Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bad Camberg (Kreis Limburg-Weilburg) 
mit Steinfischbach (Gemeinde Waldems, Rheingau-Taunus-Kreis), 
Eisenbach (Gemeinde Selters, Kreis Limburg-Weilburg) und Walsdorf (Stadt Idstein, Rheingau-Taunus-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge 

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben  
Berichte zu einzelnen Personen / Familien     
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
    
In Camberg bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Bereits im 15./16. Jahrhundert gibt es einzelne Nennungen jüdischer Einwohner. Im 30-jährigen Krieg litten die Juden der Stadt in derselben Weise unter den Folgen des Krieges wie die Christen. Drei Schwestern eines Camberger Juden seien damals an Hunger gestorben; er selbst habe die Zeit nur knapp überlebt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts konnten mehrere jüdische Familien zuziehen: 1726 gab es 10 jüdische Familien in der Stadt, 1731 7, 1770 10, 1780 5 Familien. 1792 wurden 26 jüdische Personen in vier Familien (einschließlich 2 Witwen) gezählt.  
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1822 46 jüdische Einwohner, 1842 82, 1871 102 (4,9 % von insgesamt 2.073 Einwohnern), 1880 115 (4,9 % von 2.357), 1885 108 (4,6 % von 2.373), 1895 86 (3,6 % von 2.386), 1905 92 (3,7 % von 2.511). Die jüdischen Familien lebten vor allem vom Handel mit Pferden, landwirtschaftlichen Produkten (Fruchthandel), Spezerei- und Ellenwaren u.a.m. Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es mehrere Handlungen beziehungsweise Läden in der Stadt, die jüdischen Familien gehörten.
 
Zur jüdischen Gemeinde Camberg gehörten auch die in Eisenbach, Steinfischbach (nach Auflösung der dortigen Gemeinde 1907) und Walsdorf lebenden jüdischen Personen. In diesen Orten entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: Eisenbach: 1843 20, 1905 6, 1924 19 jüdische Einwohner; Steinfischbach: 1843 27, 1905 17, 1924 2 jüdische Einwohner, Walsdorf: 1843 11 jüdische Einwohner. 
   
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. 1879 hatte die Gemeinde 30 schulpflichtige Kinder, 1900 noch 14. Langjähriger Lehrer der Gemeinde war um 1900 Ferdinand Heymann. Nach seiner Pensionierung wurde er 1911 ausgezeichnet (s.u.). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Wiesbaden. 
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Sanitäts-Gefreiter Alfred Oppenheimer (geb. 12.6.1893 in Camberg, gef. 25.9.1915). Außerdem ist gefallen: Heinrich Stern (geb. 8.11.1894 in Camberg, vor 1914 in Creglingen wohnhaft, gef. 25.12.1918, Name auf dem Gefallenendenkmal in Creglingen).      
   
Um 1924, als zur Gemeinde 72 Personen gehörten (in etwa 15 Familien, 2,9 % von insgesamt 2.519 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Moritz May, M. Lewenberg und Hermann Oppenheimer. Als Lehrer und Kantor war noch Lehrer a.D. Ferdinand Heymann tätig; der Religionsunterricht wurde durch Lehrer Hirsch Frank aus Idstein erteilt. Damals hatte die jüdische Gemeinde fünf schulpflichtige jüdische Kinder (1932 weder sieben Kinder). An jüdischen Vereinen bestanden der Armen- und Wohltätigkeitsverein (1924 ca. 20 Mitglieder, 1932 Vorsitzender Alfred Landau) und der Verein für jüdische Geschichte und Literatur (Literaturverein; ca. 20 Mitglieder unter Leitung von Moritz Landau). 1932 wurden 57 Gemeindeglieder gezählt. Damals gehörten zum Gemeindevorstand Alfred Landau (1. Vors.), Hermann May (2. Vors.) und David Liebmann (3. Vors.). 
    
1933 lebten noch 63 jüdische Personen in Camberg. In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde durch SS-Leute die Synagoge eingerissen (s.u.). Danach wurden die Privat- und Geschäftshäuser der Familien Liebmann, Hermann May, Blumenthal, Adolf Kahn und Goldschmidt überfallen, geplündert und demoliert. Es kam zu Tätlichkeiten gegenüber den Bewohnern. Das Ehepaar May flüchtete in der Verzweiflung auf den jüdischen Friedhof und harrte dort aus. 1939 wurden nur noch 19 jüdische Personen in der Stadt gezählt. Die letzten jüdischen Einwohner waren im Juni 1942 die Eheleute David und Johanna Liebmann. Sie mussten in diesem Monat Camberg verlassen und wurden zwangsweise nach Frankfurt umgesiedelt, von wo sie einige Wochen später deportiert wurden.   
      
Von den in Camberg geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Seligmann Siegfried Bachenheimer (1871), Jettchen Blumenthal geb. Nachmann (1856), Emma Brasch geb. May (1867), Gustav Eschenheimer (1865), Jeanette Eschenheimer geb. Goldschmidt (1865), Irma Fleischer geb. May (1894), Rachel Herzko (1941), Johanetta (Jaquette) Heumann geb. Landau (1860), Louis Heymann (1879), Otto Heyum (1902), Therese Heyum geb. Kaiser (1906), Emilie Hirschberg geb. Rosenberg (1860), Adolf Kahn (1884), Dora Kahn geb. Mainzer (1885), Heinrich Kaiser (1875), Henriette (Jettchen) Landau (1867), Karl Landau (1858), Frida Lehmann geb. Landau (1862), Daniel Levi (1870), David Liebmann (1879), Johanna Liebmann geb. Oppenheimer (1879), Ernst Löwenberg (1899), Moritz Löwenberg (1879), Hermann Löwenthal (1867), Irma Löwenthal (1908), Regina Löwenthal geb. Heyum (1873), Albert May (1883), Emma May (1874), Hedwig May geb. Leopold (1870), Siegmund May (1879), Recha Oppenheimer (1882), Ellen Piller geb. Schwarz (1908), Herta Rosenthal geb. Landau (1888), Ida Rosenthal geb. Aumann (1890), Klara Rubens geb. Würzburger (1888), Flora Schild geb. Aumann (1883), Lucie Sichel geb. Oppenheimer (1890), Hermann Steinberg (1887), Sally Würzburger (1879). 
  
