Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia
Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und
bestehende) Synagogen
Übersicht:
Jüdische Kulturdenkmale in der Region
Bestehende
jüdische Gemeinden in der Region
Jüdische
Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur
und Presseartikel
Adressliste
Digitale
Postkarten
Links
| |
Zurück zur Seite über die Jüdische Geschichte/Synagoge
in Fulda
Fulda (Kreisstadt)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Seite 2: Berichte aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Fulda wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt. Neueste Einstellung am
18.11.2014.
Hinweis: einige Artikel konnten noch nicht
abgeschrieben werden, bei Interesse zum Lesen Textabbildungen anklicken.
Übersicht:
Berichte
aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben (in chronologischer
Reihenfolge)
Erinnerung an den Judenpogrom im Dezember
1255 (innerhalb
eines Beitrages von 1892)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 29. Juli 1892: "In Fulda wurden im Dezember 1255
fünf junge Söhne eines Müllers außerhalb der Stadt erschlagen.
Obgleich man keine Spur von den Mördern gehabt, hatte man sich doch nicht
entblödet, die Juden zu verdächtigen, um das lügenhafte Gerückt zu
verbreiten, dieselben hätten den Kindern das Blut abgezapft und es in
Säcken gesammelt für das Pessachfest aufbewahrt. Die frommen
Kreuzzügler beeilten sich sofort, zur 'Ehre Gottes' einen edlen Akt der
Rache auszuüben. Am 28. Dezember überfielen sie die Gemeinde von Fulda
und töteten vierunddreißig Männer und Frauen. Es wären bei dieser
Gelegenheit noch viel mehr Märtyrer gefallen, wenn nicht der Magistrat
von Fulda sich der Juden in echt humaner Weise angenommen hätte. Als die
Juden beim Kaiser Friedrich II. sich darüber beschwerten, während ihre
Gegner sie bei ihm wegen Meuchelmord anklagten, sagte dieser zu Letzteren:
'Wenn die Kindlein gestorben sind, so lasset sie begraben', ein
schlagender Beweis, dass der einsichtsvolle Fürst gar bald von der
Schuldlosigkeit der Juden, wie von der Bosheit und Ruchlosigkeit ihrer
Ankläger überzeugt war. Um jedoch den Sturm, der sich in Folge dessen
gegen ihn, den Kaiser nämlich, erhob, unterdrücken zu können, sah er
sich veranlasst, eine Untersuchungskommission von gelehrten Männern
einzusetzen, die die Frage: ob die Juden tatsächlich Christenblut am
Pessachfeste zu rituellen Zwecken benötigen, beantworten sollen. Die
Entscheidung fiel selbstverständlich zu Gunsten der Juden aus." |
Reisebericht
über die jüdische Gemeinde Fulda
(1852)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. November 1852: "Der Postwagen führte mich durch Fulda,
die Bischofstadt - wie sie Heinrich König in seinem neuesten Buche nennt.
Dass die hiesige Israelitengemeinde mit zu den ältesten gehört; dass sie
im Mittelalter große Verfolgungen auszustehen hatte - es wurden damals
600 auf einmal erschlagen - die auch in späterer Zeit sich noch
wiederholten; dass sie mitunter sehr berühmte Rabbinen besaß, ist
männiglich bekannt. Der gegenwärtige Provinzialrabbiner Herr Dr.
Rosenberg, ein in der jüdischen Literatur sehr bewanderter Mann, von
streng religiösem und rechtlichem Charakter, hat, wie schon in diesen
Blättern gemeldet, die hiesige Stelle aufgegeben, um eine weit bessere in
der niederländischen Provinzialhauptstadt Groningen anzutreten. Unter
drei zur Abhaltung von Probepredigten Aufgeforderten soll er am meisten
gefallen haben. - Möge der hiesige Rabbinatssitz nicht lange verwaist
bleiben! Möge die Gemeinde in ihrem künftigen Seelsorger einen klugen
und energischen Mann finden, der mit umsichtigen Händen den mitunter sehr
steinigen Weinberg des Herrn zu bestellen versteht. L-n." |
Testamentarische Verfügung des verstorbenen bischöflichen
Generalvikars Freiherr von Kempff zugunsten der jüdischen Gemeinde
(1853)
Anmerkung: dazu wird über die Gründung des 'Israelitischen
Frauen-Kranken-Unterstützungsverein' berichtet sowie über die Arbeit des Provinzialvorsteheramtes
in der 1853 rabbinerlosen Zeit. Dazu wird die damalige politische Stimmung in
Kurhessen als den Israeliten gegenüber wenig freundlich beschriebem
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Mai 1853: "Fulda, 6. Mai (1853). In einer Zeit,
wie die gegenwärtige, wo man überall die Juden zurückzusetzen beginnt,
wo man die alten verrosteten Waffen der Intoleranz und des Hasses gegen
sie auf's Neue wieder hervorsucht: ist es doppelt erfreulich, Züge wahrer
Menschenliebe und Humanität berichten zu können. Ich ersuche Sie deshalb
folgende Mitteilung in Ihr geschätztes Blatt aufnehmen zu
wollen.
Dieser Tage starb dahier im hohen Alter der Domdechant und bischöfliche Generalvikar
Freiherr von Kempff. Er verfügte über seinen Nachlass, welcher zwar
nicht bedeutend war, indem er sein ganzes Einkommen während seiner Lebens
zu milden Zwecken verwendete, folgendermaßen: 3/10 desselben sollte die
katholische Stadtpfarreigemeinde, ebenso viel die katholische
Dompfarreigemeinde, 2/10 die evangelische und eine gleich große Summe die
jüdische Gemeinde für ihre Armen erhalten. So stellte er de jüdische
Gemeinde den übrigen nach Verhältnis der Größe ganz gleich. Der
Verblichene trug die Bruderliebe nicht auf der Zunge, sondern im Herzen;
dabei war er im Leben so anspruchslos und bescheiden, dass er sich in
derselben letztwilligen Verfügung alles Gepränge bei seinem Leichenzuge,
sowie die Abhaltung einer Leichenrede verbat. Gesegnet sei sein Andenken!
Friede seiner Asche!
Toleranz und Freisinnigkeit zeichneten übrigens den hiesigen Klerus zu
jeder Zeit aus. So war es auch einer der hochgestelltesten Geistlichen
hiesiger Stadt, der als Testamentsvollstrecker in eigener Person den
erwähnten Betrag an den an der Spitze der jüdischen Verwaltung stehenden
Mann überbrachte und die Gelegenheit benutzte, zugleich seine innigste
Freude und höchste Befriedigung über die Handlungsweise des Verewigten
auszudrücken. Ich erinnere ferner noch an die Adresse zum Zwecke der
Gleichstellung aller Konfessionen, die seinerzeit ebenfalls von einem sehr
hochgestellten Geistlichen im Auftrage des Volksrates verfasst wurde, und
die ich damals diesen Blättern als ein Denkmal der Brüderlichkeit und
Humanität zur Veröffentlichung mitteilte. (Anmerkung: man vergleiche Nr.
27 vom 26. Juni 1848).
Der verflossene Winter hat in der hiesigen jüdischen Gemeinde eine
herrliche Blüte zur Reife gebracht, die ihre Düfte über gar manches
Krankenlager ausbreiten und ihre Wohlgerüche in die Wohnungen der Armut
senden wird. Es hat sich nämlich unter den hiesigen Frauen ein Verein
gebildet unter der Benennung: 'Israelitischer
Frauen-Kranken-Unterstützungsverein', der, wie schon der Name besagt,
kranke Mitglieder durch wöchentlich zu verabreichende Geldbeträge,
deren |
Größe
nach den Verhältnissen des Hilfsbedürftigen zu bemessen ist,
unterstützen will. Jedes Mitglied zahlt einen monatlichen Beitrag von 5
Sgr. Später Hinzutretende haben noch ein Einkaufsgeld zu entrichten,
dessen Höhe der zeitige Vorstand zu bestimmen hat. Erst nachdem der
Verein ein Jahr bestanden, sollen die statutenmäßigen Unterstützungen
verabreicht werden, damit derselbe Gelegenheit habe sich zuvor einen
eisernen Fonds bilden zu können. Geschenke und Vermächtnisse zum Besten
der Anstalt werden zu jeder Zeit dankbar entgegen genommen. Alle 5 Jahre
findet eine Revision der Statuten statt. Der Vorstand ist auf 3 Jahre gewählt
und steht gegenwärtig die auch in weiten Kreisen bekannte und sehr
geachtete Frau Jacobson als Präsidentin an dessen Spitze, ihr zur
Seite vier andere, sehr würdige Frauen. Möge dieses Institut in allen
Gemeinden Israels Nachahmung finden!
Die hiesige Gemeinde steht jetzt ziemlich verwaist da: ihr fehlt der
Rabbiner, der Vorsänger und der Schächter. Es wäre zum Heil und Frommen
der Gemeinde, namentlich der jüngeren Gesellschaft, sehr zu wünschen,
dass de beiden erstgenannten Stellen recht bald mit religiösen aber auch
zeitgemäß gebildeten Männern besetzt würden. Hier bietet sich ein
großes Feld der Tätigkeit und des Verdienstes für einen Rabbiner
dar.
Im Laufe dieser Woche ist das hiesige Provinzialvorsteheramt um
zwei Mitglieder - junge, hoffentlich auch tatkräftige Männer - de Herren
S. Hesdörffer und D. Jüdell vermehrt worden. Dasselbe besteht
nunmehr aus 5 Personen: dem Präsidenten desselben, Herrn S. Epstein - der
zu allen Zeiten - vor und nach 1848 - sowohl von seinen jüdischen als
christlichen Mitbürgern mit Ehrenämtern betraut wurde -, den Herren
S. Oppenheimer, S. Trepp und den Erstgenannten. - Diese Behörde hat
gegenwärtige eine Aufgabe von großer Tragweite zu lösen: die
Wiederbesetzung der Provinzial-Rabbinerstelle, so wie sie überhaupt zu
jederzeit den größten und wohltätigsten Einfluss auf alle Gemeinde-,
Synagogen- und Schulverhältnisse der Provinz ausüben kann. Das Gesetz
hat das Vorsteheramt mit genügender Machtvollkommenheit hierzu
ausgerüstet.
- Der politische Himmel zeigt sich gegenwärtig den Israeliten Kurhessens
ebenso, wie anderswo, sehr getrübt und umwölkt. Ob wohl die Sonne die
Wolken bald wieder verscheuchen und freundlich und beruhigend auf uns
herabblicken wird? - Durch die erfolgte Suspension des hiesigen Landtagsdeputierten
Herrn Dr. Weinzierl haben wir vielleicht einen Verteidiger unserer
Rechte weniger in der Ständekammer; denn derselbe beabsichtigte, dem
Vernehmen nach, allen etwa beantragt werdenden Ausnahmegesetzen gegen die
Juden sich widersetzen zu wollen. Dieser Deputierte war es auch, der in
der aufgelösten Ständeversammlung sich der jüdischen Lehrer kräftig annahm,
als es sich darum handelte, ob dieselben an einer von der Staatsregierung
zur Aufbesserung der Gehalte der Volksschullehrer verwilligten Summe von -
wenn ich nicht irre - 58.000 Taler partizipieren sollen. Leider blieb sein
humanes Bemühen erfolglos. Man ging von dem Grundsatze aus: die jüdischen
Lehrer seien keine Volksschullehrer, und so erhielten sie - nichts. Gott
besser's! L-n."
|
Verschiedene Mitteilungen, darunter Empfehlung des
talmudgelehrten Lehrers Philipp Stern (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. Juni 1859: "Unter den in Fulda in Garnison
befindlichen Soldaten befinden sich auch ungefähr 40 Israeliten, welche n
Fulda sämtlich von Privaten koscher verköstigt werden. Ein nicht
unbedeutendes Opfer, welches die Fuldaer Israeliten hierdurch bringen.
Überhaupt ist in dieser Gemeinde, die viele sehr ehrenwerte Mitglieder
zählt, noch viel religiöser Fond und ein sehr reger Wohltätigkeitssinn.
