Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
Zurück zur Seite über die Jüdische Geschichte/Synagoge
in Wiesbaden
Wiesbaden (Hessen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt im 19./20. Jahrhundert
Zur Geschichte der Altisraelitischen Kultusgemeinde
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Wiesbaden wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Die Texte dieser Seite wurde dankenswerterweise von Susanne Reber
(Mannheim) abgeschrieben und mit Anmerkungen versehen.
Zur Geschichte der orthodoxen Gemeindegruppe / Israelitischen
Religionsgesellschaft, ab 1879 der "Altisraelitischen Kultusgemeinde"
Bereits zu Zeiten der Wirksamkeit des liberalen Rabbiners Abraham Geiger
(Rabbiner von 1832 bis 1838) regte sich Widerstand in den orthodox gesinnten
Kreisen der jüdischen Gemeinde. Es wird berichtet, dass der damals in der
Gemeinde tätige Vorsänger Meyer Sulzberger den Reformen Rabbiner
Geigers "heftigen Widerstand entgegensetzte" (siehe Bericht
zum Tod seines Enkels Paul Sulzberger 1929). Die orthodox Gesinnten hätten
als Rabbiner statt Abraham Geiger lieber den Toralehrer und Rabbiner Samuel Ickstädter
in Wiesbaden gehabt. Nachdem Geiger das Amt angetreten hatte, wurde Ickstädter von
seinen Gesinnungsgenossen als legitimer Rabbiner angesehen. Ergebnis der
Auseinandersetzung war, dass Ickstädter in der Folgezeit als halboffizieller
orthodoxer Bezirksrabbiner mit Wohnsitz in Wiesbaden zu
Amtshandlungen befugt war in den jüdischen Gemeinden Bierstadt, Biebrich und Schierstein
sowie in allen Gemeinden der Ämter Hochheim und Königstein und in
Hattersheim. Nachdem Rabbiner Dr. Süskind 1844 das Rabbinat übernommen hatte
und weitere Reformen durchführte, kam es zu erneuten Auseinandersetzungen, in
deren Folge Rabbiner Ickstädter sich mit den Orthodoxen in einem gemieteten
Lokal zu einem separaten Gottesdienst in traditioneller Weise traf. 1852 wurden
diese Versammlungen allerdings polizeilich verboten. Ickstädter verließ im
folgenden Jahr Wiesbaden und wurde Stiftsrabbiner an der Lob-Schaul-Klaus
in Hamburg.
Nachdem im August 1869 die Synagoge auf dem Michelsberg mit einer Orgel, gemischtem
Chorgesang u.a.m. eingeweiht war, war für die orthodox Gesinnten - wie in
vielen anderen deutschen Städten auch - der Moment gekommen, sich von der liberal geprägten
Hauptgemeinde zu lösen und eine eigene Gemeinschaft zu
bilden. Vorbilder für Wiesbaden waren insbesondere die einige Jahre zuvor
gegründeten orthodoxen Religionsgesellschaften in Mainz und Frankfurt am Main.
Unmittelbar nach der Einweihung der Synagoge in Wiesbaden sammelten sich mehrere
der orthodoxen Familienväter und beschlossen, eine eigene Gemeinde zu bilden
und hierzu einen eigenen Lehrer, Kantor und Schochet anzustellen. In den
folgenden Wochen gelang es, einen größeren Raum zu mieten (in der Schwalbacher
Straße 2a) und diesen als Synagoge
einzurichten. Als Lehrer und Kantor konnte die Gemeinde den jungen Rabbiner Dr. Leo Kahn gewinnen. Er kam Mitte Dezember 1869 nach Wiesbaden und nahm engagiert den
weiteren Aufbau der Gemeinde in die Hand. Noch im Dezember 1869 konnte unter seiner
Leitung eine Religionsschule mit etwa 25 Schülerinnen und Schülern eröffnet
werden. Bis zum Frühjahr des folgenden Jahres nahm die Zahl der jüdischen
Schüler der Religionsschule zu: im März 1870 besuchten von den 77
schulpflichtigen Kindern der orthodoxen Familien 39 den Religionsunterricht von
Rabbiner Dr. Cahn.
Die Gründungsmitglieder der zunächst "Religionsgesellschaft"
genannten Gruppe waren 1869/70: Abraham Stein (Vorsitzender), Gerson Mayer (gestorben
1870 im Alter von 93 Jahren, siehe Bericht
unten), Hofagent
Löb, A. Liegmann, Mos. und Jos. Wolf, Jak. und Ad. Strauß, Isak Baer,
Abraham Kahn, M. S. Löwenthal, Israel Strauß, M.
und S. Baum, Moses Sulzberger, S. Blumenthal, H. Callmann u.a..
Das schnelle Wachstum der orthodoxen Gruppe zeigte sich auch im Gottesdienst.
Während man noch 1869 befürchtete, dass zu den Hohen Feiertagen im Herbst kaum
ein orthodoxer Minjan (zehn Männer zum Gottesdienst) zustande kommen würde,
war es bereits im Herbst 1870 möglich, täglichen Minjan zu den
Morgen- und Abendgebeten in der Synagoge zu haben. Zum Laubhüttenfest (Sukkot)
1870 standen zwölf Laubhütten in Wiesbaden, während es in den Jahren zuvor
höchsten zwei in der Stadt gab.
Sehr schnell kam es zu heftigen Spannungen zwischen der
immer stärker werdenden orthodoxen Gruppierung und der liberalen Hauptgemeinde unter
Rabbiner Dr. Süskind. Die Spannungen erreichten ihren Höhepunkt, als im November 1876 die
Orthodoxen entschlossen, gemeinsam aus der Kultusgemeinde auszutreten. Der
Austritt war möglich auf Grund eines preußischen Gesetzes zum 28. Juli 1876,
betreffend den Austritt aus den jüdischen Synagogengemeinden. Die Kultusgemeinde
reagierte scharf: den Ausgetretenen wurde hierauf unter anderem verboten, den Friedhof
der Hauptgemeinde für die Beisetzungen aus ihren Familien zu benutzen. Die
Orthodoxen bestatteten ihre Toten nun einige Zeit in Wallau, bis 1879 ein eigener
orthodoxer Friedhof in Wiesbaden angelegt werden konnte.
Offizielle Anerkennung als jüdische Gemeinde erfuhr die orthodoxe Gruppe 1879
durch ein Dekret des preußischen Königs Wilhelm I. Seitdem nannte sich die
orthodoxe Gemeinschaft "Altisraelitische
Kultusgemeinde in Wiesbaden". Ihre Statut wurde per Gesetz
König Wilhelms am 24. März 1879 genehmigt.
1895 konnte das 25-jährige Bestehen der Gemeinde gefeiert werden (siehe
Pressebericht unten). Bereits seit Jahren war für den Bau einer neuen Synagoge
gesammelt worden. 1883 hatte u.a. Jakob Israel in Berlin 3000 Mark gestiftet.
Wenig später konnte die Synagoge eingeweiht werden; sie wurde 1897 vergrößert
und umfassend renoviert.
Ende des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert waren erster Gemeindevorsteher
Leopold (Levy) Ackermann (über 30 Jahre Gemeindevorsteher, gest. 1925,
siehe Bericht unten). 1920 wird als Vorsteher des Gemeindevorstandes Dr. med. H.
Kornblum genannt. 1924/25 waren im Vorstand neben Leopold Ackermann: Jos. Blumenthal, Berthold Kahn, Adolf
Plottke, Julius Katz. Die
Geschäftsstelle befand sich im Synagogengebäude Friedrichstraße 33. Lehrer
der Kultusgemeinde war Herr Heß (beziehungsweise Hes), Schächter (Schochet)
war Herr Langermann, Synagogendiener Herr Bastansky. Die unter Leitung von
Rabbiner Dr. Kahn stehende Religionsschule der Gemeinde wurde von 22 Kindern
besucht, die durch den Rabbiner und Lehrer Heß unterrichtet wurden.
1932
waren die Gemeindevorsteher Rechtsanwalt Dr. M. Sulzberger, F. Goldschmidt und Berthold Kahn,
Als Rabbiner war
inzwischen Dr. J. Ansbacher tätig, als Lehrer Herr Grünbaum (Göbenstraße),
als Schochet ein Herr Dachs. 70 Kinder erhielten Religionsunterricht durch
Rabbiner und den Lehrer.
Übersicht über die Texte aus jüdischen Periodika:
Aus der Geschichte der orthodoxen
Gemeindegruppe (Religionsgesellschaft), ab 1879
der "Altisraelitischen Kultusgemeinde"
Hinweis: Alle Berichte aus der konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der
Israelit" drücken ihre Sympathie mit der orthodoxen Gruppe aus und
enthalten gewöhnlich deutliche Kritik an der liberalen Hauptgemeinde der
Stadt.
Nach
der Einweihung der Reformsynagoge hat sich eine orthodoxe Separatgemeinde
gebildet (1869)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 20. September 1869: "Wiesbaden, im September. Vor dem
Neujahrsfeste wurde die hiesige neuerbaute Pracht-Synagoge unter
Orgelklang und Weibersang, mit Festbällen, Theater-Fest-Vorstellungen und
Kurhauskonzerten nebst Festessen - unter unzureichender jüdischer
Aufsicht von einem nichtjüdischen Restaurant übernommen und ausgeführt
- feierlichst eingeweiht.
Dass aber unsere Kurstadt noch nicht vollständig eine 'verstoßene
Stadt' geworden, dafür haben einige, dem Glauben und dem Gesetze der
Väter treu anhangenden Familien Sorge getragen, indem dieselben keine
Kosten, Mühen und Schwierigkeiten scheuten, um einen, den Anforderungen
unserer heiligen Religion entsprechenden Gottesdienst einzurichten. Diese
gesetzestreuen Israeliten gedenken eine eigene Gemeinde zu bilden und
fürs Erste einen Religionslehrer, Schochet und Chasan zu engagieren. Gott
gebe den braven Männern Tatkraft und Ausdauer.
(hebräisch und deutsch:) Jede im Namen Gottes zusammengetretene
Versammlung wird Bestand haben. - -r." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 29. Dezember 1869: "Wiesbaden, den 20. Dezember
(1869). Wie wir bereits mitgeteilt haben, hat sich hier, durch die im
August dieses Jahres eingeweihte Reformsynagoge veranlasst, eine orthodoxe
Separat-Gemeinde gebildet. Wenn auch die Zahl der Mitglieder noch klein
ist, so tröstet uns doch der Gedanke, dass es Anfangs in Mainz nur
17 und in Frankfurt gar nur elf Familien waren, aus denen die
dortigen orthodoxen Religionsgesellschaften zu so reicher und herrlicher
Blüte sich entwickelt haben. An Opferfreudigkeit und Opferwilligkeit
fehlt es auch den hiesigen gesetzestreuen Israeliten nciht. Dieselben
haben bereits ein geräumiges Lokal auf eine Reihe von Jahren gemietet und
als Synagoge eingerichtet. Besonders glücklich war die junge Gemeinde in
der Akquisition eines Predigers und Religionslehrers in der Person
des Herrn Dr. Leo Kahn, welcher am vergangenen Freitag von Berlin
aus hier herkam und am Samstag zur größten Befriedigung seiner Hörer
die Antrittspredigt hielt. Herr Dr. Kahn ist ein in jeder Beziehung
hochgebildeter, junger Mann, der reich an profanen und talmudischen
Kenntnissen, mit glänzendem Rednertalente begabt, eine seltene
Frömmigkeit und den ernsten Willen, den regesten Eifer besitzt, für Gott
und Seine heilige Lehre zu wirken. Schon hat er damit begonnen, eine Religionsschule
einzurichten, die bereits 25 Schüler und Schülerinnen besitzt, die aber
bald deren eine doppelte Anzahl haben wird. Wie überaus vernachlässigt
in unserer die jüdisch-religiösen Verhältnisse sind, davon kann man
sich kaum einen Begriff machen. Es existiert hier kein Kind, das im Stande
wäre, eines der hebräischen Gebete zu übersetzen; erwachsene Knaben und
Mädchen können kaum Hebräisch lesen. Dahin hat es der Gemeinderabbiner
nach 25-jähriger Amtstätigkeit gebracht! - Im Laufe der Zeit werden sich
fast sämtliche Landgemeinden des Rabbinats Wiesbaden der orthodoxen
Religionsgesellschaft anschließen und Herrn Dr. Kahn zu ihrem Rabbinen
kreieren. Herr Dr. Kahn ist ein geborener Badenser (aus Sulzburg);
er hat in Karlsruhe das Lyzeum absolviert und war dort in den
talmudischen Fächern ein Schüler des Herrn Oberrats Altmann; seine Universitätsstudien
hat er in Würzburg und Berlin gemacht, woselbst er auch die
talmudischen Vorlesungen der Herren Distrikts-Rabbiner Bamberger (in
Würzburg) und Stiftsrabbiner Landsberger (in Berlin)
frequentierte.
Auf den orthodoxen Separatgemeinden, die sich jetzt allerorten bilden,
beruht die Zukunft des Judentums in denjenigen Städten, deren Judentum
sonst ganz und verschwinden würde."
Anmerkungen: - Israelit:
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Israelit
- Neujahrsfest:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rosch_ha-Schana
- Pracht-Synagoge: Im orthodoxen Judentum soll die Synagoge betont schlicht
sein.
- Orgelklang: Eine Orgel ist in einer orthodoxen Synagoge undenkbar.
- Weibersang: Auch Gesang von Frauen ist in der orthodoxen Synagoge
undenkbar.
- Theater:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hessisches_Staatstheater_Wiesbaden
- Kurhaus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurhaus_Wiesbaden
- Nichjüdisches Restaurant: Das heißt, es ist kein koscheres Restaurant
https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Speisegesetze
- Schochet: Schächter, der vom Rabbiner ein Zertifikat erhält, dass er alle
geltenden Regeln kennt und deren Einhaltung überprüft wird
- Chasan: Kantor, Vorsänger
https://de.wikipedia.org/wiki/Chasan_(Kantor)
- Orthodoxe Separat-Gemeinde Mainz: vgl.
Seite zur Religionsgesellschaft in
Mainz
- Orthodoxe Separat-Gemeinde Frankfurt: vgl.
Seite zur Friedberger Synagoge in
Frankfurt
- Rabbiner Dr. Leo Kahn: vgl.
Artikel
zu seinem 40-jährigen Amtsjubiläum 1909
- Rabbiner Bamberger: gemeint Rabbiner Seligmann Bamberger
https://de.wikipedia.org/wiki/Seligmann_Bär_Bamberger
- Rabbiner Landsberger:
https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Landsberger_(Rabbiner,_1819)
|
Die orthodoxe Gemeinde wird größer (1870)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 23. März 1870: "Wiesbaden, den 13. März
(1870). ...
Die hiesige orthodoxe Gemeinde erstarkt Gott sei Dank von Tag zu Tag. Von
den 77 schulpflichtigen Kindern besuchen 39 den Religionsunterricht
unseres ebenso gelehrten wie streng-religiösen Rabbiners Dr. L. Cahn,
dessen Wirksamkeit bereits eine sehr segensreiche ist. Wenn, so Gott will,
im nächsten Sommer so viele Kurgäste zu uns kommen werden, die Jahre
lang mit tiefem Schmerz den Verfall der hiesigen israelitischen Gemeinde
beobachtet haben, so werden sie sich freuen der Umwandlung, die sich hier
unter göttlichem Beistande gegenwärtig vollzieht." |
Anerkennung
für Rabbiner Dr. Kahn - in der Gemeinde gibt es nun täglich einen orthodoxen
Minjan (1870)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. November 1870: "Wiesbaden, 19. Oktober
(1870). Am ersten Abende des Sukkotfestes wurde unserem Rabbiner, Herrn
Dr. Kahn, als Zeichen der Anerkennung seiner segensreichen
Wirksamkeit, ein prachtvoller silberner Pokal überreicht. Herr Gerson
Meyer, das älteste Mitglied unserer Gemeinde, ein 92-jähriger Kreis,
hielt eine ergreifende Anrede, auf die unser Herr Rabbiner in tiefer
Rührung einige Dankesworte sprach.
In der hiesigen jüdischen Gemeinde hat sich binnen Jahresfrist eine
bedeutende Umwandlung vollzogen. Vor wenig mehr als einem Jahre
bezweifelte man das Zustandekommen eines orthodoxen Minjan für die ehrfurchtgebietenden
Tage (sc. Hohe Feiertage im Herbst), und jetzt ist täglich
morgens und abends Minjan; während der hohen Feiertage waren es
wohl an hundert Andächtige, die unserem Gottesdienste anwohnten;
seit vielen Jahren gab es in Wiesbaden am Hüttenfeste eine, höchstens
zwei Sukkot /Laubhütten); dieses Jahr hatten wir deren zwölf. In der
Tat, der großartige Umschwung in den hiesigen jüdischen Verhältnissen
ist dazu geeignet, allüberall, wo es nötig ist, zu ähnlichem Vorgehen
anzueifern. Nirgendwo lag das Judentum hoffnungsloser danieder als hier,
und jetzt weht Gott sei Dank ein frischer Lufthauch, durch den das hier
seit Jahrzehnten darniederliegende Judentum unter göttliche Beistande in
wunderbarer Weise erstarkt."
Anmerkungen: - Sukkotfest:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sukkot
- Rabbiner Dr. Kahn : vgl.
Artikel
zu seinem 50-jährigen Amtsjubiläum 1920
- Gerson Meyer: vgl.
Artikel zu seinem Tod 1870
- Minjan:
https://de.wikipedia.org/wiki/Minjan
- Hohe Feiertage: Neujahr
https://de.wikipedia.org/wiki/Sukkot und Versöhnungstag
https://de.wikipedia.org/wiki/Jom_Kippur
- Hüttenfest:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sukkot |
Weitere
Entwicklung der orthodoxen Religionsgesellschaft - vom "siebenjährigen
Krieg" zwischen Reformgemeinde und Religionsgesellschaft (1876)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 22. November 1876: "Wiesbaden, im Kislew. Seit
einigen Wochen herrscht in der hiesigen Gemeinde eine allseitige Erregung
der Gemüter, deren Veranlassung wohl verdient, in weiteren Kreisen bekannt
zu werden. Schon seit der Publizierung des Gesetzes über den Austritt aus
den Synagogengemeinden hat die hiesige Religionsgesellschaft die
Eventualität eines gemeinsamen Austritts aus der hiesigen Kultusgemeinde in
reifliche Erwägung gezogen, der dann, wie ich Ihnen bereits kurz erwähnte,
sich am 2. November vollzogen hat. Das war nun nicht so einfach, wie man
nach den klaren Paragraphen des Gesetzes etwa glauben sollte. Diese
Paragraphen haben nämlich mit den Blumen in der 'Klage der Ceres' bekanntlich die Eigentümlichkeit gemein, dass sie, halb
der Toten, halb der Lebenden Gebiet berühren' und diese erste Hälfte war
es, welche hier in Wiesbaden einen Austritt geradezu illusorisch zu machen
schien. Hier existiert nämlich ein städtischer Kommunalfriedhof und den
Austretenden hätte daher die weitere Benutzung der jüdischen Friedhofs
von der Synagogengemeinde untersagt werden können, da der
Kommunalfriedhof jeden Toten ohne Unterschied der Konfession beerdigt.
