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in Gießen
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Geschichte der Rabbiner und weiterer Kultusbeamten im 19./20. Jahrhundert
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19./20. Jahrhundert
Gießen (Hessen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt -
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Gießen wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Enen Teil der Texte hat freundlicherweise Susanne Reber abgeschrieben, einige andere konnten noch nicht abgeschrieben werden - bei Interesse bitte Textabbildungen anklicken.
Übersicht:
Berichte
aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Die Befürworter von liberalen Reformen in der Gemeinde
formieren sich (1845)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Juni 1845: "Gießen, 20. Mai (Frankfurter Journal) Die
Reformbewegungen im Judentum haben auch hier begonnen. Am 11. d. vereinigten
sich nämlich die Freunde des Fortschritts aus der hiesigen israelitischen
Gemeinde, zu denen die Mehrzahl derselben gehört, zu einer gemeinsamen
Besprechung über die jetzt, mit Rücksicht auf die nahe bevorstehende zweite
Rabbinerversammlung, im Interesse der heiligen Sache vorzunehmende Schritte.
Sicherm Vernehmen nach hat man vorerst eine Gegenerklärung gegen die
Protestation der 77, jedem zeitgemäßen Fortschritte abgeneigten und an den
abgelebten Talmudismus (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Talmud) sich anklammernden Rabbinen,
welche nächstens der Öffentlichkeit übergeben werden dürfte beschlossen und
eine zweite Versammlung auf den 18. dieses Monats verabredet." |
Leichenteile aus der Anatomie der Universität werden
auf Initiative von Rabbiner Dr. Levi nun würdiger beigesetzt sowie andere
Mitteilungen (1860)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. September 1860: "Aus dem Großherzogtum Hessen, im
August (1860) (Privatmitteilung). Die Religion der Liebe ist nicht
diejenige, welche von der Liebe spricht, sondern jene, welche diese Liebe
durch Taten zeigt; deshalb sah sich ein Rabbiner veranlasst, einen Missstand
mit Erfolg zu bekämpfen, welche auf dem Standpunkte des Judentums mit der
dem Nebenmenschen schuldigen Achtung und Liebe sich nicht verträgt. – An der
Universität zu Gießen war es nämlich bisher Gebrauch, dass die Überreste der
menschlichen Leichen, nachdem sie auf dem Anatomietische der Wissenschaft
gedient hatten, ohne Bekleidung, ja sogar ohne Sarg, durcheinander in ein an
der Friedhofsmauer gegrabenes Loch geworfen, und da, nicht als ob sie die
Überreste einer menschlichen Leiche gewesen wären, verscharrt wurden. Es
sind zwar die Leichen von Verbrechern, welche der Anatomie überliefert
werden, aber auch im Schuldvollen sollen wir nach den Lehren des Judentums
den Bruder achten (5. Buch Mose 25, 3) und die Leiche des Gehängten soll
nicht über Nacht am Galgen bleiben (daselbst 21, 23), weshalb der
großherzogliche Rabbiner Dr. Levi zu Gießen sich aufgefordert fühlte,
wegen dieses das religiöse Gefühl tief verletzenden Verfahrens gegen die
menschliche Leiche bei der betreffenden Staatsbehörde Beschwerde zu führen,
in Folge deren auf eine an den Professor der Anatomie ergangene Verfügung
derselbe sich bereiterklärte, die Überreste der Leiche eines Individuums
christlichen Glaubens in einem Sarge gesondert und die eines Individuums
mosaischen (vgl.
https://de.wiktionary.org/wiki/mosaisch) Glaubens auf eine ähnliche
Weise auf einem israelitischen Friedhofe beerdigen zu lassen. Es genügt
diese einfache Mitteilung, um auf gleiche Fälle in anderen
Universitätsstädten aufmerksam zu machen.
Die Rabbiner-Witwen-und-Waisen-Kasse zahlt jetzt an zwei Witwen verstorbener
Vereinsmitglieder jährliche Gehalte aus, welche größtenteils aus den Zinsen
der Vereinskasse bestritten werden. Es ist zu verwundern, dass die Kasse,
welche auf diese Weise bereits ihre segensreichen Früchte spendet, nicht
einer größeren Teilnahme sich erfreut, insbesondere, dass sie noch immer von
den israelitischen Gemeinden unbeachtet bleibt, welche durch eine
Beteiligung an derselben auf eine liebevolle und höchst billige Weise den
Hinterbliebenen ihrer Rabbiner die ihnen schuldige Unterstützung zusichern
könnten. Auf eine solche Beteiligung der Gemeinden hoffte jene
Generalversammlung, welche am 22. Oktober 1857 zur Frankfurt a. M. die
Statuten der Kasse revidierte und denselben folgende Abstimmung hinzufügte:
C. Beteiligung der Gemeinden § 16. Die Gemeinden respektive Rabbinatsbezirke
sind berechtigt, ihre angestellten Rabbiner und Prediger in die Kasse
einzukaufen und die Beiträge für dieselben zu entrichten. Die näheren
Modalitäten sind von der Direktion unter sorgfältiger Berücksichtigung aller
bezüglichen statutenmäßigen Bestimmungen mit den betreffenden Gemeinden,
respektive Rabbinatsbezirken zu vereinbaren. Eine Bestimmung, welche von den
israelitischen Gemeinden aus vielen Gründen die sorgfältige Beachtung
verdient." |
Ein jüdisches Brautpaar lehnt den traditionellen
Brauch bezüglich der Chaliza ab (1862)
Anmerkung: Zum Thema Chaliza vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Chalitza-Schuh sowie den Artikel
http://juedisches-recht.org/mc-famil-r-schwagerehe.htm
Dazu auch zum jüdischen Scheiderecht
https://de.wikipedia.org/wiki/Scheidebrief
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. August 1862: "Gießen, im August (Privatmitteilung) Bei
Gelegenheit einer Trauung, im Begriffe, dem Bräutigam und seinem Bruder die
Versprechen wegen Ketubba (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ketubba) und Chaliza (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Chalitza-Schuh) abnehmen zu lassen,
erklärte mir Ersterer, im Angesichte und mit Zustimmung des Letzteren, wie
auch im Angesichte und mit Zustimmung seiner Braut und ihres Vaters: 'Herr
Rabbiner! Ich und mein Bruder und meine Braut, wir alle wollen nicht, dass,
wenn ich ohne Kinder sterben sollte, diese meine künftige Frau irgendeine
Verbindung mit diesem meinem Bruder haben soll, er soll sie weder heiraten
noch ihr Chalizah geben; es ist das ihr und mein bestimmter Wille. In
Gegenwart dieser beiden Zeugen geben mir alle drei Ihnen diese Erklärung und
