, gest. 3.
August 1903 in Luxemburg): Studium in Breslau; 1870 als
Rabbinatskandidat
in Mannheim; seit 1871 Großrabbiner in Luxemburg.
Blumenstein hielt
den viel und teilweise falsch überlieferten
Feldgottesdienst zu Jom Kippur vor Metz im Deutsch-Französischen Krieg;
siehe dazu den Beitrag von Holger Hübner: Der Feldgottesdienst zu
Jom Kippur vor Metz 1870; erschienen in: Zeitschrift für Religions- und
Geistesgeschichte Jg. 63 2011 (Heft 2, April 2011) S. 105-121.
Hinweis: Zusammenfassung
des Beitrages von Holger Hübner (eingestellt als pdf-Datei). |
|
|
Darstellung des
Jom-Kippur-Gottesdienstes vor Metz 1870
mit Rabbiner Dr. Blumenstein, wie er nach der Darstellung
von Hermann Junker stattgefunden hat.
(Quelle
des Fotos)
|
Abbildung eines Erinnerungstuches an den
legendenhaft
ausgeschmückten Gottesdienst zu Jom Kippur vor Metz 1870 auf
dem Buch von Nachum T. Gidal: Die Juden in Deutschland von
der
Römerzeit bis zur Weimarer Republik. Gütersloh 1988. |
|
Artikel
zum Tod von Rabbiner Dr. Isaac Blumenstein in der Zeitschrift "Im
deutschen Reich" vom August 1898 S. 298: "Luxemburg, 9.
August (1898). Im eben vollendeten 60. Lebensjahr ist am 3. dieses Monats
der Rabbiner Dr. I. Blumenstein plötzlich am Herzschlage verstorben. Als
der einzige offizielle jüdische Feldprediger während des Krieges
1870/71, war er es, welcher jenen jüdischen Feldgottesdienst abhielt,
welcher durch das Bild 'Jom Kippur im Felde' weithin bekannt worden ist.
In Anbetracht seiner Dienste während jenes Feldzugs wurde ihm das Eiserne
Kreuz am weißen Bande verliehen. In Luxemburg, wo er 32 Jahre segensreich
gewirkt hat, erfreute er sich allgemeiner Verehrung. Der hiesige nationalliberale
'Volksbote' schreibt: 'Am Leichenzuge, der sich von der Synagoge aus
bewegte, nahmen teil Vertreter der Regierung, des Staatsrates, der
Deputiertenkammer, der Obergerichtshofes, des Bezirksgerichtes, der
Staatsanwaltschaften, der Bureaus der Stadtrates, der Militärbehörden,
der Presse usw. usw. Das Konsistorium war vollzählig erschienen; ebenso
war die hiesige Loge, deren Mitglied er gewesen, sehr zahlreich vertreten.
Eine vielhundertköpfige Menschenmenge aller Stände und aller
Konfessionen angehörend, bildete den Schluss des Leichenzuges.' Der
Bericht schließt mit den Worten: 'Sein Andenken wird nicht bloß bei
seinen Religionsgenossen, sondern auch bei allen Andersgläubigen stets gesegnet
bleiben!'" |
Vgl. Online-Informationen
über die Großrabbiner von Luxemburg |
Über den jüdischen Gottesdienst im Felde
bei Metz - Bericht von
Feldrabbiner Dr. Isaac Blumenstein (1870, geschrieben in Mannheim)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. November
1870: "Der jüdische Gottesdienst im Felde.
Mannheim, 20. Oktober.
Nachstehende Schriftstücke mögen in Ihrem geschätzten Blatte einen Platz
haben. Dr. I. Blumenstein*
*Laut gefälliger Mitteilung begibt sich Herr Dr. Blumenstein in
diesen Tagen wieder nach dem Kriegsschauplatze.
1.
Mannheim, 19. Oktober 1870.
Großherzogliches hochwürdiges Stadtrabbinat Mannheim.
Aus dem Lager vor Metz zurückgekehrt, beehre ich mich über den Erfolg des
mir erteilten ehrenvollen Auftrags ergebenst Bericht zu erstatten:
Durch die Legitimation, welche mir auf Hochdesselben Ansuchen von dem
Bürgermeisteramte und Etappenkommando in Mannheim erteilt worden, erhielt
ich als 'israelitischer Feldgeistlicher' freie Fahrt (II. Klasse) in das
Hauptquartier des 1. Armeecorps, wohin ich mich gemäß der von Seiner
Exzellenz, dem General von Manteuffel (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Edwin_von_Manteuffel) an Großherzogliches
Stadtrabbinat ergangenen telegraphischen Mitteilung d. D. St. Barbe vom 25.
des Monats zunächst zu begeben hatte. Wie Hochdemselben bekannt ist, reiste
ich Donnerstag den 29. September von Mannheim ab, gelangte aber an diesem
Tage nicht weiter als bis nach Saarbrücken; hier wurde mir vom
Etappenkommando Quartier für die Nacht im Hause des Herrn Bankier Michel
Simon angewiesen, woselbst ich freundliche Aufnahme fand. Herr Simon, der
verdienstliche Gemeindevorsteher, und mehrere andere Gemeindemitglieder
zeigten ein lebhaftes Interesse für meine Sendung. Ich kam am folgenden Tage
gegen Mittag nach Courcelles, der letzten Eisenbahnstation vor Metz, und
erreichte vermittelst eines von dem Johanniter Baron von Gramm aus Hannover´mir freundlichst zur Verfügung gestellten Wagens um 2 Uhr meinen
Bestimmungsort. Ich begab mich sofort zu Seiner Exzellenz, dem
Kommandierenden General Herrn von Manteuffel, der aber eben im Begriffe
war, sich mit dem Generalstabe zu Tisch zu begeben. Exzellenz empfing mich
sehr freundlich, lud mich zur Tafel ein und bemerkte, dass er geschäftlich
mich
erst gegen 3 Uhr zu sprechen wünsche. Dankend lehne ich die freundliche
Einladung ab und fand mich zur bestimmten Stunde ein. Ich überreichte Seiner
Exzellenz das verehrliche Schreiben vom 28. des Monats, in welchem
Großherzogliches Stadtrabbinat mich |
zur
Ausübung feldgeistlicher Funktionen
für die Soldaten israelitischen Glaubens präsentierte. Der Herr General
äußerte:
Das Gesuch Großherzoglichen Stadtrabbinats vom 18. des Monats sei zu seinem
Bedauern erst spät angekommen, weshalb die Berufung eines israelitischen
Feldgeistlichen und die Abhaltung eines organisierten Feldgottesdienstes an
den
beiden Neujahrstagen nicht mehr zu ermöglichen gewesen, er habe indes die
Berücksichtigung der Soldaten israelitischen Glaubens bei Heranziehung zum
Dienste an diesen Festtagen, soweit nach den Verhältnissen tunlich, bei
seinem
Armeecorps und der seinen Befehlen untergebenen Division Kummer
angeordnet. Den Gottesdienst am Versöhnungstage betreffend, bemerkte Seine
Exzellenz, dass ich mich nach Olgy zum General von Kummer zu begeben habe,
da in der Division Kummer eine beträchtliche Zahl Soldaten israelitischen
Glaubens sich befinden, aus deren Mitte auch das Gesuch an Großherzogliches
Stadtrabbinat um Verwendung behufs Erlaubnis zur Feier der hohen Festtage
ergangen ist. Die Division Kummer besteht nämlich aus mehreren kombinierten
Landwehrregimentern, die den Provinzen Posen, Ost- und Westpreußen
angehören. Im Laufe der Unterredung, in welcher Herr von Manteuffel
wiederholt seine Freude über meine Sendung ausdrückte und mir alle
Vergünstigungen bereitwilligst zu gewähren versprach, bemerkte er jedoch,
dass
sein Corps fast täglich engagiert sei, er also eine bestimmte Zusage in
Betreff
der Teilnahme an dem Gottesdienste seitens der Israeliten dieses Corps
vorerst
nicht machen könne. Schließlich wies mich Seine Exzellenz an seinen
Adjutanten Major von Frankenburg, und dieser gab mir ein Schreiben, mit
welchem ich den Weg nach Olgy ungehindert passieren würde. Herr Oberst von
der Gol(t)z, von welchem ich den Wagen erhielt, gab mir noch, da die Wege
wegen der Francs-tireurs (Freischützen vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Franctireurs)
unsicher sind, eine reitende Ordonnanz mit. In der Tat hatte der
Weg
nach Olgy ein recht kriegerisches Ausleben; beträchtliche Truppenmassen
lagerten auf freiem Felde, ihr Mittagsbrot am Biwakfeuer abkochend. Ich
wurde
sehr oft von den wachhaltenden Soldaten nach meiner Legitimation gefragt,
aber
das Schreiben des Herrn von Frankenburg und meine Ordonnanz bahnten mir
überall den Weg. – Gegen 4 Uhr in Olgy angekommen, hatte ich sofort eine
Unterredung mit dem General von Kummer. Dieser sagte mir, dass laut
Corpsbefehl die israelitischen Soldaten seiner Division am Abend des 4. und
am
5. Oktober vom Dienste im Heere befreit seien. Er werde mir gern nach
geschehener Ermittlung die Zahl der jüdischen Soldaten und den Ort für den
abzuhaltenden Gottesdienst telegrafisch angeben. Mein Verlangen, den
Gottesdienst in dem drei Stunden entfernten Dorfe Bonlais, woselbst seine
Synagoge ist abzuhalten, erklärte der General für untunlich. Wir müssen,
sprach
er, immer darauf gefasst sein, innerhalb von 10 Minuten alarmiert zu werden
und alsdann hat die gesamte Mannschaft gefechtsbereit auszurücken. Er
versprach mir seine telegrafische Mitteilung für spätestens Sonntag den 2.
Oktober vormittags, worauf ich ihm sofort antworten müsse, ob ich mich an
dem
von ihm bezeichneten Ort hinbegeben wolle. Um 5 Uhr war ich wieder in St.
Barbe, woselbst mir eine Stube zur Wohnung angewiesen wurde, die mich
innerhalb der Verhältnisse noch sehr befriedigte. Mit Spannung erwartete ich
Sonntagvormittag das Telegramm des Herrn von Kummer, aber vergebens. Auf
dem Büro des Feldtelegrafen erfuhr ich nachmittags 4 Uhr, dass inzwischen
General von Kummer in der Nacht des 31. Septembers mit seiner ganzen
Division von Olgy aufgebrochen und auf das linke Ufer der Mosel marschiert
sei; es wurden überhaupt in den Tagen des 31. September und 1. Oktober
größere Dislocationen im Lager vorgenommen. Sonntag, den 2. Oktober hörte
man, dass die Division Kummer in einem starken Vorpostengefecht sich
befinde; die Kunde erhielt durch den in St. Barbe vernommenen Kanonendonner
volle Bestätigung. Ich unterließ dennoch nicht, telegrafisch bei Herrn
General
von Kummer anzufragen, wie ich es mit dem Feldgottesdienste zu halten habe
und erhielt von einem Offizier seiner Division folgende telegrafische
Antwort:
'Da das Corps in den nächsten Tagen voraussichtlich stark engagiert ist, so
vermag Exzellenz keinen Tag zu bestimmen.' Einen Augenblick hatte es den
Anschein als ob mein Vorhaben völlig misslungen sei, ich begab mich jedoch
zum Adjutanten des Herrn von Manteuffel, Major von Frankenburg und bat ihn,
da voraussichtlich ein Gottesdienst mit der Division Kummer nicht zustande
käme, einen solchen mit den israelitischen Soldaten eines anderen Corps zu
ermöglichen. Herr von Frankenburg unterbreitete mein Gesuch dem Herrn von
Manteuffel, welcher hierauf die Abhaltung eines Gottesdienstes am
Dienstagabend und Mittwoch in St. Barbe für das I. Armeecorps genehmigt und
angeordnet hat.
Montag, den 3. Oktober traf mich Herr von Manteuffel und machte mir von
seiner Anordnung persönlich freundliche Mitteilung, mit dem Ausdrucke des
Bedauerns, dass er |
für
die Israeliten der Division Kummer nichts mehr
anzuordnen habe, da letztere seinen Befehlen nicht mehr untergeben ist.
Seine Exzellenz bemerkte, dass der Gottesdienst in St. Barbe dem Mittelpunkt
der Standquartiere, stattzufinden habe, da auch die am Gottesdienst
teilnehmenden Soldaten bei einer etwaigen Alarmierung in kürzester Zeit zu
ihren Abteilungen zurückkehren müssten. 'Kommt Barzaine, so hört alles auf'
(vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/François-Achille_Bazaine). Die weiteren
Anordnungen möge ich mit seinen Adjutanten vereinbaren. Nach einer
Besprechung mit letzterem wurde zunächst die Zeit für den Gottesdienst dahin
festgesetzt, dass derselbe Dienstagabend von 6 -7 1/2 Uhr, Mittwochmorgens
von
8 bis gegen 11 Uhr und nachmittags von 3- 6 Uhr abgehalten werde, dass aber
jedenfalls die Soldaten nach vollbrachter Andacht in ihre Quartiere sich
zurückgegeben haben. Das Bedürfnis des Nachmittagsgottesdienstes, nachdem
bereits einer am Vormittage stattgefunden, wollte dem Herrn Major nicht
einleuchten, zumal unter den obwaltenden Verhältnissen. Er meinte auch, dass
ihm dadurch neue Schwierigkeit wegen der nötig werdenden Verpflegung der
Soldaten entstehen würde! Eine Besorgnis, deren Beseitigung ich für Jom-Kippur leicht übernehmen konnte. – Eine nicht unwesentliche Schwierigkeit
bot
noch die Wahl des Ortes. Von einem eigentlichen Feldgottesdienste musste für
Dienstagabend wegen der Dunkelheit und auch für Mittwoch aus
selbstverständlichen Gründen abgesehen werden. Es ist erwähnenswert, dass
mir
die Benutzung der katholischen Kirche angeboten wurde, obwohl dieselbe erst
von einer großen Zahl Soldaten, ihren zeitigen Bewohnern, für diesen Zweck
hätte geräumt werden müssen! –
Da jedoch ein Königsberger Arzt, mein unmittelbarer Nachbar, mir
bereitwilligst sein dem meinigen angrenzenden Zimmer einräumte, so fand der
Gottesdienst in diesen beiden Räumen statt.
Zum Gottesdienste erschienen nun Dienstag am Vorabend des
Versöhnungstages fast sämtliche israelitische Soldaten aus den Regimentern
1,
5, 43 und 44; als ihre Heimat bezeichneten sie größtenteils: Thorn (Torun),
Culm, Danzig und Tilsit, mehrere derselben sind zur Auszeichnung mit dem
eisernen Kreuze vorgeschlagen; die meisten kamen aus den Dörfern Colombey,
Ogy, Servigny, Retonfey, Flanville und Laquenexy. Wenige Minuten vor 6 Uhr
ließ ich den Gottesdienst beginnen. Ein Unteroffizier trug die sämtlichen
Gebete
sehr angemessen vor. Vor dem Schlussgebet Olenu hielt ich die Predigt über
den
Text aus Jeremia, Kapitel 31, Vers 15 und 15: 'So spricht der Ewige, halte
zurück deine Stimme vom Weinen und dein Auge von Tränen, denn ein Lohn ist
für dein Tun, ist der Spruch des Ewigen, und sie werden zurückkehren aus dem
Lande des Feindes. Und Hoffnung ist für die Zukunft, ist der Spruch des
Ewigen, und es werden zurückkehren die Kinder in ihr Gebiet.'
Ich mahnte
meine Krieger Mut zu fassen im Vertrauen und in der Hoffnung auf Gott. Jeder
möge heute an diesem heiligen Tag mit dem Erzvater Jacob aus vollem Herzen
geloben und beten: 'Wenn Gott mit mir sein wird und mich behüten auf diesem
gefahrvollen Weg, den ich gehe, und ich nach errungenem glorreichen Frieden
heimkehre in mein elterliches Haus, so soll der Ewige mir zum Gotte sein;'
eine
innere Stimme werde ihm alsdann den Spruch des Ewigen, des Erhörers aller
aufrichtigen Gebete, verkünden: Nicht vergeblich ist deine opferwillige,
todesmutige Hingebung, 'ein Lohn ist für dein Tun', du wirst ruhmgekrönt
zurückkehren aus dem Lande des Feindes. Aus den mächtigen Ereignissen,
welche die Söhne des Vaterlandes mit Gottesmut und Gotteskraft heldenmütig
vollbringen, ertöne laut und vernehmlich die Gottesverheißung einer großen
Zukunft für das Vaterland, da auch die beinahe seit zwei Jahrhunderten
entfremdeten Kinder wieder zurückkehren werden in den Schoß ihrer Mutter.
Ich entwickelte dann anschließend die Bedeutung des Versöhnungstages in der
obwaltenden Lage und schloss mit einem Gebete für den König, unsern
Schirmherren, dessen Verbündete, für das deutsche Heer, die deutschen Stämme
und für Israel. –
Eine wahrhaft erhebende Andacht herrschte während des ganzen Gottesdienstes;
so innig und bewegt wurde wohl selten gebetet als an diesem Abende. Als ich
von dem Gebete des Erzvaters (Jacob) über die 'Heimkehr zum eignen Herd in
Frieden' sprach, musste ich, unterbrochen durch das Weinen und Schluchzen
der Zuhörer, mehrere Minuten innehalten. Mit Ausnahme der wenigen Soldaten,
welche den Lazarettdienst versehen und deshalb in St. Barbe blieben, begaben
sich alle übrigen nach Beendigung des Gottesdienstes in ihre Quartiere
zurück,
manche mussten einen dreistündigen Weg zurücklegen. Am anderen Morgen
waren sie alle zur festgesetzten Zeit erschienen. Der Vorbeter von gestern
verrichtete das Schachris- (sc. Morgengebet) und Musaphgebet (https://de.wikipedia.org/wiki/Musaf) und in Ermangelung einer
Thorarolle erklärte ich den Inhalt |
des
Tagesabschnitts und die Haftara (https://de.wikipedia.org/wiki/Haftara) aus Jesaias. Anknüpfend an den verlesenen Vers über den Tod der Söhne Arons
beleuchtete ich das Wesen jener hohlen Begeisterung, welche zum Untergange
führen müsse, weil sie ohne Sittlichkeit und Religion nur aus dem 'fremden
Feuer', aus der Sucht nach eitler Größe und falscher Gloire entsteht,
während
der echten, wahrhaften Begeisterung, die aus dem Streben nach Recht,
Wahrheit
und Liebe hervorquillt, der Sieg nie ausbleibt. Da unter den Anwesenden
mehrere sich befinden, welche in den Schlachten gefallene Kameraden
betrauerten, sprach ich noch über die tiefe mustergültige, aber stille,
gottergebene Trauer Arons bei dem Tode seiner geliebten Söhne. Es fand
übrigens wie üblich nach Schachris (sc. Morgengebet) eine Seelenfeier (Hastoras N'schema)
statt,
in welche ich noch ein besonderes Gebet für die gefallenen Krieger
einschaltete.
Nach dem Musaphgebete verblieb noch eine Anzahl zurück mit Gegenständen
der Andacht sich beschäftigend. Um 3 Uhr fand sich die fromme Schar wieder
ein, mit Ausnahme von wenigen, welche sich schon zum Vorpostendienste für
den folgenden Tag bereithalten mussten. Wir beteten sämtliche Gebete, von
Mincha (https://de.wikipedia.org/wiki/Mincha) und N'ilah
(https://de.wikipedia.org/wiki/Neïlah); ein Unteroffizier war auf sein Verlangen Vorbeter für
Minchah und ich für N'ilah.
Nachdem der Gottesdienst mit Sonnenuntergang beendigt war, richtete ich an
die Anwesenden noch einige Worte der Anerkennung für die fromme, lebhafte
Beteiligung am Gottesdienste, der mir selbst eine teure Erinnerung fürs
ganze
Leben sein werde. Hierauf ergriff Herr Hirschberg, Vizefeldwebel aus Culm,
dem, wie ich hörte, die Ernennung zum Lieutenant bevorsteht, das Wort und
drückte im Namen seiner Kameraden den herzlichsten Dank aller Anwesenden
zu überbringen. Es sei ihnen schon längst ein Herzensbedürfnis gewesen, in
einer Stunde gemeinsamer Andacht ihr bedrängtes Herz vor Gott auszuschütten;
sie hätten jetzt dem Drange ihres Herzens genügt und würden in freudiger
Stimmung und mit ruhigem Gewissen der Zukunft entgegengehen. Im Namen
sämtlicher Kameraden wurde ich von Herrn Hirschberg ersucht, einen
Gottesdienst für das I. Armeecorps bald wieder abzuhalten. In gehobener
Stimmung trennte sich die andächtige Schar.
Am folgenden Tage, den 6. Oktober, machte ich Seiner Exzellenz dem Generale
von Manteuffel Anzeige über den stattgefundenen Gottesdienst, und indem ich
demselben seitens meiner und der israelitischen Soldaten ebenso innig wie
ergebener Dank abstattete, trug ich ihm das Verlangen der letztern und
baldige
Wiederholung eines Gottesdienstes vor. Herr von Manteuffel nahm meine
Mitteilung sehr freundlich entgegen und äußerte seine freudige
Befriedigung.
Er beauftragte mich, Großherzoglichem Stadtrabbinat seinen Dank für meine
Sendung zu überbringen. Den fernen Gottesdienst betreffend, frug mich Herr
von Manteuffel, wann ich denselben zu halten gedenke, er erachte jedoch in
Anbetracht der Verhältnisse einen solchen erst nach Ablauf von drei Wochen
für
tunlich.
Auf Weisung des Herrn von Manteuffel wurde mir auch für die Rückreise freie
Fahrt gewährt.
