Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Schierstein mit Frauenstein (Stadt Wiesbaden)
Jüdische Geschichte / Synagoge 
(Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Dorothee Lottmann-Kaeseler) 

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben     
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
  
In Schierstein bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück.  
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1853 14 Familien beziehungsweise Haushaltungen, 1858 20 wahlberechtigte Mitglieder, 1867 8 jüdische Familien, 1868 11 Familien (einschließlich Frauenstein) mit 56 Personen, davon 10 schulpflichtige Kinder, 1871 52 jüdische Einwohner (2,7 % von insgesamt 1.906 Einwohner), 1885 50 (2,1 % von 2.423), 1895 70 (2,4 % von 2.976), 1905 45 (1,0 '% von 4.431). 
 
Zur jüdischen Gemeinde Schierstein gehörten auch die in Frauenstein lebenden jüdischen Personen. Dabei handelte es sich um Angehörige der Familie von Simon Salmon (aus Merzig) und seiner Frau Amalie geb. Kahn, Familienfotos siehe bei http://www.before-the-holocaust.net/ unter Frauenstein). Mitte der 1920er-Jahre lebten außer dem Ehepaar noch die Tochter Rosa im Haus sowie der Sohn Saly mit Ehefrau Selma und dem ersten Enkel (Siegfried, geb. 1924).  
    
Die jüdischen Haushaltsvorsteher in Schierstein verdienten den Lebensunterhalt der Familien bis weit ins 19. Jahrhundert hinein überwiegend als Händler; in Frauenstein gab es mehrere Metzger. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es mehrere jüdische Kaufläden und Handelsgeschäfte am Ort, die jüdischen Personen gehörten. 
  
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zogen mehrere der jüdischen Einwohner / Familien in umliegende Städte, vor allem nach Wiesbaden, unter ihnen Julius Herz (geb. 1819 in Schierstein, seit 1843 Hofjuwelier in Wiesbaden; das Geschäft - zuletzt unter den Namen Netter Herz & Heimerdinger - bestand bis zur zwangsweisen "Arisierung" 1938) oder Joseph Mayer Baum (geb. 1813 in Schierstein: in Wiesbaden begründete er die Fa. "Nassauische Leinenindustrie J.M. Baum", die um 1900 zu einem Unternehmen von Weltgeltung wurde; vgl. unten Bericht zum Tod von Joseph Baum [geb. 1874 in Schierstein]; die Firma wurde in der NS-Zeit gleichfalls zwangsweise "arisiert"; aus der Familie Baum stammt der Gründungsdirektor des Ulmer Museums Prof. Dr. Julius Baum [geb. 1882 in Wiesbaden], vgl. Familiengeschichte Baum in einer Website; zu Julius Baum siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Baum).    
    
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter (Kantor) und Schochet tätig war (vgl. unten Ausschreibung der Stelle 1865). Um 1860/65 war Lehrer Josua Thalheimer einige Zeit am Ort. Ob auf die Ausschreibung von 1865 (möglicherweise nach dem Weggang von Lehrer Thalheimer) sich wieder ein Lehrer beworben hat, ist nicht bekannt, zumal die Gemeinde damals sehr verarmt war. Ab 1869-70 unterrichtete Lehrer Simon Ackermann aus Eltville die jüdischen Kinder in Schierstein. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Wiesbaden. 1879 schloss sich die Gemeinde geschlossen der (orthodoxen) Israelitischen Religionsgesellschaft in Wiesbaden an.    
An jüdischen Vorstehern sind bekannt: 1855 Josef Baum, 1867 Abraham Kahn, 1891 Tobias Kahn, ab 1906 Daniel Kahn, um 1924 Samuel Kahn. 
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Siegfried Salmon (geb. 26.12.1882 in Frauenstein, gef. 12.5.1915). Außerdem sind  gefallen: Vizefeldwebel Berthold Rosengarten (geb. 25.9.1886 in Schierstein, vor 1914 in Remscheid wohnhaft, gef. 31.7.1916) und Heinrich Kahn (geb. 24.3.1889 in Schierstein, vor 1914 in Ulm wohnhaft, gef. 16.7.1918).    
   
Einige der jüdischen Familien waren seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einigem Wohlstand gekommen, unter ihnen Metzger Karl Israel (geb. 1890), dem das Haus Wilhelmstraße 40 in Schierstein gehörte. Es war auch Miteigentümer an dem Hof Luisenstraße 6 und Eigentümer eines Bauplatzes im Neuen Weg 3 und weiterer Grundstücke am Ort (weitere Informationen zur Familie Karl Israel siehe pdf-Datei des "Aktiven Museums Spiegelgasse").   
 