dass wir mit dieser Voraussetzung unsere Ehe schließen.' Auf meine Anfrage,
ob er diese Voraussetzung zur Bedingung der Gültigkeit der Trauung mache,
ward er stutzig und erwiderte: Nein, das nicht, er wolle sich ohne Vorbehalt
trauen lassen, nur aber bitte er mich, von seiner und seines Bruders und
seiner Braut geschehenen Erklärung amtliche Notiz zu nehmen, was denn auch
geschehen ist. Eine ganz ähnliche Erklärung machte mir später ein Bräutigam
in Verbindung mit seiner Braut, dessen Bruder in Amerika war. Beide Ehepaare
sind inzwischen mit Kindern gesegnet und beide Vorkommenheiten darum ohne
weitere praktische Folgen geblieben. Anders ist es dem nachstehenden
vielleicht noch niemals vorgekommenen Falle. Vor etlichen Jahren wanderte
ein junger Mann nach Amerika aus, dessen Bruder im Begriffe war, zu
heiraten, nachdem er zuvor diesem den gewöhnlichen Chaliza-Vertrag
ausgefertigt, also dann erklärt hatte, vorkommenden Falles seiner
hinterbliebenen Witwe Chaliza erteilen zu wollen. Das junge Ehepaar
ward mit einem Kinde gesegnet, welches aber starb. Und nun brach über
dasselbe der Geist des Unfriedens herein, der so weit ausartete, dass es zu
tätlichen Misshandlungen und in beiden Ehegatten die Überzeugung zur Reife
kam, dass sie fortan unmöglich mehr zusammenbleiben könnten. Sie kamen daher
gütlich überein, sich scheiden zu lassen, was nach unseren Landesgesetzen
geschehen kann, indem sie eine desfallsige gemeinschaftliche Eingabe bei dem
Landesherren einreichen ließen. Die Sache war schon durch alle Instanzen
gerichtlich verhandelt und zulässig befunden worden, ich hatte bereits mein
zustimmendes rabbinisches Gutachten darüber abgegeben, und das Ehepaar
harrte täglich des allerhöchsten Ausspruchs seiner Scheidung, die freilich
nur unter der Bedingung erfolgt wäre, dass ihr die religiöse Scheidung
über die Erstellung eines Scheidebriefes vorangehen und nachfolgen
müsse. Da wird der Mann plötzlich krank und stirbt. Anstatt von Menschen,
sind sie nun von Gott geschieden. Und nun ist die Frau eine Witwe. Aber ihr
Schwager ist in Amerika, und nicht allein das, er sitzt dort wegen
infamierender Handlungen auf eine längere Reihe von Jahren im Zuchthaus.
Könnte und wollte die Frau auch nach Amerika reisen (wie vor einigen Jahren
eine solche in derselben Absicht hierher!), so könnte ihr Schwager doch den
Chaliza-Akt nicht vollziehen, weil er gefangen ist. Auch macht sie
geltend, dass sie ja auf dem Punkte gestanden habe, von ihrem Manne
geschieden zu werden, sie habe von diesem nichts mehr wissen wollen und
ebenso wenig und noch weniger von seinem Bruder. Die Frau ist Braut und will
von mir getraut sein. Es wäre mir sehr erwünscht, über diesen gewiss höchst
seltenen Fall in diesen Blättern die Meinung solcher Männer zu vernehmen,
die gleich mir, gewohnt sind, in allem, was die jüdischen Ehegesetze
betrifft, sich möglichst an den Eben Haeser (vgl.
https://en.wikipedia.org/wiki/Even_Ha'ezer) zu halten. Rabbiner
Dr. Levi." |
Die liberalen Reformen sind an Gießen bislang
"so ziemlich alle ... spurlos vorübergegangen"
(1863)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 29. Dezember 1863: "Gießen, im Dezember (1863).
(Privatmitteilung) Wer unsern Gottesdienst besucht, wird sich wundern, zu
vernehmen, dass an uns so ziemlich alle Reformen, die sich im Schoße anderer
Gemeinden segensvoll entwickelt haben, spurlos vorübergegangen sind, die von
rabbinischen Autoritäten eingeführten Kürzungen der Gebete, werden hier
ignoriert und die jeden Israeliten mit Pietät erfüllende hebräische Sprache
wird von dem mit dürftiger Orgelbegleitung exekutierten Chor in einer Weise
gesungen und rezitiert, dass hierbei der ästhetische Sinn eines jeden
gebildeten Menschen auf das Unangenehmste berührt wird. Wie ist es unter
solchen Verhältnissen möglich, sich zu erbauen und zu erheben? Was sollen
unsere Kinder für einen Begriff von Gottesverehrung bekommen, wenn wir sie
in die Synagoge führen? Unser Rabbiner Dr. Levi, der bekanntlich ein
trefflicher und gefühlvoller Redner ist, predigt in ganz unregelmäßigen,
möglichst großen Zwischenräumen und werden hierdurch diejenigen
Gemeindeangehörigen, welche namentlich eine Predigt hören wollen, gar nicht
gewahr, wenn eine solche überhaupt gehalten wird. Unsere Synagoge ist
allerdings in Bezug auf ihren Platz ein der Religion spottendes Gebäude (siehe
zur alten Synagoge in der früheren Zozelsgasse), sie steckt in einer
schmutzigen Gasse zwischen Ökonomiegebäuden (landwirtschaftliche Gebäude),
worin, Dank unserem energischen Vorsitzenden, während des Gottesdienstes
Frucht gedroschen oder die Dislokation von Rindvieh (Rinder werden aus oder
in der Stall getrieben) vorgenommen wird; es entstehen die skandalösesten
Störungen. Inzwischen ist die gegründete Hoffnung vorhanden, dass im
nächsten Jahre mit dem Neubau einer Synagoge begonnen wird, wozu bereits ein
passender Platz gekauft ist, und wenn wir auch dermalen kein würdiges
Gotteshaus besitzen, so dürfte und müssten doch seitens des Vorstandes und
des Rabbinen (Rabbiner Dr. Benedikt Levi) ernstliche Maßregeln vorgenommen
werden, um dem gegenwärtig wahrhaft jämmerlichen Zustande der
Kultusangelegenheiten ein Ende zu machen. Es ist durchaus nicht richtig, mit
der Einführung einer zeitgemäßen Liturgie bis zur Vollendung der neuen
Synagoge zu warten, Reformen sind umso wirksamer, wenn sie vorbereitet
werden; mit der Abschaffung von ganz unpassenden, spezifisch christlichen
Melodien hat man nicht zu zögern und andere, von nationalem Charakter
getragene, zu substituieren. Ich verweise hierbei auf die wertvollen
Arbeiten des Herrn Weintraub (wahrscheinlich ist der Königsberger
Kantor Hirsch Weintraub gemeint). Der Grund, dass auch bei einem
reformierten Gottesdienste dessen Besuch ein schwacher bleibt, ist eine
überwundene Phrase. Wie dem auch sei, der gegenwärtige Kultuszustand muss
gründlich reformiert werden, wenn der größte Teil der Gemeinde nicht den
Sinn für das Religiöse und für eine öffentliche Andachtsübung ganz und gar
verlieren soll. Mögen diese Zeilen die Berufenen animieren, die religiösen
Verhältnisse von Grund auf zu heben und zu bessern! Es soll mich freuen,
Ihnen bald von einer Neuerung Anzeige machen zu können."