Hinweis: Mitte Februar 2014 wurden die ersten "Stolpersteine" in Bad Camberg verlegt, darunter in der Frankfurter Straße 8 für Siegfried Seligmann Bachenheimer und Paula Bachenheimer geb. Stern, die Inhaber einer Möbelhandlung in der Frankfurter Straße 8 waren (vgl. Dokumentationsblatt für das Ehepaar), weiter in der Obertorstraße 11 für Recha Oppenheimer, in der Obertorstraße 39 für Adolf Kahn und Dora Kahn, am Neumarkt 11 für Johanna Liebmann und David Liebmann; in der Frankfurter Str. 32 für Moritz May und Hedwig May; in der Limburger Straße 17 für Irma Löwenthal, Herrmann Löwenthal und Regine Löwenthal; in der Bahnhofstraße 12 für Daniel Levi.  Link zu "Stolpersteine in Bad Camberg". Dazu Flyer zur Verlegung der Stolpersteine in Bad Camberg im Februar 2014. Weitere sieben "Stolpersteine wurden verlegt am 15. Mai 2015 und zwölf am 3. November 2018. Insgesamt liegen (Stand 2020) 32 "Stolpersteine" in der Stadt. vgl. www.stolpersteine-bad-camberg.de     
     

Von den in Steinfischbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Adolf Kahn (1884), Jettchen Neumann (1869), Henri Nussbaum (1903), Ida Rothgießer geb. Kahn (1881).   
   
Von den in Eisenbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Albert Aumann (1903), Klotilde Aumann (1899), Rosalie Aumann geb. Marx (1861), Selma Aumann (1898), Sigmund Aumann (1895), Mathilde Mannheimer geb. Aumann (1901), Hildegard Stein geb. Cohn (1896), Berta Strauss geb. Aumann (1897).    
  
  
  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet (1924)    

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 6. März 1924: 
"Wir suchen sofort oder eventuell später einen 
Religionslehrer und Kantor

Seminaristisch gebildete Herren mit guten Stimme wollen sich unter Beifügung von Zeugnisabschriften und Angabe ihrer Gehaltsansprüche an den Unterzeichneten werden. 
Camberg
(Taunus). Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde. Moritz May".   

     
Über Lehrer Josua Thalheimer (Bericht von 1905; um 1870 Lehrer in Camberg)        

Falkenstein FrfIsrFambl 12051905.jpg (33365 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Mai 1905: "Falkenstein im Taunus. Am 1. Mai schied der hiesige israelitische Lehrer Thalheimer aus seiner beinahe 35 Jahre innegehabten Stellung, um in den Ruhestand zu treten. Seine Amtstätigkeit begann er 1855 in Hochheim am Main, wirkte in Schierstein, Lorsbach und Camberg, um dann anfangs der 70er-Jahre zunächst nach Königstein und 1875 nach Falkenstein überzusiedeln". 
Anmerkung: unklar ist die Nennung von Lorsbach, da es dort zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde gab, vermutlich auch zu keiner Zeit mehrere jüdische Familien gelebt haben. 

        
Auszeichnung des pensionierten Religionslehrers Ferdinand Heymann (1911)  

Camberg Israelit 27071911.jpg (24805 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juli 1911: "Camberg, Hessen-Nassau, 19. Juni (1911). Dem pensionierten Religionslehrer der hiesigen jüdischen Kultusgemeinde, Ferdinand Heymann, wurde der Adler der Inhaber des Hausordens von Hohenzollern verliehen."

   
Lehrer Reichenberg wird neuer Lehrer der Gemeinde Alsheim (1912)  

Alsheim FrfIsrFambl 08031912.jpg (11473 Byte)Meldung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. März 1912: "Alsheim (Rheinhessen). Herr Reichenberg - Camberg wurde zum Lehrer unserer Gemeinde gewählt."

     
Hinweis auf den Anfang der 1920er-Jahre kurze Zeit in Camberg tätigen Lehrer und Kantor Siegmund Friedemann (1902-1984)
  

Hachenburg SFriedemann 010.jpg (19890 Byte)Über den Lebenslauf von Kantor Siegmund Friedemann informiert ein französischer Artikel von Joë Friedemann in judaisme.sdv.fr: Link zu diesem Artikel (auch als pdf-Datei eingestellt    
Siegmund Friedemann ist am 3. April 1902 in Altstadt-Hachenburg geboren. Er ließ sich am "Bildungsseminar für Jüdische Lehrer" in Hannover ausbilden. Nach abgeschlossenem Studium war er in Camberg tätig, anschließend in Wallau. 1926 trat er Stelle des Lehrers und Kantors in Merzig an. Hier heiratete er Herta geb. Kahn. Seit 1930 war er in Saarbrücken tätig. Im Oktober 1936 trat er in den Dienst der Gemeinde von Saverne (Zabern). Nach dem deutschen Einmarsch folgten Jahre, die durch Internierung, Flucht und ständige Bedrohung geprägt waren. Seit 1946 wieder im Dienst von Gemeinden im Bereich Elsass-Lothringen: Sarrebourg, Belfort und Sarreguemines.        