Um 1924, als zur Gemeinde noch etwa 60 Personen gehörten (1,2 % von insgesamt etwa 5.000 Einwohner), war Gemeindevorsteher der bereits genannte Samuel Kahn. Als Lehrer, Kantor und Schochet war (bereits seit 1905) Arnold Katzenstein tätig. Er unterrichtete an der Religionsschule der Gemeinde damals vier Kinder und erteilte den Religionsunterricht an der Volksschule des Ortes. Gleichfalls unterrichtete der die jüdischen Kinder in einigen umliegenden jüdischen Gemeinde (u.a. in Eltville).  1932 war Gemeindevorsteher Karl Kahn (bereits seit 1932). Als Lehrer war weiterhin Arnold Katzenstein tätig (vgl. Bericht zum Tod seiner Frau 1933 siehe unten; dort wird Lehrer Katzenstein als "Vater des Rheingaues" bezeichnet). Im Schuljahr 1931/32 unterrichtete er sieben Kinder in Religion. An jüdischen Vereinen gab es insbesondere - gemeinsam mit der Gemeinde Biebrich - den Israelitischen Männerkrankenverein (gegründet 1839, siehe Bericht zum 70-jährigen Bestehen 1909 unten). 
 
1933 lebten noch etwa 60 jüdische Personen in Schierstein. In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Im Oktober 1935 wurde ein jüdischer Viehhändler, der verbotenerweise ein Kalb geschächtet hatte, angezeigt und mit anderen Gemeindegliedern verhaftet. Er erhielt drei Monate Gefängnisstrafe (siehe Bericht unten). Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.). Danach überfielen die SA-Männer die Geschäfte und Wohnungen jüdischer Familien (u.a. des Metzgermeisters Israel, der Kaufleute Katz, Kahn, des Lehrers Katzenstein, von Robert Kahn, der Geschwister Schönberger sowie des Metzgermeisters Löwenthal). An der Plünderung der Geschäfte beteiligte sich auch die Schiersteiner Bevölkerung. Ende 1938 mussten die letzten jüdischen Gewerbetreibenden ihre Geschäfte schließen, darunter Karl Israel. Er musste auch sein Haus unter Wert verkaufen. Am 11. September 1941 wurde Familie Israel mit anderen jüdischen Personen zwangsweise in das "Judenhaus" Luisenstraße 6 einquartiert. Die letzten jüdischen Einwohner Schiersteins wurden am 10. Juni 1942 deportiert, unter ihnen Familie Karl Israel und der Lehrer Arnold Katzenstein.  
    
Von den in Schierstein geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Dr. Alexander Bayerthal (1867), Emma Blättner geb. Kahn (1876), Hedwig Israel geb. Hallgarten (1895), Herta Israel (1925), Karl Israel (1890), Margot Israel (1928), Rosel Israel (1922), Emmi (Emilie) Kahn geb. Teutsch (1905), Walter Kahn (1937), Otto Kahn (1891), Arnold Katzenstein (1869), Walter Koch (1910), Bertha Schönberger (1870), Hilda Teutsch geb. Rauh (1875), Isak Teutsch (1863). 
Zu mehreren der genannten Personen gibt es "Erinnerungsblätter" und weitere Informationen in der Website des aktiven Museums Spiegelgasse (jeweils pdf-Dateien): zu Dr. Alexander BayerthalFamilie Karl und Hedwig Israel mit ihren drei Töchtern)Familie Otto und Emilie Kahn mit Sohn Walter.        
     

Von den in Frauenstein geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):   Gertrud Katz (1891), Selma Salmon (1892), Ilse Salmon (1928), Rosa Salmon (1894), Siegfried Salmon (1923), Walter Salmon (1929).  
Über das Schicksal der Familie Salmon informieren ein in der Website des aktiven Museums Spiegelgasse eingestellter Presseartikel sowie ein Erinnerungsblatt (pdf-Datei).  
    

Anmerkung zu den Namenslisten Schierstein und Frauenstein: eine Auswertung der genannten Quellen ergibt keine vollständigen Listen, da die beiden Orte Schiersten und Frauenstein bereits 1926 beziehungsweise 1928 nach Wiesbaden eingemeindet wurden und die Namen der umgekommenen jüdischen Einwohner in den beiden Orte teilweise unter Wiesbaden genannt werden.   
    
    

    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1865 / 1895  

Schierstein Israelit 09081865.jpg (32230 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit’ vom 9. August 1865: "Die Stelle eines Lehrers und Vorbeters ist Ende des Sommersemesters in unserer Gemeinde vakant; auch kann damit der Schächterdienst, welcher ca. 120 Gulden einträgt, verbunden werden. Bewerber wollen sich melden bei dem 
Vorstand M. Liebmann. Schierstein, August 1865." 
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1895: "In der israelitischen Kultusgemeinde Schierstein am Rhein ist die Stelle eines Religionslehrers, Vorsängers und Schächters mit einem Fixgehalt von 500 Mark und garantiertem Nebeneinkommen von 500 Mark bis zum 1. Juli laufenden Jahres zu besetzen. Seminaristisch gebildete Bewerber wollen ihre Zeugnisse senden an den Vorstand Tobias Kahn."  

      
Über Lehrer Josua Thalheimer (1905, Lehrer in Schierstein um 1860?)        

Falkenstein FrfIsrFambl 12051905.jpg (33365 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Mai 1905: "Falkenstein im Taunus. Am 1. Mai schied der hiesige israelitische Lehrer Thalheimer aus seiner beinahe 35 Jahre innegehabten Stellung, um in den Ruhestand zu treten. Seine Amtstätigkeit begann er 1855 in Hochheim am Main, wirkte in Schierstein, Lorsbach und Camberg, um dann anfangs der 70er-Jahre zunächst nach Königstein und 1875 nach Falkenstein überzusiedeln". 
Anmerkung: unklar ist die Nennung von Lorsbach, da es dort zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde gab, vermutlich auch zu keiner Zeit mehrere jüdische Familien gelebt haben. 