Anmerkung: zu Kantor Hirsch Weintraub:
http://worldcat.org/identities/viaf-98296577/ |
Über
jüdische Strafgefangene im Großherzogtum Hessen (u.a. Marienschloß) - Lehrer
Levi aus Angenrod wird Lehrer an der Vorschule des Gymnasiums in Gießen -
Umbenennung der "Judengasse" in Gießen in "Rittergasse"
(1880)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. März 1880: "Gießen, 8. Februar (1880). Über
den geringen Prozentsatz, den die Juden des Großherzogtums Hessen zu den
Strafgefangenen des Landeszuchthauses Marienschloß liefern, ist
bereits voriges Jahr in diesem Blatte berichtet worden. Es liegt mir nun
aber der 20. Hauptrechenschaftsbericht des Vereins zur Unterstützung und
Beaufsichtigung der aus den Strafanstalten des Landes Entlassenen
aus den Jahren 1876-1877 vor. Darnach haben im Jahre 1878 in den 4
Strafanstalten Marienschloß, Darmstadt, Mainz und Dieburg im
Ganzen 2029 Gefangene sich befunden, darunter nur 28 Juden, also der 72.
Teil, während diese doch schon den 33 Teil der Einwohnerschaft des Landes
bilden. Es sollte mich wundern, wenn die Herren Antisemiten diese
Erscheinung nicht damit erklären wollten, dass es den Juden an Mut zur
Verübung von Schlechtigkeiten fehle. Ad vocem Antisemiten, habe ich schon
oft bei mir gedacht: 'nomen omen', oder 'kischmo ken hu' (= 'wie
sein Name, so ist er'). Denn es gibt für diese Herren schlechterdings
keine bessere Bezeichnung, als die sie sich selbst beilegen:
'antisemitisch'. Ihr ganzes liebloses Gebaren ist antisemitisch, das
heißt anti dem Geiste der Liebe, der sich in den Männern semitischen
Blutes Alten und Neuen Testaments kund gibt, jenen Männern, denen die
antisemitischen Herren der Gegenwart nicht würdig wären, die Schuhriemen
zu lösen. - Sodann ist ein weiterer Fortschritt zu Gunsten unserer
Glaubensgenossen im Schulwesen des Großherzogtums zu verzeichnen. Der
seitherige Elementarlehrer Levi zu Angenrod
ist zum Lehrer an der Vorschule des hiesigen (= Gießen) Gymnasiums
ernannt worden, das heißt nicht zum Religionslehrer, sondern zum
ordentlichen Klassenlehrer. Vielleicht der erste derartige Fall in
Deutschland. - Das Dritte, was ich Ihnen zu melden habe, dürfte
vielleicht da und dort einen Sporn zur Nachahmung abgeben. Ich hatte
an unseren Stadtvorstande folgendes Schreiben gerichtet: ...'Bei dieser
Gelegenheit wollte ich mir die Bitte erlauben, Sie möchten geneigt sein,
der im Neustadter Stadtviertel gelegenen sog. Judengasse einen
anderen Namen zu geben. Seit ich hier lebe, also seit mehr denn 50 Jahren,
wohnen meine Glaubensgenossen, gegenwärtig 120 Familien, überall in der
Stadt, nur nicht in jener Gasse. Herr H. B. allein hat einige Zeit zur
Miete darin gewohnt, ist aber auch daraus weggezogen. Es wäre an der
Zeit, dass aus den Mauern unserer aufgeklärten Stadt, mit so humanem
Vorstand an der Spitze, ein solches mittelalterliches zweck- und
gegenstandsloses Überbleibsel schwinde, das nur geeignet ist, in einem
Teile ihrer Einwohnerschaft unangenehme Empfindungen zu wecken. Mit- und
Nachwelt Gießens braucht nicht daran erinnert zu werden, dass es hier
jemals ein Ghetto gegeben hat. Und die Anwohner jener Gasse werden die
Umtaufe derselben gewiss nicht ungern vernehmen.' Unser Stadtvorstand ist
hierauf mit größter Bereitwilligkeit eingegangen und hat sofort die Judengasse
nach einem benachbarten den Namen 'Ritter' führenden Hause in eine 'Rittergasse'
umgetauft. Vivat sequentes! Dr. Levi." |
Die Israelitische Religionsgesellschaft bildet sich
(1886)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. November 1886: "Gießen, 12. Nov. Endlich nach langem Kampfe ist
das Werk vollbracht. Es bildet sich in Gießen eine orthodoxe
Separat-Gemeinde. Ein großer Teil der hier wohnhaften Juden hat bereits
ihren Austritt aus der Religionsgemeinde erklärt und haben sich der neuen
Religionsgesellschaft alle diejenigen angeschlossen, die Herz und Sinn für
die alten Traditionen des Judentums und für deren heilige Interessen bewahrt
haben.
Die Veranlassung zu dieser Trennung wurde durch zwei Ursachen begründet.
Erstens sind von den Leitern der alten Gemeinde unsere religiösen
Bedürfnisse total vernachlässigt worden, so ist z.B. in der großen Gemeinde,
die aus 140 Mitgliedern besteht, für keinen Religionsunterricht gesorgt
worden. Wem die Mittel fehlten, seinen Kindern Privatunterricht erteilen zu
lassen, was doch mit schweren Kosten verknüpft war, dem sind sie groß
geworden und aufgewachsen wie die Heiden, und leider ist hier eine ziemliche
Anzahl von jungen Leuten – vorhanden -, die nicht hebräisch lesen können.