  
  
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben  
Vortrag im "Verein für jüdische Geschichte und Literatur" (1908)  

Camberg FrfIsrFambl 28021908.jpg (37665 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. Februar 1908: "Camberg. Im hiesigen 'Verein für jüdische Geschichte und Literatur', der voriges Jahr von Herrn Lehrer O. Schwarz gegründet wurde, sprach letzten Sonntag vor einer sehr zahlreichen Zuhörerschaft Herr Leopold Perlmutter aus Frankfurt am Main über 'Moses Mendelssohn'."  
   
Camberg Israelit 19031908.jpg (97167 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. März 1908: "Camberg, 23. Februar (1908). Im hiesigen 'Verein für jüdische Geschichte und Literatur' sprach letzten Sonntag vor einer sehr zahlreichen Zuhörerschaft Herr Leopold Perlmutter aus Frankfurt am Main über 'Moses Mendelssohn'. Von einem allgemeinen Überblicke auf die damaligen Zeitverhältnisse ausgehend, schilderte der Redner den Weltweisen und bot ein eingehends und übersichtliches Bild von dem Leben Mendelssohns und seinem Wirken als Philosophen, indem er seine hauptsächlichsten Werke anführte und besprach. Größeren Raum nahm die Darstellung der Tätigkeit Mendelssohns für die Juden ein, die der Redner in drei Teile zerlegte: 1. in Gegenwartsarbeit, die in dem Eintreten Mendelssohns für die bedrängte Lage einzelner jüdischer Gemeinden gestand, 2. in apologetischen Schriften, in denen er die Vorurteile, die selbst gebildete Christen gegen die Juden hatten, zu widerlegen wusste, 3. in der Bibelübersetzung. Reicher Beifall lohnte den Redner für die mit ehrlicher Begeisterung und hinreißendem Schwunge vorgetragenen Ausführungen."  

  
Vortrag des "Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten" (1933)         

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und Umgebung" vom 10. Februar 1933: '"Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten (R.J.F.) im Taunus. In der Synagoge Camberg sprach Kamerad Lilienthal Sonntag Abend in gedrängten Ausführungen über die Lage des deutschen Judentums. Er wies auf die ernsten Möglichkeiten hin, vor denen wir stehen, z.B. öffentliche und private Benachteiligung auf den Gebieten der Kunst und Wissenschaft, Erziehung, Wirtschaft, politische Geltung. Gegenmittel: Gegenseitig Hilfe, möglichste Behauptung unserer bisherigen Positionen mit Hilfe derer, die uns nicht hassen, sondern für das Recht zu streiten bereit sind, auch wenn es das Recht des jüdischen Bürgers gilt; absolute Ehrlichkeit im Handel und Wandel; Schaffung von Darlehnskassen, Genossenschaftsbanken, Unterstützung jüdischer Kreditbedürftiger, endlich der Glaube an unsere gute Sache. - Kamerad Moritz Landau, der die erschienene Gemeinde sowie den Redner begrüßt hatte, dankte dem letzteren für seine Ausführungen und dem RJF, der mit der Orientierung der Landgemeinden in dankenswerter Schnelligkeit wieder eingesetzt habe."                 

  
Gemeindebeschreibung aus dem Jahr 1937 (!)  

Camberg GblIsrGF Juni 1937 21.jpg (162579 Byte)Artikel im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom Juni 1937 S. 21: "Camberg. 2.600 Einwohner. Altes schönes Städtchen im fruchtbaren 'goldenen' oder 'Camberger Grund'. Erscheint 1157 als Dorf Kamberch, erhält 1281 von Rudolf von Habsburg Stadtrechte, gehört nacheinander Dillenburg, Eppstein, Katzenellenboden, Kurtrier; meist zweien zugleich. 1806 kommt es an Nassau, 1866 an Preußen. - Eine Stadt der Gegensätze: 1663 hat Camberg schon eine Apotheke, also früher als z.B. Wiesbaden, und zur gleichen Zeit ist es eine Hochburg der Hexenprozesse. Mehr als ein Dutzend 'Hexen' und 'Zauberer' werde allein im 17. Jahrhundert hier verbrannt oder aufs Rad geflochten. - Heute ist Camberg modernes und von Jahr zu Jahr besser besuchtes Diät- und Kneippbad.
Juden saßen spätestens in der Zeit des 30jährigen Krieges hier. Es wird berichtet, dass einem Camberger Juden 3 Schwestern gegen Ende des Krieges Hungers gestorben seien, und er selbst sei demselben Schicksal nahe gewesen. 1790 bei etwa 1130 Einwohnern 27 Juden. Deren gutes Verhältnis zur Bevölkerung ist dadurch bezeigt, dass 1825 in einer 25.000 Gulden-Stiftung des katholischen Regierungsrats Lieber ausdrücklich bestimmt wird, auch unverschuldet arme Judenfamilien seien vom Genuss der Stiftung nicht ausgeschlossen. 1879 hat die Gemeinde 101 Seelen, darunter - welch märchenhafter Reichtum - 30 schulpflichtige Kinder gegenüber 389 katholischen und 8 protestantischen Kindern. 1900 sind unter 86 jüdischen Seelen noch 14 Schulkinder; 1924 sind es noch 15, 1937 etwa 6 Familien. Die Synagoge klein, aber würdig, aus der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts. - Camberg besitzt einen recht sehenswerten Marktplatz mit schönen Fachwerkhäusern, alte Festungstürme und -Tore, einzelne schön geschnitzte Giebel (Amtshof!). - Von Camberg mit der Bahn über das schon besprochene Idstein nach dem jungen Luftkurort Niedernhausen. Sehr schöner Aufstieg zum Feldberg und prächtige Wanderung über den Kellerskopf nach Wiesbaden. - ..."