In Verbindung mit dem talmudgelehrten und auch sonst sehr gebildeten Herrn
Philipp Stern wirkt der Provinzialrabbiner Dr. Enoch auch
eifrig für die Vorbereitung talmudischer Studien und haben diese beiden
gelehrten Männer eine ganze Schar wissbegieriger Knaben und Jünglinge um
sich versammelt, welchen sie in hebräischen Fächern gründlichen
Unterricht erteilen. Herr Philipp Stern widmet mit bewundernswerter
Aufopferung täglich 6-8 Stunden dieser Wirksamkeit, was umso
anerkennenswerter ist, als dieser Unterricht von beiden Herren gratis
erteilt wird, obgleich Herr Stern selbst pekuniär nicht glänzend
gestellt ist Unwillkürlich drängte sich mir der Gedanke auf, welch ein
Gewinn es für unser Lehrerseminar in Kassel wäre, wenn für das
hebräische Fach für dasselbe ein Mann von dem Wissen und Lehreifer des
Herrn Stern an die Stelle des unlängst verstorbenen Lehrers Lasson
gewonnen werden könnte. Es würde sicher dazu beitragen, demselben einen
neuen Aufschwung zu geben und die Gemeinden würden eine solche Erwerbung
für das Seminar nur freudig begrüßen. B.H." |
Gedenkreden zur Erinnerung an die Oberrabbiner
Lüpschütz und Oettinger (1860)
Anmerkung: es geht beim Erstgenannten Oberrabbiner um Israel Lipschitz
(1782-1860, vgl. englischer Wikipedia-Artikel
"Israel Lipschitz")
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19.
Dezember 1860: "Fulda, im Dezember (1860). Die alte,
schöne Sitte der Trauerrede um bedeutende Dahingeschiedene, die ja nicht
nur ihrem Kreise, sondern der ganzen Judenheit angehört haben, wird immer
seltener, und doch ist Nichts so sehr imstande, die Liebe zum Torastudium,
zu aufopferungsvollem Wirken und zur religiösen Pflichterfüllung so sehr
zu erwecken, wie de gerechte Würdigung dieser hohen Eigenschaften an
Verstorbenen. Davon uns zu überzeugen, gab uns der am 3. dieses Monats
von Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Enoch bei vollem Gotteshause
abgehaltene Trauerrede um zwei Große (unserer) Generation, die
seligen Oberrabbiner Lüpschütz und Oettinger, Gelegenheit. Der beredte
Herr Rabbiner gab uns in ergreifender Sprache ein Lebensbild jener
Männer, das einen nachhaltigen Einfluss auf das Gemüt seiner zahlreichen
Hörer haben wird. (Auch in der Synagoge der israelitischen
Religionsgesellschaft zu Mainz wird der Herausgeber dieses Blattes
am kommenden 10. Tewet, nachmittag 3 Uhr, eine Trauerrede halten,
und zwar um die Obengenannten und die anderen Großen Israels,
deren Dahinscheiden bereits in dieser Zeitung erwähnt ist." |
Über
die antisemitischen Angriffe in der Presse der Ultramontanen (1875)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. September
1875: "Fulda, im August (1875). Das Rottenfeuer, welches die
Presse der Ultramontanen gegen die Juden seit langer Zeit eröffnet hat
und unterhält, hebt, wenn es an dem einen Orte verpufft ist, an einem
anderen Orte wieder an. Nachdem in Würzburg alles Pulver verschossen ist,
begann in Fulda der Angriff. Das Schlachtmanöver ist übrigens überall
dasselbe. Es unterscheidet sich von der Fechtweise der protestantischen
Schwarezn wesebtlich. Dies liebäugeln mit den sogenannten orthodoxen
Juden und eifern gegen die, welche sie Reformjuden zu nennen belieben. Die
Ultramontanen machen diesen Unterschied nicht. Sie rechnen auf das
unwissende Volk. Sie erklären alle Juden für solche, welche jeden
Buchstaben des Talmuds für göttlich ansehen, und nun häufen sie auf den
Talmud die schamlosesten Schmähungen, sagen ihm die schändlichsten
Lehren und Vorschriften nach und suchen so Judentum und Juden dem Volke
aufs Tiefste verhasst zu machen. Hierzu hat ihnen der berüchtigte
durchgegangene Prof. Rohling aus Münster (vgl. Wikipedia-Artikel
"August Rohling") mit seinem 'Talmudjude' das Schiboleth
ausgegeben und den Stoff geliefert. So oft dieser Schrift auch die
Verdrehung und Fälschung von |
Talmudstellen,
und dass die meisten seiner Zitate im Talmud garnicht existieren,
nachgewiesen worden; hat man an dem einen Orte diese absichtlichen
Fälscher zum Schweigen gebracht, erheben sie dieselbe kreischende Stimme
an einem anderen. Dennoch dürfen wir nicht ermüden, ihnen immer von
Neuem entgegenzutreten. Es versteht sich, dass dies an diesem Orte selbst
geschehen muss, um das Gift an der Stelle zu neutralisieren, wo und wohin
es ausgespritzt worden. Hier, in diesem Blatte, soll nur ein Referat
gegeben werden, damit dem allgemeinen Publikum, sowie der Nachwelt der
Zusammenhang gezeigt und ein charakteristisches Bild unserer Zeit gegeben
wird. Die 'Fuldaer Zeitung' nahm die rohe Äußerung eines jüdischen
Burschen, von der es jedoch sehr fraglich ist, ob sie wirklich von einem
solchen getan worden, zum Vorwand, um die sämtlichen Juden mit den
schwärzesten Farben zu malen. sie knüpfte hieran den Vorgang in Neu-Sandec
(heute das südpolnische Nowy Sącz), wo der berüchtigte
Halberstamm einen Juden in den Bann getan, wofür er jedoch vom dortigen
Gerichte zu sechswöchentlichem Gefängnis verurteilt worden, um dem
Judentume die furchtbarste Aktion zu insinuieren. War der erste Angriff
unbeantwortet geblieben, so konnte man auf den zweiten nicht schweigen,
und der hiesige Rabbiner Dr. Enoch tat dies der wirksamsten Weise, indem
er dem priesterlichen Redakteur der Fuldaer Zeitung nachwies, dass seine
Absicht nur sei, Hass und Zwietracht zwischen den Konfessionen auszusäen
und einer Religion und einem Stamme Verachtung zu bezeugen, denen der
Stifter des Christentums die größte Verehrung gezollt. Die allgemeine
Billigung, welche diese Antwort fand, stachelte den Redakteur der 'Fuldaer
Zeitung' umso mehr auf, sich seiner ganzen Wut zu entladen. Aus der
Rüstkammer des gedachten Rohling holte er sich die alten Beschuldigungen
des Talmuds, zeigte die heilige Schrift, Hass gegen Feinde zu lehren, und verbrämte
dies mit Stellen von Fichte und Kant. Auch hierauf blieb ihm Dr. Enoch die
Replik nicht schuldig. Er erklärte:
'Sämtliche von der Fuldaer Zeitung unter Angabe der betreffenden Folien
gebrachten Stellen aus dem Talmud, kommen in demselben gar nicht vor, sind
demnach unwahr'.
Ferner erklärt sich der Rabbiner gern bereit, die betreffenden
Originalien einem jeden Sachkenner zur Einsicht vorzulegen; endlich sei er
von einem Anzahl Gemeindemitglieder ermächtigt, für jede Nachweisung
eines der 7 angegebenen Talmudzitate, falls solche, was er aufs
Bestimmteste bestreite, als wahr befunden würden, zum Besten der hiesigen
Armen die Summe von je 'hundert' Mark zu
ersprechen.
Bis jetzt ist der Versucht nicht gemacht worden, dieser Erklärung
entgegen zu treten und den Beweis zu liefern, der den Armen ein so
bedeutendes Benefiz gebracht hätte. Wir glauben, dass die Fuldaer Zeitung
zwar nicht gebessert, aber doch zum Stillschweigen gebracht worden
ist." |
Konflikt zwischen der jüdischen Gemeinde und den
Metzgern der Stadt (1880)
vgl. hierzu unten den Artikel über die Institutionen der Israelitischen
Gemeinde in Fulda von 1891
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. August 1880: "Fulda, im Juli (1880). In hiesiger
Stadt findet ein Konflikt zwischen der jüdischen Gemeinde und den
Metzgern statt, der von der (ultramontanen) 'Fuldaer Volkszeitung'
folgendermaßen geschildert wird: 'Seither ließen eine Anzahl Metzger,
welche von der israelitischen Gemeinde dazu bestimmt waren,
wöchentlich eine gewisse Anzahl Vieh schächten und verkauften von
diesem geschächteten Fleisch an die Juden. Soweit das Fleisch nicht an
Juden abgesetzt werden konnte, wurde es an Christen verkauft. Dieses
geschächtete Fleisch ließen dann die einzelnen jüdischen Familien in
ihren Häusern durch den Schächter porschen d.h. sämtliche Blutadern aus
demselben entfernen. Dieses Verfahren beliebte aber aus pekuniären
Rücksichten nicht mehr den Juden, und so wurde denn am 22. Juni dieses
Jahres für die hiesigen Metzger durch Zirkularbefehl des israelitischen
Gemeindevorstandes bestimmt, dass von jetzt ab das koschere Fleisch vor
dem Verkaufe im ganzen Viertel durch den Schächter Fleischhacker
geporscht werden müsse. Dieses Schriftstück enthält gleichzeitig die
Mitteilung, dass jeder, der sich dieser Anordnung nicht füge, von der
Berechtigung zum Schächten ausgeschlossen sei. Fürwahr eine nette
Zumutung an unsere Metzger. Also der Schächter porscht ein oder das
andere Viertel, d.h. zerschneidet und zerreißt es für die jüdische
Gemeinde, um sämtliche Blutadern auszuschneiden, und der Metzger sieht
zu, wie viel von dem so traktierten und malträtierten Stück von den
Juden gekauft werde. Um diesen jüdischen Ansprüchen entgegen zu treten,
beziehungsweise um das christliche Publikum vor solch' unappetitlich
zugerichteten Fleisch zu schützen, vereinigten sich hiesige Metzger in
dem Entschlusse, das Schächten lieber einzustellen, als auf solche
Zumutung einzugehen. Zugleich wurde vertragsmäßig eine Konventionalstrafe
von 500 Mark festgesetzt, wenn einer einseitig das Schächten unter
gegebenen Verhältnissen wieder aufnehmen würde.'" |
Ein Hirtenbrief des neuen Bischofs ruft zur Achtung
vor Andersgläubigen auf (1882)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
4. Januar 1882: "Fulda, 29. Dezember (1882). Der neue Bischof
von Fulda, Dr. jur. Georg Kopp (vgl. Wikipedia-Artikel
"Georg von Kopp"), hat zwei Hirtenbriefe erlassen, einen
in lateinischer Sprache an den Klerus, den anderen in deutscher Sprache an
die Diözesanen. Der letzte ist heute zur Mitteilung gekommen und wird am
kommenden Sonntag von der Kanzel verlesen werden. Der an die Diözesanen
bezüglich ihres Verhaltens zu den Andersgläubigen gerichtete Passus
lautet wie folgt: 'Wir leben hier, mit solchen zusammen, die nicht unseres
Glaubens, aber doch mit uns Kinder eines Landes, Glieder eines Volkes
sind. Erbauet dieselben durch euren Lebenswandel: lasset sie stets und in
allen Beziehungen eure Pflichttreue, eure Aufrichtigkeit und Redlichkeit
sehen, damit sie um dessentwillen euch achten und euren Glauben ehren.
Beweiset ihnen auch, wo ihr könnt, eure Nächstenliebe und zeigt dadurch,
dass ihr treue und wahre Kinder jener Kirche seid, die so reich an Liebe
ist.... Sie (die Kirche) gebietet uns Liebe und Achtung gegen unsere
Mitmenschen und diesem Gebote wollen wir getreulich Folge leisten. Es ist
wahr, es fällt oft manches harte und verletzende Wort gegen uns und
unseren Glauben; allein wir wollen es nicht zurückgeben, wir wollen von
Herzen vergeben und uns bemühen so weit es an uns liegt, mit Allen in
Liebe und Eintracht durch das Leben zu gehen.'" |
Über die Institutionen der Israelitischen Gemeinde in Fulda
(1891)
Anmerkung: in dem Artikel werden die von Rabbiner Dr. Cahn geschaffenen
beziehungsweise geprägten Einrichtungen der Gemeinde im Blick auf das
Schächtwesen (Kaschrut, Schechita), die Mikwe, den Erub (Eruv, vgl. Wikipedia-Artikel
"Eruv") und das
Schreiben der Heiligen Schriften (Sofrut) als beispielhaft
beschrieben.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
1. Juni 1891: "Die Institutionen der Israelitischen Gemeinde
Fulda.