Zweitens dadurch, dass eine große Anzahl der hier wohnenden Juden, weil sie
das hohe Einzugsgeld, das ihnen abgefordert wurde, nicht bezahlen konnten –
nicht stimmberechtigt waren, also zu den Fremden gezählt wurden – die kein
Recht haben, ihre Wünsche zum Ausdruck zu bringen – was die Leitung der
Gemeinde solchen Männern anvertraut, die wohl im allgemeinen Verkehr für
ehrenhaft gelten, aber für die heiligen Pflichten des Judentums wenig übrig
hatten. – Möge es der jungen Gemeinde gelingen, die hohen Kosten, die nun
entstanden, aufzubringen. Amen - so mehrte es sich und so breitete es
sich aus (2. Mose 1,12)" |
Über die Zahl der jüdischen Gefängnisinsassen in Hessen -
Bericht von Rabbiner Dr. Levi (1888)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. März 1888: "Gießen, im März (Privatmitteilung). Die Zahl der
Insassen der Gefängnisse eines Landes gibt bekanntlich einen ziemlich
sicheren Maßstab für die, inmitten der Einwohnerschaft desselben herrschende
Moralität oder sittliche Bildung ab. Da möge denn, wie in früheren Jahren
schon einmal, in dieser Zeitung auf das günstige Prozentverhältnis
hingewiesen werden, in welchem die jüdischen Sträflinge des Großherzogtums
Hessen zu den Gesamtsträflingen des Landes stehen. Die Juden des
Großherzogtums bilden 3, sage 3 % der Einwohnerschaft desselben. Nach dem
mir vorliegenden '24. Hauptrechenschaftsbericht der Großherzoglichen
Zentralbehörde des Vereins zur Unterstützung und Besserung der aus den
Strafanstalten Entlassenen für die Jahre 1884 und 1885' befanden sich damals
in den 4 Strafanstalten des Landes in
Darmstadt, Mainz,
Dieburg und Marienschloss (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Marienschloss) nur 20
Israeliten. Diese trugen also nicht 3 % der Gefängnisse bei, gewiss ein
günstig sprechendes Verhältnis, das auch wie mir bekannt ist, in den beiden
letzten Jahren keine Änderung erfahren hat." |
Zum Ergebnis der Reichstagswahl in Gießen und dem Erfolg der Antisemiten (1890)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. April 1890: "Gießen, 14. April. Der seltsame
Ausfall lenkt die allgemeine Aufmerksamkeit auf unsere Stadt. Man hat mich
schon mehrmals gefragt, warum vorzugsweise in den Provinzen Oberhessen, der
großherzoglichen und ehemals kurhessischen, Antisemiten in den Reichstag
gewählt worden seien, und meinten, es müsse da etwas faul im Staate sein,
d.h. die Juden der betreffenden Gegenden müssen wohl besonders durch
wucherische und betrügerische Geschäfte, die sie trieben, Abneigung und Hass
bei den Bewohnern erzeugt haben. Nichts ist falscher als diese Annahme. Die
Juden hierum stehen moralisch und religiös hinter anderen jüdischen
Gemeinden gleicher Lebensstellung nicht zurück; zeichnen sich auch nichts
weniger als durch größere Wohlhabenheit aus. Es gibt nur wenig Wucherer oder
betrügerische Handelsleute unter ihnen; und diese wenigen sind von ihren
eigenen Glaubensgenossen ebenso missachtet, wie von den christlichen. Auch
gibt es verhältnismäßig ebenso viel, wo nicht mehr christliche als jüdische
Wucherer und Betrüger in den Orten, die antisemitisch gewählt haben. Von den
wucherischen Hetzern selbst nicht zu reden. Der Grund, warum die
antisemitischen Hetzprediger in vielen Orten, besonders in Dörfern so viel
Anklang gefunden haben, ist hauptsächlich der, weil in den von ihnen
veranstalteten Versammlungen keine Gegenredner aufgetreten respektive
zugelassen worden sind. In Gießen und
Friedberg und anderen größeren Orten
würden ihnen kompetente Gegner entgegengetreten sein, und gewiss mit Erfolg,
an denen es in den kleineren Orten fehlte. Lassen Sie giftspeiende Blätter
wie in Kassel und
Marburg auch anderwärts erscheinen und
von Haus zu Haus transportiert werden und deren Inhalt in mündlicher Rede
mit lügnerischen Tatsachen und würzigen Anekdoten schmücken; sie werden
überall beim leichtgläubigen, den Juden ohnehin aus ganz anderen Gründen
abgeneigten Landvolke Glauben und Anklang finden. Ob von Seiten der
Vorstände unserer Gemeinden dem nicht zu begegnen gewesen wäre und künftig
in ähnlichen Fällen nicht zu begegnen sein möchte, ist eine andere Frage.
Vielleicht wären da sogenannte Reiseprediger am Orte, welchen Gedanken ich
schon einmal dem Vorstande des deutsch-israelitischen Gemeindebundes
nahelegen wollte. In gleicher Weise wollte ich diesem auch schon den Wunsch
aussprechen, womöglich aller Orten, wo ein antisemitisches Blatt erscheint,
einen Mann zu bestellen, der ihm in geeigneter Weise in Wort und Tat
entgegentrete. Kein Opfer, dafür gebracht, wäre zu groß."
Anmerkung: vgl.
https://www.wikiwand.com/de/Reichstagswahl_1890: In Gießen wurde der
Antisemit Wilhelm Pickenbach gewählt:
https://www.wikiwand.com/de/Wilhelm_Pickenbach
Siehe auch den Artikel
Rabbiner Dr. Levi äußert sich über den Antisemitismus
(1890). |
Antisemitische Provokationen (1891)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. Januar 1891: "Gießen, 8. Januar (1891). Ein würdiges
Seitenstück zu dem von Ihnen gemeldeten Wormser Vorgang ist leider von
hier zu berichten. Am Samstag, den 3. dieses Monats, nachts 12 Uhr,
betraten zwei als durchaus ehrenwert und besonnen bekannte junge Leute,
ein Christ und ein Jude, das Seitenzimmer des Café Hetler und ließen
sich an einem leeren Tische nieder. Außer ihnen befanden sich in dem
Raume nur noch 3 Korpsstudenten und ein Fortassessor, die ohne jede
Veranlassung die Letztgekommenen zu hänseln und aufzureizen begannen,
Äußerungen wie: 'Kerle saufen nur Wasser,' 'müssen die Kerle 'rausekeln',
'werft doch die Judenbuben 'raus', usw. fielen, ohne von der Gegenseite,
die augenscheinlich jeden Auftritt vermeiden wollte, beachtet zu werden.
Schließlich erhob sich einer dieser vielversprechenden Jünglinge und
fasste, nachdem er die zum Hauptraume führende Türe geschlossen und eine
andere geöffnet hatte, den einen der beiden Herren mit dem Ausruf an die
Brust: 'Junger Mann, wollen Sie gutwillig herausgehen?' Bei der sich naturgemäß
entwickelnden Prügelei (4 gegen 2) wurde sogar von dem Hirschfänger des Forstassessors
Gebrauch gemacht." |
|
Mitteilung
in der "Allgemeinen Jüdischen Zeitung" vom 22. Januar
1891: "Aus Worms, wie aus Gießen
wird von groben antisemitischen Exzessen gemeldet, welche von Korpsstudenten
gegen harmlose jüdische Wirthausbesucher begangen worden sind." |
Die Beeidigung der Rekruten wird ohne konfessionelle
Trennung vorgenommen (1891)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. November 1891: "Aus Gießen. Den Lesern dieses Blattes dürfte aus
vorigem Jahrgang noch erinnerlich sein, dass ich in einer
Immediatvorstellung an Seine Majestät den Kaiser Allerhöchstdenselben
untertänigst gebeten habe, befehlen zu wollen, dass die Beeidigung der
Rekruten hier nicht mehr, wie der zeitige Oberst angeordnet hatte, in
verschiedener Weise (Katholiken und Protestanten in ihren Kirchen, die
Israeliten im Kasernenhof), sondern wie vordem immer von allen Konfessionen
zusammen unter freiem Himmel geschehen solle, und dass daraufhin auf
Allerhöchsten Befehl der Kriegsminister mir erwiderte, es liege in der vom
Regierungskommandeur angeordneten Eidesweise kein Verstoß gegen die
bestehenden Bestimmungen vor, daher keine Veranlassung genommen werden
könne, eine Abänderung des bei dem genannten Regimente beobachteten
Verfahrens anzuordnen. Es gereicht mir nun zu großer Freude und hoher
Befriedigung, mitteilen zu können, dass gestern die Beeidigung der
Rekruten hier wieder in früherer Weise nach Belehrung durch die respektiven
Geistlichen von allen gemeinsam unter freiem Himmel stattgefunden hat.