  
  
Berichte zu einzelnen Personen / Familien   

Über das Schicksal der Familie Moritz und Hedwig May geb. Leopold in Bad Camberg (Informationen von Martina Hartmann-Menz)       
Bad Camberg May 010.jpg (131130 Byte)Links: Familienfoto: Urgroßvater Julius Leopold aus Nastätten, auf seinem Schoß Arnold und Sylvia, (stehend) Irma Fleischer geb. May, (r.) Hedwig May, auf ihrem Schoß Enkelin Susan; auf dem Foto fehlt der Ehemann von Hedwig May bzw. Vater/Großvater Moritz May.
     

Zur Geschichte der Familie May sind Beiträge von Martina Hartmann-Menz eingestellt:  
- Dokumentation (pdf-Datei) zur Verlegung eines Stolpersteines für Hedwig May geb. Leopold (geb. 1870 in Nastätten, 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet)      
- Dokumentation (pdf-Datei) zur Verlegung eines Stolpersteines für Moritz May  (geb. 1865 in Bad Camberg, gest. 1942 in Frankfurt und dort beigesetzt)       
         
Fotos (erhalten von Martina Hartmann-Menz)        
Bad Camberg May 016.jpg (266084 Byte) Bad Camberg May 015.jpg (128854 Byte) Bad Camberg May 018.jpg (120344 Byte) Bad Camberg May 017.jpg (145385 Byte) Bad Camberg FFm May 016.jpg (132960 Byte)
Moritz May als Mitglied des
 Camberger Taunusklubs
 (Quelle: A. Schorn: Camberg
 in Wort und Bild 1904 S. 120
)
Wohn- und Geschäftshaus 
der Familie May in 
Bad Camberg, Frankfurter
 Straße 32 
Haus Guiolettstraße 59 in
 Frankfurt, Wohnung der Mays
 nach der Flucht aus Camberg 
(hier starb Moritz May) 
Grab von Moritz May auf dem
 Neuen Jüd. Friedhof Ffm
 Eckenheimer Landstraße

Querachse 1/links 5 
Gedenkstein für Hedwig May
 an der Mauer des jüdischen
 Friedhofes Battonnstraße

in Frankfurt am Main 

     
 Hinweis auf Ruth Pappenheimer (1925-1944; 1941 bis 1943 in der Haus- und Landarbeitsschule Bad Camberg)   

Ruth Pappenheimer ist 1925 in Dornheim geboren als Tochter des nach der Deportation ermordeten Julius Pappenheimer und der Martha geb. Noll-Hussong und wurde - nach ihrer Zeit von April 1941 bis Februar 1943 in der Haus- und Landarbeitsschule Bad Camberg - 1944 auf dem Kalmenhof in Idstein ermordet. Über ihr Leben und ihre Ermordung durch den Psychiater Hermann Wesse auf dem Kalmenhof (in der NS-Zeit Zwischenanstalt für die NS-Tötungsanstalt Hadamar) berichtet der Wikipedia-Artikel "Ruth Pappenheimer".       
Zur Geschichte von Ruth Pappenheimer siehe Beitrag von Martina Hartmann-Menz: "Ruth Pappenheimer" (pdf-Datei)  
Zur Geschichte von Julius Pappenheimer (geb. 1892 in Dornheim, ermordet 1942) und seiner Familie 
siehe Beitrag von Martina Hartmann-Menz: "Julius Pappenheimer"  (pdf-Datei)      
   
Unten: Fotos von der Verlegung des "Stolpersteines" für Ruth Pappenheimer am 21. Juni 2013 in Frankfurt am Main, Gallusviertel, Krifteler Straße 103. Die Patenschaft für den Stein wurde von der evangelischen Kirchengemeinde (Friedenskirche) übernommen. 
(Fotos erhalten von Martina Hartmann-Menz)  
 Dornheim RPappenheimer Sto 020.jpg (60065 Byte) Dornheim RPappenheimer Sto 021.jpg (75076 Byte) Dornheim RPappenheimer Sto 022.jpg (75638 Byte) Dornheim RPappenheimer Sto 023.jpg (79594 Byte) Dornheim RPappenheimer Sto 024.jpg (78667 Byte)
         

Camberg Nv 03-001.jpg (350738 Byte)Artikel in der "Nassauischen Neuen Presse" vom 21. September 2013 (Link zum Artikel): "Bad Camberg: Ein dunkles Kapitel
Historikerin entdeckt unbekannte NS-Institution. 

Mitten in Bad Camberg befand sich eine in der Region bisher nahezu unbekannte NS-Institution mit überregionaler Relevanz und Funktion. Seit dem Jahr 1937 war dort die Haus- und Landarbeitsschule untergebracht. Die heimische Historikerin Martina Hartmann-Menz hat sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt. 
Bad Camberg. Haus- und Landarbeitsschule - der Name steht nicht für das, was man erwartet. Es handelte sich um eine vom Anstaltsdezernenten des Bezirksverbands Nassau, Fritz Bernotat, dem Organisator des systematischen Krankenmordes in Hessen-Nassau, unter dem Dach des Frankfurter 'Vereins für Volkspflege' gegründete Fürsorgeeinrichtung für junge Mädchen. Diese wurde als Modellprojekt der NS-Fürsorgeerziehung zwischen 1937 und 1945 überregional beworben und war in Struktur und Organisationsform als demonstrativer Gegenentwurf zu kirchlichen Fürsorgeeinrichtungen gedacht..." 
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung oder "Link zum Artikel" anklicken.      

    
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe    
Anzeige des Manufaktur-, Herren- und Damen-Konfektionsgeschäfts Jacob Stern (1891)      

Camberg Israelit 14051891.jpg (33042 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1891: "Suche per sofort für mein Manufaktur-, Herren- und Damen-Konfektions-Geschäft, welches Sonn- und Feiertage geschlossen ist, einen Lehrling gegen entsprechende Vergütung. Jacob Stern, Camberg, Bezirk Wiesbaden."    