Darob herrscht nun ein großer Jubel bei den Pascha's der Synagogengemeinde,
da für die Religions-Gesellschaft die Anlegung eines eigenen Friedhofs
zur Zeit aus verschiedenen Rücksichten nicht realisierbar war. 'Nun habt
ihr das Austrittsgesetz', jubelte die tolerante Reform in allen Tonarten,
'und müsst doch bei uns bleiben'. In anderen Gemeinden hat das
Austrittsgesetz den in ihrer Machtstellung |
gefährdeten
Machthabern der Reform einen Dämpfer aufgesetzt, der schwache Gemüter
hie und da bereits irre zu führen im Begriff war und noch ist, aber hier
in Wiesbaden klammerten sich die Würdenträger des Zwangsystems nur umso
zäher an das morsche Gebäude, je mehr sie überzeugt sein mussten, dass
dessen Einsturz nur eine Frage der Zeit sei. Das war nun für die
Religionsgesellschaft allerdings eine kritische Lage. Die
Religionsgesellschaft zu Wiesbaden mit ihrem unermüdlich rastlosen
Führer Herrn Rabbiner Dr. Kahn - sein Licht leuchte - hatte
durch ihre unablässigen Bemühungen einen sehr hervorragenden mittelbaren
Anteil an dem Zustandekommen des Austrittsgesetzes und sollte nun auf
diese Weise um die Früchte ihrer vielfachen Bemühungen kommen! Die
Gesellschaft wurde nun bei der Regierung vorstellig, wie das jüdische
Gesetz ihr die Benützung des Kommunalfriedhofs, und die Synagogengemeinde
im Fall eines Austritts die Benützung des jüdischen Friedhofs unmöglich
mache. Die Regierung verlangte hierauf rabbinische Gutachten, dass nach
jüdischem Gesetze die Beerdigung auf nichtjüdischen Begräbnisplätzen
unzulässig sei, diese trafen sofort von den verschiedensten Seiten ein,
woraufhin alsbald die Religions-Gesellschaft folgenden Bescheid vom
Königlichen Verwaltungsamt erhielt:
Königliches Verwaltungsamt Wiesbaden. Wiesbaden, den 29. Oktober 1876.
In Folge Ihrer Eingabe wegen Benützung des hiesigen israelitischen
Totenhofs zur Beerdigung von aus der hiesigen israelitischen
Kultusgemeinde ausgetretenen Juden habe ich mit Königlicher
Polizei-Direktion hier verhandelt; der Herr Polizei-Direktor hat hierauf
folgende Antwort erteilt:
Für den Fall, dass durch die in Rede stehenden Streitigkeiten es sich
ereignen sollte, dass ein jüdischer Toter über die gesetzlich oder die
sanitätspolizeilich zulässige Zeit unbeerdigt bleiben sollte, würde ich
mich für befugt erachten, die provisorische Beerdigung auf dem bisherigen
israelitischen Totenhof polizeilich zu erzwingen, indem ich aber
ausdrücklich die Erklärung abgeben würde, dass hierdurch den
bestehenden Rechten in keiner Weise präjudiziert werden kann. Anm.*
Ich setzte Sie hiervon ergebenst in Kenntnis. Königliches
Verwaltungsamt. Raht, Landrat.
Anm.: In diesem Sinne hat vor ca. 7. Jahren auch die Polizeibehörde in
Karlsruhe entschieden, wo die tolerante Reformgemeinde dem verstorbenen
Kinde eines kurz zuvor aus dem badischen Judenverbande ausgeschiedenen
Mitgliedes der dortigen Religionsgesellschaft die Beerdigung auf dem
jüdischen Friedhof versagen wollte. Das Begräbnis wurde von der Polizei
aber füglich mit Gewalt erzwungen. - Kurz darauf legte sich die dortige
Religionsgesellschaft einen eigenen Friedhof an.
Als Kuriosum möge noch erwähnt werden, dass die Regierung Herrn
Rabbiner Süßkind ebenfalls um ein Gutachten über die Zulässigkeit
jüdischer Toten auf nichtjüdischen Friedhöfen zu bestatten dringend
ersuchte, bis heute aber eine Antwort nicht erhalten hat. Das war für
Herrn Rabbiner Süßkind allerdings eine peinliche Anfrage. Ein der
Wahrheit gemäßes Gutachten würde den Bestrebungen der
Religionsgesellschaft zugute gekommen sein, und zu sagen, es wäre den
Juden gestattet, ihre Leichen auf christlichen Friedhöfen zu beerdigen,
ging schon deshalb nicht, weil als vor mehreren Jahren irrtümlicherweise
ein jüdisches Mädchen auf dem christlichen Friedhofe eines benachbarten
Ortes beerdigt worden war, Herr Rabbiner Süßkind alle Hebel bei der
Regierung in Bewegung setzte, und es ermöglichte, dass die Leiche
ausgegraben und auf dem jüdischen Friedhofe bestattet wurde.
Im Großen und Ganzen kann man den Herren Potentaten der Zwangsgemeinde
nicht das Zeugnis versagen, dass sie mit allem Eifer durch Nörgeleien und
Fußängelchen, die Mitglieder der Religionsgesellschaft auf diesem nicht
mehr ungewöhnlichen Wege, zwingen wollten, wenigstens erst nach dem 15. November
ihre Trennung von der Alma mater zu erzwingen, um so wenigstens noch für
das nächste Jahr den Beitrag der 'verlorenen Söhne' einzuheimsen, was
aber, - so gerechtfertigt es auch mit Rücksicht auf den leeren Gemeindesäckel
erscheint - an dem eminent praktischen Sinn der Austretenden
scheiterte.
Dass eine Synagogengemeinde, die über 100.000 Gulden Schulden und im
Ganzen nur 135 Mitglieder hat, nicht leichten Mutes auf einige 40
Mitglieder der Religionsgesellschaft verzichtet, ist erklärlich, wenn man
zumal erwägt, dass bereits außerdem eine nicht unbeträchtliche Anzahl
der höchstbesteuerten Gemeindemitglieder, denen Herr Rabbiner Süßkind
und seine Institutionen noch viel zu religiös sind, ihren Austritt
ebenfalls aus 'religiösen Bedenken' erklärt hat. Die panikartige
Bestürzung, die nun in Folge dessen bei den vor einigen Tagen noch
allgewaltigen Matadoren der Reformgemeinde Platz gegriffen hat, ist leicht
begreiflich. Böse Zungen haben bereits sogar die Eventualität einer
Subhastation der goldbekuppelten Orgelsynagoge ernstlich in Erwägung
gezogen, was jedoch sicher verfrüht ist.
Tatsache ist, dass die Religionsgesellschaft durch die Austrittserklärung
ihrer Mitglieder in |
eine
neue Phase der Entwicklung getreten ist, die zu einigen rückwärts und
vorwärts gerichteten orientierenden Blicken auffordert. Dass derartige
Orientierungen nicht nur von lokalem, sondern die ganze deutsche Judenheit
umfassenden Interesse sind, versteht sich in einer Zeit, in welchem das
Gesetz über den Austritt aus den Synagogengemeinden sich allenthalben
fühlbar zu machen beginnt, so von selbst, dass eine Besprechung an dieser
Stelle einer weiteren Begrünung nicht bedarf.
Man braucht nicht ein gesetzestreuer Jude, man braucht nur ein
vorurteilsfreier, die Freiheit der Gewissen und der Individuen achtender
Mensch zu sein, um die Freude zu begreifen, mit welcher die endlich
erlangte Selbstständigen die Mitglieder der Religionsgesellschaft
erfüllt.
Wenn einmal eine 'Geschichte der Reform' der staunenden Nachwelt die Mittel
und Mittelchen, die Pyrrhussiege und Niederlagen vorführen wird, mit
welcher die Reformapostel unter dem Banner des Fortschritts und der
Aufklärung der Toleranz und der Friedfertigkeit einen wahren Kreuzzug
gegen das überlieferte Judentum und seine Anhänger eröffneten, der vor
manchen offenen und geheimen Gewaltakten nicht zurückschreckte, denunzierte,
mit Polizeigewalt Synagogen und Lehrhäuser schließen und die Beteiligung
an dem Gottesdienst ihrer Mache erzwingen ließ - - - dann würde die
Orgelgemeinde Wiesbaden, ihr Vorstand und vor allem Herr Rabbiner Süskind
einen der ersten Plätze in diesem Pantheon einnehmen. Die siebenjährige
Geschichte der israelitischen Religionsgesellschaft zu Wiesbaden ist ein
ununterbrochener siebenjähriger Krieg, gegen einen Fanatismus, der mit
einem solch instinktiven Hass jedes jüdische Streben perhorreszierte,
dass die Möglichkeit der Existenz einer Religionsgesellschaft die unter
einem unerhörten siebenjährigen Druck die Hoffnung auf die Erlangung
ihrer Freiheit nicht verlor, geradezu an ein Wunder grenzt. Wir wollen
jedoch heute keine Reminiszenzen an all den Hohn und alle Kränkungen
wachrufen, die den Gesetzestreuen Wiesbadens und der Landgemeinden vor und
während dieses Septennats mit Beihilfe staatlicher Autorität zugefügt
wurden, wie der Religionsgesellschaft den Religionsunterricht ihrer Kinder
der Inspektion des Reformrabbiners unterstellen und sich die schnödeste
Anmaßung und Schikanierungen ihrer Zwingherrn gefallen lassen musste, wir
wollen weiter nichts als unsere Freude rechtfertigen, (hebräisch und
deutsch:) dass uns Gottes Gnade die Zeit erleben ließ, die uns vom
Terrorismus der eigenen Brüder befreite.
Mag unsere Unterdrücker früher oder später das verschuldete Verhängnis
erreichen, es kann uns heute gleichgültig sein. Herr Rabbiner Süskind
wird seine gelichtete Herde schon durch biblische Zitate zu überzeugen
wissen, dass ein solches Abhängigkeitsverhältnis im jüdischen Kreis dem
'im siebten Jahr entlasse ihn frei von dir' (5. Mose 15,12) schon
von Moses Zeiten her mit dem siebenten Jahr ein Ende zu nehmen pflegt, und
auf mosaischem Standpunkte steht ja auch Herr Rabbiner Süskind so lang er
nicht unbequem ist. Wir wollen daher den Herrn Rabbiner auf seinem
Standpunkt ruhig stehen lassen und uns zum Schluss noch an die
Religionsgesellschaft mit einigen Worten wenden.
Ihr und ihren bewährten Führern rufen wir aus tiefbewegter Seele ein sei
stark und kräftig zu! Das richtige Verständnis der Lage der Dinge
und die daraus erwachsene seltene Einmütigkeit, mit der die ganze
Religionsgesellschaft vom Ersten bis zum Letzten ihre Aufgabe begriff und
ihr genügte, verdient ganz besondere Anerkennung in einem Augenblick, wo
sogar unter den Augen des 'Vaters der israelitischen
Religionsgesellschaften' diese allgemeine Klärung der Ansichten sich nur
schwer und langsam zu vollziehen scheint, der Religionsgesellschaft zu
Wiesbaden bleibt somit das hohe Verdienst, die erste Korporation gewesen
zu sein, welche die unter hartem Druck erprobte unwandelbare
Überzeugungstreue auch der neuen Gestaltung der Dinge gegenüber bewahrt
hat. Dass sie nicht auf halbem Wege stehen, sondern durch unablässigen
Ausbau ihrer Institutionen sich fort und fort schöner und größer
entwickeln werde, dafür birgt uns der echt jüdische Geist ihrer
Mitglieder und besonders ihrer Leiter, die durch die Ereignisse der
jüngsten Wochen eine nicht hoch genug anzuschlagende Hebung und
Kräftigung erfahren hat, dafür bürgt uns der fürsorgende Gottesschutz,
der bis jetzt über dem jungen Gemeindewesen so sichtbar walte, dass wir mit
Gottes Hilfe die zuversichtige Hoffnung hegen: bis hierher hat uns
dein Erbarmen gebracht und deine Gnade hat uns nicht
verlassen...". |
Anmerkungen: - Kislew:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kislew
- Klage der Ceres:
https://de.wikisource.org/wiki/Klage_der_Ceres
- Rabbiner Dr. Kahn: vgl.
Artikel von
1930
- Rabbiner Süßkind: vgl.
Artikel vom 70. Geburtstag von Rabbiner Dr. Samuel Süßkind
- Subhastation:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwangsversteigerung_(Deutschland)
- Zur Israelitischen Religionsgesellschaft Karlsruhe siehe
weitere Seite
- Perhorreszieren:
https://de.wiktionary.org/wiki/perhorreszieren
|
Die Spannungen zwischen der jüdischen Gemeinde und der
orthodoxen Gruppe entladen sich bei einer Beerdigung (1877)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. März 1877: "Wiesbaden, 6. März (1877). Heute
Vormittag spielte vor dem hiesigen israelitischen Friedhofe eine
ärgerliche Szene. Es sollte die Leiche eines verstorbenen Israeliten aus Schierstein
beerdigt werden; der Verstorbene gehörte zwar der orthodoxen Richtung an,
war aber noch Mitglied der hiesigen Synagogen-Gemeinde, hatte also
Anspruch auf Beerdigung in dem genannten Friedhofe. Der hiesige Rabbiner
der orthodoxen israelitischen Religionsgesellschaft, Dr. Kahn,
sollte die Grabrede halten, und zwar, um jede Veranlassung zu Störungen
zu vermeiden, außerhalb des Friedhofs, auf offener Landstraße. Kaum aber
war die Leiche vom Toten-Wagen herabgenommen, auf die Bahre gestellt, und Dr.
Kahn eben im Begriffe, die Rede zu beginnen, als der Diener der
Synagogengemeinde und mehrere Totengräber herbeistürzten, die Bahre mit
der Leiche wegnahmen, den Sarg sofort versenkten und auf das Grab Erde
schütteten. Die Entrüstung über diesen gewaltsamen Akt war bei der
ganzen Leichengesellschaft eine ungeheure; doch wurde der Gewalt keine
Gewalt entgegengesetzt, wohl aber begaben sich die Angehörigen auf die
königliche Staatsanwaltschaft, um Klage zu erheben. Die Untersuchung ist
bereits im Gange." |
Der
Kaufmann Louis Baer und seine Familie darf trotz Austritts aus der
Synagogengemeinde nach richterlicher Entscheidung weiterhin den jüdischen
Friedhof besuchen (1877)
Anmerkung: In den 1870er-Jahren versuchte die Israelitische Kultusgemeinde -
wie auch in dem vorigen Bericht deutlich wurde (s.o.) - massiven Druck auf
diejenigen auszuüben, die aus der Gemeinde ausgetreten waren und sich in einer
orthodoxen Gemeinde (später "Altisraelitische Kultusgemeinde")
zusammenschließen wollten.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. Juli 1877: "Wiesbaden, 15. Juli (1877). Der Kaufmann
Louis Baer dahier führte bekanntlich seit mehreren Monaten bei den
Staatsbehörden Beschwerde darüber, dass ihm und seinen Geschwistern nach
dem Austritt aus der hiesigen Synagogengemeinde seitens der Vorsteher
dieser letzteren der Zutritt zu dem Begräbnisplatz der Synagogengemeinde,
insbesondere der Besuch und die Ausschmückung der Grabstätte ihres
verstorbenen Vaters verweigert werde. Da nirgends Hilfe gewährt wurde,
wandte er sich an das Ministerium in Berlin, und nun ist von diesem der
Bescheid ergangen, dass die Beschwerde nicht für unbegründet zu erachten
sei, da durch den Austritt aus der Synagogengemeinde dem Ausgetretenen nur
das Recht zu Beerdigung von Leichen verloren gehe, nicht aber die Befugnis
zum Besuche und zur Ausschmückung von Gräbern, welche bereits
rechtmäßiger Weise bestünden. Die hiesige Regierung ist dementsprechend
angewiesen worden, den Baer's polizeilichen Schutz, sofern noch nötig,
angedeihen zu lassen. Hiermit ist ein Streit-Gegenstand auf eine Weise
erledigt, der bei allen Konfessionen, ausgenommen bei einigen wenigen
Personen, Befriedigung erregt."
Anmerkung: - Zur Familie von Louis Baer:
https://www.thekesters.net/Genealogy/Baer.html |
Die "Altisraelitische Kultusgemeinde" ist als
Synagogengemeinde anerkannt (1879)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 7. Mai 1879: "Wiesbaden, 4. Mai (1879). Der hiesigen
orthodoxen israelitischen Religionsgesellschaft, deren Mitglieder aus der
israelitischen Gemeinde ausgeschieden, sind die Rechte einer
Synagogengemeinde (Korporations-Rechte) verliegen worden. Dieselbe führt
von nun an den Namen "Altisraelitische Kultusgemeinde zu Wiesbaden".
|
Das
durch den preußischen König Wilhelm genehmigte Statut der Altisraelitischen
Kultusgemeinde in Wiesbaden (1879)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. Mai 1879: "Die altisraelitische Kultusgemeinde
in Wiesbaden.
Mainz, 8. Mai (1879). Wir haben bereits in voriger Nummer mitgeteilt, dass
die erste israelitische Gemeinde auf Grund des Austrittsgesetzes sich in
Wiesbaden konstituiert. Die Nr. 17 der Gesetzsammlung für die
Königlichen Preußischen Staaten enthält darüber Folgendes:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc. verordnen
auf Grund des § 8 des Gesetzes vom 28. Juli 1876, betreffend den Austritt
aus den jüdischen Synagogengemeinden, (Gesetz-Sammlung S. 353) was
folgt:
Nachdem verschiedene, auf Grund des Gesetzes vom 28. Juli 1876 aus der
israelitischen Kultusgemeinde zu Wiesbaden ausgetretene Juden sich behufs
dauernder Einrichtung eines besonderen Gottesdienstes unter dem Namen
'altisraelitische Kultusgemeinde in Wiesbaden' vereinigt und ein Statut
der letzteren beschlossen haben, werden dieser Vereinigung, unter
Genehmigung des Status in der aus der Anlage ersichtlichen Fassung, die
Rechte einer Synagogengemeinde mit der Maßgabe beigelegt, dass dadurch
der Bezirk der in Wiesbaden bereits bestehenden israelitischen
Kultusgemeinde eine Abänderung nicht erleidet.
Gegeben Berlin, den 24. März 1879. (L.S.) Wilhelm.
Leonhardt. Falk. Gr. zu Eulenburg.
Die Anlage enthält das Statut, aus dem wir die wichtigsten Paragraphen
hier mitteilen.
§ 1. Die auf Grund des Gesetztes vom 28. Juli 1876 aus der israelitischen
Kultusgemeinde in Wiesbaden aus religiösen Bedenken ausgetretenen und in
der gerichtlichen Verhandlung vom 28. und 31. Oktober und 8. November 1878
zu Wiesbaden namhaft gemachten Personen vereinigen sich nach Maßgabe des
§ 8 desselben Gesetzes zu einer Synagogengemeinde unter dem Namen
'altisraelitische Kultusgemeinde'.
Der Zweck dieser Gemeinde ist, das jüdische |
Religionsgesetz,
wie dasselbe in der mündlichen und schriftlichen Lehre enthalten und in
den rabbinisches Codices (Schulchan Aruch, der geordnete, gedeckte Tisch,
Handbuch der Ritualgesetze) kodifiziert ist, sich zu erhalten und danach
den Gottesdienst und das gesamte religiöse Leben dauernd
einzurichten.
Ihren Sitz und Gerichtsstand hat die altisraelitische Kultusgemeinde in
der Stadt Wiesbaden.
§ 2. Zur Erreichung des in § 1 Abs. 2 angegebenen Zweckes hat die
Kultusgemeinde alle einer jüdischen Synagogengemeinde notwendigen
Institutionen ins Leben gerufen, und zwar:
a) die Synagoge b) die Religionsschule, c) die Schechitah (Einrichtung
für das rituelle Schlachten), d) das rituelle Bad, 3) das
Begräbniswesen, f) die Wohltätigkeitsanstalten, g) das
Rabbinat.
§ 3 behandelt das Vermögen und das Einkommen der
Gemeinde.
§ 4. Alle der Synagogengemeinde (israelitische Kultusgemeinde) ihres Wohnorts
als Mitglieder nicht angehörenden Juden, mit Ausnahme der in § 5
bezeichneten, können Mitglieder der altisraelitischen Kultusgemeinde
werden.
Die Aufnahme geschieht durch die schriftliche Erklärung des Vorstandes
und Beschluss desselben, dass dem bezüglichen, schriftlich
einzubringenden Meldungsgesuche zugestimmt wird. Mit dieser Erklärung ist
die Zustellung eines gedruckten Statut-Exemplars an den Antragsteller zu
verbinden.
§ 5. Als Mitglied kann nicht aufgenommen werden:
a) wer - dem Religionsgesetze entgegen - nicht in dem Bund Abrahams
(Beschneidung) aufgenommen ist, oder seinen Sohn darin nicht aufnehmen
lässt,
b) wer in einer vom Religionsgesetz verbotenen Ehe lebt, oder wer nach
Vollzug der Ziviltrauung nicht auch die Trauung nach dem Religionsgesetze
und religiösem Ritus vornehmen lässt,
§ 6. Die Höhe des Jahresbeitrages bestimmt sich jedes Mitglied selber
nach Verhältnis seines Vermögens und im Verhältnis zur Höhe des
Jahresbudgets.
