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in Fulda
Fulda (Kreisstadt,
Hessen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Seite 1: Berichte über das Rabbinat, die
Lehrer und weitere Angestellte der Gemeinde
sowie Berichte über Schule und Ausbildungsstätten
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Fulda wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Übersicht:
Übersichten
Rabbiner in Fulda
vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (Quelle: Wikipedia-Artikel
"Jüdische Gemeinde Fulda)
| Meir ben Baruch ha-Levi (gest. 1404), genannt Maharam Segal oder Maharam Sal
(MaHaRaM מהר״ם ist Akronym von מורנו הרב רבי מאיר Morenu ha-Raw Rabbi Meir - unser Lehrer, der Gelehrte, Rabbi Meir; SegaL סג״ל ist Akronym von סגן לויה Segan Lewija - Vorsteher der
Levitenschaft); 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts in Fulda, später in Frankfurt, Nürnberg und seit 1392 in Wien
|
| David ben Isaak; 1565 bis 1588 in Fulda
|
| Ruben ben Salomon; bis 1598 in Fulda
|
| Isaak ben Elieser Lippmann Mise’a (Isaak von Fulda) (um 1529/30-1601/02); um 1594 bis 1601/02 in Fulda
|
| Naphtali (Herz; Hirz) ben David (oder: benElieser?)
Bacharach; 1598 bis 1609 in Fulda
|
| Elia ben Mosche Loanz (1555 oder um 1564-1636), genannt
Baal-Schem; 1604 bis 1609 in Fulda, später in Worms
|
| Aaron Samuel ben Mosche Schalom Kremenec (gest. 1616); 1615 bis 1616 in Fulda
|
| Pinchas Hurwitz (Hurvir) (gest. 1653); um 1620 in Fulda, später in Prag
|
| Meir ben Jakob ha-Kohen Schiff (um 1605-1644), genannt
MaHaRaM; ab 1622 in Fulda (siehe Texte oben) |
| Elieser Meschulam Sußmann ben Isaak Brilin (um 1594
- um 1660), um 1653 in Fulda
|
| Meir Stern (vor 1661 - 1680)
|
| Moses Fulda; 1671 mit der Gemeinde aus der Stadt vertrieben
|
| Jakob ben Mardochai; aus Fulda vertrieben, später in Schwerin
|
| Pinchas Isaak ben Naftali ha-Kohen (gest. 1724), 1709 bis 1722 in Fulda, später in Kremsier
|
| Moses ben Naftali (Nathan) Heilbronn (gest. 1777); 1762 bis 1776 in Fulda
|
| Joseph Joel (gest. nach 1787), genannt Wiesbaden; ab 1777 in Fulda, Vater des Theologen und Reformpädagogen Joseph Johlson (1777-1851)
|
| Salomon ben Jehuda (Loeb) Wormser (gest. 1806)
|
Rabbiner
in Fulda (Provinzialrabbiner) im 19./20. Jahrhundert
| Isaak (Seckel) Wormser (Rabbiner in Fulda von 1806
bis 1839): geb. 1769, gest. 1839.
|
| Dr. Jakob Rosenberg (Rabbiner in Fulda von 1843 bis
1852): geb. 1806 als Sohn des Kaufmannes David Rosenberg in Düsseldorf;
nach seiner Zeit in Fulda, die ihn in mancherlei Konflikte mit der Gemeinde
brachte (siehe Bericht unten von 1851), wählte ihn am 7. September 1852 die
Gemeinde im niederländischen Groningen zum Rabbiner, wo er bis Ende 1860
beziehungsweise bis zum Dezember 1861 verblieb (Link: Rabbiner in Groningen); 1864 verzog er nach Frankfurt, wo er im April
1868 starb.
|
| Dr. Samuel Enoch (Rabbiner in Fulda von November
1855 bis Dezember 1876), geb. 8. Oktober 1814 in Hamburg, Studium in Würzburg
(Schüler von Abraham Bing) und Erlangen; bereits 1832 Rabbinatsassistent in
Kassel, 1839 Schuldirektor der Bürgerschule (beziehungsweise Freischule;
private orthodoxe Lehranstalt) in Altona; seit 1845 mit Jacob Ettlinger
Herausgeber der Zeitschrift "Der treue Zionswächer", später
"Redakteur der Jüdischen Presse"; 1854 Berufung nach Fulda - die
Stelle trat er im November 1855 an (siehe Berichte unten); gestorben
31. Dezember 1876 in Fulda.
|
| Dr. Michael Cahn (Rabbiner in Fulda
von 1877 bis 1918): geb. 1847 in Rüdesheim am Rhein, gest. 1920 in Fulda;
Studium in Mainz und Berlin, Promotion 1874 in Straßburg, Rabbinerdiplom
1876 in Berlin, Rabbiner in Samter (Provinz Posen), seit 1877 in
Fulda; war im Religiösen streng orthodox, politisch war er patriotisch,
national und kaisertreu eingestellt. |
| Dr. Leo
(Jehuda) Cahn (Rabbiner in Fulda von 1919 bis
1939), geb. 1889 in Fulda; war zunächst Rabbinatsassessor, ab 1919 als
Nachfolger seines Vaters als Provinzialrabbiner in Fulda; emigrierte mit seiner Familie
nach der Pogromnacht 1938 nach England,
von dort im folgenden Jahr nach Palästina/Erez Israel; gest. 1959 in Bnei
Brak/Israel). |
Neben den Provinzialrabbinern gab es mehrere Rabbinatsassessoren, darunter:
| Dr. Julius Lorsch (1908 bis mindestens 1909 als
Rabbinatsassistent in Fulda): geb. 1881 in Alsfeld,
gest. 1919 in Frankfurt am Main; war nach seiner Zeit in Fulda
Religionslehrer am Kölner Lehrerseminar, von September 1913 bis 1919
Rabbiner der Zacharias Wertheimerschen Stiftung (Klaus) in Frankfurt am
Main. Er war ein Schwiegersohn von Rabbiner Dr. Michael
Cahn.
|
| Baruch Kunstadt
(in Fulda von 1909 bis 1939 in Fulda), der
als Leiter der Talmudlehranstalt (Beth Hamidrasch des Talmudvereins Schass
Chewrah) in Fulda tätig war. Nach
seiner Auswanderung gründete er in Palästina die Jeschiwa "Kol-Torah"
(Stimme der Torah). Er starb 1967 in Jerusalem.
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Orient" vom 24. Dezember
1845: "Biographie des Rabbi Mair Schiff (Maharam
Schiff).
R. Meir Schiff, ein Kohen, wurde im Jahre 1608 zu Frankfurt am Main
geboren, woselbst sein Vater R. Jakob Schiff als Rosch Jeschiba (Vorsteher
einer Talmudschule) talmudische Vorlesungen vor zahlreichen Zuhörern bis ins
späteste Alter gehalten. Seine früheste Jugendzeit, die er
wahrscheinlich in seiner Geburtsstadt Frankfurt verlebte, ist wie die der
meisten Rabbiner des ganzen Altertums uns wenig bekannt. Denn ein Rabbiner
war sonst zu bescheiden, um sein Dasein für so wichtig und bedeutungsvoll
zu halten, dass er selber die Momente seines Lebens analysieren und der
Nachwelt produzieren sollte, und ein Anderer etwa ein Nachkomme, Schüler
oder Freund glaubte dem Verstorbenen durch Herausgabe von dessen Werken
mehr als durch Biographien zu nützen, weil Tatsachen besser als
Lobeserhebungen sprächen. Doch muss er über alle Talmudjünger seiner
Vaterstadt hervorgeragt, die Bewunderung seiner Zeitgenossen erregt, und
einen bedeutenden Ruf sich frühzeitig erworben haben, da er siebzehn
Jahre als, um das Jahr 1625, zum Rabbiner in Fulda, einer damals
sehr bedeutenden jüdischen Gemeinde, erwählt wurde. Hier fand er viele
Gelehrte und besonders viele Talmudjünger vor, weil in Fulda schon
früher große Rabbiner ihren Wohnsitz aufgeschlagen, talmudische
Vorlesungen gehalten, und sich und der Stadt einen bedeutenden Ruf
erworben hatten. Vor diesen zahlreichen Schülern [Anmerkung: S. Seder
ha-Dorot, wo im Nachtrage am Ende R. Pinechas und ein Schüler erwähnt
wird] erklärte er den Talmud mit vielem Scharfsinne, machte wichtige
und triftige Bemerkungen, und ging genau und umständlich auf alles
Einzelne ein; aber stets hielt er sich an den zu besprechenden Gegenstand,
an die zu lehrende Materie, und nur selten schweifte er hinüber zu
Fremdartigen, holte solches herbei, und sichte es hier zu verarbeiten.
Diese Bemerkungen schrieb er in einer kurzen, wenigen bündigen und darum
schwer verständlichen Sprache nieder; denn sein merkwürdiger Scharfsinn
ließ ihn nicht den Gedanken genau und ausführlich wiedergegeben; sondern
Alles nur in wenigen Worten und abgebrochenen Sätzen andeuten, die allerdings
dem Leser den Vorteil gewähren, Stoff zum Selbstdenken zu erhalten, ihm
aber auch oft die Zeit bei Kleinigkeiten rauben. Er hat in diesem seinen
Kommentar große Ähnlichkeit mit R. Samuel Edeles (vgl. englischer
Wikipedia-Artikel
"Samuel Eidels"), indem beide
sich streng an das Gegebene und Vorliegende halten, selten Fremdes und
Fernes herbeiziehen, und in weite Diskussionen sich nicht einlassen; doch
ragt unser Schiff über Jenen durch noch größeren Scharfsinn, blitzschnellen
Geist und hellleuchtenden Verstand hervor, während Jener mit mehr Ruhe,
Klarheit und -deutlichkeit seine Gedanken kurz wiedergibt. Der Kommentar
erstreckte sich auf alle Traktate des Talmuds, und wurde vom Jahre 1627
bis 1636 abgefasst. Doch ist das Meiste von diesem verloren gegangen, und
nur der auf Beza, Ketubot, Baba Mezia, Chulin ziemlich vollständig,
hingegen der auf Sabbat, Megilla, Baba-Kamma, Baba Batra, Sanhedrin,
Sebachim sehr unvollständig übrig geblieben. - Er war allem
Anscheine nach sehr biederen Charakters, ernst und fest, trat offen gegen
Irreligiosität auf, und scheute nicht das Urteil der Hohen und Niedrigen,
ob auch sie auf gefüllten Geldsäcken saßen, der in reichgeschmückten
Gewändern einhergingen; doch mag er wohl, wie gewöhnlich Männer offenen
Charakters, seines Zornes Meister nicht immer und nicht ganz gewesen sein.
So greift er heftig, vielleicht etwas zu heftig am Ende des Kommentars zu
Gittin die Reichen an, welche den Sabbat entweihen, Verbotenes essen und
trinken und der Unkeuschheit nicht abhold sind, und die dennoch dem
frommen Gelehrten sowohl in häuslicher Ehrerbietung und Achtung, als auch
in öffentlicher, namentlich beim Aufrufen zur Tora vorgezogen
werden.
Ob er bis gegen sein Ende in Fulda geblieben, lässt sich nicht
genau ermitteln, und nur von den Jahren 1628, 30, 31 nachweisen, doch das
Jahr 1635 scheint er in Schmalkalden,
das unfern Fulda liegt, verlebt zu haben, da er in der Mitte des Traktats
Chulin den dritten Perek mit den Worten schließt '...mit Gottes Hilfe
in Schmalkalden' und am Ende dieses Traktats derselben Stadt erwähnt.
Man wolle aber aus diesen Stellen nicht entnehmen, dass er etwa in Schmalkalden
Rabbiner geworden, da von dieser Veränderung weiter keine Spur zu finden.
Hingegen wurde er im Jahre 1644 nach Prag berufen, starb jedoch bald
darauf, wahrscheinlich in Prag, 36 Jahre alt. Er hinterließ einen berühmten
Namen und einen weit verbreiteten Ruf, sodass David Gans von ihm
behauptet: es habe sich dem R. Mair Schiff der Prophet Elias offenbart. |
Außer
dem genannten Kommentar zum Talmud lieferte er noch einen solchen zum
Pentateuch, der bis auf zwei Fragmente von Deuteronomium verloren ist, und
ein mnemonisches Register zu Bibel und Talmud, das später zum Drucke
umgearbeitet werden sollte und sich uns nur in seiner ersten Gestalt
erhalten hat. Ferner schrieb er einen Kommentar zu den vier Turim, mehrere
kabbalistische Werke, und größere talmudische Diskussionen, sogenannte Chilukim,
auf welche letztere er in seinem Talmud-Kommentar zu Ketubot 112a, Baba
Kamma 48a und Ende Beza hinzeigt, die jedoch alle nie gedruckt, und als
Manuskripte von der Feuersbrunst zu Frankfurt im Jahre 1711 verzehrt
wurden. Seine Schriften erlitten überhaupt ein eigentümliches Schicksal,
und gaben daher zu folgender Erzählung Anlass.
Vor seinem Tode beschied R. Meir seine Tochter Henlah zu sich, und sprach
zu ihr: 'da mehrere Werke ich verfasst, mein einziger Sohn jedoch, dein
Bruder Sanwil, ohne Nachkommen sterben wird, wodurch meine Schriften in
fremde Hände geraten: so sollen diese in einen zu verschließenden Kasten
gelegt, und Einem meiner Verwandten anvertraut werden, bis unter meinen
Nachkommen Jemand ersteht, der sie der Öffentlichkeit zu übergeben
vermag. R. Meir starb, und Henlah tat wie er befohlen. Einst fand ein
Talmudjünger aus demselben Hause diese Schriften, und wollte einige
Erklärungen sich abschreiben, um sie als die Seinigen auszugeben, und
sich ein Ansehen zu verschaffen; da überfiel ihn plötzlich Angst und
Schrecken, dass er erblasste, in Ohnmacht niedersank, und fast das Leben
aushauchte. Als er wieder erwachte und zu sich gekommen war, erzählte er
sein böswilliges Treiben und seinen beabsichtigten Diebstahl der Tochter
des Verfassers, bereute sein ungerechtes Tun, und bat um Verzeihung den
beleidigten Toten. Darauf stellte die Tochter den Kasten mit Schriften ins
Haus eines anderen, woselbst gar vieles gestohlen, vieles von den Würmern
zerfressen wurde, und übergab in späteren Zeiten den übriggebliebenen
Teil ihrem bereits herangewachsenen Enkel Michael Wolf Stern, der diesen
zur Herausgabe aufgewahrte, bis die schon oben erwähnte Feuersbrunst zu
Frankfurt auch ihn bis auf den Kommentar zu fünf Traktaten des Talmuds
verzehrte. Der Enkelsohn bemühte sich später, den Überrest, der fast
hundert Jahre alt und bereits unleserlich geworden, zu veröffentlichen,
erhielt später noch eine Abschrift des Kommentars zu einigen anderen
Traktaten, die er ebenfalls herausgab, und schrieb eine kleine Vorrade,
aus welcher diese Biographie zum Teil entnommen. - Der Kommentar nebst den
Fragmenten zu Deuteronomium, und dem oben bezeichneten Register wurde
später noch mehrere Mal, aber niemals korrekt und sauber gedruckt, bis
endlich R. Mordechai Markus, Rabbiner zu Porizk in Russland dies Werk mit
kurzen hinzugefügten Erklärungen in Porizk am Anfange dieses
Jahrhunderts herausgab, welche Ausgabe mit Recht als die beste bezeichnet
wird. Die Erklärungen des Markus erleichtern gar oft das Lesen des in
einem kurzgedrängten, eigentümlichen Stile abgefassten Kommentars, und
leisten besonders dem mit einer geringeren Fassungskraft Begabten
bedeutenden Nutzen. Dr. Fränkel, Rabbiner zu Märkisch-Friedland."
|
Anmerkung zu Rabbiner Maharam Schiff
(1915)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 12. Februar 1915: "Etwas von Mahram Schiff.
Skizze von Dr. med. Rathner, Wiesbaden. Ein 'wachechter' Aschkenas war er,
der Rabbiner und Rosch-Jeschiwah von Fulda und später in Regensburg.
Etwas jünger als sein 'polnischer' Antipode, der 'Marschoh' oder Rabbi
Samuel Edeles. Letzterer war im Vergleich zu Rabbi Meir Schiff wie etwa
ein großer Juwelenhändler im Verhältnis zu einem kleinen
Antiquitätenhändler, bei dem man manchmal auch recht seltene Pretiosen
findet! Der Mahram Schiff schrieb seine talmudischen Novellen sehr
lakonisch, ja manchmal deutete er sie nur durch ein Merkwort an. Deshalb
bildete er auch den Schrecken der 'Chederschüler' in früheren Zeiten. Es
galt nämlich, seine feinen Gedanken zu erraten... Es waren sozusagen 'die
masurischen Seen' für die Flachköpfe... Der tüchtige 'Melamed' alter
Zeit sparte nicht die Prügel... Jetzt bildet der Enkel* des Rabbi Meir Schiff,
der Weltbankier Jakob H. Schiff, den Schrecken der 'Kosakewitsch', weil er
kein Geld - hergeben will." |
*Anmerkung: der Artikel spielt im Blick
auf Maharams Enkel Jakob Heinrich Schiff (1847-1920) auf dessen
Verhalten im Ersten Weltkrieg an: er setzte sich für ein schnelles
Kriegsende ein und begab während des Kriegsverlaufes nur Anleihen, die
zur Finanzierung humanitärer Aufgaben dienten. Jakob Schiff war einer der
größten jüdischen Philanthropen der USA. Siehe
Wikipedia-Artikel "Jakob Heinrich Schiff".
Der Begriff "Enkel" ist nur übertragen gemeint, da Jakob
Heinrich Schiff der Nachname eines Onkels des Maharam war (siehe nächster
Artikel, unten zu Familie Schiff). |
Rabbiner Maharam Schiff in Frankfurt und Fulda
(Artikel von 1928)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
2. Februar 1928: "Maharam Schiff in Frankfurt und Fulda.
Frankfurt und Fulda teilen sich den Ruhm, Maharam Schiff, den ihrigen zu
nennen. Der größere Teil auf Fulda. Denn wenn auch die Wiege des großen
Rabbi in Frankfurt gestanden und sein Ehrengrab sich in der Rabbinerreihe
des Frankfurter alten Friedhofs erhebt, so hat er doch genau die Hälfte,
und zwar die beste Hälfte seines Lebens, 18 Jahre, in Fulda gelebt und
gelehrt. Hier ist wohl in schwerem geistigem Ringen das entstanden, was
Rabbi Meier zum Maharam Schiff machte.
Das äußere Bild seines Lebens ist mit einigen wenigen Strichen und
Zügen gezeichnet. Meir ist 1605 im Frankfurter Ghetto, im Hause zum Schiff,
als Sohn des Jakob Hakohen Schiff geboren, der im Rabbinate des Rabbi
Scheftel und Rabbi Mendel Baß Dajan, zuweilen Vorsitzender des Bes Din (Rabbinatsgericht)und
Jeschiwaleiter, während des Interregnums aber auch stellvertretender
Oberrabbiner war. Dass er es nicht dauernd war, lag wohl nur an Umständen
der damaligen Gemeindeverfassung und der jüdischen Jurisdiktion. Meir
setzte schon als Kind mit seinen Geistesgaben das Ghetto in Staunen. Vor
Überhebung und Stecken bleiben in Anfangserfolgen - das Schicksal der
meisten Wunderkinder - bewahrt den 'Ilui' schon die jüdische Erziehung.
Der Jüngling hält noch mehr, als was das Kind versprochen hatte.
Siebzehn Jahre alt, tritt er, 1622, das Rabbinat in Fulda an (siehe
Vorrede zu Chidduschim). Ein Zwanziger steht er hier als gefeierter
Meister in einem Kreise vieler Jünger. Und was auf der Fuldaer Jeschiwa,
die unter ihm Weltruhm erlangt, erlernt und erworben wird, wird
aufgezeichnet. ist aber leider nur zum Teile erhalten geblieben, und das
ist es, was heute den Maharam Schiff ausmacht.
Eine Bestätigung für die auch im Talmud ihren Ausdruck findende Annahme,
dass jedem Menschen von Bedeutung das Maß seiner Leistung in den Rahmen
seiner Lebensjahre gelegt ist, mag sein, ob dieser groß oder klein, ist
Maharam Schiff. Was er in den achtzehn von den sechsunddreißig seiner
Lebensjahre gelehrt und geleistet hat, dafür würde ansonst ein volles
Menschenleben zu kurz erscheinen. Der schöpferisch arbeitende Geist
strebt aber hinaus aus der Mittelstadt, von der, nach den damaligen
Verkehrsverhältnissen, sich nur dünne Fäden zur jüdischen Welt spinnen
könnten. Frankfurt ist ihm aus den bereits angedeuteten Gründen verbaut.