  
Suche einer Lehrlingsstelle (1901)
    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. September 1901: "Einjährig-Freiwilliger, 17 Jahre alt, sucht Lehrlingsstelle 
in einem Export-Geschäft. Freie Station erwünscht. Offerten beliebe man an L.O. postlagernd Camberg, Regierungsbezirk Wiesbaden, zu richten."   

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge      
  
Eine Synagoge (Judenschule) wird seit 1770 genannt. Vermutlich handelte es sich um einen Betraum in einem der jüdischen Häuser oder bereits um ein selbständiges Gebäude. 

1838 wurde eine eine Synagoge in einem ehemaligen Brauhaus eingebaut, das im Jahr zuvor von der jüdischen Gemeinde gekauft werden konnte. Die Synagoge hatte 41 Männer- und 24 Frauenplätze.

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SS-Leute geschändet und eingerissen. Auf eine Niederbrennung wurde mit Rücksicht auf die angrenzenden Häuser, die nichtjüdischen Familien gehörten, verzichtet. 

Am 8. November 1991 wurde auf Initiative des Vereins Historisches Camberg an der Stelle der ehemaligen Synagoge eine bronzene Gedenktafel angebracht. Sie trägt die Inschrift: "Und haben bis zum Grunde alle Stätten deines Namens entweiht. Psalm 74,7b. Auf der Hoffläche dieses Anwesens stand die Camberger Synagoge. In der Pogromnacht am 09. November 1938 wurde die Synagoge geschändet. Zu diesem Zeitpunkt lebten 69 jüdische Mitbürger in unserer Stadt. Einige konnten noch rechtzeitig auswandern, andere wurden in Konzentrationslagern ermordet. Das Schicksal von vielen ist ungewiss. 1945, am Ende der Naziherrschaft, lebten keine jüdischen Mitbürger mehr in Camberg. Möge diese Tafel mahnen, zu allen Zeiten und unter allen Bedingungen für das Recht und die Würde aller Menschen einzustehen."
  
  
Adresse/Standort der Synagoge    Schmiedegasse 4   
  
  
Fotos
(Quelle: Arnsberg Bilder S. 32)  

Historische Aufnahmen Camberg Synagoge 010.jpg (155452 Byte) Camberg Synagoge 011.jpg (130791 Byte)
     Das Synagogengebäude 
vor 1938
Die Zerstörung des Gebäudes 
beim Novemberpogrom 1938
          
Synagogengrundstück und 
Gedenktafel im März 2009

(Fotos: Inge Densch)
Bad Camberg Synagoge 171.jpg (64044 Byte) Bad Camberg Synagoge 172.jpg (75485 Byte)
   Synagogengrundstück (links) und Gedenktafel (Text siehe oben).
       
        
  Synagogengrundstück, Gedenk- 
und Hinweistafel im August 2009
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 21.8.2009)  
Bad Camberg Synagoge 152.jpg (76849 Byte) Bad Camberg Synagoge 151.jpg (68268 Byte)
  Das Synagogengrundstück; am Haus rechts (Schmiedgasse 2) die Gedenktafel.
      
    Bad Camberg Synagoge 153.jpg (67942 Byte) Bad Camberg Synagoge 150.jpg (78937 Byte)
    Rechts Gedenktafel (Text siehe oben), links Hinweistafel am Haus Schmiedgasse 2: 
"Das Haus ist im Jahre 1700 erbaut und erhält später an der linken Seite einen Anbau... 
Eine Gedenktafel erinnert an die 1938 zerstörte Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde, 
die sich an das Gebäude anschloss."  

  
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

Februar 2014: Erste Verlegung von "Stolpersteinen" in Bad Camberg    
Artikel von Gertrud Brendgen in der "Frankfurter Neuen Presse" vom 14. Februar 2014: "'Nicht warten, bis es wieder brennt'.
13 Stolpersteine in Bad Camberg
Vor sieben Häusern wurden Steine in den Bürgersteig eingelassen, um an jüdische Mitbürger zu erinnern , die in den Tod geschickt wurden..." 
Link zum Artikel       
Artikel von Manfred Disper in mittelhessen.de vom 16. Februar 2014: "Stolpern gegen das Vergessen. 
Holocaust. 13 Steine erinnern in Bad Camberg an Opfer der NS-Zeit..."  
Link zum Artikel     
 