Für Aufbringung dieses haften alle Mitglieder unter solidarisches
Haftbarkeit.
Die §§ 7-17 bestimmen die Verwaltung, die Wahlen etc.
§ 18. In den Vorstand, sowie zur Bekleidung irgend eines Amtes in der
Gemeinde können nur solche Personen gewählt werden, deren religiöses
Leben und Wirken im Einklang steht mit dem § 1 Abs. 2 bestimmten Zweck
der Gemeinde.
Zur Gültigkeit aller in der Gemeinde gefassten Beschlüsse ist notwendig,
dass sie sich innerhalb der im § 1 Abs. 2 gegebenen Grenzen
bewegen.
Die Anstellung des Kantors und Religionslehrers, sowie des Schächters
soll mit Gutheißung des Rabbiners vollzogen werden.
§ 19. Dem Rabbiner ist die Sorge für die Erkenntnis und Erfüllung des
Religionsgesetzes innerhalb der Gemeinde anvertraut und hat er die
Kenntnis derselben durch Predigt und Lehrvortrag, durch Leitung und
Überwachung des Religionsunterrichts zu pflegen.
Er überwacht die Liturgie, betet alle Gebete vor für das Wohl Seiner
Majestät des Kaisers und Königs, des Kaiserlich Königlichen Hauses, der
Staatsregierung etc. und leitet persönlich den Gottesdienst bei jeder
Nationalfeier.
Er überwacht alle Institutionen der Gemeinde und sorgt für die
pünktliche Handhabung der religionsgesetzlichen Vorschriften in
derselben.
Er vollzieht die religiösen Akte (religiöse Trauungen etc.) und
entscheidet über alle kasuellen Anfragen der einzelnen Mitglieder wie der
Gesamtheit.
Die Autorität des Rabbiners ist durch das Religionsgesetz begrenzt und
hat sein Wort und sein Wirken nur Geltung, wenn es mit den Bestimmungen
desselben im Einklange befindet.
§ 20. Als Rabbiner darf nur eine solche Persönlichkeit berufen werden,
welche sich über gediegene Ausbildung in den weltlichen Wissenschaften
und jüdischen Religionswissenschaften, namentlich in den
talmudisch-rabbinischen Fächern (Schass und Poskim, Talmud und seine
Erklärer), sowie über die Befähigung zum Amte eines Predigers
auszuweisen vermag.
Er muss im Besitze eines Rabbinatsdiploms (Hatoras Horoho, wörtlich: die Erlaubnis
zu lehren) sein, aus der Hand einer solchen rabbinischen Autorität, von
welcher die Gemeinde die Überzeugung gewonnen, dass sie auf gleichen
religiösen Prinzipien steht. Auf der Vergangenheit des anzustellenden
Rabbiners dürfen weder moralische oder religiöse, noch politische Makel
haften.
§ 21. Änderungen der Statuten sind von der Zustimmung des
Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau abhängig. Der Zweck jedoch (cfr.
§ 1 Abs. 2) ist unabänderlich (cfr. § 18)."
Anmerkungen: - Wilhelm:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_I._(Deutsches_Reich)
- Zu Eulenburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eulenburg_(Adelsgeschlecht)
- Schulchan Aruch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schulchan_Aruch
- Rituelles Bad:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mikwe
- Wohltätigkeitsanstalten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chewra_Kadischa, dazu gehört oft noch ein
jüdisches Waisenhaus und natürlich die Armenfürsorge, die sich nicht nur auf
Glaubensgenossen beschränkt, sondern im Sinne von Zedaka, Bedürftige aller
Konfessionen einschließen muss:
https://de.chabad.org/parshah/article_cdo/aid/702416/jewish/Was-ist-Zedaka.htm
...in einer vom Religionsgesetz verbotenen Ehe: wenn der Ehepartner Christ
ist oder aber vor einem Reformrabbinergremium zum jüdischen Glauben
übergetreten ist und siehe b)
Kantor:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chasan_(Kantor) |
Verschiedenes
aus den beiden jüdischen Gemeinden in Wiesbaden (1889)
Anmerkung: der Bericht ist aus orthodoxer Sicht geschrieben - mit kritischen
Anmerkungen gegenüber der liberalen Synagoge, daher wird er auf der Seite zur
Altisraelitischen Kultusgemeinde eingestellt.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. Dezember 1889: "Aus Wiesbaden wird in Bezug auf
die verflossenen hohen jüdischen Feiertage von einem Soldaten dem
'Israelitischen Volksblatt' das Nachfolgende geschrieben:
'Und so wären sie denn vorüber - die Tage, die manchen so furchtbar
dünken und von denen er spricht: sie gefallen mir nicht. So ganz haben
sie diesmal auch Ihrem Korrespondenten nicht gefallen, wenn während die
Gläubigen durch Gebet und Kasteiung sich auf die hohen Festtage
vorbereiteten, stolzierte er in dem bekannten zwiefarbigen Tuche, in den
bekannten zwiefachen Schrittmaßen auf den anmutigen Exerzierplätzen und
sonstigen Gefilden Wiesbadens einher. - Soldatentum und hohe
Festtagsstimmung wollen sich nicht recht vertragen. Während der Prophet
den Reuigen darstellt unter dem Bilde des Rohres, welches das Haupt sinken
lässt, muss der Soldat auch an diesen Tagen den Kopf hoch tragen, als ob
ihm - nach einer Kraftprobe unteroffizierlichen Gedankenschwunges geredet
- ein ganzer Thaler die Tasche beschwerte. Indessen fühlt such der rauhe
Kriegsmann an diesem Tage das Bedürfnis, Frieden mit seinem Gotte und
seinem Bekenntnisse an geweihter Stätte zu schließen. Dass dies Ihrem
Korrespondenten und seinen '*Mitkämpfern' ermöglicht wurde, ist
lediglich dem Rabbiner der orthodoxen Gemeinde zu Wiesbaden, Herrn Dr.
Kahn zu danken. Mit wärmstem Eifer und regester Energie trat der
ehrwürdige Herr zu |
wiederholten
Malen für unser religiöses Interesse ein, und seine verdienstlichen Bemühungen
waren von Erfolg begleitet. Wer sich auch nicht zur Orthodoxie bekennen
mag, muss Hochachtung vor der Opferwilligkeit und Festigkeit gewinnen, mit
welcher jene Kreise ihre Überzeugungen vertreten. Diese Prinzipientreue
findet auch in gläubigen christlichen Kreisen die vollste Anerkennung. So
sprach der Kommandeur des 30. Regimentes Herrn Dr. Kahn seinen Dank für
den im religiösen Interesse der jüdischen Soldaten entfalteten Eifer
aus. Den reichsten Lohn für sein rastloses Walten findet Herr Dr. Kahn sicherlich
in der treuen Anhänglichkeit seiner Gemeinde, die ihm geradezu
außerordentliche Verehrung entgegenbringt. - Vom Rabbiner auf Gemeinde
und Synagoge zu kommen, ist ganz natürlich, und so wollen wir denn der
letzteren Faktoren auch mit einigen Worten gedenken. Wir haben schon
angedeutet, dass in Wiesbaden zwei jüdische Gemeinden nebeneinander
bestehen. Beide besitzen herrliche Gotteshäuser; schade nur, dass in der
großen Synagoge so manches Wort 'in leere Luft gehaucht' wird. Selbst an
den hohen Feiertagen war sie keineswegs überfüllt, was man bei der
ansehnlichen Seelenzahl jüdischer Bewohner Wiesbadens hätte erwarten
können. An dem Laubhüttenfeste starrte uns selbst am Tage der
Gesetzesfreude eine 'gähnende Leere' entgegen.
Die Reform-Synagoge besitzt einen vorzüglichen Chor, bestehend aus
jungen Damen und Herren der Gemeinde, eine herrliche Orgel, eine
glanzvolle äußere und innere Einrichtung; aber nur eine geringe Schar -
von ständigen Besuchern. Anders verhält es sich mit der Synagoge der
orthodoxen Gemeinde; sie besitzt ihr Stammpublikum, das bei jedem
Gottesdienste die Räume füllt. Der Gottesdienst bewegt sich hier noch
vollständig in den alten Formen. Wir müssen gestehen, diejenigen des
Simchat Thora, an welchem Mädchen und Knaben mit Fahnen und ähnlichen
Gegenständen die geweihten Räume ziemlich geräuschvoll durchzogen,
scheinen uns sogar etwas - veraltet. Und wenn die Redensart 'man muss den
Kindern auch ihr Vergnügen lassen', von uns nicht angefochten werden
soll, so glauben wir doch, dass dieses 'Vergnügen' besser an anderer
Stätte von Stapel gelassen würde. Indes der Geschmack ist verschieden.
Und so nehmen wir mit diesem kleinen Nachtrag zu den Festtagen für heute
von den Lesern unter dem Wunsche Abschied, dass sie das begonnene Jahr
recht glücklich zu Ende führen mögen. (A.)'".
Anmerkungen: - ...hohe jüdischen Feiertage: Neujahr
https://de.wikipedia.org/wiki/Rosch_ha-Schana, Versöhnungstag
https://de.wikipedia.org/wiki/Jom_Kippur
- ...Herrn Dr. Kahn vgl.
Artikel zum Tod von
Rabbiner Dr. Leo Kahn 1936
- ...herrliche Gotteshäuser: Synagogengemeinde Wiesbaden (reformiert):
https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Synagoge_(Wiesbaden)
https://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/planen/staedtebauliche-projekte/realisierte-projekte/geschichte.php
- Altisraelitische Religionsgemeinschaft Wiesbaden: vgl.
zur Synagoge in der Friedrichstraße
- große Synagoge:
Reformsynagoge auf dem Michelsberg
Laubhüttenfest:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sukkot
Simchat Thora:
https://de.wikipedia.org/wiki/Simchat_Tora |
Auftritt
des Oberkantors der früheren Moskauer jüdischen Gemeinde in Wiesbaden (1894)
Anmerkung: da der Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit"
erfolgt, war der Auftritt des Oberkantors Bade sehr wahrscheinlich in der
Synagoge der Altisraelitischen Kultusgemeinde.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. November 1894: "Wiesbaden, 6. November (1894).
An den jüngst verflossenen hohen Feiertagen hatten wir den besonderen
Genuss, den Oberkantor der früheren Moskauer Gemeinde einige Gebete
vortragen zu hören. Dieser äußerst würdige Herr wurde vor 2 Jahren,
als man sämtliche Juden aus der Hauptstadt vertrieb und die prachtvolle
neue Synagoge geschlossen werden musste, mit ausgewiesen. Herr Bade, so
heißt der Chasan, hatte in Moskau eine vorzügliche Position. Er bezog
ein Gehalt von 3.000 Rubel, für seinen Knabenchor wurden allein 300 Rubel
per Monat ausgegeben.
Nun ist alles vorüber und der arme Mann, dessen gespartes Vermögen bei
der plötzlichen Ausweisung verloren ging, muss nun von Stadt zu Stadt und
von Ort zu Ort ziehen, zu alt, um sich eine neue Existenz zu begründen,
auf die milden Gaben seiner Glaubensgenossen angewiesen. Als er hier mit
fast Tränen erstickter Stimme die Bitte ... zum Himmel empor sandte, da
war kein Auge tränenleer und eine tiefe Ergriffenheit bemächtigte sich
der Andächtigen. Auch während der diesjährigen Feiertage trat eine
Milderung in den Maßnahmen gegen die Moskauer Juden nicht ein. Minjamin
zu veranstalten war auf das Strengste verboten. Das Einzige, was gestattet
war, war dasjenige in der Privatsynagoge Poljakoffs, in welcher von den
Kaufleuten erster Gilde, die noch in Moskau wohnen dürfen, einzelne
Plätze bis zu 300 Rubel bezahlt wurden. Eine Anzahl unserer Glaubensgenossen
versuchte am Jom Kippur einen Gottesdienst in dem nahegelegenen Walde zu
veranstalten, doch wurde ihr Unternehmen vereitelt, da sie noch
rechtzeitig in Erfahrung brachten, dass die Polizei davon Kenntnis
erhielt.
Die bereits in den Wald gebrachten Torarollen wurden in den Gebüschen
versteckt und als die Polizisten am heiligen Tage an der ihnen
bezeichneten Stelle im Wald erschienen, fand sie niemanden
vor.
Viele unserer Glaubensgenossen von Moskau fuhren extra nach Warschau oder
Odessa, um während der Feiertage an einem gemeinschaftlichen
Gottesdienste teilnehmen zu können. Großfürst Sergei hat auch während
der Krankheit des Zaren seine Gesinnung gegen die Juden nicht geändert.
Ein in Moskau lebender, bedeutender jüdischer Künstler war beauftragt,
im Schlosse des Großfürsten den Plafond mit Malereien zu versehen. Als
der Großfürst nach den Fortschritten der Arbeit sah, und er seine hohe
Befriedigung über dieselbe ausdrückte, wurde ihm bei dieser Gelegenheit
der Künstler vorgestellt. Als der Großfürst sich bei ihm erkundigte, wie viel
Zeit wohl noch bis auf die Fertigstellung der Arbeit hingehen könne,
antwortete der Künstler: 'Kaiserliche Hoheit, ich kann es nicht genau
bestimmen, aber in einigen Wochen muss ich laut Ausweisungsbefehl diese
Stadt verlassen.'
'Dann spute Dich so viel wie möglich', sprach's und wandte ihm den
Rücken."
Anmerkungen: - Hohe Feiertage: Neujahr
https://de.wikipedia.org/wiki/Rosch_ha-Schana und Versöhnungstag
https://de.wikipedia.org/wiki/Jom_Kippur
- Chasan:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chasan_(Kantor)
- Minjanim: Plural von Minjan
https://de.wikipedia.org/wiki/Minjan
- Poljakoff:
https://de.wikipedia.org/wiki/Samuil_Solmonowitsch_Poljakow
- Jom Kippur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jom_Kippur
- Großfürst Sergej:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sergei_Alexandrowitsch_Romanow
|
25-jähriges Jubiläum der
Altisraelitischen
Kultusgemeinde (1895)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. Januar 1895: "Zum Jubiläum der
Alt-Israelitischen Kultus-Gemeinde in Wiesbaden zugleich
Amts-Jubiläum ihres Rabbiners Dr. L. Kahn.
Fünfundzwanzig Jahre sind vorüber. Es ist behauptet worden, dass
innerhalb derselben die äußere Stellung des Judentums keine Förderung
erfahren hat. Dagegen können wir mit stolzer Befriedigung konstatieren,
dass das letzte Vierteljahrhundert eine wesentliche innere Erstarkung
und Festigung unserer heiligen Religion im Gefolge hatte, dass das
religiöse Leben in Schule und Gemeinde, sich einer Kräftigung erfreuen
durfte, die vor 3 Jahrzehnten für schier unmöglich gehalten wurde. S
chien doch damals - dank der Tätigkeit gewisser Herren - gar manchem
Reformer die Zeit für gar nicht mehr fernliegend, wo der letzte
tefillin-legende Jude sich als ein Schaustück auf Jahrmärkten zeigen
konnte. Die Hoffnung der reformistischen Weltbeglücker sollte sich jedoch
nicht erfüllen. Je mehr man das althergebrachte, einzig-echte und
unverfälschte Judentum zu unterdrücken suchte - und dies durch Mittel,.
die gerade nicht immer legal waren, - desto eifriger wurde von den dem
Alten treugebliebenen Glaubensgenossen, die Mittel und Wege erwogen, die
zur Konservierung des Traditionellen geeignet waren . - Mit seltener
Opferwilligkeit wurden von ihnen separate Synagogen gegründet, neue Religionsschulen
eingerichtet und die verschiedenen Einrichtungen neu instituiert, welche
von einem echt jüdischen Gemeindewesen unzertrennlich sind. Die Reformer
aber, welche in diesen orthodoxen Separat-Institutionen das Ziel
gefährdet sahen, welches sie mit der Reformierung der Gemeinde erstrebt
hatten, bemühten sich nun auch diese mit großen Opfer gegründeten
Separat-Institutionen unter ihren nivellierenden Einfluss zu bringen. Sie
suchten die Benutzung dieser neu gegründeten orthodoxen Einrichtungen zu
verhindern, oder doch zu erschweren. Erst das sogenannte 'Austrittsgesetz'
vom Jahre 1876 entzog die orthodoxen Separatgemeinden dem unheilvollen
Einfluss ihrer reformwütigen Bedränger.
Die erste preußische Gemeinde, welche unter dem Druck der Verhältnisse
von diesem Austrittsgesetz Gebrauch machte, ist diejenige, deren fünfundzwanzigjähriges
Jubiläum diese Zeilen gewidmet sind. Dem
hochverdienten Jubilar aber, der als der geistliche Hüter dieser Gemeinde
fungiert, verdanken wir nicht zum Wenigsten das Zustandekommen des qu.
Gesetzes, welches eine Existenzfrage für das orthodoxe Judentum bildete,
und welches auf die Wiedererstarkung des gesetzestreuen Judentums von so
hervorragender Wirkung sein sollte. Die kühle Erde deckt den
größten Teil jener Wackeren, die auf Veranlassung des heimgegangenen
Begründers dieser Blätter sich zusammen schlossen, um den reformierenden
Absichten des damaligen Wiesbadener Bezirksrabbiners entgegenzutreten. Nur
wenige Personen waren es, die den Grundstein zu dem großen Gotteswerke
legten: die Herren Abraham Stein, Vorsitzender, Gerson Mayer, Hofagent
Löb, A. Liegmann, Mos. und Jos. Wolf, Jak. und Ad. Strauß, Isak Baer,
Abr. Kahn - Friede sei mit ihnen, und - um zu unterscheiden zwischen
den Lebenden und den Toten, die Herren M. S. Löwenthal, Isr. Strauß, M.
und S. Baum, Mos. Sulzberger, S. Blumenthal, H. Callmann u.a. Als ihren
Führer beriefen diese Herren: Herrn Rabbiner Dr. Kahn, der, nachdem er
lange Jahre zu Füßen des heimgegangenen Oberrat Altmann - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - und des seligen 'Würzburger
Raws' - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - gesessen
hatte, zur Zeit bei Herrn Rabbiner Dr. Israeli Hildesheimer - Gott
vermehre seine Tage und seine Jahre und bei den nun ebenfalls
hingeschiedenen Rabbinatsassessoren Michael Landsberg und Elchanan
Rosenberg sein talmudisches Wissen erweiterte.
Der ausgesetzte Anfangsgehalt für den Rabbiner konnte freilich nur wenige
hundert Gulden betragen. Wer aber bedenkt, dass die paar Leute, die
seinerzeit die altgläubige Gemeinde bildeten, nicht nur für die gesamten
Kosten eines selbstständigen Kultus aufzukommen hatten, sondern auch noch
ihren pekuniären Verpflichtungen gegen die Reformgemeinde nachkommen
mussten, dem gelten diese paar 100 Gulden als ein ebenso glänzender Beleg
für den Opfersinn der kleinen Gemeinde, wie für die Selbstverleugnung
ihres Rabbiners. - Dr. Kahn suchte nicht, wie so mancher Kollege vor und
nach ihm unter Opferung seiner Überzeugung durch eine fette Pfründe sich
ein Äquivalent zu verschaffen für die gehabten Opfer an Zeit und Geld
eines jahrzehntelangen Studiums. Als Vorbild eines echten Raw im
alten Sinne, galt es ihm in erster Linie Heiligtum Gottes zu sein
und nie, wie wir nebenbei bemerken wollen, während seiner langen
Amtsdauer hat er die Gehaltsfrage zum Gegenstand einer Erörterung
gemacht. Neben den gediegenen talmudischen und profanen |
Kenntnissen
des jungen Rabbinen, neben seinem edlen, innig religiösen Charakter und
seiner bedeutenden oratorischen Kraft war es hauptsächlich die glänzend
erprobte pädagogische Tüchtigkeit, die seinerzeit bei der Wahl Kahn's
ausschlaggebend war.