Großherzogliches Stadtrabbinat wolle gütigst die Ausführlichkeit meiner
ergebenen Mitteilungen entschuldigen und mir noch einige Schlussbemerkungen
gestatten:
Niemand, der die Gemütsverfassung der israelitischen Soldaten aus eigener
Erfahrung kennengelernt, wird die Dringlichkeit der Anstellung von jüdischen
Feldgeistlichen bestreiten können. Es fehlt freilich nicht an solchen, deren
religiöser Indifferentismus oder gar Scheu, sich als Jude öffentlich zu
bekunden,
selbst von dem Ernste des Krieges nicht überwunden ist, allein diese, bilden
eine
verschwindende Minorität; die große Mehrheit der israelitischen Soldaten ist
voller Sehnsucht nach religiöser Einwirkung, sie besitzen Gebetbücher, Zizis
(Zizit, vgl.
https://de.wikipedia.org(wiki/Zizit) und Tephilin (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tefillin), und diejenigen, welche solcher ermangeln, äußern ein
brennendes Verlangen nach denselben. Der religiöse Sinn und das Bedürfnis
nach einer richtigen Leitung ist unbedingt in großer Tiefe vorhanden. Die
nicht
zu leugnende Schwierigkeit, welche in dem Umstande liegt, dass die
israelitischen Soldaten in den Regimentern zerstreut sind, spricht nicht für
die
Unmöglichkeit, vielmehr für die noch größere Notwendigkeit der fixen
Anstellung von jüdischen Feldgeistlichen. Das Bedürfnis sowohl als auch die
Möglichkeit einer geistlichen Tätigkeit für die Israeliten in der Armee
beweist
meine von Seiner Exzellenz dem General von Manteuffel angenommene
Sendung und Ausführung derselben, wenn sie auch nur auf einen Teil der
Soldaten sich erstrecken konnte. Dass es mir nicht gelungen ist, sämtliche
in der
Belagerungsarmee vor Metz zerstreuten Israeliten zu einem gemeinschaftlichen
Gottesdienste zu vereinen, lag wesentlich nur in der Spannung des
Augenblicks,
wo fortwährend Gefechte bevorstanden, weshalb auch unvorhergesehene
Dislocationen vorgenommen |
werden
mussten, Umstände, die selbst auf dem
Kriegsschauplatze nicht die Regel bilden. Über die Zerstreuung der
israelitischen
Soldaten in dem 12 Meilen umfassenden Lager war allerdings für mich ein
mächtiges Hindernis, aber auch für mich, weil ich für unsere Zwecke völlig
unvorbereitete Verhältnisse vorgefunden, da bei meiner Ankunft in St. Barbe
und Olgy selbst die Zahl der vorhandenen Israeliten erst zu ermitteln
gewesen.
Ein im Lager fix angestellter Feldgeistlicher würde mit Leichtigkeit in der
Lage
sein, die Verhältnisse sich zeitig zurecht zu legen und in verschieden
Zeiten mit
verschiedenen Abteilungen an verschiedenen Orten gottesdienstliche
Versammlungen abzuhalten. Im Übrigen besteht ja die Wirksamkeit des
Feldgeistlichen nicht lediglich in der Abhaltung von gemeinschaftlichen
Gottesdiensten, sondern vorzüglich auch in der Einwirkung auf den Einzelnen
durch erspriesliche Zusprache, in den verschiedenen Lagen, welche die
Verhältnisse herbeiführen, und durch hilfreichen Beistand in Wort und Tat. –
Die vollste Anerkennung und Dankbarkeit schulde ich seiner Exzellenz, dem
Herrn von Manteuffel, der mit allem Nachdrucke mein Vorhaben förderte und
mich auch persönlich mit großer Freundlichkeit behandelte, was zur Folge
hatte,
das sämtliche Herren Offiziere sehr zuvorkommend gegen mich waren. Ich
bemerke noch, dass ein von Seiner Majestät dem König ergangener allgemeiner
Armeebefehl behufs Befreiung der israelitischen Soldaten vom Kriegsdienste
während der hohen Festtage im Lager vor Metz völlig unbekannt ist; die
desfallsigen Anordnungen wurden namens es Kommandierenden Generals von
Manteuffel als Corpsbefehl den Truppen verkündet. Ebenso konnte ich nicht
erfahren, ob die Soldaten aus der Division Kummer, auf deren Verlangen meine
Sendung entstanden, am Versöhnungstage einen Gottesdienst abhalten konnten,
obwohl die Zeitungen, wie ich glaube ohne Grund, soviel davon berichteten.
Indem ich Hochdemselben wiederholten Dank für das in mich gesetzte
Vertrauen ergebenst ausspreche, erkläre ich bereitwilligst, eine zweite
Reise zu
der von Seiner Exzellenz dem Generale von Manteuffel bewilligten Zeit nach
St.
Barbe zu unternehmen.
Großherzoglichem Stadtrabbinat
ganz ergebenster Dr. I. Blumenstein." |
Stadtrabbiner Dr.
Bernhard Friedmann tritt in den Ruhestand
(1879)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 29. Juli 1879: "Frankfurt a. M., 16. Juli. (Privatmitteilung: Diese Mitteilung kommt uns aus zuverlässiger Quelle zu und tritt den
mannigfachen Gerüchten entgegen, die über den Vorgang verbreitet werden.
Redaktion.) Demnächst wird eines der
bedeutendsten Rabbinate Deutschlands vakant. Der Stadtrabbiner Dr. Friedmann
in Mannheim hat sich in Folge seines durch harte Schicksalsschläge
erschütterten Gesundheitszustandes (es sind ihm in den letzten drei Jahren
nacheinander drei Söhne in der Blüte der Jahre gestorben) veranlasst
gesehen,
seine Versetzung in den Ruhestand nachzusuchen. Das Gesuch ist unter
Zusicherung einer angemessenen lebenslänglichen Pension von dem
Synagogenrat genehmigt worden.
Herr Dr. Friedmann wird also demnächst in den Ruhestand treten und, wie wir
hören, wird auch der erst seit kurzem als zweiter Stadtrabbiner fungierende
Herr
Dr. Porges seine Stelle aufgeben, die nur dadurch ihm wünschenswert war,
dass
sein Schwiegervater zu erster Stelle stand. – Es ist ein Vorzug der
Mannheimer
Gemeinde und seit den Tagen des seligen Rabbiners Dr. Präger das Verdienst
ihrer Führer, dass, während in anderen großen Gemeinden durch die
verschiedenen Parteirichtungen Spaltungen hervortraten, die sich als eine
einheitliche große Gemeinde behauptet hat. Möge ihr dieser beneidenswerte
Vorzug auch in der Zukunft erhalten bleiben!" |
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. Bernhard
Friedmann (1820-1886) siehe Grab
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/b1-b-05-15-friedmann-bernhardyechiel-dov-dr
|
Ausschreibung der Stadt-Rabbiner-Stelle
(1879)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 29. Juli 1879: "Die Stadt-Rabbiner-Stelle dahier kommt, vom 1. September dieses Jahres ab –
wegen Pensionierung und Wegzug des seitherigen Inhabers in Erledigung, und
wird baldige Wiederbesetzung beabsichtigt:
Es soll einstweilig – zunächst für die bevorstehenden hohen Feiertage –
gegen
angemessene Honorierung ein akademisch gebildeter tüchtiger Kanzelredner
berufen werden, dem sich vielleicht Aussicht auf dauernde Anstellung hier
eröffnen könnte.
Geeignete Bewerber (Rabbinatskandidaten) werden eingeladen, sich deshalb
unter Vorlage ihrer Zeugnisse sofort bei uns zu melden.
Mannheim, im Juli 1879: Der Synagogenrat." |
Zum Tod von Rabbiner Dr.
Bernhard Friedmann
(1886)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Mai 1886: "Am 23. April verstarb im Stephansfeld der Rabbiner
Dr. B. Friedmann. Die 'Neue Badische Landeszeitung' vom 30. April
bringt ein 'Eingesandt', das einen enthusiastischen Nekrolog enthält. Wir
entnehmen demselben Folgendes: Geboren in Kempen (Großherzogtum Posen) wurde
er frühzeitig von den talmudischen Kapazitäten seiner Vaterstadt in das
Studium der jüdischen Theologie eingeführt. In Breslau, wohin seine Eltern
verzogen waren, absolvierte er das Friedrichsgymnasium und die Universität,
auf welcher er sich dem Studium der Philologie und Philosophie widmete und
mit den bedeutendsten Männern dieser an geistiger Zierde so reichen Stadt
wie Branitz, Elvenich (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Joseph_Elvenich), Roßbach (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/August_Rossbach), Westphal (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Westphal), Nissen, Geiger (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Geiger), Grätz (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Graetz), Berthold Auerbach (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Berthold_Auerbach), Eduard Lasker (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Lasker) und Ferdinand Lasalle (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Lassalle), dessen Lehrer er
gewesen, den lebhaftesten, geistigen Verkehr unterhielt. Er bekleidete das Rabbinat in
Nakel (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nak%C5%82o_nad_Noteci%C4%85) und wurde auf Empfehlung Berthold Auerbachs zur Übernahme des
Mannheimer Stadtrabbinats berufen. Im Großherzogtum Posen vertrat er durch
Wort und Schrift das Deutschtum gegenüber den nationalpolitischen
Bestrebungen und während der Konfliktzeit, wurde ihm ein Mandat für das
Abgeordnetenhaus angetragen. Zur Zeit der kirchlich-politischen Reaktion
trat er am Ende der vierziger Jahre als Journalist in Breslau der
Kreuzzeitungspartei entgegen und verfocht mit großem Geschicke und scharfer
Feder die Forderungen des freisinnigen deutschen Bürgertums. In Gemeinschaft
mit Grätz trat er den reaktionären Bestrebungen Stahls und Bauers auf
wissenschaftlichem Gebiete entgegen und veröffentlichte mehrere gegen die
Tübinger Jahrbücher gerichtete wissenschaftliche Arbeiten über 'die
Fortdauer des Opferkultus nach der Zerstörung des zweiten Tempels'.
Friedmann war ein bedeutender Talmudist und ein ausgezeichneter Kenner des
gesamten rabbinischen Schrifttums. Politisch liberal und Feind aller
reaktionären Bestrebungen, huldigte er innerhalb der jüdischen Theologie nur
dem gemäßigten Fortschritte, der von der nivellierenden Reform wie von der
stabilen Orthodoxie gleichweit entfernt war.' (Leider aber musste er in
Folge eines moralischen Konflikts sein Amt niederlegen.) " |
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. Bernhard
Friedmann (1820-1886): Grab siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/b1-b-05-15-friedmann-bernhardyechiel-dov-dr.
|
Ausschreibung der Stelle des zweiten Rabbiners
(1886)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Juni
1886: "Vakanz.
Die Stelle eines zweiten Rabbiners in hiesiger Gemeinde, verbunden
mit der eines Rabbiners an der Lemle-Moses'schen Clausstiftung und
Direktors der künftigen Präparandenschule daselbst soll alsbald besetzt
werden. Besonderer Wert wird gelegt auf die Befähigung zum Lehrfach.
Jährliches Einkommen circa 5.000 Mark nebst freier Dienstwohnung.
Meldungen sind unter Anschluss der Zeugnisse anher einzureichen.
Mannheim, den 6. Juli 1886. Der Synagogenrat." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. Juli 1886:
Text wie oben. |
Rabbiner
Dr. P. Cohn wird Distriktsrabbiner in Ansbach (1894)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. Juni 1894: "Zum Distriktsrabbiner in Ansbach
ist Rabbiner Dr. P. Cohn in Mannheim gewählt
worden". |
25-jähriges Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Moritz Steckelmacher (1905)
Hinweis: zur Familie von Rabbiner Dr. Steckelmacher vgl. Seite zu seinem Sohn
Rabbiner Dr. Ernst Steckelmacher:
http://juden-in-frankenthal.de/rabbiner-und-kantoren/rabbiner-ernst-steckelmacher/
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 19. Mai 1905: "Mannheim. Der Stadtrabbiner Dr. Steckelmacher
feierte am 10. Mai sein 25jähriges Amtsjubiläum als Beamter der
hiesigen jüdischen Gemeinde." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Mai 1905: "Mannheim, 29. Mai. Eine Reihe von
Festen finden jetzt unserer Gemeinde statt. Zunächst feierte unser allgemein
verehrter Stadtrabbiner Dr. Steckelmacher sein fünfundzwanzigstes
Amtsjubiläum. Im Mittelpunkte der erhebenden Feierstunde stand der
Festgottesdienst, welcher vormittags in der Synagoge stattfand. Das
Gotteshaus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Außer dem vollzählig
erschienenen Synagogenrat waren anwesend: Herr Geheimer Regierungsrat
Oberrat Dr. Mayer aus Karlsruhe, die Herren
Bürgermeister v. Hollander und
die Stadträte Hirschhorn und Leonhard. In seiner Festansprache dankte der
Jubilar der Gemeinde für die guten Wünsche, welche ihm dargebracht, mit dem
feierlichen Versprechen, in den seitherigen Bahnen weiter
wirken zu wollen zum Segen der ihm lieb gewordenen israelitischen Gemeinde
Mannheims. Rabbiner Dr. Oppenheim hielt nach dieser tief ergreifenden Rede
ein allgemein zu Herzen gehenden Segensspruch auf den Jubilar. Die Feier
wurde verschönt durch die Gesangsvorträge des Kantors Nettler. Der
Synagogenchor brauchte außerdem unter Leitung des Musikdirektors Hänlein
einige Lieder zum Vortrage. Nach dem Gottesdienste versammelten sich die
Ehrengäste auf Einladung des Vorsitzenden des Synagogenrats, Stadtrat Max
Stockheim, in der Privatwohnung des Jubilars, wo der Synagogenrat und die
Abordnungen der Wohltätigkeitsvereine Dr. Steckelmacher noch die besonderen
Glückwünsche zu seinem Ehrentage darbrachten. Bei dieser Gelegenheit wurde
dem Jubilar eine Reihe wertvoller Ehrengaben überreicht. Am 21. ds. findet
das fünfzigjährige Jubiläum unserer Synagoge und des Synagogenchors statt.
Darüber berichte ich Ihnen nächstens." |
Anmerkung zu einigen der genannten
Personen: Bürgermeister Eduard von Hollander (1852-1935); Theodor
Nettler (1851-1927), war zuletzt Oberkantor, zu seinem Grab siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f1-a-07-13-nettler-theodor;
Rabbiner Dr. Gustav Oppenheim (1862 – 1940) war Stadtrabbiner in
Mannheim 1900-1933, siehe
https://www.akg-images.de/archive/-2UMDHUZ1XQ78.html; Max Stockheim
(1835 – 1908) war Weinhändler und Oberrat, zum Grab siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/d1-b-04-01-stockheim-max;
Albrecht Hänlein (1846 - 1909), Klavierlehrer, Pianist, Organist und
Dirigent in Mannheim (nichtjüdisch), übernahm 1880 den Orgeldienst und den
Chor in der Synagoge in Mannheim, vgl.
http://www.schwaebische-orgelromantik.de/personen/haenlein-albrecht/haenlein-albrecht.htm.
|
Predigt von Rabbiner Dr. Moritz Steckelmacher zu Ehren des neuen
oberrätlichen Gebetbuches
(1907)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 27. Juni 1907: "Mannheim, 20. Juni. Am vergangenen Samstag
hielt der Herr Stadt- und Konferenzrabbiner Dr. Steckelmacher, das
hervorragendste theologische Mitglied des Großherzoglichen Oberrats der
Israeliten Badens, in der hiesigen großen Synagoge eine flammende Predigt zu
Ehren des neuen oberrätlichen Gebetbuchs, in der er die Gegner dieses
radikalen Werks der Reform mit Korach und seiner Rotte in Parallele stellte.
Die hiesigen Gemeindemitglieder sind über diese Unduldsamkeit und
Gehässigkeit empört." |
Anmerkung: Rabbiner Dr. Moritz
Steckelmacher, Stadtrabbiner (1851 in Boskowitz (Mähren) – 1920 in
Bad Dürkheim). |
Zum Tod von Stadtrabbiner Dr.
Moritz Steckelmacher
(1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juni
1920: "Mannheim, 25. Mai. Stadtrabbiner Dr. Steckelmacher
ist am ersten Festtag nach langem schweren Leiden in
Bad Dürkheim im 69. Lebensjahre
gestorben. Er stammte aus Boskowitz in Mähren und besuchte in jungen Jahren
die Jeschiwa in Preßburg (Bratislava). Seine theologischen Studien
absolvierte er in Breslau und diente seitdem dem Reformjudentum. Im Jahre
1880 kam er als Stadtrabbiner nach Mannheim und war auch als Mitglied der
Religionskonferenz des Badischen Oberrates der Israeliten tätig.
Steckelmachers Wirken auf karitativem Gebiete war allgemein geschätzt.
Schriftstellerisch ist er
hervorgetreten mit der Schrift: 'Die formale Logik Kants in ihrem Verhältnis
zum Transzendentalen', 'Die Gottesidee der Offenbarung und des Heidentums'
und verschiedene Predigtbänden." |
Anmerkung: Rabbiner Dr. Moritz
Steckelmacher, Stadtrabbiner (1851 in Boskowitz (Mähren) – 1920 in
Bad Dürkheim). |
Rabbiner Dr. Max Grünewald wird als Gemeinderabbiner gewählt
(1926)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom
5. Februar 1926: "Mannheim. (Wahl des Gemeinderabbiners). Zum
Gemeinderabbiner wurde der seit April vorigen Jahres hier als Rabbinatsverweser tätige Herr Dr. Max Grünewald gewählt." |
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. Max Grünewald
vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Grünewald. Rabbiner Grünewald
(Hauptsynagoge) gründete 1925 die Jugendgemeinde und initiierte 1929 die
Gründung des Mannheimer Lehrhauses. Ab 1933 setzte er sich für die Gründung
jüdischer Schulklassen ein. An der Luisenschule, heute Max-Hachenburg-Schule,
wurde eine jüdische Schulklasse eingerichtet. 1934 wurde er zum
Gemeindevorsitzenden gewählt. Im April 1938 ging er mit seiner Familie nach
Berlin, Im August 1938 emigrierte Familie Grünewald nach Palästina aus, ein
Jahr später in die USA. |
Antrittspredigt von Rabbiner Dr. Geis
(1934)
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung"
vom 15. Juli 1934: "Aus dem Reiche. Antrittspredigt von Rabbiner
Dr. Geis in Mannheim
Der Jüdisch-liberalen Zeitung vom 6. Juli entnehmen wir, Rabbiner Dr. Geis,
der vor kurzem als Nachfolger von Dr. Lemle hierher kam, hielt jüngst in der
gut besuchten Hauptsynagoge seine Antrittspredigt. An den Wochenabschnitt
anknüpfend stellte er dabei Aron und Moses, d.h. das gesicherte Schicksal
der Priester und das ungewisse, unsichere der Propheten einander gegenüber,
um dann zum ungewissen Schicksal der Juden in der Gegenwart überzugehen. Der
heutigen Rückkehr so vieler zum Judentum steht Dr. Geis, wie er u.a.
betonte, was die gleichzeitige tiefe innere Rückkehr anlangt, etwas
skeptisch gegenüber. Es genüge heute nicht, zum Judentum Ja zu sagen und zum
jüdischen Schicksal, sondern man müsse sich auch in vollem Umfange darüber
klar sein, was es heute, nach dem Jahrhundert der Emanzipation heiße, den
Weg zurück zu gehen. Dabei sei es auch nicht mit dem Hebräisch lernen und
mit Geschichtskenntnissen allein getan, sondern es gelte, sich innerlich zu
wandeln mit jener Kraft, die uns auch das Leid und Schicksal dieser Zeit
aufrecht wird tragen helfen. Nach dieser Antrittspredigt des neuen liberalen
Rabbiners, die sichtlich nachhaltigen Eindruck hinterließ, wird Dr. Geis mit
den einzelnen Jugendverbänden Fühlung nehmen." |
Anmerkung: Rabbiner Dr. Robert Raphael
Geis (1906 - 1972), war von 1934-37 Jugendrabbiner in Mannheim vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Raphael_Geis.
Rabbiner Dr. Heinrich Lemle (1909 -1978), war 1933 Rabbiner in
Nordhausen,1934 Jugendrabbiner in
Mannheim, danach in Frankfurt vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Henrique_Lemle und
http://www.judengasse.de/dhtml/P148.htm . |
Ausschreibung des Rabbinats in der Hauptsynagoge
(1937)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins)
vom 1. April 1937: "Das Rabbinat in der Hauptsynagoge
Mannheim,
das bis jetzt von zwei Rabbinern verwaltet wurde, soll demnächst nur
von einem Rabbiner versehen werden.
Diese Stelle ist neu zu besetzen!
Bewerbungen werden erbeten an den Synagogenrat
Mannheim, M 6, 12." |
Zu den Rabbinern der "Klaus"
Ausschreibung der Stelle des Klausrabbiners
(1878)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Januar
1878: "In der Lemle Moses'schen Klausstiftung, dahier,
ist, wie bereits veröffentlicht, die Stelle eines Klausrabbinen bald
zu besetzen. Der Erwählte hat neben den in solchen frommen Stellungen
üblichen Obliegenheiten hebräischen Unterricht in der Stiftungsanstalt zu
erteilen und bezieht einen fixen Gehalt von jährlich 1.000 Mark
beziehungsweise 1.100 Mark nebst freier Wohnung.
Es wird beabsichtigt, dem gewählten Klausrabbiner bei entsprechender
Befähigung eine Stellvertretung des Stadtrabbiners, sowie eine Lehrtätigkeit
bei verschiedenen Vereinen unter besonderer angemessener Honorierung seitens
des Großherzoglichen Synagogenrats und der bezüglichen Vereine zu
übertragen.
Bewerber, insbesondere jüngere Theologen (Rabbinatskandidaten) mögen sich
unter Nachweis ihrer wissenschaftlichen und rabbinischen Befähigungen, sowie
ihres religiösen und sittlichen Verhaltens spätestens bis 31. Januar 1878
bei uns melden.