Gießen, den 12. November 1891. Rabbiner D. Levi." |
(Kleine) Niederlage für die Antisemiten (1891)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
5. März 1891: "Gießen, 1. März. Einen erfreulichen Verweis für
den Niedergang der antisemitischen Torheit auch in hiesiger Stadt, mag der
folgende Vorfall bilden: Eine Wirtschaft, die früher nur von Antisemiten
besucht war, scheint bei dieser Sorte Kundschaft ihre Rechnung nicht mehr zu
finden. Der neue Unternehmer des Gasthofs teilt nämlich in seinem heutigen
Inserate, neben dem Bestreben, die Gäste durch ein gutes Glas Bier erquicken
zu wollen, auch noch mit, dass er 'Hetze nicht dulden werde. Gäste seien
willkommen, ob Christ oder Jude.'
Man fängt auch endlich hier an, an dem bis zum Überdruss abgenutzten Lügen
und Gemeinplätzen der Herren Judenfresser keinen Geschmack mehr zu finden." |
Der Gelehrte Carl Vogt äußert sich über den Antisemitismus
(1892)
Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Vogt.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Juli 1892: "Gießen, 5. Juli. Carl Vogt, der berühmte
Gelehrte, hielt dieser Tage auf einem Bankett, das ihm zu Ehren hier in
seiner Vaterstadt gegeben wurde, eine Rede, worin er u. a. sagte: 'Ich habe
in allen Ländern, die ich besucht, erkennen müssen, dass die Gefühle für
Deutschland im Auslande leider nicht derart sind, wie ich es häufig
gewünscht hätte. Machen Sie sich wohl vertraut mit dem Gedanken, meine
Herren, dass Deutschland im Auslande nicht geliebt ist, dass Sie im Auslande
nicht als Freunde geliebt werden.' Warum? Carl Vogt gibt die Antwort dahin,
dass 'nichts so sehr im Auslande verachtet wird als der deutsche
Antisemitismus! Man kann es nicht begreifen, dass so ein zivilisiertes Volk,
wie das deutsche, ein Volk, das einen Goethe, einen Schiller, einen Lessing
besitzt, einen solchen Schandfleck duldet. In England wird der
Antisemitismus als ein Niedergang der deutschen Zivilisation betrachtet!'" |
Über den "Verein zur Beförderung des Handwerks unter den Israeliten in
Oberhessen" (1894)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 11. Mai 1894: "Gießen, 4. Mai. Es gereicht mir zur
Freude, mitteilen zu können, dass eine Empfehlung des Großherzoglichen
Provinzial-Direktors, Freiherr von Gagern (vgl.
https://www.lagis-hessen.de/pnd/116337834), zu Gunsten unseres 'Vereins
zur Beförderung des Handwerks unter den Israeliten in Oberhessen' an
sämtliche israelitischen Gemeinden des Großherzogtums versandt wurde und
gute Resultate verspricht. Die Gemeinde
Friedberg ist, neben den persönlichen Beiträgen der Mitglieder, mit
einem jährlichen Beitrag der Korporation als nachahmungswertes Muster
vorangegangen. Am 21. Januar dieses Jahres fand die Generalversammlung des
Vereins statt. Die Einnahmen betrugen im Berichtsjahr 1.575 Mark, die
Ausgaben 1.229 Mark. – Dem soeben erschienenen zweiten Rechenschaftsbericht
ist auch ein Auszug aus den Statuten beigegeben; der § 5 derselben enthält
die Bestimmung, dass der Verein seine Zwecke durch Veranstaltung von
populären Vorträgen über jüdische Wissenschaft zu erreichen sucht.
Leider teilt der Rechenschaftsbericht über diesen Punkt nicht das Geringste
mit. – Die Gesamtzahl der vom Verein bisher unterstützten Lehrlinge betrug
12, nach erst zweijährigem Wirken des Vereins gewiss ein ganz
anerkennenswertes Resultat. Die jetzige Zahl der Mitglieder betrug 190. Der
Verein erstreckt seine Wirksamkeit nicht nur auf Oberhessen, sondern auch
auf die benachbarten Gebiete, zu dem die antisemitische Agitation noch immer
ihre Orgien feiert." |
Erfolgreiche Arbeit des Talmud-Tora-Vereins
(1894)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. Juni 1894: "Gießen, 12. Juni. Bezugnehmend auf die in der
Nummer 45 u. 46 des 'Israelit' erschienene Notiz, freut es uns konstatieren
zu können, dass die Erfolge des neugegründeten Vereines Talmud-Tora
alle Erwartungen übertreffen. Es muss jeden glaubenstreuen Juden umso mehr
erfreuen, als der Schein der Tatsachen nicht ganz entspricht. Viel edles
Feuer für die Erhaltung der Heiligen Tora glimmte in den Herzen der
Gießener Judenheit, und dies brauchte bloß angefacht zu werden, um einer
Flamme gleich emporzusteigen. Ein Samenkorn war's bloß, der in den
Herzensgrund der hiesigen jüdischen Gemeindemitglieder gestreut wurde und
dieser entfaltete sich wahrlich zur schönsten Blüte. Der Eifer für das
Torastudium bekundete sich zwar schon gelegentlich der Konstituierung des 'Talmud-Tora-Literatur-Vereines',
den lobend hervorzuheben der einzige Hauptzweck des ersten Berichts war,
jedoch die verflossenen Festtage berichtigen uns zu den schönsten Hoffnungen
für das Gedeihen des Vereins, indem die Beteiligung eine regere und größere
war. Nicht bloß von berufener Stelle wird dem Vereine das regste Interesse
entgegengebracht, sondern aus allen Schichte der jüdischen Bevölkerung
kommen Erklärungen zum Beitritt und Zustimmungsbekundungen. Hier bewährt
sich in des Wortes wahrster Bedeutung der Satz 'doch nicht verwitwet soll
Israel sein' (Jeremia 51,5) Israel ist und bleibt nie verwaist.