    
Nennung von Lehrer Heymann in Schierstein bei einer Lehrerkonferenz in Singhofen (1864)        

Artikel in "Der Israelitische Lehrer" vom 6. Oktober 1864: "Aus Nassau. Zu Singhofen (Amt Nassau) hat am 19. September eine Versammlung israelitischer Lehrer zu dem Zwecke stattgefunden, einen gemeinsamen Anschluss an den Unterstützungsverein zu bewerkstelligen. Diese Versammlung war von den Herren Friedberg aus Nastätten, Morgenthal aus Holzappel, Emmel aus Limburg, Levi aus Eltville, Laubheim aus Singhofen, Aron aus Kördorf (nicht: Kirdorf), Friedberg aus Ruppertshofen besucht (Heymann aus Schierstein hatte seine Verhinderung angezeigt). Als vorzüglichster Erfolg dieser Vorberatung haben wir vorläufig mitzuteilen, dass Anfangs November eine größere Versammlung in Limburg a.L. stattfinden soll, und dass als Vertrauensmann Herr Friedberg aus Ruppertshofen bestimmt worden, welcher die Einladung (an Rabbiner, Vorstände, Lehrer und Gemeindeglieder erlassen wird, und bei welchem auch die Anmeldungen zu machen sind. Die betreffende Ansprache wird in einer der nächsten Nummern des 'Israelitischen Lehrer' erscheinen." 

     
Über Lehrer Arnold Katzenstein (Lehrer in Schierstein von 1896 bis 1938/39) 
Arnold Katzenstein ist am 17. Oktober 1869 in Neuhof geboren. Seit 1896 (nach der Ausschreibung der Stelle 1895 siehe oben) war er als Lehrer, Kantor und Schochet in Schierstein tätig. Wegen seiner vielen Ämter und auf Grund seines engagierten Wirkens war er am Ort und in der Umgebungen (auch in Eltville, Rüdesheim a. Rhein und Hochheim am Main) sehr beliebt. Er galt in den jüdischen Gemeinden als "Vater des Rheingaus". Arnold Katzenstein war verheiratet mit Berta geb. Loeb (geb. 17. März 1868, gest. 13. März 1933, siehe Bericht zu ihrem Tod unten). Die beiden hatten eine früh verstorbene Tochter Gita Elsa (geb. 6. Juni 1896, gestorben im Alter von drei Monaten). 1900 adoptierte das Ehepaar ein russisch-jüdisches Waisenkind. Katzensteins wohnten in Schierstein in der Wörthstr. 6 (heute Milanstraße). Beim Novemberpogrom 1938 wurde Katzensteins Wohnung zerstört und geplündert. Er musste in einen bescheidenen Anbau ziehen, 1939 nach Wiesbaden in die Herderstraße 11. Am 1. September 1942 wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert, von hier aus in das Vernichtungslager Treblinka, wo er am 29. September 1942 ermordet wurde. 
Siehe auch Erinnerungsblatt des "Aktiven Museums Spiegelgasse" Wiesbaden
).   
    
Lehrer Katzenstein in Schierstein wird bei einer Lehrerkonferenz genannt (1898)        

Artikel in "Der Israelit" vom 1. August 1898: "Limburg, 28. Juli (1898). (Der Verein israelitischer Lehrer Nassaus) hielt am 17. dieses Monats hier im 'Preußischen Hof' seine Generalversammlung ab...   Es wurde eine Kommission ernannt, bestehend aus den Herren Katzenstein - Schierstein, Oppenheimer - Hadamar..." 

    
Lehrer Katzenstein in Schierstein referiert bei einer Lehrerkonferenz (1899)        

Artikel in "Der Israelit" vom 2. November 1899: "Verein der israelitischen Lehrer des ehemaligen Herzogtums Nassau. Auszug aus dem Bericht über die Jahresversammlung zu Wiesbaden. Nach mehreren Einleitungsreden wird in die Tagesordnung eingetreten. Es erhält das Wort Herr Kollege Katzenstein - Schierstein zu seinem Thema 'Welche Mittel stehen dem israelitischen Lehrer zu Gebote, die Religiosität in seiner Gemeinde zu heben'. Der Herr Referent hat sich in der Tat ein sehr schwieriges, aber auch sehr lohnendes Thema gestellt. In dem mit großem Fleiße ausgearbeiteten Vortrag sucht der Referent zu konstatieren, dass besonders in den 'Landgemeinden' die Religiosität sehr abgenommen habe; das beweise der spärtliche Besuch des öffentlichen Gottesdienstes sogar am Sabbat.    
In der alten Zeit habe man im Gotteshause an Wochentagen mehr Andächtige gefunden, wie jetzt an Sabbat- und Festtagen. Vereine zu Torastudium und Bauen von Sukkots (sc. Laubhütten) finde man selten; die Vereine der guten alten Zeit sind eingegangen. Es entspinnt sich eine sehr rege und interessante Debatte..."  
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken.  