Galt es doch vor allen Dingen den so arg darniederliegenden
Religionsunterricht zu heben. Wochen und Monate lang hatte in Wiesbaden
jeder geregelt Unterricht gefehlt. Man hatte in gewissen Kreisen ganz
richtig kalkuliert, dass da, wo Tora ist, die Reform keinen Eingang finden
kann, da 'der kleinste Knabe mit den Mischnajis in der Hand den
Spitzfindigkeiten des größten Reformrabbiners entgegenzutreten vermag'.
Mit Eifer und Fleiß ging Herr Dr. Kahn ans Werk, und was er in diesen 25
Jahren für die jüdische Schule geleistet, wie er es verstanden hat, die unverfälschten
Ideen des väterlichen Vermächtnisses in die Herzen seiner Schüler zu
träufeln, das bekunden uns jene Hunderte und Aberhunderte seiner
Schüler, die heute zum Teil einen integrierenden Bestandteil der Gemeinde
bilden, zum Teil in den verschiedensten Weltgegenden im Sinne ihres
hochverehrten Lehrers wirken. Auch zahlreiche Mitglieder der
Reformgemeinde vertrauten ihre Kinder der orthodoxen Schule an, was ebenso
das Zutrauen, das man dem jungen Rabbiner entgegenbrachte, bezeugt, wie es
für die erfreuliche Tatsache spricht, dass selbst in den Kreisen
der Wiesbadener Judenschaft, die äußerlich nicht mehr mit dem
angestammten Glauben verbunden schienen, der Sinn für die hehren Ideen
unserer heiligen Lehre noch nicht ganz ausgestorben war. - Dem Wiesbadener
Reformrabbiner war diese orthodoxe Schule ein Dorn im Auge. Sich auf das
nassauische Gesetz berufend, das dem Bezirksrabbiner das Recht der Religionsinspektion
zusteht, suchte er die Schule des 'Privatlehrers Leo Kahn', wie er den
Jubilar in seinen Zuschriften an die Regierung titulierte) unter seinen
reformierenden Einfluss zu bringen. Herr Dr. Kahn erfuhr aber von den
Süßkind'schen Eingaben und erlangte Sistierung der durch den
Reformrabbiner eingeführten Schulinspektion.
Aber nicht allein gegen die Schule, sondern auch gegen die anderen
Institutionen suchte man von reformrabbinatlicher Seite anzustürmen, wie
denn überhaupt die ersten Jahre der Kahn'schen Tätigkeit einer fortgesetzten
Reihe erbitterter Kämpfe ausgesetzt waren. Um die orthodoxe Sache zu
diskreditieren, wurde in öffentlichen Blättern der Schochet der jungen
Genossenschaft verdächtigt und verleumdet. Aus der Flut von
Zeitungsstimmen, welche seinerzeit zu diesen Denunziationen Stellung
nahmen und welche sonst ausnahmslos die traurigen Machinationen
beleuchten, die sich die Reform ehemals gegen die Orthodoxie gestattete,
wollen wir hier nur zweier Äußerungen kurz gedenken. Da diese beiden
Äußerungen die einzigen, christlichen Ursprungs sind, geben sie Kunde,
wie das kleine orthodoxe Gemeindewesen in der kurzen Zeit seines Bestehens
es verstanden hatte, bei der christlichen Mitwelt die lebhaftesten
Sympathien zu erobern, während die blinde Verfolgungswut der Reform trotz
des liberalen Mäntelchens bei der nichtjüdischen Mitwelt sich von Tag zu
Tag verächtlicher machte.
Auf die von reformrabbinatlicher Seite ausgegangenen Denunziationen gegen
den orthodoxen Schauchet hin erklärten nämlich fast sämtliche Metzger
Wiesbaden (die rituelles Fleisch führten), 'dass sie gerade in der
Ächtung des qu. Schauchet von Seiten des Reformrabbiners die beste
Gewähr für die Vertrauenswürdigkeit desselben sähen', und ein heute
noch lebender bekannter Satiriker benutzte den Vorfall, um seine Lauge des
ätzendsten Spottes über den verfolgungssüchtigen Reformrabbiner zu
gießen.
Auch die sämtlichen rabbinatlichen Funktionen des jungen orthodoxen
Rabbiners sollten von der Gegenseite soviel als möglich gehindert werden,
und wenn die Regierung auf die ihr zahlreich zur Verfügung gestellten
Pläne zur Unterdrückung der orthodoxen Sache, sowie auf die Pläne,
welche die Rabbinen der orthodoxen Separatgemeinden in der Ausübung ihrer
rabbinatlichen Funktion hindern sollte, nicht einging, so ist die Schule
daran in keiner Weise den damaligen Organen der Reform
zuzuschreiben.
Das Austrittsgesetz, welches die orthodoxen Gemeinden der
Bevormundung der Reformrabbiner entzog und an dessen Zustandekommen, wie
erwähnt, Herr Dr. Kahn tätigsten Anteil hat, machte endlich den
jahrelangen Bedrückungen und Quälereien ein Ende, mit denen die Reform
von damals die orthodoxen Rabbinen und ihre Gemeinden, Schulen und Einrichtungen
zu unterdrücken suchte.
Nachdem durch dieses Gesetz die äußere Stellung des jungen Wiesbadener
Gemeinwesens gesichert war, galt es die Festigung des inneren
Ausbaues. 'Durch den Austritt' war die Beschaffung eines neuen
Begräbnisplatzes notwendig geworden.
Die stets wachsende Mitgliederzahl machte den Bau eines neuen Gotteshauses
notwendig und mit des Himmels Hilfe gelang es beiden Bedürfnissen in
vorzüglicher Weise Rechnung zu tragen.
Was den Bau der Synagoge betrifft, die für die Gemeinde eine
Existenzfrage bildete, so hatte Herr Dr. Kahn mit bekannter Selbstverleugnung
sich persönlich den Mühen und Beschwerlichkeiten einer großen Kollektenreise
unterzogen. der beredten Bitte des gefeierten Rabbinen konnte
keine |
Hand
so leicht widerstehen und in nicht zu langer Zeit stand ein Gotteshaus da,
dessen zweckmäßige und architektonisch schöne Einrichtung ein
leuchtendes Beispiel für jüdische Opferwilligkeit bietet.
Die Fürsorge des Jubilars erstreckt sich nicht nur auf die religiösen
Interessen seiner Gemeinde, überall, wo es die hehren Güter unserer
heiligen Wahrheit gilt, steht Rabbiner Dr. Kahn mit in der ersten
Reihe.
Besonders ist es die religiöse Wohlfahrt derjenigen Glaubensgenossen,
welche sich bei der Fahne befinden, sie sich Herr Dr. Kahn angelegen sein
lässt. Die rituelle Verköstigung derselben, ihre Dienstbefreiung an den
jüdischen Festtagen etc. sind der rastlosen Tätigkeit des Jubilars zu
verdanken. Die Militärverwaltung, welche wiederholt Gelegenheit nahm, dem
Herrn Rabbiner für seine rastlose Tätigkeit im Interesse eines
integrierenden Teil des Garnison zu danken, hat in Würdigung
dieser Tätigkeit Herrn Dr. Kahn mit den Vorbereitungen zu dem Diensteide
der jüdischen Rekruten betraut.
Der Umstand, dass bei aller Festigkeit der religiösen Überzeugung Herr
Dr. Kahn trotz der erbittertsten Kämpfe, welche die erste Zeit seiner
Tätigkeit begleiteten, sich niemals zu leidenschaftlichen Handlungen und
Äußerungen verleiten ließ, seine bezwingende, weit und breit bekannte
Herzensgüte, die Toleranz und Friedfertigkeit der Gesinnung haben ihm
auch in den Kreisen der religiösen Gegner die höchste Zuneigung
errungen. Diese Toleranz der Gesinnung, welche selbst dem Verblendetsten
die Augen eröffnen musste, ob dem Märchen von der 'fanatischen
Orthodoxie' hat der gesetzestreuen Sache mehr genützt, als mancher ahnen
wird.
Wir haben versucht, einen knappen Überblick über die
Entwicklungsgeschichte der Gemeinde zu geben, deren Jubiläumsfeier am
künftigen Sabbat wajehi begangen wird, versucht auf die
unsterblichen Verdienste ihres genialen Leiters hinzuweisen. Möge der Erfolg
der Wiesbadener Separatgemeinde alle die zum ungesäumten Handeln
ermuntern, die auch in ihrer Mitte die angestammte Lehrer gefährdet
sehen.
Diejenigen, welche Gesundheit, Zeit und Geld in die Schanze schlugen für
die Ehre der Tora und heute zum großen Teile unter dem grünen Rasen
schlummern; sie werden den himmlischen Lohn finden, dass sie ihre Kräfte
in den Dienst der heiligen Sache gestellt. Der Wiesbadener
altisraelitischen Gemeinde aber, und ihrem wackeren Vorstand rufen wir ein
kräftiges sei stark und kräftig zu. Mögen sie nie das hohe Ziel
aus den Augen verlieren, für das ihre Gründer unter Hinansetzung ihres
persönlichen Ichs gekämpft, gestritten und gelitten. Möge jedem Einzelnen
stets dieses hohe Ziel der gemeinsamen Sache vor Augen schweben und möge
im Hinblick auf dieses Ziel nie und nimmer kleinliche Zänkereien in der
Gemeinde Eingang finden, wie sie leider so oft in jüdischen Gemeinden zu
finden sind.
Und schließlich noch ein Wort an den ehrwürdigen Jubilar. Eine bei
früherer Gelegenheit von ihm kundgegebene Bitte 'von jeder Referierung
über seine Tätigkeit abzusehen', hat uns bestimmt, nur das von seinem
verdienstvollen Wirken hervorzuheben, was mit dem Jubiläumsbericht der Gemeinde
in untrennbaren Konnex steht; dagegen von den zahllosen Verdiensten des
Jubilars um das Gesamtwohl zu schweigen. Er aber, der über den
Wolken thront, der sich erinnert an den Taten der Welt (oder der
Ewigkeit), er wird dieser Verdienst gedenken. Möge Er den wackeren
Gottesstreiter seiner Gemeinde und dem ganzen Judentum noch lange lange
ungezählte Jahre erhalten, und ihn in ungestörter Gesundheit und in
ungetrübtem Glücke die 50. Wiederkehr des Gedenktages erleben
lassen!"
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. L. Kahn: vgl.
Artikel zu seinem Tod
1936
- Tefillin:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tefillin
- Reformjudentum:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liberales_Judentum
- "Mittel, die gerade nicht immer legal waren": Vgl.
Artikel von 1877 und
Artikel von 1890 |
Rückblick auf die Feier des Jubiläums der
Altisraelitischen Kultusgemeinde (1895)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. Januar 1895: "Wiesbaden, 13. Januar (1896).
Die Feier des Jubiläums der altisraelitischen Kultusgemeinde dahier, die
zugleich die festliche Begehung des 25-jährigen Amtsjubiläums unseres Herrn
Rabbiner Dr. L. Kahn bildete, verlief in würdigster Weise. Da wir der
Bedeutung des Doppelfestes bereits in unserer vorigen Ausgabe eine
eingehende Betrachtung widmeten, so können wir uns heute auf die
Mitteilung beschränken, dass alle Veranstaltungen. Festgottesdienst,
Festreden, Bankett etc. etc. sich des Beifalls aller Teilnehmer erfreuten.
Hunderte von Depeschen aus allen Weltgegenden liefen von
Gesinnungsgenossen und Freunden ein, ein Geschenk im Werte von einigen
tausend Mark, das bei dieser Gelegenheit dem Herrn Rabbiner von der
Gemeinde überreicht werden sollte, wies dieser in seiner bekannten
Uneigennützigkeit auf das Entschiedendste zurück." |
Chanukkafeier
mit Rabbiner Dr. Kahn im Saal der Loge Plato (1899)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18.
Dezember 1899: "Wiesbaden, 10. Dezember. Verspätet zwar, aber
desto wirkungsvoller bot sich die Chanukkafeier dar, die auch dieses Jahr
die Mitglieder unserer Religionsgesellschaft in den überaus festlich
geschmückten Räumen der Loge Plato sich zusammenfinden ließ. Galt doch
dieses Fest ebenso sehr der Erinnerung der Makkabäerzeit, wie dem
ehrenvollen und liebreichen Gedenken, der in diesem Jahre statthabenden
30jährigen Wiederkehr des Tages, der der hiesigen Judenheit in Rabb. Dr.
Kahn den uneigennützigen Berater, Lehrer und Freund schenkte. Alt und
Jung, konfessionell Gleichstehende und Entfremdete, hatten es sich zur Ehre
angerechnet, in sinniger Weise dem bescheidenen Manne, der jeder Ehrung aus
dem Wege gegangen war, nun zu seinem Freudentage den Dankestribut zu
entrichten. Besonders verdienen unter allen Darbietungen die lebenden Bilder
von Schülern des Jubilars dargestellt, als hervorragend und dem Festgedanken
innigst angepasst genannt zu werden. Wenn es noch überhaupt eines Beweises
für die überaus große Beliebtheit des verehrten Jubilars bedarf, die
allgemeine Teilnahme, die aus aller Augen glänzende Freudigkeit und das
einträchtliche Zusammensein, haben uns denselben in gehäuftem Maße erbracht.
Schließen wir uns dem Wunsche an, der dem Jubilare so schön entgegengebracht
wurde:
Auf seinen Wegen blühe,
Erfolg ihm fort und fort,
Der Preis für Tat und Mühe,
Ström’ ihm aus Gottes Wort." .
Anmerkungen: - Chanukka: https://de.wikipedia.org/wiki/Chanukka
- Makkabäer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Makkabäer
- Rabbiner Dr. Kahn: vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1932)
- Konfessionell Gleichstehende: Gesetzestreue, orthodoxe Juden
- Entfremdete: aus orthodoxer Sicht gemeint: Anhänger der jüdischen
Reformbewegung, d.h. Mitglieder der liberalen Hauptgemeinde |
Vorstandswahlen
in der Altisraelitischen Kultusgemeinde (1902)
Chanukkafeier
mit Rabbiner Dr. Kahn im Saal der Loge Plato (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 15. Januar 1903: "Wiesbaden. Eine würdige und gemütliche Feier des Chanukka wurde am Sonntag,
4. dieses Monats, abends hier im Saale der Loge Plato veranstaltet.
In der Einleitung derselben, dem Prolog, wurde vor allem unserem verehrten
Herrn Rabbiner Dr. Kahn – anlässlich des 33. Jahrestages seiner
segensreichen Tätigkeit – eine Ovation dargebracht.
Dann folgten die Aufführungen lebender Bilder, mehrere Lustspiele, Bankett.
Das den Saal bis auf den letzten Platz füllende Publikum zeigte sich über
die gebotenen Genüsse sehr erfreut und animiert und brachte dem Veranstalter
und Regisseur des Abends, Herrn Kastellan Leopold Herz, sowie den zum Teil
noch jugendlichen Darstellern, reichen Beifall dar, der nach den lebenden
Bildern 'Gott schütze unsern Kaiser' und 'Die jüdischen Feste' in nicht
enden wollendem Hurra seinen Ausdruck fand.
Besonders erfreulich bei den Betrachtungen über die Festivität, ist die
Tatsache, dass die Teilnehmer an derselben sich aus Mitgliedern beider
Gemeinden zusammensetzte, und spricht es u. a. Für die allseitliche
Beliebtheit des Herrn Rabb. Dr. Kahn ein beredtes Zeugnis, dass in das Hoch
auf denselben auch die Mitglieder der anderen Gemeinde begeistert
einstimmten.
Allseitiger Wunsch ist es, dass Herr Herz auch fernerhin sich bereit finden
lässt, derartige Veranstaltungen zu arrangieren. Wie es sich zeigte, besitzt
er dazu ein unschätzbares Talent und da durch solche Festivitäten wohl am
besten die zum Teil noch bestehenden Gegensätze ausgeglichen werden, so
stellen sich dieselben als ein sehr verdienstvolles Werk dar.
Anmerkungen: - Chanukka: :https://de.wikipedia.org/wiki/Chanukka
- Rabbiner Dr. Kahn vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1932) |
Sijum-Feier
der Altisraelitischen Kultusgemeinde mit Rabbiner Dr. Ansbacher (1931)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 17. Dezember 1931: "Wiesbaden, 14. Dezember. Die
altisraelitische Kultusgemeinde beging am Sonntag, den 23. November nach 3 ½
jährigem täglichem Studium in schlichtem Rahmen, eine von allen Teilnehmern
als trefflich gelungen erkannte Sijumfeier über den Talmud-Traktat Bava
batra. Nach feierlichem Mah towu des Synagogenchors unter
bewährter Leitung des Herrn Berthold Kahn trug der Leiter des Schiur,
Herr Rabbiner Dr. Ansbacher, den letzten Teil vor. Anschließend war
eine vielköpfige für Torah interessierte Schar zu einem gemütlichen
Mahl geladen. Der Vorsitzende, Herr Dr. Sulzberger, begrüßte die
Anwesenden mit herzlichen Worten und gab der Hoffnung Ausdruck, dass dieses
Fest Anregung zu immer stärkerer Beteiligung am Tauroh-Studium gebe. Sodann
führte Herr Dr. Ansbacher, wie üblich, in geistreichem Hadron (Zugabe)
die Bedeutung des Lernens gerade für unserer Zeit aus, das uns wenigstens
für einige Stunden in eine andere, lichtvolle Welt versetzt.
Auch unser ehrwürdiger Rabbiner Dr. Kahn erfreute die Runde mit
kräftigen Toraworten und betonte, dass das Gedeihen einer jüdischen Gemeinde
nur auf Pflege des Lernens beruhe. Ebenso brachte Herr Teig als
jugendlicher 70er seine Freude zum Ausdruck an solch schönem Fest teilnehmen
zu können. Lehrer Spier,
Schwalbach und Sulzbacher,
Biebrich sprachen schöne Toraworte und dankten dem Raw für die
selbstlose Hingabe, mit der er in allen Kreisen und Altersstufen für
Verbreitung jüdischen Wissens sorge.
Als einer der dankbarsten Mitlernenden richtete auch Max Wreschner
einen warmen Appell an die Anwesenden, soweit es ihnen die Zeit erlaube,
doch an den regelmäßigen Schiurim Erbauung und Belehrung zu holen. Unmöglich
ist es, in diesem Rahmen die inhaltsreichen Gedanken wiederzugeben, die aus
der Fülle ihres Wissens die Herren Felix Goldschmidt, Chanachowitz,
Tiefenbrunner und Godel darboten. Auch die Jugend kam durch
Berthold Goldschmidt, Salo Mayer und Cinnowicz
eindrucksvoll zu Wort. Umrahmt war die Feier von Gesängen des Chors und
künstlerisch wirkungsvollen Vorträgen des Herrn Kantor Grünbaum,
begleitet von Isaak Nußbaum auf Mandoline. Für Humor sorgten Herr B. Teig
aus seinem poetischen Band eigener Dichtung, eine von Dr. Ansbacher
verfasste Schiurstunde schildernde Selichoh, Heinz Kahn mit einem Gedicht
'Zum Sijum' aus der Feder seines Vaters, Josef Ansbacher aus
Schadchen Jontel Flock. Man schied mit dem Gedanken, eine seltene geistige
Freude miterlebt und Anregungen zu einer zahlreichen Teilnahme an den
künftigen Schiurim empfangen zu haben."
Anmerkungen: - Sijum:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sijjum
- Schiur: -
https://de.wikipedia.org/wiki/Schi%27ur
- Rabbiner Dr. Ansbacher: vgl.
Artikel zum 25-jährigen Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Ansbacher (1931)
- Dr. Sulzberger: vgl.
Artikel zum
Tod von Rechtsanwalt D. Meier Sulzberger (1936)
- Tauroh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tora
- Talmud-Traktat vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mischnatraktate
- Lernen: Studium der Heiligen Schrift
- Raw: Rabbiner
- Rabbiner Dr. Kahn: vgl.