Die Errichtung und Instandhaltung jüdischer Gemeindeinstitutionen, die in
jeder Hinsicht den Ansprüchen des Religionsgesetzes und dem praktischen
Bedürfnis entsprechen, war zu jeder Zeit mit großen Schwierigkeiten
verbunden. Heutzutage sind solche Institutionen viel seltener geworden,
als man sich gerne zugesteht. Nicht etwa nur in den Gemeinden, deren
Führer und Häupter sich von dem überlieferten Judentum offiziell
losgesagt haben, sondern selbst in solchen, die dem Namen und der
Gesinnung nach dem orthodoxen Judentum angehören. In einer Zeit, in
welcher die Halbheit, Lauheit und Lebensgemütlichkeit so en vogue ist,
wie in der unsrigen, vermögen sich auch diejenigen nicht ganz ihrem
Einfluss zu entziehen, welche durch Beruf und Charakter die treuen Hüter
der ihnen anvertrauten Heiligtümer sein sollten. Aber selbst die Festen
und Wackeren, die jedem derartigen Einfluss unzugänglich sind, haben für
die intakte Aufrechterhaltung dieser unbeugsamen Festigkeit viel schwerere
Opfer zu bringen, als dies in früherer Zeit der Fall war. Die Halbheit,
die Unkenntnis und Gleichgültigkeit bei vielen Mitgliedern der Gemeinden,
lässt diesen das mannhafte, wackere Eintreten pflichttreuer Rabbiner und
Vorsteher leichter als früher wie etwas übertriebenes, beurteilen und
verurteilen, dessen Notwendigkeit man nicht einsieht und deshalb bekämpft,
jedenfalls aber nicht sympathisch begrüßt und fördert. Wenn aber gar
der von seiner Pflicht durchdrungene Rabbiner keinen gleichgesinnten
Vorstand auf seiner Seite hat, oder der wackere Vorstand in dem Rabbiner
keine Unterstützung findet, so macht sich dieser Gegensatz zunächst in
dem Verfall der Gemeindeinstitutionen bemerkbar. Aus diesen und manchen
anderen Ursachen finden sich heutzutage so wenige Gemeinden, deren
Institutionen wirklich allen Anforderungen entsprechen, dass eine
Gemeinde, wie die Fuldaer geradezu die Aufmerksamkeit auf sich
zieht.
Sie verdankt ihre in jeder Hinsicht mustergültigen Einrichtungen
zuallererst ihrem Rabbiner, Herrn Dr. M. Cahn - sein Licht
leuchte -, der seines Rabbinerberufes mit einer Umsicht,
Gewissenhaftigkeit und Entschiedenheit waltet, die vielen seiner Herren
Kollegen zu wünschen wäre. - An denselben wurden von mehreren Seiten
Anfragen über die Einrichtungen des Schächtwesens und Fleischverkaufes
in seiner Gemeinde gerichtet. Dieses veranlasste Herrn Dr. Cahn, den
Gegenstand dieser Anfragen eingehend darzustellen und in Form eines
Memorandums drucken zu lassen, das uns nun vorliegt.
Diese nur wenige Seiten umfassende Schrift, enthält für alle diejenigen,
die sich für den Gegenstand derselben interessieren, eine Fülle
wichtiger Details, die Menschen, der seine Gemeinde im Besitz ganz
guter Kaschrut-Institutionen glaubt, auf Momente und Umstände aufmerksam
macht, die vielfach nicht die genügende Würdigung und Berücksichtigung
finden und dennoch geeignet sind, das Kaschrut eines ganzen Gemeindewesens
in Frage zu stellen. Der Konservatismus mancher Rabbiner und
Gemeinden geht so weit, dass er offenbare, unleugbare Mängel und Missstände
mit in den Kauf nimmt, 'weil es von jeher so gewesen ist', und sich
zufrieden gibt, wenn sich die Zustände nur nicht verschlimmern, aber
vollkommen genug getan zu haben glaubt, wenn er das Althergebrachte mit
seinen Vorzügen und Schäden intakt erhält. Diese gefährliche Genügsamkeit
hat im jüdischen Gemeindeleben schon so viel Unglück gestiftet, dass sie
eine besondere Monographie verdiente. Was nicht besser wird, wird
schlechter. Einen Stillstand gibt es hier so wenig, wie sonst.
Es ließe sich das nicht etwa an vielen, sondern an allen Äußerungen des
jüdischen Pflichtenlebens nachweisen, wie es in jedem jüdischen
Gemeindewesen zum Ausdruck kommt. - Beschränken wir uns jedoch auf den
vorliegenden Gegenstand. -
Derselbe |
handelt
zunächst von der Kontrolle im Schlachthause. Die erste Abteilung der
vorliegenden Schrift bespricht die absichtlichen Täuschungen, sowie die
unbeabsichtigten Verwechslungen, die im Schlachthause schön möglich, ja
geradezu unvermeidlich sind, besonders bei den losen Stücken, wie Fett,
Därme, Milz und dergleichen, wenn nicht eine ganz strenge Kontrolle gebt
wird. Es wird das Ungenügende oder doch Schwerfällige der üblichen
Kontrollverfahren beleuchtet und ein neues, sinnreiches Verfahren
angegeben, das Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn mit Recht als einen Tikun
Gadol bezeichnet. Es ist dies ein von Herrn Ruben Stern -
sein Licht leuchte - in Fulda erfundener, sinnreicher Stempelapparat,
der in der Schrift abgebildet und erläutert ist und durch den Erfinder
bezogen werden kann.
Die zweite Abteilung behandelt die Kontrolle im Geschäftsraume des
Metzgers. Die Betrügereien, die mit Koschersiegeln, Plomben,
Koscherzetteln schon konstatiert wurden, sind bekannt, sie werden hier
eingehend zur Sprache gebracht und auch hier ein neues Verfahren
empfohlen, das beachtet zu werden verdient.
Die letzte Abteilung handelt von der Regelung und Verwaltung des
Koscherfleisches und enthält ebenfalls manche treffliche Einrichtungen,
die allgemein eingeführt zu werden verdienen, wo die Verhältnisse es
erfordern.
Überall tritt einem in wohltuender Weise das redliche Bestreben entgegen,
Missständen, wie sie leider vielfach bestehen, entschieden
entgegenzutreten und ihnen durch praktische Maßregeln zu begegnen. - Es
war dies, wie der Verfasser zum Schlusse bemerkte, nicht ohne große Mühe
zu erreichen. Die Reorganisation hatte zwei Metzgerstreike zur Folge, von
denen der eine 3/4 und der andere 1 1/2 Jahre dauerte.
Die Darlegung dieser Verhältnisse hat in uns den Wunsch rege gemacht,
dass auch die anderen Institutionen der Gemeinde Fulda, um die sich Herr
Provinzialrabbiner Dr. Cahn nicht minder große Verdienste erworben hat,
einmal die richtige Würdigung erfahren möchten. Überall begegnen wir
dem aufrichtigen Bestreben mit jedem Schlendrian zu brechen, und
Gediegenes und Bewährtes an dessen Stelle zu setzen. - Wie die Schechita
(Schächtwesen), so ist auch die Einrichtung der Mikwe eine
wahrhaft mustergültige. Auch hier hat Herr Kreisvorsteher Ruben Stern
- sein Licht leuchte - eine Erfindung gemacht, die ich schon vor
mehreren Jahren von Rabbiner Stern - das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen - in Hamburg als einen Tikun gadol rühmen hörte. Es wäre
gewiss dankenswert, wenn vielleicht der Erfinder sich entschließen
würde, diese Erfindung einmal in diesem Blatte zu besprechen. Merkwürdig
ist ferner eine eigenartige, von Herrn Dr. Cahn geschaffene Erubeinrichtung
und das wahrhafte tolerante Entgegenkommen von nichtjüdischer Seite, das
sich bei dieser Gelegenheit bewährt hat. Besonders aber ist es das Sofrut
(Kunde vom Schreiben der Heiligen Schrift), dem Herr Dr. Cahn - sein
Licht leuchte - seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet und dabei
Erfolge erzielt hat, die geradezu staunenerregend sind. Er hat jahrelang
unablässig auf den frivolen Schlendrian hingewiesen, mit dem gerade
Toraschreiber (soferim) ihren Beruf vielfach betreiben, und hat im
Laufe der Zeit die Genugtuung erlebt, dass sogar große Gelehrte in
Russland ihre Tefillin aus - Fulda beziehen.
Wir beglückwünschen die Gemeinde Fulda aus ganzem Herzen zu ihren
trefflichen Institutionen und zu deren Begründern respektive
Vervollkommnern und schließen mit dem innigen Wunsche, dass die Gemeinde
und ihr Rabbiner recht viele Nachahmung finden mögen. Summachos."
|
Aus der Arbeit des Talmudvereins (1901)
Anmerkung: Bei der Feier des Sijum handelt es sich um das Abschlussfest nach
dem Studieren eines Talmudtraktates, hier des Traktates Ketubbot.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9.
Januar 1902: "Fulda. Der 29. Dezember 1901 wird den
Mitgliedern der Chevras Schaß hier unvergesslich bleiben. An diesem Tage
beging sie die Feier des Sijum auf Mas. Kethubet. Abends versammelten sich
die Chevra und mehrere Ehrengäste im Hotel Birkenruth, um an der an den
Sijum sich anreihenden Sudas Mizwoh teilzunehmen. Eine weihevolle Stimmung
bemächtigte sich aller Teilnehmer, als unser hochverehrter Rav nach
Schluss der Masechtah in ergriffener und ergreifender Weise das Kadisch
sagte. Während des Mahles wechselten ernste und heitere Toaste mit
einander ab. Den Reigen eröffnete der Vorstand der Chevrah, Herr Dr.
med. Stern. In nach Form und Inhalt gleich ausgezeichneter Weise
brachte er nächst Haschem (=Gott) dem teuren Rabbi, Herrn
Provinzialrabbiner Dr. Cahn, für sein hingebungsvolles Wirken im
Dienste unserer heiligen Tora den Dank dar und richtete einen warmen
Appell an alle Mitglieder, in ihrem Lerneifer nicht zu erlahmen. In
wehmütigem Tone gedachte er des Heimgangs des seligen Herrn Baron
Wilhelm von Rothschild (vgl. Wikipedia-Artikel
"Wilhelm Carl von Rothschild"), in dem die Chevrah einen
edlen Freund und Gönner verloren. Eine Träne erzitterte in dem Auge
unseres Rav, als des unvergesslichen Verklärten gedacht wurde. In fast
einstündiger Rede vernahmen die Tischgenossen, die gebannt schienen,
Chiduschei Tora unseres geliebten Rabbi. Es würde über den Rahmen des
uns zur Verfügung gestellten Raumes gehen, wollte wir auch nur einen geringen
Teil der Darlegungen rekapitulieren, die Zeugnis ablegen von dem Charifus
und Bekius, das wird zu bewundern Gelegenheit hatten. Herr Dr. Stern
gab dem Danke der Anwesenden für den ihnen gebotenen Hochgenuss in warm
empfundenen Worten Ausdruck. Die wohlschmeckenden Gerichte und der gute
Wein erzeugten allmählich eine heitere Stimmung. Der Sohn unseres teuren
Rav, Herr stud. phil. Meier Cahn, zeigte in längerer Rede, dass er
ein würdiger Sohn seines großen Vaters ist. Herr stud. phil. Lorsch,
Hörer der Jeschiwa in Frankfurt am Main, toastete auf das Wohl Seiner
Ehrwürden, des Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn, Herr Lehrer Spiro
in seiner bekannten humorvollen, die Lachmuskeln in Bewegung setzende Art
auf den Gesamtvorstand der Chevrah, Herr Lehrer Nußbaum aus Hersfeld
auf das weitere Emporblühen der Chevras Schaß und Herr Lehrer
Löwenstein, hier, auf das Wohl der Frauen. Die Versteigerung des
Tischgebets ergab das nette Sümmchen von 150 Mark. Erst gegen 3 Uhr hatte
die erhebende Feier ihr Ende erreicht, die einen würdigen und große
Heiterkeit weckenden Abschluss in der von Herrn Lauer mit sprudelndem
Humor vorgetragenen sogenannten Purim Tora fand. Das waren genussreiche
Stunden, deren baldige Wiederkehr wir aufrichtig wünschen.
|
Ein neues jüdisches Hotel
wurde eröffnet (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. September 1903: "Fulda. Eine Minute vom Bahnhof entfernt wurde dahier ein neues, jüdisches Hotel, Hotel Deutsches Haus, eröffnet, welches
Herr Kaufherr vorzüglich verwaltet. Reinlichkeit, vorzügliche, streng koschere Küche empfehlen das Hotel allen Reisenden." |
Einweihung einer Tora-Rolle
(in Hünfeld) und weitere Ereignisse im
Gemeindeleben (1904)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 21. Oktober 1904: "Fulda. Nur selten ließt man ihrer geschätzten Zeitschrift einen Bericht über das jüdische Leben berührende Ereignisse in unserer Stadt und in unserem Rabbinatsbezirke und doch gibt es hin und wieder Interessantes zu verzeichnen.