So wird er, 36 Jahre alt, als Oberrabbiner nach der damals vielleicht
angesehensten Gemeinde Deutschlands, nach Prag, berufen. Er zieht in seine
neue Wirkungsstätte über Frankfurt und stirbt hier plötzlich im Hause
des Vaters, 36 Jahre alt, am 20. Adar 1641.
Damit kennen wir Maharam Schiff so viel und so wenig, als wenn wir das
Titelblatt eines Buches ansehen und behaupten wollten, wir kennen das
Buch.
Die Zeit, in der Maharam Schiff gelebt und gelehrt hat, erhält ihr
äußeres Gepräge vom Dreißigjährigen Kriege. Es hat da an Verfolgungen
und Bedrückungen nicht gefehlt, zumeist aber waren es nur Erpressungen in
Form von Kontributionen, Abgaben, Einquartierungen usw. Im ganzen hatte
sich die Lage nicht so schlimm gestaltet, wie man es hätte befürchten
müssen. Selten hatte sich die Wut der losgelassenen Soldateska gegen das
Ghetto entladen. 'Jossef Omez' berichtet uns, dass 'die Soldaten die Juden
mehr schonten, als die ihrigen, und dass viele Nichtjuden ihre Habe bei
Juden aufbewahrten, wo sie besser geschützt wussten'. - 'Viele jüdische
Gefangenen erlangten ihre Freiheit wieder ganz unentgeltlich oder gegen
ein geringes Lösegeld.' - Das Judenrecht war, sofern die Kriegswirren
nicht Zucht und Ordnung auflösten, durch eine Judenstättigkeit
gesichert.
Das Innenleben war stark pulsierend. Die Frankfurter Gasse dürfte im 17.
Jahrhundert 500 Familien beherbergt haben. Die Enge und die Wohnungsnot
waren groß. Der Friedhof musste zuweilen neu aufgeschüttet werden, weil
er nach der Gasse hin nicht erweitert werden konnte. Fremde Juden, auch
Flüchtlinge aus Polen und der Ukraine, wo die Chmelnitzki-Schrecken
herrschten, wurden wohl unterstützt, konnten aber als dauernde Bewohner
in die Gasse nicht aufgenommen werden. Man fürchtete auch die Bürger und
die Zünfte, die sich dagegen zur Wehr gesetzt hätten. Der
Fettmilch-Aufstand war noch in guter Erinnerung.
Bald aber setzten die Vorpostengefechte um Sabbatai Zewi ein. Dass
Frankfurt und Süddeutschland damals verschont geblieben ist, dass
während Hamburg, Amsterdam, London ganz in den Taumel der Bewegung
gezogen war, in Fürth und Umgegend die Juden Haus und Hof verkauften,
alles auf Planwagen verpackten und ins Elend hinausfuhren, dass damals
Frankfurt klaren Kopf behielt, dies dankt es den Männern, die damals die
geistige Führung in der Gemeinde hatten, nicht zuletzt Rabbi Jakob
Schiff, dem Vater Maharams, der entscheidenden Einfluss im Rabbinate des
Rabbi Mendel Baß ausübte und auch diesem selbst, der keine Maßregel
versäumte, die Epidemie im Keime zu ersticken. Eine Reihe von Takonaus,
die heute noch das Frankfurter Ritual bestimmen, zeugen davon.
Rabbi Meir hat die Haupterschütterungen dieser Periode nicht miterlebt.
Sie fallen in die fünfziger und sechziger Jahre dieses Jahrhunderts. Aber
seine Richtung, seine geistige Einstellung, seine Methode zeigt den
Frankfurtern von damals und zeichnet die Geistesstruktur der Gasse, die
wie echtes Olivenöl alles Falsche und Trübe ausscheidet und tief unten
lässt.
Damit wären wir an dem Punkte angelangt, der zu dem geistigen Schaffen
des Maharam Schiff hinüberführt. (Schluss folgt)." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9.
Februar 1928: "Maharam Schiff in Frankfurt und Fulda
(Fortsetzung). Von den Werken und Werten, die aus seiner geistigen
Werkstätte in Fulda hervorgegangen sind, besitzen wir leider nur kleine
Bruchteile. Nach seinem Tode im Hause seines Vaters nahm man seine
Erbschaft in Verwahrung. Es war eine gut verpackte und wohl verschlossene
Truhe mit Büchern und Handschriften, darauf ein Zettel in hebräischer
Sprache befahl: 'Es berühre keiner diesen Satz, es sei denn, dass ein
würdiger Spross aus meinem Stamme erblüht, dessen Hand man die
aufbewahrten Toraworte anvertrauen kann, dass er sie mit dem würdigen
Gewande versieht' (siehe Vorrede zu den Chidduschim). Der würdige Spross
erblühte erst mit dem Urenkel, dem Enkel seiner Tochter Henle (der
einzige Sohn Rabbi Sanwel starb kinderlos), Rabbi Jechiel Michael Stern in
Frankfurt am Main, der daran gehen durfte, die verborgenen Schätze ans
Licht zu ziehen. Inzwischen war aber der größte Teil abhanden gekommen.
Vieles davon wurde beim großen Ghettobrand 1711 in und mit dem Hause zum
Schiff ein Raub der Flammen. Den Rest gab Rabbi Stern heraus. Die erste
Ausgabe ist in Homburg v.d. Höhe gedruckt, der später noch verschiedene
Auflagen folgten. Es sind tiefgehende Abhandlungen zu den Traktaten Beza,
Kesuboth, Gitin, den drei Babath, Sanhedrin, Chulin, Sabbat, Sewachim,
außerdem einige populäre Predigten und ein Kommentar zum fünften Buche
Mose im Fragment. Man weiß aber, dass die Erklärungen den ganzen Talmud
babli und die vier Turim umfassten. Auch mussten kabbalistische Schriften
da sein.
Was mit Hilfe des kongenialen Urenkels auf uns überkommen ist, das macht
den Maharam Schiff aus. Die Tiefe der Diktion kann er bei Nachmanides
gelernt haben, die Ordnung und Systematik bei Maimonides, nach der Kürze
und Präzision seiner Ausdrucksweise könnte er aber bei Raschi in die
Schule gegangen sein. Damals, um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts,
ging der Kampf um den Pilpul. 'Scheloh', 'Josseph Omes', Rabbi Scheftel
u.a.a. sprachen sich entschieden gegen diese Methode aus. Vornehmer
Vertreter dieser Methode in Polen war der ältere Namensvetter unseres
Rabbi Meir, 'Maharam von Lublin'. Maharam Schiff ging mit dem Pilpul gegen
den Pilpul vor. Seine Geistesschärfe ist logisch und produktiv und in
allen Fällen auf Wahrheit aufgebaut. Was ihm nicht solid und
seriös genug erscheint, nennt er Lüge oder Nichtiges oder
ironisiert es als 'Dinge, die in der Luft schweben', egal von
welcher Seite es kam. Und damit macht er gerade in Polen und
Litauen, der Heimat des Pilpul, Schule. Zu der Ausgabe des Maharam Schiff
von 1811 geben zwölf russische Kapazitäten ihre Approbationen und feiern
mit ehrenden Worten den großen Geistesriesen von Deutschland. Vieles im
Maharam Schiff ist aber so kurz und unklar gefasst (vielleicht von ihm zur
als Notizen zur weiteren Bearbeitung gedacht), dass es der Enträtselung
bedarf. So fand es ein gefeierter Rabbi des Ostens, Rabbi Mordechai
Mordrasch, für angebracht, einen Kommentar zum Maharum Schiff zu
schreiben, der mit neueren Ausgaben in Warschau und Milna mitgedruckt ist
und in der Gelehrtenwelt mit großer Freude begrüßt wurde. Heute ist
Maharam Schiff in Slobodka, in Telsch und den ungarischen Jeschiwaus weit
populärer und vertrauter als in den deutschen Landen, wo er gelebt und
gelehrt hat. David Gans, der Historiker des 17. Jahrhunderts, rühmt in
seinem 'Zemach Zedek' Rabbi Meier und bezeugt von ihm, dass der Prophet
Eliahu sich ihm offenbart habe, um ihm tiefe Geheimnisse der Tora, die
anderen verschlossen blieben, zu verraten.
Weniger wortkarg ist Maharam Schiff in seinen populären Vorträgen, aber
auch hier ist jeder Wortschwall vermieden. Er beginnt am liebsten gleich
mit der Beantwortung der ungestellten Frage. 'Rufet ihn an, da er euch
nahe ist', zitiert er aus Jesajas, und fügt dem Satze gleich,
gewissermaßen als Erklärung dafür, dass seine Nähe uns nicht jederzeit
spürbar ist, den anderen Bibelsatz an 'denn fern von mir bist du in
unserer Sünde', also nicht an ihm liegt es, an und in uns sind die
Trennungsmomente enthalten, und uns obliegt es, die Brücke zwischen Gott
und Mensch wieder herzurichten. Mit Geist und Witz und beißender Ironie
konnte er bestehende Missstände geißeln. 'Die Weisen und Frommen kargen
mit ihrem Gelde, heißt es im Talmud. Weise und Fromme dieser Art gibt es
heute in den deutschen Gemeinden gar viele, nicht zu sprechen von den
Ungelehrten, die schon ein altes Privileg seit den Tagen Akibas auf den
Hass gegen die Gelehrten haben.' Er sprach diese Worte anlässlich eines
Sijums in seiner Jeschiwa, womit er sich den Ärger darüber vom Herzen
redete, dass, seiner Meinung nach, die deutschen Juden in ungenügendem
Maße die Lehrhäuser unterstützten.
Wie geistvoll und niederschmetternd lautet sein Urteil über die Heuchler,
die einem Unangenehmes sagen, mit der Beteuerung, sie meinten es ungemein
gut und herzlich. Er wendet auf diese den Satz aus den Psalmen 12,13 an (sc.
bei Zunz übersetzt: 'Falschheit reden sie einer zum anderen mit
glatter Lippe, mit doppeltem Herzen reden sie'). Seine Übersetzung
lautet kurz und treffend: 'Falsch und trügerisch ist von vornherein das
Gerede, wenn der Sprecher immer und immer wieder das Herzliche Belaw walew
betont'.
Von Maharam Schiff stammt auch die hübsche Erklärung zu dem Ausspruch
Elasars, Sohn Asarjas - ' O, ich bin wie einer mit 70 Jahren...'
Rabbi Elasar war ein schwarzhaariger Jüngling, besaß noch keine
Autorität des Alters und konnte sich mit seiner Meinung, obwohl gut und
richtig, nicht eher durchsetzen, als bis die Erklärung Ben Somas kam.
Welche Erklärung? Die Erklärung Ben Somas in den Vätersprüchen 'Weise
wird derjenige genannt, der von jedermann etwas lernt', gleichviel ob der
Lehrende jung oder alt ist, wenn nur die Lehre der Wahrheit entspricht.
Nach diesem Grundsatze Ben Somas konnte auch endlich Elasar, Sohn Asarjas
gehört werden.
Rabbi Meir ist selbst ein Elasar ben Asarja. Um ein Jahr jünger als
dieser, siebzehnjährig, sitzt er schon als geistiges Oberhaupt und
Führer an der Spitze des Rabbinates und Lehrhauses in Fulda. Ein
Frühvollendeter, musste er rasch sein Lebenswerk vollbringen, denn schon
mit 36 Jahren wird er, wie schon erwähnt, auf dem Wege zu den höchsten
Ehren in der ersten Gemeinde Deutschlands, am 20. Adar 1641, in den
höheren Rat abgerufen. Sein Grabstein in der Rabbinerreihe auf dem alten
Frankfurter Friedhofe ihn HaKohen Hagadol meachaw'.
Es seien noch einige Worte hier über die Familie Schiff gesagt.
Zuerst tragen die Bewohner des Hauses 'zum Schiff' im Frankfurter Ghetto
diesen Namen um 1600, früher, seit 1500 nannten sie sich Kahn oder Stern.
Rabbi Meir Schiff, ein großer Gelehrter und einer der Vorsteher, starb
1626. Dessen Sohn, Rabbi Jakob Schiff, der bereits genannte Dajan und
stellvertretende Oberrabbiner, starb, hochbetagt, 1655. Er überlebte
seinen Sohn, den Maharam Schiff, um rund 15 Jahre. Aus dieser Familie ging
auch Rabbi Dawid Tewele Schiff, der Verfasser des Laschon sahaw
hervor, der 1792 als Oberrabbiner von London starb.
Jakob Schiff hatte einen Bruder namens Isaak. Der weltberühmte Psychologe,
Prof. Dr. Moritz Schiff war ein Nachkomme der Isaakschen Linie, ebenso der
vor einigen Jahren in Amerika verstorbene große Philanthrop Jakob Henry
Schiff. Dessen Vater, der Börsenmakler Moses Schiff, der in der
Langestraße 13 wohnte, ist vielen alten Frankfurtern noch in bester
Erinnerung. Er war ein frommer Mann und unterstützte auch die
Bestrebungen von Rabbiner S. R. Hirsch. Seine Söhne, sowohl Jakob Henry
wie Philipp und Ludwig (ersterer starb vor einem Jahre), erhielten ihre
Ausbildung in der Realschule der Israelitischen Religionsgesellschaft.
Jakob Schiff ging im Alter von 18 Jahren, 1865, nach Amerika, wo große
Aufgaben seiner harrten. Er hatte das goldene Herz seiner Ahnen geerbt,
hatte Tränen für die jüdische Not und auch Millionen, um sie zu
lindern. Nach der positiv religiösen Seite fühlte er sich leider dem
großen Namen weniger verpflichtet, wenn er auch zeitlebens am Sabbath dem
Geschäfte fern blieb. Von seinen Brüdern lebt nur noch der jüngste,
Herr Ludwig Schiff, in Frankfurt und genießt in Bankkreisen große
Achtung.
Direkte Nachkommen des Maharam Schiff kann es keine geben, da, wie schon
erwähnt, sein einziger Sohn, Rabbi Sanwel kinderlos starb. Seine
geistigen Kinder, seine Schriften und Lehren, mögen uns, wie die der
anderen auf dem alten Frankfurter Gräberfelde, zu geistigen Höhen
führen." |
Aus
der Geschichte des Rabbinates in Fulda (Provinzialrabbinat im 19./20.
Jahrhundert)
Die Gemeinde ist mit Rabbiner Dr. Jakob Rosenberg
unzufrieden (1851)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. Mai 1851: "Fulda, im April. Neben der großen
Not, die hier im Allgemeinen herrscht, haben wir eine ebenso große in der
hiesigen israelitischen Gemeinde mit dem Zustandebringen einer guten,
geregelten Schul- und Synagogenordnung und fragen wir, woran es liegt, so
müssen wir leider die ganze Schuld auf unsern Rabbinen wälzen. An dem
guten Willen fehlt es, Gott sei Dank, bei den Gemeindegliedern dahier
nicht, denn diese haben nichts gescheut, aus dem alten Schlendrian endlich
heraus zu kommen, aber unserem Rabbinen will es nicht gefallen, den
gerechten Wünschen der Gemeinde nachzukommen.
Obgleich die kurhessische Verfassung deutsche, zum Erbauen geeignete
Predigten in der Synagoge vorschreibt und bei der Bestellung des Dr.
Rosenberg hauptsächlich darauf Rücksicht genommen, so hören wir doch
nur höchstens dreimal im Jahre eine solche von unserem Rabbinen, und ist
diese dann nur eine wissenschaftliche Abhandlung über irgendeinen
beliebigen Vers und nicht das, was eigentlich eine Predigt sein soll. -
Schulprüfungen sind in der ganzen Provinz schon seit 3 Jahren nicht
vorgenommen und auch dieses ist nur dem Rabbinen zur Last zu
legen.
In welchem Zustande dadurch unsere Gemeindeangelegenheiten sind und
welches Verhältnis zwischen dem Rabbinen der der Gemeinde besteht, ist
leicht einzusehen. - Wir wollen hoffen, dass unsere Staatsregierung, der
jetzt mehrere Beschwerden vorliegen, die Sache genau erwägen und den
Rabbinen zur Befolgung seiner Pflichten anhalten
wird." |
Ausschreibung der Stelle
des Rabbiners (1853)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 6. Mai 1853:
"Anzeige.
Die Stelle eines Rabbinen für die Provinz Fulda, mit welcher das Rabbinat
für die hiesige Synagogen-Gemeinde verbunden ist, und deren Kompetenz
sich ohne die Akzidenzien auf circa 370 Thaler Fixum beläuft, ist vakant
und soll alsbald anderweit besetzt werden.
Etwaige Bewerber wollen sich dieserhalb unter Einsendung ihrer Sitten- und
Befähigungs-Zeugnisse an die unterfertigte Behörde wenden, wobei bemerkt
wird, dass der anzustellende Rabbine den gesetzlich vorgeschriebenen
Prüfungen Genüge leisten muss, und dass bei demselben ganz besonders auf
streng Religiosität gesehen wird.
Fulda, am 18. April 1853.
Das Vorsteheramt der Israeliten der Provinz Fulda.
H. Levi. S. Trepp. S. Oppenheimer." |
Beisetzung von Rabbiner Dr. Jakob Rosenberg (1868 in
Frankfurt)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
22. April 1868: "Mainz, den 17. April (1868). Wir kehren soeben von
einer traurigen Reise, von dem Leichenbegängnisse des Herrn Rabbinen Dr.
Jakob Rosenberg - er ruhe in Frieden - zurück.
Der Verewigte, ein ebenso wissenschaftlich gebildeter Mann wie höchst
bedeutender Talmud Chacham, war ein Sohn des rühmlichst bekannten
Kaufmannes Rabbi Gabriel Rosenberg - das Andenken an den Gerechten ist
zum Segen - in Düsseldorf. Erzogen in einem Hause, in welchem die
Grundpfeiler des Judentums, Tora, Abodah (Gottesdienst) und Gemiluth
Chaßadim (Wohltätigkeit) heimisch waren, widmete er sich dem
rabbinischen Berufe und ward nach vollendeten Studien Provinzialrabbiner
in Fulda, wo er bis zum Jahre 1852 blieb; dann folgte er einem Rufe nach
Groningen in Holland; vor circa vier Jahren trat er in das Privatleben
zurück und siedelte nach Frankfurt am Main über. Leider sollte er die
glückliche Muße, die er ganz und gar dem Torah-Studium weihte, nicht
lange genießen; eine schmerzliche Krankheit warf ihn darnieder. Allein
wie sein Leben in unserer heiligen Religion wurzelte, so zeigte er sich
auch während der furchtbaren Krankheit; mit der größten Geduld ertrug
er die schmerzhaftesten Operationen. Als die Ärzte ihn auf Leben oder Tod
operierten, ließ er zehn 'Söhne der Tora' kommen und beauftragte sie,
während der Operation Mischnajot aus dem Traktat 'Opfer' zu
lernen; er selbst sandte ein heißinniges Gebet zu Gott empor, und nicht
verriet dann bei ihm das furchtbare Schmerzgefühl; keine Klage wurde
laut; es waren ihm Leiden der Liebe.
In der Tat erfolgte eine Besserung; allein sie war von keiner Dauer, und
so verschied er am Mittwoch Abend, gottergeben wie er gelebt
hatte.
In ihm haben seine Frau und Kinder den liebenden Gatten und Vater, seine
zahlreichen, überall hochgeachteten Geschwister das ehrwürdige Haupt
ihrer Familie, Israel aber einen durch Torakenntnis, wissenschaftliche
Bildung und Frömmigkeit hervorragenden Mann verloren.
Herr Rabbiner Hirsch - sein Licht leuchte - war leider durch
Unwohlsein verhindert, dem Begräbnisse anzuwohnen: Herr Rabbiner Fromm - sein
Licht leuchte - von Bad Homburg und der Herausgeber dieser Blätter
gaben auf dem Friedhofe dem allgemeinen Schmerze den geziemenden
Ausdruck.
Die Beteiligung beim Leichenbegängnisse war eine sehr große; von weiter
Ferne waren die Freunde und Verwandten herbeigeeilt. -
Möge der allgütige Gott der trostlosen Witwe Trost verleihen und ihr
beistehen, dass es ihr gelinge, ihre Kinder des edlen Gatten würdig zu
erziehen.
Der Verewigte erreichte ein Alter von 62 Jahren. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Gedächtnisfeier für Rabbiner Dr.
Jakob Rosenberg in Fulda (1868)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
26. Mai 1868: "Fulda. Am jüngst vergangenen verflossen Taanit
Chamischi fand in der hiesigen Synagoge eine Trauerrede für den
seligen Dr. Rosenberg, der fast 10 Jahre lang das Amt als
Provinzial-Rabbiner hier bekleidet hat, statt. Der Provinzial-Rabbiner Dr.