Artikel zu
Rabbiner Dr. Kahn 60 Jahre in Wiesbaden (1930)
- Max Wreschner:
https://moebus-flick.de/die-judenhaeuser-wiesbadens/hermannstr-17/
- Schiurim: Mehrzahl von Schiur
https://de.wikipedia.org/wiki/Schi%27ur
- Felix Goldschmidt:
https://moebus-flick.de/die-judenhaeuser-wiesbadens/hermannstr-17/
- Tiefenbrunner: Womöglich:
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1601277
- Berthold Goldschmidt: Womöglich
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de875940
- Kantor Grünbaum: Bernhard Grünbaum, Goebenstraße 4
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Wiesbaden-Westend
und
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879723
- Selichoh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Slichot
- Schadchen:
https://de.wiktionary.org/wiki/Schadchen |
Gemeindeabend der Altisraelitischen Kultusgemeinde mit
Vortrag von Rabbiner Dr. Bamberger aus Mainz (1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 7. März 1935: "Wiesbaden, 24. Februar. Die
Altisraelitische Kultusgemeinde veranstaltete einen Gemeindeabend, an dem
Rabbiner Dr. Bamberger, Mainz über 'Judische
Renaissance' sprach. Nach einigen kurzen Begrüßungsworten von Rabbiner Dr.
Ansbacher führte der Referent etwa aus: Seit der Geburtsstunde des
jüdischen Volkes ist seine Losung: 'Ich werde Euch mir zum Volke nehmen und
werde Euch zum G’tt sein und Euch in Euer Land bringen.' Einmal hat das Volk
gesiegt, als man ihm diese Aufgabe bestritt, das Volk G’ttes auf seinem
Lande zu sein, in den Tagen der Makkabäer. In das Golus hat er nur
seine Tora mitgenommen, die Sehnsucht nach seinem Lande jedoch lebte fort,
in hervorragenden Persönlichkeiten, in besonderem Ausmaß in Daniel, Esra,
Nehemia, Juda Halevi und anderen. Erst die Emanzipation und Assimilation in
Westeuropa emanzipierte die Massen von Religion und gab der Umwelt ein
falsches Bild vom Juden. Man verfiel dem Materialismus, der Genusssucht,
Sabbat und Festtage, Speise- und Zenius-, Ehe- und Reinheitsgesetze galten
für die Massen nicht mehr. Auch die Zionsliebe gewisser Kreise war nur
getragen von dem für das Volk, aber nicht für mich (G'tt) und das
Volk, nicht Mir zum Volke sein, Palästina und Iwrith war nicht
heiliges Land und heilige Sprache. Aus unserer Ruhe wurden wir
erschüttert. Man lehnt uns ab. An uns liegt es, die Umwandlung zur Neugeburt
werden zu las-sen, die Totalität der Tora für alle Zeiten anzuerkennen, Zion
nicht nur zum Lande unserer Zuflucht, sondern unserer Zukunft zu machen. Nur
unbedingtes Bekennen zur Tora kann aus der Zeit die Zeit einer wahren
Renaissance machen, der Welt wieder ein wahres Bild vom Juden zu geben, das
da ausgesprochen ist in dem Wort des Königs Nebukadnezar bei der wunderbaren
Rettung Chananjas und seiner Genossen: 'Ihr habt einen solchen G’tt und
bückt Euch vor einem Bilde?' - Der Vortrag wirkte sehr eindrucksvoll und
wurde mit allseitigem Beifall aufgenommen."
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Bamberger: Rabbiner Dr. Moses Löb Bamberger
vgl. Übersicht auf der Seite zu den
Rabbinern in Mainz
- Rabbiner Dr. Ansbacher: vgl.
Artikel zum 25-jährigen Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Ansbacher
- Makkabäer:https://de.wikipedia.org/wiki/Makkab%C3%A4er
- Golus: Exil, Land außerhalb des Heiligen Landes
https://jel.jewish-languages.org/words/198
- Daniel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel
- Esra:
https://de.wikipedia.org/wiki/Esra_(Person)
- Nehemia:https://de.wikipedia.org/wiki/Nehemia
- Juda Halevi:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jehuda_ha-Levi
- Emanzipation:
https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Emanzipation
- Sabbat:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schabbat
- Festtage:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_j%C3%BCdischer_Feste
- Speisegesetze:
https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Speisegesetze
- Ehegesetze:
https://de.chabad.org/parshah/article_cdo/aid/1926338/jewish/Erlaubte-Ehen.htm
- Reinheitsgesetze:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mikwe
- Iwrith:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ivrit
- Nebukadnezar:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nebukadnezar
- Chananja:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chananja
https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel#Dan_3:_Der_Feuerofen
- Zion:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zion |
Sijum-Feier
mit Rabbiner Dr. Ansbacher (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. März 1937: "Wiesbaden, 24. Februar. Eine
sinngemäße Feier des 7. Adar beging ein Kreis älterer und jüngerer Baale
Batim im Hotel Kronprinz durch einen Traktat Chulin, die von mehreren
Lehrern unter Leitung des Herrn Rabbiner Dr. Ansbacher ausgelernt wurde.
Nach Vortrag der letzten Mischnah hielt unser Raw einen inhaltsreichen
Hadron zum Heiligen und wies unter anderem darauf hin, dass gerade
heute da der Hauptinhalt der Masechot nicht in der Praxis ausgeführt werden
kann, desto mehr dafür Sorge zu tragen sie, dass die einschlägigen Halochaus
nicht in Vergessenheit geraten. Zur Hebung der festlichen Stimmung trugen
eine Ansprache des als Gast hier weilenden Herrn Rabb. Dr. Rosenthal, Köln,
bei. Herr Reicher sprach im Namen des Vereins Talmud Thora passende
Diwrei Tora (Worte der Tora). Ferner sprach noch launige Worte der u die
Veranstaltung besonders verdiente Lehrer Grünbaum. Herr Berthold Goldschmidt
beschloss die Reihe der Reden mit ebenfalls sehr passenden Toraworten. - Dem
Sijum schloss sich eine im Geist des Adarmonats sinngemäß angeordnete
Feststunde an. Rabb. Dr. Ansbacher begrüßte die Erschienen und führte mit
packenden Worten aus, wie es gerade heute nötig sei, durch Vertiefen in
unsere ewig junge Tauroh sich über den rauhen Alltag zu erheben. Weitere
Ansprachen hielten die Herren Lehrer Scher,
Biebrich und für die Jugendlichen Joseph Ansbacher. Musikalische
Darbietungen gaben Herr Lehrer Grünbaum und dessen Tochter, die Gäste
Schlumper aus Köln und Chordirigent Reichenberger aus
Ichenhausen sowie Regina Rottenberg.
Zum Schluss dankte Dr. Karl Kahn namens des Vorstandes den Veranstaltern,
vorab dem Herrn Rabbiner und Herrn Lehrer Grünbaum. Das schöne Fest wird uns
allen in bester Erinnerung bleiben."
Anmerkungen: - Adar:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adar_(Monat)
- Baale Batim: Familienvorsteher
Hotel Kronprinz: vgl.
Werbeanzeige von 1931
http://www.kultour-und-mehr.de/die_taunusstrabe.html
- Mischnah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mischna
- Raw: Rabbiner
- Hadron: Kurzes Gebet
https://en.wikipedia.org/wiki/Hadran_(Talmud)
- Masechot: Mischnatraktate
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mischnatraktate
- Halochaus: Halachot ? Jüdische Gesetze
https://de.wikipedia.org/wiki/Halacha
- Lehrer Grünbaum: Bernhard Grünbaum, Goebenstraße 4
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Wiesbaden-Westend
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879723
- Berthold Goldschmidt: Womöglich
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de875940
- Tauroh: Tora |
Berichte
zu den Rabbinern der orthodoxen Partei beziehungsweise später der
Altisraelitischen Kultusgemeinde in Wiesbaden
Neue
Rabbinatseinteilung sowie Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Rabbiner Dr.
Höchstädter und Rabbiner Igstädter (1843)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21.
August 1843: "Wiesbaden, im August (1843). Vor einigen
Tagen hat unsere hohe Landesregierung die Rabbinats-Bezirks-Einteilung
geordnet, und die Theologen für dieselben bestimmt. Nämlich: 1) die
jüdischen Gemeinden in den Amtsbezirken Wiesbaden,
Rüdesheim,
Eltville,
Hochheim,
Höchst,
Königstein und
Idstein sind hinsichtlich der
Konfirmation, Religions-Schul-Visitation und zur Hälfte auch der
Kopulationen dem Dr. Höchstädter übertragen, hinsichtlich der anderen
Hälfte der Kopulationen dem früheren Privatrabbiner Igstädter (=
Ickstädter); 2) Diez,
Limburg, Hadamar,
Montabaur, Wallmerod,
Selters und
Hachenburg dem Dr.
Wormser; 3) Weilburg,
Runkel, Rennerod,
Herborn und
Usingen dem Dr.
Süßkind; 4) Langenschwalbach,
Wehen, Nastätten,
St. Goarshausen,
Nassau und
Braubach dem vormaligen Landrabbinen
S. Wormser mit einem Substituten
für die jährlichen Konfirmationen und Schulvisitationen". |
Die
Gottesdienste des orthodoxen Rabbiners Ickstädter werden polizeilich verboten
(1852)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. März
1852: "Wiesbaden, 13. Februar (Frankfurter Journal).
Schon seit mehreren Jahren hat sich hier ein kleines Häuflein frommer
Juden von der Hauptgemeinde getrennt, da sie mit dem Wirken des
reformfreundlichen Rabbiners Dr. Süskind nicht zufrieden waren.
Sie sind bisher immer in einem besonderen Lokale zusammengekommen, wo
ihnen der Rabbiner Ickstädter in altjüdischer Weise den
Gottesdienst leitete. Ihre Versammlungen sind nun polizeilich verboten
worden."
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Süskind: Dr. Süßkind: vgl.
Artikel zum 70. Geburtstag von Rabbiner Dr. Samuel Süskind (1882)
- Rabbiner Ickstäder: Rabbiner Samuel Ickstädter (1806 -1863) vgl. Übersicht
zu den Rabbinern in der Seite zu den
Rabbinern in Wiesbaden |
40-jähriges
Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 23. Dezember 1909: "Wiesbaden, 20. Dez. Kommenden
Schabbat Paraschat wajechi sind 40 Jahre verflossen, seit-dem unser
allverehrter Rabbiner Herr Dr. L. Kahn als Rabbiner der altisraelitischen
Kultusgemeinde tätig ist. Im Jahre 1869 wurde er hierher berufen, um in
unserer Weltkurstadt, wo ein Dr. Abraham Geiger gewirkt, das Banner der
altüberlieferten Judentums wieder aufzupflanzen. Mit der Aufopferung seiner
ganzen Person und voller Selbstverleugnung machte er sich an das große Werk
und schuf auf steinigem Boden eine Kehillah, in der der altjüdische
Geist wieder auflebte. Um sich allen Huldigungen, die ihm seine dankbare
Gemeinde zugedacht hatte, zu entziehen, verbringt er diesen Tag in stiller
Zurückgezogenheit bei seinen Kindern in Fulda.
Möge es ihm vergönnt sein, noch viele Jahre in ungeschwächter Kraft und
voller Gesundheit zum Segen seiner Gemeinde und des Gesamtjudentums zu
wirken. G"tt vermehre seine Tage und seine Jahre".
Anmerkungen: - Parascha wajechi siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Wajechi
- Rabbiner Dr. Leo Kahn: vgl.
Artikel zum
60-jährigen Ortsjubiläum von Rabbiner Dr. Kahn von 1930)
- Dr. Abraham Geiger:
https://www.lagis-hessen.de/pnd/11933304X und
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Geiger
- Kehillah:
https://en.wikipedia.org/wiki/Kehilla" |
|
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 31. Dezember
1909: "Wiesbaden. Am 25. Dezember feierte Dr. Leo Kahn,
Rabbiner der altisraelitischen Kultusgemeinde, sein 40jähriges
Amtsjubiläum als Rabbiner dieser Gemeinde, die sich zur Zeit der
Absolvierung seiner Studien gerade von der Hauptgemeinde getrennt hatte.
Rabb. Dr. Kahn erfreut sich allgemein der Wertschätzung." |
50-jähriges
Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 29. Januar 1920: "Wiesbaden, 9. Januar (1920). Am
Schabbat Paraschat Wajechi fand das 50-jährige Amtsjubiläum des Rabbiners
der altisraelitischen Kultusgemeinde in Wiesbaden, Herrn Dr. Leo Kahn,
statt. In Rücksicht des herben Verlustes, den der Jubilar durch den vor
kurzem erfolgten Heimgang seiner Gattin erlitten, hatte der Jubilar
gebeten, von jeder festlichen Veranstaltung Abstand zu nehmen. Aber die
dankbare Gemeinde hat es sich nicht nehmen lassen, wenn auch in
geräuschloser Weise, ihren Gefühlen der Verehrung Ausdruck zu geben. Das
festlich geschmückte Gotteshaus konnte die Menge der Besucher kaum
fassen, welche ihrem Rabbiner ihre Treue und Anhänglichkeit bekunden
wollten. Leider war es dem Jubilar infolge einer Unpässlichkeit nicht vergönnt,
dem Gottesdienste beizuwohnen. Umso inniger und ergreifender waren die
Worte der Anerkennung und Verehrung, welche nach Schluss der Toravorlesung
der Vorsitzende der altisraelitischen Kultusgemeinde, Herr Dr. med. H.
Kornblum, an die Besucher des Gotteshauses richtete. In tiefer
Stimmung lauschte die Gemeinde den Worten der Festpredigt des
Schwiegersohnes des Jubilars, Herrn Rabbiner Dr. A. Loewenthal aus
Berlin, der in markanten Ausführungen die Eigenart des Jubilars, sein
Forschen, Lernen und Lehren, sein vorbildliches Wirken und seine
unvergleichliche Hilfsbereitschaft kennzeichnete. Im Rabbinerhause, das
mit reichen Gaben geschmückt war, überbrachte der Vorsitzende des
Gemeindevorstandes, Herrn Dr. Kornblum, die Wünsche der Gemeinde in
bewegten Worten. Alsdann sprach im Namen der ehemaligen Schüler, Herr
Ferdinand Baum, in eindrucksvollen Ausführungen die Glückwünsche
der Schüler und Verehrer aus, unter Überreichung eines ansehnlichen Stiftungskapitales,
dessen Zweck der Jubilar selbst bestimmen solle. Am Abend vereinigte ein
zwangloses Beisammensein die Gemeindemitglieder im Restaurant Baum zur
Feier des Tages. Möge es Herrn Rabbiner Dr. Kahn vergönnt sein, in
voller Rüstigkeit zum Heile seiner Gemeinde und des Judentums noch
ungezählte Jahre zu wirken."
Anmerkungen: Anmerkungen: - Parascha wajechi siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Wajechi
- Rabbiner Dr. Leo Kahn: vgl.
Artikel zum
60-jährigen Ortsjubiläum von Rabbiner Dr. Kahn von 1930)
- Ferdinand Baum:
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de838070 |
Ausschreibung
der Stelle eines Rabbinatsassessors (1924)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 22. Mai 1924: "Die altisraelitische Kultusgemeinde zu
Wiesbaden
sucht zur Entlastung ihres bereits 54 Jahre amtierenden Rabbiners einen
jüngeren
Rabbinatsassessor,
dessen hauptsächlichstes Tätigkeitsgebiet die Toraverbreitung in der
Gemeinde, insbesondere unter der Jugend und rituelle Aufsicht umfassen
soll. Bewerbungen von akademisch gebildeten Herren, die im Besitze der
Hatoras Hauroo und befähigt sind, auch später den Rabbinerposten zu
bekleiden, sind an Herrn Rabbiner Dr. Kahn, Gerichtsstraße 7 zu
richten.
Der Vorstand der Altisraelitischen Kultusgemeinde zu Wiesbaden: Leopold
Ackermann". |
Übergang
des Rabbinates von Rabbiner Dr. Leo Kahn zu Rabbiner Dr. Jonas Ansbacher (1925)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juli 1925: "Wiesbaden, 15. Juli. Herr
Rabbiner Dr. L. Kahn hat am 13. Tammus, wie kurz
gemeldet, das von ihm geschaffene Werk, die altorthodoxe israelitische
Kultusgemeinde, jüngeren Händen übergeben. Ein Alter im wahrsten
Sinne des Wortes hat sich damit aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen.
Hat Herr Dr. Kahn doch durchleuchtet vom Geist der Tora und im Laufe der
Jahre gefestigt durch eine große Lebenserfahrung, sein Leben vollständig dem
Judentum hingegeben.
Vor 56 Jahren wurde Dr. Kahn von Berlin, wo er sich dem Tora-Studium
gewidmet hatte, nach Wiesbaden berufen. Dort waren einige wenige
aufrechte Männer, die sich dem in jenen Tagen von Abr. Geiger eingeweihten Tempel
nicht anschließen wollten, da sie das Bedürfnis fühlten, unter Juden jüdisch
zu leben, was unter jenen Umständen unmöglich war. Mit jenen Leuten, die
heute längst nicht mehr sind, betrat Dr. Kahn damals den gefahrvollen Weg
durch Dornen und Disteln. Er hat auf den öden Boden, wo Talmudwissen längst
begraben war, wo das Tora-, das einfache Tora-(Pentateuch-)Studium in den
letzten Zügen lag, und wo die Reform bereits ihr Gift auf den siechenden
jüdischen Körper gesät hatte, um ihn in seinem kranken Dämmerzustande auf
Abwege zu bringen, neues Leben geweckt. Dorthin trat der junge Raw mutig und
tatkräftig, - und nicht nur, dass er binnen kurzem den geringen Rest vor der
Reform gerettet hatte, - nein – es mehrten sich bald die Glieder der
neugegründeten Kultusgemeinde, um am orthodoxen Judentum festzuhalten. Dr.
Kahn sollte, wie er sich in seiner tiefbewegten und ergreifenden
Abschiedspredigt ausdrückte, dem Säugling die Mutter sein ihn zum Leben zu
helfen und ihn am Leben zu erhalten. Welche Muttersorgen galt es
durchzumachen! Bald musste das Kind gegen den mächtigen 'äußeren' Feind
geschützt, bald mussten innere Zwistigkeiten verhütet werden. Es kamen für
die Gemeinde die Kinderkrankheiten, die auch die Mutter der Gemeinde aufs
Bitterste durchzukosten hatte; doch ist auch die Mutter, die sich am meisten
freut, wenn ihr Kind gedeiht. Und es ist mit Gottes Hilfe gut
herangewachsen: es vermehrte sich wie eine Pflanze. Heute steht
die Gemeinde im blühenden 'Jünglingsalter', wo sie eine 'Vaters' bedarf, der
mit weiser und strenger Hand ihre Geschichte lenkt. Mit diesen Worten ...
übergab Dr. Kahn seinem Nachfolger Dr. Ansbacher – sein Lichte leuchte
– die Gemeinde, deren Beschützer er in Zukunft sein möge und in der er
weiter Worte der Tora verkünden wird. Möge es ihm gelingen, Tora
und Gottesfurcht im selben Maße zu verbreiten, wie es sich Dr. Kahn zur
Lebensaufgabe gestellt hatte.
Anmerkungen: -
Rabbiner Dr. L. Kahn vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Kahn (1931)
Tammus: https://de.wikipedia.org/wiki/Tammus
Abr. Geiger: https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Geiger
und https://www.deutsche-biographie.de/pnd11933304X.html
Tempel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Synagoge_(Wiesbaden)
Talmud:
https://de.wikipedia.org/wiki/Talmud
Raw: Rabbiner
https://de.wikipedia.org/wiki/Rabbiner
Rabbiner Dr. Ansbacher: vgl.
Artikel zum 25. Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Ansbacher |
Rabbiner
Dr. Kahn ist 60 Jahre in Wiesbaden (1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 30. Januar 1930: "Rabb. Dr. Kahn 60 Jahre in Wiesbaden.
Wiesbaden, 25. Januar
Es steht vielleicht in der Geschichte der jüdischen Gemeinden Deutschlands
als erstes Beispiel da, dass es einem würdigen Nestor der Rabbanim
(Rabbiner) vergönnt ist, den Tag seines Amtsantritts in der gleichen
Gemeinde – nach 4 ½ jährigem wohlverdienten Ruhestand – zum 60. Male
wiederkehren zu sehen. Als junger, tatkräftiger Schüler des alten
Würzburger Raw – das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen – und Rabbiner Esriel Hildesheimer –
das Andenken an den Gerechten ist zum Segen – berief ihn damals eine
kleine Schar hierher, um für Tora und Gottesdienst in ungetrübter
Reinheit eine Pflegestätte zu schaffen, und in unermüdlicher Arbeit schuf er
alle Institutionen, die notwendig waren, den Einheimischen ein echt
jüdisches Leben zu ermöglichen, sowie den toratreuen Gästen aus aller Herren
Länder Gelegenheit zu geben, am Weltkurplatz bei strengstem Kaschrut
körperliche Erholung neben geistiger Anregung zu finden. Es ist ein ganz
besonderer sechut (Verdienst), in patriarchalischem Alter bei
ungetrübter körperlicher und geistiger Frische sein Lebenswerk in seinem
Sinne fortleben und gedeihen zu sehen.