   
    
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben     
70-jähriges Jubiläum des Israelitischen Männerkrankenvereins Biebrich, Schierstein und Frauenstein (1909)     

Biebrich Israelit 04031909.jpg (79467 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit von 4. März 1909: "Biebrich am Rhein, 20. Februar. Am 18. Februar, 27. Schewat, feierte der Israelitische Männerkrankenverein Biebrich, Schierstein und Frauenstein sein 70jähriges Jubiläum. Die Feier wurde durch einen besonderen Festgottesdienst durch Herrn Lehrer Sulzbacher - Biebrich eingeleitet. Alsdann folgte der alljährlich am Stiftungsfeste stattfindende Jom-Kippur-Katan-Gottesdienst. Gegen 3 Uhr versammelten sich die Mitglieder zur Generalversammlung und dem darauf folgenden Festmahle. Zunächst ergriff der Vorsitzende des Vereins, Herr Josef Kahn das Wort, um die fast vollzählig erschienenen Mitglieder willkommen zu heißen. Im weiteren Verlaufe seiner Rede gedachte Herr Kahn der Gründer des Vereins und bat, unter Hinweis auf die schon damals festgelegten wohltätigen Zwecke und Ziele, alle Anwesenden durch festes Zusammenhalten dafür Sorge zu tragen, dass das von den Vorfahren übernommene Erbe auf ewige Zeiten erhalten bleibe. Herr M. Reifenberg dankte für die erwiesene Ehrung in bewegten Worten. Weitere Ansprachen hielten die Herren Lehrer Sulzbacher - Biebrich und Katzenstein - Schierstein."    

   
Allgemeine Gemeindebeschreibung (1936!)

Schierstein GblIsrGF Juli1936.jpg (97339 Byte)Artikel im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom 20. Juli 1936: "Wiesbaden – Schierstein, Südwestecke von Groß-Wiesbaden, altes Fischerdorf, dessen Geschichte sich im Schatten von Wiesbaden und Biebrich vollzog; um 1200 Sitz der Ritter von Schierstein. Heute viel aufgesucht von Liebhabern frisch gekochter oder gebratener Rheinfische und von Besuchern des schönen Rheinstrandbades. – Verhältnismäßig hohe und strenge Synagoge, erbaut 1858. Rechts vom Toraschrein ein geschnitzter Holzständer mit reichem Blätter- und Früchteschmuck, gekrönt vom nassauischen Wappen. Er trägt zwei Tafeln mit dem Gebet für den Landesherrn. Das Ganze ist Geschenk ‚Seiner Erlaucht Herrn Grafen Wenzelaus Carl zu Leiningen-Billigheim’. Tempora mutantur: 1096 führt ein Vorfahr dieses Herrn, Graf Emicho zu Leiningen, die Scharen der Kreuzfahrer gegen die Juden zu Mainz, Worms und Speyer. – Schön geschnitzte Menorah links vom Oraun (Toraschrein) Älter als die Synagoge ist die hundertjährige Chewra (Wohltätigkeitsverein) Biebrich – Schierstein – Frauenstein. – Nun in zweistündigem Marsch den Rhein entlang durch Niederwalluf, wo niemals Juden wohnten, nach…"

  
Anschluss der in Schierstein und Frauenstein lebenden jüdischen Personen an die orthodoxe israelitische Religionsgesellschaft in Wiesbaden (1879)

Schierstein israelit 10121879.jpg (57358 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1879. "Wiesbaden, 30. November (1879). Sämtliche Mitglieder der israelitischen Kultusgemeinde Schierstein-Frauenstein sind unter Beachtung der desfallsigen Gesetzesvorschriften, also Erklärung vor dem Gerichte, aus der seitherigen Kultusgemeinschaft ausgetreten und werden sich nun der seit Anfang dieses Jahres dahier mit Korporationsrechten bestehenden orthodoxen israelitischen Religionsgesellschaft anschließen. Der Zweck dieses Austritts, der Aufsicht des reformatorischen Grundsätzen huldigenden Bezirksrabbiners Süskind überhoben zu werden, dürfte hiermit erreicht sein."

    
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
Otto Kahn wurde zum preußischen Offizier befördert (1916)  

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. September 1916: "Schierstein am Rhein. Vizefeldwebel und Inhaber des Eisernen Kreuzes Otto Kahn, Sohn des Gemeindeverordneten und Vorstehers der israelitischen Gemeinde Daniel Kahn, Inhaber der Firma Gebrüder Kahn, ist zum preußischen Offizier befördert worden."    

    
Hochzeitsanzeige für Otto Kahn und Emmi geb. Teutsch (1936)     

Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 30. Januar 1936:
"Otto Kahn   -  Emmi Kahn geb. Teutsch
Vermählte.