Enoch führte, mit der an ihm anerkannten, längst bewährten
Meisterschaft der Rede und der geistreichen Behandlung schwieriger
Hagadoth unter Zugrundelegung des Textes 'und Jakob ging hinaus...'
und des damit verbundenen ... die Wirksamkeit seines Amtsvorgängers, sowie des treuen
Seelenhirten überhaupt, nach den verschiedenartigsten Richtungen hin, in
so anschaulicher, ergreifender Weise, seinen Zuhörern vor, dass ein
mächtiger Eindruck nicht zu verkennen war - der schönste,
wohlverdienteste Lohn sowohl dem, welchem der Nachruf gewidmet, als dem,
der aus vollem Herzen ihn zu spenden vermochte." |
Ausschreibung des Rabbinates (1853)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 2. Mai 1853: "Die Stelle eines Rabbinen für die
Provinz Fulda, mit welcher das Rabbinat für die hiesige Synagogengemeinde
verbunden ist und deren Kompetenz sich ohne die Nebenakzidenzien auf circa
370 Thaler Fixum belaufen wird, ist vakant und soll anderweitig besetzt
werden.
Etwaige Bewerber wollen sich dieserhalb unter Einsendung ihrer Sitten- und
Befähigungszeugnisse an die unterfertigte Behörde wenden, wobei bemerkt
wird, dass neben Genügeleistung der gesetzlich vorgeschriebenen
Prüfungen, ganz besonders auf strenge Religiosität gesehen wird.
Fulda, am 18. April 1853.
Das Vorsteheramt der Israeliten der Provinz Fulda. R. Epstein. S. Trepp.
S. Oppenheimer." |
Antrittsrede von Provinzialrabbiner Dr.
Samuel Enoch
(1855)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Dezember 1855: "Fulda, 6. Dezember (1855). Am 24.
vorigen Monats hielt Herr Schuldirektor Dr. Enoch aus Altona in hiesiger
Synagoge als Provinzialrabbiner seine Antrittsrede. Ein zahlreiches
Publikum, sowie auch die Staatsbehörde und ein großer Teil der
katholischen Geistlichkeit hatten sich eingefunden, um der Feierlichkeit
beizuwohnen. Es herrschte eine andächtige Stille. Der Festhymnus war
beendigt und Herr Epstein, als Vorsitzender des Vorsteheramtes mit der
Einführung des Herrn Rabbinen betraut, sprach in würdiger Weise über
die Stellung des heutigen Judentums und wie es das Interesse der Gemeinde
erfordere, einen wahrhaften Seelsorger, ein tüchtiges Oberhaupt an ihrer
Spitze zu haben. Alle Anwesenden waren sichtbar erregt. Eine kleine Pause,
in welcher der Chor ein Loblied absang, und Herr Dr. Enoch bestieg die
Kanzel. Er hielt im wahrsten Sinne eine Musterpredigt. Frei von allem
Wortgepränge und schönen Redensarten, die mit dem nötigen Pathos
vorgetragen, häufig sogar noch das Ohr der Gebildeten bestechen, rollte
Herr Dr. Enoch in schöner und gedankenreicher Rede das Bild eines
segensvoll wirkenden Seelenhirten vor unsern Augen auf. Je länger er
sprach, umso begeisterter entquollen die Worte seinem Munde und riefen
gleiche Gefühle in dem reichen Zuhörerkreise hervor.
Mehrere hiesige Kapazitäten haben den lebhaftesten Wunsch geäußert,
dass diese Rede durch den Druck einem größeren Publikum zugängig
gemacht werde, und hoffen wir, dass Herr Dr. Enoch dem willfährig
begegnen möge." |
Rabbiner Dr.
Samuel Enoch möchte
korrekte
Schächtmesser einführen (1858)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Januar 1858: "Aus der Provinz Fulda lassen sich von Seiten
der Schochtim, respektive der Lehrer, welche zugleich Schochtim sind,
Notrufe hören. Es ist aber kein Notgeschrei nach Brot; das würde nichts
Auffallendes haben, da man sich in den Teuerungsjahren ja schon an
dergleichen gewöhnt hat. Es ist ein Notgeschrei nach - Messern! Der
dortige Provinzialrabbine, Herr Dr. Enoch, der übrigens wegen seiner
tüchtigen Kanzelberedsamkeit und seines Glaubens- und Amtseifers in
seinem Sprengel sehr beliebt ist, muss nämlich ein Mann heroischen Mutes
sein, weil er es wagt, gegen schlachtenbewährte Schwerter zu Felde zu
ziehen. Den alten Militärsäbeln wird bekanntlich, nachdem sie in
zahlreichen Schlachten in der Menschenschlächterei Großtaten geübt
haben, sehr oft das Los zuteil, in die Hände der Schochtim zu geraten und
da als Schächtmesser Invalidendienste tun zu müssen. Dieses will aber
Herr Dr. Enoch ferner nicht dulden. Zu Schächtmessern sollen in Zukunft
nur von vornherein eigens hierzu, also um ihrer selbst willen,
gearbeitete Messer verwendet werden dürfen. Die Sache hat ihre
sentimental-religiöse Seite. Ob diese bestimmend war, ist nicht bekannt;
aber das ist bekannt, dass auf Ausführung der neuen Vorschrift mit
Strenge gesehen wird. Ein Lehrer, der (da die neuen Chalofin =
Schächtmesser sehr teuer sind) bei der Prüfung in der Not, die oft
erfinderisch, aber nicht immer aufrichtig macht, sich des Messers eines
anderen bedient und dieses für das seinige ausgegeben hat, soll
dieserhalb auf einige Zeit als Schochet dispensiert worden
sein." |
Kritik
an Rabbiner Dr. Enoch aus liberaler Sicht (1867)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. November 1867: "Aus Thüringen, im November (1867). (Privatmitteilung). Dieser Tage wurde im Großherzogtum Sachsen-Weimar der erste Jude in des Person des
Kommerzienrates Rosenblatt aus Stadtlengsfeld als Landtagsabgeordneter gewählt; auch sein Gegenkandidat
Advokat Katzenstein aus Eisenach war Jude.
Wie weit die Hyperorthodoxie sich auch in unseren Tagen noch versteigt, das beweisen die Maßnahmen des gelehrten
Rabbiner Dr. Enoch zu Fulda, früherer Redakteur des Zionswächter seligen Andenkens. Derselbe verirrt sich in seinem frommen Eifer sogar in die Tanzsalons seiner ihm anvertrauten Gemeinden, indem er mit aller Strenge das talmudische Verbot des Tanzens an den Feiertagen aufrecht zu erhalten sucht, was in vielen Orten seines Bezirkes zu sehr ärgerlichen Auftritten führte und nicht geeignet ist, dessen Ansehen zu erhöhen. Die Welt lässt sich einmal in der Jetztzeit nicht mehr mit solchem rabbinischen Spuk bannen. – Wenn übrigens der genannte fromme Herr seine Aufmerksamkeit anstatt dem harmlosen Tanzvergnügen dem synagogalen Leben seines Distrikts zuwenden würde, so könnte er sich wahrlich größere Verdienste um sein geistliches Amt erwerben. Auf diesem Felde sieht es noch traurig aus; von einer Andacht, einer Würde, einer Ordnung ist an vielen Orten wenig Spur. Hier öfters zeitgemäße Anordnungen zu treffen, wäre heilsamer als die Revisionen der Schächtmesser, der Mazzmaschinen, die Untersuchungen der Mikwahs, der Erubim (Sabbatweggrenzen), was der fromme Mann zu seiner Lebensaufgabe gemacht zu haben scheint". |
Zum Tod von Provinzialrabbiner Dr.
Samuel Enoch (gest. 1876, Artikel von 1877)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
3. Januar 1877: "Fulda, 31. Dezember 1876. Ein schwerer
Verlust hat nicht allein unsere Gemeinde, sondern das gesamte Judentum
betroffen. Herr Provinzialrabbiner Dr. Enoch - er ruhe in Frieden -
ist gestern am Sabbat von dem Schauplatze seiner irdischen Tätigkeit
abberufen worden. Zu schmerzlich ergriffen, um heute mehr zu berichte,
werde ich nächstens ausführliche Mitteilungen machen. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens. W." |
Nachruf
zum Tod von Provinzialrabbiner Dr. Samuel Enoch
(1877)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 31. Januar 1877: "Provinzial-Rabbiner Dr. Enoch -
er ruhe in Frieden. Fulda. In Ergänzung meines
kurzen Referats in Nr. 1 des Jahrgangs des 'Israelit' bezüglich des
herben Verlustes, den unsere Gemeinde und mit uns ganz Israel durch den
Tod unseres seligen Rabbiners - Rabbiner Schmuel Enoch - das Andenken
an den Gerechten ist zum Segen - erlitten, füge ich noch Folgendes
über dessen Biographie hinzu. Dr. Samuel Enoch war im Jahre 1814 zu
Hamburg geboren, besuchte daselbst das Gymnasium, welches er schon in
seinem sechzehnten Lebensjahre mit dem Abiturientenzeugnis verließ. Zu
Würzburg und Erlangen machte er seine Universitätsstudien und wurde,
erst achtzehn Jahre alt, an letzterem Orte zum Doktor promoviert. Seine
Kenntnisse in der Orientalistik müssen trotz seiner
außergewöhnlich rasch absolvierten weltlichen Studien damals schon
bedeutend gewesen sein, denn er wurde schon im Alter von 18 Jahren zum
Assistenten des seligen Landrabbiners Dr. Romen - er ruhe in Frieden - zu
Kassel bestellt, welches Amt er vier Jahre lang bekleidete. Bei Gründung
der Freischule zu Altona wurde Dr. Enoch, obschon erst 22 Jahre alt und
unter 21 Lehrern der jüngste, zum Direktor dieser Schule bestellt. Hier
war es, wo er durch seine gehaltreichen vorträge die allgemeine
Aufmerksamkeit auf sich lenkte und er sich zum beliebten Kanzelredner
ausbildete. Im Jahre 1845 gründete der junge Gelehrte die Zeitschrift
'Der treue Zionswächter', und wurde dadurch der Vater der jüdischen
Journalistik streng orthodoxer Richtung. Den schleswig-holsteinischen
Feldzug im Jahre 1848 machte er als freiwilliger Jäger mit. Im Jahre 1854
wurde er hierher als Provinzial-Rabbiner berufen. Da derselbe in seinen
bereits vor 21 Jahren, kurz nach dem Antritt der hiesigen
Provinzialrabbinerstelle, eingedenk der Wortes (Prediger 9,8) 'Zu jeder
Zeit seien deine Kleider weiß' niedergeschriebenen Bestimmungen
bezüglich seines letzten Willens betreffs der Angelegenheit der Tahara
und der Beisetzung sich jeden Hesped (Trauerrede) und jede
Leichenrede verbeten, so halte ich mich nicht für berechtigt, über die
große Wohltätigigkeit des Verewigten und seinen großen Eifer
im Studium der Tora bei Tag und Nacht mehr hier |
zu
erwähnen. In Folge dieser Bestimmungen war es auch nicht möglich, bei
dessen Beerdigung, an der sich außer der hiesigen Gemeinde aus
sämtlichen Gemeinden des großen Rabbinats, wohin die Trauerkunde
gedrungen und auch aus dem benachbarten Kreise Schlüchtern
sehr zahlreiche Deputationen beteiligten, durch eine Rede die großen
Verdienste des Verewigten zu schildern. Nach der Beerdigung sprach
Herr Dr. Munk - sein Licht leuchte - aus Marburg anstelle des
Lernens einige von tiefster Rührung durchdrungene Worte an die Trostbedürftigen
und Trauernden. - Möge es uns vergönnt sein, den verwaisten Sitz
unseres Rabbinats recht bald wieder in würdiger Weise besetzt zu sehen,
wofür wir allerdings in der Gesinnungstüchtigkeit der Mitglieder unseres
Provinzial- und Gemeinde-Vorstandes die Garante haben, dass unsere Wahl mit
Gottes Hilfe auf keinen Neologen fallen wird. Unseren Landgemeinden
aber, in denen sich leider, trotzdem deren Mitglieder im praktischen Leben
überzeugte Juden sind und bleiben wollen, aus Unkenntnis der
Gefahren schon Stimmen des Indifferentismus bezüglich der Wiederbesetzung
des Rabbinats vernehmen lassen, müssen wir entschieden zu bedenken geben,
dass ein jeder, der kleinlicher materieller Interessen halber der
Besetzung der Rabbinerstelle auch nur mit Worten Schwierigkeiten bereitet,
die ungeheure Verantwortlichkeit auf sich ladet, unserer heiligen Wahrheit,
für deren Fortpflanzung auf uns und unsere Kinder unsere Vorfahren durch
viele Jahrhunderte des Druckes und der Verfolgung in ganzen jüdischen
Gemeinden mutig in den Tod zu gehen wussten, zu nahe getreten zu sein
und im Begriffe steht, uns und unsere Kinder unseres teuersten Erbes - das
Erbe der Gemeinde Jakobs - zu berauben; alles dies nur aus kleinlicher
Furcht vor geringen Opfern, die wir seither erschwingen konnten und die
wir für die Folge noch leichter bringen werden. Auch kann ich nicht
umhin, bei dieser Gelegenheit unseren Nachbargemeinden im Kreise
Schlüchtern und ganz besonders der Kehilla Schlüchtern
selbst, von der als der bedeutendsten und wohlhabendsten im Kreise die
initiative zur Wiederbesetzung ihres schon seit 2 Jahren verwaisten
Rabbinatssitzes ausgehen sollte, ein ernstes Wort der Ermahnung aus
brüderlichem Herzen zuzurufen. Ich möchte ihnen nur das Beispiel der
Gemeinde Gelnhausen, bekanntlich
früher eine Stadt voller Weiser und Schriftgelehrter, vorführen,
um daran zu zeigen, was aus einer Gemeinde und einer Provinz wird, wenn
wie in Gelnhausen seit dem Tode des
seligen Rabbiner Kunreuter - das Gedenken an den Gerechten und Heiligen
ist zum Segen - das geistige Oberhaupt und jeder Zusammenhang in den
religiösen Angelegenheiten fehlt. Wir lange wird man noch ohne Bedenken
bei Euch als Jude essen dürfen? Wer überwacht Eure Schochetim,
wer entscheidet Eure offenen Fragen seit dem Tode Eures seligen
Rabbiners Schwarzschild - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen?
Wen kümmert noch ernstlich die Forterhaltung Eurer sonstigen
Gemeindeinstitutionen? Groß und unermesslich ist die Verantwortlichkeit,
die Euch, die Ihr Juden seid und auch bleiben wollte, trifft, wenn
Ihr den Stimmen in Eurer Mitte, die im richtigen Verständnis der Euch
bedrohenden Gefahr des Indifferentismus, dessen Folgen Euch und Eure
Kinder, deren Erziehung zu guten Juden Euch die gütige Vorsehung
anvertraut hat, drohen würde, nicht Gehör schenket. Bedenke ein Jeder,
der nicht mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für eine so große
und wichtige Sache eintritt, dass er eine Verantwortlichkeit auf sich
ladet, die auf die folgenden Generationen von unberechenbarem
Einfluss ist und deren Folgen er nicht bemessen kann. - Sollten diese
Zeilen, aus dem Innern eines brüderlichen, wohlmeinenden Herzens
hervorgehend, einen Impuls geben, Euch aus Eurer unverantwortlicher
Lethargie herauszureißen, so wäre dies, da sie gelegentlich des
Nachrufes um unseren seligen Rabbiner an Euch gerichtet, der sich in
seiner großen Bescheidenheit außer Bezeichnung seines Namens und
Todestages auf seinem Grabstein jedes Wort ausdrücklich verbeten, das
schönste und herrlichste Denkmal, das wir ihm errichten können. 'Der
sich über Zion erbarmt und seine Risse mauert, der bringt auch über
euch, die ihr darauf hört, den Segen Abrahams".
|
Anmerkung: Der Webmaster ist für Hinweis
für Präzisionen in der Übersetzung der hebräischen Wendungen dankbar.
Adresse siehe Eingangsseite. |
Ausschreibung des Rabbinats (1877)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
7. März 1877: "Die Stelle eines Rabbinen für die ehemalige Provinz
Fulda, verbunden mit dem Rabbinate der hiesigen Synagogen-Gemeinde ist
vakant und soll alsbald wieder besetzt werden.
Meldungsgesuche, welchen außer Qualifikationszeugnisse auch Zeugnisse
über streng religiöse Richtung beigefügt werden müssen, sind bis zum
15. April dieses Jahres an die unterzeichnete Behörde zu richten.
Bewerber haben sich nach dem diesseitigen Gesetze einer Prüfung vor einem
Ausschusse der philosophischen Fakultät zu Marburg zu unterziehen.
Diensteinkommen: 1800-2000 Mark jährlich fixer Gehalt, neben erheblichen
Akzidenzien.
Fulda, am 1. März 1877.
Vorsteheramt der Israeliten. Simon Hesdörffer." |
Nachfolger von Dr. Enoch wird Rabbiner Dr.
Michael Cahn
(1877)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
11. Juli 1877: "Fulda, 29. Juni (1877). An Stelle des am
30. Dezember vorigen Jahres verstorbenen Provinzial-Rabbiners Dr. S. Enoch
- seligen Andenkens - ist Seitens des hiesigen israelitischen
Provinzial-Vorsteher-Amtes der Regierung zu Kassel als Provinzial-Rabbiner
für Fulda der Rabbiner Dr. M. Cahn zu Samter (Provinz Posen),
gebürtig aus Rüdesheim, vorgeschlagen worden.
(Die Bestätigung desselben Seitens der Regierung zu Kassel ist bereits
erfolgt. Red.)." |
Antrittspredigt von Provinzialrabbiner Dr.
Michael Cahn (1877)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
17. Oktober 1877: "Fulda, den 10. Oktober (1877). Am
vergangenen Samstag hielt der neue Provinzialrabbiner, Herr Dr. Cahn,
unter außerordentlichem Zudrange von Zuhörern aller Stände und
Konfessionen seine Antrittspredigt, welche sich sowohl durch Gediegenheit
des Inhaltes als auch durch rhetorische Gewandtheit auszeichnete und das
gesamte Auditorium in hohem Grade begeisterte. Möge es demselben
vergönnt sein, recht viel Gutes und Segensreiches in unserer Stadt und
Provinz zu wirken." |
Talmudlernstunden von Provinzialrabbiner Dr.
Michael Cahn in
Hersfeld (1890)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
1. September 1890: "Aus dem Rabbinate Fulda. Die
segensreiche Wirksamkeit, die unser hoch verehrter Herr Provinzialrabbiner
Dr. Cahn - sein Licht leuchte - seit Beginn seiner Amtstätigkeit
bis zum heutigen Tage entfaltet, sein rastloses Streben, Verbreiter der
Tora zu sein und Institute zu fördern, deren Aufgabe es ist, Jünger
heranzubilden, die das Volk in den göttlichen Gesetzen unterweisen
sollen, sind weit über die Grenzen unserer ehemaligen Provinz hinaus
bekannt. Es ist geradezu rührend, zu beobachten, mit welch physischer und
psychischer Kraftaufwendung unser Herr Rabbiner um das materielle
Emporblühen des Berliner Rabbiner-Seminars, dem er selbst als Hörer
angehörte und um das Lehrer-Seminar in Köln sich bemüht. Es würde zu
weit führen, wollte man in ausführlicher Schilderung über das Wirken
und Schaffen des Herrn Rabbiner Dr. Cahn - sein Licht leuchte -
sich ergehen. Zweck dieser Zeilen ist, die Aufmerksamkeit der geschätzten
Leser Ihres Blattes auf einen Verein zu lenken, dessen Mitglieder es sich
zur Aufgabe gemacht haben, Tora zu lernen, um mit dem Lernen auch
das Beachten und Tun zu verbinden. Mehrere Lehrer des
hiesigen Rabbinats wie der Kreise Eschwege und Rotenburg hatten sich mit
der Bitte an Herrn Dr. Cahn - sein Licht leuchte - gewandt, ihnen
Unterricht in Mischnajot und später in Gemara zu erteilen.
Dass dieser Bitte ein williges Ohr geliehen werden würde, war man sicher.
Unser Herr Rabbiner - sein Licht leuchte - erklärte sich mit sichtbarer
Freude bereit, allwöchentlich einen Schiur in Hersfeld
abzuhalten. Die Tat folgte dem Worte: Jeden Donnerstag versammeln sich
12-15 Lehrer in dem genannten Städtchen, um unter der bewährten Leitung
des Herrn Dr. Cahn - sein Licht leuchte - zu lernen. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass der Kreis der Lernenden sich bald erweitern wird. Unser Herr
Provinzialrabbiner - sein Licht leuchte - veranlasste einen edlen Menschenfreund,
Herrn S. St. in C., der in heiliger Begeisterung erglüht ist für unsere
heilige Tora, für jeden der teilnehmenden Lehrer ein Mischnaexemplar mit
dem Kommentar Tiferet Israel (d.h. mit dem Kommentar von Israel
Lipschitz) zu stiften. Herr Dr. Cahn - sein Licht leuchte - tat
noch mehr. Die den Lehrern erwachsenden Reisekosten sind nicht
unerheblich. In Würdigung der Verhältnisse hat Herr Dr. Cahn - sein
Licht leuchte - Fürsorge getroffen, dass den Lehrern ein Zuschuss zu
den entstehenden Kosten gewährt werde. Ob dies in der Folge für immer
geschehen kann, ist bei den vielen Opfern, die an den Herrn Rabbiner - sein
Licht leuchte - gefordert werden, wohl zweifelhaft. Wir, die wir so
glücklich sind, uns an den betreffenden Lernstunden beteiligen zu
können, rufen unserem allverehrten Rabbi und Lehrer ein guten Erfolg
zu, verbunden mit dem Wunsche: 'es vergelte ihm der Ewige seine Tat und
sein Lohn sei vollkommen vor dem Ewigen' (nach Ruth 2,12) und dem
heiligen Versprechen, dass wir in unserem Streben, Tora zu lernen
nicht erlahmen werden." |
Über die Arbeit von Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn
(1901)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. Januar 1901: "Rabbinatsbezirk Fulda. Das segensreiche
Wirken des Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn in Fulda für Thora, Abodah
(Gottesdienst) und Gemilus chasodim (Wohltätigkeit) ist weit über das
Weichbild unserer Provinz hinaus bekannt. Aus allen Himmelsrichtungen
wendet man sich an den Fuldaer Raw, von ihm Rat und Hilfe erbittend...