Mannheim, 20. Oktober 1877. Die Lemle Moses'sche
Klausstiftungs-Commission.
I.A. Dr. Friedmann, Stadt- und Konferenzrabbiner." |
Zum Tod von Rabbiner Löb Ettlinger
(1884)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar
1884: "Mannheim. Wie bereits in diesen Blättern kurz
berichtet, wurden wir am ersten Tage des Chanukka-Festes von einem
schweren Verluste betroffen. Denn ein Fürst ist heute gefallen und ein
großer Mann in Israel (2. Samuel 3,38). Der durch sein eminentes
talmudisches Wissen, sein aufopfernde seltene Frömmigkeit, sowie durch seine
edlen Herzens- und Charaktereigenschaften weit und breit gekannte Rabbi
Löb Ettlinger sein Licht leuchte, Bruder des weltberühmten R.
Jakob Ettlinger seligen Andenkens (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger), wurde an seinem
Geburtstage und am Sterbetage seines großen Bruders in ein besseres Jenseits
abberufen. Wohin diese Kunde gedrungen ist, hat sie Schmerz und Trauer
hervorgerufen. Der Verblichene war ein Schüler des Rav Abraham Bing
(vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Bing) in
Würzburg die Erinnerung an den
Gerechten sei zum Segen, aus dessen Schule so viele Heroen des Judentums
hervorgegangen sind, und verbrachte sein ganzes Leben mit der Tora und
den Mizwot (religiösen Bestimmungen). Ja, seine letzte Beschäftigung war
noch das Entzünden des Chanukka-Lichtes. Wer es ermöglichen konnte,
eilte hierher, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. In unserer Stadt, wo er
lange als Stiftsrabbiner weilte, stand er seiner vielen Vorzüge wegen in
höchster Achtung. Die Beteiligung bei seinem Leichenbegängnisse war auch
eine ganz enorme und Mannheim mag schon lange keinen so imposanten
Leichenzug gesehen haben. Der Wille des Verstorbenen war, dass durchaus
keine Trauerrede gehalten werde. Dieser Wille wurde auch soweit
respektiert, dass keiner seiner vielen Verehrer und Schüler vor die Bahre
hintrat, um seinen schmerzlichen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Aber den
Ausdruck der tiefen Trauer konnte man auf dem Gesichte eines jeden lesen;
viele, viele Tränen sah man um den Verlust dieses Mannes fließen. Sein
Andenken wird bei allen, die das Glück hatten, ihn näher zu kennen, stets
fortleben und zum Segen gereichen. Seine Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens." |
Anmerkung: Rabbiner Löb Ettlinger,
Klausrabbiner (1803 - 1883), sein Grab siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/b1-a-07-04-ettlinger-loeb-aron.
|
Eine neue Publikation von Rabbiner Dr. Julius Fürst ist
im Entstehen (1885)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. Mai 1885: "Bonn, 1. Mai. Herr Rabbiner Dr. Julius
Fürst in Mannheim hat die Absicht, eine 'Glossarium der in Midrasch
Rabbah (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Midrasch), Pesikta (rabbinische Literatur)
und Tanchuma vorkommenden, dem Lateinischen und Griechischen
entnommenen Fremdwörter' herausgegeben und hat uns einige Proben zugesandt,
welche neben bedeutender Sachkenntnis vielen Scharfsinn bezeugen und uns
erwarten lassen, in diesem Werte eine sehr willkommene Bereicherung der
betr. Lexikographie zu gewinnen. Fürst hat bereits in seinen Noten und
Berichtigungen in der Bibliotheca rabbinica des Dr. Wünsche Verbesserungen
korrumpierter Texte erwiesen. Möge es ihm daher bald gelingen, das geplante
Werk der Öffentlichkeit zu übergeben." |
Anmerkung: Rabbiner Dr. Julius Fürst,
Klausrabbiner (1826 - 1899), sein Grab siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-c-07-14-fuerst-julius-dr.
|
Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal wird zum Klausrabbiner ernannt
(1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar
1895: "Mannheim, 24. Dez. Die hiesige israelitische
Gemeinde hat Herrn Dr. Ludwig Rosenthal, bisher Prediger in Spandau, zum
Rabbiner an der Klaussynagoge ernannt. Herr Dr. R. ist Schüler des Berliner
Rabbiner-Seminars." |
Anmerkung: Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal,
Klausrabbiner (geb. 1870 in Wittelshofen,
gest. 1938 in Köln). Er studierte am Berliner Rabbinerseminar für das
orthodoxe Judentum und war zunächst Prediger in Spandau, seit 1895 Rabbiner
in Mannheim, danach seit 1897 (konservativer) Rabbiner in Köln. Vgl.
https://provenienz.gbv.de/Ludwig_Rosenthal. |
Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal wurde nach Köln berufen
(1897)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. September 1897: "Dr. Ludwig Rosenthal, seither Rabbiner der
israelitischen Religionsgemeinschaft zu Mannheim, wurde zum zweiten Rabbiner
in Köln gewählt." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober
1897: "Eine Notiz in der vorletzten Nummer berichtigend, erwarten
wir, dass der in Köln neugewählte Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal nicht
Rabbiner der israelitischen Religionsgesellschaft, sondern der Klausstiftung
in Mannheim war. Eine israelitische Religionsgesellschaft, d.h. eine
Separatgemeinde wie in Karlsruhe, Mainz etc. gibt es in Mannheim nicht." |
Rabbiner Dr. Unna wurde als Klausrabbiner nach Mannheim
berufen (1897)
Anmerkung: Dr. Isak Unna (geb. 1872 Würzburg, gest. 1948 Jerusalem, mütterlicherseits
ein Enkel des "Würzburger Raw" Seligmann Bär Bamberger): studierte
in Würzburg und Berlin, zunächst Rabbinatsassistent in Frankfurt am Main, seit
1898 Klaus-Rabbiner in Mannheim, seit 1920 3. Stadtrabbiner in Mannheim (1924
Konferenzrabbiner des Oberrats, Exponent des gesetzestreuen Judentums, seit 1932
Vorsitzender der "Gesetzestreuen Rabbinervereinigung Deutschlands",
schrieb ein Werk zur Geschichte der Klaus-Synagoge Mannheim), Sept. 1935 nach
Erez Jisrael eingewandert, Autor einer posthum 1964 in Jerusalem herausgegebenen
Sammlung rabbinischer Gutachten (Responsen). Siehe auch zu Rabbiner Dr. Isaak
Unna den Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Isak_Unna.
Zu Rabbiner Dr. Isak Unna ein neuerer Presseartikel von pwr im "Mannheimer
Morgen" vom 6. Februar 2020: "Mannheim. Marchivum Nachlass von Isak Unna
erworben. Ein sehr prägender Rabbiner
Sie tauchten plötzlich in einem Luxemburger Antiquariat auf: Dokumente über den
Mannheimer Rabbiner Isak Unna (1872-1948). Mit Hilfe des von Helen Heberer
geleiteten Freundeskreis Marchivum hat das Marchivum nun 141 Dokumente im Umfang
von 239 Blättern, vorwiegend Briefe, erwerben und in die stadtgeschichtliche
Sammlung einordnen können. 'Es ist eine wertvolle Ergänzung zu den Büchern,
Zeitungsartikeln und anderen Schriften, die wir von und über Unna bereits
haben', so Markus Enzenauer vom Marchivum. Die Seiten seien von Unna teilweise
selbst paginiert, wenn auch einzelne Seiten fehlen. Den Erhaltungszustand
bezeichnete Enzenauer mit der Schulnote 'zwei bis drei', weil 'einige Papiere
brüchig' seien. 'Doch das Material ermöglicht der Forschung einen neuen Zugriff
auf Untersuchungen zu seiner Geisteshaltung, seiner Position im orthodoxen
Judentum und seiner Mitwirkung in jüdischen Verbänden', erklärte der für
stadtgeschichtliche Forschung zuständige Referent.
Sohn war Abgeordneter. Isak Unna, in Würzburg geboren, war von 1898 bis
zur erzwungenen Emigration nach Palästina 1935 Rabbiner der
Lemle-Moses-Klaus-Synagoge der orthodoxen Juden im Quadrat F 1, 11, die von den
Nationalsozialisten zerstört wurde. 'In Mannheim haben in 230 Jahren mehr als 60
Rabbiner gelebt, aber er verdient besondere Aufmerksamkeit – nicht nur wegen der
langen Amtsdauer', so Enzenauer. Isak Unna sei eine 'für die Gemeinde prägende
Gestalt' gewesen, da er sich um deren Vereinsleben sehr verdient gemacht und den
Ausbau der Religionsschule an der Synagoge vorangetrieben habe, 'aber er
strahlte auch über Mannheim hinaus'. Dafür sprächen zahlreiche Beiträge von ihm
sowie der Vorsitz in der Vereinigung der orthodoxen Rabbiner. 'Er war letztlich
geistiger Führer der gesamten orthodoxen Juden in Deutschland', so Enzenauer.
Dank der Unterlagen könne man sein Wirken nun noch näher erforschen. Einer
seiner drei Söhne wurde in Israel Abgeordneter der Knesseth. pwr."
Link zum Artikel
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. Dezember 1897: "Dr. I. Unna von der orthodoxen
Religionsschule in Frankfurt a. M. ist als Klausrabbiner nach Mannheim
berufen worden." |
Rabbiner Dr. Julius Fürst erhält eine Auszeichnung
(1898)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Februar
1898: "Rabbiner Dr. Julius Fürst in Mannheim wurde vom
Großherzoglichen Oberrat der Israeliten in Würdigung seiner Verdienste um
die jüdische Wissenschaft ein Fanny Weil'scher Preis im Betrage von 600 M.
verliehen." |
Zum Tod von Rabbiner Dr. Julius Fürst
(1899)
Anmerkung: Dr. Julius Fürst (geb. 1826 in Heidelberg, gest. 1899 Mannheim;
Sohn des Rabbiner Salomon Fürst): Rabbiner in Endingen/Schweiz
1854 bis 1858, danach in Merchingen, Bayreuth und
Mainz, 1880-1899 Rabbiner an der Klaus in Mannheim (gab 1890 ein
"Glossarium Graeco-Hebraeum" heraus, in dem er die im rabbinischen Schrifttum enthaltenen
griechischen und lateinischen Worte verzeichnete und ihre Bedeutung in Midrasch
und Talmud erforschte).
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. September
1899: "Mannheim, 22. September. Am 5. des Monats verstarb
dahier im Alter von 73 Jahren der Rabbiner Dr. Julius Fürst, der über 19
Jahre als Klausrabbiner in hiesiger Stadt gewirkt hatte. Derselbe erfreute
sich des Rufes eines hervorragenden Gelehrten auf dem Gebiete der
orientalischen Sprachwissenschaften, denn er verfügte nicht nur über ein
umfassendes jüdisch-theologisches Wissen, sondern auch über eine Kenntnis
der klassischen und orientalischen Sprachen. Mit Vorliebe beschäftigte er
sich mit der Erforschung der griechischen und lateinischen Fremdwörter, die
sich in den Talmuden und Midraschim in sehr großer Zahl vorfinden.
Zahlreiche Abhandlungen, die er in den angesehensten wissenschaftlichen
Zeitschriften veröffentlicht hat, vor allem sein 'Glossarium graeco-hebraeum',
das er in einer besonderen Audienz dem Großherzog überreichen durfte, zeugen
sowohl von der Meisterschaft, womit er diese Materie beherrschte, als auch
von seinem hervorragenden Wissen und seiner ausgedehnten Belesenheit. Mit
namhaften zeitgenössischen Fachgelehrten fand er in regem Briefwechsel, und
für die fernere Bearbeitung der talmudischen und midraschischen
Lexikographie werden die Leistungen des Entschlafenen stets ein
schätzenswerter Beitrag bilden. Indessen erstreckte sich auf sein
Forscherfleiß auf zahlreiche allgemein literarische und historische Fragen,
und es seien von seinen zahlreichen Abhandlungen aus den verschiedensten
Gebieten nur die über 'Das peinliche Rechtsverfahren im jüdischen Altertum',
über die Lessing'sche Ringparabel und endlich seinen letzten Aufsatz, der
den rastlosen Gelehrten bis in seine letzten Lebenstage beschäftigte, über
'König Saul' erwähnt, in dem er seine Ehrenrettung dieser gewaltigen
biblischen Gestalt unternahm. J. Fürst wurde im Jahr 1826 als Sohn des
dortigen Rabbiners in Heidelberg geboren. 1854 wurde er selbst Rabbiner in
Endingen, 1859 in
Bayreuth, später in
Mainz neben Aub. Die Beerdigung
verlief am 7. des Monats unter zahlreicher Beteiligung der
Gemeindemitglieder und des Vorstandes der Gemeinde in der dem edlen
Entschlafenen gebührender Weise. Rabbiner Dr. Steckelmacher sprach am Grabe
unter Zugrundelegung von Jeremiah 31, 12 und hob namentlich hervor den edlen
Forscherdrang des Verewigten, die Idealität seiner Lebensbestrebungen und
wie er in ihnen volles Genügen fand und volle Befriedigung. Er hatte
mannigfache kleine Anfechtungen zu erfahren, aber 'seine Seele war wie ein
getränkter Garten', eben infolge jener inneren Befriedigung wie auch infolge
seines innigen Familienglücks und der warmen Anerkennung der auserlesenen
Schar derer, die den inneren Wert und Gehalt eines Menschen zu würdigen
verstehen. Er war auch während der beiden Tagungen der Synode durch das
Vertrauen der Rabbiner des Landes zum geistigen Synodalmitglied gewählt
worden und beide Male Alterspräsident. Er war ein edel anspruchsloser,
bescheidener und immer heiterer, gemütvoller Mann. Immer und überall war ihm
die Möglichkeit, sich mit der Wissenschaft zu beschäftigen, 'die heilige Zionshöhe, auf der seine Seele in erhabenen Wonnen schwelgte, in den Wonnen
wahrhaft idealen und auch fruchtbaren Thorastudiums, auf der er die
Segensfülle des Ewigen in vollen Strömen genoss, von der aus ihm auch
mancherlei Kümmernisse wie in fernen, tiefen Niederungen sich verloren.'
Möge dem Verstorbenen die Erde leicht sein! " |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Oktober
1899: "Mannheim, 1. Okt. (Verspätet). Am ersten Tage (Hebräisch)
verstarb dahier im Alter von 73 Jahren der Klausrabbiner Dr. Julius Fürst.
Er wurde im Jahre 1826 als Sohn des Heidelberger Rabbiners geboren. 1854
wurde er Rabbiner in Endingen, 1859 in
Bayreuth und später Mainz. 1880 wurde
er als Rabbiner an der hiesigen Klaussynagoge angestellt. Mit ihm ist ein
hervorragender Kenner der orientalischen Sprachen, der auf literarischem
Gebiete eine fruchtbare Tätigkeit entfaltete, aus dem Leben geschieden.
Außer zahlreichen Abhandlungen in jüdisch-wissenschaftlichen Zeitschriften,
so besonders in der 'Revue des études juives', veröffentlichte er auch ein 'Glossarium
graeco-hebraicum', das von seinem Wissen und seiner Belesenheit auf diesem
Gebiete beredtes Zeugnis ablegt. – Fürst gehörte zwar in seinen Anschauungen
der Reformrichtung an, war jedoch Andersdenkenden gegenüber von einer
seltenen Toleranz, wie er überhaupt in hervorragender Weise durch
menschlich-schöne Eigenschaften ausgezeichnet war. Seine heitere Gemütsart,
die Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit, mit der er jedem entgegenkam,
gewannen ihm alle Herzen und so werden ihm alle, die ihn kannten, ein
freundliches und liebevolles Andenken bewahren." |
Anmerkung: Rabbiner Dr. Julius
Fürst, Klausrabbiner (1826 - 1899), zu seinem Grab siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-c-07-14-fuerst-julius-dr.
|
Beitrag von Rabbiner Dr. Isaak Unna über den biblischen Josef
(1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember
1901: "Der erste jüdische Staatsmann. Eine Betrachtung zu
Paraschath Wajigasch von Dr. Isaak Unna, Rabbiner in Mannheim. Nachdem
die Thora uns von der Wiedervereinigung der Brüder und des Vaters mit Josef
erzählt, nachdem sie uns die Wanderung Jakobs nach Ägypten, seine Begegnung
mit Josef und sein Zusammentreffen mit dem Pharao geschildert, gibt sie uns
eine Darstellung von den Wirkungen, welche die Hungersnot in Ägypten hatte,
von der Tätigkeit Josefs und von seinen Maßregeln zum Wohle des Landes und
seiner Bewohner. Es wird uns mitgeteilt, wie er zuerst den Einwohnern für
ihr Geld Getreide lieferte, wie sie dann auch ihre Herden verkauften, und
wie er endlich das ganze Land zum Eigentum des Königs machte, sodass die
Bewohner nunmehr die Pächter ihres eigenen Bodens waren. Wir müssen uns aber
fragen: Wozu wird uns alles dieses hier erzählt? Warum sind diese Dinge, die
doch offenbar nur für die Geschichte Ägyptens Interesse haben, in die Thora
aufgenommen? Die Thora hat, wie schon ihr Name sagt, den Zweck der
religiös-sittlichen Belehrung, nicht nur in dem Teil, in welchem sie uns
positive Vorschriften gibt, sondern auch da, wo sie geschichtliche Tatsachen
berührt.
Schon bei der Schöpfungsgeschichte führt Raschi (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Raschi)
die Frage des Rabbi Jizchak an, weshalb die Thora nicht mit dem ersten Gebot
beginne, das Israel gegeben wurde. Und als Begründung dafür wird gesagt:
Weil damit das absolute Recht Gottes, als des Herrn der Welt, zum Ausdruck
kommen sollte. Die ganze Geschichte der Stammväter und später die Geschichte
Israels geht darauf hinaus, dass sie das ihnen verheißene Land in Besitz
nehmen und darin die Lehre ausüben sollten. Damit man nun nicht sagen
könnte, auch die Kinder Israels hätten sich wie andere Völker durch die
Gewalt der Waffen ein Land erobert, auf welches sie ein Recht hatten, darum
wird vorher ausgesprochen, dass dieses Land von dem einzigen rechtmäßigen
Herrn, von Gott, der die ganze Welt geschaffen, verliehen worden sei. Und so
ist bei den Erzählungen der Thora überall die Tendenz vorhanden, um zu
belehren, uns eine Anweisung zu geben fürs Leben.
Worin liegt nun die
Bedeutung jener Schilderung der Tätigkeit Josephs?
Es ist aber jene
Erzählung der Thora doch nicht so gleichgültig, wie es uns scheinen könnte,
denn sie gibt uns wichtige Züge für die Beurteilung des Charakters von
Josef. Josef ist der erste jüdische Staatsmann, dem wir in der Geschichte
begegnen. Er ist nicht der einzige geblieben, noch oft treten uns in der
späteren jüdischen Geschichte Männer entgegen, die wie er dazu berufen
waren, die Geschicke eines großen Landes zu lenken. Die Thora zeigt uns aber
an diesem ersten Beispiel Josefs, wie er sein Amt auffasste, welche
Eigenschaften er da betätigte, und wie diese Eigenschaften ihn als das
Muster eines Mannes erscheinen lassen, der in treuer Hingebung seine ganze
Kraft dem Dienste seines Königs und seines Landes widmet. Schon früher teilt
uns die Thora verschiedene Charakterzüge mit, die uns erkennen lassen wie
ein Mann beschaffen sein muss, der zu solch hohem Amte berufen wird, damit
er die Pflichten dieses Amtes auch vollkommen begreife. Wir begleiten Josef
auf dem Wege nach Ägypten; wir sehen, wie er auch dort derselbe bleibt, wie
er unter den Ägyptern den Gedanken an seinen Vater und die Lehren des Vaters
nie vergisst. Und hier, bei der Schilderung des Verlaufs der Hungersnot,
wird uns gezeigt, wie Josef seinen Herrscherberuf ausübte, wie er es
verstand, bei der edelsten Gesinnung und der rechtschaffensten
Handlungsweise doch das Interesse aller zu wahren. Er betrachtete sein Amt
nicht als ein Mittel, um für sich selbst zu sorgen, seinen Reichtum und sein
Ansehen zu wahren. 'Josef brachte das Geld in das Haus des Pharao.' Er
behielt nichts davon für sich, es war das Wohl der Gesamtheit, das er zu
fördern suchte. Seine Laufbahn beginnt mit dem Rat, den er dem Pharao zum
Heile des Landes gibt; und seine Einsicht und seine Machte verwendet er
dazu, um das Volk in den Jahren des Hungers zu erhalten. Er will aber auch
dem König nützen; er versorgt das Volk mit Brot, aber dafür, sagt er dem
Volke, dass der König euch erhält, soll auch das Land dem König gehören. Und
dennoch versteht er es, diese Maßregel, die vielleicht bei einem minder
einsichtsvollen Herrscher zu Aufständen geführt hätte, in eine Form zu
kleiden, dass sie durchaus seinen drückenden Charakter hat. Nur den fünften
Teil des Ertrages sollen sie dem König abliefern. Den Zehnten gaben sie wohl
auch sonst als Tribut dem König, und wie es früher heißt, hatten sie in den
Jahren des Überflusses auch schon ein Fünftel des Ertrages beigesteuert, um
für die Jahre des Hungers Vorräte zu sammeln. 'Man erhebe ein Fünftel vom
Lande Ägypten in den sieben Jahren des Überflusses.' So verstand es Josef,
in der glücklichsten Weise das Wohl der Gesamtheit zu fördern und dabei das
Interesse seines Königs zu wahren. Und wie dieses auch vom Volke anerkannt
wurde, wie wenig sie Josef als einen Steuerminister oder, wie ein
antisemitischer Schriftsteller der neueren Zeit ihn |
nannte,
als Kornwucherer betrachteten, das geht aus den dankbaren Worten hervor, die
sie an ihn richteten: 'Du hast uns am Leben erhalten.'