Wiesbaden/Schierstein  -  Venningen (Rheinland-Pfalz)
Trauung: Venningen 2. Februar 1936."      
Anmerkung: Otto Kahn und seine Frau Emmi Kahn geb. Teutsch wurden gemeinsam mit dem 1937 geborenen Sohn Walter 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, später nach Auschwitz, wo alle drei ermordet wurden.
Erinnerungsblatt im "Aktiven Museum Spiegelgasse" in Wiesbaden:  https://www.am-spiegelgasse.de/wp-content/downloads/erinnerungsblaetter/EB-Kahn-Otto.pdf 

    
Zum Tod des aus Schierstein stammenden Königlich Preußischen Kommerzienrates Joseph Baum (Inhaber einer Leinenhandlung in Wiesbaden (1917)       
Weitere Informationen zu Joseph Baum, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kaufmannserholungsheime 
Siehe u.a. https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/baum_joseph.php  
Zu dem 1913 eröffneten "Joseph-Baum-Haus" in Wiesbaden: https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/Joseph-Baum-Haus.php    
Über die Nassauische Leinenindustrie Joseph Maier Baum  https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/Nassauische_Leinenindustrie_Joseph_Maier_Baum.php (sc. die Firma wurde als kleines Geschäft in Schierstein gegründete und entwickelte sich in Wiesbaden zum bedeutenden Industrieunternehmen; nach dem Ersten Weltkrieg nach Frankfurt verlegt). 
Joseph Baum (1874-1917) und Hermann Baum (1877-1923) waren Söhne von Salomon Baum (1844-1899), des Mitinhabers der Textilfirma Nassauische Leinenindustrie Joseph Maier Baum.

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. April 1917: "Wiesbaden, 30. März (1917). In dem am Samstag, den 24. dieses Monats dahingegangenen Königlich Preußischen Kommerzienrat Joseph Baum ist nicht nur einer unserer hervorragendsten Kaufleute aus dem Leben geschieden, sondern auch ein Mann von tiefem sozialen Empfinden, ein aufrechter, gläubiger Jude, der mit der Liebe zu seinen Mitmenschen wie zur Natur einen weiten Blick dafür verband, was dem deutschen Kaufmann bislang mangelte. Durch Begründung der Kaufmannserholungsheime ist Baum im ganzen Deutschen Reiche bekannt geworden, und bei Gelegenheit der Eröffnung des Heims im Taunus wurde ihm die Ernennung zum Kommerzienrat vom Minister persönlich überbracht. Baum entstammte einer angesehenen jüdischen Familie in Schierstein im Rheingau. In jungen Jahren bereits übernahm er mit seinem .    
Bruder Hermann gemeinsam das väterliche Geschäft in Wiesbaden, eine große Leinenhandlung, die die beiden Herren durch Angliederung von Webereien zu hoher Blüte brachten..."  
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken.  

    
Zum Tod von Berta Katzenstein - Frau von Lehrer Arnold Katzenstein (1933)    

Schierstein JWz Nassau 24031933.jpg (118123 Byte)Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und Umgebung" vom 24. März 1933: "Frau Berta Katzenstein-Schierstein seligen Andenkens
Am Dienstag, den 14. März wurde in Schierstein Frau Berta Katzenstein zu Grabe getragen. Mit ihr ist eine der tätigsten und beliebtesten Jüdinnen unserer Gegend dahingegangen. Nicht zum wenigsten ihr Verdienst ist es, wenn Lehrer Katzenstein, mit dem sie in mehr als 40-jähriger Ehe verbunden war, der Vater des Rheingaues heißt. Die Wahrhaftigkeit ihrer jüdischen Frömmigkeit bewährten die Eheleute besonders, als sie in den Anfangsjahren des Jahrhunderts eine russische Pogromwaise übernahmen, und es völlig an die Stelle der ihnen versagten eigenen Kinder treten ließen. 
Am Grabe würdigte Herr Stadt- und Bezirksrabbiner Dr. Lazarus die Persönlichkeit und die Verdienste der Verstorbenen. Der jüdische Friedhofsteil konnte die große Zahl der Trauernden, Juden und Nichtjuden, bei weitem nicht fassen. L.L."       

  
Ein jüdischer Viehhändler wird auf Grund von NS-Bestimmungen verurteilt (1935) 

Schierstein Israelit 24101935.jpg (56071 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Oktober 1935: "Wiesbaden. Ein jüdischer Viehhändler aus Schierstein, der beschuldigt wurde, Ende August ein Kalb nach jüdischem Ritus geschächtet zu haben, was seinerzeit eine Erregung verursacht hat, die zu der Inschutzhaftnahme mehrerer jüdischer Einwohner geführt hat, wurde vom Wiesbadener Amtsgericht zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten unter Anrechnung von einem Monat Untersuchungshaft verurteilt."   

    
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Anzeige des Manufaktur-, Konfektions- und Schuhwarengeschäftes Carl Katz (1901)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. September 1901: 
"Lehrling
Suche
für mein Manufaktur-, Konfektions- und Schuhwarengeschäft einen Lehrling bei freier Kost und Logis. 
Carl Katz
, Schierstein am Rhein."    