Ganz besonders verdient macht sich Herr Dr. Cahn um die Förderung des
Thauroh-(Tora-)Studiums in Lehrerkreisen. Wie oft versammelt er einen
größeren Kreis frommer, wissbegieriger und lernbeflissener Lehrer, um
mit ihnen zu 'lernen', und ihnen Gelegenheit zu geben, aus der Fundgrube
seines reichen Wissens zu schöpfen und sie so mit Zedoh laderech,
mit Vorrat für den Lebensberuf zu versehen. Seit einigen Jahren haben
annähernd vierzig Lehrer des Regierungsbezirks Kassel, die sich dem
allgemeinen Lehrerverbande nicht angeschlossen, einen
Unterstützungsverein für emeritierte Lehrer und Lehrerwitwen und -Waisen
ins Leben gerufen, die in dem hochverehrten Herrn Provinzial-Rabbiner
ihren treuen Protektor sehen. Nicht nur dem Vereine in seiner Totalität
erweist Herr Dr. Cahn unschätzbare Dienste, sondern auch jedes einzelne
Mitglied des Vereins, der den Ehrennamen Jeschurun führt, weiß er durch
sinnige Gaben zu erfreuen und zu Dank sich zu verpflichten. Die Werke des
Großmeisters der jüdischen Wissenschaft, des Rabbiners S.R. Hirsch s.A.,
als: Pentateuch, Psalmen, Horeb, ferner den Haftoroh-Kommentar des seligen
Direktors Dr. Hirsch, haben im Laufe der Jahre sämtliche Lehrer des
diesseitigen Bezirkes, sowie eine Reihe von Lehrern angrenzender Bezirke
durch die Bemühungen des Herrn Dr. Cahn erhalten. Welch eine Fülle
geistiger Anregungen den Jugenderziehern dadurch geboten ist und wie sie
durch das Studium dieser Werke außer den eigenen Fortbil-
Anmerkung: der Schluss des Artikels liegt nicht vor bzw. kann in der
online-Ausgabe des "Israel" in compactmemory.de nicht gelesen
werden). |
Die Rede von Rabbiner Dr. Cahn zum Tod von Freiherr Wilhelm Karl von Rothschild
erscheint im Druck (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1901: "Fulda,
im März (1901). 'Was schon längst das Ohr vernommen, bietet sich dem
Aug' nun da.' Die herrliche Rede, die unser hochverehrter Herr
Provinzialrabbiner Dr. Cahn anlässlich des Heimganges des edlen
Philanthropen Freiherrn Wilhelm Karl von Rothschild am 3. Februar dieses
Jahres in der hiesigen Synagoge gehalten, ist im Druck erschienen und
somit weiteren Kreisen zugänglich gemacht. Sie ist ein Meisterwerk in des
Wortes wahrster Bedeutung. Herr Dr. Cahn zeichnet ein Lebensbild des
großen Toten, dass diejenigen, die i9hn kannten, ihn als greifbare
Gestalt erblicken und die, welche ihn zu kennen nicht das Glück hatten,
mit Ehrfurcht und Begeisterung für den Fürsten in Israel, wie er sowohl
wegen seines Reichtums, als auch wegen des Adels seiner Gesinnung mit
Recht genannt werden durfte, erfüllt werden.
Aber was ist das tote Wort gegenüber dem lebendigen Ausdruck der Sprache.
Wer die Ergriffenheit des Herrn Provinzialrabbinen zu beobachten
Gelegenheit hatte, als er den schweren Verlust, den ganz Israel erlitten,
beklagte, wurde zu Tränen gerührt. Jeder fühlte, dass man einen großen
Mann verloren. Die gen. Gedächtnisrede, im Verlage des Herrn J. Kauffmann
in Frankfurt am Main erschienen, sei allseitig auf das wärmste
empfohlen." |
Über eine Publikation von Rabbiner Dr. M. Cahn über die Einrichtungen des
Koscher-Fleisch-Verkaufs (1901)
vgl. dazu den Beitrag
"Über die Institutionen der jüdischen Gemeinde" auf der Textseite
zum jüdischen Gemeindeleben in Fulda.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juli 1901: "Die
Einrichtungen des Koscher-Fleisch-Verkaufs, unter besonderer
Berücksichtigung der Zeichnungs- und Stempelungs-Methoden. Dargestellt
von Dr. M. Cahn, Provinzialrabbiner in Fulda. Verlag von A. J. Hofmann,
Frankfurt am Main. 1901.
Zum Lesen der Buchvorstellung bitte Textabbildung anklicken. |
25-jähriges Jubiläum von Provinzial-Rabbiner Dr. Michael Cahn in Fulda (1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 23. Dezember 1902: "Fulda, 19. Dezember (1902): Vor
wenigen Wochen waren es 25 Jahre, dass Seiner Ehrwürden, Herr Provinzial-Rabbiner
Dr. Cahn dahier seine Stelle als solcher angetreten und in
segensreicher Weise versehen hat.
Die hiesige Gemeinde beabsichtigte, in Gemeinschaft mit den übrigen
Gemeinden seines Rabbinatsbezirks und unter Teilnahme der großen Zahl der
Schüler und zahlreicher Freunde und Verehrer des Herrn Dr. Cahn, das
25-jährige Amtsjubiläum desselben in würdiger Weise zu begehen. Das zu
diesem Zwecke zusammengetretene Komitee war seit Monaten tätig, um alles
bis ins Kleinste vorzubereiten - da machte der Herr Jubilar demselben
einen Strich durch die Rechnung, indem er, - nachdem die Vorbereitungen zu
seiner Kenntnis gelangt waren - in bescheidenster Weise dringend darum
bat, von jeder öffentlichen Ehrung absehen zu wollen. Mit schwerem Herzen
musste das Komitee diesem Wunsche Rechnung tragen, doch konnte man es
nicht über sich gewinnen, das Ereignis ganz sang- und klanglos
vorübergehen zu lassen, und so wird am 25. dieses Monats das Komitee dem
Herrn Jubilar eine kleine Feier privaten Charakters veranstalten und in
Verbindung damit eine Ehrengabe überreichen. Wie wir hören, werden auch
sämtliche Gemeinden des Bezirks an diesem Tage den Gefühlen des Dankes
und der Verehrung durch Überreichung wertvoller Geschenke Ausdruck
geben.". |
|
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 30. Dezember 1902: "Fulda. Der 25. Dezember dieses Jahres
gestaltete sich zu einem wahren Festtage für unsere Gemeinde. Galt es
doch, unserm hochverehrten Herrn Provinzial-Rabbinen Dr. Cahn anlässlich
seiner 25-jährigen segensreichen Wirksamkeit im Rabbinatsbezirke Fulda
den Tribut der Dankbarkeit und Verehrung öffentlich zu zollen. Am |
18.
Januar dieses Jahres, also bereits vor Jahresfrist hatte sich ein
Festkomitee gebildet, das sich zur Aufgabe gestellt, das 25-jährige
Jubiläum des Herrn Provinzialrabbinen würdig zu begehen. Die
umfassendsten Vorbereitungen waren bereits getroffen. Da erfuhr der Herr
Jubilar von der in Aussicht genommenen Feier und richtete an das Komitee
ein Schreiben, worin er dringend bat, von einer öffentlichen Ehrung
abzusehen. Man durfte sich der Bitte nicht verschließen und willfahrte
derselben. Jedoch sang- und klanglos den bedeutsamen Tag vorübergehen zu
lassen, dazu konnte man sich nicht entschließen, und so wurde eine Feier,
in engeren Grenzen gehalten, veranstaltet, die Zeugnis ablegte von der
Liebe und Hochachtung, deren sich der Herr Jubilar erfreut. Am
betreffenden Tage versammelten sich die Komitee-Mitglieder in dem neu
erbauten, erst seit einigen Tagen bewohnten Hause des Herrn Provinzialrabbinen,
um ein Geschenk, bestehend in einer kostbaren Speisezimmer-Einrichtung
darzubieten. Der Vorsitzende des Festkomitees, Herr Mendel Wertheim, ein
Schüler des Jubilars, überbrachte eine Adresse und gab dabei den eigenen
Empfindungen Ausdruck. Sichtlich ergriffen, dankte der Herr Jubilar in
längerer, geradezu überwältigender Rede, in der er seinen Werdegang
schilderte. Die Schar der Gratulanten wuchs mit jedem Augenblicke. Der
Vorsitzender der Chebrah-Schas, die Herr Dr. Cahn vor einigen Jahren ins
Leben rief und in der er durch Wort und Beispiel in Begeisterung weckender
Weise wirkt, gab den Dankesgefühlen der Lernenden beredten Ausdruck. Die
Vorstände der hiesigen Chebrahs überreichten wertvolle Geschenke, unter
denen ein Toraschrank, ein Toraschmuck und ein Leuchter besonders erwähnt
zu werden verdienen. Der Verein 'Jeschurun' überreichte durch Herrn
Lehrer Spiro eine Adresse nebst einem Geschenke. Für jede Ansprache hatte
der Herr Jubilar eine treffliche Erwiderung. Das Telegraphenamt konnte
nicht zur Ruhe kommen. Aus allen Himmelsgegenden liefen Telegramme ein. Es
war bereits Mittag geworden, und noch immer stellten sich neue Gratulanten
ein. Herr Justizrat Dr. Hirsch aus Frankfurt am Main überbrachte die
Wünsche der Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen
Judentums, Herr Hackenbroich die der Israelitischen Religionsgesellschaft
Frankfurts und Herr Dr. Roos die des Zentralkomitees für den Spitalbau.
Um 1 Uhr hatte sich eine größere Festversammlung in den festlich
geschmückten Räumen der Elementarschule zu der vom Komitee
veranstalteten Feier eingefunden. Beim Eintritt des Herrn Jubilars
intonierte der Synagogenchor Boruch habbo. Herr Synagogen-Ältester
Emanuel Stern hielt darauf eine wohldurchdachte Rede, in der er des Herrn
Provinzial-Rabbinen erfolgreiches Wirken, wie das harmonische Verhältnis
zwischen Rabbiner und Gemeinde schilderte und des Himmels Segen auf das
Haupt des Herrn Jubilars herabflehte. Die Kinder sangen dann einen Chor,
und Herr Kreisvorsteher Hahn - Hersfeld begrüßte und beglückwünschte in
gehaltvollen, warm empfundenen Worten namens der Gemeinden des
Rabbinatsbezirkes Fulda den Herrn Provinzial-Rabbinen. Herr Lehrer
Löwenstein hier brachte die Wünsche der Lehrer des Rabbinatsbezirkes zum
Ausdruck. Nachdem das letzte Lied verklungen war, bestieg Herr
Provinzialrabbiner Dr. Cahn das Podium, um in längerer, nach Form und
Inhalt gleich ausgezeichneten Rede seinen Dank auszusprechen. Den Schluss
der herrlichen Rede, die einem größeren Kreise bekannt gemacht zu werden
verdient. bildete ein mit Begeisterung aufgenommenes Kaiserhoch. Stehend
sang die Versammlung die Nationalhymne. Die Befriedigung ob der
schlichten, jedoch wohlgelungenen Feier spiegelte sich in Aller Blicken
wieder. Abends fand in der Elementarschule ein Kinderfest statt, bei
welchem Gesang und Vorträge miteinander abweichselten. Ein von Herrn
Lehrer Spiro hier verfasstes Festspiel trug zur Erheiterung der Stimmung
wesentlich bei. In einer an die Kinder gerichteten Ansprache schilderte
Herr Lehrer Spiro des Herrn Jubilars Wirken in der Schule, wie er nicht
nur vorlehrt, sondern auch vorlebt, sodass hier das Bibelwort angewandt
werden kann: 'Werden wir wohl diesem gleich einen Mann finden, in dem der
Geist Gottes ist.' (Genesis Kap. 41, Vers 38). In einer dem
Fassungsvermögen der Kinder angepassten Weise mahnte der Herr
Provinzial-Rabbiner die Kleinen zur gewissenhaften Beobachtung der
religiösen Vorschriften, zur Aufmerksamkeit in der Schule und zum Fleiße
im Hause. Erst in später Stunde verließen die Gäste, unter denen sich
auch Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Munk aus Marburg, der eine Adresse
seiner Gemeinde überbracht hatte, befand, die Festräume. Möge es dem
hochverehrten und hochverdienten Herrn Jubilare vergönnt sein, noch viele
Jahre zur Ehre Gottes, zum Segen seiner Gemeinde und zu Israels Nutz und
Frommen wie bisher zu wirken." |
Das neue Rabbinatsgebäude wird eingeweiht
(1903)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 14. August 1903: "Fulda. Unser verehrter Rabbiner,
Herr Dr. Cahn, hat die S'chiv, nächsten Samstag sein neues Haus
einzuweihen. Der Schabbos Ekew hat für unsern Herrn Rabbiner eine
glückbringende Bedeutung; an ihm erhielt er vor 26 Jahren seinen
Doktortitel, er feiert seinen Geburtstag an diesem Tage, auch wurde ihm an
diesem Tage sein ältester Sohn geboren. Möge dieser vierfache Freudentag
ihn und seine ihm ebenbürtige Frau Gemahlin noch recht viele Jahre
erfreuen." |
Rabbinatsassessor Dr. Chaim Lauer wird zum Rabbiner
der jüdischen Kolonien in Argentinien ernannt (1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Juli 1914: "Zum Rabbiner der jüdischen Kolonien in
Argentinien hat die Direktion der JCA den früheren Rabbinatsassessor in
Fulda, Dr. Chaim Lauer ernannt. Derselbe stammt aus Ungarn und hat das
Berliner Rabbiner-Seminar absolviert." |
|
Anmerkung: Chaim Lauer: geb. 1876
Brzesko, gest.
1945 Biel/Schweiz:
studierte in Basel und Berlin, seit 1925 Rabbiner und Lehrer an der Klaus in Mannheim,
nach der Auswanderung von J. Unna war Lauer der einzige Rb der Klaus-Synagoge,
Ende 1938 nach Biel/Schweiz emigriert, dort
Rabbiner bis 1945. |
Zum Tod von Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn
(1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
8. Januar 1920: "Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen. In der Nacht zum zehnten
Tewes, dem Tage, der den Beginn unserer ersten nationalen Katastrophe
bezeichnet, ist die gesetzestreue Judenheit Deutschlands, ja des ganzen
Erdenrundes, von einem schweren Schlage getroffen worden: der Fuldaer Raw,
der Mann der lebenssprühenden Begeisterung und der markigen Tat, der
ragende Fels der Gottestreue und des Wahrheitsmutes in einer haltlos
schwankenden Zeit, ist seiner irdischen Wirksamkeit plötzlich entrückt
worden. Wohl hatten seit sechs Jahren die Nahestehenden um den Alternden
gebangt, und liebevolle ärztliche und kindliche Sorgfalt war schon von
damals an bemüht, ihn von jeder aufregenden Tätigkeit fernzuhalten. Aber
gerade die letzten Monate hatten den mehr als Siebzigjährigen wunderbar
verjüngt; er begann wieder zu lehren und zu arbeiten, und noch am Jom
Kippur trugen um die Neila-Stunde seine herzergreifenden Weisen die Seelen
seiner Gemeinde zum Göttlichen empor.
So durfte er denn mitten in der Fülle der Mizwos von dannen gehen; kaum
aus dem Kreise seiner Schüler herausgetreten, mit denen er gelernt, und
die er dem Neumond froh entgegengeführt, die Worte des Kiddusch Lewono
fest auf den Lippen - so kehrte er heim, 'seinen Bildner zu verherrlichen
ob der Herrlichkeit seiner Weltenherrschaft.' - - -
Der äußere Lebensgang des Entschlafenen ist rasch erzählt. In Rüdesheim
am Rhein von einfachen, frommen Eltern erzogen - er hat sein Leben
lang das fröhliche Temperament des Rheinländers nicht verleugnet -
wusste er schon als Zwölfjähriger dem Vater die Erlaubnis abzuringen, in
dem benachbarten Mainz seinen Wissensdurst stillen zu dürfen. Zu den
Füßen von Rabbi Schmuel Bondi - das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen - lernte er mit Feuereifer Tora, dabei in unsäglichen Mühen
durch Unterricht sich die Mittel zum Lebensunterhalt verdienend. So durfte
er nach schweren Jahren das von Israel Hildesheimer - das Andenken an
den Gerechten ist zum Segen - ins Leben gerufene Rabbinerseminar in
Berlin beziehen. Es war die Zeit, in der der 'Rebbe' in der Vollkraft
seiner Jahre jedem einzelnen seiner Schüler die ganze Fülle seiner
begnadeten Persönlichkeit spendete, und sicherlich hat die engelgleich Ausstrahlung,
die den Meister auszeichnete, mehr vielleicht als bei irgend einem seiner
Schüler in der Seele des jungen Michael Cahn gezündet und Wurzel
geschlagen. Nach erlangter Autorisation zum Rabbiner und
mehrjähriger Amtswirksamkeit in der posen'schen Gemeinde Samter folgte
der junge Rabbiner einem Rufe, der ihn wieder in die Nähe seiner
süddeutschen Heimat führen sollte, nach Fulda.
Was er hier innerhalb der Gemeinde und in einem ausgedehnten Landbezirke
in den vier Dezennien seiner Lebenswirksamkeit als Rabbiner geleistet,
davon legen die Institutionen dieser Gemeinden Zeugnis ab. Mit der ganzen
Wucht seiner unvergleichlichen Überzeugungskraft, einer nimmer
erlahmenden Energie und Tag und Nacht nicht rastender Gewissenhaftigkeit
wandte er dem Kleinsten wie dem Größten, der Schule, der Mikwa wie der
Schechita, dem Geschäfts- und Familienleben der Gemeindemitglieder, der
Art der Mizwo-Erfüllung wie der Rechtsstellung der Gemeinden und ihrer
Beamten seine Fürsorge zu. Mit den Lehrern der Landgemeinden wusste er in
ein enges Freundschaftsverhältnis zu treten, das auf Vertrauen und
Verehrung beruhte. Vor allem lag hm neben der Ausgestaltung der jüdischen
Volksschulen das eigentliche Toralernen am Herzen, und seine
Lieblingsschöpfung, das Beshamidrasch (Tora- und
Talmudlernschule), das er in Fulda geschaffen, und mit dem er den Namen
seines großen Vorgängers auf dem Fuldaer Rabbinatssitz, des Maharam
Schiff - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, in
seiner Gemeinde praktisch zu Ehren zu bringen gedachte. In seiner Genauigkeit
in den religiösen Vorschriften galt Dr. Cahn vielen als eine strenge
Natur - aber wer auch nur eine Ahnung von der Vielgestaltigkeit, von der
Wesensart seines Gemilus Chesed (Wohltätigkeit) hatte, der musste in ihm
einen Mann von übersprudelnder Menschenliebe erblicken. Da war keine
Witwe, keine Waise in seinem Rabbinatsbezirke, die in ihm nicht den
Annehmer, kein schwergeprüfter Familienvater, der nicht Rat und
tatbereite Hilfe im Rabbinerhause zu Fulda gefunden hätte. Dazu war eine
umfassende Sammeltätigkeit innerhalb wie außerhalb des Bezirkes nötig,
deren Mühen und Unbilden nur eine so herzbezwingende
Persönlichkeit |
wie
Michael Cahn überwinden konnte. Ihm zur Seite wirkte die kongeniale
Gattin, die Tochter des Oberrabbiners Stern - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen - in Hamburg, die in bewusstem jüdischem
Pflichternst dem jungen Rabbiner aus der Großstadt in die kleine, große
Welt des ländlichen Volkserziehers gefolgt war, und mit der es ihm
gelang, sechs Söhne und vier Töchter allesamt zu ebenbürtigen,
würdigen Trägern der väterlichen Ideale zu erziehen.
Allein diese Welt des 'Provinzialrabbiners', sie war dem Feuergeiste des Heimgegangenen
doch viel zu eng. Wie kaum bei einem zweiten hatte sich in seinem Innern
eine Synthese Hildesheimer'schen und Hirsch'schen Geistes vollzogen, aus
der eine weitverzweigte und einheitlich bestimmte öffentliche Wirksamkeit
größten Stieles emporwuchs.