Mit jener Enteignung verband Josef noch eine Maßregel, die zum Wohle seiner
Familie beitragen sollte. 'Und das Volk versetzte er in Städte, von einem
Ende des Gebietes von Ägyptens bis zum andern.' Die meisten sagen, er hätte
dies deshalb getan, damit nicht die Ägypter seine Brüder als Fremde, als
Eindringlinge bezeichnen könnten. Die Ägypter waren jetzt nicht mehr die
Herren ihres Landes, sie waren selbst aus anderen Gebieten eingewandert, sie
konnten also die Brüder Josefs nicht durch solche Vorwürfe kränken. Denn die
Sorge für das Wohl seiner Verwandten lag ihm nicht weniger am Herzen. 'Josef
versorgte seinen Vater und seine Brüder und das ganze Haus seines Vaters mit
Brot, nach Verhältnis der Kinder.' Er verpflegte ihn, er suchte seinem Vater
und seinen Brüdern den Aufenthalt angenehm zu machen, sie sollten vergessen,
dass sie ihre Heimat verlassen hatten. Freilich, bereichern sollten auch sie
sich nicht; es heißt nur: 'Er verpflegte sie – nach Verhältnis der Kinder'.
Nur so viel, als für ihre Familien nötig war, erhielten sie; er wollte
ebenso wenig für sie, wie für sich einen unerlaubten Vorteil haben.
Der Dank, den Josef für sein selbstloses, uneigennütziges Wirken empfangen
sollte, war allerdings gering. Denn, wenn er auch selbst es nicht mehr
erlebte, dass die Ägypter Israel knechteten, schon kurz nach seinem Tode
wollte man von den Wohltaten, die er dem Lande erwiesen, nichts mehr wissen.
'Es stand ein neuer König auf über Ägypten; der von Josef nichts wusste.'
Dass die Erhaltung des Landes jenem Hebräer zu danken war, war bald
vergessen, und den Entgelt empfingen seine Nachkommen dadurch, dass man sie
unterdrückte und zu vernichten suchte.
Und wie Josef, so hat es auch in späterer Zeit viele jüdische Männer
gegeben, die ihre Kräfte und Anlagen dem Vaterland weihten. Ein Beispiel
bietet uns noch die spätere biblische Geschichte in Daniel. Auch von ihm
heißt es, dass ihm niemand einen Vorwurf machen konnte: 'Sie konnten keine
Sache oder Übeltat finden, weil er treu war.' (Dan. 6, 5) Und seine Feinde
griffen zu dem Mittel, ihn durch seine Religion zu stürzen. Bei Daniel
müssen wir auch besonders noch den Freimut bewundern, mit dem er dem Könige
Belschazar entgegentritt und ihm den Frevel, den er durch die Benutzung der
heiligen Tempelgeräte bei seinem Zechgelage begangen, vor Augen hält. Er
fürchtet nicht den mächtigen König, er beugt nicht den Nacken vor dem
Großen, sondern offen und frei spricht er aus, was seine Überzeugung ist.
Auch muss er aber erfahren, dass alle Verdienste um das Land von den Feinden
keine Entschuldigung sind für das Verbrechen, dem Stamme Israels
anzugehören.
Auch einem Staatsmann der späteren Zeit, dem großen Abarbanel (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_Abrabanel) sollte dieses Geschick
nicht erspart bleiben. Auch er hatte seinem Lande in der aufopferndsten
Weise gedient, der spanische König schätzte ihn hoch als einen treu
ergebenen Diener. Aber als fanatische Priester die Vertreibung der Juden bei
dem Könige durchzusetzen suchten, da konnte auch sein Einfluss nichts
ausrichten, da gedachte man nicht mehr der Wohltaten, die man von dem Juden
erfahren; er selbst musste zum Wanderstabe greifen und den ungastlichen
Boden des Landes verlassen, das ihm so viel verdankte.
So leben wir überall, wie jüdischer Geist sich in segensvoller Weise
betätigt, dass die Völker nicht, wie sie behaupten, von Israel benachteiligt
werden, dass sie vielmehr von ihm die höchsten Wohltaten empfangen, die sie
aber stets mit Undank lohnen.
Uns aber sollen dennoch immerdar die großen Vorbilder der Ahnen vorschweben.
Die Gestalt Josefs soll uns stets mahnen, dass auch unsererseits unsere
Pflicht in der vollkommenen Weise zu erfüllen, ob wir Anerkennung finden
oder nicht. Und einmal wird ja auch die Zeit kommen, wo man einsieht, was
Israel der Menschheit gewesen, wo Israel nicht mehr zu sagen braucht: 'Für
meine Liebe hassen sie mich (Psalm 109,4), wo vielmehr die Verheißung sich
erfüllen wird: 'Alle, die sie sehen, werden erkennen, dass sie ein
Geschlecht sind, das Gott segnet' (Jesaja 61, 9) und das dazu berufen ist,
Segen zu verbreiten." |
25-jähriges Ortsjubiläum von Rabbiner Dr. Isaak Unna
(1922)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Dezember
1922: "Amtsjubiläum des Herrn Rabbiner Dr. Isaak Unna
Mannheim, 17. Dez.
Der gestrige (Hebräisch) erhielt seine besondere Weihe durch die Feier der
25.
Wiederkehr des Dienstantritts des Herrn Rabbiner Dr. Unna an der Claus-Synagoge (Lemle Moses Claus-Stiftung).
Die jetzige angesehene Stellung der gesetzestreuen Minderheit innerhalb der
Mannheimer Israelitischen Gemeinde ist der Erfolg der segensreichen
Wirksamkeit von Herrn Rabbiner Dr. Unna. Es ist nur das Verdienst dieser
Persönlichkeit, dass die Aufrechterhaltung – ja, man kann sagen, Erhaltung
überhaupt – der rituellen Einrichtungen innerhalb Mannheims nach den
strengsten Richtlinien der Thora gesichert ist. Am Freitagabend war die
Synagoge auf den letzten Platz zum Festgottesdienste gefüllt. Nach dem
üblichen Gottesdienste, der durch einen von dem Synagogenchor vorgetragenen
neuen Lecha Dodi verschönert wurde, ergriff der erste Vorsitzende der
Israelitischen Gemeinde, Herr Oberrat Max Goldschmidt, das Wort, um Herrn
Dr. Unna Dank zu sagen, für sein selbstloses Wirken und seine wertvollen
Dienste für das Wohl der Gemeinde. In sinnigen Worten der Tora
richtete der Parnes (sc. Gemeindevorsteher), Herr Direktor Rosenbaum
an den Jubilar herzliche Worte der Anerkennung für sein stetes Interesse und
seine aufopfernde Tätigkeit als Führer der Gemeinde. Tief bewegt von dem
Eindruck der Stunde begann der Jubilar mit dem Dank an G'tt und die
anwesenden Vorstände der Gemeinde, deren Bemühungen es gelang, den
Klausrabbiner die Stellung eines Gemeinderabbiners zu sichern. Mit dem
Wunsche, dass G'tt ihm weiter Kraft und Stärke zur Erfüllung seines
hohen Amtes verleihen möge, schloss der Jubilar mit einem lebhaften Appell
an seine Gemeinde, ihn in der Ausführung seines verantwortungsvollen
Dienstes zu unterstützen. Ein Schlussgesang des Synagogenchors beendigte die
erhebende Feier. Zu einer begeisterten Kundgebung gestaltete sich die am
Schabbat-Ausgang nach dem großen Saale der August-Lamey-Loge einberufene
Festversammlung, deren überaus zahlreicher Besuch beredtes Zeugnis ablegte
von der Beliebtheit des geistigen Oberhauptes der Gemeinde. Der vorzügliche
geschulte Synagogenchor, unter der bewährten Leitung seines Dirigenten Herrn
Theodor Bodenheim, eröffnete die Feier mit einem erhebenden Gesang. Diesem
folgte ein von Herrn Oberstudiendirektor Heinemann,
Ludwigshafen; verfasster und von
dessen Tochter vorgetragener Prolog. Seine Festrede legte Herr Studienrat
Dr. Levi, Mannheim-Ludwigshafen, den
Gedanken zugrunde, dass Juden keinen Personenkult kennen, dass
trotzdem unsere Talmudgelehrten neben der Achtung vor der
Gesundheit (?) besonders die Achtung des Toragelehrten zur
Pflicht gemacht haben, denn wir ehren in den Toragelehrten die
Tora selbst, die er vertritt. So auch sei die heutige Feier gedacht,
besonders dem Toragelehrten sei die Huldigung dargebracht. Der Redner
flocht noch den Gedanken ein, dass heuer für den Jubilar ein besonderer
Chanukka sei, 'Chanukka 25' ein Ruhepunkt nach 25 Jahre, dem
Rückblick und Ausblick gewidmet. Wenn Raschbal (?) sagt, so schloss
der Redner, so ist dieser Ausspruch in seiner ganzen Tragweite auf den
Jubilar anzuwenden, auch er hat sich ja Omek batora balaila (einer
der sich in [das Studium der] Tora in der Nacht versenkt) gewesen, in
dunklen Zeiten sich in die Tora versenkt. Möge es dem Gefeierten des
Tages vergönnt sein, auch ein Omak batora bajom (einer der sich in
[das Studium der] Tora am Tage versenkt) zu sein, noch in vielen
sonnigen Tagen und Jahren.
Im Auftrage des Synagogenrates überbrachte Herr Dr. Julius Moses die
Glückwünsche der Gemeinde und begrüßte gleichzeitig den Jubilar namens des
Badischen Oberrats der Israeliten als neues Mitglied der gesetzestreuen
Landessynode. Herr Joseph Traub sprach namens der Gemeindebeamten und Herr
Theodor Graber im Auftrage der Vereinigung der Ostjuden.
Den Dank für die Tätigkeit des Jubilars im 'Verein zur Wahrung der
Interessen des gesetzestreuen Judentums in Baden', erstattete Herr
Synagogenrat Eduard Bauer, während Herr Rechtsanwalt Dr. Staadecker die
eifrige Mitarbeit an den Bestrebungen der B'nai-Brith-Loge hervorhebend
erwähnte. Als Vertreter der 'Beerdigungsbruderschaft' rühmte |
Herr
Studienrat Dr. Moses Buttenwieser den Jubilar als Vorbild steter Pflichttreue und
Hilfsbereitschaft; worauf der aus Frankfurt herbeigeeilte Freund und
Mitschüler des Jubilars, Herr Rabbiner Dr. Jakob Horowitz in herzlichen
Worten der angenehmen langjährigen Beziehungen zu Herrn Dr. Unna gedachte und
ihn als den Lieblingsschüler seines verstorbenen Vaters, Herrn Rabbiner Dr.
M. Horowitz - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen - und als einen der strebsamsten Vorkämpfer jüdischen
Geistes und jüdischer Wissenschaft schilderte.
Für die Schüler und den Bund Jüdischer Akademiker (V.J.A. Heidelberg) dankte
ihm in zündenden Worten Herr cand. med. Michael Würzburger dem unermüdlich
Rav und großen Pädagogen mit dem Gelöbnis der Treue zur Fahne der
Tradition. Nun ergriff Herr Rabbiner Dr. Unna selbst das Wort, dankte allen
Rednern für die vielen Beweise inniger Freundschaft und beteuerte, dass er
nicht aus persönlichem Ehrgeiz seine Zustimmung zur der heutigen Feier
gegeben habe; ihm sei es nur darum zu tun gewesen, eine Gelegenheit zu
schaffen, den Sinn für Eintracht und Frieden innerhalb der Gemeinde zu
haben. Um den gemütlichen Teil des Abends bemühten sich in erfolgreicher
Weise Frl. Mathilde Lazarus und Herr Max Schuster (Solo), Frl. Gertrud Traub
und Herr Siegfried Feith (Rezitation), Herr Oberkantor Eppstein
(Jargonlieder) und Frau Oskar Retwitzer mit Frl. Liesel Bauer am Flügel.
Oppenheim'sche 'Lebende Bilder' beschlossen den wohlgelungenen Abend." |
Anmerkungen: Die August-Lamey-Loge
war in C 4, 12. Zu August Lamey
https://de.wikipedia.org/wiki/August_Lamey
Eduard Bauer (1866 –1937), Fabrikant und Synagogenrat; zu seinem Grab
siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/g1-a-10-03-bauer-eduard
Studienrat Dr. Levi siehe Dokument unten:
zum Abschied von
Prof. Dr. Sal. Levi (1935)
Dr. Abraham Staadecker
(geb. 1846 in
Merchingen, gest. 1910 in Mannheim), Rechtsanwalt und Synagogenrat,
zeitweise Oberrat und Gemeindevorsteher, siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-mgr-22-staadecker-abraham-dr.
Dr. Julius Moses (1869 -1945), praktischer Arzt, der sich besonders
um psychisch auffällige Kinder kümmerte. Er unterrichtete am Fröbelseminar
und an der Handelshochschule in Mannheim. 1934 emigrierte er nach Palästina.
|
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1923: "Jubiläum
des Herrn Rabbiner Dr. Isaak Unna - sein Licht leuchte - in Mannheim.
Der Schabbat Chanukka erhielt seine besondere Weihe durch die Feier
der 25. Wiederkehr des Dienstantritts Seiner Ehrwürden des Herrn Rabbiner
Dr. Unna an der Claus-Synagoge (Lemle Moses Claus-Stiftung)....
Text ist identisch wie der obigen Text vom 28. Dezember 1922. |
Rabbiner Dr. Chaim Lauer aus Biel wird als Direktor der
hebräischen Schule der Lemle Moses-Klaus-Stiftung berufen
(1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Februar
1925: "Biel, 9. Februar (1925). Der Synagogenrat in Mannheim hat Herrn
Rabbiner Dr. Ch. Lauer in Biel als Direktor der hebräischen Schule der Lemle Moses-Klaus-Stiftung berufen. Herr Dr. Lauer hat den Ruf angenommen
und gedenkt schon am 1. Mai sein neues Amt anzutreten. Herr Dr. Lauer
lernte lange Jahre auf der Jeschiwa des weit über die Grenzen seines
Landes berühmte Gaon R. Elieser Deutsch seligen Andenkens in Bonyhad
(Ungarn), dessen Lieblingsschüler er stets war (siehe R.G.A. Peri-ha-Sode,
Bd. 1-3). Später kam er mit reichen talmudischen Kenntnissen nach
Deutschland und war mehrere Jahre Rabbinatsassistent bei Herrn
Provinzialrabbiner Dr. M. Cahn seligen Andenkens in
Fulda. In Basel
war er anfangs einige Jahre lang Lehrer des 'Schomre-Thora'-Vereins, und
dann mehrere Jahre geistiger Leiter der Gemeinde
Liestal bei Basel.
Nachdem er in Basel die Maturitätsprüfung bestanden hatte, studierte er
an der dortigen Universität Orientalia, Philosophie und
Naturwissenschaften. Nach seiner Promotion in Basel besuchte er das
Rabbinerseminar in Berlin, das er mit großem Erfolg absolvierte. Im
Sommer 1914 hat ihn der Verwaltung der 'Ica' zum Oberrabbiner ihrer
Kolonien in Argentinien ernannt. Infolge des Weltkrieges konnte Herr Dr.
Lauer sein Amt in Argentinien nicht antreten. Ungern sehen seine
zahlreichen Freunde in der Schweiz, seine Schüler - and last not least -
seine Gemeinde ihn in das Ausland scheiden; wir hätten ihn gerne
zurückgehalten mit den Worten des R. Josua: so viele geistige Schätze
besitzest du und du willst uns verlassen. Wir sind überzeugt, dass er durch
sein charakterfestes und taktvolles Wesen, durch seine großen Kenntnisse auf
religiösem und profanem Gebiete, durch seine aufrichtige, ungeheuchelte
Religiosität sich auch in seinem neuen Amte bald die Sympathie und
Wertschätzung aller erringen wird. Wir wünschen ihm, dass sein Streben, die
ihm anvertraute Jugend zu edlen Menschen und aufrichtigen Juden zu erziehen,
von reichem Erfolge gekrönt werde." |
|
Rabbiner
Dr. Chaim Lauer (Quelle für das Foto: Volker Keller: Bilder vom
jüdischen Leben in Mannheim 1988 Foto Nr. 137) - ergänzende
Informationen zum obigen Artikel: Lauer ist als Sohn des Gerson Lauer und
der Rahel geb. Seelengut am 25.8.1876 im galizischen Bobowa (heute
polnisches Karpatenvorland, Kreis Gorlice) geboren. Über seine Ausbildung
siehe oben.
Rabbiner Chaim Lauer war von 1916 bis 1925 Rabbiner in
Biel. Nach einer
erfolgreichen Tätigkeit als Rabbiner in Mannheim war er zum Verlassen
Deutschlands 1939 gezwungen. Er konnte nochmals bis zu seinem Tod am 11.
August 1945 in Biel als Rabbiner tätig. sein. Er ist auf dem jüdischen Friedhof
in Biel beigesetzt. |
Zum Tod der Frau von Rabbiner Buttenwieser
(1927)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Josef Arie Buttenwieser (geb. 1857 in Reichenberg,
gest. 1927 in Mannheim) studierte in Würzburg, Schwach und Preßburg; war bis
1888 Klausrabbiner in Mannheim und Lehrer an der Schule des Vereins zur
Förderung des Religionsunterrichts; von 1888 bis 1921 Rabbiner an der damals
neu gegründeten Separatgemeinde Ez Chajim in Straßburg; 1921 in den Ruhestand
nach Mannheim zurückgekehrt, wo er am 23. September 1927 verstorben ist. Seine
Tochter Charlotte (Sprinza) geb. Wäldler, eine Tochter von Salomon Lipmann
Wäldler (Rabbiner in Schönlanke) verstarb bereits im Juni 1927 in
Mannheim. Foto und genealogische Informationen über
https://www.geni.com/people/Charlotte-Buttenwieser/6000000015978463921)
Zum Grab von Rabbiner Josef Buttenwieser
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f1-a-07-01-buttenwieser-josef
.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juni
1927: "Mannheim, 23. Mai (1927). Wieder haben sich zwei
Augen für immer geschlossen, aus denen Sonnenlicht strahlte, so lange die
göttliche Seele in ihnen wohnte. Frau Rabbiner Buttenwieser,
die unermüdliche, darf nun die ewige Ruhe genießen. Möge das künftige
Leben ihr den Lohn bringen, den sie sich hier verdient. Eine tiefe,
spontan arbeitende Menschlichkeit durchflutete ihr ganzes Wesen. Diese
betätigte sich unmittelbar an ihrer Umgebung und war eine Quelle von
Trost und Beglückung. Ihr unaufhaltsamer Trieb, Gutes zu tun, ließ sie
nicht warten, bis das Elend auf eigenen schwachen Füßen zu ihr wankte;
vielmehr trieb es sie, das Leid zu suchen und es zu mildern, wo sie es
auffinden konnte. Und dies alles so selbstverständlich, so zeitlos, über
jeder anderen Art von Güte stehend in seiner Echtheit. Diese
Mütterlichkeit und Fürsorge galt nicht nur den körperlich Schwachen;
sie erstreckte sich mit einzigartiger Wärme auf alle jene jungen
Menschen, die in der fremden Universitätsstadt das Rabbinerhaus
aufsuchten, welches ihnen so zur zweiten Heimat wurde durch die wackere
Frau, die es verwaltete. Und wenn ihr Herz so für die ihr Fremden
schlug, so kann man sich denken, dass ihre Liebe für ihre eigene Familie
ein verschwenderisch hohes Maß erreichte. Vor dieser Liebe stehen
ehrfürchtig heute die ehrwürdige Gestalt des Gatten - er möge lange,
gute Tage erleben. Amen - und ihre Kinder. Wie armselig dünkt sich
der Mensch, wenn er vor solch einer Seele steht und ihre Einzelwirkungen
auf die Welt betrachtet. Wie stark dagegen übermannt ihn das Gefühl,
dass diese Seele ein Teil von Gott ist, so ganz und echt und ewig in ihren
Werten, jetzt, da sie wieder zu ihrem göttlichen Urquell zurückgekehrt
ist und ihr freundliches Lächeln wie ein traulicher Abschiedsgruß die
Welt der Kleinheit noch einmal streift. Wir danken Gott, dass wir sie
besessen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
70. Geburtstag von Rabbiner Joseph Arie Buttenwieser
(1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juli
1927: "Mannheim, 12. Juli. Am 21. Tamus vollendete Herr
Rabbiner Joseph A. Buttenwieser - sein Licht leuchte - sein 70.
Lebensjahr. Wie unseren Lesern bekannt sein wird, lebt dieser Mann, der
Jahrzehnte die Austrittsgemeinde in Straßburg im Elsass geleitet hat, seit
einigen Jahren in Mannheim und erfreut sich dort des wohlverdienten
Ruhestandes. Seine Lebensschicksale sind schnell aufgezählt. Geboren in
Reichenberg bei Würzburg, begab er
sich, naturgemäß angezogen durch die Persönlichkeit des Würzburger Raws
(vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Seligmann_Bär_Bamberger), als Jüngling zu
diesem, um von ihm die erste Einführung in alle jüdischen Wissensgebiete zu
erlangen. Nicht zufrieden hier all seinen Wissensdurst zu stillen, ging er
noch nach Schwabach, um bei dem dort
wirkenden Reb (Rabbiner) Hyle Wechsler und dann in Preßburg bei
Reb Nathe Wolf (vgl.
https://www.geni.com/people/Rabbi-Natan-Wolf-Benjamin-Lieber-ABD-Pressburg/6000000009634585480)
weiter und weiter zu lernen. Auf kurze Zeit ging er dann nach Mannheim als
Rabbiner der Klaus, um im Jahre 1888 nach Straßburg an die damals gegründete
Gemeinde Ez Chajim berufen zu werden. Aus den kleinen Anfängen, die er dort
vorfand – beim Beginn seiner Tätigkeit waren es nur ein knappes Minjan (sc.