Am ersten Tage Chol-Hamoed schel Sukkos (= erster Halbfeiertag des
Laubhüttenfestes) wurde in der Nachbargemeinde Hünfeld durch Herrn Provinzial-Rabb. Dr. Cahn hier eine Thoraweihe vollzogen. An der Feier in der Synagoge
nahm auch der königliche Herr Landrat teil.
Am 9. dieses Monats beging die hiesige Schaß-Chebrah
(Talmudverein) einen Sijum (Fest zum Abschluss des Lernen eines
Traktates) auf Traktat Gittin. Ein solennes Festmahl vereinigte Mitglieder der
Chebrah und Ehrengäste im Saale der Restauration Birkenruth. Ernste und heitere Reden wechselten miteinander ab. Den Reigen eröffnete Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn. Zu geistvoller Weise verband er den Anfang des
Traktats mit dem Ende desselben. Begeistert lauschten die Zuhörer den trefflichen Ausführungen. Nicht minder großen Beifall fanden die mit Humor reichlich gewürzten Diwre-Tauroh
(Toraworte) des Herrn Dr. Frankel, der seit 3 Monaten als Rabbinats-Assessor hier seines Amtes waltet.
Jom Kippur konnte man in unserer Synagoge neben dem weißen
Sterbegewande, manch bunten Rock erblicken. Neben der üblichen Eingabe des Herrn Rabbiners um
Befreiung der jüdischen Mannschaften vom Dienste an den hohen Festtagen, der in der Regel die stereotype Antwort folgt, dass, soweit es das dienstliche Interesse erlaubt, dem Gesuche stattzugeben sei, hatte Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn in Erfahrung gebracht, dass selbst Jom Kippur die jüdischen Soldaten nicht vom Dienst befreit seien. Herr Dr. Cahn trug telefonisch dem in
Salzschlirf weilenden Kommandeur die Bitte, um Befreiung der jüdischen Mannschaften vom Dienste am Versöhnungstage vor und zugleich um die Erlaubnis, dem Gottesdienste hier und in den angrenzenden Nachbargemeinden beiwohnen zu dürfen. In liebenswürdiger Weise gewährte der Herr Oberst die Bitte. Die Soldaten mussten sich am Rüsttage des Versöhnungsfestes beim Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn melden, der Fürsorge getroffen hatte, dass sie rituelle Kost erhielten und bei ihrer Rückkehr eine Bescheinigung des Herrn Rabbiner
vorlegen, dass sie am Gottesdienste teilgenommen haben. Dieses Vorgehen verdient Nacheiferung und dürfte für manchen Rabbiner ein Fingerzeit sein, sich nicht dabei zu beruhigen, wenn die pp. Eingabe den Briefkasten überantwortet ist, sondern weitere Schritte zu tun, um Dispensation vom Dienste zu erwirken, auch wenn scheinbar das dienstliche Interesse ein
'Veto' einlegen sollte." |
Abendunterhaltung des Jungfrauen-Vereins zugunsten der
russischen Juden (1906)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 23. Februar 1906: "Fulda. Der Jungfrauen-Verein Liwjas-Chein veranstaltet am 17.
dieses Monats zum Besten der russischen Juden eine Abendunterhaltung, deren Verlauf auch weitere Kreise interessieren dürfte. Kunstsinn und Opfersinn paarten sich miteinander und weckten frohe Empfindungen im Herzen der Beteiligten. Da der Wohltätigkeit keine Grenze gesetzt war, flossen reichlich die Gaben. Im Saale waren Buden mit Speisen und Getränken aufgestellt, die unentgeltlich geliefert und von schmucken Damen und Mädchen verkauft wurden. An die Abendunterhaltung schloss sich eine Verlosung an, deren Gewinne ebenfalls gespendet wurden. Das Arrangement lag in den Händen der Vorsteherin des Liwias-Chein-Vereins,
Frl. Dilla Katzenstein, die ihre Aufgabe mit unermüdlichem Fleiße und großem Geschicke löste und allseitig gebührende Anerkennung fand.
Nun ein Wort über die Abendunterhaltung selbst. Eingeleitet wurde diese durch einen von Herrn
Lehrer Spiro, hier, gedichtet und von Frl. Thekla Gottlieb vorgetragenen Prolog. Dann folgte ein Klaviervortrag der
Fräulein Bella Spiro. Die sich daran anschließenden theatralischen Aufführungen der Mitglieder des Vereins, wie verschiedene musikalische und deklamatorische Vorträge, unter denen der von dem Töchterlein des Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn gesprochene Prolog besonders erwähnt zu werden verdient, ernteten reichlich Beifall. Es war ein genussreicher Abend, der den Zuschauern geboten wurde, aber nicht minder ergebnisreich für die armen unglücklichen Glaubensbrüder und Glaubensschwestern im Zarenreiche." |
Eine
Ortsgruppe des Vereins der Sabbat-Freunde soll gegründet werden
(1906)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 9. März 1906: "Fulda. Am Sonntag sprach hier Herr Jakob
Rosenheim - Frankfurt als Vertreter des Vereins der Sabbat-Freunde
- zwecks Gründung eines Zweigvereins hier - vor zahlreich erschienenem
Publikum. Den Vorsitz führten Seine Ehrwürden Herr Provinzialrabbiner
Dr. Cahn und Herr Dr. med. Stern. - Der Vortrag war ein in
jeder Hinsicht geistvoller und fesselnder. Unter Hinweis auf Reincke (gemeint:
Johannes Reinke)
u.a.m. zeigte Redner, wie man auch in der Philosophie wieder auf den
Schöpfungsgedanken zurückkomme und somit auf die Zweck-Idee, das
logische, zielbewusste Walten im Weltall. - In herzgewinnender Weise
führte er aus, wie der Sabbat ein Beweis hierfür sei, der, vor
Jahrtausenden uns gegeben, zum Gedeihen der Menschen und des Menschen
jetzt wichtiger sei denn je zuvor.
So konnte es denn nicht wunder nehmen, wenn auf die Anregung des Herrn Wertheim,
es möge sich in Fulda ein jeder in Betracht Kommende dem zu gründenden
Vereine der Sabbat-Freunde anschließen, aus der Versammlung ein
einstimmiges 'Bravo' entgegen tönte. Herr Rosenheim wusste derart die
Wichtigkeit des Vereines ins richtige Licht zu setzen, dass beschlossen
wurde, hier sollten schon Mitglieder von 15 Jahren aufgenommen werden, während
in Frankfurt das aufnahmefähige Alter auf 18 Jahren festgesetzt
ist. Th." |
Eine Ortsgruppe des Vereins der
Sabbat-Freunde wird
gegründet (1906)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 23. März 1906: "Fulda. In zahlreich besuchter
Versammlung entwickelte Sonntag, den 18. dieses Monats Herr Moritz A.
Löb aus Frankfurt am Main die Aufgaben und Ziele des Vereins der
Sabbatfreunde. Der Vortrag war klar und fesselnd und weckte bei allen
Hörern wohltuende Begeisterung. Herr Dr. Stern, der den Vorsitz
führte, dankte dem Redner und richtete einen warmherzigen Appell an die
Erschienenen, dem Verein beizutreten. Die Anregung war vom schönsten
Erfolge begleitet. Es bildete sich eine Ortsgruppe, die schon heute mehr
als 200 Mitglieder zählt., In der ihm eigenen geistvollen Weise
schilderte Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn die Bedeutung der
Sabbatheiligung für die Erhaltung des Judentums und bezeichnete die
Förderung des Vereins für die unerlässliche Pflicht eines jeden
gesetzestreuen Juden. Was Wunder, dass diese Worte auf fruchtbaren Boden
fielen? - In Herrn Löb besitzt der Verein eine schätzenswerte Kraft,
einen wirksamen Agitator, dessen uneigennützigem Wirken die gebührende
Anerkennung und tatkräftige Unterstützung nicht versagt werden darf. Wie
wir zu unserer Freude vernommen haben, sind bereits in mehreren Städten
Deutschlands Ortsgruppen gebildet worden, ein sprechender Beweis für die
richtige Erfassung der Aufgabe des Vereins, der blühen, wachsen und
gedeihen möge." |
Erste Mitgliederversammlung der zionistischen
Ortsgruppe (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 29. November 1907: "Fulda, 20. November (1907). Heute
fand die erste Mitgliederversammlung der vor vierzehn Tagen gegründeten Zionistischen
Ortsgruppe statt. Es waren dazu aus Frankfurt die Herren B. Stern und
Josef Hackenbroch erschienen. Herr Stern gab ein klares Bild über die
Ziele des Zionismus. Herr Hackenbroch sprach über die Bedeutung des
Misrachi im Zionismus und betonte besonders, dass ein Zusammengehen der
orthodoxen Zionisten mit den andersdenkenden Zionisten innerhalb des
Zionismus vonnöten sei. - Die Vorstandswahl ergab die Wahl des Herrn
Gustav Nussbaum als 1. Vorsitzenden und des Herrn Mendel
Grünebaum als 2. Vorsitzenden." |
Vortrag in der
zionistischen Ortsgruppe
(1908)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 31. Januar 1908: "Fulda. Letzten Samstag Abend hielt in
der hiesigen zionistischen Ortsgruppe Herr Zahnarzt Bütow - Alsfeld
einen Vortrag über Jungjüdische Literatur. Redner gab stets erst eine
kurze Biographie des Dichters und rezitierte dann einige seiner Gedichte,
sodass sich das Publikum, das den Saal bis auf den letzten Platz füllte,
unbeeinflusst seine eigene Meinung über die Bewertung jedes einzelnen der
in ihren Werken vorgeführten Dichter bilden konnte. Eine weihevolle
Stimmung hielt die Versammlung in Banden und wirkte noch nach, als der
Vortrag beendet war." |
Chanukkafeier der zionistischen Ortsgruppe
(1908)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 31. Dezember 1908: "Fulda. Nach langer Pause hat die
zionistische Ortsgruppe wieder einmal ihre Flügel geregt und ihre
Schwungkraft bewiesen. Vergangenen Mittwoch veranstaltete sie im Saale des
'Deutschen Hauses' eine Chanukkafeier, die einen glänzenden Verlauf nahm
und auf die zahlreich erschienenen Teilnehmer einen tiefen Eindruck
hervorbrachte. Nachdem der Vorsitzende, Herr Gustav Nußbaum, der
Festversammlung den Willkommensgruß entboten hatte, bestieg Herr Zahnarzt
Bütow - Alsfeld das Podium, um in
lichtvoller Weise die Bedeutung des Lichtfestes zu schildern. Reicher
Beifall wurde dem Redner gespendet, der des verstanden, die Zuhörer zu
fesseln und zu begeistern. Es machte sich bald eine gehobene
Chanukkastimmung bemerkbar, die erhöht wurde durch deklamatorische und
musikalische Darbietungen. Herr stud. med. Fritz Löbenstein,
Fräulein Ella Birnbaum, Fräulein Selma Gottlieb und andere
trugen durch ihre Vorträge wesentlich zur heiteren Festesstimmung bei.