Die Tora hat ihre Heimstätte hier nicht ganz verloren, das jüdische
religiöse Gefühl, es wurzelte in den Herzen der hiesigen Judenheit, bis es
durch die Tat sich jetzt bekundet hat. Wollen wir uns aus vollem Herzen
wünschen, dass der hiesige Verein gedeihe und auch anderwärts Verbreitung
und Nachahmung finde. Ari." |
Gründe für die
Abspaltung der Israelitischen
Religionsgesellschaft und Hoffnung auf Wiedervereinigung der beiden Gemeinden
(1894)
Anmerkung: der Artikel wird aus Sicht der liberal gesinnten "Allgemeinen
Zeitung des Judentums" geschrieben.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 7. September 1894: "Gießen, 2. September. Es sind auswärts
über die religiösen Gemeindeverhältnisse in Gießen so irrige
Meinungen verbreitet, und es ist kürzlich an die Mitglieder der
israelitischen Religionsgemeinschaft hier an öffentlicher Stelle die Mahnung
ergangen, in ihrer Trennung von der Gemeinde zu beharren, dass es geboten
erscheint, eine wahrheitsgetreue Darlegung derselben zu veröffentlichen. Neu
in die Religionsgemeinde Eintretende haben, mit Genehmigung der
Großherzoglichen Regierung, ein nach ihren Vermögensverhältnissen zu
bemessendes, sogenanntes Einzugsgeld zu zahlen oder zu ihrer Gemeindesteuer
ein besonderes Synagogen-Standgeld zu entrichten; in welchem letzterem Falle
sie damit aber noch nicht ordentliche Gemeindemitglieder werden, denen z.B.
aktives und passives Wahlrecht bei Vorstandswahlen zustände. Eins wie das
andere wollten sich mehrere Hierhergezogene nicht gefallen lassen; sie
gründeten darum für sich eine besondere Religionsgesellschaft mit einem
Gottesdienste, die einem Viertel oder Fünftel der Muttergemeinde
herangewachsen ist, während diese auch ihrerseits an Mitgliedern zugenommen
hat. Hätte der Vorstand seinerzeit die Forderung eines Einzugsgeldes oder
eines besonderen Standgeldes fallen lassen, oder auf ein geringes Maß
reduziert, es wäre niemandem eingefallen, sich von der Gemeinde zu trennen,
ja, es steht nicht zu zweifeln, dass in solchem Falle die Ausgetretenen samt
und sonders wieder in dieselbe zurücktreten würden, wie denn das auch
bereits von vielen geschehen ist. Und warum auch nicht! Unterscheiden sich
doch die Ausgetretenen, wie sie selbst zugestehen, in ihrem religiösen
Denken und Tun nicht im Geringsten von den Mitgliedern der Muttergemeinde.
Befinden sie sich doch mit ihnen in allen religiösen Hinsichten auf gleicher
Stufe und sich nicht um ein Haar mehr orthodox als diese. Ja, Viele meinen
sogar, wenn man beide auf eine Wagschale legte, man müsste scharf hinsehen,
um zu gewahren, wohin sich das Zünglein neige. Das orthodoxe Mäntelchen, das
man von auswärtiger Seite bemüht ist, den Mitgliedern der
Religionsgesellschaft umzuhängen, und über das sie selbst gewiss im Stillen
lachen, zerfällt bei unserm Betracht in Staub. Und so darf man sich denn
auch der sicheren Hoffnung hingehen, dass über kurz oder lang eine
Wiedervereinigung beider Gemeinden in eine erfolgen werde, wie es im
religiösen Interesse nicht minder wie im pekuniären derselben dringend zu
wünschen wäre." |
Neun Jahre Israelitische Religionsgesellschaft
- ein orthodoxer Rabbiner wird gewählt (1895)
Anmerkung: der Artikel wird aus Sicht der konservativ-orthodox gesinnten
Zeitschrift "Der Israelit" geschrieben.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
4. April 1895: "Gießen, 3. April. Als vor neun Jahren am
hiesigen Platze 30 jüdische Familien zusammengingen, um eine
Religionsgesellschaft zu bilden, haben die Gegner derselben behauptet:
Erstens: Ein Boden für das orthodoxe (gesetzestreue) Judentum ist hier nicht
vorhanden. -
Zweitens: Die Gesellschaft hat mit der Religion nichts zu tun, die
Konstituierung ist nur geschehen, um Geld zu sparen; aus
Sparsamkeitsrücksichten sind 30 Familien aus ihrer Muttergemeinde
ausgeschieden. -
Nun sind neun Jahre verstrichen! Wenn man gefragt wird. Sind die religiösen
Zustände hier seit dieser Zeit besser geworden, oder nicht, so kann jeder,
der die jüdischen Verhältnisse vor 9 Jahren kannte und sie jetzt kennt mit
bestem Gewissen diese Frage bejahen.-
Vor 9 Jahren war ein Religionsunterricht nicht vorhanden. -
Wenn ein jüdisches Kind Bar Mitzwa (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bar_Mitzwa) wurde; so schrieb man ihm
die Paraschah (Wochenabschnitt aus der Tora, vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Parascha), die ein Bar Mitzwa
in der Synagoge vortragen soll, mit lateinischen Buchstaben auf – der Knabe
musste selbe auswendig lernen – und sie vor dem Sefer Tora
(Torarolle vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tora#Die_Torarolle) ohne Neginoth (gemeint:
ohne die richtigen Betonungen) hersagen.
Die Schechita (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schächten) war in zweifelhaften Händen
– Der frühere Schochet (Schächter) hat das Siegel (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hechscher) an viele Metzger (Fremde,
vermutlich gemeint: auch nichtjüdische Metzger) abgegeben und ließ das
Fleisch von letzteren zeichnen. –
Wie anders ist das heute!
Die Religionsgesellschaft sowohl wie die alte Gemeinde (unter Rabbiner Dr.
Levi) haben junge tüchtige Religionslehrer engagiert. Der
Religionsunterricht ist obligatorisch geworden, es gibt hier kein jüdisches
Kind, welches nicht am Religionsunterricht teilnimmt.
Die Schechita ist in bewährten Händen, sie ist von beiden Gemeinden
dem Religionslehrer der Religionsgesellschaft, einem religiösen und
zuverlässigen Manne übertragen worden, und wird gewissenhaft besorgt.
Es hat sich ein Verein für jüdische Literatur und Geschichte gebildet, an
welcher sich eine große Anzahl von Juden beteiligt haben, und jeden Samstag
wird ein Vortrag über den Wochenabschnitt gehalten.
Nun war unstreitig eine hochwichtige Frage, für die Erhaltung unserer
Religion, die Rabbinerfrage.
Das oberhessische Rabbinat, zu dem 108 Gemeinden gehören, ist beinahe das
größte Rabbinat in Deutschland und unmöglich kann der großherzogliche
Rabbiner (Dr. Benedikt Levi), der im 90. Lebensjahr steht, alles so
versehen, wie es wünschenswert ist.
Die Juden der Provinz Oberhessen sind zumeist religiös, sie verlangen, dass
ihre Kinder im Glauben ihrer Väter unterrichtet werden, dass der Rabbiner
sich um den Religionsunterricht und die Schochetim (Schächter) und um
alle Institutionen kümmere.