Die auf das Persönliche eingestellte, die Menschen gewinnende, das
Bedürfnis des jüdischen Lebens tief erfassende Art verdankte er
Hildesheimer; die prinzipienklare, mit eiserner Konsequenz auf die
Reinheit des religiösen Gedankens hinzielende Formgebung seiner
politisch-religiösen und literarischen Wirksamkeit war gewiss eine Frucht
der von dem Frankfurter Meister ausgestreuten Saat.
So trat er diesem von der Gründung der 'Freien Vereinigung für die Interessen
des orthodoxen Judentums' an als hervorragendster Mitarbeiter und
Mitstreiter zur Seite und hat als einer der Führer dieser Organisation,
in treuer Freundschaft auch dem Nachfolger Hirsch's verbunden, drei
Jahrzehnte namentlich in allen politischen Dingen den Stempel seines
starken Wollens aufgedrückt. Was er hier auf praktischem wie auf
politischem Gebiete, beim Schutze der Schechito, des Sabbats,
der Mezizo (Beschneidung), beim Kampfe um die jüdische
Volksschule, der Gründung des gesetzestreuen Lehrerbundes, in
der Abwehr der unheilvollen Bestrebungen zur zwangsweisen
Vereinheitlichung des Judentums, im Ringen um die Reinheit der religiösen
Begriffe, gegen das Schlagwort von der 'Gleichberechtigung der Richtungen'
Gewaltiges geleistet, das zu beschreiben, würde den Rahmen dieses kurzen
Nachrufes sprengen.
Denn Michael Cahns politisch-religiöse Wirksamkeit schildern, heißt die
Geschichte der deutschen Judentums der letzten Jahrzehnte schreiben. Das
muss ruhigerer Stunde vorbehalten bleiben.
Der Inhalt dieses seines Wirkens, das auch innerhalb der 'Freien
Vereinigung' sich nicht erschöpfte, sondern mit gleichem Ernste, soweit
es das Alter gestattete, auch Agudas Israel galt, umfasst eine
verwirrende Fülle von Einzelheiten - allein alle getragen und geordnet
von dem einen Strebeziel, ernst zu machen mit der Gewinnung
der jüdischen Gesamtheit für ihre alleinige Aufgabe, die Erfassung und
Verwirklichung des Gotteswillens auf Erden.
Zur Kennzeichnung der wunderbaren Art jedoch, wie der Heimgegangene
gearbeitet hat, dürfen wir vielleicht die kurzen Sätze wiederholen, die
wir ihm vor wenigen Monden, als er die Schwelle des Greisenalters
überschritt, an dieser Stelle widmeten.
Wer jemals das Glück gehabt hat, den Fuldaer Rabbiner bei irgendeiner
Arbeit, sei ihr Gegenstand kleinlichsten oder weltumspannenden Charakters,
zu beobachten, der wird einer ganz neuen Auffassung von dem Begriff der
Genauigkeit in den religiösen Geboten teilhaft geworden sein. Da ihm jede
Aufgabe ein religiöses Gebot war, ob sie auch 'profan' scheinen mochte,
so wendete er ein so ungeheures Maß von Ernst, von Gewissenhaftigkeit,
Gründlichkeit und Umsicht an jede Einzelheit, dass unter seinen Händen
die kleinsten Dinge groß wurden, und hinter scheinbar verschlossenen
engen Wänden Perspektiven in die Weite angeahnter Beziehungen, damit aber
oft überraschendste Konsequenzen und - Erfolge aufgingen.
Und wer käme Dr. Cahns Hingebung an die Menschen gleich, seinem
ruhelosen, vor nichts zurückschreibenden Gemiluß
Chesed-(Wohltätigkeits-)Bedürfnis, das eiserne Mauern zertrümmert und
'goldene' Berge als seien es sanfte Hügel erklimmt?
Nur eine Persönlichkeit, die sich in jedem Moment ihres Daseins als
Werkzeug Gottes fühlt, kann so wie Dr. Cahn alles klein Menschliche des
eigenen Ichs hinter sich lassen und ganz den Dingen und den Menschen
untertan werden, um ihnen das Siegel des Gotteswillens aufzuprägen. Daher
die Absolutheit, die Unbedingtheit seines eigenen Wollens - die Blinden
nennen es Fanatismus, die Sehenden beugen sich vor der Größe einer
Persönlichkeit, die durch ihre verstehende Milde, ihre sonnige Heiterkeit
und Bescheidenheit die Reinheit ihres Pinchas-Eifers tausendmal erwiesen
hat.
Charakteristisch für die innige Verflochtenheit des Praktisch-Politischen
und des Grundsätzlichen in Cahns Persönlichkeit ist das große Werk, das
er kurz nach den Broschüren: 'Die Verbände und das Judentum' und 'Das
Plädoyer des Herrn Justizrat Makower' erscheinen ließ: 'Die religiösen
Strömungen im zeitgenössischen Judentum'. Hier folgen auf die ins
Kleinste gehenden gründlichen Auseinandersetzungen über die Vorgänge
bei der Schaffung des Volksschulunterhaltungsgesetzes von 1906
tiefeindringende Untersuchungen zu den dogmatischen Grundproblemen der
jüdischen Lehre. Ihm war eben Politik nichts anderes als die
Verwirklichung der Gotteslehre im öffentlichen Leben, und der kleinste
Buchstabe in einem Gesetzesparagraphen gewann ihm Würde und Heiligkeit,
wenn an ihm Gedeihen oder Verderb für Mizwo-Tat oder Tora-Erkenntnis zu
hängen schien.
Das ist das Geheimnis dieses an Erfolgen reichen Lebens. - - - Seine
Spuren werden hienieden nimmer verwehen, und die unauslöschliche
Dankbarkeit aller derer, die zum Gottesvolke sich zählen, wird Dr.
Michael Cahn - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - für
alle Zeiten geweiht bleiben. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens."
Die Bestattung am Sonntag, den 13. Tewes gestaltete sich zu einer
überwältigenden Kundgebung der Verehrung und Liebe, die dem Verstorbenen
in den weitesten Kreisen entgegengebracht wurde, obschon durch die
schwierigen Verkehrsverhältnisse gar mancher treue Freund ferngehalten
worden war.
Im Trauerhause gaben am frühen Morgen schon die Nächststehenden, Rabbinatsassessor
Kunstadt, der Bezirkssekretär der Agudas Jisroel, Dr. L. Herz,
und der älteste Sohn Oberlehrer Dr. M. Cahn aus Leipzig, in
erschütternden Trauerklagen ihrem Schmerze an der Bahre Ausdruck. Die
Trauerfeier in der Synagoge, wohin man den Oraun (Sarg) verbracht
hatte, begann um halb 10 Uhr. Namens des Landrabbinats rief Provinzialrabbiner
Dr. Bamberger - Hanau dem verehrten
väterlichen Freund und Kollegen Worte des Abschieds nach und überbrachte
gleichzeitig den Zoll der Dankbarkeit für den Heimatgegangenen von Seiten
des Synagogenverbands Hamburg. Distriktsrabbiner Dr. R. Breuer -
Aschaffenburg gab im Auftrag
seines Vaters und des Orthodoxen Rabbinerverbandes dem tiefen
Schmerze Ausdruck, dass es ihm versagt sei, dem treuen Mitarbeiter und
Freunde persönlich die letzte Ehre zu erweisen. Der Redner zeichnete
alsdann in eindrucksvollen Worten die historische Bedeutung des
Heimgegangenen als des Pinchas der deutschen Orthodoxie, die in Hirsch und
seinen Genossen ihre Moses und Ahron gefunden hatte. Herr Jacob
Rosenheim - Frankfurt feierte die priesterliche Wirksamkeit dieses...,
indem er seine unvergleichliche Lebensarbeit für 'Freie Vereinigung',
'Agudas Jisroel', 'Deutsch-holländische Palästina-Verwaltung', 'Schaare-Zedek-Hospital'
andeutend skizzierte, um ihm schließlich namens der Synagogen-Gemeinde
'Israelitische Religionsgesellschaft' in Frankfurt und als Freund und
Schüler Abschiedsgrüße widmete. Provinzialrabbiner Dr. Hirschfeld
- Gießen sprach warme Worte inniger Verehrung namens der
Nachbargemeinden, Lehrer Sonn - Fulda für den Lehrerverein 'Jeschurun'.
Von besonderem Eindruck waren die Reden der Vertreter des Vorsteheramts
der Israeliten, Sanitätsrat Dr. Stern und der Gemeinde Fulda, Mendel
Wertheim. Aus den Reden dieser Männer leuchtete die ganze Größe des
Verlustes hervor, den der Heimgang dieses wahrhaften treuen Hirten
für den Kreis seines heimatlichen Wirkens bedeutet. Um zwölf Uhr schloss
die Trauerfeier. Ein endloses Trauergefolge geleitete die Bahre um halb 2
Uhr von der Synagoge zu dem
ziemlich |
entfernten
Friedhof, wo die Trauerreden im Freien stattfanden. Der Sohn und Nachfolger
des Verstorbenen, Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn, den der Vater zu
seiner innigen Befriedigung noch in sein heiliges Amt vor wenigen Monaten
hatte einführen können, rang seinem Schmerze erschütternde Worte ab.
Worte, die sich über das Einzelleid zur Höhe des
Gesamtheits-Bewusstseins emporhoben und den Gemeinden das heilige
Vermächtnis des Vaters ans Herz zu reden versuchten. Dann riss Rabbiner
Dr. Munk - Berlin die Hörer noch einmal durch einen packenden Abschiedsgruß
an den Mann mit dem Elijahu-Geiste mit sich fort; er sprach namens des
'Adaß Jisoriel' in Berlin, des Rabbiner-Seminars und des Bundes
jüdischer Akademiker. Ferner sprachen noch die Herren Dr. Nathan
Cahn, Lehrer Gans - Niederaula für
die Lehrer des Rabbinatsbezirkes und Lehrer Hirschberg - Frankfurt
am Main für den 'Bund jüdischer Akademiker'. Der Tag neigte sich,
als die Erdschollen über die Bahre und über das Sefer Tora in irgender
Umhüllung hinabrollten, das man der zur Erde heimkehrenden Hülle Michael
Cahns mitgegeben hatte." |
|
Todesanzeige
für Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 15. Januar 1920:
"Nachruf! Nach einer 40-jährigen segensreichen Wirksamkeit
als Rabbiner und Lehrer unserer Gemeinde ist uns
Herr Provinzialrabbiner a.D. Dr. M. Cahn - das Gedenken an den
Gerechten ist zum Segen -
durch den Tod entrissen worden.
Durch sein vorbildliches Leben, seine eherne Pflichttreue, sein
unermüdliches Streben, die Kenntnis der Gotteslehre zu vermitteln und zu
verbreiten, durch sein mutiges Eintreten für Erhaltung der Tradition und
durch Schaffung mustergültiger Gemeindeinstitutionen hat er sich ein
dauerndes Denkmal gesetzt. Unsere Dankbarkeit wird nie verlöschen.
Fulda, den 12. Januar 1920. Die Synagogenältesten." |
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Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 9. Januar 1920: "Dr. Michael Cahn. Provinzrabbiner Dr.
Michael Cahn in Fulda ist im 71. Lebensjahre aus einem Leben abberufen
worden, das in jedem Atemzuge der Verherrlichung und Verwirklichung des
Thaurohwortes (Torawortes) geweiht war. Unbeugsame Ehrlichkeit und
Reinheit des Wollens, unermüdliche Energie des Schaffens machten Rabbiner
Dr. Cahn zu einer der markantesten Erscheinungen unter den orthodoxen
Rabbinen Deutschlands. Die Selbstlosigkeit und Konsequenz, mit der er für
Thauroh, Awaudoh und Gemilus-Chassed (Tora, Gottesdienst und
Wohltätigkeit) strebte, nötigte selbst seinen Gegnern - und an solchen
konnte es einem Manne, der ganz Persönlichkeit war, nicht fehlen -
Bewunderung ab. Ein heiterer Mensch - von welch reichem Humor waren seine
Tischreden an der Festtafel gewürzt! - ein weiches Gemüt - zu Tausenden
zählen die Briefe, die er im Interesse Gedrückter und Armer schrieb -,
und doch welch eiserne Pflichttreue! Eine Frucht seiner staunenswerten
Arbeitskraft ist auf schriftstellerischem Gebiete die 1912 erschienene,
fast 500 Seiten zählende Kampfschrift 'Die religiösen Strömungen in der
zeitgenössischen Judenheit'.
Die Beisetzung gestaltete sich zu einer gewaltigen Manifestation des
Ansehens, das sich Rabbiner Dr. Cahn in seinem Wohnorte Fulda bei allen
Schichten der Bevölkerung, in seinem Amtsbezirke bei allen Gliedern der
ihm anvertrauten Gemeinden und bei der gesamten orthodoxen Judenheit
Deutschlands mit seinem Wirken erworben hat.
Es wurden 16 Reden gehalten. Es sprachen die Söhne, die Rabbiner Dr.
Bamberger - Hanau, Dr. Breuer -
Aschaffenburg, Dr. Hirschfeld
- Gießen, Dr. Munk -
Berlin, Lehrer Hirschberg, Jakob Rosenheim - Frankfurt, Dr.
Stern, Mendel Wertheim - Fulda usw. usw." |
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Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 16. Januar 1920: "Der Fuldaer Raw seligen Andenkens.
Wenn das Mahnwort 'Talmud chochom schemes hakaul krauwow' uns je in seiner
ganzen Bedeutungsschwere ergriffen hatte, so war es vor einigen Tagen, da
uns die Kunde kam, dass Rabbiner Dr. Michael Cahn von seinem
himmlischen Vater in die 'Welt der Wahrheit' gerufen wurde. Es war den
unzählig vielen, de gewohnt waren, mit Stolz von 'unserem' Dr. Cahn zu
sprechen, so weh zu Mute, als wenn ein teures Familienmitglied
heimgegangen wäre. Mit seiner Familie mit seinen Gemeinden zugleich
trauern um ihn alle diejenigen, denen der Name Dr. Cahns ein Programm
war, eine ragende, führende Licht- und Feuersäule in dem Wirrsal unserer
Zerklüftung.
Wollt Ihr wissen, wer Dr. Cahn war? Geht hin in die Fuldaer Synagoge und
seht den Jüngling und den Mann, der mit minutiöser Gewissenhaftigkeit
darauf achtet, dass er Mizwas Tefilin nach göttlichem Gebot ausübt (sc.
vgl. Wikipedia-Artikel
Tefilin). Dr. Cahn war es, der von Bank zu Bank in seiner Synagoge
schritt und sich zu jedem Barmizwohjungen niederbeugte und ihm die Mizwo
in der ihm eigenen väterlichen Weise demonstrierte. Geht dann hin ins
Bethamidrasch (Talmud- Toraschule) und hört das 'Lernen' seiner Khillo
(Gemeinde) ihrer Alten und aber auch ihrer Jungen.
Geht in die Hütten der Witwen und Waisen und zählt die Tränen, die dort
geweint werden um den Heimgang dessen, der ihnen Stütze und Helfer war.
Und vergesst nicht zu den Lehrern seines Bezirkes zu gehen und sie zu
fragen, ob sie je ein Anliegen hatten, das 'ihr' Dr. Cahn nicht in
fürsorglichster Weise erledigte.
Und wenn Ihr staunend dann erkennt, dass hier inmitten des traurigen
Niederganges unserer Mittel- und Landgemeinden ein Heiligenland, ein
Eiland der Tora und Jira (Gottesfurcht) sich erhob, geschaffen durch
Unermüdlichkeit und Energie, die ein Lebenswerk bedeuten, - dann
blättert in den Analen der jüdischen Geschichte Deutschlands in den
letzten vier Jahrzehnten, und ihr werdet ein Blatt finden, auf dem Dr.
Cahn sich nicht verewigt hätte Wie konnte er, der Mensch mit dem kindlich
heiteren Gemüte und dem weichen Herzen, ernst und hart werden, wenn er
Ernst und Härte am Platz glaubte, wenn es galt, zum Ausdruck zu bringen,
dass das Judentum der vom Sinai geoffenbarten Lehre und der Tradition, das
er mit der innigsten Glut seiner Seele liebte, und für das er mit seinem
Herzblut kämpfte, dass dieses Judentum keine Parteirichtung darstelle,
sondern eben das Judentum in seiner Reinheit und Unverfälschtheit
ist.
Bei Dr. Cahn konnte man in jeder Phase seines an Kämpfen so reichen
Lebens erkennen, wie diese Kämpfe geführt wurden mit der absoluten
Reinheit sachlicher Überzeugung, die nie getrübt war auch nur durch
einen Schimmer persönlicher Beeinflussung. Das große Geheimnis seiner
Erfolge in diesen Kämpfen war die Tatsache, dass bei ihm das 'Leschem
schomajim' keine Phrase war. Dies Bewusststein, die göttliche Wahrheit zu
vertreten, verlieh seinen Worten und Schriften jene hinreißende
Überzeugungskraft, die ihn das erreichen ließ, was andere als
hoffnungslos aufgegeben hatten. Sie ließen ihn in seiner Tätigkeit für
die 'Freie Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums' die
Hindernisse überwinden, welche in innerjüdischen und außerjüdischen
Kreisen der Verwirklichung der einzelnen Toragebote sich entgegenstellten.
Ihm ist es zu verdanken, wenn das jüdische Volksschulunterhaltungs-Gesetz
er ermöglichte, dass die Stimme der Tora nicht noch mehr in Deutschland
verstummte, als es ohnedies der Fall ist. Die Lehrerbildungsanstalt in
Köln, die Jeschiwaus im Osten, die Kranken in Erez Jisroel, die der Tora
Treugebliebenen in Baden, Rheinland, Westfalen, sie alle trauern um den,
der ihre Sache zu den seinen machte.
Wer aber je seinen heißen Hauch verspürt, wer von Dr. Cahn gelernt hat,
was es heißt, Jude zu sein, wer von der Trauer des großen Heimgegangenen
erfüllt ist, - für den ist er nicht gestorben, für den lebt er weiter.
So wird im Erstarken an seiner Lichtgestalt sich ein Denkmal für ihn
aufbauen, welches die Wahrheit künden wird: 'Zadikim awilu bmisisom
nikoim chajim'. G." |
Ergänzungen zum Nachruf auf Rabbiner Dr. Michael Cahn
(1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Januar
1920: "Mainz, 14. Januar (1920). In dem Nachrufe auf
Rabbiner Dr. Michael Cahn seligen Andenkens, ist der mannigfachen
Beziehungen nicht gedacht worden, die den Dahingeschiedenen mit dem
Begründer und langjährigen Herausgebers Ihres Blattes, Dr. Lehmann - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - verknüpften. Denn nicht nur
bei dem damals bereits hochbetagten Rabbi Samuel Bondi - das Andenken
an den Gerechten ist zum Segen -, lernte der Heimgegangene bei seinem
mehr denn zehnjährigen Aufenthalte in Mainz, mindestens ebensoviel
bereicherte er sein talmudisches Wissen bei dem damals noch in
jugendlicher Kraft stehenden Rabbiner Dr. Lehmann, der eine Jeschiwah
unterhielt, an der Michael Cahn einer der hervorragendsten Schüler
gewesen ist. Auch war es Dr. Lehmann oft genug, der den Schüler immer
wieder aus dem engsten Kreise seines Provinzialrabbinates herauszuheben
und ihm den Blick für die großen jüdischen Fragen zu öffnen verstand.
Rabbiner Dr. Cahn hat denn auch keine Gelegenheit verpasst, diesen
Tatsachen dankbarsten Ausdruck zu verleihen, so in seiner Trauerrede auf
Dr. Lehmann und bei der Jubiläumsfeier der Israelitischen
Religionsgesellschaft. Dr. Cahn bezeichnete Dr. Lehmann als seinen
hervorragendsten Lehrer, dessen unvergleichlich weisen Rat er bei jeder
Gelegenheit einholte, den er seit dem Ableben des großen Mannes auf das Schmerzlichste
vermisse." |
Zum Andenken an Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn
(1920)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16.
Dezember 1920: "Zum Andenken an Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn
- das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - in Fulda.
Kommenden Dienstag, am Fasttage des 10. Tewet (= 21. Dezember 1920),
jährt sich zum erstenmal der Tag, an dem uns, dem Torajudentum, der
unvergessliche Fuldaer Rabbiner genommen wurde Wie wir hören, wird in Fulda
die erste Jahrzeit in sinniger Weise begangen werden. Am Vorabend des
Jahrzeitstages wird dort eine Siumfeier auf den ganzen Schass
(Talmud) abgehalten, an der viele Rabbiner und Toragelehrte Deutschlands,
die während des Oweljahres (Trauerjahres) die verschiedenen Traktate zum Gedenken
an seine Seele ausgelernt haben, teilnehmen werden.