Die Aufforderung des Herrn Katzmann zum Eintritt in die Ortsgruppe
verhallte nicht wirkungslos." |
Über die Arbeit des "Fortbildungsheimes jüdischer
junger Kaufleute" (1911)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
5. Januar 1911: "Fulda, 2. Januar (1911). Seit einigen
Monaten hat hier das schon vor einigen Jahren von hiesigen Geschäftsleuten
gegründete 'Fortbildungsheim jüdischer junger Kaufleute' seine
Tätigkeit wieder aufgenommen. In dem Heime soll Handlungsgehilfen und
Lehrlingen Gelegenheit geboten werden, ihre freie Zeit praktisch zur
Weiterbildung zu verwerten.
Unter tatkräftiger Leitung des Herrn A. Friedmann ist das Programm
so festgelegt, dass es Kizzur
Schulchan Oruch - Vorträge, deutsche Literatur, Stenographie umfasst,
denen sich ein Buchführungskursus noch anschließen soll. Außerdem hat
sich der größte Teil der Mitglieder bereiterklärt, an den außerhalb
des Vereins stattfindenden Schiurim teilzunehmen.
Am letzten Abend des Chanukkafestes versammelten sich alle Mitglieder im
Saale des Restaurants Birkenruth, um ein offizielles Stiftungsfest
zu feiern. Eingeleitet wurde die Feier durch gemeinschaftliches Entzünden
der Chanukkalichter, woran sich der Gesang des 'Moaus Zur' schloss, das
nach einer für mehrstimmigen Chor geeigneten Melodie klangvoll zum
Vortrag kam. Die durch das Bild des großen Lichtermeers ohnehin schon
sehr weihevolle Stimmung wurde gehoben, als jetzt Herr Rabbinats-Assistent
B. Kunstadt in seiner Ansprache mit warmen, empfindungsreichen Worten
schilderte, was die Chanukkageschichte speziell einem Jugendverein bedeute
und wie der Zusammenschluss für eine heilige Sache mit dem Blicke auf den
'Moaus Zur' gerichtet, auch in unserer Zeit noch segensreiche Früchte
tragen kann." |
Neue Aktivitäten der Aguda-Gruppen (1921)
Vgl. grundsätzlich Wikipedia-Artikel
"Agudat Jisra'el"
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
27. Januar 1921: "Fulda, 20. Januar (1921). Die hier
längere Zeit schlummernde Agudabewegung ist zu neuem Leben erwacht und
zeigt kräftige Pulsschläge. Jugend- und Ortsgruppe entfalten einen edlen
Wetteifer im Toralernen und es ist eine Freude wahrzunehmen, wie
die Schar der Lernenden sich vermehrt. Die Leitung der Ortsgruppe liegt in
den bewährten Händen des für unsere Heilige Tora begeisterten Herrn
Sanitätsrat Dr. Stern. Wir hatten die Freude, vor einigen Wochen Herrn
Rabbiner Dr. Wolf aus Köln zu hören, der in fesselnder Weise
'kulturhistorische Pinselstriche' vor einem zahlreichen Auditorium
zeichnete, und in dieser Woche einem Vortrage des Herrn Dr. Auerbach aus
Köln zu lauschen, der ein Bild von der Lage in Erez Israel vor
dichtbesetztem Hause entrollte, das Begeisterung und langanhaltenden
Beifall auslöste. Der Leiter der Versammlung, Herr Lehrer Spiro,
stellvertretender Vorsitzender der Aguda, dankte in hebräischer Sprache
dem verehrten Herrn Redner und bat, von einer Diskussion, die leicht die
weihevolle Stimmung trüben könnte, abzusehen. Trotz der zahlreich
erschienen Zionisten wurde dieser Bitte ohne Widerrede entsprochen. Der
Aguda blühen Erfolge, wenn zielklare Redner von Zeit zu Zeit die Indifferenten
aufrütteln." |
Generalversammlung des Vereins "Jeschurun"
(1922)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
9. Februar 1922: "Fulda. Am 26. Dezember v. J. fand hier die Generalversammlung des Vereins
'Jeschurun' statt. Die ungünstigen Verkehrsverhältnisse, des Winters starres Regiment und der die Reisestimmung beeinträchtigende Stand der in der Agonie befindlichen
Valuta ließen eine größere Beteiligung nicht erwarten. Umso freudiger war man überrascht, als eine stattliche Anzahl Mitglieder sich eingefunden hatte. Der Vorsitzende,
Herr Lehrer Gans, Niederaula, richtete einen den wohltuenden Gegensatz zu der herrschenden Kälte bildenden warmen Willkommensgruß an die erschienenen und erstattete den durch Wort und Inhalt die Hörer im hohen Grade fesselnden Jahresbericht. Der durch den Tod dem Vereine entrissenen Mitglieder wurde ehrend gedacht. Wehmut weckte die Schilderung des heimgegangenen langjährigen Vorsitzenden und bis zu seiner Abberufung von der irdischen Schaubühne dem Vorstande des
'Jeschurun' angehörigen Lehrers Schwarzschild, Schlüchtern, der in vorbildlicher Weise die Interessen des Vereins, dessen Mitbegründer der Entschlafe gewesen, zu fördern bemüht war. Mit einem warmherzigen Appell an die Nahen und Fernen, der Tendenz des
Jeschurun' 'Stärkung der Wahrheit/Religion' stets eingedenk zu sein und durch Werbung von Ehrenmitgliedern und Zuwendung außerordentlicher Beiträge die Vereinskasse zu stärken, schloss der Vorsitzende seinen tiefen Eindruck auf alle Hörer hervorbringenden Bericht. Anstelle des ans Krankenlager gefesselten Kassierers, Herrn
Bankdirektors Birkenruth, erstattete der Unterzeichnende den Kassenbericht. Schmerzlich fühlbar wird die Lücke empfunden, die der Tod des Herrn
Provinzial-Rabbiner Dr. M. Cahn - das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen gerissen, der dem Verein immer neue Hilfsquellen zu erschließen und so die materielle Sorge zu bannen wusste. Die Klage
- um diejenigen, die verschwunden sind und nicht wiederkehren - fand ein Wehmut weckendes Echo in der Hörer Brust.
'So sind wir denn mehr denn je auf eigenes Wirken angewiesen', hörte man aus dem Munde der anwesenden Mitglieder. Nach Verlesung des Kassenberichts erhielt Herr
Lehrer Sonn, hier, das Wort zu seinem Referate: 'Die Bedeutung des biblischen Geschichtsunterricht und dessen Behandlung in der jüdischen
Volksschule'. Der von großem Fleiße und verständnissinniger Erschaffung zeugende Vortrag löste reichen Beifall aus und rief eine lebhafte, fruchtbringende Diskussion hervor. Der Vorsitzende erging sich in herzlichen Dankesworten an den Referenten und regte an, den Vortrag durch Veröffentlichung desselben in der demnächst erscheinenden Beilage des
'Israelit': 'Erziehung und Lehre' weiteren Kreisen zugängig zu machen. Für die nächste Generalversammlung hat Herr
Lehrer Freudenberger, Flieden, über
'Der Lehrer in der Jugendbewegung' zu referieren übernommen. Schnell verrannen
die anregenden und belehrenden, die Berufsfreudigkeit zu erhöhen geeigneten Stunden, und man schied mit dem Wunsche:
'Auf gesundes, frohes Wiedersehen'.
J. Spiro." |
Bezirkstag der Agudas Jisrael - Jugendgruppen
in Alsfeld (1922)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2.
März 1922: "Fulda, 22. Februar. Am 15. Tewes (= 15.
Tewet, = 15. Januar 1922) fand in Alsfeld der Bezirkstag der hessischen
Agudat Jisrael Jugend-Gruppen statt, der trotz mancher Widrigkeiten gut besucht war. Vertreten waren die Gruppen
Alsfeld, Birstein,
Burghaun, Flieden,
Fulda, Guxhagen, Hersfeld,
Kassel, Lauterbach,
Niederaula, Rhina und
Treysa. Aus Alsfeld und Umgebung waren zahlreiche Gäste zugegen. Herr
Lehrer Kahn - Alsfeld begrüßte im Rahmen der gastgebenden Gruppe die Versammlung herzlich.
Dr. Herz dankte der Gruppe Alsfeld für die Übernahme der mühevollen Aufgabe, die sie aufs schönste gelöst habe und dem Vertreter der Gemeinde Alsfeld für sein Erscheinen. Zum Vorsitzenden wurde einstimmig Herr
Lehrer Kahn - Alsfeld gewählt.
Dr. Herz gab den Bericht über seine Tätigkeit jetzt dem letzten Bezirkstag (17.11.1920). Er sprach einleitend über die Notwendigkeit der Organisation, in der ein jedes Glied das Bewusstsein haben müsse, dass es in Deuten, Fühlen und Handeln ein Teil des Ganzen sei. Seine Tätigkeit, die leider 3 mal durch längere Abwesenheit unterbrochen werden musste, gab er mit folgenden Daten:
(siehe Liste in Text links mit Zahl der Besuche, Schiurim, Vorträge
usw. in Fulda, Hersfeld, Kassel, Guxhagen, Burghaun, Rhina, Hanau, Treysa,
Gersfeld, Marburg, Alsfeld, Birstein, Wüstensachsen, Flieden, Lauterbach,
Niederaula, Langenselbold, Groß-Krotzenburg, Schmalnau, Propagandavorträge
in Gelnhausen und Sterbfritz, Vorträge außerhalb des Bezirks in Basel,
Luzern, Zürich und Schwäbisch Hall)
Die Vorträge bezogen sich auf Sidre und Haphtarah (Wochenabschnitt
und prophetischer Abschnitt), auf die besonderen Tage des Jahres und auf allgemeine jüdische Fragen.
Dr. Herz beklagt, dass in vielen unserer Gruppen die Verbindung mit der Aguda und ihrem Ideenkomplex noch eine sehr lockere sei.
In der Diskussion bedauerten die Herren Lehrer Haas - Niederaula,
Kahn - Alsfeld und Stern
- Lauterbach, dass die Gruppen an kleinen Orten von dem Bezirkssekretär weniger häufig besucht werden als die in den Städten. Namentlich wäre es wünschenswert, dass Vertreter der Aguda, vor allem Kaufleute, über
den Heiligen Schabbat in die kleinen Gruppen kommen. Allerlei Schwierigkeiten, die unserer Arbeit im Wege stehen, vor allem die Übertreibung des Sports, hebt
Lehrer Freudenberger - Flieden hervor.
Die Gruppenvertreter gaben kurze Berichte über die Tätigkeit ihrer Gruppen: es ist hierbei zu konstatieren, dass, einige Gruppen ausgenommen, die Leistungen sich vermehrt haben, von Einzelheiten ist hervorzuheben, dass die Gruppe
Birstein alle 14 Tage von einem Ben
Tora (= Sohn der Tora, Torastudierender), der Schiurim
(= Lehrstunden) (zur Nachahmung empfohlen!), ferner, dass die Fuldaer Mädchengruppe soziale Arbeit leisten (Kinderfürsorge, Krankenpflege
usw.)
Kassel und Hersfeld beklagen es, dass die
Agudat Jisrael Jugend-Organisation nur außerordentlich selten Propagandaredner zur Verfügung stellt. Allgemein wurde der Wunsch geäußert, dass häufigere orientierende Vorträge über ihre Arbeit in und für
Erez Jisrael veranstaltet werden. Dr. Herz sagt die Weiterleitung der geäußerten Wünsche zu; er erwidert, dass seine Besuche in den Landorten deshalb weniger oft stattfinden können, weil dort gewöhnlich der Sonntag der einzige geeignete Tag sei. Es folgt ein Referat des Herrn
Lehrer Landsberg - Hersfeld:
'Das Schulwesen im Talmud': Die umfassende und tiefgehende Darstellung zeugte von gründlicher Durcharbeitung des Stoffes und wurde mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt. Der Bericht über die vor einem Jahr gegründete Wanderbibliothek besagt, dass ungefähr 70 Werke vorhanden sind, die in 6 Serien zirkulieren; zur Erweiterung der Bücherei wird ein einmaliger Betrag von 5 Mark pro Mitglied beschlossen.
|
Eine Bibliothekskommission unter dem Vorsitz des Herrn
Lehrer Landsberg wird gewählt.