10 religionsmündige jüdische Männer) Menschen, die sich in dieser
Gemeinde zusammengefunden hatten – machte er durch die Kraft seiner
Persönlichkeit eine Gemeinde, die bald das Zentrum der ganzen elsässischen
Orthodoxie wurde. In enger Fühlung mit Samson Raphael Hirsch (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Raphael_Hirsch) und Dr.
Lehmann - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - nahm er
zu allen Problemen, die diese kämpferischen Zeiten mit sich brachten, gleich
gesinnt mit diesem Fühlung, wenn er auch niemals die Verehrung für seinen
ersten Lehrer, den Würzburger Raw sinken ließ. Sein Haus und seine Gemeinde
wurden der Mittelpunkt der in Straßburg studierenden jüdischen Jugend; ihr
und seiner Gemeinde war er ein stets anregender, geistiger Führer. Aber auch
organisatorisch leistete er vieles und schuf aus seiner Gemeinde eine
Muttergemeinde. Als ein auch für die heutigen Zeiten nachahmenswertes
Beispiel sie auf die während der ganzen Zeit seiner Wirksamkeit
unterhaltenen Kurse für die Lehrer des ganzen umliegenden Gebietes
(insbesondere des Saargebietes) hingewiesen. Im Kampfe gegen die
Schechitagegner (sc. Gegner des Schächtens) wusste er durch sein
Ansehen bei den Behörden wirksame Waffen zu liefern. Nach dem Krieg (sc.
1. Weltkrieg) und der durch sein Ende bedingten politischen Umwälzung
leitete er unermüdlich seine Gemeinde, bis er im Jahre 1921 aus
Gesundheitsrücksichten sein Amt aufgab und nach Mannheim übersiedelte. Seine
gleichgesinnte Gattin, die ihm während dieser ganzen Jahre treu zur Seite
stand und durch ihre vielseitige Tätigkeit ins Haus und Gemeinde manches zu
seinen Erfolgen beitrug, die Tochter des Rabbiners Salomon Waelder,
Schönlanke (vgl.
https://www.geni.com/people/Shlomo-Waeldler-ABD-Kikinda-Schönlanke/6000000012122085245:
hier sind die am 15. April 1927 in Mannheim verstorbene Tochter Charlotte
und weitere Nachkommen genannt), hat er in den Pessachtagen dieses
Jahres verloren und wünscht deshalb keine Feier des Tages, an dem ihm sonst
gewiss ein großer Kreis von Menschen seine Verehrung bezeugen würde. Wir
aber können den Tag nicht vorübergehen lassen, ohne wenigstens von uns
auszusprechen, das wir wissen, was die deutsche Orthodoxie an ihm besitzt.
Wir wünschen ihm noch recht viele Jahre, um in Ruhe und Frieden der Tage
seiner Arbeit zu gedenken. Alles Gute bis 120 Jahre." |
Zum Tod von Rabbiner Josef Arie Buttenwieser
(1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Oktober
1927: "Personalien. Rabbiner Josef A. Buttenwieser - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen.
Ein Fürst im Geiste, ein Großer in Israel hat am 26. Elul seine gütigen,
klugen Augen für immer geschlossen. Und wieder war es in der Stunde, in der
wir uns rüsteten, den Schabbat zu empfangen, da folgte Rabbiner Josef
A. Buttenwieser seiner vor wenigen Monaten auch in dieser Stunde in die
Ewigkeit gegangenen gleichgesinnten und gleichstrebenden Gattin in die Welt
des vollkommenen Schabbat. Mit der trauernden Familie trauert um den
Verlust ihres Vaters und Führers die Gemeinde in Straßburg (Elsass), der
große Kreis der Freunde und Schüler, das gesamte gesetzestreue Judentum. Ein
Raw (Rabbiner) der alten Schule, ein Führer und Lehrer, eine in sich
geschlossene Persönlichkeit, ein kluger und stets hilfsbereiter Mensch ist
von uns gegangen. Die Tradition seines Elternhauses in dem Generationen
hindurch Rabbiner und Lehrer Führer ihrer Gemeinden waren, hat der
Verblichene erfolgreich fortgesetzt. Geboren in
Reichenberg, hat er von seiner
Kindheit aus den Quellen der Thora geschöpft, hat er seine Jugendjahre bei
Rabe Hile Wechsler in Schwabach, bei
Jona Rosenbaum in Zell und vor allem
beim alten Würzburger Raw (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Seligmann_Bär_Bamberger) lernend
verbracht. Rabbiner Buttenwieser gehörte zu der ersten Generation der
deutschen Jünglinge, die es drängte nach den Stätten der Preßburger
Jeschiwah (vgl.
https://www.xn--jdische-gemeinden-22b.de/index.php/gemeinden/p-r/1596-pressburg-slowakei).
Dort hatte er bei seinem Reb (Rabbiner) Bunem Sofer (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Avraham_Schmuel_Binjamin_Sofer und bei Reb.
Nathan Wolf reiche talmudische Kenntnisse gesammelt. Ausgerüstet mit diesem
tiefen jüdischen Wissen und mit einer deutschen hervorragenden profanen
Ausbildung an den Universitäten wurde er durch die Großen seiner Zeit Samson
Raphael Hirsch (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Raphael_Hirsch) und Dr. M. Lehmann
(vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Lehmann und
https://www.deutsche-biographie.de/sfz49846.html) in Mainz beeinflusst.
In dem Geiste dieser Führer des gesetzestreuen Judentums zu wirken, sah er
als seine hehre Aufgabe. In jungen Jahren wurde er nach Mannheim berufen, um
dem thoratreuen Judentum, das dort vollkommen verwaist war, eine
Pflanzstätte zu schaffen. Noch zahlreiche Schüler aus dieser Zeit denken
heute mit besonderer Liebe ihres großen Lehrers, der sie erst einführte in
den echt jüdischen Geist. Bald aber sollte der mit hohem Idealismus erfüllte
Mann eine Lebensaufgabe finden, die er meisterhaft erfüllte. Im Elsass, das
jahrhundertelang der Sitz der Cholim war, war leider Tora und
Gottesfurcht geschwunden. Eine Schar wackerer Männer – ein knappes
Minjan (sc. zehn religionsmündig jüdische Männer) berief Rabbiner
Buttenwieser nach Straßburg, um gemeinsam mit ihm die eben gegründete
Kehilloh (Gemeinde?) Ez Chajim auszubauen. Wer die Kämpfe in den 80er Jahren
nicht mitgemacht hat, weiß nicht zu würdigen das große Werk, das dieser
Führer geschaffen. Stein auf Stein musste gefügt werden, ehe das Haus gebaut
war. Oft glaubten die Treuen, sie müssten verzagen, aber ihr Führer ließ
nicht ab von dem einmal begonnenen Werk und trotz aller Schwierigkeiten
wurde schrittweise das Terrain erobert. Es entstand in Straßburg eine
Kehilloh, wie sie mustergültiger nicht gedacht werden konnte. Alle
Institutionen, die eine Gemeinde braucht, wurden geschaffen. Da gab es keine
Bedenken, das einmal gesteckte Ziel musste erreicht werden und wurde
erreicht.
Der Heroismus und der Idealismus von Rabbiner Buttenwieser war beispiellos.
Auf diesem vorgeschobenen Posten zeigte Rabbiner Buttenwieser der Welt die
Kraft und die Stärke des gesetzestreuen Judentums. 'Auf dem Hauche (?) der
Jugend beruht die Zukunft' – und so sah er in der von ihm geschaffenen
Religionsschule die wichtigste Quelle für den Geist, zu dem er seine
Gemeinde leiten und erziehen wollte. Die große Schar seiner Schüler ist der
lebendige Geist, zu dem er seine Gemeinde leiten und erziehen wollte. Die
große Schar seiner Schüler ist der lebende Beweis der großen pädagogischen
Fähigkeiten ihres Lehrers. Aber nicht nur die Jugend zog er heran zu seinen
Idealen, auch mit den Erwachsenen lernte er täglich und groß sind die
Erfolge, die er zeitigen konnte. In einem wunderbaren Geiste wurde sein Haus
geführt. Mit seiner würdigen Gattin, der Tochter der Schönlanker Raws (sc.
Rabbiner Salomon Waelder) - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen -
wurde das Straßburger Rabbinerhaus der Mittelpunkt nicht nur der Gemeinde,
sondern der gesamten gesetzestreuen studierenden Jugend. Die zahlreichen
Akademiker, die die Straßburger Universität besuchten, sie denken noch heute
mit besonderer Liebe an die gastlichen Stätten dieses Hauses. Hier spürten
sie alle die Ideale, die ihnen vom Straßburger Raw als Lebensziel
hingestellt wurden. Die Anregungen, die sie hier empfingen, nahmen sie mit
in ihr eigenes Leben. Für die Lehrer im Saargebiet und in Lothringen
richtete Rabbiner Buttenwieser Kurse ein und konnte durch diese Kanäle auch
diese Gebiete mit seinem Geiste befruchten. Groß war das Ansehen, das dieser
seltene Mann bei den Behörden genoss und in dem Kampfe gegen die Schechita (sc.
rituelles Schächten)-Gegner konnte er aufgrund seiner Beziehungen
wichtige Waffen liefern. Aber neben all diesen großen Geistesgaben und
Fähigkeiten war es das vorbildliche Menschentum des Verblichenen, das nur
Güte ausstrahlte, das jeden, der mit ihm in Berührung kam, in seinen
Bannkreis zog. An diesem Manne war kein Falsch! So war der Einfluss dieses
Mannes bei allen ein gewaltiger und unauslöschlicher. Mitbestimmenden
Einfluss übte er auf sämtliche Organisationen und Verbände des orthodoxen
Judentums aus, besonders galt seine erfolgreiche Arbeit der 'Freien
Vereinigung'. Er war nicht nur der Raw seiner Gemeinde, sondern er war das
geistige Oberhaupt der zahlreichen ostjüdischen Kreise in Straßburg, für
deren Sorgen und Nöte er stets vollstes Verständnis hatte. Wie zu einem
Vater schauten sie zu ihm empor, der ihnen stets mit liebendem Herzen half
und der mit vollstem Verständnis ihre Interessen zu seinen eigenen machte.
Als der Verblichene aus Gesundheitsrücksichten vor ungefähr 6 Jahren
schweren Herzens sein Amt niederlegen musste und nach Mannheim zu seinen
Kindern zog, blieb er auch dort in Wahrheit der Vater und Führer seiner
Gemeinde. Mit allen großen und kleinen Sorgen kamen sie auch dorthin zu ihm
als ihrem Berater.
Die ganze Größe dieses Mannes zeigte sich im Ertragen seines schweren
körperlichen Leidens. Kein Wort der Klage kam über seine Lippen, dankbar war
er (gegenüber dem Heiligen - gepriesen sei er =) G"tt für alles, was
er an Freude in seinem Familienkreise und in dem weiten Kreise seiner
Freunde und Verehrer erleben durfte. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend
war das Leben der Erfüllung der Mitzwots (sc. Gebote) und dem Lernen
geweiht. Mit der ihm eigenen, auch in seinem Alter von Leiden nicht
gebeugten Willenskraft suchte er alle körperlichen Widerstände, die ihn an
ihrer Ausübung hindern konnten, zu meistern. Das schwerste Leiden, das ihm
die letzten Monate brauchte, war der plötzliche Verlust der Gefährtin des
Lebens, die in jeder Hinsicht die harmonische Ergänzung seines Wesens
bedeutete und die in den schwersten Jahren seines Leidens ihm die Last zu
tragen half unter Hintanstellung ihrer eigenen Persönlichkeit. Aber auch in
dieser schweren Zeit blieb er der Unerschütterliche, der das Schicksal als
die Fügung Gottes auffasste. In dieser Phase seines Lebens bot er all denen,
die seinen ungebrochenen Geist in einem hinfälligen Körper schauten, ein
erschütterndes Beispiel seelischer Größe, wahrster und tiefster
Gottesfurcht.
Das letzte Wort, das sich den Lippen des Sterbenden entrang, war: jaesch
(?) haschanah. Mit dem Gedanken an den heiligen Tag, zog er in die Welt
der Ewigkeit als ein Fürsprecher und Fürst für ganz Israel.
Bei der Bestattung in Mannheim hielten die Herrn Rabbiner Dr. Unna, Rabbiner
Dr. Brunschwig, Rabbiner Dr. Bondi aus Mainz (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Orthodoxe_Synagoge_Mainz) und Rabbiner Dr.
Brom aus Luzern warm empfundene
Trauerreden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Grab von Rabbiner Dr. Buttenwieser:
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f1-a-07-01-buttenwieser-josef
|
60. Geburtstag von Rabbiner Dr. Isaak Unna
(1932)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar
1932: "Rabbiner Dr. Isaak Unna 60 Jahre alt. Mannheim,
20. Februar (1932).
Herr Rabbiner Dr. Unna überschreitet in diesen Tagen die Schwelle
seines sechsten Lebensjahrzehnts. Wir brauchen nur das Milieu zu schildern,
dem er entstammt, um sein Wesen und Wirken zu verstehen. Hat ja auch schon
altjüdische Weisheit erkannt, dass bei aller moralischen Freiheit des
Individuums und der unendlichen Möglichkeiten seiner Entwicklung, es doch
ein gewisses Etwas geben müsse, das Form und Phase der Entwicklung in diesem
oder jenem Sinn beeinflusst. Das natürlichste Erbgut, das 'Jichus', die
'edle Abstammung' nennt es der Talmud.
Dieses Erbe ist Dr. Unna zugefallen. Er ist der Enkel des Rabbiners S. B.
Bamberger, des 'Würzburger Raws' (vgl.
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Seligmann_Bär_Bamberger) - das Gedenken
an den Gerechten ist zum Segen, eines Mannes von einer sprichwörtlich
gewordenen menschlichen und bürgerlichen Rechtlichkeit und Redlichkeit, wie
von überragender anerkannter Thoragelehrsamkeit. Auch die Eltern von Dr.
Unna in Würzburg waren menschlich und jüdisch gesehen außergewöhnlichen
Schlages. Sein Vater, Prediger und Religionslehrer, war ein Mann, in dem
Wissen und Glauben, Thorakenntnis und profanes Wissen sich in harmonischer
Einheit fanden, seine Mutter, jener Prototyp der gemütstiefen, jüdischen
Frau, von der es heißt, dass sie in den Geist des Judentums eingedrungen sei
wie kaum eine zweite, die nicht nur bewandert in den Prophetenbüchern, der
auch Mischnah und Talmud nicht fremd geblieben waren.
Dies also die Atmosphäre, die die Jugend Dr. Unnas umgab. Nachdem er sich
eine mehr als durchschnittliche wissenschaftliche Bildung angeeignet, und
mit einer schon damals überragenden Masse talmudischen Wissens ausgerüstet
hatte, nahm er einen Ruf an die Religionsschule in Frankfurt a. M.
an, wo er auch unter Dr. Horowitz (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Markus_Horovitz)
als Rabbinatsvertreter fungierte.
Im Jahre 1897 sehen wir ihn als Rabbiner der Claus in Mannheim (F
1,11). Nun beginnt der eigentliche Weg in die breitere jüdische
Öffentlichkeit, auf dessen ersten Grenzstein das Hiob'sche Wort stand 'zum
Mühsal ist der Mensch geboren', zu dem der Midrasch (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Midrasch) erklärend beifügt 'zur Mühsal im
Dienste der Lehre', ein Weg des Mühsals und des – Erfolges.
Von seiner Gemeinde und der jüdischen Welt als großer Talmudgelehrter
erkannt und anerkannt, will Dr. Unna kein Stubengelehrter sein. Sein Ziel
ist zu lernen um zu lehren, Seelengut für das Judentum der Thora
werben und erwerben. Schon gleich nach seinem Amtsantritt gründet er die
'Vortrags- und Diskussionsabende'. Um zu verstehen, dass dies wirklich eine
Tat für das wissenschaftliche Leben Mannheims bedeutete, muss man wissen,
dass die Vorträge der jüdischen Literaturvereine, wie sie damals in
Deutschland Mode waren, auch in Mannheim so ziemlich die einzigen geistigen,
jüdischen Äußerungen waren. Bei aller Anerkennung des Wertes dieser
Veranstaltung, waren sie doch der Hauptsache nach mehr auf das passive
Empfangen als das aktive Mitarbeiten eingestellt. Durch die von Dr. Unna
geschaffenen Diskussionsabende erhielt die geistige Physiognomie Mannheims
lebensvollere Züge. In freier Diskussion über alle jüdischen Fragen zu der
sich Menschen verschiedenster Schichten und Färbungen zusammenfanden, wurde
der unendlich große Komplex der Probleme durchgesprochen, die irgendwie mit
Juden und Judentum zusammenhingen. So wurden die Abende für ihre Teilnehmer
zum Erlebnis, das die Seelen auflockerte und von der Erkenntnis der Ideen
zur Praxis ihrer Ausführung leitete. Die jüdische Frauenvereinigung und die
Jüdische Kinderstube, der Nähzirkel und andere Organisationen sind aus
diesem Kreise hervorgegangen. Dies schuf Dr. Unna ohne nennenswerte
finanzielle oder ideelle Förderung. |
Aber
auch Tatsachen, einer anderen Seite seiner Tätigkeit im Dienste der
Allgemeinheit angehörend, seien hier der Vergessenheit entrissen. Da das
Judentum sich nicht nur in religiöser, ethischer und sozialer Richtung
erschöpft, sondern noch als zweite Komponente das praktische Leben umfasst,
war es mit eine Lebensaufgabe von Dr. Unna die Neubelebung der rituellen
Institutionen zu bewirken. Er organisierte u. a. auch die Möglichkeiten
ritueller Fleischbeschaffung und setzt sich nicht zuletzt für eine
gemeinderechtlich würdige, soziale Stellung der Ritualbeamten ein. Alles,
ohne verwaltungsmäßige Unterstützung, (jeden Schritt vorwärts mühsam
erkämpfend, er hatte ja seine Rabbinatsbefugnisse).
Erst 1920 war ihm durch seine Berufung zum Gemeinderabbiner ein
größerer Kreis offiziellen Wirkens gegeben. In diese Zeit fällt auch der
durch ihn veranlasste Ausbau der ihm unterstehenden Clausschule zur
Religionsschule größeren Stils, und die Berufung von Rabb. Dr. Lauer
(sc. Rabbiner Dr. Chaim Lauer aus Biel)
als Schuldirektor.
Es ist begreiflich, dass die Tätigkeit eines Mannes wie Herrn Dr. Unna
vor den Toren Mannheims nicht Halt macht. Als geistiges Mitglied der
Synode (seit 1921) und Konferenzrabbiner (seit 1924) hat sein
großes Thorawissen dem Badener Lande schon manchen Dienst erwiesen, und was
die von ihm aufs Neue gegründeten und geleiteten Fortbildungskurse für
jüdische Lehrer für den jüdisch-geistigen Aufbau über Baden hinaus bedeuten,
wissen die Teilnehmer dieser Kurse selbst zu beurteilen.
Aber weiter greift die Wirksamkeit des Unermüdlichen. Die gesetzestreue
Rabbinervereinigung Deutschlands wählte ihn zu ihrem Vorsitzenden. Seine
Anerkennung in der jüdischen Welt überhaupt als Jude und Mensch, ist in
mannigfacher ehrenvoller Berufung ausgesprochen. In der Agudas Jisroel
ringt er ehrlich und energisch für seine Prinzipien, insbesondere für
die Milderung der Wählbarkeit in die Agudosinstanzen bestimmenden
Paragraphen, aber sein Kampf bleibt vornehm, sachlich und innerhalb der
Organisation. Bei all dieser Tätigkeit im weitesten Rahmen, findet er aber
immer noch Zeit, neben seiner ausgedehnten literarischen Tätigkeit, die eine
eigene Würdigung verdienen würde, am religiös-geistigen Bau unserer Gemeinde
weiter zu schaffen. Die verschiedenen, talmudischen Kurse, die er hier
leitet, die 'Vortragsabende' der Claus, die auf einen größeren Kreis
zugeschnitten sind, bilden mit einen Teil dieser Seite seiner öffentlichen
Wirksamkeit.
Ich sage öffentliche Wirksamkeit. Was aber Herr Dr. Unna daheim in
stiller Stube für das Judentum – das gesamte Judentum – leistet und
geleistet, entzieht sich dem Blick derer, die nur ein Auge haben für Taten,
die im grellen Licht der Öffentlichkeit geschehen. Wer etwas gehört hat von
den Intrigen, mit denen Hass und Vorurteil das Judentum bedrohen – wir
denken an die Schächtfrage – wer von den furchtbaren Gefahren nur etwas
erahnt, die von scheinwissenschaftlich antisemitischer Seite nicht nur an
den Talmud, sondern an das gesamte Judentum heranschleichen, ich denke an
den Nürnberger Prozess und den Sachverständigen Bischoff, der möge wissen,
dass nur das stetige, tiefe Eindringen in Talmud und Thora uns noch retten
kann, eben diesen Talmud, den viele unserer Feinde besser kenne als manche
von uns, die sich berufene Vertreter unserer Sache nennen.
Dieses Studium der Thora und des Talmud allein bedeutet schon das Lebenswerk
eines Menschen, weil es die Lebensmöglichkeit unseres Volkes bedeutet.
Die gesamte gesetzestreue Judenheit hegt den heißen Wunsch, dass uns die
Arbeitskraft dieses begnadeten Menschen noch Jahrzehnte ungeschmälert
erhalten bleibt. Zu Ehren der Tora und zu Ehren des Ortes (= Mannheim):
alles Gute (dem Jubilar) bis 120 Jahre!" |
Beitrag von Rabbiner Dr.