Am Jahrzeitstage selbst wird morgens auf dem Friedhof eine Gedenkfeier und
nachmittags in der Synagoge eine Trauerrede stattfinden. Da am
Bestattungstage voriges Jahr, infolge der Verkehrsschwierigkeiten am
Sonntag, von den unzähligen Freunden und Verehrern des verewigten
Rabbiners nur eine verhältnismäßig geringe Zahl nach Fulda gelangen
konnte, ist zu erwarten, dass sich viele von ihnen die Gelegenheit nicht
entgehen lassen, den ersten Jahrzeitstag it der Familie und der Gemeinde
des Verewigten, in treuem Gedenken vereinigt zu sein.
Wie wir ferner erfahren, ist zum ehrenden Andenken des Provinzialrabbiners
Dr. Cahn - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - eine
Stiftung am Fuldaer Beshamidrasch begründet worden, die dazu
bestimmt ist, diese Lieblingsschöpfung des Verstorbenen, auf die er
soviel Mühe und Zeit verwendete, in seinem Sinne und Geiste so
auszubauen, dass darin beständig ein Toragelehrter dem Talmudstudium
obliegen und Jünger für die Tora heranbilden kann. Es darf keinem
Zweifel unterliegen, dass sie weite Kreise an diesem schönen Denkmal für
den Mann, dessen ganzes Leben und ganze Kraft dem Judentum und der Tora
gehörten, mit reichen Mitteln beteiligen werden." |
In Erinnerung an Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn soll eine Stiftung
gegründet werden (1921)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
6. Januar 1921:
"Beit HaMidrasch schäl Maharam Schiff. Fulda.
Wir haben beschlossen, zum ehrenden Andenken an unseren unvergesslichen
Meister und Führer
Provinzial-Rabbiner Dr. Michael Kahn
- das Andenken an den Gerechten und Vollkommenen ist zum Segen
-
in Verwirklichung eines von ihm gehegten Planes an dem von ihm
begründeten Beth Hamidrasch eine Stiftung zu errichten. Dieselbe soll er
ermöglichen einen Talit Chochom (Talmudgelehrten) für dauernd
anzustellen, der in diesen Räumen ununterbrochen Thauroh (Tora) lernen
und verbreiten soll. Hierzu sind große Beiträge erforderlich. Wir bitten
alle Freunde und Verehrer des Heimgegangenen uns bei der Ausführung
dieses religiösen Gebotes (Mizwe) durch wesentliche Mithilfe zu
unterstützen. Geldsendungen erbitten wir auf unser Konto.
Beth Hamidrasch beim Hessischen Bankverein Fulda.
Der Vorstand des Beth Hamidrasch zu Fulda." |
Jahrzeitstag für Provinzialrabbiner Dr. Michael Cahn
(1921)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
13. Januar 1921: "Fulda, 2. Januar (1921). Am Abend des 10. Teweth (=
21. Dezember 1920, Fasttag Zom Tevet) versammelten sich im Hause
unseres Raw die Freunde von Nah und Fern - soweit sie nicht durch
dringende Amtsgeschäfte verhindert waren -, um den Sium auf .. in ernster
Feier zu veranstalten. Es galt, den ersten Jahrzeitstag unseres Führers
und Vaters, des Provinzialrabbiners Dr. Michael Cahn - das Andenken an
den Gerechten und Heiligen ist zum Segen - in würdiger, sein Andenken
ehrender Weise zu begehen. |
Ein
Denkmal der Liebe haben die Söhne, Schüler und Freunde ihrem Meister
gesetzt, da sie zur Verherrlichung seines Andenkens sich zu einem edlen
Bunde vereinigten und gemeinsam die gesamte mündliche Lehre von unserer
Heiligen Tora während eines Jahres durcharbeiteten. Eine dem Geiste
des Verklärten adäquatere Form des Dankes hätte die Schar seiner
Jünger und Getreuen wahrlich nicht finden können.
Diesem Gedanken gab der Sohn beredten Ausdruck, da er auf die glühende
Liebe des Vaters zum Toralernen hinwies. Voll tiefer Ergriffenheit
lauschten die Zuhörer der schlichten Erzählung, wie der zehnjährige
Knabe seine Eltern bewogen hatte, ihn nach Mainz zu geben, wie er dort zu
den Füßen von Rabbiner Lehmann und R. Schemuel Bondi saß und
unermüdlich lernte, wie er nachts um 1 Uhr aufstand, trotz der kalten
Winternacht in die Vorstadt wanderte, um bei einem hervorragenden Lamdon
bis früh 6 Uhr zu lernen, weil der Thaurolehrer am Tage keine Zeit mehr
für ihn frei hatte. So handelte der Knabe, der fern vom Elternhause
lebte, getrieben und durchdrungen von einer Hingabe und Glut zum
Gottesworte, die ihm seine frommen guten Eltern durch ihre treue Hingabe
in die junge Seele gehaucht hatten. Des Jünglings brennende Sehnsucht
ward im Manne zu jener Gottesflamme, die in alle Herzen schlug und den
Gottesfunken zu hellem Feuer entfachte; die noch den Greis so urgewaltig
durchlohte, dass der Zauber seiner Rede vor den Mächtigen der Erde, über
Israel drohendes Unheil verscheuchte. Er empfand es als eine wundervolle
Fügung, an der Stätte, die durch das Wirken von Rabbi Meir Schiff zu
höchstem Ansehen in ganz Israel gelangt war, als Hüter des
Heiligen zu stehen. Als krönenden Abschluss seines Lebenswerkes
betrachtete er die Wiedererrichtung des Bes-Hamidrasch (Lehrhaus) des Rabbi
Schiff. Diesen Bau lasset uns aufrichten, schloss der Redner - möge
ein jeder in seinem Kreise zur Förderung dieses Zieles beitragen. Unser
erstes vornehmstes Streben sei, das in diesem Jahre begonnene Lernen in
den kommenden Jahren fortzusetzen. Dann lebt der Geist des Gerechten, uns
weiter in einem Bris schel ahavoh (Bund der Liebe) einend, in uns
und unseren Nachkommen fort immerdar zum Segen. - Es folgten noch viele
Reden, deren Inhalt Thauroworte (Toraworte) des Verklärten waren und aus
der Erinnerung stieg sein Bild herauf, gab der Versammlung Weihe und
Erhebung.
Am Morgen nach Schacharit begaben sich trotz des tiefen Schnees und
eisigen Windes die Mitglieder der Gemeinde und die Freunde zur
Trauer-Feier auf den Friedhof. Gemeinsam mit den Söhnen sprachen
alle die Gebete am Grab des Gerechten. Der Stein stand bereits. Die
Inschrift verlas und interpretierte der Raw. Der älteste Sohn dankte der
Gemeinde für die Steinsetzung und sprach anknüpfend an die Stelle 'Und
Jakob stellte einen Stein auf ihr Grab, das ist der Stein des Grabes
Rachels'. Hinweisend auf den sinnigen Midrasch, dass jeder der
Jakobssöhne einen Stein gebracht und sie alle Steine aufeinander
getürmt, sodass ein Steinblock entstand, erinnerte er an die Worte des Raschban,
man stelle den Gerechten keine Steine, ihre Worte, ihre Edeltaten
seien ihr Denkmal. Auch unserem Lehrer Mose ist kein Stein
gestellt. Sein Denkmal ist die ganze Tora. Sie erfüllen - von
Anfang bis Schluss - heißt unseres Lehrers Andenken feiern. So möge
der Stein uns nichts anderes sein als das Sinnbild, dass wir gemeinsam
einen festen Felsblock bilden, gleich den geeinten Jakobssöhnen, um
unseres Vaters heiliges Vermächtnis - die Erfüllung der Gebote
unserer Heiligen Tora in allen Lagen des Lebens festzuhalten, jeder
erneute Anblick dieses Denkmales der Liebe gebe uns die Kraft, dem
edlen Rabbi gleich zu leben und zu streben, gebe uns die Mahnung, in den
tiefen Schacht unserer Tora einzudringen, gemeinsam zu forschen und
zu kämpfen, dann wird, wenn der Stein nicht mehr zu reden vermag, des
verklärten Vaters Andenken in Israel als ein Edelstein von herrlichstem
Glanze erstrahlen.
Nach Mincha hielt der Sohn und Nachfolger in Schul einen groß
angelegten Hesped, indem er den Gerechten als Fürsten und Retter Israels,
als Vater und Berater seiner Gemeinden, als Lehrer und Führer der Jugend,
als Wohltäter der Menschheit in der fast unübersehbaren Mannigfaltigkeit
seines an Segen und Erfolgen so überreichen Schaffens
feierte.
Herr Lehrer Möller sang dann den vom Raw verfassten 'El Mole Rachamim'
mit solcher Innigkeit, dass alle Herzen von Wehmut ergriffen wurden. Mit
dem Vortrag dieses Gebetes, das der Allgütige erhören möge, schloss die
würdige Feier." |
Rabbinatsvertretung gesucht (1921)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27.
Januar 1921: "Zur Erteilung des Religionsunterrichts in den höheren
Schulen dahier wird für die Dauer der Erkrankung unseres
Provinzialrabbiners ein geeigneter Vertreter sofort gesucht.
Geeignete Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
Emanuel Stern, Synagogen-Ältester, Fulda." |
Geburtsanzeige einer Tochter von Provinzialrabbiner
Dr. Leo (Jehuda) Cahn und Lea geb. Kober (1929)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. Februar 1921: "Gott sei gepriesen.
Die Geburt einer Tochter zeigen an Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn und Frau
Lea geb. Kober.
Fulda, 10. Adar 1 5689." (= 20. Februar 1929) |
Geburtsanzeige
einer Tochter von Rabbiner Dr. Kalmann Kahan und seiner Frau Hanna geb. Kunstadt
(1936)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. September 1936: "Mit Gottes Hilfe.
Die glückliche Geburt ihrer Tochter geben bekannt
Rabbiner Dr. Kalman Kahan Hanna Kahan geb. Kunstadt.
Fulda, Edelzellerweg 62. Am Abend vor dem 13. Elul 5696 (30. August
1936)". |
Beitrag von Rabbiner Dr. Kalman Kahan (1937)
Dr. Kalman Kahan ist 1910 geboren. 1935 erschien von ihm noch im Hermon-Verlag
(Frankfurt am Main): Seder Tannaim we Amoraim - auf Grund mehrerer
veröffentlichter und nichtveröffentlichter Texte bearbeitet.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
29. Juli 1937:
"Der Einfluss der Orthodoxie auf den jüdischen Staat..."
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
Rabbiner Dr. Kalman Kahan übersiedelt nach Erez
Jisrael (1938)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
29. September 1938: "Fulda, 23. September (1938). In
diesen Tagen ist Herr Dr. Kalmann Kahan nach Erez Jisrael übergesiedelt.
- In einer Abschiedsfeier, die durch die Zeitverhältnisse im engen Rahmen
gehalten wurde, wurde ihm der Dank für seine hiesige Wirksamkeit
ausgesprochen. Unser Raw schilderte, wie Dr. Kahan als Iwrith-Lehrer
hierher gekommen sei, es aber bald verstanden habe, Erwachsene wie
Jugendliche und Kinder im Toralernen um sich zu scharen und durch sein
tiefgründiges Wissen auf jüdischem und allgemeinem Gebiete, Klarheit
seines Lernens, die Echtheit seiner Jiroh (Gottesfurcht), die
Reinheit seines Charakters und den Takt seines Auftretens immer mehr sie
in der Emunoh (Wahrheit, Religion) zu stärken und einen Mittelpunkt für
alle an der Tauroh (Tora) interessierten Kreise zu bilden. Insbesondere
aber habe er sich ein unvergängliches Verdienst durch die 3 1/2-jährige
Tätigkeit als Dozent an unserer Jeschiwa erworben. Er sei nicht
nur der Lehrer, sondern der echte Freunde aller Bachurim (Torachüler)
gewesen, für deren Ergeben und Zukunft er sich warm interessierte und
sorgte.
Diese Ausführungen wurden ergänzt durch Darlegungen des Herrn Siegfried
Fulda, der namens des Kuratoriums der Jeschiwoh, Herrn Dr. Kahan für
seine unermüdliche Hingabe und Pflichttreue dankte.
Herr Meinhold Nußbaum schilderte die umfassende Arbeit, die Dr.
Kahan als Bundesleiter des N.A. geleistet habe und wie seine Beziehungen
zu den führenden Persönlichkeiten der Orthodoxie, aber auch seine enge
Verbundenheit mit der chaluzischen Jugend eine wesentliche Hilfe zur
Förderung des Chaluziuth und unserer Kibbuzim geworden sei.
Zum Schlusse dankte Dr. Siegbert Katz namens des Esra (=
Esra-Jugendbund) für die in dessen Rahmen geleistete Jugendarbeit. Dr.
Kahana selbst dankte in bewegten Worten und Anschluss an Toraworte und
zeitgemäße Worte unserer Großen (gemeint: bedeutende
Persönlichkeiten des Judentums oder auch der Gemeinde).
Es begleiten ihn die besten Wünsche der Fuldaer Gemeinde zu
segensvollem Wirken in Erez Jisrael." |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der anderen Kultbeamten (ohne
Rabbiner)
Ausschreibung der Stelle des Vorsängers und Schochet
(1852)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Januar 1853: "Zur Wiederbesetzung der erledigten
Vorsänger- und Schächterstelle bei der hiesigen israelitischen Gemeinde
werden geeignete Bewerber, falls beide Stellen verbunden werden sollen,
unter Vorlage ihrer betreffenden Befähigungs- und Sittenzeugnisse an die
Unterzeichneten binnen 4 Wochen aufgefordert.
Fulda, am 29. Dezember 1852. Die Synagogenältesten S. Eschwege.
J. Weilburg." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 7. Januar
1853: "Anzeige. Zur Wiederbesetzung der erledigten Vorsänger-
und Schächterstelle bei der hiesigen israelitischen Gemeinde, werden
geeignete Bewerber, falls beide Stellen verbunden werden sollen, unter
Vorlage ihrer betreffenden Befähigungs- und Sittenzeugnisse aufgefordert,
sich innerhalb 4 Wochen bei Unterzeichneten zu melden.
Fulda, am 29. Dezember 1852. Die Synagogen-Ältesten: S. Eschwege. J.
Weilburg." |
Ausschreibung der Schächter- und Hilfsvorsängerstelle
(1860)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
13. Juni 1860: "Vakanz. Die hiesige Schächter- und
Gehilfsvorsänger-Stelle soll alsbald besetzt werden. An Gehalt wird
außer den gewöhnlichen Nebeneinkünften 200 Gulden gegeben. Hierauf
Reflektierende, am liebsten Unverheiratete, belieben sich unter
Beibringung ihrer Fähigkeit und religiöser Führungszeugnisse zu wenden
an
Die Synagogen-Ältesten: Simon Eschwege, J. Weilburg. Fulda, den 16. Mai
1860." |
Ausschreibung der Stelle des zweiten Religionslehrers
(1890)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
23. Juni 1890: "Die Stelle eines 2. Religionslehrers in
der hiesigen Synagogen-Gemeinde, mit welcher die Versehung des
Küsterdienstes verbunden ist, soll alsbald besetzt werden. Das
Diensteinkommen besteht in Mark 1.000 jährlich fixen Gehaltes und in den
mit dem Küsterdienst verbundenen herkömmlichen Akzidenzien.
Seminaristisch gebildete Bewerber haben ihre Gesuche nebst Zeugnissen -
letztere können vorläufig unbeglaubigte Abschriften sein - an die
unterzeichnete Stelle zu richten , von welcher aus den Bewerbern auf deren
Verlangen auch nähere Auskunft erteilt wird.
Fulda, 17. Juni 1890. Vorsteheramt der Israeliten: Dr. M. Cahn, i.V.
Tannenbaum". |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11.
September 1890: "Vakanz. In Folge Ablebens eines
Kultusbeamten in hiesiger Gemeinde ist die Stelle eines zweiten
Religionslehrers, verbunden mit der eines Vorbeters, alsbald zu
besetzen. Das Diensteinkommen besteht in Mark 1.300 fixen Gehaltes.
Gelegenheit zu anderweitigen, nicht unbeträchtlichen Nebeneinnahmen ist
geboten. Seminaristisch gebildete Bewerber haben ihre Gesuche nebst
Zeugnissen - vorläufig unbeglaubigte Abschriften - an die unterzeichnete
Stelle zu richten.
Unsere frühere Ausschreibung vom Juni dieses Jahres findet hierdurch ihre
Erledigung.
Fulda, im September 1890. Vorsteheramt der Israeliten: Dr. M. Cahn."
|
Ausschreibung der Schächterstelle
(1890)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
11. September 1890: "Schächterstelle.
In hiesiger Gemeinde soll die Stelle eine Schochet, in Verbindung
mit dem Küsterdienste, alsbald vergeben werden. Gehalt Mark 1100 nebst
den mit dem Küsterdienste verbundenen herkömmlichen Akzidenzien.
Geeignete Bewerber wollen ihre Zeugnisse senden an
A. Wertheim, Gemeinde-Älteste.
Fulda, im Elul 5650." (= August-September 1890) |
Ausschreibung der
(orthodoxen) Kantoren, Schächter- und Lehrerstelle (1892)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14.
März 1892: "Lehrer-Gesuch.
Die wegen religiöser Bedenken neu zu begründende Gemeinde in Fulda sucht
einen jungen, religiösen Lehrer er 1. April 1892. Derselbe muss ein guter
Chasan (Kantor), tüchtiger Schochet und Lehrer sein und
wird demselben ein hohes Einkommen garantiert. Bevorzugt werden solche,
welche das Würzburger Lehrerseminar besucht und von dem Würzburger oder
Aschaffenburger Rabbiner Rabbiner eine Autorisation haben. Offerten nebst
Zeugnissen unter 'Symmachos' an unseren Vorsitzenden H. Heßdörfer in
Fulda erbeten." |
Lehrer Spiro eröffnet ein Schülerpensionat in Fulda
(1900)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
8. März 1900: "Am 1. April dieses Jahres eröffne ich in Fulda
ein
Pensionat
für Knaben, die die höheren Schulen besuchen sollen. Liebevolle
Behandlung und Nachhilfe in allen Schulfächern wird zugesichert Auf
Wunsch Privatunterricht in hebräischen Disziplinen. Referenzen erteilen
gütigst Seiner Ehrwürden Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn in
Fulda und Herr Seminar-Direktor Dr. Hoffmann, Berlin.
Spiro, Lehrer, zur Zeit in Schenklengsfeld."
|
Anzeige des Schülerpensionates von Provinzialrabbiner
Dr. Cahn (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
12. März 1903: "Pensionat.
Knaben und junge Leute, die sich einem wissenschaftlichen und kaufmännischen
Beruf widmen wollen, finden im Hause des Unterzeichneten Aufnahme.
Königliches Gymnasium und Realschule am Ort. Studium der Heiligen
Tora, der hebräischen Bibel, der Mischna und des Talmud im Hause;
desgleichen Nachhilfe in allen Fächern; Gelegenheit zu französischer und
englischer Konversation. Familiäre Behandlung. Haus mit Garten in
gesunder, freier Lage; Zimmer hell und freundlich.
Provinzialrabbiner Dr. Cahn in Fulda.
Zu näherer Auskunft sind bereit: Dr. Feilchenfeld, Rabbiner in
Posten, Dr. Breuer, Rabbiner in Frankfurt am Main, Dr. Ritter,
Oberrabbiner in Rotterdam, Dr. H. Adler, Chief-Rabbi in London".
|
Ausschreibung der Stelle des 2. Schächters und
Gemeindedieners (1903)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 3. Juli 1903: "Fulda, 2. Schächter und
Gemeindediener. Gehalt Mark 1400, Nebeneinkommen Mark 300-400."
|
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 29. Juni 1903: "Gute Existenz.
Die Stelle des zweiten Schochet verbunden mit der Stelle des Gemeindedieners,
soll sofort in hiesiger Gemeinde besetzt werden. Bewerbungsgesuche unter
Anfügung der Zeugnisse über die bisherige Führung und die Befähigung
zum Schächterdienst sind an die Unterzeichneten zu richten. Gehalt 1400
Mark und ungefähr 3-400 Mark Nebeneinkünfte.
Fulda, 25. Juni (1903).