Seine Bescheidenheit, ein ganz besonderer Zug seines Wesens, ließ die Bitte
aussprechen, dass man den Tag nur feiern dürfe, wenn man ihn gleichzeitig
als das Jubiläum der Kehillah, die ja mit seinem Amtsantritt eigentlich
begründet wurde, begehe. Und so hatte sich die Gemeinde fast vollzählig und
mit ihr eine große Zahl anderer Verehrer und Freunde in der Synagoge zu
einer schlichten Feier versammelt. Es war eine weihevolle Stimmung, als nach
dem Vortrag des Gerechten ... durch den Chor Herr Rabbiner Dr. Ansbacher
die Kanzel betrat, anknüpfend an die vom Jubilar dem ehrwürdigen Raw Dank
und Anerkennung zollte, im Namen der Gemeinde, viele Hunderte von Schülern,
für die niemals ruhende Energie, mit der es ihm gelungen ist, ..., der jungen Schar von damals segensreiche Entfaltung unter dem
Beistand Haschems zu verschaffen. wajikra bahem und stets Männer
und Frauen heranzuziehen, die dem Namen unserer großen Väter und Mütter Ehre
machten.
Anlehnend an die dem Gefeierten von je eigene Sympathie für Gimatria
dankte der Redner der gütigen Vorsehung ...(60) bis hierher, die der Kehilla 6 Jahrzehnte hindurch durch manche Kämpfe beigestanden und
ihr in ihrem Raw – sein Licht leuchte – stets den berufenen Führer
geschenkt. ... 60 Jahre so wirken und im Ruhestand noch Vorbild zu sein,
kann der nur der Segen eines Mannes sein, der vom Scheitel bis zur Sohle
Gewer, ein Mann von Energie ist, getragen von G'ttesfurcht, wie es der Jubilar ist, dem Haschem uns noch
viele Jahre in seiner Jugendfrische erhalten möge.
Nach der Tefilloh versammelte sich die Gemeinde nochmals ungezwungen im
Hause des Rabbiners Dr. Kahn – sein Licht leuchte – um ihre Glückwünsche zu
überbringen und für jeden hatte der jugendliche Greis ein gemüts- und
humorvolles Wort der Begrüßung. Auch hier war es seinem Nachfolger, Dr.
Ansbacher, Bedürfnis, mit herzlichen Worten auszuführen, wie das Haus des
Gefeierten und sein Familienleben vorbildlich war für seine Gemeinde und
manche Anregung gab, und für alle Zeiten müsse es der Kehillo ein ewiger
Markstein sein, wie ihr erster Führer alle Tage krönten sie das Heilige
für G"tt 60 Jahre lang – seine Tage sein Amt als Krone heilige Krone tragend,
nur das Bestreben hatte, dem Heiligen und Haschem zu dienen. Als
sinniges Geschenk überreichte er einen von Herrn Lehrer Grünbaum verfasste
und in klassischem Hebräisch geschriebene Widmung mit Akrostichon des
Heiligen Namens des Jubilars. Sichtlich gerührt dankte der Gefeierte mit
wenigen, war aber von tiefstem Herzen kommenden Worten und wünscht seinem
Nachfolger, dass auch er einst nach 60jährigem Wirken in seinem Sinne die
gebührende Würdigung aus so beredtem Munde finden möge.
Zum dritten Male fand man sich im Hotel Ritter zu einem einfachen Festessen
ein, wo sich der größte Teil der Gemeinde, auch Schüler und Verehrer von
auswärts eingefunden hatten, um einige gemütliche Stunden mit dem Jubilar zu
verbringen, in deren Verlauf es natürlich viele drängte, ihm einige Worte
des Dankes und der Verehrung zu widmen. Zunächst begrüßte anstelle des
leider durch Unpässlichkeit verhinderten Vorsitzenden Dr. M. Sulzberger,
dessen Stellvertreter, Herr Felix Goldschmidt, die Anwesenden gedenkt
mit ehrenden Worten des großen Werkes, das der ehrwürdige Raw mit einigen
taurobegeisterten Männern aus kleinen Anfängen geschaffen und wünscht, dass
es dem Gründer der Kehilla vergönnt sein möge, noch recht oft diesen Tag mit
ihr, zu begehen. Herr Berthold Kahn überreichte eine von Schülern und
Freunden gesammelte Spende – bis jetzt in Höhe von über 1.200 Mark – die als
Dr. Kahn-Fonds zu seiner Verfügung gestellt wurde und für Wohlfahrtszwecke
und Förderung des Taurohstudiums verwendet werden soll. Die Sammlung wird
noch fortgesetzt; es sind Beiträge von Freunden jeder Zeit sehr willkommen
und sie stellen den sinnigsten Ausdruck für Verehrung für den Jubilar dar.
Sodann widmet Herr Rabbiner Dr. Ansbacher humorvolle, in feierlichem
Ernst ausklingende Worte dem Doppeljubiläum schließend mit dem altjüdischen
leChajim (aufs Leben), das ja auch eine Doppelform darstellt. Ergreifend
war es, wie drei Generationen von Schülern dem greisen Lehrer dankten. Herr
Adolf Ackermann als der älteste anwesende Schüler mit launigen Worten der
ersten Schuljahre ge- |
dachte,
Herr Ferdinand Baum im Namen vieler Schüler und Schülerinnen die
Verehrung zum Ausdruck brachte, die sie heute noch mit dem geliebten Lehrer
verbinde, und als einer der Jüngsten, Herr Berthold Goldschmidt an
Hand geistreicher Ausführungen aus dem noch vom Raw – sein Licht leuchte
– geleiteter Schiur über Bo mazia dem Lehrer dankte, und der
Hoffnung Ausdruck verlieh, noch lange seinen Worten lauschen zu können. Herr
Robert Strauß aus Frankfurt
und Max Wreschner betonten besonders das innige Verhältnis das
Schüler und Gemeinde mit dem Raw stets verband, Herr Neustadt an ein
vom Jubilar vor vielen Jahren gehörtes Gleichnis anlehnend, führt treffend
aus, wie das damals nach Wiesbaden verpflanzte Reis sich zu einem mächtigen,
reiche Früchte spendenden Baum entfaltete, Herr Drachmann weist
darauf hin, wie derselbe nach dem Grundsatz des ... stets das für hiesige
Verhältnisse Angebrachte gefunden, und zum Schluss wieder eine humorvolle
Note anschlagend, entrollt Herr Fritz Levy Bilder aus der Schule, in
der selbst nach dem vom Raw stets vertretenen Grundsatz 'wer seinen Sohn
lieb hat, züchtigt ihn', anscheinend zu den Lieblingsschülern gezählt habe.
Auch der Jubilar ließ es sich nicht nehmen, mit von Herzen kommenden und zu
Herzen gehenden Worten allen Rednern zu danken und mit dem stets als Losung
ausgegebenen (hebräisch und deutsch): 'Haltet zusammen und höret',
die Gemeinde aufzufordern stets in den vorgezeichneten Bahnen unter seinem
im gleichen Sinne weiterwirkenden Nachfolger weiterzuwandeln. Den Reigen der
Redner beschloss der frühere langjährige Vorsitzende, Herr Sanitätsrat
Dr. Kornblum, der plastisch zeichnet, wie die Kehillo mit Rabbiner Dr.
Kahn fast zwei untrennbare Begriffe darstellte, und die Worte des Vorredners
noch dahin interpretierte, dass sich 'hört' in gleicher Weise auch
auf den seit 4 ½ Jahren das Werk des Gründers fortsetzenden Nachfolger,
Herrn Rabbiner Dr. Ansbacher stets zu übertragen. Allen Teilnehmern wird der
Eindruck der Feier unvergesslich bleiben und alle vereint der Wunsch, den
Jubilar noch bis 100 in ihrer Mitte in dieser Frische zu sehen.
Anmerkungen: - Würzburger Raw:
https://de.wikipedia.org/wiki/Seligmann_Bär_Bamberger
- Rabbiner Esriel Hildesheimer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Esriel_Hildesheimer
- Kaschrut:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Speisegesetze
- Kehillah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kehillah
- Rabbiner Dr. Ansbacher: vgl.
Artikel von 1931 zum 25-jährigen Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Ansbacher
- Haschem:
https://de.wikipedia.org/wiki/HaSchem
- Raw: Rabbiner
https://de.wikipedia.org/wiki/Rabbiner
- Tefilloh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Achtzehnbittengebet
- Akrostichon:
https://de.wikipedia.org/wiki/Akrostichon
- Dr. Sulzberger: vgl.
Artikel zum
Tod von Rechtsanwalt Der Meier Sulzberger von 1936
- Felix Goldschmidt:
https://moebus-flick.de/die-judenhaeuser-wiesbadens/hermannstr-17/
- Tauroh: Tora
- Berthold Goldschmidt: Womöglich
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de875940
- Adolf Ackermann:
https://gw.geneanet.org/pfdm?lang=en&pz=israel&nz=fleischmann&ocz=1&p=aharon+adolf&n=ackermann
- Max Wreschner:
https://moebus-flick.de/die-judenhaeuser-wiesbadens/hermannstr-17/ . |
25-jähriges Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Ansbacher
(1931)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September
1931: "Wiesbaden, 30. Aug. Unser Raw, Herr Rabbiner Dr. Ansbacher,
beging am vergangenen Schabbat ki tawo sein 25jähriges
Amtsjubiläum, nachdem er die ersten fünf Jahre seiner Tätigkeit in Labischin
(Prov. Posen) die Wacht der Orthodoxie an der ostjüdischen Grenze gehalten,
15 Jahre in Heilbronn und
Stuttgart als erster
Rabbiner der Religionsgesellschaften, sowie als Vorstand des gesetzestreuen
Landesverbandes sich um die Befestigung dieser Gemeinden als Bollwerke der
Orthodoxie in Württemberg verdient gemacht, und seit sechs Jahren hier
besonders den Ausbau des Kaschrus in vorbildlicher Weise für Hiesige und
Kurgäste sich hat angelegen sein lassen. Durch sein auf deutschen und
ungarischen Jeschiwaus
erworbenes talmudisches Wissen, sowie seine rhetorische Begabung hat er auch
außerhalb seiner Gemeinden sich stets betätigt, insbesondere in Agudas
Jisroel und Freier Vereinigung, wie er auch dem Ausschuss des Orthodoxen
Rabbinischen Verbandes und der Frankfurter
Jeschiwa angehört. Eine schlichte Feier in der Synagoge hat dem Jubilar die
freudige Teilnahme seiner Kehillo zum Ausdruck gebracht und wünschen wir ihm
noch viele Jahre in ungetrübter Frische zum Segen des Klal wirken zu können.
(Alles Gute) bis 100 Jahre."
Anmerkungen: - Raw: Rabbiner
https://de.wikipedia.org/wiki/Rabbiner
- Schabbat ki tawo
https://de.wikipedia.org/wiki/Ki_Tawo
- Labischin: https://de.wikipedia.org/wiki/%C5%81abiszyn
- Kaschrus: https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Speisegesetze
- Jeschiwaus: Plural von Jeschiwa
https://de.wikipedia.org/wiki/Jeschiwa
- Talmud: https://de.wikipedia.org/wiki/Talmud
- Agudas Jisroel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Agudath_Israel_Weltorganisation
- Jeschiwa: http://www.judengasse.de/dhtml/T030.htm
- Kehillo:https://de.wikipedia.org/wiki/Kehillah
- Klal:
https://jel.jewish-languages.org/words/2288 |
Zum 90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1932)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Oktober
1932: "Zum 90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn - sein Licht
leuchte
Wiesbaden, 4. Oktober. Zum 90. Geburtstag von Dr. Kahn erhalten wir von
Herrn Rabbiner Dr. Ansbacher folgende Würdigung:
Zwar hat sich dieser Jubilar alle öffentlichen Ehrungen in seiner
Bescheidenheit, und in Anbetracht der ernsten Zeit verbeten, aber in einem
Organ der deutschen Orthodoxie darf wohl dieses seltene Ereignis nicht still
übergangen werden. Wir wollen und können hier nicht auf die mannigfachen
Kämpfe zurückgreifen, die der junge Wiesbadener Raw vor 63 Jahren gegen die
heißspornigen Reformer zu kämpfen hatte, Interessenten kennen es vielleicht
aus dem vor längerer Zeit von ihm veröffentlichten Büchlein über die
'Geschichte der altisraelitischen Kultusgemeinde'. Pflicht ist es aber, die
Gnade von h i an diesem Tage wieder von Neuem anzuerkennen dass er dem
kühnen Streiter die Kraft gab, über ein halbes Jahrhundert über den
Institutionen einer taurotreuen Kehilloh zu wachen, bis er sie vor 7 Jahren
seinem Nachfolger zur Weiterführung im gleichen Sinne übergab. Wie es damals
in den neologen Kreisen um das jüdische Leben bestellt war, möge man daraus
ersehen, dass im neuerrichteten Tempel, wo Orgel und Damenchor die
Attraktion bilden sollte, am Freitagabend kaum sich ein Minjan fand, hätte
man nicht noch eine nichtjüdische Sängerin aus dem Staatstheater zur
'Verschönerung des G’ttedienstes' engagieren. Man war zwar so entrüstet über
die 'Verwegenheit' der paar Abgesplitterten, dass der 'liberale' Seelsorger
den Hildesheimer-Schüler bei der Behörde denunzierte, weil er chai adam
und angeblich paraschat acharei mot ukedoschim unterrichte.
Dass der Seelsorger, der ja nur für Seele und nicht für Körper zu sorgen
hatte, die Einrichtung einer solchen koscheren schechitah,
Koschermetzgereien und was für einen Weltkurplatz doch besonders wichtig
war, zeitgemäße Restaurants dem orthodoxen Rabbiner überließ, ist ja fast
selbstverständlich. Durch eine schöne Synagoge mit immer mehr sich
ausbauendem Religionsunterricht brach sich die Altisraelitische
Kultusgemeinde unter ihrem Raw immer mehr Bahn und wenn heute auch in den
anderen Kreisen der Zug nach rechts immer stärker wird, so ist es nicht
zuletzt das Verdienst des kleinen, orthodoxen Häufleins, das überall seine
begeisterten Vertreter fand und hier in Wiesbaden das Glück hatte, 50 Jahre
von einem Mann geführt zu werden und ihn heute das 9. Jahrzehnt in geistiger
und körperlicher Frische abschließen zu sehen. Ausdrücklich hatte er sich
auch die Erwähnung dieses Ereignisses in der ... -Deroschah verbeten, nur
behielt er sich vor verbeten, nur behält er sich vor, wie seit Jahren an
seinem Geburtstag ... Selichaus zu sagen. Und mit
jugendlicher Kraft stellte er sich pünktlich vor Tagesanbruch ein an dem ... zu, dem sich sein Auge und Herz in väterlicher Huld 63 Jahre
gerichtet und schmetterte sein ... hinaus,
rief seinem andächtigen Kahal wie bei Beginn seiner Tätigkeit noch sein ... quillenden Tat und der aus echtem Arwusgeist sprudelnden Liebe
und Freundlichkeit über ein Menschenalter hindurch geleistet. Gleichzeitig
fügen wir den flehentlichen Wunsch an, ... möge ihm die Sechijoh geben, noch
viele Jahre so rüstig in unserer Mitte zu weilen. Wenn wir statt einer Feier
am Schabbat ... den Vers lasen ..., steht sein Bild vor unseren Augen, der stets mit Adlerflügeln über
seiner Kehilloh wachte, ja noch mehr, sie auch weckte, ... und vorbildlich
den ihm anvertrauten Jungen und Alten voranschritt, ...und die Gemeinde mit
den Schwingen seiner Kraft immer höher hob. Wie aber konnte ihm dies nur
gelingen? ... Weil er sich nur von seiner höchsten Jiroh
und Ahawas hatauroh geführt fühlte. Und wenn es der Jubilar schon seit
Jahren gewohnt ist, an seinen Ehrentagen in althergebrachter Weise durch
eine ... der zu feiernden Jahre erfreut zu werden, so möge es ihm ... das Psalmwort sagen:
.... Möge Hascham mit seiner unendlichen Kraft ihn weiter – ... – über sein 90.
Lebensjahr hinaus beschützen und stärken, dass er an dem Gedeihen seiner
Gemeinde in seinem Sinne sich stets erfreuen und verjüngen möge. (Alles
Gute) bis 120 Jahre!" .
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Ansbacher: vgl.
Artikel zu seinem 25-jährigen Amtsjubiläum (1931)
Organ der deutschen Orthodoxie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Israelit
Taurotreu: Toratreu, gesetzestreuen
Kehilloh: https://de.wikipedia.org/wiki/Kehillah
Neolog: (hier) reformierte jüdische Gemeinde
..im neuerrichteten Tempel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Synagoge_(Wiesbaden)
Orgel: Orgeln in Synagogen werden von gesetzestreuen Juden (Orthodoxe)
strikt abgelehnt https://www.deutschlandfunk.de/liberales-judentum-200-jahre-reform-100.html
Damenchor: Gleiches gilt für singende Frauen
Minjan: https://de.wikipedia.org/wiki/Minjan
Staatstheater:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hessisches_Staatstheater_Wiesbaden
Hildesheimer: https://de.wikipedia.org/wiki/Esriel_Hildesheimer
...bei der Behörde denunzierte: vgl.
Artikel über verschärfte Bestimmungen... (1890)
Schechitah: Rituelles Schächten durch einen Schochet (Schächter), der vom
Rabbiner bestimmt wird
Koscher: https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Speisegesetze
Deroschah:
Selichaus: https://de.wikipedia.org/wiki/Slichot
Kahal: Gemeinde
Rabbaim: Rabbiner
Arwus:
Sejichoh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Slichot
Jiroh: G"ottesfurcht
Ahawas hatauroh: Liebe zur Tora
Hascham:
https://de.wikipedia.org/wiki/HaSchem |
93.
Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Oktober 1935: "Ein Altersjubilar.
Wiesbaden, 10. Oktober
Herr Rabbiner Dr. Leo Kahn wurde am Zaum Gedalja 93 Jahre alt. Das Bild, das
eine Aufnahme aus jüngsten Tagen ist, zeigt uns den g’ttgesegneten Rabbi, an
dem sich das ... wörtlich
erfüllt hat. Wir entsprechen seinem Wunsche, indem wir von einer Würdigung
des Mannes, der auf ein Menschenalter gesetzestreuen Wirkens zurückblicken
kann und wünschen ihm ein weiteres, ungetrübtes Alter bei bisheriger Frische
des Geistes und des Körpers.
(Alles Gute) bis 120 Jahre."
Anmerkungen: vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1932)
-
Zaum Gedalja:https://www.bafid.fau.de/files/2021/12/ik_zomgedalja_ne_blatt.pdf
|
Zum
Tod von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1936)
Zur Familie von Rabbiner Dr. Leo Kahn siehe
https://www.geni.com/people/Leo-Lippmann-Kahn/6000000030123676952
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 29, Oktober 1936: "Rabbiner Dr. Leo Kahn – das Andenken
an den Gerechten ist zum Segen
Rabbiner Dr. Leo Kahn in Wiesbaden, der Senior der deutschen Rabbiner
und eine Zierde des orthodoxen Rabbinerstandes in Deutschland, ist in der
Nacht zu Donnerstag im Alter von 95 Jahren abberufen worden. Die
Kunde vom Heimgang dieses allverehrten und allbeliebten greisen Rabbi wird
weit über Wiesbaden in der jüdischen Gemeinschaft Trauer und Schmerz
auslösen. Eine eingehende Würdigung folgt in nächster Nummer." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 29. Oktober 1936: "Unser geliebter Vater, Großvater und
Urgroßvater
Herr Rabbiner Dr. LEO KAHN – das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen -
bis zu seinem Lebensende in körperlicher und geistiger Frische, entschlief
heute im 95. Lebensjahr.