Lehrlingsfürsorge: An etwa 90 Lehrer Hessens wurden Fragebögen versandt auf denen Angaben über die in die Städte kommenden Lehrlingen
etc. erbeten wurden; nur die Hälfte ungefähr wurde beantwortet; die Jugendgruppen und geeignete Persönlichkeiten wurden auf die uns gemeldeten jungen Leute aufmerksam gemacht.
Herr Schneemann - Fulda hob besonders die Notwendigkeit der Förderung des Gemeinschaftsgefühls hervor; ferner fordert er intensive Arbeit für
Erez Jisrael, er hält die Belehrung der Jugend über die jüdische Politik für unerlässlich; außerdem stellt er die Forderung der Pflege und Stärkung des Körpers auf. Eine rege Diskussion knüpfte sich an seine Worte.
Mit warmem Dank an Alsfeld und an den Vorsitzenden Herr Lehrer
Kahn, wurde die Tagung geschlossen; besonders wurde noch der weitgehenden Fürsorge der Gruppe
Alsfeld für das leibliche Wohlergehen der Gäste rühmend gedacht.
Am Abend war gemütliches Beisammensein: besonders tiefer Eindruck machten hierbei die von einigen Fuldaer Esräern vorgetragenen jüdischen Melodien aus dem Osten." |
Bericht über die jüdische Abteilung im
Kreissiechenhaus in Fulda (1926)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
2. September 1926: "Fulda, 27. Aug. Am 1. September ist es ein Jahr, dass im Kreissiechenhaus in Fulda eine jüdische Abteilung für Alte und Sieche eingerichtet wurde. Bis jetzt sind 9 Insassen untergebracht, die von den Schwestern in rührender Weise gepflegt werden; die Leiterin der jüdischen Abteilung versorgt ihre Schützlinge vorbildlich.
Das Kuratorium ergibt sich alle erdenkliche Mühe, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Vorerst sind noch 3-4 Plätze frei. Anfragen bittet man an den 1. Vorsitzenden, Herrn
Gustav Nußbaum, Bahnhofstraße, zu richten." |
Versammlung
der Agudas Jisroel (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. März 1927: |
Bezirkstagung
der hessischen Agudas-Jisroel-Jugendgruppen (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 20. Mai 1927: |
Koscherküche im Landeskrankenhaus (1927)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. Juli 1927: "Fulda, 13. Juli. Im hiesigen Landeskrankenhaus ist anlässlich des Neubaus einer Frauenklinik eine
Koscherküche eingerichtet worden, durch die einem Übelstand, der sich bisher häufig unangenehm bemerkbar machte, für die Zukunft abgeholfen wird. In Zukunft wird das Essen in der Koscherküche des Landeskrankenhaus selbst nach genauen Angaben der Ärzte zubereitet und braucht nicht mehr aus der Stadt dorthin gebracht zu werden. Die Küche ist mit allem Komfort der Neuzeit und zugleich den Forderungen des
Kaschrus entsprechenden Einrichtungen versehen. Sie steht unter Aufsicht des Rabbinats und wird von einer besonders geeigneten Persönlichkeit geleitet werden. Während bisher die Patienten von hier und aus der näheren und weiteren Umgebung wegen der Schwierigkeiten der Verpflegung jüdische Krankenhäuser in den Großstädten aufsuchten, wird dies in Zukunft nicht mehr nötig sein. Das Landeskrankenhaus steht unter der bewährten Leitung des Herrn
Direktor Dr. Gunkel (sc. Dr. Paul Gunkel, Chirurg), zu dem viele ehemalige Patienten als zu dem Retter ihres Lebens und ihrer Gesundheit dankbar aufblicken. Es verfügt über 300 Betten und ist mit den modernsten hygienischen Einrichtungen ausgestattet und hat außer der neu erbauten Frauenklinik eine chirurgische und eine innere Klinik und eine Spezialabteilung für Hals-, Nasen-, Augen- und Ohrenkrankheiten. Die Eröffnung der Küche ist für Mitte August vorgesehen." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 22. Juni 1927:
derselbe Bericht wie in der Zeitschrift "Der Israelit" siehe
oben. |
Über die hebräischen Handschriften der Landesbibliothek in
Fulda (1928)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
2. Februar 1928: "Die hebräischen Handschriften der Landesbibliothek zu Fulda.
Von B. Horwitz, Kassel.
Diese Bibliothek kann im Sommer dieses Jahren auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken.
Diese Geistesquelle teilt mit ihren Schwestern in Provinzialstädten das gleiche Schicksal, dass ihre hebräischen Schätze sehr wenig beachtet werden. Darum möchte ich mit nachstehenden Notizen interessierte Kreise auf Fuldaer Handschriften hinweisen.
Katalog Theologie: Orientalische Handschriften. 1-11 hebräische Pentateuchs.
Fol. 20: Darin fehlen jedoch von Kap. 11,32 bis Kap. 14,18 der Genesis und aus dem
Deuteronomium von Kap. 23, 23 bis zu Ende. Jedem Werke dieses Pentateuchs ist ein Paraphrasis Chaldaica beigefügt. Außerdem enthält derselbe noch die 5 Megillos. Dieser Kodex sehr schön geschrieben, enthielt die Puncta Massoretica von einer anderen Hand. Dass er aber einer früheren Zeit als dem 14. Jahrhundert angehört, beweisen die Namen einer Judenfamilie, welche sich, jedoch von schlechter Handschrift, hin und wieder finden. So heißt es
'Folio 1a: Moses, Sohn Sauls, 372, und auf Seite 17: Baruch Hachiel, mein ältester Sohn, geboren 235; Meine Tochter Rechlein, geb. 236. Meine Mutter starb am 23.
Jjar am Merkurstag und ist in Gunzenhausen
beerdigt.' Dieser Kodex ging auf eine Judenfamilie 'an der Treppe' genannt und von dieser an die Lusmann durch Erbschaft über, von welcher er im Jahre 1778 um 30 Gulden für die Landesbibliothek gekauft wurde. Die 264 Seiten sind auf Pergament geschrieben; als Zeit wird das 13. Jahrhundert angegeben. - Eine Handschrift unter Nr. 2 aus dem gleichen Zeitalter ist bezeichnet:
'Interpretation geschrieben von Rabbi Rambam', worauf die Rede des Verfassers auf dem Wege nach Jerusalem
folgt. Auf der letzten Seite steht: 'Dieser Kodex ist geschrieben 5027 vom Salmon, Sohn des Gelehrten
Chajim.' - Die anderen hebräischen Handschriften sind aus dem 14. bis 17. Jahrhundert. Eine andere Eintragung lautet:
Mehorar Mosche ben Nachman Erinnerung zum ewigen Leben und 'Ex libris Petri Behm. Benedictini
Fuldensis'. Das Manuskript beginnt: 'Im Namen Gottes...' Die Schrift ist tadellos erhalten. Ihr Forscher
...(hebräisch)." |
Esraführertagung
in Fulda (1928)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. Juni 1928: |
Vortrag von Rabbiner Dr. Merzbach aus Darmstadt
(1929)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
7. Februar 1929: "Fulda, 1. Februar. Am Sonntag, den 27. Januar sprach hier in einer sehr gut besuchten Versammlung der Agudas Jisroel Herr
Rabbiner Dr. Merzbach - Darmstadt über 'Die Ergebnisse der Naturwissenschaften und
Religion.' Der Redner verstand es in einer nach Form und Inhalt fesselnden Art, die mannigfachen Probleme und ihre Lösung vom Standpunkt des gesetzestreuen Judentums aufzuzeigen und am Schlusse in einer zur Begeisterung hinreißenden Art zu begründen, wie der von echtem Taurohgeist und wissenschaftlichem Streben erfüllte jüdische Mensch aus der Naturbetrachtung zur Liebe Gottes gelangen muss." |
Bezirksversammlung der Agudas Jisroel
(1929)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7.
März 1929: "Fulda. Am 24. Febr. fand hier eine Bezirksbesprechung statt. Eine große Anzahl auswärtiger Lehrer, Vorstandsmitglieder und Freunde der Agudas Jisroel hatten sich zur Teilnahme eingefunden. Infolge eines Todesfalles in der Gemeinde Fulda musste der
angesagte öffentliche Vortrag ausfallen. - Um 5.45 Uhr eröffnete Herr Dr. Herz
die Versammlung und begrüßte alle Erschienenen namens der Gemeinde und der Aguda-Gruppe
Fulda. Nach diesen herzlichen Begrüßungsworten wurden die Herren Lehrer
Gans - Niederaula und M.
Elzas - Kassel zu Vorsitzenden der Versammlung gewählt. Darauf erhielt sofort der Generalsekretär der
Agudas Jisroel, D. Ullmann, das Wort zu seinem Referat 'Jüdische Erziehung und Agudas
Jisroel'. Der Referent zeigte zunächst die Schwierigkeiten der jüdischen Erziehung, die vor allem durch die beiden Gefahrenmomente der Zeit und des Milieus, heute noch erhöht sind. Nach einigen grundlegenden Ausführungen über das Wesen jüdischen Erziehung, ging er dazu über, die Bedeutung der Agudas Jisroel als Erziehungsfaktor zu schildern. Seine Ausführungen gipfelten in der Forderung, dass es uns gelingen muss, der gesamten gesetzestreuen Jugend in der Agudas Jisroel ein Arbeitsfeld zu schaffen, das sie mit innerer Verbundenheit beackert. Angesichts der zweiten Kenessio Gedaulo, deren Aufgaben der Referent eingehend behandelte, wird es uns möglich sein, die jüdische Jugend für Agudas Jisroel zu gewinnen, denn die Zukunft der
Agudas Jisroel, die im jüdischen Volk eine geschichtliche Sendung zu erfüllen hat, ist nur gewährleistet, wenn die Jugend sind freudig zu ihr bekennt. - Nach den Ausführungen des Referenten setzte sofort eine lebhafte Debatte ein, an der sich wiederholt die Herren
Dr. Herz, Elzas, Lehrer Gans, Lehrer Berlinger, Rabbiner Dr. Baßfreund, Rabbiner Kunstadt,
Speyer und Bacharach beteiligten. Die Diskussion beschäftigte sich sowohl mit den Wegen, die zur Gewinnung der Jugend einzuschlagen sind, wobei manche wertvolle Anregung gegeben wurde, als auch mit den Aufgaben und der Bedeutung der
K. G.
Es zeigte sich, dass die Anwesenden aus dem starken Bewusstsein heraus, eine Klall-Aufgabe zu erfüllen, wenn sie agudistische Arbeit
leisten, bereit sind, jeder in seinem Kreis, insbesondere im Kreis der jüdischen Jugend, für die Idee der Agudas Jisroel zu wirken.
Kurz nach 9 Uhr schloss der Vorsitzende, Herr M. Elzas, die Besprechung mit Dankesworten, einem Wort der Aufmunterung und mit einem Thorawort." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 1. März 1929: |
Jahresversammlung
des "Jeschurun" in Fulda (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 14. Februar 1930: |
Vortragsabend
der Agudas Jisroel mit Lehrer Oppenheim aus Rhina (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 14. Februar 1930: "Fulda. Auf Einladung der
hiesigen Ortsgruppe der Agudas-Jisroel sprach Sonntagabend vor
vollbesetztem Saale Herr Lehrer Oppenheim (Rhina)
über Kadisch. Die eineinviertelstündigen Ausführungen des Redners
wurden mit großem Beifall aufgenommen. Die Herren Provinzialrabbiner Dr.
Cohn, sowie Synagogenältester Dr. Herz sprachen dem Redner den Dank der
Versammlung aus." |
5 Jahre jüdische Abteilung im Kreissiechenhaus
(1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19.