        

Kennkarte aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarte des in Schierstein 
geborenen Eugen Schönberger
 
 Schierstein KK MZ Schoenberger Eugen.jpg (87871 Byte)    
   Kennkarte (ausgestellt in Mainz 1939) für Isaak Eugen Schönberger (geb. 5. November 1871 in Schierstein), 
Weiteres zu ihm und seiner Lebensgeschichte siehe Wikipedia-Artikel Eugen Schönberger (Fabrikant)    
 

       
       
     
  
Zur Geschichte der Synagoge      
   
Zunächst (in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts) wurden die Gottesdienste in einem Betraum abgehalten, wobei es sich um einen "kellerartigen, dumpf-feuchten Raum" (Arnsberg S. 270) gehandelt haben soll. 1853 beziehungsweise 1855 beschloss die Gemeinde den Neubau einer Synagoge und erwarb hierfür ein Grundstück in der damaligen Kirchstraße. 1858 konnte die Synagoge eingeweiht werden. Im Betsaal gab es 40 Männer-, auf der Empore 24 Frauenplätze. Graf Wenzelaus Carl zu Leiningen-Billigheim stiftete einen schön geschnitzten Holzständer mit dem nassauischen Wappen, der rechts vom Toraschrein aufgestellt wurde und mit reichem Blätter- und Früchtewerk verziert war, gekrönt vom nassauischen Wappen. Auf dem Holzständer waren zwei Tafeln mit dem Gebet für den Landesherrn angebracht. Da die Regierung für den Synagogenbau keine Unterstützung gegeben hatte, geriet die jüdische Gemeinde in eine finanzielle Notlage. Zudem verzogen in den folgenden Jahren mehrere Familien vom Ort.   
  
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch Brandstiftung zerstört. Eine Frau aus Schierstein hatte noch einige Kultgegenstände, Torarollen usw. retten und verbergen können.  
 
Nach 1945 ging das Synagogengrundstück mit der noch stehenden Ruine - nach Klärung des Restitutionsverfahrens - in den Besitz der Stadt Wiesbaden über.
 

Über den Gerichtsprozess gegen die des Synagogenbrandes verdächtigen SA-Leute
(Bericht in einer jiddischen Zeitung 1946)
Anmerkung: bei der Zeitung handelt es sich um "Undzer Wort: Wochn-Szrift / arojsgegebn durchn C.K. fun die bafraijte Jidn in Franken / אונדזער ווארט : וואכן שריפט / ארויסגעגבן דורכן צ.ק. פון די באפרייטע [...]. Dies war eine Wochenzeitung für jüdische Displaced Persons, die die Konzentrationslager überlebte hatten und in DP-Lagern vor allem in der amerikanischen Zone untergebracht waren. 

Artikel in der Zeitschrift "Undzer Wort" vom 3. Mai 1946: "Gericht farmiszept cweij hitleristn far farbrenen a jidisze sinagoge.  Das Landgericht Wiesbadn hot szabes d. 6. IV.1946 gemiszpet far untercindn un farnichtn di Schiersteiner sinagoge dem 10 Nowember 1938 di Nacis: Pikard, Häberle, Bill un Albert. Der gewezener S.A. Oberszturmfuhrer Pickard iz farmiszpet geworn oif 5 jor un der gewzner S.A. man Häberle cu 2 jor tfise. Di lecte czwej senen culib mangl in bawaijzn fraj geworn..." 
Übersetzung: Gericht verurteilt zwei Nationalsozialisten für das Verbrennen einer jüdischen Synagoge. Das Landgericht Wiesbaden hat am Samstag, den 6. April 1946 für das Anzünden und Zerstören der Schiersteiner Synagoge am 10. November 1938 die Nazis Pikard, Häberle, Bill und Albert verurteilt. Der früher S.A. Obersturmführer Pickard is verurteilt worden zu 5 Jahren und der früher SA-Mann Häberle zu 2 Jahren Gefängnis. Die zwei anderen sind wegen Mangel an Beweisen frei gekommen..."  

     
1967
wurde die Ruine bis auf geringe Reste der Umfassungsmauern abgebrochen. Diese wurden zusammen mit der Steinrosette aus der Ostwand der Synagoge in eine Gedenkstätte integriert, die am 20. September 1968 in Anwesenheit von Vertretern der Stadt Wiesbaden und der jüdischen Gemeinden in Wiesbaden und Frankfurt eingeweiht wurde. Bei der Einweihung sprachen unter anderen der Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden sowie die Herren Prof. Dr. Herbert Lewin (damals Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen) und Dr. Paul Arnsberg von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main.   
Zur "Gedenkstätte Synagoge" in Schierstein siehe auch  https://www.schierstein24.de/Wiesbaden-Rhein-Main-Hafen/ueber-schierstein/synagoge.php
   
    
Adresse/Standort der Synagoge        Bernhard-Schwarz-Straße 17 (früher Kirchstraße)   
    
   
    
Fotos          
(Quelle: Historische Innenaufnahmen aus http://www.vor-dem-holocaust.de: Foto links aus dem Stadtarchiv Wiesbaden, Fotos rechts aus der Sammlung von Dorothee Lottmann-Kaeseler)  

Historische 
Innenaufnahmen
 
Schierstein Synagoge 320.jpg (188886 Byte)  Schierstein Synagoge 321.jpg (337845 Byte)
   Innenansicht der Synagoge 
mit Blick zum Toraschrein 
 Das Foto oben wurde an der Goldenen Hochzeit 
des Ehepaares Salmon aus Frauenstein aufgenommen. 
Beim Foto links in der Synagoge ist u.a. der 
mit der Zahl "50" geschmückte Hochzeitsbaldachin 
zu erkennen. 
 