Die Lewajo (Beisetzung) findet am Freitagmorgen 9 ½ Uhr nach einer kurzen
Trauerfeier von der Synagoge Friedrichstraße 33 aus statt.
Wiesbaden, den 28. Oktober 1936.
Frau Rabbiner Löwenthal und Familie, Berlin
Frau Louis Wyler, Zürich
Familie Meier Nußbaum, Mailand" |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. November
1936: "Rabbiner Dr. Leo Kahn – das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen – in Wiesbaden.
Ein Weiser und Gerechte im ureigentlichen Sinne war unser nach
66jährigem segensreichen Wirken, als ältester Raw vielleicht der ganzen
Golah im 95. Lebensjahre heimberufene Rabbiner Dr. Kahn. 'Die ihn
lieben, sind wie der Aufgang der Sonne (Richter 5,31). Wie die Sonne beim
Aufleuchten ihr Licht
ausstrahlt, am Mittag die meiste Wärme spendet und vor dem Untergang erst
recht mit ihren goldenen Strahlen sich als sein Diener (schamasch),
ein Dienen Gottes zeigt, so hat dieser weise Gelehrte am Morgen seines Lebens seine ganze
Kraft seiner Kehilloh gespendet, am Mittag seiner Laufbahn dem Klall
gedient und auch noch zu dem durch G’ttes Gnade lange ausgedehnten Abend
Licht und Wärme für Isroel ausgestrahlt.
Im Jahre 1870, als ein Schüler des alten Würzburger Raw - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen – und R. Asriel Hildesheimer – das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen – von einer kleinen Schar nach Wiesbaden berufen,
pflanzte er die Fahne der Taurohtreue mit dem Ruf wer für G'tt ist, komme
zu mir auf und
legte, mit Hilfe von Rabbiner Dr. Markus Lehmann – das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen – in Mainz
den Grund zu einer echten Adas Jeschurun. Es dürfte auch in unserer Zeit
nicht unangebracht sein, daran zu erinnern, dass der Fanatismus der Reform
damals an die Tauroh Erinnernde auf dem Prokrustesbett der Gleichmacherei zu
vernichten suchte. Als ein kleiner Ausschnitt sei nur erwähnt, dass der
damalige Bezirksrabbiner ihm zu verbieten versuchte, Chaje Odom mit Schülern
zu lernen, ihn bei der Behörde anzeigte, dass er die Parschiaus aharei
ukedoschim in der Schule lernte (trotzdem er die Ungunst des Klägers
erregenden Kapitel überschlagen hatte). Aber der 'wackere Kahn' steuerte
sicher durch die Fluten und fand bei den Behörden stets Verständnis für sein
bewusstes und von aufrichtiger Jiroh (G'ttesfurcht) getragenes Streben.
Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, dass er für eine einwandfreie
Schechitoh und Mikwoh sorgte, einen Jugend-Unterricht einführte, in dem viel
Tauroh gelernt werden sollte.
Durch das Austrittsgesetz von 1876 erlangte er die Umbildung der Vereinigung
zur unabhängigen Altisraelitischen Kultusgemeinde, und als es ihm noch
gelang, ein Bes aulam (Friedhof) bewilligt zu bekommen, hatte die Kehilloh alle
Institutionen einer taurohtreuen Gemeinde.
Zugute kam ihm auch der Weltkurort Wiesbaden, an dem sich jahrzehntelang die
großen Mäzenen Russlands und Polens trafen und großzügig für alle
Institutionen Herz und Hand öffneten. Andererseits war es stets den Fremden
ein geistiger Genuss hier nicht nur an den warmen Quellen sich einen Arzt
für den Körper zu holen, sondern auch an den vom Feuer der Erkenntnis
erwärmten Brunnen lebendigen Wassers, an den Predigten und Schiurim Dr. Kahns sich zu erbauen.
Und wie beispielgebend war die Einsetzung seiner Kraft für das Gebet (Tefilloh). Es
war etwas ganz Erhebendes, wie unser allverehrter alter Raw sel.
Andenkens, morgens und abends fast bis zu den letzten Monaten seines Lebens pünktlich
zur Tefilloh sich einstellte, was er neben seinen bis zuletzt im Hause
eingehaltenen Schiurim als die wertvollste Ausfüllung seines Lebensabends
erblickte, getreu dem Satze nachdem ich gefragt hatte, kehrte ich in das
Haus der Herrn, zurück. Man
glaubte die Wirkung der Neschohmo jeseroh an ihm sichtbar wahrzunehmen, wenn
der rüstige Greis am Wochentage seit Jahren mit zwei Stöcken seinen Weg
schreitend, am Schabbat und am Feiertag sicher und aufrecht einherschritt. Die Mannigfaltigkeit der Ausdrucksweise für Teffiloh, bei
Awrohom, dem Schöpfer des Sacharsi, zemirah (?), bei Jizchok, dem Vater des
Minchoh, sch i ch h, bei Jaakauw, dem Beter des Arwis, p/f g i z h, sie hat
sich bei unserem Raw, auf den wir wirklich stolz sein durften, bewährt. Im
Morgen seines Schaffens zemirah (?) ihm Kraft spendend zum Aufrechtstehen,
am Mittag sch i t h , der Gegenstand seines Sprechens und Denkens, und als
am Abend, er auch schon p/f g i z ch, allmählich das Begegnen mit dem
Vorboten des Scheidens ahnte, fühlte er ums so mehr, dass unsere Tefiloh (?)
ein Begegnen mit den m l a k/ch i r t mim sein soll, die sie in Empfang
nehmen.
Besonders charakteristisch war seine Menschenfreundlichkeit und
gesellschaftliche Liebenswürdigkeit, die aus einem gütigen Herzen und
weltklugen Sinn quoll. Ein goldener Humor, ein freundliches Lächeln für
jeden, der ihm nähertrat und nach dem Worte Elias’: ... (Taanith 22a) der aus der Masse heraus..." |
den als Sohn der künftigen Welt erkannte, der es sich zur
Lebensaufgabe stellte, Menschen aufzuheitern, ist der Verschiedene
gewiss berufen, im Garten Eden für seine Gemeinde und Kol Jisroel
Fürsprech zu sein.
Fast ein halbes Jahrhundert hat er mit seiner gleichgesinnten Gattin -
sie ruhe in Frieden, an deren Jahrzeitstag ihn ein ernstes Unwohlsein
überfiel, das ihn leider nach wenigen Tagen uns entriss, ein vorbildliches
Heim geführt und seine Kinde, Enkel und bereits Urenkel in seinem Sinne
heranwachsen sehen. Leider war ihm nicht vergönnt, einen erwachsenen Sohn zu
hinterlassen. Doch 'wer Gelehrte ehrt, der wird für seine
Töchter Gelehrte finden. So durfte er auch auf zwei Schwiegersöhne
als Gelehrte stolz sein, Rabbiner Dr. Löwenthal seligen Andenkens
und Rabbiner Dr. Selig Bamberger seligen Andenkens, Hamburg, den Sohn
des Sennheimer Raw seligen Andenkens, Enkel seiner großen Rebben, dem
Würzburger Gaon seligen Andenkens.
Es war ein besonderes Gnadengeschenk G'ttes, dass dieser kraftvolle, bei
aller Güte und Milde auch zur Strenge fähige Kämpfer uns, seiner Kehillo,
seiner Familie, seinen Schülern, so lange erhalten blieb, bis er in einer
unerwartet raschen Zeit von drei Tagen sanft und friedlich
In alle Welt zerstreut sind wohl heute seine Schüler, seine Verehrer, alle,
die sich an seinen Worten jemals kräftigten. In allen Teilen des Reiches,
unter der heißen Sonne des Südens, wo er so gerne Erholung und neue
Schaffenskraft suchte, wo heute auch eine seiner Töchter mit ihrer Familie
ein echt jüdisches Haus in seinem Geiste - in Mailand - aufschlug, in den
jüdischen Zentren am Njemen und der Düna, wo sein Name noch von vergangenen
Zeiten her klingt, auf dem heiligen Boden unserer Väter, wo auch bereits
Enkel und Urenkel versprechen, sein Erbe fortzuerhalten; alle wollen wir
dieses Gedenken an sein segensreiches Leben zum Ansporn nehmen, in seinem
Geist zu leben und auf unsere Umgebung einzuwirken. Sein Verdienst komme
uns zugute. A.
Dazu noch Bericht von der Trauerfeier und der Beisetzung... |
|
Anzeigen
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1936: "Am 12. Cheschwan verschied im 95. Lebensjahr unser allverehrter
Herr Rabbiner Dr. Leo Kahn – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen
Im Jahre 1870 von einer kleinen Schar Thaurotreuer hierher berufen, schuf er
mit eiserner Energie und selbstloser Hingebung eine Gemeinde, die in voller
Unabhängigkeit die Fahne der Orthodoxie bis heute hochhält.
In 56jähriger Tätigkeit sorgte er für ein stattliches Bet haKnesset ( Synagoge) sowie für alle zu einer gesetzestreuen Kehilloh
gehörigen Institutionen. Sein zielsicheres Eintreten für alle Belange der
Tora und Mizwot, sein belehrendes und mahnendes Wort, sein
unermüdliches Streben, Tora zu verbreiten, verbunden mit liebevoller
Menschenfreundlichkeit haben die Entwicklung und das Ansehen unserer
Gemeinde von Jahr zu Jahr gefördert.
Der Heimgegangene war auch eine markante Persönlichkeit innerhalb der
gesamten Orthodoxie Deutschlands, was auch durch Beileidskundgebungen und
persönliche Teilnahme an seiner kevura (Beisetzung) zum Ausdruck kam,
insbesondere von den Religionsgesellschaften
Frankfurt,
Mainz,
Karlsruhe, Köln,
Darmstadt, dem Orthodoxen Rabbinat der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, den
Synagogengemeinden Fulda
und Hanau.
Es ist uns ein Herzensbedürfnis, dem Gerechten und Talmudgelehrten auch an dieser Stelle innigsten Dank für seine unvergessliche Tätigkeit
auszusprechen und ihm Treue zu geloben, zu den Grundsätzen, unter denen er
unsere Gemeinde geschaffen. Sein Andenken wird in dem von ihm geschaffenen
Werk stets fortleben.
Altisraelitische Kultusgemeinde, Wiesbaden
Rabb. Dr. J. Ansbacher Der Vorsitzende:
Joseph Altmann
Statt Karten -
Danksagung
Den vielen Freunden und Verehrern, die beim Heimgang unseres teuren,
unvergesslichen
Herrn Rabb. Dr. Leo Kahn – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -
ihm aus Nah und Fern die letzte Ehre erwiesen, seiner in Wort und Schrift
wunderbar gedachten und ihre Anteilnahme so überaus herzlich bezeugten,
danken wir tiefgerührt.
Frau Jenny Löwenthal und Kinder
Wiesbaden, Berlin
Rosa u. Louis Wyler-Kahn und Kinder
Zürich
Clara u. Meier Nussbaum
Mailand
Enkel und Urenkel." |
Berichte zur Geschichte der Lehrer und der weiteren Kultusbeamten der
orthodoxen Religionsgesellschaft / ab 1879 Altisraelitischen Kultusgemeinde
Ausschreibungen der Stelle des Kantors und Religionslehrers (1875)
Anzeige von Lehrer und Kantor N. Jaffa (1891)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juni 1891: "Suche sofort einen streng religiösen
Gehilfen. Derselbe muss mit kräftiger
Stimme versehen und im Besitze von Kabalot (Zertifikaten)
orthodoxer Rabbinen sein.
N. Jaffa
Lehrer und Kantor in Wiesbaden." |
Ausschreibung
der Stelle eines Kultusbeamten (1911)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Dezember 1911: "Altisraelitische Kultus-Gemeinde Wiesbaden
Wir suchen zum baldigen Eintritt einen
- Kultusbeamten -
mit vorzüglichen Zeugnissen und Kabalot (Zertifikaten) von orthodoxen
Rabbinern. Bewerber mit seminaristischer Bildung und guten Stimmmitteln
werden bevorzugt. Offerten mit Zeugnisabschriften sind bei Herrn Rabbiner
Dr. Kahn einzureichen. Der Vorstand."
Anmerkung: -
Rabbiner Dr. Kahn: vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1932) |
Einführung von Josef Sulzbacher als Kultusbeamter in der Altisraelitischen
Kultusgemeinde (1913)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
10. Oktober 1913: "Wiesbaden. Die Entwicklung der
orthodoxen altisraelitischen Kultusgemeinde hat es nötig gemacht, einen
weiteren Beamten für den Dienst in Synagoge, Schule und Schlachthaus
anzustellen. Die Gemeindeverwaltung hat daher seit längerer Zeit nach
einer geeigneten Kraft gesucht, bis es ihr jetzt gelungen ist, in der
Person des Herrn Josef Sulzbacher, bisher Kultusbeamter bei der
Religionsgesellschaft in Stuttgart, einen Mann zu finden, der die
Qualitäten hat, den auf ihn gesetzten Erwartungen zu
entsprechen.
Am Vorabend des Roschhaschonohfestes vor Beginn des Maarivgottesdienstes
wurde Herr Sulzbacher feierlich in sein neues Amt eingeführt., Namens des
Gemeindevorstands hieß ihn Dr. Lipmann herzlich willkommen. Herr
Sulzbacher dankte für den freundlichen Empfang und versprach, seine ganze
Kraft in den Dienst der Gemeinde stellen zu wollen."
Anmerkungen: - Roschhaschonoh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rosch_ha-Schana
- Maariv:
https://de.wikipedia.org/wiki/Maariw_(Judentum) |
Ausschreibungen der Stelle des Kantors, Schochet und Lehrers (1922 / 1923 /
1929)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 9. Februar 1922: "Zum 1. April diesen Jahres, eventuell früher, ist in unserer Gemeinde die
Stelle eines
Schochet, Chasan und Lehrer
neu zu besetzen. Grundgehalt 15.000 Mark, Teuerungszulage 9.000 Mk. und
erhebliche Nebeneinnahmen. Die Stelle ist pensionsberechtigt. Strengreligiöse
Bewerber wollen sich unter Einreichung eines Lebenslaufes nebst Zeugnissen
und kabalot an Herrn Rabbiner Dr. L. Kahn, Wiesbaden, Gerichtstraße 7 melden.
Der Vorstand der Altisraelitischen Kultusgemeinde Wiesbaden,
Leopold Ackermann." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 16. März 1922: "Infolge der neu eingetretenen Teuerung ist das Gehalt der in unserer
Gemeinde neu zu besetzenden pensionsberechtigten Stelle eines
Schochets, Chasans und Lehrers
einschließlich Teuerungszulage auf Mk. 30.000,- per annum festgesetzt
worden, außer den mit dem Amte verbundenen erheblichen Nebeneinnahmen.
Erstklassige stimmbegabte Bewerber, die auf dem Boden des streng
gesetzestreuen Judentums stehen und über kabalot von anerkannten orthodoxen
Rabbinen verfügen, wollen diese nebst Abschrift ihrer Zeugnisse an Herrn
Rabbiner Dr. L. Kahn, Wiesbaden, Gerichtstraße 7 einreichen.
Der Vorstand der Altisraelitischen Kultusgemeinde Wiesbaden
Leopold Ackermann, Vorsitzender." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. August 1923: "Zum 1. Oktober des Jahres, eventuell früher, ist in unserer Gemeinde die
Stelle eines
Schochets, Chasans und Lehrers
neu zu besetzen. Gehalt Klasse 7 und erhebliche Nebeneinkünfte. Die Stelle
ist pensionsberechtigt. Streng religiöse Bewerber wollen sich unter
Einreichung eines Lebenslaufes nebst Zeugnis und kabalot an den Vorsitzenden
Herrn Leopold Ackermann, Wiesbaden, Luisenstraße 47, wenden.
Der Vorstand der Altisraelitischen Kultusgemeinde Wiesbaden". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Januar 1929: "Altisraelitische Kultusgemeinde
Wiesbaden
Infolge Berufung unseres Beamten nach
Ffm. ist bei uns die Stelle eines
Cantors, Religionslehrers und Hilfschochet
neu zu besetzen. Gehaltsklasse 8 und Nebeneinnahmen. Geeignete Bewerber, im
Besitze von Kabolaus streng orthodoxer Rabbonim, wollen ihre Bewerbung mit
Zeugnisabschrift an Rabb. Dr. Ansbacher einsenden.
Der Vorstand." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni
1929: "Altisraelitische Kultusgemeinde Wiesbaden
Infolge Berufung unseres Beamten nach
Ffm suchen wir einen
Religionslehrer, Kantor und Hilfsschauchet
seminaristisch und pädagogisch gebildeten Herren mit guter Stimme und
angenehmem Chasonus, im Besitze von Kabolaus orthodoxer Rabbiner, nicht über
40 Jahre, wollen ihre Bewerbung und Zeugnisabschriften und Referenzen an den
Unterzeichneten einsenden. Gehaltsklasse 4 a mit Nebeneinkünften.
Rabbiner Dr. Ansbacher
Anmerkungen zu den obigen Anzeigen: - Schochet: Schächter
- Chasan:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chasan_(Kantor)
- Rabbiner Dr. L. Kahn: vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1932)
- Kabalot: Zertifikate
- Kabolaus: Jiddisch für Kabalot
- Rabbonim: Rabbinern
- Rabb. Dr. Ansbacher: vgl.
Artikel zum 25-jährigen Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Ansbacher von 1931
- Chasonus: Liturgie |
Berichte zu einzelnen Personen der Altisraelitischen Kultusgemeinde
Hinweise: hier finden sich Berichte zu Personen, die in einer besonderen
Beziehung zur Altisraelitischen Kultusgemeinde standen, zu weiteren Personen der
jüdischen Gemeinde in Wiesbaden siehe Seite mit Berichten zu Personen der
jüdischen Gemeinde in Wiesbaden.
Zum
Tod von Gerson Meyer, Mitglied der Religionsgesellschaft (1870)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. November 1870: "Wiesbaden, 22. Oktober (1870). Wir
kommen soeben von einem traurigen Gange zurück, wie haben die sterblichen
Reste des in seinem 93. Lebensjahre, nach nur siebentägigem Krankenlager,
verstorbenen Herrn Gerson Meyer - er ruhe in Frieden - zu ihrer letzten
Ruhestätte geleitet.
Der Verblichene war als ältestes Mitglied unserer Religionsgesellschaft
(und als Präsident der Chewra Kadischa) bei allen ihren
Angehörigen hoch geschätzt; er war einer der Gründer und trug stets, so
viel in seinen Kräften stand, zur Erhaltung derselben durch Wort und Tat
bei. Weder der stärkste Regen noch der tiefste Schnee konnten ihn
hindern, in der Synagoge der erste zu sein, und keinem tat es so leid wie
ihm, wenn es einmal an Minjan fehlen sollte.
Aber nicht nur in unserer, sondern auch in der Reform-Gemeinde und ebenso
bei seinen christlichen Mitbürgern war er als rechtschaffener braver Mann
und als ältester Bürger der Stadt geachtet und geliebt, wovon auch die
zahlreiche Beteiligung an seinem Leichenbegängnisse Zeugnis ablegte, denn
Jung und Alt war von nah und fern herbeigeeilt, um dem Verblichenen die
letzte Ehre zu erweisen.
Unser Rabbiner, Herr Dr. Kahn - sein Licht leuchte - hielt
die Leichenrede, worin er, unter Zugrundelegung der Bibelworte (hebräisch
und deutsch:) Noah war ein gerechter Mann, tadellos war er in seinem
Zeitalter, besonders hervorhob, dass der Verstorbene in der hiesigen
Stadt, wo das Judentum fast ganz untergegangen war, und in einem so
neuerungssüchtigen Jahrhundert, doch die Satzungen, die wir am Sinai
erhalten und die uns unsere Väter vererbt, heilig hielt und danach lebte.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.
Der Verstorbene hatte angeordnet, dass keinesfalls Herr Rabbiner Süskind
eine Leichenrede halten solle."
Anmerkungen: - Chewra Kadischa:https://de.wikipedia.org/wiki/Chewra_Kadischa
- Minjan:
https://de.wikipedia.org/wiki/Minjan
- Rabbiner Dr. Kahn: vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn (1932)
- Satzungen, die wir am Sinai: Zehn Gebote
https://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote
- Rabbiner Süskind: vgl.