Isaak Unna "Um die Zukunft des
thoratreuen Judentums in Palästina" (1934)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar
1934: "Um die Zukunft des thoratreuen Judentums in Palästina Von
Rabbiner Dr. Unna in Mannheim
Im Februar 1919, kurz vor der Züricher Aguda-Konferenz, habe ich im
'Israelit' einen Artikel veröffentlicht: 'Ein Wort zu Verständigung'. Ich
erwähnte darin die Tatsache, dass Aguda (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Agudath_Israel_Weltorganisation) und
Misrachi (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Misrachi) sich gegenseitig mit einer
Leidenschaft bekämpften, wie sie kaum gegenüber den Feinden des
traditionellen Judentums zutage tritt, und knüpfte daran die Bemerkung:
'Diese gegenseitige Bekämpfung von Gruppen, denen beiden die Thora höchstes
Heiligtum ist, ist eine der betrübendsten Erscheinungen jüdischen Lebens. Es
werden durch sie wertvolle Kräfte im nutzlosen Wortkampf verbraucht und es
wird eine Atmosphäre des Hasses geschaffen, die eine ernste Gefahr bedeutet,
namentlich im Hinblick auf die praktische Arbeit in Palästina, wo das
Zusammenwirken aller thoratreuen Juden eine Lebensfrage für das jüdische
Volk und seine Zukunft sein wird.' Ich habe dann ausgeführt, dass über die
Frage, was Judentum ist, doch kaum eine Meinungsverschiedenheit zwischen
Aguda und Misrachi besteht, dass beide die Anerkennung des schriftlichen und
mündlichen Gesetzes fordern, beide auch die Ansicht vertreten, dass im
Judentum Religion und Nationalbegriff untrennbar verbunden sind. Nur halten
die Wortführer der Aguda den Eintritt in die zionistische Organisation für
eine Anerkennung des Prinzips des reinen Nationalismus und deshalb für eine
Gefährdung der Reinheit der überlieferten Lehre, während der Misrachi
glaubt, dass es taktisch richtiger sei, den Zionismus, der doch nun einmal
ein Machtfaktor von höchster Bedeutung ist, von innen heraus in religiösem
Sinn zu beeinflussen. Ich sagte dann zum Schluss:
'Ich meine auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung der Überzeugung
müsste sich ein stillschweigendes Abkommen erzielen lassen, dass die
gegenseitigen Angriffe unterbleiben und dass jede Gruppe durch positive
Arbeit die Richtigkeit ihres Prinzips erweist. Die Aguda soll ihre positiven
Leistungen denen des Zionismus gegenüberstellen und dadurch ihre Werbekraft
erhöhen, und der Misrachi soll zeigen, dass er wirklich imstande ist, bei
der praktischen Gestaltung der zionistischen Ideen die Grundsätze der Thora
zur Geltung zu bringen. Über die Berechtigung der beiden Methoden wird die
Geschichte entscheiden. Für das Judentum aber wäre es der größte Segen, wenn
der Bruderkampf eingestellt und die künftige Zusammenarbeit im heiligen
Lande nicht von vornherein erschwert würde.'
Seitdem sind 15 Jahre verflossen. Jahre, die für Erez Jisrael (das
Land Israel) eine Umwälzung bedeuteten. Aber keine der beiden gegnerischen
Parteien hat ihr Ziel erreicht. Der Misrachi hat zwar an selbständigen
Leistungen Wertvolles aufzuweisen: Er hat einige religiöse Siedlungen
gegründet – vor allem den Kibbuz Rodges (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gehringshof) – die in der Vereinigung von
Thora und praktische Arbeit vorbildlich sind und auch die Anerkennung der
Gegner erzwungen haben und auch sein Schulwerk ist, trotz aller Mängel,
einer der wichtigsten Aktivposten des traditionellen Judentums. Seine
Aufgabe, den Zionismus religiös zu beeinflussen, hat er aber nicht zu lösen
vermocht, das haben die Verhandlungen des letzten Kongresses bewiesen, wo
seine durchaus gemäßigten religiösen Forderungen abgelehnt wurden. Daran
kann auch die erfreuliche Tatsache nichts ändern, dass die Verwaltung des
Keren Kajemet ( vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Nationalfonds) die Aufnahme der
Sabbatklausel in ihre Verträge bewilligt hat. Auf der anderen Seite hat die
Aguda zwar die Forderungen des traditionellen Judentums in Wort und Schrift
unablässig betont, ihre praktischen Leistungen in Erez Jisrael (das
Land Israel) sind aber bis jetzt minimal geblieben. Der Misrachi hat
zweifellos infolge der Bindungen, die ihm seine Zugehörigkeit zur
Organisation auferlegt, nicht mit der Energie auftreten können, die zur
Durchsetzung seiner Forderungen notwendig gewesen wäre; zugleich aber war er
behindert durch den Zwang, sich auch gegen die Gegner von rechts zu
verteidigen. Die Aguda aber hat infolge der zahlreichen Aufgaben, die sie
außerhalb von Erez Jisrael (vom Land Israel) zu erfüllen hat – denn
sie kann sich nicht wie der Misrachi auf Erez Jisrael (Land Israel)
beschränken – nicht die Kraft besessen, dort so zu wirken, wie sie es sicher
gern getan hätte. Der leidenschaftliche Kampf aber ist geblieben; die
Polemik hat, wie der Auseinandersetzungen der letzten Wochen beweisen, an
Schärfe nicht das geringste verloren.
Sollte sich jetzt, angesichts der ungeheuren Gefahren, die unsere Ideale
bedrohen, nicht die Erkenntnis durchsetzen, dass die Zukunft des thoratreuen
Judentums in Erez Jisrael (Land Israel) von der Zusammenarbeit der
Orthodoxen aller Schattierungen abhängt? Der Abfall in Erez Jisrael
(Land Israel) nimmt immer schlimmere Formen an; es sind nicht nur die
Arbeiter, die hier vorangehen, es ist auch ein großer Teil der Intelligenz
in den Städten – und die deutsche Alijah (Auswanderung ins damalige
Palästina) hat die Sache nicht verbessert – es sind vor allem die breiten
Schichten der Jugend, deren Stellung zu den schwersten Besorgnissen Anlass
gibt. Dabei sind die Gesetzestreuen zahlenmäßig auch heute noch eine Macht;
aber ihre Kräfte können nicht zu politischer Wirkung kommen, weil sie
getrennt sind, und weil sie ihre Angriffe gegeneinander und nicht gegen den
gemeinsamen Gegner richten. Durch eine Verbindung mit den Kräften des alten
Jischuw (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jischuw) würde der Misrachi eine
außerordentliche moralische Stärkung erfahren, und die Zusammenarbeit mit
dem Misrachi würde der Aguda ganz andere Möglichkeiten in Erez Jisrael
(Land Israel) eröffnen. So würde die Vereinigung beider Richtungen der
Orthodoxie eine Stoßkraft verleihen, die das ganze Kräfteverhältnis im Lande
wesentlich verändern würde.
Wenn auch eine enge Zusammenarbeit nach den vorausgegangenen
Auseinandersetzungen vorläufig nicht möglich sein wird, so sollte man sich
zunächst auf einen Waffenstillstand einigen, sollte die gegenseitige
Bekämpfung unterlassen. Man kann seine Ideale verfechten, ohne den Gegner
gehässig anzugreifen und man kann sogar die Leistungen des Gegners
anerkennen, wenn man auch sein Prinzip ablehnt. Damit allein wäre schon viel
gewonnen. Wenn aber der gegenwärtige Zustand fortdauert, dann muss man für
die Zukunft des Landes die schwersten Befürchtungen hegen. Durch
grundlosen Hass ist nach den Worten unserer Weisen der zweite Tempel
zerstört worden. Auch dort war es der Kampf der Parteien, die in sinnloser
Selbstzerfleischung die ungeheure Gefahr nicht sahen, die alle von außen her
bedrohte. Soll der ganze religiöse Aufbau überhaupt dadurch gefährdet
werden, dass die Wortführer die Notwendigkeit der Verständigung nicht
einsehen wollen?
Ich bin nur ein Einzelner, aber ich glaube, dass viele mit mir die gleiche
Empfindung haben. Und vielleicht kann auch die Mahnung eines Einzelnen in
der Stunde der Gefahr gehört werden. Wohl dem Geschlecht, in dem die
Großen auf die Kleinen hören (?). Es geht heute um das Ganze. Dass der
Aufbau nur gelingen kann, wenn die Forderungen der Thora berücksichtigt
werden, ist unsere Überzeugung. Und dass für diesen Zweck alle Kräfte
zusammengefasst werden müssen, ist eine so elementare Forderung der
Vernunft, dass man glauben sollte, alle, denen die Zukunft des jüdischen
Volkes am Herzen liegt, müssten sie verstehen. Vielleicht wäre es möglich,
durch eine Besprechung zwischen einigen führenden Persönlichkeiten einmal
einen Waffenstillstand der erwähnten Art herbeizuführen, der dann nach und
nach zu einem besseren Verständnis und zur gemeinsamen Arbeit hinleiten
könnte." |
Abschied von Rabbiner Dr. Isaak Unna
(1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli
1935: "Rabbiner Dr. Unnas Abschied von Mannheim. Mannheim, 15.
Juli (1935).
Der G’ttesdienst-Anzeiger des Mannheimer Israelitisches Gemeindeblattes vom
9. Juli enthielt einen knappen nüchternen Hinweis: Donnerstag, den 11.
Juli, abends 6 Uhr: Abschiedsfeier für Herrn Stadt- und Konferenzrabbiner
Dr. Unna.
Es ist ein historisches Datum, dieser 11. Juli. Seit dem Jahre 1898 amtierte
Dr. Unna in der altehrwürdigen Claus-Synagoge in Mannheim, zuerst in
begrenztem Wirkungsraum, weil jene Zeiten das gesetzestreue Judentum in
Baden, und vor allem in Mannheim in einen Winkel des jüdischen Lebens
abzudrängen versuchten. Dann aber wird sein Wirken neuen Bezirken
erschlossen. 1920 Stadtrabbiner, seit 1924 Mitglied des Oberrats (Oberrat
der Israeliten Badens) als Konferenzrabbiner. Und nun, gerade zu dem
Zeitpunkt, wo die 19. Synode in Karlsruhe in dunklen Tagen des deutschen
Judentums zu neuen Beschlussfassungen zusammentritt, wird Herr Dr. Unna an
diesen Beratungen nicht mehr teilnehmen. Sein Ziel ist dort, wo er vor zwei
Jahren in kurzem Aufenthalte bereits die Stätte kennengelernt hat, die ihm
zum neuen Heim werden wird: In Erez Israel.
Die Clausgemeinde verliert ihren Führer, der klar und eindeutig in der einst
neuen 'Richtlinien' und 'neuen Gebetbüchern' (sc. der liberalen jüdischen
Gemeinde in der Hauptsynagoge F 2, 13) anhängenden Stadt die alte Thora,
ihre ewigen Richtlinien, verkündete, der keinen Angriff scheute, keine
ängstlichen Bedenken hatte, etwas im 'Verein zur Wahrung der Interessen des
gesetzestreuen Judentums in Baden' zu kämpfen für die alte Emunoh. Aber
keine Arbeit für Gemeinde und Gemeinschaft, für Körperschaften vielerlei
Art, Verbände und Gremien hier und in der Ferne, konnten ihn davon abhalten,
der Lehrer zu sein. Die Schiurim (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schi'ur), die halachischen (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Halacha) Vorträge, die Arbeit für die
Claus-Religionsschule und dazu die Sorge für Kaschruth (sc. jüdische
Speisegesetze) und Schechita (sc. rituelles Schächten), die
schriftstellerische Tätigkeit, die tätige Hilfe auf allen Gebieten des
Gemilut Chesed (sc. Wohltätigkeit), man muss schon mit dem hiesigen
Gemeindeblatt sprechen: 'Es ist nicht möglich, den ganzen Ertrag einer
gesegneten, jüdischen Arbeit von solcher Dauer und Intensität auch nur
annähernd darzustellen.'
Nun folgt Rabbiner Dr. Unna mit seiner Gattin (sc. Gertrud geb. Goitein,
1876–1954) den Kindern, die bereits im heiligen Lande Wohnsitz und
aufbauendes Wirken als Lebensinhalt erkoren haben. Und so kam es zur
Abschiedsstunde.
Im gefüllten, schönen Clausg’tteshaus sammelten sich die Gemeindemitglieder,
die Alten, die Jungen, die Kinder, Freunde aus Nah und Fern, Rabbiner und
Synagogenräte, die Vertreter des Oberrats (sc. der Israeliten Badens) und
der Vereinigungen. Zum Abschied bestieg der Raw (sc. Rabbiner Dr. Unna) die
Kanzel, um noch einmal zu seiner Gemeinde zu sprechen. Er sprach davon, wie
er bei aller Friedensliebe und aller Bereitschaft zu gemeinsamen Tun nie
abgewichen sei von dem Weg, den er als unerschütterlich ewigen Lebenspfad
des Judentums betrachtet und begangen sehen wollte: Den Weg, der vom Sinai
ausgeht und der auch die Irrenden, so Gott will, zur Thora zurückführt.
Den Dank der Gesamtgemeinde sprach in seiner eindringlichen Weise in
gehaltvollen Worten der Vorsitzende des Synagogenrats Mannheim, Herr
Rabbiner Dr. Grünewald. Die Stunde des Abschieds wurde aber
gleichzeitig – so war es der Wunsch der Beteiligten - zur Stunde des Neuen,
des Künftigen: Anstelle Rabb. Dr. Unnas wird nach Wahl und
Entscheidung der zuständigen Instanzen und aufgrund eigener
Bereitwilligkeit, Herr Rabb. Dr. Lauer (sc. Rabbiner Dr. Chaim Lauer
aus Biel), der bisherige Direktor der
Claus-Religionsschule (F 1,11) nunmehr – offiziell ab 1. September –
Clausrabbiner, Stadtrabbiner von Mannheim, sein. Ihn führte Dr. Grünewald
namens der Gemeinde ins Amt ein. Ihn nannte Rabb. Dr. Unna den würdigen
Nachfolger und überantwortete so in letzter Amtshandlung die Clausgemeinde
ihrem künftigen Führer, in dem sie, wie im bisherigen Raw, den starken und
mutigen Wahrer und Hüter der Tradition, den friedlich und doch kraftvoll
seinen gesetzestreuen Standpunkt vertretenden Fortsetzer alter und
ruhmvoller Claustradition zu sehen hofft. – Indem Herr Rabbiner Dr. Lauer
die Namen R.(abbiner) Jakob Ettlinger - das Andenken an den Gerechten ist
zum Segen - (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger), den großen Clausrabbiner
des 19. Jahrhunderts, und den Namen Esriel Hildesheimer - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen - (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Esriel_Hildesheimer) in seinen
ergreifenden und feierlichen Worten, mit denen er sein Amt übernahm, nannte,
gab er sein Programm, Hüter alter Tradition zu sein. Des Claus-Chores
mächtige Stimmen, die packenden Rhythmen des 19. Psalmes, ließen die
Feierstunde ausklingen und ließen sie zur Erinnerung werden allen denen, die
wehmütig gestimmte Zeugen eines Abschieds und eines Neubeginns innerhalb der
Clausgemeinde Mannheim wurden.
Die Feierstunde des Nachmittags, an die sich Mincha- (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mincha) und Maariwgebet (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Maariw_(Judentum)) anschlossen,
folgte am Abend ein Beisammensein in den Räumen des Logenrestaurants (sc.
der August-Lamey-Loge), wo bei einfachem Abendessen die Männer und Frauen
der Clausgemeinde, die offiziellen Persönlichkeiten sich noch einmal
versammelten, um gemeinsam mit ihrem Raw und seiner Familie einige Stunden
zu verbringen. Vielerlei wurde zu Ehren des Scheidenden gesagt, Gaben der
Erinnerung überbrachten die Vertreter von Gemeinde und Oberrat, Ehrungen
wurden Herrn Rabb. Dr. Unna mannigfach zuteil. Vom
traditionell-gesetzestreuen Rabbinerverband, von der Reichsvereinigung (sc.
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsvertretung_der_Deutschen_Juden), vom
Council der Jewish Agency (sc.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jewish_Agency_for_Israel) kam Rabb. Dr.
Unnas Freund Rabb. Dr. Horowitz, Frankfurt a. M., um die Grüße der
genannten Stellen zu überbringen. Den Oberrat der Israliten Badens vertrat
dessen Mitglied, Rechtsanwalt Dr. (Moritz) Pfälzer. Im Namens des
'Vereins zur Wahrung' (sc. der Interessen des gesetzestreuen Judentums in
Baden), im Namen der Freunde und Mitstreiter aus bewegter Zeit, entbot Prof.
Darmstädter dem Ehrenmitglied des Vereins den Gruß und die Wünsche
zum neuen Lebensweg. Die Clausgemeinde vertrat ihr Vorsteher, Herr Dir. Otto
Simon, der Dank sagte für alles Wirken in vier Jahrzehnten und dem
Raw herzlichste Wünsche für das Wohnen im Väterlande widmete. Die Loge (sc.
August-Lamey-Loge) entsandte ihren Vorsitzenden Herrn Dr. Scheuer,
als Sprecher und Überbringer ihrer Grüße an das Brudermitglied. Die Kantoren
(Epstein, Kohn und Adler
https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00000780) sangen
zu Ehren des Rabbiners und Rabbiner Dr. (Robert Raphael) Geis sprach
herzliche und bewegende Worte persönlichster Wertschätzung an den Kollegen,
an den Lehrer. - Unvergessen bleibt dieser Tag, unvergessen in wie
herzlicher, großartiger und gedankenvoller Art auch am Abend der Vorsitzende
der Mannheimer Gemeinde, Herr Rabbiner Dr. Grünewald, dieser Feier, diesem
Tag, dieser Abschiedsstunde mit sein Gepräge gab. Die Fülle der ehrenden
Worte und Gaben ließen Herrn Rabbiner Dr. Unna jenes Wort des Weisen
erwähnen, der tadelnd allzu große Ehrung in Gegenwart des Geehrten auf ihr
Maß zurückzuführen sucht… Trotzdem: Wir glauben, an diesem Tag hat eine
reife und warme Freude noch einmal unseres Raws Herz erfüllt. Die Freude,
dass seine Gemeinde, seine engere Gemeinde und viele darüber hinaus, sich
ihm so herzlich so über alle Trennung hinweg verbunden fühlten und ihm
verbunden bleiben werden.
Nun wird er, nach Wochen verdienter Erholung in der Stille und Schönheit der
Berge, rüsten zur Fahrt ins Heilige Land. Von hier nimmt er in dieser Woche
Abschied. Auch wenn er vor Beginn der Meeresfahrt, der Sehnsuchtsfahrt,
nicht mehr hierher zurückkehrt, geleiten ihn die Rufe und Stimmen der
Freunde, die Blicke der zurückbleibenden Gemeinde, das Winken der Kinder
unserer Claus in Gedanken zum Schiff, zum Boden Erez Jisraels, zu den alten
und neuen Stätten unseres Volkes. Neue Dinge treten an ihn heran, den
Noch-gar-nicht-müden. Das Wort tönt ihm entgegen, das einer der Sprecher des
Abends einflocht in seine Rede: 'Über deine Mauern, Jerusalem, hab ich
Wächter bestellt, den ganzen Tag und die ganze Nacht, nimmer schweigen sie;
die ihr anrufet den Ewigen, - euch sei keine Ruhe' (Jesaja 62,6). Wir
wissen, er antwortet: 'Um Zions willen schweig ich nicht' (Jesaja
62,1). Wir wünschen ihn, unseren scheidenden Raw, Herrn Rabbiner Dr. Isaak
Unna, Gesundheit, Rüstigkeit, kraftvolles Wirken und Mahnen, wo es nottut,
aufgeschlossene jüdische Brüder und Schwestern, die bereit sind, den Lehrer
und Meister der Thora mit großer Freude willkommen zu heißen und ihn zu
geleiten zu der Stätte des neuen Lebens auf heiligem Boden (vgl. 2.
Mose 3,5)." |
Anmerkungen: Verein zur Wahrung
des gesetzestreuen Judentums hatte seinen Sitz in der Akademiestraße 3.
Oberkantor Hugo Adler, Hauptsynagoge F 2,13
https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00000780
Kantor Arthur Kohn (geb. 1908 in Würzburg, verheiratet mit Martha
geb. Fiebermann, drei Kinder) war in den 1930er Jahren Lehrer und Kantor an
der Klaussynagoge, nach dem Novemberpogrom 1938 nach Argentinien emigriert,
in den 1950er-Jahren nach Israel
https://www.yadvashem.org/gathering-fragments/stories/clouds-of-war/kohn.html;
Interview mit Sohn Jossi (geb. 1935 in Mannheim):
https://www.youtube.com/watch?v=qcS_412IjJw .
Kantor Hermann Epstein, Kantor an der Klaussynagoge von 1920 -1937,
dann in die USA emigriert, vgl. unten
Abschied von Schochet und Kantor Hermann Epstein (1937)
Rabbiner Dr. Robert Raphael Geis (1906- 1972) Jugendrabbiner,
Landesrabbiner von Baden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Raphael_Geis
Rabbiner Dr. Max Grünewald:
https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Grünewald. |
Zum Tod von Dr. Gedalia Unna, Sohn von Rabbiner Dr. Isaak Unna
(1938)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 25. August 1938: "Dr. Gedalia Unna. Das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen.
Jerusalem, 21. August In der misrachistischen (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Misrachi) Kolonie 'Tirath Zwi' erlag einem
Herzinfarkt Dr. Gedalia Unna, der Sohn des in Deutschland bekannten
und allgeachteten früheren Mannheimer Rabbiner Dr. Isaak Unna. Dr. Gedalia
Unna wurde von Jugend auf für den rabbinischen Beruf vorbereitet und
absolvierte seine Studien, nachdem er unter Leitung seines Vaters sich ein
tüchtiges talmudisches Wissen errungen hatte, am Berliner Rabbiner-Seminar.