Es haben sich deshalb im Januar dieses Jahres etwa 50 Vorsteher der
Landgemeinden hier versammelt. An der Versammlung nahmen teil die Mitglieder
der Religionsgesellschaft, auch beehrten die Versammlung mit ihrer
Anwesenheit: Herr Dr. Marx –
Darmstadt, sowie Herr Dr. Cahn –
Fulda. Letztere Herren haben durch ihre zu aller Herzen gehenden Reden
die Anwesenden begeistert und man fasste den Entschluss, die Mittel für die
Anstellung eines gesetzestreuen Rabbiners aus der Versammlung vorläufig
durch freiwillige Zeichnungen aufzubringen. Es hat sich zu diesem Zweck ein
Kultusverein gebildet. Die von jeher gerühmte Opferwilligkeit der Juden hat
sich auch hier bewährt, und man konnte sofort zur Rabbinerwahl schreiten.
Nachdem man sich mit verschiedenen Kandidaten ins Einvernehmen setzte, wurde
einstimmig Herr Rabbiner Dr. Leo Hirschfeld gewählt, der von vielen
gesetzestreuen Rabbinern empfohlen wurde. Herr Dr. Hirschfeld ist 27 Jahre
alt, geborner Deutscher, ein vorzüglicher Redner, beherrscht meisterhaft die
deutsche Sprache und besitzt, was die Hauptsache ist, ein hervorragendes
jüdisches Wissen. – Auf einen Besseren und Würdigeren konnte die Wahl nicht
fallen und es herrscht hier in den Kreisen der Gottesfürchtigen allenthalben
die größte und aufrichtigste Freude über die glückliche Requisition. Herr
Dr. Hirschfeld hat sofort sein Amt angetreten und ist bereit, seine Kraft in
erster Linie der Provinz zur Verfügung zu stellen.
Möge die Wirksamkeit des Herrn Dr. Hirschfeld eine gesegnete sein zum Nutzen
und Frommen aller derer, die an Gott glauben und ihn anrufen. " |
Gründung
eines "Vereines für jüdische Geschichte und Literatur" (1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 20. November 1902: "Gießen, 19. November (1902). Am
2. dieses Monats wurde dahier ein 'Verein für jüdische Geschichte und Literatur'
gegründet, dem bis heute schon über hundert Mitglieder beigetreten sind.
Diese rekrutieren sich aus den Mitgliedern der beiden hiesigen
Religionsgemeinschaften, der Studentenschaft und den jungen Kaufleuten.
Gemäß der in der Generalversammlung vom 16. dieses Monats genehmigten
Statuten findet alle 14 Tage ein Diskussionsabend im Vereinslokale und im
Laufe des Winters 5-6 Vorträge statt, wozu neben den einheimischen
Kräften auch auswärtige Redner berufen werden sollen. So spricht bereits
am 23. dieses Monats Herr Landrabbiner Dr. Prager aus Kassel im Saale des
'Hotel Einhorn' dahier. Vorsitzender des Vereins ist Herr
Provinzialrabbiner Dr. Sander. Möge der junge Verein blühen, wachsen und
gedeihen." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 24. November 1902: "Gießen, 23. November (1902). Sie
berichteten in voriger Nummer Ihres Blattes, dass hier ein Verein für
jüdische Geschichte und Literatur begründet wurde, dem auch Mitglieder
der hiesigen Religionsgesellschaft beigetreten seien. Wie ich nun von
zuständiger Seite erfahre, stehen die leitenden Kreise der hiesigen
israelitischen Religionsgesellschaft dem neuen Vereine vollständig
fern." |
Vortrag
im "Verein zur Förderung des Handwerks unter den Juden in Gießen"
(1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. Dezember 1902: "Gießen, 8. Dezember
(1902). Im 'Verein zur Förderung des Handwerks unter den Juden in
Gießen' hielt gestern Abend Herr Alfred Fröhlich von hier vor
einer zahlreich erschienenen Zuhörerschaft einen mit großem Beifall
aufgenommenen dreiviertelstündigen Vortrag über das Thema:
'Bedeutende jüdische Frauen in der Geschichte.' Nachdem der Redner
einen übersichtlichen Blick auf die Stellung des jüdischen Weibes im
Allgemeinen gelenkt hatte, anfügend und mit Beispielen belegend, dass die
jüdische Frau zu allen Zeiten als helfende Genossin und nicht als Sklavin
auftrat, dass ihr Wirkungskreis stets das Haus war, dass ihr die Pflege
und Erziehung der Kinder oblag, dass ihr nicht allein von Seiten des
Gatten, sondern auch von Fremden stets besondere Hochachtung gezollt
wurde, dass es ihr an aufopfernder Liebe nie gefehlt hatte, dass sie an
allen öffentlichen Ereignissen, an den festlichen Versammlungen, ...
allgemeinen Wohl und Wege ihres Volkes lebhaft teilnahm, schilderte er die
bedeutendsten jüdischen Frauen, die als Fürstinnen, Märtyrerinnen
auftraten. Der wirkungsvolle Vortrag wurde zum Schluss reichlich applaudiert
und dem Redner namens des Vereins von dessen Vorsitzenden, Herrn Dr. Stamm,
öffentlicher Dank ausgesprochen." |
Vortrag von Dr. Adolf Kohut im "Verein für
jüdische Geschichte und Literatur" (1903)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 20. März 1903: |
Vortrag
von Rabbiner Dr. Leo Hirschfeld im "Verein der Sabbatfreunde" (1906)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. November
1906: |
Vortrag
von Rabbiner Dr. Cahn (Fulda) im "Verein der Sabbatfreunde" (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 4. Januar 1907: "Gießen. Am Sonntag, den 23.