Die Synagogen-Ältesten:
K. Löbenstein, Em. Stern." |
Nachfolger von Lehrer Spiro wird Lehrer Möller aus
Lübeck (1910)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 6. Mai 1910: "Fulda. An die Stelle des in den
Ruhestand versetzten Lehrers Spiro tritt Lehrer Möller aus
Lübeck". |
Zum Tod der Frau von Lehrer Spiro (1917)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
4. Januar 1917: "Fulda, 25. Dezember (1917). Heute ist
hier Frau Lehrer Spiro nach langem schwerem Krankenlager sanft
entschlummert. Was der Kreis der Familie und Freunde an dieser edlen Frau verloren
hat, kann nur der würdigen, der ihr vorbildliches Walten und Wirken
beobachten durfte. Sie hatte zusammen mit ihrem Gatten, mit dem sie in
35-jähriger glücklicher Ehe verbunden war, die Freude, ihre Kinder, ihre
Kinder, für die sie lebte und strebte und die sie zu beglücken suchte,
zu echten, guten Menschen heranblühen zu sehen. Ihr Haus war ihre
Welt, ihr Heiligtum, in dem sie als echte, gottesfürchtige Priesterin
ihres Amtes waltete, in dem die Schlichtheit und Natürlichkeit ihres
Wesens, die Anmut ihrer Tugenden sie mit lichtem Zauber umstrahlte. Die
große Beliebtheit der Entschlafenen erkannte man an der ungewöhnlich
großen Teilnahme bei der Beerdigung, die am 6. Chanuka-Tage
stattfand. Herr Rabbiner Dr. Frankl aus Halberstadt schildert unter
den durch das Religionsgesetz gebotenen Einschränkungen im Trauerhause in
schmerzbewegten Worten die Vorzüge der Verewigten, ihr im Namen der
Familie den Dank für alle im Leben erwiesene Liebe und Güte
aussprechend. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
70.
Geburtstag von Lehrer Spiro (1924)
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 13. März 1924: "Unter
Anteilnahme der gesamten Bürgerschaft Fuldas und Umgebung konnte unser
verdienstvolles Mitglied und langjähriges Vorstandsmitglied des
Landesverbandes Hessen-Nassau und Hessen, Herr Lehrer Spiro, seinen
70. Geburtstag feiern. Indem wir Herrn Lehrer Spiro für seine bisherige
treue Gefolgschaft und Wirksamkeit für unsere Sache danken, sprechen wir
ihm noch nachträglich unsere herzlichsten Glückwünsche
aus." |
Zum Tod von Lehrer Spiro (1927)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12.
Dezember 1927:
"Lehrer Spiro - das Andenken des Gerechten ist zum Segen.
Fulda, 12. Dezember (1927). Am frühen Morgen des Heiligen Schabbat
Paraschat Wejischlach durcheilte die Trauerkunde, dass Herr Lehrer
Spiro nach langem, schweren Leiden in seine künftige Welt eingegangen
sei, die Stadt. Montag vormittag, 11 Uhr wurde er unter großer
Beteiligung von nah und fern zur letzten Ruhe geleitet. Da er sich
letztwillig jeden Hesped (Trauerrede) und jede Würdigung seiner
Person in der Presse verbeten hatten, sprachen nur seine beiden
Schwiegersöhne, Herr Dr. Frankel und Herr Lehrer Sonn einige
Abschiedsworte im Hause an der Bahre. und auch wir müssen uns jede
Würdigung seiner Person versagen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." |
Beitrag von Lehrer Abraham Sonn über "Musik und
Musikinstrumente der Bibel" (1931)
Artikel
(nur der Anfang des längeren Artikels ist abgebildet und zitiert!)
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August
1931:
"Musik und Musikinstrumente der Bibel. Von A. Sonn,
Lehrer in Fulda.
Musik erfreut des Menschen Herz, des einzelnen, wie der Gesamtheit. Das
Herz des gesunden und glücklichen Menschen wird zu Frohsinn und Heiterkeit
gestimmt, das des Kranken und Schwermütigen wird beruhigt und zu neuer
Hoffnung belegt. Die Musik veredelt des Menschen Herz, zieht vom Niedrigen
ab, wirkt zähmend ein auf die Rohheit und Wildheit, weckt feines,
tieferes Gefühl für das Schöne, macht zugänglich für das Bessere und
erhebt die Menschen; sie ist der Schlüssel zum Herzen. 'O es weiß der
nichts, was es ist, sich verlieren in der Wonne, wer die Religion, begleitet
von der geweihten Musik und von des Psalms heiligem Flug, nicht gefühlt
hat! Sanft nicht gebebt, wenn die Scharen im Tempel feiernd sangen!' ist
das Wort des Dichters..." |
Zum weiteren Lesen des Artikels aus dem
"Israelit" über compactmemory.de: Seite
1 Seite
2 |
Zum
Tod der Frau von Lehrer Abraham Sonn, Henriette Sonn (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Oktober 1933:
"Fulda, 23. Oktober (1933). Am Morgen des Simchat Tora-Festes
ist Frau Henriette Sonn, die Gattin des Lehrers Herrn A. Sonn nach
langem Leiden verschieden. Mit dieser Frau ist eine Persönlichkeit von
recht seltener Prägung dahingegangen. Mit den ihr eigenen feinen
Geistesgaben hatte sie die jüdische Ideenwelt mit tiefem Verständnis
erfasst. Ihre Geisteswelt basierte auf tiefinnerlicher Wahrheit und
auf einem Gottvertrauen, das ihr die Kraft verliehen, das schwere
Schmerzenslager mit Geduld und mit Ergebenheit in den göttlichen Willen
zu ertragen. Als gleichgesinnte Gattin stand sie ihrem Gatten in
der Erziehung ihrer Kinder treu zur Seite und so hatten sie das Glück,
diese als Jehudim im Sinne von unserer heiligen Tora heranwachsen
zu sehen. Die Beisetzung der wackeren Frau hat am Sonntag, dem 25.
Tischri (= 15. Oktober 1933) unter Beteiligung der gesamten Gemeinde
und auch vieler, von von auswärts gekommen sind, um ihr die letzte Ehre
zu erweisen, stattgefunden. Wegen der kaum verflossenen Feiertage
wurde keine Trauerrede gehalten. Nur im Trauerhause sprachen der Schwager,
Herr Rabbiner Dr. Frankl aus Halberstadt und der Sohn der Verstorbenen
ergreifende Worte des Abschieds. Möge der Verdienst der
Dahingeschiedenen den Hinterbliebenen beistehen. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Lehrer Abraham Sonn tritt in den Ruhestand
- Nachfolger wird Lehrer Iwan Goldschmidt - Lehrer Möller begeht sein
25-jähriges Ortsjubiläum (1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28.
Februar 1935: "Fulda, 20. Februar (1935). Herr Lehrer
Abraham Sonn tritt nach zurückgelegtem 62. Lebensjahre mit dem 1.
April dieses Jahres in den Ruhestand. Mit Bedauern sieht die Gemeinde den
gewissenhaften Beamten der Schule und der Gemeinde aus dem Dienste
scheiden, da Herr Sonn bei voller Rüstigkeit und jugendlicher Körper-
und Geistesfrische das Feld seiner Tätigkeit verlässt. Zu seinem
Nachfolger hat die Regierung zu Kassel Herrn Iwan Goldschmidt,
Lehrer an der Jüdischen Volksschule zu Wüstensachsen
zum 1. April ernannt. - Am gleichen Tage blickt Herr Lehrer Möller auf
eine 25-jährige segensreiche Tätigkeit an der hiesigen Jüdischen
Volksschule und Gemeinde zurück. Wie verlautet, plant die Jüdische
Gemeinde eine kleine Feier, durch die der Abschied des Herrn Sonn und das
25-jährige Ortsjubiläum des Herrn Möller begangen werden
soll." |
Abschiedsfeier für Lehrer Abraham Sonn und 25-jähriges
Ortsjubiläum von Lehrer Möller (1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11.
April 1935: "Fulda, 31. März (1935). In einem
Klassenraume der jüdischen Elementarschule fand heute Vormittag um 10 Uhr
die Abschiedsfeier für Herrn Lehrer Sonn, der mit dem 1. April in
den Ruhestand tritt, in einfacher, würdiger Weise statt. Gleichzeitig war
mit dieser Feier die des 25-jährigen Ortsjubiläums des Herrn Lehrer
Möller verbunden. Den Auftakt zu dieser Doppelfeier bildete die
Predigt unseres Herrn Provinzialrabbiners Dr. Cahn am Heiligen
Schabbat Paraschat Hachodesch (= 30. März 1935), der in seiner Rede
einige Gedankengänge einzuflechten wusste, die das Wirken und Schaffen
verdienstvoller Männer im allgemeinen schilderte und durch seine
andeutenden Worte aus Daniel 12,1 (Zitat) die Gemeinde auf die
Feier des nächsten Tages vorbereitete. Da diese der Zeit entsprechend
sich nur in engstem Rahmen bewegen sollte, waren nur wenige Einladungen
ergangen. Außer den Gemeinderabbinern, den Gemeindeältesten, den
Mitgliedern des Vorsteheramtes, den Gemeindepräsidenten, Lehrern, den
Jubilaren und Familien war der größte Teil der Schüler versammelt.
Unter der bewährten Leitung des Oberlehrers, Herrn Dr. Rothschild,
wurde die Feier durch Vorträge der Schüler angenehm umrahmt. Zunächst
betrat Herr Dr. Cahn das Rednerpult und schilderte die segensreiche
Wirksamkeit der beiden Lehrer in Schule und Gemeinde. Der
Gemeindeälteste, Herr Mendel Wertheim dankte im Namen der Gemeinde
und des Vorsteheramtes den beiden Lehrern für ihre aufopfernde Hingebung
für Schule und Gemeinde und überreichte ihnen als Anerkennung eine
Ehrengabe. Im Auftrage der abgehenden Schüler dankte ein Schüler (Bachenheimer)
dem geliebten und verehrten Lehrer Sonn für seine Mühe und aufopfernde
Tätigkeit und bergab ihm ein Abschiedsgeschenk. Auch die
Religionsschüler der Realschule ließen durch einen Schüler ihren Dank
zum Ausdruck bringen und übergaben ein Geschenk. Eine Schülerin hielt
eine herzliche Ansprache an Herrn Möller und überreichte ihm ein
Geschenk. In sehr bewegten Worten erwiderte nun zunächst Herr Sonn und
dankte für die Feier, die man ihm und seinem Kollegen zu Ehren
veranstaltet habe.
Herr Möller dankte gerührt dem treuen Kollegen und Freund und hob
hervor, dass während der 16-jährigen Tätigkeit des Herrn Sonn kein
Misston das innige Verhältnis, das zwischen ihnen herrscht, getrübt
habe. Herr Dr. Cahn widmete ein Abschiedswort Herr Dr. Rothschild, der
schon nach einjähriger Lehrtätigkeit einem Rufe nach Frankfurt folge,
dessen Scheiden allgemein bedauert werde, da er trotz der kurzen
Tätigkeit sich die Herzen der Jugend gewonnen habe und so viel Segen
ausgestreut habe.
Zum Schlusse wurde ein Schreiben der Staatsregierung an Herrn Sonn
verlesen, durch welches die Anerkennung der Regierung ausgedrückt wurde.
Ein ähnliches Schreiben war auch von dem Stadtschulrat Dr. Hammacher
eingetroffen. Nach einer Stunde war die schlichte, eindrucksvolle Feier
beendet." |
Zum Tod der Frau von Lehrer Löwenstein
(1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
7. Oktober 1937: "Am Schabbat Schuwa (Samstag, 11.
September 1937) verschied hier nach mehrmonatlicher Krankheit Frau
Lehrer Löwenstein. Die Beerdigung vollzog sich unter
außerordentlicher Teilnahme der hiesigen Gemeinde und eines großen
Kreises auswärtiger Freunde und Verehrer des Hauses Löwenstein. Am Grabe
schilderte Provinzialrabbiner Dr. Cahn die seltenen Charaktereigenschaften
des Heimgegangenen. Er gab ein Bild von der harmonischen Vereinigung
echter Gottesfurcht und edler Menschenliebe, wie sie in dem Hause des
Lehrers Löwenstein - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen
-, der zu den engsten Freunden und Mitarbeitern des alten Fuldaer Raw - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - zählte, geherrscht haben
und wies darauf hin, wie diese Häuslichkeit auf so viele Menschen
charakterstärkend wirkte und wie die Mitwirkung solcher
Lehrerpersönlichkeiten zur Heranbildung echter und wackerer Jehudim
wesentlich beitrug. Das echte Gemilus Chesed (Wohltätigkeit), die
unermüdliche Sorge für Nah- und Fernstehende, das seltene Gottvertrauen
und die Anspruchslosigkeit der Heimgegangenen wirkte sich in einer sie
beglückenden Wiese aus, als es galt, nach dem Tod ihres Mannes die Kinder
weiter zu echten Jehudim und tüchtigen Menschen zu erziehen. Der Geist,
der im Kreise ihrer Kinder herrschte, war stets der schönste Lohn ihres
hienidigen Lebens. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Lehrkraft für Englisch und Hebräisch gesucht
(1937)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
4. November 1937: "Lehrkraft
gesucht zur Erteilung von englischem und hebräischem
Sprachunterricht. Eintritt nach Übereinkunft. Bewerbungen mit Zeugnissen,
Lebenskauf, Lichtbild, Gehaltsanspüchen und möglichen Referenzen an
das
Israelitische Schulkuratorium, Fulda,
zu Händen des Herrn Max Nußbaum, Fulda, Kanalstraße 30." |
Aus der Geschichte der Israelitischen
Schulen
Der Bischof verbietet den jüdischen und
protestantischen Mädchen den Besuch der katholischen Töchterschulen
(1854)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Oktober 1854: "Fulda, 4.Oktober (1854). Der
hiesige Bischof hat verordnet, dass die katholische Töchterschulen
fernerhin nicht mehr von Mädchen israelitischer und protestantischer
Konfession besucht werden." |
Ein Schulhaus
für die Israelitische Elementarschule wird gebaut
(1898)
Anmerkung: es handelt sich um das Gebäude mit der heutigen Anschrift
"Von Schildeck-Straße 13" (Fl. 16, Flst. 11/4). Das Gebäude wurde
1898 bis 1900 als jüdisches Schulhaus nach Plänen des Fuldaer Stadtbaumeisters Johann Fuhrmann erstellt. Es
handelt sich um einen zweigeschossigen Backsteinbau, der bis heute erhalten ist
(in der Liste der Kulturdenkmäler der Stadt).
Nach 1945: Das Gebäude der früheren jüdischen Schule kam
zunächst in den Besitz der wiederbegründeten jüdischen Gemeinde, einige Jahre
später war hier die städtische "Hilfsschule" untergebracht. 1987
wurde das Gebäude wiederum der in Fulda durch Zuwanderung größer gewordenen
jüdischen Gemeinde übergeben. In ihm ist seitdem das jüdische Gemeindezentrum
mit einer Synagoge im ersten Stock, Gemeinderäumen, einer Bibliothek und einem
Museum untergebracht.
Vgl. Seite zur jüdischen Gemeinde in Fulda
nach 1945 (interner Link)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
24. Januar 1898: "Fulda, 20. Januar (1898). Die hiesige
israelitische, 566 Seelen zählende Gemeinde ist in die Lage versetzt, im
1. Oktober dieses Jahres ab eine zweiklassige Elementarschule errichten zu
können. Dieser Aufschwung bedingt den Neubau eines Schulhauses, der auch
schon auf dem Submissionswege vergeben ist. Der Bauplatz, den die Stadt in
liberaler Weise zu Mark 2,50 per Quadratmeter der israelitischen
Kultusgemeinde überlassen hat, liegt an der verlängerten Brauhausstraße
auf einem hochgelegenen Terrain, das einen freien Ausblick in die Umgebung
Fulda's bis in die Rhön gewährt; er ist so groß, dass um das
Schulgebäude mit geräumiger Lehrerwohnung ein Turn- und Spielplatz sowie
ein Blumengarten angelegt werden können. Das Innere des Schulgebäudes
ist eingeteilt in drei Lehrsäle, zwei davon Hochparterre, einer im ersten
Stockwerk, in welchem Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn lediglich den
Religionsunterricht erteilen wird, sechs Räume zum Wohnen für Herrn
Lehrer Löwenstein, endlich in je ein Zimmer zu Konferenzen und für das
Gemeinde-Archiv. Der Bau wird unter der Leitung des Stadtbaumeisters
sofort begonnen und dürfte auf ca. 25.000 Mark zu stehen kommen, wie auch
der Stadt zur Zierde und unserer israelitischen Gemeinde für ihre, sie
selbst ehrende Opferwilligkeit bei Lösung kultureller Aufgaben zum Stolze
gereichen. Hans Schoen." |
Die Israelitische Volksschule öffnet am 1. April
1900
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
5. März 1900: "Fulda. Dem löblichen Bemühen unseres
hochverehrten Rabbiners, des Herrn Dr. Cahn und der israelitischen
Gemeinde dahier ist es nunmehr gelungen, am hiesigen Orte eine
zweiklassige israelitische Volksschule zu gründen, die am ersten April
dieses Jahres in einem neuerbauten, allen Anforderungen der Neuzeit
ausgestatteten Schulhause eröffnet wird. Als Lehrer an dieser Schule sind
von der Königlichen Regierung ernannt der derzeitige Religionslehrer der
israelitischen Gemeinde, Herr Lehrer Löwenstein und der Lehrer
J. Spiro aus Schenklengsfeld.
Es wird mit der Gründung dieser Schule dem Zuge der Zeit und dem lokalen
Bedürfnisse Rechnung getragen und wünschen wir dem Unternehmen Blühen
und Gedeihen. Gleichzeitig sei auch der schon oft geäußerte Wunsch
wiederholt, dass man überall, wo es nur irgend angängig ist, sich allen
Ernstes bestreben möge, im hohen Interesse der Gemeinden und Lehrer
israelitische Volksschulen zu errichten. M." |
Einweihung des neuen Schulhauses (1900)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
10. Mai 1900: "Fulda, 23. April (1900). In erhebender Weise
fand heute die Weihe des neuen Schulhauses statt. Als Vertreter des
Staates und der Stadtbehörde waren der Königliche Herr Landrat und die
Herren Beigeordneter Kircher und Stadtverordnetenvorsteher Halbleib, als
Ehrengäste die Herren Seminardirektor Dr. Ernst, Kreisschulinspektor
Bottermann, Stadtbaumeister Fuhrmann und Stadtsekretär Jeckel erschienen.
Als Vertreter der Gemeinde hatten sich die Mitglieder des Vorsteheramtes
und die Herren Synagogenältesten eingefunden. Vor dem festlich
geschmückten Schulhause hatten die genannten Herren unser hochverehrter
Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn und Mitglieder unserer Gemeinde
Aufstellung genommen. Der Synagogenchor eröffnete die Feier mit dem
Choral: 'Wenn Gott der Herr das Haus nicht baut.' Dann überreichte eine
Schülerin dem Stadtbaumeister den Schlüssel zum Gebäude. Unter sinniger
Ansprache, in der die Entstehung des allen Anforderungen der Hygiene
entsprechenden Baues der lauschenden Menge vor Augen geführt wurde,
übergab der Stadtbaumeister als Leiter des Baues den Schlüssel dem Herrn
Beigeordneten Kircher, der ihn mit den Worten entgegennahm, dass er in der
Überreichung ein Symbol erblicke, dass die jüdische Gemeinde, deren
Opferwilligkeit rühmend Erwähnung geschah, bereit sei, das Schulhaus
unter den Schutz der Stadt zu stellen, die diesen freudig übernehme. Mit
der Versicherung, dass die Stadt der jüdischen Gemeinde ein stetes
Wohlwollen in Wort und Tat entgegenbringen werde, legte der Herr
Beigeordnete den Schlüssel in die Hand des Königlichen Herrn Landrats,
der ihn als Vertreter des Staats entgegennahm. Hinweisend auf die hohe
Bedeutung der Schule als Pflanzstätte der Kultur, Gottesfurcht und
Königstreue überreichte er ihm dem Herrn Provinzialrabbiner, als
geistlichem Hirten der Gemeinde. Mit dem Rufe Öffnet mir die Tore der
Gerechtigkeit öffnete Herr Dr. Cahn, nachdem er warme Dankesworte an
den Herrn Landrat für dessen Interesse an dem Zustandekommen der
Elementarschule und für die tatkräftige Unterstützung bei der
Ausführung des nun mit Gottes Hilfe vollendeten Werkes, zu dem der
Allgütige seinen reihsten Segen geben möge, die Pforten des Schul- |
hauses.
In dem großen, mit Blattpflanzen, Ölgemälde und der Kaiserbüste
geschmückten Saal desselben wurde dann der eigentliche Weiheakt
vollzogen. Nachdem der Synagogenchor den 24. Psalm meisterhaft gesungen
hatte, trug die Schülerin Anna Frank in mustergültiger Weise
einen Prolog vor. Hierauf betrat Herr Dr. Cahn das Podium, um die
Weiherede zu halten. Diese war ein Meisterstück der Rhetorik, von Herzen
kommen und zu Herzen gehend. Herr Lehrer Löwenstein richtete
danach Worte des Dankes an alle Diejenigen, besonders aber an den
hochverehrten Herrn Provinzialrabbiner, die sich um die Begründung der
Elementarschule und um die baulichen Ausführungen des herrlichen
Gebäudes verdient gemacht und gelobte in seinem und seines Amtsbruders
Namen, das auf die Lehrer als Jugendbildner gesetzte Vertrauen zu
rechtfertigen. Der Herr Landrat hielt dann eine patriotische
Ansprache, die in ein Hoch auf Seiner Majestät unsern geliebten Kaiser
ausklang, in das die Versammlung begeisternd einstimmte. Den Schluss der
Feier bildete der Vortrag des Synagogenchors, der den 150. Psalm
sang.