Von der Liebe zu Erez Israel getrieben, ging er nach Palästina, wo er sich
erst als Lehrer betätigte und dann die geistige Leitung der
Misrachiniederlassung in Rodges übernahm. Von dort siedelte er mit den
ersten Chaluzim (Pionieren), die diese neue gesetzestreue Kolonie schufen,
nach 'Tirath Zwi' über. Ein Jugendführer par excellence, hatte Dr. Unna kein
anderes Streben, als die jungen Menschen, die sich um ihn gruppierten, zur
Liebe zur Tora und zu ...(?) Haarez heranzuziehen. Noch am
Donnerstagabend leitete er eine Sitzung in der Kolonie und entwarf
bedeutsame Pläne für die Sicherung des Nachwuchses in der Niederlassung.
Mitten in der Verhandlung wurde er von einem Unwohlsein befallen, das seine
sofortige Überführung nach dem Krankenhaus nach Afule (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Afula) bedingte. Dort hauchte er am
Freitagvormittag seine reine Seele aus. Die Beisetzung fand am Sonntag in
Jerusalem unter großer Beteiligung statt. Dr. Gedalia Unna erreichte ein
Alter von 30 Jahren. Die Teilnahme mit der auch in Palästina so hoch
verehrten und beliebten Familie Unna ist allgemein und außer sich in den
Nachrufen und Kundgebungen in den hebräischen Zeitungen in ergreifender
Weise. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Berichte
zu den jüdischen Lehrern und weiteren Kultusbeamten sowie zum jüdischen
Schulwesen
Oberlehrer
Dr. Wolff ist für den israelitischen Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds
tätig (1841)
Anmerkung: bei Dr. Wolff handelt es sich um Dr. Simon Wolff (geb. 13.
März 1789 in Hechingen, gest. 3. Dezember 1860
in Mannheim,
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/a2-02-09-wolff-simon-dr und
https://www.marchivum.de/sites/default/files/grabdoku/A2-02-09.pdf). Simon Wolff besuchte in
Hechingen die Talmudschule und war als
Hauslehrer tätig. 1809 begann er in
Heidelberg ein Medizinstudium, wechselte 1811 aber zur Mathematik. Seinen
Lebensunterhalt verdiente er sich während des Studiums am Schwarzschen
Knabeninstitut in Mannheim und durch hebräischen Privatunterricht. 1814
promovierte Simon Wolff in Heidelberg. 1816 eröffnete er mit dem Philologen E.
Straßburger eine jüdische Lehranstalt in Mannheim. "Von 1819 bis 1824 wirkte
Wolff in Karlsruhe als Lehrer und Prediger an dem neu gegründeten Tempelverein.
Im Jahre 1824 kehrte er nach Mannheim zurück und übernahm die Leitung der von
ihm gegründeten Schule, die inzwischen staatlich anerkannt war. Knaben wurden
vom 6. bis 13., Mädchen erst ab dem 7. Lebensjahr unterrichtet. Die Schule mit
vier Lehrern und etwa 100 Schülern war im Gebäude der Klaus-Stiftung (F 1, 11)
untergebracht. Wolff war damit zum Schöpfer des jüdischen Schulwesens in Baden
geworden, viele Lehrer verdanken ihm ihre Ausbildung." Dr. Wolff war
zweimal verheiratet, 1. mit Minna geb. ?, 2. mit Babette geb. ?.
Quellen: Karl Otto Watzinger: Geschichte der Juden in Mannheim 1650-1945, Seite
145.
Volker Keller: Jüdisches Leben in Mannheim. S. 102.
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1841 S. 1114 (Quelle: Staatsarchiv Donaueschingen):
"Karlsruhe [Bekanntmachung]. Durch diesseitigen Beschluss vom
14. Januar dieses Jahres, Nr. 32, wurden zur Erhebung der Aufnahmstaxen
und Jahresbeiträge von den öffentlichen israelitischen Volksschullehrern
zu dem, in Folge des § 81 des Volksschulgesetzes vom 28. August 1835,
vermöge hoher Ministerialverordnung vom 29. November 1839,
Regierungsblatt Nr. 33, errichteten allgemeinen israelitischen
Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds, als Verrechner ernennt:
I. Für den Seekreis, Lehrer Moos in Randegg.
II. Für den Oberrheinkreis, Lehrer Flegenheimer in Müllheim.
III. Für den Mittelrheinkreis, Lehrer Rosenfeld in Karlsruhe.
Und
IV. für den Unterrheinkreis, Oberlehrer Dr. Wolff in Mannheim,
und die Verrechnung des allgemeinen israelitischen Schulfonds und
Schullehrer-, Witwen- und Waisenfonds dem großherzoglichen Kammerrat
Dollmätsch daher provisorisch übertragen; welches hierdurch zur
allgemeinen Kenntnis gebracht wird.
Großherzoglicher Oberrat der Israeliten". |
Ausschreibung der Unterlehrerstelle an der israelitischen Volksschule and
Besetzung mit Mayer Weil (1850 / 1851)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 2. Oktober 1850 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "An
der israelitischen Volksschule in Mannheim ist die neu errichtete, mit einem
Gehalte von 300 fl. verbundene Unterlehrstelle zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um diese Stelle werden daher aufgefordert, ihre
Gesuche binnen 4 Wochen durch die betreffende großherzogliche
Bezirksschulvisitatur bei der großherzoglichen Visitatur der israelitischen
Volksschule in Mannheim unter Anfügung ihrer Rezeptionsurkunden und der
Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel einzureichen.
Bemerkt wird hierbei, dass zu den Lehrgegenständen, welche der Unterlehrer
zu besorgen hat, insbesondere der Unterricht in Gesang und in Zeichnen
gehört."
|
|
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 5. März 1851 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Die
neu errichtete Unterlehrerstelle an der israelitischen Volksschule in
Mannheim wurde dem Schulkandidaten Mayer Weil von Schmieheim übertragen."
Anmerkung: siehe zu Hauptlehrer Mayer Weils Tod unten. |
Oberlehrer Dr. Wolff feiert sein 40jähriges Dienstjubiläum und tritt in den
Ruhestand (1857)
Anmerkung: bei Dr. Wolff handelt es sich um Dr. Simon Wolff (1798-1860), vgl.
Text von 1841 siehe oben .
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 3. Juni 1857: "Mannheim, 30. Mai
(1857). Die gestrige Feier des 40-jährigen Dienstjubiläums des
israelitischen Oberlehrers Herrn Dr. wolff im Aulasaale fand unter
Anwesenheit der obersten Regierungs- und Stadtbehörden, Geistlicher und
Lehrer, und eines zahlreichen Publikums statt. Der mit Beibehaltung seines
vollen Gehaltes nun in den Ruhestand tretende Jubilar erhielt einen schön
gearbeiteten Pokal und eine Dankadresse, wobei Vorträge des Synagogenchors
eine Feier einleiteten und schlossen, welche durch die Reden des Herrn
Stadtpfarrers und Schulvisitators Koch, des Herrn Dr. Wolff und Herrn
Stadtrabbiner Präger ihren rhetorischen Schmuck und ihren bedeutsamen
Kommentar erhielt."
|
Zum Tod von Hauptlehrer Mayer Weil
(1873; Bericht von 1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Mai 1874: "Mannheim, im Mai (Privatmitteilung). Vor
bereits einem Jahre hat es dem unerforschlichen Willen des Weltenlenkers
gefallen, unseren allverehrten, hochverdienten, na der hiesigen Volksschule
angestellten Kollegen, Herrn Hauptlehrer Mayer Weil, in seinem besten
Mannesalter durch einen raschen Tod uns zu entreißen.
Eine allgemeine tiefe Trauer bekundete den schweren Verlust.
Da gab die israelitische Gemeinde alsbald den schönen Beweis echter Pietät
sowohl, wie auch ihres hohen, altbewährten Sinnes für die Schule und ihre
Lehrer dadurch, dass sie der Witwe, ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu
sein, einen Witwengehalt festsetzte, der sie vor jeder Not für alle Zukunft
sicher stellen sollte.
Und am Jahrestage scharten sich die Schüler des Verblichenen zu einem
Liebesbunde und bewiesen ihre kindliche Dankbarkeit durch Errichtung eines
schönen Grabsteins mit dem Motto: (Hebräisch und deutsch aus Daniel
12,3): 'Die Weisen werden glänzen wie der Glanz des Himmels, und die,
welche viele zur Gerechtigkeit geführt, wie die Sterne immer und ewig.'
Glücklich eine Gemeinde, der ein solcher Geist innewohnt. Möge sie mit ihren
Institutionen ein Segen Gottes bleiben und als Mustergemeinde andere
bezüglich ihres wohlgeordneten vorzüglich geleiteten Unterrichtswesens,
sowie ihres einigen zeitgemäßen Kultus und der zahlreichen humanen
Einrichtungen (vgl. gemeint sind hier die zahlreichen wohltätigen
Stiftungen, die alle Konfessionen berücksichtigen und die Einrichtungen wie
z.B. das israelitische Krankenhaus, Waisenhaus und die
Beerdigungsbruderschaft) bei den Schwestergemeinden Deutschlands recht
häufige Nachahmung finden. K."
Anmerkung: es handelt sich um Lehrer Mayer Weil (geb. 25.2.1823 in
Schmieheim, gest. 20.5.1874 in
Mannheim, vgl.
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/b2-a-05-01-weil-mayer) |
Ausschreibung der Stelle des ersten Kantors (1874)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Juni 1874: "Vacanz
In hiesiger Gemeinde ist die Stelle des ersten Cantors baldmöglichst zu
besetzen. Tüchtig geschulte Vorbeter, von gediegener musikalischer
und liturgischer Befähigung, welche auf diese Stelle reflektieren, mögen
sich spätestens bis zum 15. Juli unter Einsendung ihrer Zeugnisse bei
Großherzoglichem Synagogenrat dahier melden.
Mannheim, d.(en) 4. Juni 1874
Der Großherzogliche Synagogenrat Dr. Ladenburg." |
Anmerkung: Der Großherzogliche
Synagogenrat Dr. Leopold Ladenburg (Hauptsynagoge F 2, 13) (1809
-1889) war ein Sohn von Wolf Hayum Ladenburg. Leopold Ladenburg verfasste
wichtige Schriften, in denen er u.a. die Gleichberechtigung von Juden und
Christen in Deutschland verlangte: 'Wir erkennen Deutschland als unser
teueres Vaterland; die deutsche Sprache als unsere Muttersprache. Wir haben
diesen unseren Sinn bewährt in der Völkerschlacht bei Leipzig und zehn
anderen Schlachten.' (zitiert nach Karl Otto Watzinger: 'Geschichte
der Juden in Mannheim 1650- 1945', Stuttgart, 1984 S. 112). Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Ladenburg. |
Der
jüdische Lehrer Kern wurde zum Mitglied des Ortsschulrates gewählt (1884)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Februar 1884: "Mannheim, Januar
(Privatmitteilung). Die Neuzeit erzeugte so vielerlei unliebsame soziale
Erscheinungen, dass es sowohl geeignet erscheinen dürfte, von einer
erfreulichen Tatsache zu berichten.
Nach dem Badischen Schulgesetz besteht in jeder Gemeinde ein Ortsschulrat,
wozu in Städten die Lehrer ein Mitglied aus ihrer Mitte zu stellen haben.
Bei der jüngst vorgekommenen Wahl wurde Herr Hauptlehrer Kern (Israelit) von
seinen Kollegen zum Mitglied des Ortsschulrats gewählt.
In der hiesigen Einwohnerschaft, welche als human und freisinnig bekannt
ist, macht diese Kundgabe echter Toleranz von Seiten der Jugendbildner den
freudigsten Eindruck.
Es sei noch bemerkt, dass die hiesige erweiterte Volksschule über 6.000
Schüler zählt mit ca. 85 Lehrern (darunter 3 Israeliten) zählt."
|
Anmerkung: Lippmann Kern, Hauptlehrer und
2. Kantor an der Hauptsynagoge F 2, 13 (1823 – 1895), verheiratet, zwei
Söhne: Friedrich und Berthold Kern (beide 1862); zu seinem Grab siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-b-02-14-kern-lippmann.
|
Statistik
der Konfessionszugehörigkeit an den Mittelschulen (1888)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. August 1888: "Mannheim, 8. Aug. (Privatmitteilung).
Aus den am Schlusse des Schuljahres 1877/78 veröffentlichten Programmen der
Mittelschulen entnehmen wir folgende Notizen: Das Gymnasium wurde von 327
evangelischen, 148 katholischen und 163 israelitischen Schülern, das
Realgymnasium und die Realschule von 400 evangelischen, 202 katholischen und
131 israelitischen Schülern und die höhere Mädchenschule von 160
evangelischen, 58 katholischen und 269 israelitischen Schülerinnen besucht.
Die für den israelitischen Religionsunterricht bestimmte Stundenzahl betrug
am Gymnasium 10, am Realgymnasium 8 und an der höheren Mädchenschule 10 pro
Woche. Der größere Teil dieser Stunde wurde von den beiden Stadtrabbinern
Herrn Dr. Steckelmacher und Herrn Dr. Appel erteilt. A."
Anmerkung: beim Unterzeichnenden handelt es sich um den Stadtrabbiner
Maier/Meier Appel.
https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel |
Neue Publikation zur Schulgeschichte Mannheims mit Darstellung
des jüdischen Schulwesens (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni
1891: "Aus Baden. Gelegentlich der in Mannheim in der
Pfingstwoche abgehaltenen '29. Allgemeinen Deutschen Lehrerversammlung'
veröffentlicht Dr. Adolf Meuser, Hauptlehrer in Mannheim, eine Broschüre
'Aus der Schulgeschichte Mannheims', welcher sehr gründliches Quellenstudium
zu Grunde liegt und für die Leser Ihrer geschätzten Zeitschrift insofern
nicht ohne Interesse ist, da auch von der jüdischen Schule in
Mannheim die Rede ist. Dr. M.(euser) schreibt: 'Auch die Israeliten
Mannheims waren nicht untätig; Elias Hayum (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Elias_Hayum) stiftete 1765 eine Schule,
die 'Claus-Schule', welche in demselben Jahre die kurfürstliche Bestätigung
erhielt. Die 'Claus' verdankt ihre Entstehung und reiche Fundierung einem
Lemle Moses, der sie zur 'Förderung der Gottesfürchtigkeit' ins Leben rief.
Er ordnete Gebete an und stiftete ein Kapital von 100.00 fl. zum Studium der
Thora. (Landesarchiv, Konvolut 116). Die 'Claus-Schule' huldigte
vorzugsweise rituellen Tendenzen und wird heute noch im Sinne ihres Stifters
fortgeführt. In der 'Clause' wurde 1824 noch eine israelitische)
Gemeinde-Volksschule eingerichtet und ein Dr. Wolf, ein Mann von umfassender
Bildung als Oberlehrer berufen, mit dem sich noch einige staatlich geprüft
israelitische Lehrer in die Schularbeit teilten. Diese Schule bestand bis
zur Auflösung der konfessionellen Schule in Mannheim (1870) und wurde, samt
ihren Lehrern, der 'konfessionell-gemischten' städtischen Volksschule
einverleibt.'" |
Der jüdische Hauptlehrer L. Kern war Vertreter des
Rektors der Mannheimer Volksschule (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April
1891: "Mannheim. Seit einigen Wochen hat die hiesige aus 190
Schulklassen bestehende Volksschule wieder einen neuen Rektor erhalten. Die
beiden vorausgegangenen Rektoren Prof. Heniggärtner und Prof.
Durler (1850 -1890) waren sehr lange krank. Während der Krankheit der
beiden Herren und während der lange dauernden Vakanzen bis zur
Wiederbesetzung des Rektorats war vom Stadtrate mit Genehmigung des
Kreisschulrates und Oberschulrates der israelitische Hauptlehrer
L.(ippmann) Kern der Vertreter des Rektors. Es ist dies eine Kiddusch
HaSchem (Heiligung des G'ttesnamens), wie er in ganz Deutschland noch
nicht vorgekommen ist. An der Spitze eines konfessionell gemischten
Lehrerkollegiums von 190 Lehrern bzw. Lehrerinnen, evangelische und
katholische, einen jüdischen Rektoratsvertreter! Und wie einig,
besonders in jetziger Zeit das Lehrerkollegium mit seinem Rektoratsvertreter
gewesen, das verdient in den jüdischen Zeitungen registriert zu werden für
alle Zeiten. In einer Sitzung des Schulausschusses hat denn auch unter
allgemeiner Zustimmung aller anwesenden Mitglieder der Herr Kreisschulrat
Sträbe in Heidelberg seiner großen Befriedigung Ausdruck gegeben, dass
in der langen Zeit der Rektoratsvertretung auch nicht eine
Unzufriedenheit zu seiner Kenntnis gekommen sei, was fast an das
Unglaubliche grenze. Bei der Vorstellung des neuen Rektors auf dem
Rathaussaale übermittelte auch Herr Oberbürgermeister Moll (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Moll_(Politiker)), sowie
der neue Rektor dem bisherigen Vertreter, Herrn L.(ippmann) Kern den Dank in
den herzlichsten Ausdrücken. Ein Gleiches tat noch ein Schreiben des
Stadtrates an Herrn L. Kern. Die Liebe zu Herrn K.(ern), hervorgerufen durch
strenge Gewissenhaftigkeit, ruhige Objektivität und leutseliges Benehmen
gegen jedermann, legte, wie man allseitig vernahm, besonders den geistlichen
Mitgliedern des Schulausschusses nahe, Herr Kern definitiv an die Spitze des
Schulkollegiums zu sehen, welche große Ehre ersterer in Anbetracht seines
vorgerückten Alters abzulehnen für notwendig fand. Möge es Herrn K.(ern)
noch recht lange vergönnt sein, an der Seite des neuen Rektors zu wirken zur
Freude und zur Ehre des Judentums!"
Anmerkung: Lippmann Kern, Hauptlehrer und 2. Kantor an der Hauptsynagoge
F 2, 13, 07.12.1823 – 19.12.1895, verheiratet mit Bonette geb. Haas, zwei
Söhne: Friedrich und Berthold Kern (beide 1862)
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-b-02-14-kern-lippmann.
Die Mannheimer Volksschule befand sich in L 1, im ehemaligen
Augustinerkloster in L 1 https://de.wikipedia.org/wiki/Augustiner-Chorfrauen-Stift_(Mannheim)
. Das Gebäude besteht nicht mehr; das Grundstück wurde in den 1950er-Jahren
neu überbaut. |
50-jähriges Berufsjubiläum von Hauptlehrer L. Kern
(1892)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 30. Mai 1892: "Mannheim. Umgeben von allen Gliedern
seiner Familie – selbst aus Amerika waren solche herbeigeeilt – beging am
vergangenen Sonntag, Herr Hauptlehrer L.(ippmann) Kern sein
50jähriges Berufsjubiläum. Zahlreiche und wertvolle Geschenke und
Blumenspenden trafen von früh morgens bis spät abends in der Kern’schen
Wohnung ein. Eine Deputation der vereinigten Verwaltung der israelitischen
Krankenunterstützungsvereine gratulierte und dankte dem Jubilar für die
Mitwirkung und Unterstützung in ihren Bestrebungen. Ferner erschien eine
Deputation des Stadtrates und der Schulkommission, an deren Spitze der
Herr Oberbürgermeister Beck /vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Beck_(Politiker)), welcher die
Glückwünsche dieser Kollegen überbrachte sowie ein Ehrengeschenk, bestehend
in einer, mit einer Widmung versehenen prachtvollen Uhr mit Kette
überreichte, und in beredten Worten die Verdienste des Jubilars um die
Volksschule als Lehrer und als interimistischer Rektor
hervorhob. Des Weiteren wurde durch den Herrn Oberbürgermeister eine Widmung
nebst einem wertvollen Silberkasten als Geschenk von 29 in New York
wohnenden früheren Schülern des Jubilars |
überreicht.
Herr Rektor Schick schildert namens der Schulkommission, deren
Mitglied Herr Kern seit einer langen Reihe von Jahren ist, die bedeutende
Leistung, das friedfertige, leutselige Wesen und die pflichtgetreue,
unermüdliche Hingabe im Berufe des Jubilars und wünscht ihm in herzlichster
Weise einen wohlverdienten glücklichen Lebensabend. Eine Abordnung des
Synagogenrats beglückwünscht durch sein Mitglied, Herrn Dr.
Staadecker, in warmen Worten den Jubilar und dankt diesem für die großen
Verdienste, deren er sich als Volks- und Religionslehrer, sowie durch
Förderung aller Institutionen um die isr.(aelitische) Gemeinde verdient
gemacht habe. Eine Abordnung der Lehrerschaft, an ihrer Spitze der
Senior Herr Hauptlehrer Seelig bringt dem Jubilar den Dank und die
Wünsche der Lehrerschaft. Die Geistlichkeit der verschiedenen
Konfessionen gratuliert dem Jubilar und dankt ihm für sein humanes,
friedfertiges Bestreben in und außer der Schule, insbesondere
für den menschenfreundlichen Sinn bei Behandlung konfessioneller Fragen.
Herr Altoberbürgermeister Moll (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Moll_(Politiker)) überbrachte dem
Jubilar ebenfalls seine Segenswünsche und hob die großen Verdienste hervor,
die derselbe während seiner ganzen Lehrtätigkeit und während der Führung
des Rektorats zum Wohle der Schule und der Stadt sich erworben hatte.
Der Jubilar dankte auf die verschiedenen Ansprachen in herzlichen Worten.
Schließlich wollen wir noch erwähnen, dass Herr Kern aus allen Kreisen der
Einwohnerschaft beglückwünscht wurde und eine große Zahl Depeschen, sowie
Zuschriften verschiedener Korporationen eintrafen. Möge dem braven, klugen
Manne noch ein recht langes, glückliches Leben beschieden sein."