September 1930: "Fulda, 11. Sept. am 1. September waren es 5 Jahre, dass im hiesigen Kreissiechenhaus eine jüdische Abteilung unter dem Protektorat von Herrn
Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn ins Leben gerufen wurde. Die Pflege, die von katholischen Schwestern mit Liebe ausgeführt wird, lässt nichts zu wünschen übrig. Die Betreuung und wirtschaftliche Leitung wird mit großer Sorgfalt und Selbstlosigkeit vorn
Frl. Seelig ausgeübt. Gar mancher Insasse oder Insassin verbrachte den Lebensabend dort in Frieden. Was nur im Rahmen der Anstalt vom Kuratorium getan werden kann, geschieht, um den Ansprüchen gerecht zu werden. Augenblicklich sind, so viel wir erfahren konnten, einige Plätze für alte Leute frei. Der. 1. Vorsitzende des Kuratoriums,
Herr Gustav Nußbaum, erledigt die Anfragen." |
Ein jüdisches Altersheim soll eröffnet werden
(1931)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
8. Januar 1931: "Fulda, 4. Januar (1931). Der Verein für jüdische Wohlfahrtspflege e. V.
in Fulda hat ein schönes Anwesen zur Errichtung eines Altersheims erworben. Das Haus liegt in ruhiger Gegend, ist mit Garten umgeben, hat Zentralheizung, Bad und in einigen Zimmern fließendes Wasser. Für gute Küche und Verpflegung wird gesorgt. Es ist hier älteren Ehepaaren oder alleinstehenden Personen Gelegenheit geboten, zu mäßigem Preise ein behagliches Heim zu finden. - Es beabsichtigt, dass Heim im Laufe des nächsten Frühjahrs zu eröffnen. Anmeldungen werden bei dem Vorsitzenden des Vereins, Herrn Gustav Nußbaum, Fulda, Bahnhofstraße 3, entgegengenommen." |
|
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 21. Januar 1931: "Fulda. (Vom jüdischen
Altersheim.) Der Verein für jüdische Wohlfahrtspflege hat Baulichkeiten erworben, die der Errichtung eines Altersheim dienen sollen. Alle neuzeitlichen Forderungen (Bad, fließendes Wasser in mehreren Räumen, Zentralheizung) werden erfüllt; das Haus liegt außerdem in ruhiger Gegend, ist von Gärten umgeben und erweist sich auch dadurch seiner Bestimmung gemäß. Ältere Ehepaare und alleinstehende Personen sollen in dem Heim, dessen Inbetriebnahme im nächsten Frühjahr beabsichtigt ist, Aufnahme finden." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 9. Januar 1931:
Ähnlicher Bericht wie im "Israelit" bzw. in der
"Jüdisch-liberalen Zeitung" siehe oben. |
Über
das Misrachi-Lehrgut Geringshof bei Hattenhof (1927 noch in Rodges / 1932)
Anmerkung: siehe den Fulda-Wiki-Artikel Gehringshof: http://fuldawiki.de/fd/index.php?title=Gehringshof
und http://de.wikipedia.org/wiki/Gehringshof
Hinweis: Die Kibbuz-Haddati-Bwegung war 1924 zunächst in Betzenrod
(Ortsteil von Eiterfeld) gegründet wurden
und 1926/27 nach Rodges (Stadtteil von Fulda) umgezogen. Da Rodges zu
klein war, zog die Gruppe schließlich 1929 auf den Gehringshof am südwestlichen
Rand der Gemarkung von Hattenhof (Ortsteil von Neuhof
im Landkreis Fulda).
Fotos aus dem
Lehrgut Gehringshof
(Quelle: Fotoarchiv
von
Yad Vashem Jerusalem) |
|
|
|
|
|
Unwetterkatastrophe
auf dem Misrachi-Lehrgut (1927)
Anmerkung: da das Misrachi-Lehrgut 1926/27 von Betzenrod nach Rodges
umgezogen ist, wird sich die berichtete Unwetterkatastrophe nicht in
Betzenrod, sondern in Rodges ereignet haben, zumal im zweiten Bericht von
der "ersten Ernte" die Rede ist, die durch das Unwetter
vernichtet wurde. |
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 26. August 1927: "Fulda (Unwetterkatastrophe
auf dem Misrachi-Lehrgut). Von dem Lehrgut des Misrachi, Betzenrod
bei Fulda, wird gemeldet, dass bei den starken Unwettern der letzten
Wochen dort aus außerordentlich starker Hagelschlag niedergegangen ist,
der fast die ganze Ernte des Gutes vernichtete. Es ist ein Schaden von
annähernd 5000 Mark entstanden, der das blühende Gut in seinem Bestande
stark gefährdet. Eine Hilfsaktion für die Siedlung, wo fünfzehn
Chaluzim unter dem Diplom-Agronomen Moses Unna ihre Ausbildung
empfangen, ist in die Wege geleitet." |
|
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 27. Januar 1928: "Rodges (Fulda). Die
zionistische Föderation 'Misrachi' unterhält ein jüdisches Lehrgut in Rodges
bei Fulda, das vor seiner ersten Ernte durch eine Unwetterkatastrophe
heimgesucht wurde. Infolge des hierdurch entstandenen beträchtlichen
finanziellen Schadens ist die weitere Ausbildung der zur Zeit auf dem Gute
weilenden misrachistischen Chaluzim gefährdet. Nachdem schon die Gemeinde
Frankfurt am Main beihelfend Mittel zur Verfügung gestellt hat, hat
nunmehr auch die Gemeinde Berlin nach einem befürwortenden Referat des
Vorsitzenden der Volkspartei, Dr. Klee, in der letzten
Repräsentantenversammlung einen entsprechenden Zuschuss bewilligt. Es
steht zu hoffen, dass der Betrieb des Lehrgutes ohne Einschränkung
weitergeführt werden wird." |
|
Bericht
von einem Ausflug zum Lehrgut Gehringshof (1932)
Anmerkung: hinter Gehringshof steht noch "Rodges", doch war
das Lehrgut inzwischen von Rodges nach Gehringshof
umgezogen. |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni
1932: "Erez Israel-Luft in der Rhön.
Ausflug nach dem Lehrgut Gehringshof (Rodges). Die jüdische
Kolonie, die ich am Sonntag besuchte, liegt nicht am Jordanufer oder am
Emek, sondern im weniger heiligen
Fuldaer Ländchen. Die Reise dahin ist ein wenig beschwerlicher
als nach den Bergen Judäas. Ist man einmal in Palästina gelandet, dann
ist man da und Schluss! Wenn man aber hier, nachdem man volle vier Stunden
in der Holzklasse eines bedächtig dahinkriechenden Personenzügleins
tüchtig gerüttelt worden ist, vor einem Bahnhöfchen mit der Aufschrift
'Kerzell' haltgemacht, dann beginnt erst die eigentliche Fahrt, mit einem
Pferde- oder Ochsengespann durch eine Dorfstraße und über unebene
Feldwege, bis zur Kolonie. Auch sonst fallen manche wesentliche
Unterschiede ins Auge. Es fehlt die duftende Orange, die liebliche Olive,
es blüht keine Palme und keine Zeder. Und was da im bläulich-weißen
Kopftuch sehr von der Ferne und von oben herab winkt, ist nicht der Hermon
oder der Tabor, sondern die Wasserkuppe hinter den schwarzbewaldeten
Bergstraßen der Rhön. Sonst stimmt so ziemlich alles!
Vor allem die Menschen, sie sind ganz palästinensisch, in
Kleidung, in Stimmung, in Ton und Einstellung. Zwei junge Juden,
bäuerlich wie alle jungen Bauern der Umgegend, erwarten uns am
Bahnhäuschen mit dem gelbgestrichenen Landauer, der von zwei feurigen
Braunen gezogen wird. Als führen wir in
Deganja oder Kefar Chassidim ein, jubelt der Führer,
knallt mit der Peitsche und schnalzt mit der Zunge, da die erste jüdische
Wiese sichtbar wird: 'Die ist unser! --- Und die hundertfünfzig Schafe,
die da weiden, auch! Und auch der Schäfer! Seht, wie er gerade einem
Schäfchen die Klauen manikürt! Auch ein Chawer, der Schäfer nämlich.
Und hier die beiden Teiche sind von uns angelegt, es werden darin Karpfen
und Forellen gezüchtet. Und die beiden Gemüsegärten, vorne der große
und daneben der kleine! Und die in frischem Grün prangenden Äcker; 250
Morgen weit! Und sogar das lange Waldstück dahinter, alles uns, uns, uns!
Wir bewirtschaften es.' -
Wer sind 'Wir?' Durch den echten rechten Bauernhof, mit allem, was zu
einem Bauernhof gehört: dampfende Düngerhaufen, Scheune, Stallungen,
Hühnerhaus usw. gelangen wir in das Wohnhaus und finden darin 42 junge
Menschen, wie wir ihnen mir 'Scharon' und im 'Emek' zwei Wochen lang
täglich begegneten, die aber hier in den Bergtälern der Rhön für uns
doch eine gewaltige Überraschung sind. Die Einfachheit und Natürlichkeit
sind stark betont in Kleidung, Wohnung, Nahrung, auch im Verkehr zwischen
den Chawerim. Und das alles wirkt so erfrischend, wie die würzige Luft
aus den nahen Fichten- und Birkenwäldern.
Keinem wäre es eingefallen, den Rock, der nur für den Stadtbesuch
reserviert ist, zu Ehren des Besuchs anzuziehen. In Kniehose und Sporthemd
mit hoch aufgekrempelten Ärmeln, dazu noch derbe Stiefel oder Holzschuhe
an den Füßen und ein winziges Käppchen auf dem Kopf, so hantieren die
jungen Menschen mit Spaten und Rechen, im Feld und im Garten. Vierzehn
Mädels sind darunter, derb und einfach angezogen, natürlich und
freundlich im Tone und emsig bei der Arbeit im Stall, in der Küche, im
Keller, beim Butterschlagen oder Käsemachen. 'Trinken Sie Kaffee' mit?'
Es gibt keine großen Einladungen. Man tut gut, gleich zu bejahen, denn
die Frage wird nicht wiederholt. Man setzt sich auf die schmale harte Bank
oder einen brüchigen Stuhl und ist Kamerad unter Kameraden. Ein ganzer
Berg gutgebackener bäuerlich schwarzer und dicker Brotscheiben häuft
sich auf dem rohgezimmerten Tisch. Dazu werden in feierlicher Prozession
fast mit klingendem Spiel von den beschürzten Mädels ganze Waschkessel
(wenigstens der Form nach) zarten, blütenweißen Schmierkäses
aufgefahren, harmonisch betupft mit grünen Lauch- und Zwiebelpünktchen.
'Greif hinein ins volle Leben!' d. h. in die volle Käseschüssel. Sie
wandert den weiten Weg über den Tisch von Pol zu Pol. Alles ist eigenes
Gewächs, selbstgemacht. Wie mir scheint, auch die Kaffeebohnen, aus denen
der braune Saft, der, wie sich's gehört, in Blechtassen verzapft wird,
gebraut wird. Dafür dampft die warme Milch aus den bauchigen Blechkannen,
als wären diese die Fortsetzung der gesegneten Euter im Stalle. In
wenigen Minuten ist das alles vom Tische wie weggefegt. War das eine
Kaffeetafel! Ich habe sie selten im Leben schöner, schmackhafter und
erquickender genossen.
U. a. w. g. Und alsdann wird gebenscht, sogar mit Minjan,
auch nach jedem Kaffeeimbiss. Kurz und bündig, wie sichs für schaffende
Menschen gehört. Auf zur Arbeit!
Es glucken die Hennen im Hühnerhause, die Nester müssen der Eier
entleert werden; es dampft die Brutmaschine Es summen die Bienen im
Bienenkäfig; die Rosen und Blumen müssen gegossen und die Gäule
gefüttert werden; die Schäfchen kehren heim und müssen in ihre Pferche;
in den Teichen muss den jungen Fischen Nahrung gegeben werden.
'Und im Stall die Kuh, macht muh, muh! ...'
Inzwischen ziehe ich mich ins 'Misrad' (das Büro) zurück, wo der oberste
Leiter, Direktor in Kniehose und Hemdsärmeln mit schwieligen Händen, der
treffliche
Rudi Herz und der Sekretär, akademisch gebildeter Handelslehrer
von Beruf, mir liebenswürdig die nötigen Auskünfte erteilen. Zu den 42
Menschen, die zur Zeit das Lehrgut bevölkern, kommen nächste Woche noch
zwölf vom
freiwilligen Arbeitsdienst dazu. Die Schlafräume sind etwas eng,
aber man richtet sich ein. Man ist ja nicht zur Kur hier, sondern um etwas
zu lernen und – Anspruchslosigkeit, Einfachheit, Genügsamkeit sind gute
Dinge für das Leben. Die Lehrzeit beträgt in der Regel zwei Jahre. Zu
gut 70 Proz. sind die Schüler Kinder deutscher Eltern, denen andere
Lieder in die Wiege gesungen wurden. Viele haben höhere Schule, alle
Jeschiwa besucht. Sie bewähren sich glänzend. Der Rest kommt aus Polen,
Galizien, Rumänien, Holland, Tschechoslowakei. Unter den Mädchen ist
sogar eine junge Engländerin, die sich gut anlässt. Fast alle sehen in
Geringshof gewissermaßen nur einen
Vorhof für Palästina. Alle arbeiten fleißig und mit
Begeisterung, von einer Idee beseelt, von einem Lebensziel angetrieben,
alle fügen sich willig den Anordnungen des Leiters, obwohl dieser den
Vorgesetzten nie hervorkehrt und nur Chawer unter Chawerim ist. Der
kameradschaftliche Ton ist gegeben. Jeder und jede strebt mit jedem und
jeder auf Du und Du. |
'Wie
ist das kulturelle, das geistige und religiöse Leben?'