Mai 2015: Das Bürgerprojekt "Alte Jüdische Schule" wird offiziell übergeben   
Artikel von Gertrud Brendgen in der "Frankfurter Neuen Presse" vom 27. Mai 2015: "Eröffnung der Alten Jüdischen Schule 'Bad Camberg ist meine Heimat'
In einer Feierstunde im Kurhaus Bad Camberg wurde das Bürgerprojekt 'Alte Jüdische Schule' offiziell übergeben. Es prickelte förmlich im Kurhaus. Und das nicht nur, weil zu Beginn der Veranstaltung zum Sekt-Empfang geladen war. Eine Mischung aus Spannung, Freude, aber auch Erleichterung war zu spüren. Erleichterung darüber, dass sechs arbeitsreiche Jahre von Erfolg gekrönt wurden. Freude darüber, dass so viele Menschen Anteil daran nahmen. Und natürlich Spannung, wie der große Tag nun seinen Lauf nehmen würde. Die Liste der prominenten Gäste, die Doris Ammelung vom Verein 'Historisches Bad Camberg' begrüßte, war lang und zeugte vom großen Interesse an dem Bürgerprojekt. Dass darüber hinaus 32 ehemalige Bad Camberger jüdischen Glaubens beziehungsweise deren Nachkommen aus verschiedenen Ländern angereist waren, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen, war für die Verantwortlichen eine besondere Wertschätzung der geleisteten Arbeit.
Einige dieser Gäste bereicherten die Veranstaltung mit bewegenden Grußworten. Ruth Akron (93), die einst in Camberg lebte, war aus Israel angereist. Sie sagte: 'Bad Camberg ist meine Heimat, Israel mein Zuhause.' Sylvia Hurst (90) kam aus England. Sie verbrachte als Kind häufig ihre Ferien bei den Großeltern in Bad Camberg und erzählte von ihren Erinnerungen. Bei allen lobenden Worten, die das Bürgerprojekt im Rahmen der Veranstaltung von prominenter Seite erfuhr, war dies vielleicht die lohnendste Anerkennung für das ehrenamtliche Engagement: 'You made our Day (Sie haben uns den Tag versüßt)!' bedankte sich Doris Ammelung vom Verein Historisches Camberg bei diesen Gästen am Ende sichtlich bewegt.
Kontroverse Debatten. Doch zuvor gab es Rückblicke auf die vergangenen sechs Jahre: Bürgermeister Wolfgang Erk (SPD) beschrieb den 'politischen' Werdegang des Projekts. Er erinnerte an die durchaus kontrovers geführten Debatten im Stadtparlament bis hin zum Beschluss, das Anwesen für 17 500 Euro zu erwerben und dem Verein zu übereignen. Darüber hinaus wurden 170 000 Euro aus dem Etat für die Altstadtsanierung dem Projekt zur Verfügung gestellt, für weitere Mittel musste der Verein selbst sorgen. 'Die damals vereinbarten Zahlen wurden eingehalten. Der Verein kümmerte sich um Spenden und leistete selbst etwa 3000 ehrenamtliche Arbeitsstunden', berichtete Erk. Er dankte dem Verein auch dem Architekten-Team Stephan Dreier, Hermann Birkenfeld und Doris Ammelung für die großartige bauliche Umsetzung. Sein besonderer Dank galt Walter Lottermann, der 2010 verstarb. Er hatte das Projekt damals mit ins Leben gerufen.
Vorbildliche Initiative. Architekt Dreier gab einen spannenden Überblick über die historische Bedeutung des Anwesens in der Hainstraße und die Bauphasen anhand beeindruckender Bilder und Zahlen. Ruth Wagner, Staatsministerin a. D., machte in ihrer Rede deutlich, wie wichtig das Erinnern ist und lobte die Initiative der Bürgerschaft als vorbildlich.
Danach war die Reihe an den Gästen jüdischen Glaubens, ihre Grüße und Dankbarkeit, aber auch Ermahnungen gegen das Vergessen in Worten oder Musik, wie der Jazz-Pianist Ted Rosenthal, auszudrücken. Angereist waren sie aus den USA, Israel, der Schweiz, Brüssel und England. Für Betroffenheit sorgte die darauf folgende Ansprache von Phillipe Pierret, dem Direktor des jüdischen Museums Brüssel. Er berichtete von dem Attentat in Brüssel: Ein Mann hatte am Samstag im Museum um sich geschossen und dabei zwei jüdische Besucher aus Tel Aviv, einen belgischen Besucher und eine Mitarbeiterin getötet. In einer Schweigeminute gedachte man der Opfer.
Grußworte der Vereine und einen Geldumschlag überbrachte Roman Pflüger. Musikalisch aufs Feinste umrahmt wurde der Festakt vom Cellisten Christopher Herrmann. Danach bot sich die Gelegenheit, die Alte Jüdische Schule zu besichtigen. Wobei Doris Ammelung darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die 'Alte Jüdische Schule nicht als Gedenkstätte verstanden werden soll, sondern vielmehr als Dokumentationszentrum, das die in weiten Bereichen verlorene Stadtbefestigung virtuell auferstehen lassen und das Wissen um die von den Nationalsozialisten zerstörte jüdische Gemeinde Cambergs aufrecht erhalten soll'."   
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Juli 2020: Broschüre zu den "Stolpersteinen" in Bad Camberg jüdischen Geschichte in zweiter Auflage erschienen   
Artikel von Gundula Stegemann in der "Frankfurter Neuen Presse" vom 26. Juli 2020: "Die Schicksale hinter den Stolpersteinen. Bad Camberg: Broschüre soll an Greueltaten der NS-Zeit erinnern
Zweite überarbeitete Auflage ist jetzt erhältlich.
Bad Camberg
-'Hier wohnte Pauline Bachenheimer geb. Stern Jahrgang 1869, unfreiwillig verzogen 1942, Frankfurt am Main, gedemütigt, entrechtet, tot 19. August 1942' ist auf einem Stolperstein vor dem Haus der heutigen Frankfurter Straße 8 zu lesen. Der Stein erinnert an das Schicksal einer Frau im Alter von 73 Jahren. Wer war sie? Was mag in ihr vorgegangen sein in den Tagen und Monaten, bevor ihr Leben endete? Was musste sie erdulden? Und all die anderen jüdischen Mitbürger, die damals das Leben nicht nur in Camberg, sondern überall in Deutschland mit prägten? 1942 wurde das jüdische Leben, so wie es bis dahin in Camberg wie auch andernorts in Deutschland und Europa gab, ausgelöscht - aber die Spuren der ehemaligen Mitbürger bleiben. Die Erinnerung an sie lebt fort, unter anderem in der Broschüre 'Stolpersteine in Bad Camberg. Biografien, Schicksale und Hintergründe - Erinnern für die Zukunft', die jetzt in zweiter überarbeiteter Auflage erschienen ist. In der Broschüre werden die Biografien und Schicksale der 32 Opfer des NS-Regimes, für die in Bad Camberg Stolpersteine verlegt wurden, geschildert und die geschichtlichen Hintergründe beleuchtet. Die jüdischen Bürger wurden deportiert und fanden in verschiedenen Vernichtungslagern den Tod. 1942 gab es in Camberg keine Juden mehr. Eine fast 300-jährige jüdische Gemeinde wurde vernichtet, die mit ihren Menschen und Gebäuden in erheblichem Maße das kulturelle und wirtschaftliche Leben in Camberg gestaltet hatte.