 
     
Die zerstörte Synagoge vor dem Abbruch Schierstein Synagoge 180.jpg (116843 Byte)    
    Die Synagogenruine, vermutlich Mitte der 1960er-Jahre
(Foto: Stadtarchiv Wiesbaden; das Foto wurde durch den damaligen städtischen Fotografen Joachim Weber aufgenommen;
es findet sich auch in P. Arnsberg Bilder S. 183)     
           
      
Foto von einer Gedenkveranstaltung,
 vermutlich 1994
(aus der Sammlung von 
Dorothee Lottmann-Kaeseler)
 Schierstein Dr Liebermann 010.jpg (182204 Byte)  
   Ansprache von Dr. Liebermann   
     
 Synagogengrundstück und Gedenkstätte im Sommer 2008  
Schierstein Synagoge 179.jpg (118383 Byte) Schierstein Synagoge 170.jpg (106206 Byte) Schierstein Synagoge 177.jpg (92917 Byte)
Blick auf das Grundstück der ehemaligen Synagoge mit der in den Gedenksteine eingefassten Steinrosette aus der Ostwand der Synagoge. Inschrift des Gedenksteines: "Diese Rosette schmückte die Ostwand der Synagoge, die bis zu ihrer mutwilligen Zerstörung am zehnten November 1938 an dieser Stelle stand und Mittelpunkt der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde war, bis diese in die Vernichtungslager verschleppt wurden. Diesen Gedenkstein errichtete die Stadt Wiesbaden zur Erinnerung und steten Mahnung. 
'Denn von Zion geht die Lehre aus und das Wort des Ewigen von Jerusalem: Kein Volk wird gegen ein anderes Volk mehr das Schwert erheben und sie werden nicht mehr das Kriegshandwerk erlernen'. Diese Worte schrieb der Prophet Jesaja am Anfang des zweiten Kapitels seines Buches vor etwa zweitausendsiebenhundert Jahren - MCMLXVIII." 
   
Schierstein Synagoge 176.jpg (108719 Byte) Schierstein Synagoge 173.jpg (124936 Byte) Schierstein Synagoge 174.jpg (111462 Byte)
Erhaltene Reste der Umfassungsmauer, die in die Gedenkstätte integriert wurden
   
   Schierstein Synagoge 172.jpg (118579 Byte)     
   Die am 19. September 2020 errichtete Gedenkstele mit Fotos und Informationen zur Geschichte der Synagoge
(Fotos: Walter Richters); eine Einweihungsfeier war für das Frühjahr 2021 geplant, jedoch wegen der Corona-Pandemie abgesagt.    
   
 Die beleuchtete Gedenkstätte (2021)
(Foto: Walter Richters)
 
   

    
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

September 2018: Bericht zur Zerstörung der Synagoge und der Geschichte des Gebäudes nach 1945     
Anmerkung: der Artikel erschien anlässlich einer geplanten Kranzniederlegung. Die Schiersteiner Kirchen und der Ortsbeirat erinnerten an die Zerstörung der Synagoge mit einer kleinen Veranstaltung und einer Kranzniederlegung am 20. September 2018, um 18 Uhr vor der Gedenkstätte in der Bernhard-Schwarz-Straße. Es wurde neben einer Kranzniederlegung ein geschichtlicher Abriss sowie ein 'Zeitzeugenbericht' zur Einweihung der Gedenkstätte vor 50 Jahren vorgetragen.  
Artikel von Anja Baumgart-Píetsch im "Wiesbadener Kurier" vom 15.  September 2018: "Die Feuerwehr durfte nicht löschen
In der Pogromnacht 1938 zerstörten Nazis die Schiersteiner Synagoge – unter den Augen neugieriger Zuschauer. Die Schiersteiner planen zu diesem Anlass eine Gedenkveranstaltung.