Die Vertreter des Staats, der Stadt und die Ehrengäste besichtigten nach
Schluss des Weiheaktes die Schulräume und sprachen sich über dieselben
wie über die Ausstattung lobend und anerkennend aus.
Möge die unter Kämpfen ins Leben gerufene Elementarschule, an welcher
die Lehrer Löwenstein und Spiro wirken, der Gemeinde und dem Staate zum
Segen und Gott zur Ehre gereichen."
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10 Jahre Talmudschule - Einweihung eines neuen Heimes
(1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
11. November 1909: "Fulda, 7. November (1909). Seit 10
Jahren besteht innerhalb unserer Gemeinde ein Beth-Hamidrasch, eine
dem Zweck des Torastudiums gewidmete Lehranstalt, die von der Chevra
Schass (Talmudverein) dahier unter Leitung ihres Hauptes, des Herrn Provinzialrabbiners
Dr. Cahn, ins Leben gerufen wurde. Die Errichtung dieses Beth
Hamidrasch sollte zugleich einen Tribut der Verehrung für jenen zu den
gefeiertsten Größen unseres Volkes zählenden großen Fürsten in
Israel: Rabbi Meir Schiff bedeuten, der vor bald drei
Jahrhunderten, in dem Zeitraum von 5382-5401 (1622-41) seine gewaltige
Geistestätigkeit als das Oberhaupt unserer Gemeinde entfaltet und in
diesen 19 Jahren jene reiche Fülle hervorragender Werke geschaffen hat,
die - soweit sie nicht entwendet und ein Raum der Flammen geworden - durch
ihre Tiefe und Meisterschaft die jüdische Gelehrtenwelt in Staunen
setzen.
Am vergangenen Samstag Abend beging das Beth Hamidrasch die Feier der Einweihung
seines neuen Heimes, verbunden mit einem Sijum auf den Talmudtraktat
Schabbat. Der Verein hat nämlich vor einiger Zeit, durch die
Umstände genötigt, in unmittelbarer Nähe der Stelle, wo einst das
Beth-Hamidrasch des Maharam Schiff gestanden, ein Haus gekauft, das
mit den Kosten der Herrichtung auf 22.000 Mark zu stehen kommt. Das
Festmahl, das in den freundlich aussehenden Räumen des neuen Hauses
stattfand, offenbarte die die Herzen verbrüdernde Kraft des gemeinsamen
Torastudiums, wie es im hiesigen Beth-Hamidrasch tagaus, tagein mit einer
den fremden Zuhörer in Erstaunen setzenden Eifer betrieben wird. Herr Dr.
med. Stern, der unermüdliche, für das Toralernen begeisterte
Vorsitzende, schilderte in seiner Eröffnungsansprache unter dem Ausdruck
heißen Dankes für die dem Beth Hamidrasch sichtbarlich zuteil gewordenen
Gnade Gottes die Geschichte des Vereins, in deren Verlauf man bereits die
Traktate Schabbat, Gittin, Baba Kamma beendete und, vor etwa
Jahresfrist, Chullin begann. Dann folgte eine großangelegte Rede
des Herrn Dr. Cahn, die, die Bedeutung des Tages erschöpfend,
durch die Tiefe ihres Gedankeninhaltes wie durch ihre ergreifende
Herzlichkeit und ihren strahlenden Humor die Gemüter hinriss. Herr Lehrer
Löwenstein lieh den Gefühlen des Dankes, die de Vereinsmitglieder
für die aufopferungsvollen Bemühungen des Herrn Dr. Cahn um das geistige
und materielle Gedeihen des Beth Hamidrasch beseelen, freudige
Worte.
Herr Rabbinatsassistent Dr. Lorsch knüpfte in seiner Rede an die
Schlussworte des Traktates Schabbat an und schloss mit einem
warmen Appell an die Versammelten, für die Forterhaltung und
Vervollkommnung der Lehranstalt stets mit besten Kräften
einzutreten." |
Städtischer Zuschuss für die Israelitische Volksschule
(1921)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
30. Juni 1921: "Fulda, 23. Juni (1921). In der letzten
Stadtverordnetenversammlung in Fulda wurde bei der Etatberatung der
dortigen israelitischen Volksschule für das laufende Jahr ein Zuschuss
von 32.513 Mark bewilligt. Die erwähnte Schule wird zurzeit von 102
Kindern besucht." |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Juli 1921: "Aus Fulda wird geschrieben: In der
letzten Stadtverordnetenversammlung wurde bei der Etatberatung der
hiesigen israelitischen Volksschule für das laufende Jahr ein Zuschuss
von 32.513 Mark bewilligt. Diese städtische Zuschuss ermöglichst es der
Jüdischen Gemeinde, die persönlichen Ausgaben ohne eigene Opfer zu
decken. Die erwähnte Schule wird zurzeit von 102 Kindern
besucht." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. Juli 1921: "Fulda, 10. Juli (1921). Die hiesige
jüdische Volksschule erhält von der Stadt neuerdings einen Zuschuss von
32.000 Mark, bei einer Frequenz von 102 Schülern und Schülerinnen. Die
Fuldaer Zeitung bemerkt zu der Erhöhung des Zuschusses durch die
Stadtverordnetenversammlung folgendes: 'Die Bewilligung erfolgte ohne
irgendwelchen Widerspruch einstimmig. Als Zentrumsleute halten wir dieses
Verhalten unseren jüdischen Mitbürgern gegenüber für
selbstverständlich." |
Lehrangebote für Schüler (1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7.
März 1935: "Fulda, 28. Februar (1935). Es ist geplant, von
Pessach ab einer begrenzten Anzahl von Schülern Gelegenheit zu
regelmäßigem Taurohlernen und Erweiterung ihres allgemeinen und
fremdsprachlichen Wissens unter Leitung der hie ohnedies tätigen Rabbinen
und Lehrer zu geben. Einige auswärtige Knaben im Alter von 14 bis 15
Jahren können noch in den Kreis aufgenommen werden." |
Aus der Arbeit der Jeschiwa
- Feier eines Sijum (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12.
März 1936: "Fulda, 8. März (1936). Vorige Woche konnte
unsere hiesige Jeschiwa ihren ersten Sijum feiern. Einige Herren hatten
sich dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt, um gemeinsam mit den
Bachurim die Feier möglichst schön auszugestalten. Und sie wurde
wirklich zu einem Fest für den Ewigen. Nach dem gemeinsamen Maariw-Gebete wurde
die Feier durch Gesänge eingeleitet. Bald saßen alle an den schön
gedeckten Tischen und nun begann der Rosch Jeschiwoh den Traktat (sc.
der Mischna/des Talmud) auszulernen. Im Anschluss daran hielt er einen
sich auf den ganzen Traktat erstreckenden Hadran, der mit einem Aufruf an
die Schüler, immer tiefer in die jüdischen Quellen einzudringen,
schloss. Anschließend an die Ansprache des Fuldaer und des Marburger Raw
trugen einige Bachurim kleine Ansprachen und Abhandlungen aus der
verschiedensten jüdischen Gebieten vor. Ein Hörer dankte im Namen seiner
Chawerim den Dozenten und dem Vorstande der Jeschiwa für die aufopfernde
Tätigkeit und Fürsorge. Zwischendurch hörte man immer wieder schöne
Lieder, aus denen man so ganz ihre Verbundenheit mit der Tora und mit Erez
Jisroel herausspüren konnte; und seine Sehnsucht ging plötzlich durch
jeden, als mit dem Lied Leschana habaah Bijerusalem (Im nächsten
Jahr in Jerusalem) die Feier abgeschlossen wurde. J.K." |
Ein Jahr Jeschiwa in Fulda (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
19. März 1936: "Ein Jahr Jeschiwa in Fulda.
Nachdem nun das erste Jahr der hier eröffneten Jeschiwoh sich seinem Ende
zuneigt, ist ein Rückblick gestattet.
Es war ein glücklicher Gedanke, den Ort, an dem so manche Gedaulim, deren
Ruf in die Welt hinaus drang, gewirkt haben, zu erwählen, um das Projekt
einer Jeschiwo K'tannoh (kleine Jeschiwa) zu erproben. Das Beth Hamidrasch,
die Lieblingsschöpfung des verewigten Fuldaer Raw, Michael Cahn - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, das er nach dem Gaon
Olam, dem Maharam Schiff - das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen - nannte, und das er mit einer reichhaltigen Bibliothek
ausgestattet hat, bot den geeigneten äußeren Rahmen. Hier sollten die
Manen eines Rabeinu Eliahu MiFulda, u.v.a. wieder zu neuem Leben
erweckt werden.
Aus der Notwendigkeit heraus, einer Reihe von Schülern, die mit 14 Jahren
die höhere Schule verlassen hatten und deren bisheriges Taurohlernen und
sonstige Vorbildung nicht plötzlichen Abbruch erfahren sollte unter den
Augen der Eltern noch weiter geistig und sittlich zu betreuen und zu
stärken, entstand der Plan, eine Jeschiwoh für 14-jährige einzurichten.
Der überwiegende Teil der Zeit wird dem Gemorohlernen gewidmet.
Hauptschiur: Baba Kama. Nebenschiur: Beza. Daneben regelmäßig als erster
Morgenschiur: Chumisch mit Erklärern. Mehrmals in der Woche Dinim-Schiur,
ebenso T'nach-Schiur. Einige Spätnachmittagsstunden sind der Erweiterung
der Iwrith- und fremdsprachlichen Kenntnisse gewidmet.
Für auswärtige Bachurim, die hinzukamen, ist in Privatpensionen für
vorzügliche Kost und Unterbringung gesorgt. Es wurden in diesem
Jahre im Hauptschiur 25 Blatt, in der Regel mit Tosefta und anderen
Erklärern, im Nebenschiur etwa das gleiche Pensum und noch einige Sugioth
durchgearbeitet.
Die wöchentlich stattfindenden Verhöre haben sich besonders bewährt und
bilden eine wesentliche Stütze zur Erleichterung des am Schlusse eines
jeden S'man stattfindenden großen Verhörs.
Die Heschiwoh steht unter Leitung des Dajon, Rabbi Kunstadt. Es wirken an
ihr auch die übrigen hier tätigen Toragelehrten mit. Im letzten S'man
hat auch der Marburger Raw, der sich seit einiger Zeit zu Besuch hier
aufhielt, wesentlich an der Jeschiwoh mitgewirkt.
In welch günstigem Sinne die Jeschiwoh auf die Zöglinge einwirkte, zeigt
sich in der Tatsache, dass die meisten von dem Wunsche beseelt sind, noch
ein zweites Jahr auf ihr weiter zu lernen.
Die erfreuliche Entwicklung unseres Projektes zeigt, dass hier ein Weg
beschritten wurde, der auch in anderen Gemeinden, in denen bisher keine
Jeschiwoh besteht, nachgeahmt werden sollte." |
Aus der Arbeit der jüdischen Volksschule in der
NS-Zeit (Sommer 1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. Juli 1937: "Fulda, 12. Juli (1937). Eine vor
kurzem durchgeführte ärztliche Untersuchung in unserer jüdischen Volksschule
ergab, dass ein großer Prozentsatz der Schuljugend stark
erholungsbedürftig ist. Da die finanzielle Lage der hiesigen Gemeinde es
nicht erlaubte, dies in der wie in den letzten Jahren in Erholungsheimen
unterzubringen, wurde auf Anregung des Vorsitzenden der örtlichen
Zentral-Wohlfahrtsstelle, Herrn Salomon Nußbaum, der Plan gefasst, eine
lokale Ferienfürsorge einzurichten, die in der Form durchgeführt wird,
dass die Kinder morgens ein gemeinsames kräftiges Frühstück erhalten
und anschließend in kleinen Gruppen unter Führung ehrenamtliche
Mitarbeiterinnen spazieren geführt werden. Dank der rührigen Tätigkeit
des Herrn Salomon Nußbaum gelang es, unter Mithilfe des
Provinzial-Verbandes für jüdische Wohlfahrtspflege, Frankfurt die
finanzielle Mittel in kürzester Zeit aufzubringen, sodass diese
segensreiche Einrichtung am 11. Juli dieses Jahres durch eine schlichte
Feier in den Räumen der Israelitischen Volksschule eröffnet werden
konnte. In seiner Begrüßungsansprache wandte sich Herr
Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn zunächst mit Worten des Dankes und der
Anerkennung an die Synagogen-Ältesten und an die Damen und Herren unserer
Gemeinde, die sich selbstlos in den Dienst der Sache gestellt haben.
Besonderer Dank gebühre Herrn Synagogen-Ältesten Salomon Nußbaum, unter
dessen Leitung die Ferienfürsorge steht. Anhand sinnig ausgelegter
Toraworte wies er auf die besondere Bedeutung dieser Einrichtung hin. Herr
Synagogen-Ältester Salomon Nußbaum betonte, dass es für Pflichten
keinen Dank gebe und dass das Bewusstsein, helfen zu dürfen, genug
inneren Dank in sich berge. In humorvoller Weise versuchte er der
Schuljugend und den anwesenden Eltern die Pflichten, die sie der
Gemeinschaft gegenüber haben, auseinanderzusetzen. Im Namen der Zentral-Wohlfahrtsstelle
dankte Frau Direktor Kayser für die Worte der Anerkennung und versprach
auch für die Zukunft selbstlose Mitarbeit. - Als Vertrauensarzt des
Provinzial-Verbandes hob Herr Dr. Löwenstein die Notwendigkeit einer
vernünftig durchgeführten Gesundheitspflege hervor. - Nachdem die Kinder
durch eine nette süße Überraschung einen Vorgeschmack von der
Ferienspeisung bekommen hatten, fand die Feier ihren
Abschluss." |
Sonstiges
Werbeanzeigen für die Lehr- und Erziehungs-Pensionsanstalt von Dr. Müller für
israelitische Jugend des In- und Auslandes (1850)
Anzeige in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 8.
Februar 1850: "Anzeiger. Bekanntmachung und Einladung.
Mit Genehmigung der Staatsbehörde begründet der Unterzeichnete in
hiesiger Stadt eine Lehr- und Erziehungs-Pensionsanstalt für
israelitische Jugend des In- und Auslandes, welche Knaben von 6 Jahren
an, aufnimmt, für ihre religiöse Erziehung, für ihr geistiges und
körperliches Gedeihen nach Kräften Sorge trägt, den gesetzlichen
Jugend-, Religions- und Elementarunterricht erteilt, dann
wissenschaftlichen Religionsunterricht, kaufmännischen Unterricht in
seinen verschiedenen Zweigen, in der französischen, englischen und
italienischen Sprache, womit für die reifere Jugend stete
Konversationsübungen verbunden werden sollen, in Zeichnen und in der
Musik. Ferner wird für höhere Studien vorbereitender Unterricht in der
lateinischen und griechischen Sprache, Mathematik etc. etc. erteilt, und
den die hiesigen höheren Unterrichtsanstalten besuchenden Zöglingen in
den betreffenden Unterrichtszweigen, Unterstützung geleistet.
Die Zöglinge ganzer Pension, Bett mit Zubehör bleibt
ausgeschlossen, zahlen ein jährliches Honorar von 160 Th. - Einhundert
und sechzig Talern.
Indem ich nur noch auf das bereits ausgegebene Programm und die demnächst
zu veröffentlichende spezielle Darstellung der inneren Einrichtung des
Instituts verweise, lade ich alle Eltern und Vormünder, nah und fern,
welche ihren Söhnen und Pflegbefohlenen eine gediegene Ausbildung zu
geben wünschen, hiermit wohlwollend ein, sie meinem Institute, welches
unter Aufsicht des Staates und eines besonderen israelitischen
Aufsichtsvereins gestellt ist, anzuvertrauen und mir bis zum 15. Februar
dieses Jahres ihre desfallsige Erklärung darüber zukommen zu
lassen.
Fulda, in Kurhessen, am 18. Januar 1850. Der Aufsichtsverein. Dr.
Müller Institutsvorsteher." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Februar 1850:
Derselbe Text wie oben |
Über
die von "Rabbinatskandidat Dr. Müller" geplante Errichtung einer
Erziehungs- und Bildungsanstalt und Kritik an dem Vorhaben (1849)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 30. März 1849:
"Fulda, den 22. März (1849). Ich beeile mich Ihnen,
geehrtester Herr Redakteur, eine für unsere Jugend bedeutungsvolle
Neuigkeit zu berichten, die Sie unverzüglich durch Ihr vielgelesenes Blatt
zur Veröffentlichung bringen wollen.
Seit Kurzem ist in unserer Stadt das Tagesgespräch von einer Erziehungs-
und allseitigen Bildungsanstalt für die israelitische männliche Jugend
des In- und Auslandes, welche der junge, aber hochgelehrte
Rabbinatskandidat, Dr. Müller aus Melsungen
errichten will, die im Juni dieses Jahres eröffnet werden soll. Ob ihn
zur Verwirklichung seines Vorhabens schon die Erlaubnis Seitens der
hiesigen Kurfürstlichen Regierung respektive Bezirksdirektion zugeteilt
sei, das kann ich mit Bestimmtheit noch nicht versichern, wohl aber, dass
alle betreffende Unterinstanzen beziehungsweise das dermalige
rechtsliebende und gutgesinnte Vorsteheramt der Israeliten dahier sein
Gesuch um diese Erlaubnis mit den günstigsten Berichten unterstützt
haben. Das Detail des Instituts, das in jeder Beziehung sehr großartig
werden soll, sollen Sie demnächst erfahren. Nur noch dieses von dem
Unternehmer und werdenden Direktor Dr. Müller. Man behauptet allgemein,
dass er sich durch tiefe Kenntnisse, durch einen höchst lobenswerten
Charakter auszeichnet. Er weilt seit vier Wochen hier, wird geschätzt und
gelobet von Allen, die ihn kennen. Er verbindet mit gewecktem Geiste ein
ausgezeichnetes Rednertalent. Erfasste nur deshalb den edlen
gottgefälligen Entschluss zur Gründung einer solchen Anstalt, weil er
gemeinnütziger zu werden wünscht, als eine Rabbinerfunktion ihm hierzu
Gelegenheit darbietet. Segen ihm von oben!" |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 20. April 1849:
"Steinbach. Um das Publikum einer Täuschung zu entreißen, in
die es vielleicht durch einen irrtümlich in diesen Blättern
aufgenommenen Artikel versetzt werden könnte, sehen wir uns genötigt, da
Schein und Trug nicht mit der Tendenz dieses Blattes übereinstimmt,
folgende Zeilen gegen die in Nr. 13 enthaltene Korrespondenznachricht, die
Errichtung eines Institutes in Fulda betreffend, zu richten.
Der Gründer des in jenem Artikel erwähnten Institutes, der mit dem
Doktortitel präludiert, den er aber bald in Marburg, bald in Erlangen
erlangt haben will, und der sich rühmt, so tief in die Schachten des
Geistes gedrungen zu sein ist nichts anderes als ein Pedant, der mit der
Blendlaterne des Phantasmagoreten dem Publikum seine Pedanterie zeigen
will. Der Korrespondent dieser für das Allgemeine so wichtigen Nachricht
scheint kein Anderer zu sein, als der Herr Dr. selbst, indem er darin mit
solchen Attributen ausgestattet ist, die ihm jeder Gelehrte absprechen
wird, und die er sich nur selbst beigelegt haben kann. Ist dies nicht der
Fall, so hat der Herr Korrespondent insofern seine Ignoranz an den Tag
gelegt, als er einen unreifen Jüngling, der seine maßlose Arroganz und
Frivolität allenthalben zur Schau trägt, einen Hochgelehrten nennt. Um
dem Volke die Errichtung eines Instituts bekannt zu machen, genügt eine
einfach Annonce und es ist nicht nötig, diese auf so marktschreierische
Weise auszuposaunen.
Am lächerlichsten klingt aber der Schluss dieses Artikels, worin der Herr
Korrespondent die Gründung dieser Anstalt einer Rabbinerfunktion
vorzieht, um gemeinnütziger zu werden. Wir sind begierig, die Ordination
zu sehen, wodurch der werdende Direktor des Institutes zur Bekleidung
einer Rabbinerstelle autorisiert ist und möchten ihm alsdann
applaudieren, wenn er seine Rolle als Eskamoteur so glücklich gespielt
hat, dass er eine solche verlangte. Sapienti sat." |
Das
Institut von Dr. Müller besteht nicht mehr (1851)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 7. November
1851: "Fulda, im Oktober (1851). Dass unser hiesiges Institut
des Herrn Dr. Müller aufgehört hat und letzterer ein Passivum von ca.
8-10.000 Talern hinterlassen und deshalb nicht gut von hier weggekommen
sein soll, ist das Neueste in unserer Gemeinde. Das Institut hat
wahrlich nur kurze Zeit geblüht und ging, vor dem sie zur erforderlichen
Reife gelangt war, unter..." |
24.
Jahresversammlung der israelitischen Lehrerkonferenz in Fulda 1892)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12.
August 1892: |
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