Das Schicksal der Eschenheimer.
Zur jüdischen Gemeinde in Camberg gehörte auch die Familie Eschenheimer. Liest man ihr Kapitel in der Broschüre und betrachtet die Bilder, hat man unweigerlich die Vorstellung von einem lebhaft-fröhlichen Familienleben. Familienvater Gustav Eschenheimer lächelt milde und gut gelaunt in die Kamera. Auf dem Foto der Mutter Johannette (Jeanette) macht diese einen durchaus durchsetzungsfähigen und tatkräftigen Eindruck. Das wird sie auch gebraucht haben, denn die Eheleute hatten neun Kinder, die auf einem weiteren Foto in der Broschüre überwiegend schon als Erwachsene wie die Orgelpfeifen aufgereiht stehen. Vater Gustav war in Esch auf die Welt gekommen. Seine Eltern Feist und Gretchen hatten Landwirtschaft und Viehhandel sowie eine Metzgerei. Gustav heiratete Johannette (Jeanette) Goldschmidt und führte die Familiengeschäfte in Esch weiter. Später wurde er unterstützt durch zwei seiner Kinder. 1917 siedelte die Familie nach Camberg über, wo sie in der Frankfurter Straße, heute Nummer 38, eine Metzgerei eröffnete. Dort gab es je eine Verkaufstheke für koscheres Fleisch und eine für nichtkoscheres Fleisch, wie in der Broschüre berichtet wird. Als am 2. August 1933 jüdische und politisch andersgesinnte Camberger von Nazis überfallen wurden, konnte der wehrhafte Gustav sich und seine Familie laut Familienüberlieferung mit einem Metzgermesser gegen die Eindringlinge verteidigen. 1936 besuchte das Ehepaar den Sohn Berthold in Palästina. Trotz Warnungen kehrten die beiden jedoch wieder nach Camberg zurück. Aber die zunehmende Repression, das Verbot einer einträglichen Geschäftstätigkeit, auch der Wegzug der Kinder, veranlassten das Ehepaar schließlich, ihr Anwesen zu verkaufen. Die Ausreise nach Holland zu ihrem Sohn Eugen ist für den 20. März 1937 aktenkundig. Später zog die Familie, also Gustav, Jeanette, Eugen, Lucie und Felix, in die Van Ostadelaan 7 in Naarden. Mutter Jeanette wurde am 29. Mai 1943 inhaftiert und bis zum 20. Juli 1943 im Sammellager Westerbork festgehalten. Von hier aus brachte man sie am 20. Juli 1943 ins Vernichtungslager Sobibor. Am 23. Juli 1943 wurde sie da ermordet. Sohn Eugen hatte geplant, in den Untergrund zu gehen, wurde aber mit Frau, Sohn und Vater von der Gestapo verhaftet. Vom Sammellager Westerbork wurde Gustav am 14. September 1943 nach Auschwitz transportiert, wo er vermutlich am 17. September ermordet wurde. Nach Kriegsende 1945 lebten nur noch zwei der neun Kinder der Eheleute und zwar: Berthold in Palästina und Erna, verheiratete Joseph, die in Belgien und Südfrankreich überlebte.
Kein ehrenamtliches Engagement mehr. Auch das Schicksal von Hedwig und Moritz May bewegt: Im Zuge der so genannten Arisierung des gesellschaftlichen Lebens waren Menschen jüdischer Herkunft aus Vereinen und Verbänden herausgedrängt worden, eine für die beiden schmerzliche Erfahrung, denen bürgerschaftliches Engagement in ihrer Stadt ein Herzensanliegen war. Immerhin war Moritz May Gründungsmitglied des am 26. Juni 1926 gegründeten Kur- und Badevereins, wodurch Camberg schließlich Kurstadt wurde und einen wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen konnte. Auch sie erlitten trotz ihres stetigen Engagements für die Gesellschaft ein tragisches Schicksal. 'Oft genug wiederholt sich Geschichte, weil die Menschheit nicht oder nicht genug aus den Fehlern ihrer Vorfahren gelernt hat. Dieser Teil der deutschen Geschichte darf sich nicht ansatzweise wiederholen. Die Stolpersteine und die sie erläuternde Broschüre tragen dazu bei, genau diese Botschaft zu vermitteln', schreibt Jens Peter Vogel, Bürgermeister von Bad Camberg, in seinen in die Broschüre einführenden Worten an den Leser. 'Die Broschüre soll dazu beitragen, dass die schrecklichen Vernichtungstaten des NS-Regimes nicht in Vergessenheit geraten. Das Schicksal der Ermordeten vermittelt ein lebendiges Bild des Lebens der Opfer. Auch soll die Broschüre dazu motivieren, einen Rundgang durch die Stadt mit Beachtung der Stolpersteine zu verbinden', schreibt Dieter Oelke von der Initiative 'Stolpersteine für Bad Camberg'. Die neue Stolpersteinbroschüre kostet 2 Euro. Sie ist erhältlich in der Touristen-Information im 'Kurhaus Bad Camberg', bei 'Buch und Schreiben' in der Obertorstraße 11, bei 'Papier und Schreibwaren' in der Limburger Straße 3 und in der 'Camberger Bücherbank' in der Limburger Straße 28.
Was sind Stolpersteine? Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1996 begann. Auf quadratischen Messingplatten werden die Namen und Daten von Menschen eingeschlagen, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. 'Auf dem Stolperstein bekommt das Opfer seinen Namen wieder, jedes Opfer erhält einen eigenen Stein - seine Identität und sein Schicksal sind, soweit bekannt, ablesbar. Durch den Gedenkstein vor seinem Haus wird die Erinnerung an diesen Menschen in unseren Alltag geholt. Jeder persönliche Stein symbolisiert auch die Gesamtheit der Opfer, denn alle eigentlich nötigen Steine kann man nicht verlegen.' (Gunter Demnig)
Die jüdische Gemeinde Camberg. In Bad Camberg wurden bisher 32 Stolpersteine für jüdische Bürger und Euthanasieopfer verlegt: 13 am 13. Dezember 2014, sieben am 15. Mai 2015 und zwölf am 3. November 2018. Einst hatte Camberg eine der größten jüdischen Gemeinden im Kreis. 1925 lebten 72 jüdische Personen in der Stadt, 1933 noch 63. Ab 1933 nahm ihre Zahl wegen zunehmender Entrechtung und Repressalien ständig ab, vor allem die jüngere Generation verließ Deutschland. In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde die Synagoge in der Schmiedgasse zerstört, Privat- und Geschäftsräume jüdischer Bürger geplündert und die Bewohner überfallen und teils schwer misshandelt. Wer konnte, emigrierte ins Ausland oder suchte die Anonymität der Großstadt, darunter Frankfurt. Die noch verbliebenen jüdischen Bürger Cambergs wurden schließlich deportiert und fanden in verschiedenen Vernichtungslagern den Tod. Ende 1942 gab es in Camberg keine Juden mehr. Eine mindestens 300-jährige jüdische Gemeinde, die das Leben in Camberg mitgeprägt und mitgestaltet hatte, wurde vernichtet." 
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Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Bad Camberg   
bulletVerein Historisches Camberg e.V.  
bulletWebportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Bad Camberg 