Julius Löwenthal hieß der einzige jüdische Mitbürger Schiersteins, der 1945 aus dem KZ Theresienstadt zurückkehrte. Alle anderen jüdischen Familien aus Schierstein wurden von den Nazis umgebracht. Ihre Synagoge wurde vor 160 Jahren, also 1858, in der damaligen Kirchstraße 15-17 eingeweiht. Sie diente 80 Jahre lang als Gotteshaus. In der Pogromnacht 1938 wurde sie zerstört, ihre Ruine stand bis in die Sechzigerjahre, bevor sie abgerissen wurde und 1968 an ihre Stelle die Gedenkstätte in der Bernhard-Schwarz-Straße trat – auch dies ein runder Gedenktag, ein halbes Jahrhundert. 'Vielleicht können die drei Daten ein Anlass sein, der jüdischen Schiersteiner Mitbürgerinnen und Mitbürger zu gedenken, die eine Bereicherung des Lebens in unserem Ort waren und denen wir dann so viel Leid angetan haben', sagt der stellvertretende Ortsvorsteher Walter Richters.
Bereits im 18. Jahrhundert im Verbund mit Frauenstein. Grundlage dieses Textes bildet die Broschüre 'Die jüdische Gemeinde Schierstein' von Lothar Bembenek, zusammengestellt im Auftrag der Grünen im Ortsbeirat 1988, sowie die Internetseite 'Alemannia judaica', für die Dorothee Lottmann-Kaeseler viele historische Informationen zusammengetragen hat. Demnach bestand die jüdische Gemeinde bereits seit dem 18. Jahrhundert, schon damals mit Frauenstein zusammengefasst. Rund ein bis drei Prozent der Einwohner Schiersteins waren Juden. Überwiegend waren sie Händler, in Frauenstein gab es mehrere Metzger. Es gab die Synagoge, eine Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Die Synagoge wird in einer Zeitschrift 1936 folgendermaßen beschrieben: 'Verhältnismäßig hohe und strenge Synagoge, erbaut 1858. Rechts vom Toraschrein ein geschnitzter Holzständer mit reichem Blätter- und Früchteschmuck, gekrönt vom nassauischen Wappen. Er trägt zwei Tafeln mit dem Gebet für den Landesherrn. Das Ganze ist Geschenk ‚Seiner Erlaucht Herrn Grafen Wenzeslaus Carl zu Leiningen-Billigheim’. 1096 führte ein Vorfahr dieses Herrn, Graf Emicho zu Leiningen, die Scharen der Kreuzfahrer gegen die Juden zu Mainz, Worms und Speyer'. 1933 lebten noch etwa 60 jüdische Personen in Schierstein. In den folgenden Jahren zogen viele fort oder wanderten aus.
In der Pogromnacht wurde nicht nur die Synagoge, sondern wurden auch Geschäfte und Wohnungen jüdischer Familien zerstört. Davon gibt es genaue Schilderungen, die aus den späteren Prozessen gegen die Täter stammen. 'D. und die ortsfremden SA-Angehörigen hatten bereits die äußere Umfriedung zerschlagen und waren dabei, mit ihren Äxten die Inneneinrichtung, den Altar, das Gestühl und Gebälk zu zertrümmern. Als das Holz jedoch nicht Feuer fangen wollte, erteilte der Angeklagte P. H. den Befehl, beim Mitangeklagten B. Benzin zum Anzünden der Synagoge zu holen. H. beschaffte sich ein Fahrrad, fuhr zu der Tankstelle des B., der ihm ohne weitere Fragen 2 Kanister Benzin aushändigte. … Wenige Minuten später stand die Synagoge in hellen Flammen. An diesem Anstecken beteiligte sich ein unmittelbarer Täterkreis von 5-6 Personen, um den sich ein äußerer Teilnehmerkreis von zahlreichen Neugierigen als Zuschauer gesammelt hatte.' Die Feuerwehr traf ein, hatte jedoch den Befehl, nur 'die angrenzenden Anwesen von einem Übergreifen des Feuers zu bewahren'. Erst nachdem die Synagoge völlig ausgebrannt war, wurde der Rest gelöscht. Anschließend wurde die Fetthandlung Kahn abgebrannt. Am Abend ging die Zerstörung weiter: Acht Minuten nach 21.30 Uhr erscholl bei der Familie Löwenthal in der Wallufer Straße 6 der Ruf 'Jud, Jud, Jud'. Frau Löwenthal öffnete und musste zusehen, wie mit Äxten und Rohren ihr gesamtes Wohnungsinventar zerstört und der Herd umgestoßen wurde, sodass der Fußboden brannte. 'Nach Fortgang der Täter löschte Löwenthal den Fußboden und richtete die Wohnung notdürftig mithilfe der Nachbarn wieder her.'
Vier Täter wurden nach dem Krieg verurteilt. Zu Zuchthausstrafen von zwei bis fünf Jahren wurden vier Täter nach dem Krieg verurteilt. Heute liest man auf dem Mahnmal, der übrig gebliebenen Rosette der Ostwand der Synagoge, unter anderem einen Spruch aus dem Buch Jesaja: 'Kein Volk wird gegen ein anderes Volk mehr das Schwert erheben und sie werden nicht mehr das Kriegshandwerk erlernen.' "  
Link zum Artikel  

    
   
 

    
Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Wiesbaden mit Seite zu Schierstein   
bulletWebsite SCHIERSTEIN24 mit Seite zur "Gedenkstätte Synagoge" https://www.schierstein24.de/Wiesbaden-Rhein-Main-Hafen/ueber-schierstein/synagoge.php (Seite auch als pdf-Datei eingestellt)
bulletWebsite der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden   
bulletWebsite des "Aktiven Museums Spiegelgasse" für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden e.V.  
bulletPresseartikel zur Verlegung des "Stolpersteines" für Alexander Bayerthal: in "Frankfurter Rundschau" vom 1. August 2007 und im "Wiesbadener Kurier" vom 1. August 2007 (pdf-Dateien)  
bulletWebsite "Bündnis 90/Die Grünen" Wiesbaden-Schierstein zu den Stolpersteinen in Schierstein  https://www.gruene-schierstein.de/info/bogen.htm?stolper   
bulletZur Seite über die jüdischen Friedhöfe in Schierstein (interner Link)  
bulletGenealogische Seiten zur Familie Baum aus Schierstein:  www.thekesters.net   

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 270-272. 
bulletders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 183.
bulletKeine Artikel zu Schierstein bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 beziehungsweise dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994.    
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 347-357.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 590.  

   
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Schierstein (now part of Wiesbaden) Hesse-Nassau. The community, which had members in nearby Frauenstein, engaged Jewish teachers and numbered 70 (2 % of the population) in 1895. Its synagogue was burned down on Kristallnacht (9-10 November 1938) and those who remained shared the fate of the Jews of Wiesbaden. 
     
      

                    
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge 

                      

 

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Stand: 30. Juni 2020