Dezember (1906) hielt Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn - Fulda
hier im 'Verein der Sabbatfreunde' einen Vortrag über das Thema
'Wissenschaftliches Judentum und jüdisches Wissen', in welchem Redner den
ungeheuren Unterschied zwischen den beiden angeführten so ähnlich
klingenden Termini, die Entstehungszeit der Reformbewegung und die
segensreiche Tätigkeit S. R. Hirsch's für die Erhaltung des orthodoxen
Judentums besprach. Dann machte Herr Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld
- Gießen Mitteilung von der Errichtung eines Lesesaals des Vereins,
wo sich die Mitglieder, besonders die Jugend, zum Lesen jüdischer
Zeitschriften und Bücher versammeln werden. M.S." |
Generalversammlung des Israelitischen Frauenvereins
(1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
4. März 1909: |
Über die Zuschläge auf die Einkommensteuer in den
einzelnen jüdischen Gemeinden im Bezirk Gießen
(1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
25. Mai 1909: |
Der antisemitische Kandidat in Gießen siegt bei der
Reichstagswahl (1911)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 31. März 1911: |
Aus der Gießener Medizinerschaft sollen alle
jüdischen Personen ausgeschlossen werden (1919)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. Dezember 1919: |
Jüdische Schüler werden belästigt, Fenster
jüdischer Wohnungen und der Synagoge werden eingeworfen (1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
29. Januar 1920: "Gießen, 2. Januar (1920). Die Gießener
israelitische Religionsgesellschaft richtete ein Anschreiben an den
Magistrat, in dem sie sich über das ungezogene Benehmen der Schüler der
Gießener höheren Lehranstalten gegen die jüdischen Mitschüler und die
Verrohung, die sich in der Zertrümmerung der Fenster jüdischer Wohnungen
und Gotteshäuser kundtut, beschweren. Der Oberbürgermeister erklärte,
dass die Stadtverwaltung für die Abstellung der Missstände unzuständig
sei, dass aber ein Einschreiten der zuständigen Stellen geboten
erscheine." |
Vortrag von Rabbiner Dr. Dienemann vor dem Reichsbund
jüdischer Frontsoldaten (1921)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Januar 1921: |
Der
Landtag von Hessen beschäftigt sich mit den antisemitischen Exzessen an der
Universität Gießen (1921)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 30. Juni 1921: |
Gemeindeveranstaltungen im Winter 1921/22
(1921)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Dezember 1921: |
Vortrag von Oberkantor Magnus Davidsohn in der Synagoge
(1922)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
17. März 1922: |
40-jähriges Bestehen der Israelitischen Religionsgesellschaft
(1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 21. Januar 1927: |
Das Lektorat für rabbinische Wissenschaften an der Universität soll wieder
eingerichtet werden - 60-jähriges Bestehen der Synagoge der
Religionsgemeinschaft - Zum Tod von Justizrat Dr. Katz (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 13. Mai 1927: |
Verworfene Revision des Nationalsozialisten Haselmeyer - Renovierung des
Gemeindehauses der Religionsgemeinde (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 20. Mai 1927: |
An
den Universitätskliniken soll eine Koscherküche eingerichtet werden und
andere Mitteilungen (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 3. Juni 1927: "Gießen. Bei
der letzten Sitzung des Oberrates des hessischen Gemeindeverbandes in
Mainz wurde mitgeteilt, dass die in der Umgebung Gießens liegenden
Gemeinden Wieseck und Laubach (statt:
Lanbach) dem Verband beigetreten sind. Weiter wurde Herr Rabbiner
Dr. Sander beauftragt, die in Verfall geratenen geschlossenen
Friedhöfe Oberhessens zu besichtigen und nötigenfalls, soweit es
möglich ist, für Abhilfe zu sorgen. Außerdem wurden die Mittel zur
Besoldung einer Köchin bewilligt, die an einer noch zu errichtenden
Koscherküche in den Universitätskliniken angestellt werden soll. Da hier
aus ganz Hessen jüdische Patienten zusammenkommen, ist eine koschere
Verpflegung unbedingt nötig. Dementsprechend trat man an das Landesamt
für das Bildungswesen in Darmstadt heran, bei dem die Entscheidung
liegt." |
Kinderkostümfest
des Israelitischen Frauenvereins (1928)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 17. Februar 1928: "Gießen. Sonntag, den
12. Februar, veranstaltete der Israelitische Frauenverein ein
wohlgelungenes Kinderkostümfest als Vorfeier für Purim auf der
Liebigshöhe. Der Besuch von groß und klein war ein außerordentlich
zahlreicher. Ungefähr 130 Kinder wurden mit Kaffee und Kuchen bewirtet.
Zuerst wurde ein Prolog gesprochen. Dann folgten sehr gut einstudierte
Tänze verschiedener Art in besonders netten Kostümen. Die Jazzkapelle
bestand aus 14-jährigen Buben, die alle durch ihre fidele Musik
erfreuten, zu der auch die größere und kleinere Jugend fleißig
tanzte." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 17. Februar 1928: |
Landeskonferenz der jüdischen Lehrerschaft Hessens in Gießen
(1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 17. Mai 1929: |
Vortragsabend über Palästina - Wahlen in der orthodoxen
Religionsgesellschaft (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 16. August 1929: |
Mendelssohnfeier der liberalen Religionsgemeinde (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 13. September 1929: |
Abendveranstaltung
des Jüdischen Jugendbundes (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen
und Waldeck" vom 6. Dezember 1929: |
Erfolge der Nationalsozialisten bei den Wahlen der Gießener Studentenschaft -
antisemitischer Vorfall gegen das Gießener Stadttheater in Alsfeld (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 12. März 1930: "Gießen. Die
Wahlen zur Kammer der Gießener Studentenschaft (im Volksstaat Hessen
besitzen die Studentenschaften noch die staatliche Anerkennung und dürfen
Zwangsbeiträge einziehen) brachten die Nationalsozialisten auf einen
Schlag neun Sitze von den insgesamt 25 ein. Die Republikaner erhielten 4
(4) Sitze, die Großdeutschen diesmal nur 12 (21) Sitze. Die
nationalsozialistische Hetzpropaganda hat mit ihrer Presse und den Flugblättern,
die in der Universität verteilt wurden und die in bekanntem, keinesfalls
akademischem Ton über Juden und Judengenossen herzogen, ihre Schuldigkeit
getan. - Wie uns von der Intendanz des Gießener Stadttheaters
mitgeteilt wird, hat die nationalsozialistische Propaganda auf dem flachen
Land auch schon dem Gießener Theater zu unliebsamen Zwischenfällen
verholfen. Ein bezeichnender Vorfall am letzten Sonntag: das Gießener
Ensemble, unter dem sich auch einige Juden befinden, gibt es Alsfeld
ein Gastspiel. So oft nun die jüdische Künstlerin Frl. Heß
auftrat, wurde aus einer bestimmten Ecke von einigen Zuschauern gezischt
und gepfiffen. Es stellte sich heraus, dass es Nationalsozialisten waren,
die unter der Anführung eines Gießener Studenten bewusst störten und
ruhig angaben, dass sie allein das Auftreten einer jüdischen
Schauspielerin dazu veranlasse. Als Frl. Heß zu Beginn des
nächsten Aktes wieder auftrat, gab das Publikum den Störenfrieden, denen
man inzwischen das Handwerk gründlich gelegt hatte, die rechte Antwort:
Ein spontaner Beifall setzte auf offener Szene ein. Bürgermeister
Völsing sprach dem Ensemble sein aufrichtiges Bedauern über den Vorfall
aus." |
Die jüdischen Pferdehändler sind vom Pferdemarkt
ausgeschlossen (1933)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
28. September 1933: |
Vortrag von Rabbiner H. Mayer aus Frankfurt in der
Israelitischen Religionsgesellschaft (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. Juni 1934: |
Kundgebung des "Misrachi" (1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
5. Dezember 1935: |
Gemeindebeschreibung von 1936
Artikel im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde
Frankfurt" vom Oktober 1936 S. 29: |
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