Anmerkung: Abraham Staadecker, Rechtsanwalt und Mitglied des Synagogenrats:
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-mgr-22-staadecker-abraham-dr
|
Jahresberichte
der Hebräischen Schule (Lemle Moses'sche Klausstiftung) (1891 / 1894)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 3. April 1891: "Die Hebräische Schule in
Mannheim (Lemle Moses’sche Klausstiftung) veröffentlichte ihren
Jahresbericht über das Schuljahr 1890(91. Die Schülerzahl beläuft sich auf
304, nämlich 153 Knaben und 151 Mädchen. Direktor ist Rabbiner Dr. Appel,
neben welchem fünf Herren als Lehrer fungieren." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. März 1894: "Mannheim,
18. März. Die hiesige Hebräische Schule (Lemle Moses’sche
Klausstiftung) veröffentlicht ihren Jahresbericht für das Schuljahr 1893/94.
Stadtrabbiner Dr. Appel, der bisherige Direktor scheidet am 31. März d.(es)
J.(ahres) aus seinem hiesigen Amte, um einem Rufe als Rabbiner nach
Karlsruhe zu folgen. Derselbe legt auch die Direktion der Anstalt, welche er
seit dem 1. Dezember 1886 geführt, mit dem Ende des Schuljahres nieder.
Außerdem unterrichten gegenwärtig an der Anstalt die Herren: Rabbiner Dr.
Fürst, Hauptlehrer Schweizer, Kantor Nettler, Lehrer Billigheimer, Lehrer
Bessels (vertretungsweise). Die Zahl der Mädchenklasse beträgt 6, die der
Knabenklasse 7; die Selekta wurde auch in diesem Jahr beibehalten. Die Zahl
der Schüler betrug bei Eröffnung des Schuljahres 253 (126 Knaben und 127
Mädchen, im Laufe des Schuljahres traten 9 Schüler (5 Knaben und 4 Mädchen)
ein.
Anmerkung: Rabbiner Dr. Appel: Hier handelt es sich um den Stadtrabbiner
Maier/Meier Appel (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel)
Rabbiner Dr. Fürst:
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-c-07-14-fuerst-julius-dr
Lehrer Billigheimer: Karl Billigheimer (1864 – 1931)
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f2-a-08-11-billigheimer-karl
Zur Lemle Moses'schen Klausstiftung vgl. über den Stifter Lemle Moses:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lemle_Moses_Reinganum |
Statistik zum Anteil der jüdischen Schüler und Schülerinnen
an den höheren Schulen (1903)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 14. August 1903: "Mannheim. Eine Zusammenstellung der
hiesigen jüdischen Schüler an den höheren Schulen gibt folgendes Bild:
Gymnasium 88 unter 537 Schülern
Realgymnasium 43 unter 654 Schülern
Oberrealschule 23 unter 670 Schülern
Reformschule 23 unter 285 Schülern
Mädchenschule 201 unter 611 Schülern." |
40-jähriges Dienstjubiläum von Vorbeter W. Schuster
(Klaussynagoge) (1909)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 10. Dezember 1909: "Mannheim. Herr W. Schuster, der
allgemein geschätzte Vorbeter der Klaussynagoge, feierte dieser Tage den
Tag, an dem er vor 40 Jahren in den Dienst der hiesigen jüdischen
Gemeinde trat. Herr Schuster, der seine 75 Jahre mit bewundernswerter
Frische trägt, ist seit 55 Jahren Kultusbeamter.
Hinweis: Es handelt sich um Kantor Wolf Schuster, gebürtig aus
Wollenberg (Bad Rappenau)
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c1-c-02-06-schuster-wolf" |
Kantor Kurzweil tritt seinen Amt an der Klaussynagoge an
(1912)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 16. August 1912: "Mannheim. Kantor Kurzweil,
der Nachfolger des pensionierten Herrn Schuster
(sc. Kantor Wolf Schuster, 1834 – 1914), hat sein neues Amt an der
Klaussynagoge angetreten." |
Ausschreibung der Stelle des Kantors
(1920)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April
1920:
"In der hiesigen Synagoge ist die Stelle eines Kantors
infolge Zurruhesetzung des seitherigen Stelleninhabers alsbald nur zu
besetzen. Bewerber mit guten Stimmmitteln, welche die Lehrerprüfung
bestanden haben, Schofar (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schofar) blasen können und befähigt
sind, mit Chor und Orgel vorzubeten, wollen sich unter Angabe der
Gehaltsansprüche, ihres Lebenslaufs und Zeugnisabschriften melden.
Mannheim, den 14. April 1920
Der Synagogenrat Max Goldschmidt
Schorsch.
Hinweis zu Max Goldschmidt, 24.01.1865 – 02.06.1926, Bankier,
Ehrenvorsitzender der israelitischen Gemeinde, Mitglied des Oberrats der
Israeliten Badens
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c1-a-07-01-goldschmidt-max" |
Ausschreibung der Stelle des Ersten Kantors der
Klausstiftungssynagoge (1920)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Dezember
1920: "In unserer Gemeinde ist die Stelle des
Ersten Kantors der Clausstiftungssynagoge,
welchem auch die Stelle eines Schächters für die hiesige Gemeinde
übertragen wird, bei hohem Gehalt, alsbald neu zu besetzen. Streng religiöse
Bewerber mit guten Stimmmitteln, welche die Lehrerprüfung bestanden haben,
wollen sich unter Angabe ihres Lebenslaufes mit Zeugnisabschriften alsbald
melden.
Mannheim, den 19. November 1920 Der
Synagogenrat." |
25-jähriges Ortsjubiläum des Kultusbeamten Josef Traub
(1924)
Vorbemerkung: seit 1899 war in Mannheim als Kultusbeamter,
Lehrer und Schochet Josef Traub tätig. Er ist am 17. Dezember 1861 in Burgpreppach
geboren. Er war verheiratet mit Betti (Betty) geb. Rothschild (geb.
16. Juni 1869 in Krautheim). Die
beiden hatten mindestens drei Kinder (Flora geb./gest. 1892; Adolf
geb. 12. Mai 1893 in Malsch siehe unten; Hedwig
siehe unten). Josef Traub war vor seiner Zeit in Mannheim als
Lehrer in Krautheim,
Odenheim und um 1893/98 in Malsch
tätig. 1940 wurde Josef Traub nach Gurs deportiert, wo er am 15. Dezember 1940
umgekommen ist. Seine Frau Betty (gleichfalls deportiert?) erlebte das
Kriegsende und ist am 13. Juni 1946 auf der Ausreise in die USA in Macon,
Frankreich gestorben (siehe Todesanzeige unten).
Die Tochter Hedwig Traub ist am 3. Juni 1898 in
Malsch geboren. Sie war später gleichfalls als Lehrerin tätig, zuletzt
in den Sonderklassen für jüdische Kinder in der Luisenschule in Mannheim
(1934 bis 1938) und in der dortigen Jüdischen Schule (K2,6, 1938 bis 1940) ebd..
1940 wurde Hedwig Traub mit ihrem Lehrerkollegen Max Ludwig Marx nach Gurs
deportiert und später in Auschwitz ermordet.
Vgl. Presseartikel im
"Mannheimer Morgen" / morgenweb.de vom 18.4.2012: "Neue
Gedenktafel an altem Platz" (zur Erinnerungstafel an der
Hachenburg-Schule, ehem. Luisenschule). |
Hinweis: vermutlich war die am 7. November 1900 in
Mannheim geborene Gertrud Traub eine Tochter von Betty Traub.
Sie wurde gleichfalls nach Gurs deportiert, im August 1942 nach Auschwitz,
wo sie ermordet wurde. |
Der Sohn Adolf Traub wird genannt in einer
Einzelfallakte des Landesamtes für Wiedergutmachung: GLA Karlsruhe 480
Nr.14982 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=4-1823715
. Er konnte in die USA emigrieren (genannt in der nachstehenden
Todesanzeige). Er starb im August 1964 in New York siehe http://www.mocavo.com/Adolf-Traub-1893-1964-Social-Security-Death-Index/04420158135011057167
|
Links: Todesanzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 21. Juni
1946:
"Tieferschüttert erhielten wir heute die traurige Nachricht, dass
meine innigst geliebte und herzensgute Mutter, Schwiegermutter,
Großmutter und Tante,
Frau Betty Traub geb. Rothschild (fr. Mannheim)
plötzlich in Macon, Frankreich kurz vor ihrer Ausreise nach hier
verschieden ist. In tiefer Trauer:
Adolf Traub Hedwig Traub geb.
Schwarzschild Hannah Traub 435 Ft. Washington Ave., New
York 33". |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juli
1924: "Mannheim, 3. Juli (1924). An Rosch
Choedesch Tammus (= 1. Tammus 5684 = 2. Juli 1924) waren es 25 Jahre,
dass Herr Josef Traub als Kultusbeamter, als Schochet und
Lehrer in der hiesigen Gemeinde fungiert. Die verschiedenen Organisationen
und Kreise, in denen der Jubilar wirkte, hatten es sich nicht nehmen
lassen, dem Manne, dessen Wesen und Walten den Stempel einer seltenen Bescheidenheit
trägt, die entsprechende Ehrung zuteil werden zu lassen. Schon der
Synagogenchor, dem Herr Traub seit seinem Hiersein angehörte, hatte
seinem Repertoire seinem Mitglied zu Ehren eine festliche Note verliehen.
Am Schabbat vormittag versammelten sich Vertreter der Kultusgemeinde, der
Chewra Kadischah, der Klaussynagoge und des Synagogenchors in der Wohnung
des Jubilars, um in intimer Form, wie es dem Wunsche des zu Feiernden
entsprach, den Gefühlen des Dankes und der Freude Ausdruck zu verleihen.
Die Redner, Herr Rabbiner Dr. Unna, Herr Direktor Rosenbaum und Herr
Löffler trafen sich in dem Gedanken, dass es eine Persönlichkeit zu
ehren gelten, die die höchste Ehre im Dienst an Gott erblickt, der
der Beruf das Reich Gottes bedeutet, der mit Verzicht auf die
soziale Wertung seinen Lohn in der Erfüllung des religiösen Gebotes
selbst sucht. An ihm bewahrheitet sich das Wort unserer Weisen,
dass die Ehre zu den Dingen gehört, die den erreichen, der ihnen
entfließt. Möge es dem pflichteifrigen Jehudi, der schon 43 Jahre
seines Dienstes in stiller Weise waltet, beschieden sein, mit Gottes
Hilfe noch lange Jahre im Kreise seiner Lieben und seiner Gemeinde
für die Gemeinschaft und die Öffentlichkeit zu
schaffen". |
Der
Kultusbeamte Josef Traub tritt in den Ruhestand (1932)
Artikel
in "Der Israelit" vom 30. Juni 1932: "Das Israelitische Gemeindeblatt vom
22. Juni enthält folgende Notiz: der Senior unserer (Mannheimer)
Gemeindebeamten, Herr Josef Traub, tritt am 1. Juli in den Ruhestand,
begleitet von der Verehrung und Dankbarkeit der Gemeinde und der
Gemeindeverwaltung. Jahrzehntelang hat Herr Traub als Lehrer und
Schächtbeamter gewirkt, mit unermüdlicher Arbeitsfreude und strengstem
Pflichtgefühl seinem Dienste hingegeben. Schlicht und fromm in seiner
Lebensführung, wahrte ihr allezeit die Würde seines religiösen Amtes. Möge
ihm eine lange, ungetrübte Altersruhe beschieden sein. Die hohe
Wertschätzung, die aus diesen Worten spricht, kam vor wenigen Monaten ganz
besonders zum Ausdruck, als Herr Traub seinen 70. Geburtstag feiern durfte.
Da würdigte der Vorsitzende des Synagogenrats, Herr Professor Dr. Moses,
die Dienstleistungen des vorbildlichen Beamten, da sprach seiner Ehrwürden
Herr Rabbiner Dr. Unna von dem heiligen Schochet-Beruf, dem
Herr Traub mit ganzer Hingabe diente, da wies unser Raw aber auch im Namen
der Chewrah Kadischah auf die bedeutungsvolle Tatsache hin, dass der
70-jährige seit 32 Jahren in ernsthafter Mizwa-Erfüllung der heiligen
Bruderschaft angehört und zu keiner Stunde fehlt, wenn der Ruf zu letzten
Liebesdiensten an ihn ergeht. Herr Traub, der in jungen Jahren als Lehrer in
Krautheim, Odenheim und Malsch
tätig war und hier lange Jahre dem Lehrkörper der Klaus-Religionsschule
angehörte, nimmt die Verehrung und die guten Wünsche der Gemeinde, die ihn
zu den Ihren zählt, mit in die Jahre des Ruhestand. Wer so in der Tora
verwurzelt ist, dem darf man an der Schwelle des Greisenalters das Wort als
Segenswunsch zurufen: 'Dauer der Tage ist in ihrer Rechten, in ihrer
Linken Reichtum und Ehre (Sprüche 3,16)" |
85. Geburtstag von Leopold Simon - Lehrer Kohn aus
Schlüchtern und Lehrer Dr. Ucko nehmen ihre Tätigkeit auf
(1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember
1929: "Mannheim, 15. Dez. Zu Beginn des Chodesch (=
Monats, gemeint wohl Beginn des jüdischen Monats Kislev; der 1. Kislev war
am 3. Dezember 1929) konnte Herr Leopold Simon in voller
Rüstigkeit seinen 85. Geburtstag feiern. Die Chewra Kadischa
(Beerdigungsbruderschaft), die ihrem Ehrenvorsitzenden vor wenigen
Jahren, aus Anlass seiner 50jährigen Mitgliedschaft verdiente Ehrungen
erwies, ließ es sich nicht nehmen, vollzählig bei ihrem würdigen
Ehrenvorsitzenden zu erscheinen und ihm die Glückwünsche der 'Kippe' (=
Beerdigungsbruderschaft, Chewra Kadischa) zu überbringen. Auch
der Oberrat der Israeliten sandte einen bedeutsamen Glückwunsch: Die von
Benno Elkan (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Benno_Elkan,
weitere Informationen auf der Seite zu Alsbach) geschaffene Bronzeplakette,
die badischen Juden für verdienstvolles Wirken im Dienste der Gemeinschaft
zuteil wird. Das Rabbinat, der 'Verein zur Wahrung' (= Verein zur Wahrung
des gesetzestreuen Judentums), sie alle kamen, um den Greis und in der
Gestalt des 85jährigen das ehrfurchtsgebietende Alter selbst zu ehren. Der
Umbau der Klaus (Klaussynagoge) geht seinem Ende entgegen. Wie neu mutet das
Bild vollständig veränderter Raumgestaltung an. Bald wird - so G'tt will
- mehr davon zu sagen sein. – Der Religionslehrer und 2.
Chassan (= Kantor) der Klaus, Lehrer Kohn aus
Schlüchtern, wird am 1. Januar sein
neues Amt antreten, und gleichzeitig beginnt auch der neue akademische
Religionslehrer der Gemeinde, Herr Dr. Ucko, seine Tätigkeit in
Mannheim." |
Anmerkung: Leopold Simon (1859 –
1925), zu seinem Grab siehe
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/f1-a-03-07-simon-leopold
Lehrer und Kantor Arthur Kohn, (geb.
1908 in Würzburg, verheiratet mit Martha geb. Fiebermann, drei Kinder) war
in den 1930er Jahren Lehrer und Kantor an der Klaussynagoge, nach dem
Novemberpogrom 1938 nach Argentinien emigriert, in den 1950er-Jahren nach
Israel
https://www.yadvashem.org/gathering-fragments/stories/clouds-of-war/kohn.html;
Interview mit Sohn Jossi (geb. 1935 in Mannheim):
https://www.youtube.com/watch?v=qcS_412IjJw.
Rabbiner Dr. Siegfried Ucko (1905 – 1976) war 1931 bis 1932 Jugendrabbiner in Mannheim,
1932 bis 1935 Rabbiner in Offenburg,
danach nach Palästina emigriert, Leiter eines Kindergärtnerinnen- und
Lehrerseminars in Tel Aviv, später Dozent und Prof. für Pädagogik in
Jerusalem. |
Zum Abschied von Prof. Dr. Sal. Levi
(1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai
1935: "Mannheim, 26. Mai. Eine ungewöhnliche, aber wohl
verdiente Ehrung ward am gestrigen Schabbat Be-Chukotai (= Sabbat
mit der Toralesung Be-Chukotai = 3. Mose 25,1-26,2; d.i. 26./27. April 1935)
dem überraschend an die Israelitische Realschule Leipzig berufenen
Professor Dr. Sal. Levi zuteil. Nach Schluss des Morgeng’ttesdienstes
ergriff Herr Rabb. Dr. Unna (Rabbiner Dr. Isaak Unna von der
Lemle-Moses-Klaussynagoge) das Wort, um dem scheidenden Vorstand der
Claus-Synagoge warme Worte des Abschieds zu widmen. Wird doch das Scheiden
des Herrn Dr. Levi aus Mannheim, wo er seit 20 Jahren gewirkt hat, eine
empfindliche, unersetzliche Lücke hinterlassen. Herr Dr. Unna wies im
Anschluss an die Worte der Haftorah (siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Haftara) 'Gesegnet ist der Mann,
der sich auf den HERRN verlässt und dessen Zuversicht der HERR ist'
(Jeremia 17,7) auf das vielseitige, verdienstvolle Wirken des von tiefer
G’ttesfurcht erfüllten Mannes hin, der in uneigennütziger Weise sich um die
Verbreitung von Tora verdient gemacht und besonders als Mitglied des
Bet Din (Rabbinatsgericht) jederzeit gerne Zeit und Mühe
geopfert hatte. Nach den tiefempfundenen Worten des Herrn Rabbiners stimmte
der Clauschor den Psalm 128 an.
Mit schmerzlichem Bedauern sieht ein weiter Kreis von Freunden und Schülern,
insbesondere auch die Chewra Kadischa (Beerdigungsbruderschaft),
an deren Liebeswerken er sich jederzeit mit Eifer beteiligt hatte, den
geistvollen und bescheidenen Mann, auf den das Wort Raschis (siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Raschi) 'Der Auszug des
Gerechten von einem Ort macht großen Eindruck' (d.i. ein Kommentar Raschis
zu 1. Mose 28,10) vorzüglich passt, aus ihrer Mitte scheiden und
schließt sich dem von Herrn Dr. Unna zugerufenen Wunsche 'Geh in Frieden'
(?) von Herzen an. " |
Abschied von Schochet und Kantor Hermann Epstein und Rabbiner Dr.
Roth (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Dezember
1937: "In Mannheim rüstet sich die Clausgemeinde zum Abschied
von ihrem früheren Schochet (Schächter) und Kantor H(ermann) Epstein.
17 Jahre amtierte Herr Epstein in treuer Pflichterfüllung in Mannheim. Am
Schabbos Wajechi (Sabbat mit der Parascha = Toraabschnitt Wajechi
das ist 1. Mose 47,28-50,26; gemeint ist Sabbat 17./18. Dezember 1937)
wird er am letzten Mal in der ehrwürdigen Claussynagoge am Omed (=
Lesepult für den Vorbeter) und auf dem Almenor (= Pult in der
Synagoge, auf dem aus der Torah gelesen wird) stehen. Sein Weg führt ihn
nach Amerika, wo einem Menschen im rüstigsten Alter, mit ausgezeichneten
kantoralen Fähigkeiten, mit reichem jüdischen Wissen gewiss noch manche und
gute Möglichkeiten neuen Schaffens gegeben sind. Die Mannheimer
Clausgemeinde wird ihren ehemaligen Schochet, ihren Scheliach Zibbur
(Vorbeter) und Ben Kodesch (Sohn des Heiligen) sehr
vermissen. Und zu dieser Gemeinde gesellt sich eine unsichtbare Gemeinde
vieler Menschen, die im Hause Hermann Epsteins Rat und Hilfe fanden. Alle
rufen ihm das Chasak Chasak (sei stark, sei stark!) nach, mit
dem er das 1. Mose-Buch (gemeint die Toralesung an diesem Sabbat
mit den letzten Kapiteln aus 1. Buch Mose) und damit seine Tätigkeit in
Mannheim beenden wird.
Die Jeschiwa (Talmudschule) in Mannheim muss leider einen ihrer
beiden Lehrer und Dozenten, Herrn Rabbiner Dr. Roth, künftighin
entbehren. Er verließ Mannheim, um in einem anderen und größeren
Wirkungskreis tätig zu sein. Herr Rabb. Dr. Roth war nicht sehr lange in
Mannheim. Aber es gibt Menschen, die in der kürzesten Zeitspanne den Weg zu
den Jugendlichen finden, ihnen den Weg zu Thora und zum Lernen ebnen und
schön gestalten. Das war Dr. Roth gelungen und dankbares Erinnern, auch
außerhalb des Jeschiwakreises, wird so leicht nicht vergessen, wie Rabbiner
Dr. Roth in stillem Wirken Lernbeflissene um sich scharte und bemüht war,
dem Milieu der Claustradition in die die Jeschiwa als private Institution
eingebaut ist, gerecht zu werden. Bachurim (Talmudstudenten) der Jeschiwa
und alle Freunde in Mannheim wünschen Rabb. Dr. Roth, dass ihm im künftigen
Bereich seiner Tätigkeit ebenso rasch und ebenso herzlich Schüler und
Freunde erwachsen, wie es in Mannheim der Fall war. D_r." |
Anmerkung: Lippmann Kern, Hauptlehrer und
2. Kantor an der Hauptsynagoge F 2, 13, 07.12.1823 – 19.12.1895, verheiratet
mit Bonette geb. Haas, zwei Söhne: Friedrich und Berthold Kern (beide 1862)
https://www.marchivum.de/de/juedischer-friedhof/c2-b-02-14-kern-lippmann.
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