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 108-109.
bulletders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 32.
bulletCaspar Hofmann: Die Juden in Camberg im 19. und 20. Jahrhundert. 1981.
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 127-128.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 554-555.
bulletCamberg Lit 2013.jpg (15539 Byte)Peter Karl Schmidt: Die Judenschaft von Camberg. 300 Jahre jüdisches Landleben.  392 S. 30,00 €. Zu beziehen über das Stadtarchiv Bad Camberg. Tel. 06434-202181 stadtarchiv@bad-camberg.de   
Das Buch zeichnet - auf der Grundlage aller auffindbaren bzw. aufgefundenen Quellen in Staats- und Stadtarchiv - eine Geschichte der jüdischen Gemeinde in Camberg vom 30jährigen Krieg bis zu den Jahren nach dem 2. Weltkrieg. Dieses Bild ist in wesentlichen Teilen eine Außenansicht, denn Quellen aus der Gemeinde selbst liegen kaum vor, sind möglicherweise in der Nazizeit verloren gegangen. Vom Innenleben der immer nur aus wenigen Familien bestehenden Gemeinde weiß man nur, wenn interne Streitigkeiten mit Hilfe der staatlichen Stellen gelöst werden mussten. Soweit möglich wird also das Verhältnis der Juden untereinander, aber auch das mit den christlichen Cambergern und als besonderer Fall der im wesentlichen bekannte Streit um die Einrichtung einer Synagoge ("Judenschule") am Ende des 18. Jahrhunderts dargestellt und ergänzt. Breiten Raum nimmt die Schilderung der Gewerbetätigkeit im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert ein. Aus diesen Jahrhunderten kann auch ausführlich über das Leben des Lehrers Maier Sonnenberger sowie über die Familien Kahn, Oppenheimer und Landau berichtet werden.
Der Aufstieg der jüdischen Camberger, unter ständigen Anfeindungen, aus meist bitterer Armut in eine bürgerliche Position wird ebenso nachgezeichnet wie der Weg in die Katastrophe, als sich das immer vorhandene antijüdischen Denken und Verhalten der Mehrheitsbevölkerung unter dem Nationalsozialismus zur Verfolgung, Entrechtung und Enteignung steigerte und schließlich zur vollständigen Vernichtung der jüdischen Gemeinde eskalierte.  Soweit die Quellen es erlauben, wird geschildert, unter welchen Umständen es manchen jüdischen Bürgern gelang, ins Exil zu fliehen und wer den bitteren Gang in die Deportation und Ermordung gehen musste. Auch die erreichbaren Unterlagen zu dem Versuch der Bundesrepublik einer wenigstens materiellen Wiedergutmachung wurden in die Darstellung einbezogen.
 
bulletBroschüre "Stolpersteine in Bad Camberg. Biografien, Schicksale und Hintergründe - Erinnern für die Zukunft". 1.Auflage 2018 online eingestellt (pdf-Datei). 2. Auflage 2020 (siehe Presseartikel oben). Erhältlich für 2 € in Bad Camberg in der Touristen-Information im 'Kurhaus Bad Camberg', bei 'Buch und Schreiben' in der Obertorstraße 11, bei 'Papier und Schreibwaren' in der Limburger Straße 3 und in der 'Camberger Bücherbank' in der Limburger Straße 28.   

   
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Camberg (now Bad Camberg) Hesse-Nassau. The Jewish community, established in the 18th century, opened a new synagogue (1837) and numbered 115 (5 % of the total) in 1880. Jews participated in the town's social life and were eledcted to the town council. By 1925 the community (excluding members in Eisenbach and Steinfischbach) had declined to 82. On Kristallnacht (9-10 November 1938), a mob vandalized and then demolished the synagogue. Of the 63 Jews living there in 1933, 34 emigrated and four committed suicide; at least 17 perished in the Holocaust.  
    
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020