Artikel zum 70. Geburtstag von Rabbiner Dr. Samuel Süßkind (1882)
|
Zum Tod des Vorstehers der orthodoxen Gemeinde Hajum Rosenthal
(1884)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. März 1884: "Wiesbaden, 3. März (1884). Es
ist keine erfreuliche Nachricht, die ich Ihnen heute mitzuteilen habe. Die
hiesige orthodoxe israelitische Gemeinde hat eines ihrer tätigsten und
eifrigsten Mitglieder verloren. Am vorigen Sabbat verschied nach kurzem
Unwohlsein Herr Hajum Rosenthal - er ruhe in Frieden -,
Vorsteher der genannten Gemeinde und vieler wohltätiger Vereine. Der
Verewigte zeichnete sich nicht allein durch außerordentliche
Gewissenhaftigkeit in der religiösen Pflichterfüllung aus, er arbeitete
auch mit allen Kräften für die Erhaltung des gesetzestreuen Judentums.
Ein großes, unabsehbares Gefolge geleitete heute die sterblichen
Überreste des Heimgegangenen zur letzten Ruhestätte, unter ihnen viele
Fremde aus der Nähe und der Ferne. Wir nennen Herrn Rabbiner Dr.
Lehmann aus Mainz und Herrn Rabbiner Dr. Marx aus Darmstadt.
Am Eingange des Friedhofs hielt der Rabbiner der hiesigen orthodoxen
Gemeinde, Herr Dr. L. Kahn, eine ergreifende Trauerrede, in welcher
er die hohen Tugenden und Verdienste des Verewigten schilderte. Es waren
Worte, die von Herzen kamen und zu Herzen drangen. Zum Schlusse ermahnte
der Redner die Mitglieder unserer Gemeinde, sich zu bestreben, nach
Kräften den großen Verlust zu ersetzen und die Lücke auszufüllen, die
der Tod gerissen. - Kein Auge blieb tränenleer.
In unserer schönen Badestadt, in welcher der größere Teil der
israelitischen Gemeinde sich der Reform zuneigt, ist mit großer Mühe und
unter schweren Opfern unsere orthodoxe Gemeinde gegründet und sind in
nicht minder schwieriger Weise die Institutionen derselben geschaffen
worden. Nun hat sie in Hajum Rosenthal eine ihrer Hauptstützen verloren.
Aber wir verzagen deshalb nicht. Das edle Beispiel dieses Frommen wird auf
uns Alle ermunternd wirken und uns aneifern, den hohen Zielen
nachzustreben, die ihm stets vorgeschwebt haben.
(Hebräisch und deutsch): Das Angedenken des Frommen wird segensreich
wirken."
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Lehmann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Lehmann
- Rabbiner Dr. Marx: vgl.
Artikel von 1923 zum Tod von Rabbiner Dr. Moses Marx
- Herr Dr. L. Kahn: vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn |
Adolf Deutsch eröffnet ein Restaurant unter Aufsicht
der Frankfurter Israelitischen Religionsgesellschaft
(1908)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 24. Januar 1908: "Wiesbaden. Wie verlautet, ist
hier von Herrn Adolf Deutsch, Sohn des O.-Gyaller orthodoxen
Rabbiners und Schwager des Marienbader Restaurateurs David Leitner, ein
Restaurant unter Aufsicht der Frankfurter Israelitischen Religionsgesellschaft
errichtet worden".
Anmerkung: - zu Adolf Deutsch: vgl.
Artikel von 1937 zum 70.
Geburtstag von Adolf Deutsch |
Zum
Tod von Meyer Sulzberger, Vorstandsmitglied der altisraelitischen Kultusgemeinde
(1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 13. Februar 1914: "Die altisraelitische Kultusgemeinde
in Wiesbaden erlitt durch den Tod ihres Vorstandsmitglieder Meyer
Sulzberger einen schweren Verlust." |
Zum Tod von
Hugo Wolff (1921)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. September 1921: "Wiesbaden, 9.
September (1921). Einer der besten, edelsten und hilfreichsten Männer aus
unserer altisraelitischen Kultusgemeinde ist im kräftigsten Mannesalter
von 476 Jahren dahingerafft worden. Herr Hugo Wolff, Sohn des
bekannten Wiesbadener Stadtrats Benjamin Wolff, des Begründers der
vorgenannten Jüdischen Gemeinde, wurde mitten in seiner
Geschäftstätigkeit vom Tode ereilt. Der Dahingeschiedene war Vorstand
des Israelitischen Unterstützungsvereins sowie des Vereins zur Errichtung
eines israelitischen Krankenhauses und Schwesternheims und anderer
hiesiger Wohltätigkeitsinstitute. An der Bahre sprachen Rabbiner Dr.
Kahn, Dr. Landsberg für die Loge, Max Heß für den
Unterstützungsverein und Regierungsbaumeister Heß für das
Krankenhaus. der Heimgegangene hat auch aus eigenen Mitteln viel Werke der
Liebe geübt. Herr Wolff hinterlässt eine Witwe und einen jungen Sohn, die
Gott trösten möge."
Anmerkungen: - Israelitischer Unterstützungsverein: vgl.
Jahresbericht von 1914 des Israelitischen Unterstützungsvereins
- Rabbiner Dr. Kahn: vgl.
Artikel zum
90. Geburtstag von Rabbiner Dr. Leo Kahn |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 15. September 1921:
Derselbe Bericht erschien in der Zeitschrift "Der
Israelit" |
Zum
Tod von Schlomo Berstein (Bernstein?) aus Minsk (1922)
Anmerkung: zu zwei der genannten Personen bestehen Wikipedia-Artikel, siehe Artikel
zu Akiba Eger und Artikel
Salomon (Schlomo) Eger.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 24. August 1922: "Wiesbaden, 31. Juli (1922). Am Montag,
den 28. Tammus (= 24. Juli 1922) verschied hier nach längerem
schweren Leiden R. Schlomo Berstein - das Andenken an den
Gerechten ist zu Segen, ein Enkel des berühmten Führers der
galizischen Judenheit R. Herz Bernstein - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen. Der Verblichene war ein würdiger
Nachkomme seiner großen Ahnen, des R. Akiba Eger, R. Schlomo Eger,
Penei Jehoschua, Pnei Arje, Maaseh Rokeach, dessen Namen er trug. Der
Familientradition gemäß widmete er sich von frühester Jugend an zuerst
in Lemberg und dann in Pinsk dem Lernen und eignete sich ein
außergewöhnlich umfangreiches und tiefes jüdisches Wissen an. Im
Gemeindeleben der jüdischen Gemeinde Minsk nahm er infolgedessen
als Führer der Orthodoxie und als Vertrauter des Minsker Gadol
(Oberrabbiners) und Freund seines Nachfolgers des heutigen Minsker Raws R.
Elieser - sein Licht leuchte - eine hervorragende Stellung ein. Um das
kulturelle jüdische Leben in Russland hat er sich unter anderem als Gabbai
der berühmten Woloschiner Jeschiwa verdient gemacht. Seine
Lebensaufgabe war Zedaka und Wohltätigkeit zu üben. Stets
stand sein Haus den Armen seines Volkes offen und so bedeutete sein Wegzug
von Minsk für die dortige Gemeinde, insbesondere für die Witwen
und Waisen einen schweren Verlust. In den Jeschiwot von Erez
Jisroel hat er sich als Gabbai der Minsker Spenden-Gelder
ein dauerndes Andenken gesichert.
Die letzten Jahre verlebte er, seinem Milieu entsprechend, von den
wenigsten verstanden, hier in fast völliger Zurückgezogenheit. Bei der
Beisetzung verstand es ein Freund des Verblichenen, Herr Zwei Kanel aus Moskau,
in einem echtjüdischen Hesped (Trauerrede) das Leben dieses Gerechten
und seine Verdienste und die russische Judenheit und seine Familie
insbesondere, dass er es verstand, seine Söhne in der Fremde zu treuen
Söhnen des jüdischen Volkes und zu wahrer Liebe zur Heiligen Tora
zu erziehen. Sein Verdienst komme über uns." |
Zum Tod von Elchonon Buchbinder
(1923)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. November 1923: "Wiesbaden, 4. November (1923). Im
Alter von 80 Jahren ist hier Elchonon Buchbinder gestorben. Er war
ein Mann von echter jüdischer Gesinnung und Lebensführung bis zum
letzten Atemzuge. Am Tage, da er seine reine Seele scheiden sah, bereitete
er sich auf den Abschied vor wie ein wahrer Zadik (Gerechter) und
traf aufs kleinste alle Anordnungen bezüglich der Beisetzung. Bei der
Bestattung hielt vor einer großen Trauergemeinde Herr Rabbiner Dr.
Kahn einen ergreifenden Hesped (Trauerrede), in dem er das
Aussehen des Verstorbenen als Abglanz seines inneren Wesens und frommen Sinnes
schilderte. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
Beisetzung des langjährigen ersten Gemeindevorsitzenden der Altisraelitischen
Kultusgemeinde Leopold (Levy) Ackermann
(1925)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 9. Juli 1925: "Wiesbaden, 7. Juli (1925). Der
Zufall wollte es, dass gerade an dem Tage, da Herr Rabbiner Dr. Kahn
seinen Abschied nahm, er voll tiefer Wehmut seine letzte Amtshandlung
vollziehen musste bei der Beerdigung unseres langjährigen ersten
Gemeindevorsitzenden, Herrn Leopold Ackermann. Über 30 Jahre hat
Herr Ackermann in unermüdlicher Tätigkeit sich bemüht, unter den
schwierigsten Umständen unserer Gemeinde immer höheren Aufstieg zu
ermöglichen. Er scheute weder Zeit noch Geld, um seine Pflichten als
Vorsteher in bewunderungswürdiger Weise zu erfüllen, immer beseelt von
dem Gedanken, dass er für Gott - er sei gepriesen - arbeite und
Gutes für die Allgemeinheit leiste. Was wir an ihm verloren haben,
schilderte Herr Dr. Kahn in einem ergreifenden Hesped (Trauerrede)
vor einer Menschenfülle, wie unsere Leichenhalle sie noch nie aufzuweisen
hatte. Den Dank der Gemeinde rief Herr Vorsteher Julius Katz wehmütig dem
Verstorbenen nach. Für die Loge sprach Herr Ferdinand Baum, und für die Chewra
Kadischa Herr Neustadt. Während der Schiwa (Trauerwoche)
wurden fernere Trauerreden gehalten von Herrn Sanitätsrat Dr.
Kornblum und Herrn Lehrer M. Hes." |
Zum Tod von Mathilde Wreschner geb. Bloch
(1927)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 22. Dezember 1927: "Wiesbaden, 18. Dezember (1927).
Eine Trauerbotschaft ging am 20. Kislew (= 14. Dezember 1927) durch unsere
Stadt: Frau Mathilde Wreschner geb. Bloch ist nicht mehr. Mit ihrem
Gatten, ihrer einzigen Tochter und den Enkelchen trauert die ganze
Gemeinde um den Verlust dieser seltenen Frau. Schlicht und bescheiden hat
sie gelebt, so ganz eine echtjüdische Frau, wie sie es von ihren großen Ahnen
gelernt, hat sie die Größe nicht in Äußerlichkeiten gesehen, sondern -
die Königstochter ist mit Perlen geschmückt (Psalm 45,14) - in selbstloser
aufopfernder Liebe und Hingabe an Gatten und Kind. Möge ihre Seele Ruhe
finden in der Gewissheit, dass Kinder und Enkel echte Jehudim im
strengsten Sinne sind. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum Tod
von Paul Sulzberger (1929)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 25. Juli 1929: "Wiesbaden, 15. Juli (1929). Am 25.
Siwan verstarb hier im Alter von fast 75 Jahren Herr Paul Sulzberger.
Einer alten hiesigen frommen Familie entstammend - sein Großvater war der
vor 100 Jahren hier tätige 'Vorsänger' Meyer Sulzberger, der den
Reformen des damals amtierenden Rabbiner Geiger heftigen Widerstand
entgegensetzte, sein Vater war mit eines der ältesten Mitglieder der vor
60 Jahren gegründeten frommen Gemeinde - hat der Verstorbene während
einer mehr denn 40-jährigen Ehe, unterstützt von seiner vor fast 3
Jahren verstorbenen Gattin, einer Tochter des bekannten Gelehrten Joseph
Perlstein aus Kopenhagen, hier ein wahrhaft jüdisches Haus, ein kleines
Heiligtum unterhalten und das Sechus (Verdienst) gehabt, seine Kinder
in diesem Sinne zu erziehen. Seit Jahren von einem Leiden geplagt, war es
ihm vergönnt, trotz einer vor 2 Jahren eingetretenen Verschlimmerung, die
sich wie durch ein Wunder gebessert hatte, auch noch seine Enkel in seinem
Sinne heranwachsen zu sehen. An der Bahre sprach Herr Rabbiner Dr.
Ansbacher vor einer stattlichen Trauerversammlung Worte des Trostes
und nach ihm gab ein Sohn, Rechtsanwalt Dr. M. Sulzberger, namens
der Familie in kurzen Worten dem Schmerz über den Verlust des Vaters
Ausdruck. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens". |
Zum
Tod von Helene Goldschmidt geb. Wreschner (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. März 1936: "Wiesbaden, 9. März (1936). Nach
einem Leben der Liebe und der Arbeit, der Sorge und der Pflicht wurde am
19. Schewat (= 12. Februar 1936) Frau Helene Goldschmidt geb. Wreschner
in eine bessere Welt abberufen. Auf sie konnte man - nach einem Worte
unseres greisen Rabbiners Dr. Kahn - sein Licht leuchte - im
Trauerhause - alle Verse Salomos über das Biederweib anwenden. Immer willig
ordnete sie ihr ganzes Tun und Lassen dem göttlichen Gesetz unter, getreu
der Tradition ihrer großen Ahnen und der ihres Schwiegervaters Direktor Dr.
Joseph Goldschmidt Hamburg - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen. Diese heiligen Überlieferungen in ihren Kindern
und Enkeln fortleben zu lassen, war das Ziel ihrer rastlosen Arbeit, ihres
nie ermüdenden Strebens und ihrer unaufhörlichen Sorge. Die Freunden des
irdischen Daseins suchte sie nicht, die Freunden ihres Lebens lagen in der
Familie. Mit der Familie trauern alle, die sie gekannt haben, um diese
einzigartige Frau. Möge ihr Verdienst uns beistehen. Ihre Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum
Tod von Rechtsanwalt Dr. Meier Sulzberger (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 26. März 1936: "Wiesbaden, 15. März. Wiederum hat unsere
Gemeinde einen schmerzlichen Verlust erlitten. Rechtsanwalt Dr. Meier
Sulzberger ist leider im besten Mannesalter seiner Gattin, zwei
unmündigen Kindern und einem großen Kreis von Freunden entrissen worden.
Einer Familie, die von je zu den verlässigsten Stützen unserer Kehilloh
gehörte, mütterlicherseits der rühmlichst bekannten Familie Perlstein
– Kopenhagen entstammend, betätigte er diese ungetrübte Jüdischkeit auch in
seinem Hause. Schon in seiner Jugend erwarb er sich durch fleißiges Lernen
ein stattliches Maß von Tora-Kenntnissen und nutzte jede freie Stunde dafür
aus. Mehrere Jahre führte er auch den Vorsitz in der Gemeinde und setzte
seine ganze Kraft ein, derselben auch wirtschaftliche Sorgen, welche die
Zeit brachte, hinwegzuhelfen. Bei der unter großer Beteiligung erfolgten
Kevurah stellte Herr Rabbiner Dr. Ansbacher mit ergreifenden
Worten der Verlust dar, den die Familie und die ganze Umgebung mit seinem
Hinscheiden erlitten hat. Herr Rechtsanwalt Dr. Paul Sulzberger,
Berlin, widmete im Namen der Familie dem Verwandten warme Worte der
Anerkennung. Rechtsanwalt Arnold Kahn brachte ihm den Abschiedsgruß
der Nassau-Loge und Herr Tiefenbrunner brachte mit Worten der Tora
zum Ausdruck, wie der Verstorbene auch im Kreise der ostjüdischen
Gelehrten wegen seiner Liebe zur Tora und seiner G"ttesfurcht
geschätzt war.
Möge G"tt besonders der schwergetroffenen Gattin und ihren Kindern
Trost angedeihen lassen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens."
Anmerkungen: - Kehilloh:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kehillah
- Familie Perlstein:
https://www.geni.com/people/Isidor-Perlstein/6000000011881174108
- Thorah: https://de.wikipedia.org/wiki/Tora
- Kevurah: Begräbnis, Beerdigung
- Rabbiner Dr. Ansbacher: vgl.
Artikel von 1931 zum 25-jährigen Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Ansbacher
- Herr Tiefenbrunner: Womöglich
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1601277
|
Zum Tod
von Adolf Ackermann (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 19. November 1936: "Wiesbaden, 8. November. Wenige Tage
nach dem Heimgang unseres allverehrten Raw – das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen – wurde unsere Gemeinde wieder von einem
schmerzlichen Verlust getroffen, durch Hinscheiden unseres ältesten
Mitgliedes Adolf Ackermann der Friede sei mit ihm. Treu hielt er als
einer der ältesten Schüler Dr. Kahns zu den Traditionen der Gemeinde.
Besonders zuverlässig und pünktlich war er zur Tefilah morgens und
abends an seinem Platze, und in den Monaten seiner Krankheit bedrückte es
ihn am meisten, nicht im Bet HaKnesset erscheinen zu können. Auch für
die Chewra Kadischa, deren Vorsitzender der viele Jahre war, setzte
er seine ganze Kraft ein und bei Freud und Leid war er zur Stelle, den
Jugendlichen Ansporn und Vorbild in Wort und Tat gebend. Möge die Lücke, die
sein Heimgang in unseren Reihen gerissen, allmählich durch Nachwuchs
Jüngerer ausgefüllt werden.
Bei der unter überaus großer Beteiligung erfolgten Kevurah entwarf
Rabbiner Dr. Ansbacher ein anschauliches Bild seines Lebens und Wirkens,
Rabbiner Donath, Frankfurt,
sprach warme Worte für den Sohn des Verblichenen, Leo Ackermann, der
viele Jahre in Frankfurt sein Schüler gewesen. Herr Holzmann, ein
Neffe, dankte im Namen der Chewra Kadischa mit herzlichen Worten. Möge es
dem Heimgegangenen ein sechut sein, dass für ihn von zwei Söhnen in
Eretz Israel der Kaddisch gesprochen wird. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkungen: - Raw: vgl.
Artikel von 1936 zum Tod von Rabbiner Dr. Leo Kahn
- Tefilah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gebet_(Judentum)
- Bet HaKnesset: Synagoge, wörtlich 'Haus der Versammlung'
- Chewra Kadischa:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chewra_Kadischa
- Kevurah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Bestattung
- Rabbiner Dr. Ansbacher: vgl.
Artikel von 1931 zum 25-jährigen Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Ansbacher
- Rabbiner Donath: im jüdischen Adressbuch Frankfurt 1935 wird genannt:
Donnath, Emanuel, Rabbiner Hermesweg 7; siehe
https://www.geni.com/people/Rabbi-Menachem-Donath-A-B-D-Frankfurt/6000000166892078821
- Leo Ackermann: Vorsitzender der Altisraelitischen Kultusgemeinde
- Sechut: Verdienst, Belohnung
- Eretz Israel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Eretz_Israel
- Kaddisch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaddisch |
70.
Geburtstag von Adolf Deutsch (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 22. Juli 1937: "Wiesbaden, 20. Juli (1937). Herr Adolf
Deutsch, Wiesbaden, Karlstr. 17, der einst seinen Restaurationsbetrieb
viele Jahre unter Aufsicht von Rabbiner Dr. S. Breuer - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen , geführt hatte, begeht am Sonntag, den
2. Elul, seinen 70. Geburtstag. Die tiefe Frömmigkeit dieses Mannes war
für manchen seiner Freunde von großem Einfluss auf sein religiöses
Leben gewesen, sodass eine große Schar Freunde und Bekannte sich in dem Wunsche
finden, dass Herrn Deutsch ein ungetrübter Lebensabend gegönnt sein. (Alles
Gute bis 120 Jahre)." |
|