Es sind welche darunter, die ein hohes Maß an talmudischem Wissen
besitzen und mit den anderen lernen. Welche dabei, die sich aus anderen
geistigen Sphären zum jüdischen Pflichtbewusstsein durchgerungen haben
und hier vom Milieu ganz erfasst wurden. Die Mädchen lernen in freier
Zeit Tnach (= hebräische Bibel), Geschichte und Hebräisch (viele sind
über 'Schalom' noch nicht hinausgekommen, aber es wird schon werden!) Der
Sabbat ist ein Tag absoluter Ruhe und Erhebung, ist von morgens bis abends
mit Andacht, Lektüre und Lernstunden angefüllt.
Ich kann einer Gemorohstunde beiwohnen und muss zuletzt sogar vor der
versammelten Korona ein kurzes Referat über das Leben im neuen Palästina
halten.
Wir besichtigen die verschiedenen Räume und Baulichkeiten. Sauber und
zweckmäßig die Küchen- und Waschräume. In der Käserei alles
blitzblank. Etwas eng die Schlafsäle oben.
Draußen im Hofe großer Betrieb. Im großen Garten wartet der Gärtner
zwischen seinen Gemüse- und Blumenbeeten. Im Kuhstall stehen in Reih und
Glied 25 Kühe, Kälber und Ochsen. Erstere bezahlen ihre gute Pflege
täglich mit vollgefüllten Milchzubern, die es ermöglichen, dass
das ganze gesetzestreue Fulda mit Milch, Butter und Käse
versorgt wird. 150 prächtige Hühner im Hühnerstall liefern fleißig die
Eier dazu. Jede Henne hat ihre Nummer und jede Kuh ihren Namen. Ihre
Leistungen bei der Milch- und Eierproduktion werden gewissenhaft
registriert. Auf den Feldern wächst der Roggen, der Hafer, auch etwas
Weizen und besonders die Kartoffeln. Das Brot wird aus dem eigenen Korn
hergestellt. Von den vier Gäulen im Stalle dürfen zwei sich noch nicht
zur Ruhe begeben, sie werden uns nach Kerzell an die Bahn fahren müssen.
Die Arbeit beginnt frühmorgens mit dem Morgengebete und schließt abends
um sieben. Nach getaner Arbeit folgen Moncho, Abendessen, Schiurim, Maariw,
Kurse, anregende Unterhaltung. Man muss früh ins Bett, denn wenn gegen
fünf Uhr – in der Erntezeit früher – die Sonne über den Wipfeln der
Rhönwälder auftaucht und der stimmbegabte Hahn im Hühnerhause seinen
Weckruf in den Hof hinauskräht, dann heißt das: 'Auf, zur Arbeit!...'
Dieser Geringshof ist der Nachfolgestaat des früheren misrachistischen Rodges.
Er wird erhalten vom 'Vereine Jüdische Landwirtschaft' (Sitz in
Frankfurt) und von einigen verwandten Organisationen (auch von Agudas
Jisroel) unterstützt. Die jungen Menschen zahlen, soweit sie bemittelt
sind, ein Minimum, das aber bei weitem für die Unterhaltungskosten nicht
ausreicht, umso weniger das Lehrgut nicht unter den Gesichtspunkten der
Rentabilität arbeiten kann, sondern alles pflanzen und bauen muss, was
zur vollen Ausbildung der Schüler beiträgt. Die zionistische
Organisation gewährt einen Zuschuss, doch darf das Lehrgut nicht als ein
an eine politische Organ gebundenes Institut angesprochen werden. Alle
seine Menschen legen durch Tat und Gesinnung mehr wert darauf, ein Brith Chaluzim Dathim
(Bund religiöser Chaluzim) zu sein. Dieser Bund beschränkt sich nicht
auf Geringshof, sondern erhält kleine Gruppen in der nahen und weiten
Umgegend und sogar in
Holland. Die jungen Menschen, die bei christlichen Bauern
untergebracht sind (das System hat sich bei allen antisemitischen
Strömungen gut bewährt), sind in kleinen Gruppen zusammengeschlossen,
die sich selbst verpflegen und in steter Fühlung mit der Zentrale in
Geringshof stehen. Die Sabbatruhe ist ihnen gesichert. Die größere
Gruppe in Holland arbeitet selbstständig. Die Anmeldungen fließen in
letzterer Zeit sehr reichlich, doch können mit Rücksicht auf den Raum
– auch wenn mancherlei Voraussetzungen an Fähigkeit, Charakter und
Gesinnung gestellt – nur wenige berücksichtigt werden. Zur Zeit ist ein
Verein Freunde von Geringshof (Rodges) in Bildung begriffen, der
Mitglieder mit dem kleinen Beitrag von einer Mark im Monat zu gewinnen
sucht. Das Kuratorium mit dem Sitz in Frankfurt a. M. (Vorsitzender Herr
Benno Kohn), ebenso das Büro in Gehringshof nehmen Mitgliedsanmeldungen
und Beiträge entgegen.
Bauern aus der Umgegend kommen Sonntagnachmittag, um das 'Judengut' zu
bestaunen. Sie stehen wie vor einem Wunder in den sauberen Stallungen, vor
den bestens gepflegten Äckern und Gärten. Sie lernen in Bezug auf die
landwirtschaftliche Eignung der Juden um, und gestehen es offen ein. Das
Verhältnis zu der Bevölkerung der umliegenden Dörfer ist das denkbar
beste. Die Bauern vom
Hattenhof grüßen die 'Geringhofer' schon längst mit 'Schalom!...'
Es dunkelte bereits, als uns die zwei strammen Braunen den Feldweg – er
wird von den jungen Juden alle paar Tage mit eigenen Händen gesäubert
und geebnet – zur Bahn hinunterfuhren. Der jetzt auf dem Bocke saß und
mit den Gäulen hebräisch sprach, war ein junger Mensch, der früher in
einer deutschen Großstadt die höhere Schule besuchte. Ein echtes rechtes
palestinensisches Kewuzahleben mitten in den Wäldern des Fuldaer
Ländchens; 'Aulim', die von allen jüdischen Träumen täglich mehr in
die Wirklichkeit steigen.
Wir wissen nicht, wie die anderen, überall verstreuten jungen Menschen
vom
Brith Chaluzim Dathim geartet und eingestellt sind. Sollten sie
alle von dem guten Geiste geleitet sein, wie er in ihrer Zentrale in
Geringshof herrscht, dann sollten wir in der Orthodoxie diesem Unternehmen
der Hachschara volles Interessante zuwenden." |
Jüdische
Viehhändler werden schikaniert (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November 1934:
"Fulda. Auf dem Viehmarkt zu Fulda wurden, nach einer
Mitteilung des 'Deutschen', mehrere jüdische Viehhändler
angezeigt, dass sie das Vieh um acht Uhr morgens noch nicht gemolken
hätten, sodass die Kühe Schmerzen erdulden mussten. Einer der Händler
sei deswegen in Schutzhaft genommen worden." |
Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn empfiehlt
Sabbatofen
(1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
3. Oktober 1935: "Fulda, 2. Oktober (1935). Herr
Provinzial-Rabbiner Dr. Leo Cahn schreibt uns: Da in vielen Orten die
Frage der Möglichkeit selbsttätiger Entzündung eines Ofens am Schabbos,
die dem Din (Rabbinatsgericht) entspricht, aktuell geworden
ist, sei darauf hingewiesen, dass Herr Lehrer Oppenheim - Rhina,
einen von seinem Bruder konstruierten Apparat besitzt, der einen am
Freitag mit Brandmaterial gefüllten Ofen zu gewünschter Zeit am Sabbat
Vormittag in Brand setzt. Der Apparat kostet 2.- bis 3.- Mark und kann bei
jedem Ofen, dessen Verschlusstüre eine kleine Öffnung hat, verwertet
werden. Notfalls ist eine derartige Türe neu anzubringen. Außerdem
besteht die Möglichkeit, einen kleinen Raum mit einer Grude zu beheizen.
Keinesfalls darf ein Jehudi, außer bei Lebensgefahr, selbst am Schabbat
Feuer anmachen." |
Der jüdische Viehhandel wird "restlos
ausgeschaltet" (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12.
November 1936: "Berlin. Die 'Fuldaer Zeitung' schreibt: 'In
Zusammenarbeit mit der Partei wird im kommenden Winter der jüdische Viehhandel
im Landkreise Fulda restlos ausgeschaltet werden. Es darf auch hier
gesagt werden: 'Wer nicht will, wird müssen!'" |
Bitte des Jüdischen Lehrgutes Gehringshof
(1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
12. November 1936: "Fulda, 5. November (1936). Das
Jüdische Lehrgut Gehringshof, Hattenhof bei Fulda benötigt dringend eine
gut erhaltene Schreibmaschine, sowie einen Büroschrank. Mitteilungen
erbeten an obige Adresse sowie an die beiden Hanhaloth Berlin und
Frankfurt am Main." |
Bericht von Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn über seine
Palästinareise (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3.
Juni 1937: "Fulda, 1. Juni (1937). Eine erhebende Weihestunde
durften wir am vergangenen Sabbat erleben. Unser verehrter Raw, Herr
Provinzialrabbiner Dr. L. Cahn, der von einer Reise aus Erez Jisrael
zurückkehrte, nahm bei einer Predigt die Gelegenheit wahr, einen kleinen
Ausschnitt seiner Reiseerlebnisse zu geben. Anknüpfend an das
Haftora-Wort schilderte er in begeisterten und begeisternden Worten den
Eindruck, den er vom Heiligen Land mitnahm. Er hatte dort die Jeschiwot
besucht und gesehen, wie sich da junge, lernbeflissene Menschen mit
glühendem Eifer dem Torastudium hingeben. In den Kibbuzim lernte er junge
Leute kennen, die sich ihrer Aufgabe mit bewundernswertem Idealismus
widmen. Besonders ergreifend war die Beschreibung, wie sich am
Schwuausfeste (Schawuoth-Fett = Wochenfest) die jüdischen Massen
zur Heiligen Maurer (= Westmauer, "Klagemauer" in
Jerusalem) drängten, um das Mussaf-Gebet zu verrichten. Mit einem Appell,
durch reiche Spenden dazu beizutragen, dass die etwa beschäftigungslosen
Bebauer des Erdbodens während des bevorstehenden Schmitto-Jahres (=
Sabbatjahr, vgl. Wikipedia-Artikel)
nicht notleiden müssen, schloss der verehrte Redner seine meisterhaften
Ausführungen." |
Kinderspeisung in der jüdischen Gemeinde
(1938)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
28. Juli 1938: "Fulda, 25. Juli (1938). Dank der
Initiative des Herrn Gemeindevorsitzenden Salomon Nussbaum konnte,
ähnlich wie im Vorjahre, auch in diesem Jahr während der Ferien eine
Kinderspeisung veranstaltet werden. Als Einleitung hierzu fand am Sonntag,
den 10. dieses Monats eine kleine Feier statt, zu der neben den zu
betreuenden Kindern eine größere Anzahl Damen und Herren erschienen. Herr
Nußbaum eröffnete die Feier mit einer eindrucksvollen Ansprache,
worin er eine Rückschau hielt und den Kindern in trefflichen Worten vor
Augen führte, warum man ein Hauptaugenmerk auf die Körperpflege der
Kinder richte. Anknüpfend daran mahnte Herr Lehrer Möller die
Kinder, ihr Leben einstmals toratreu zu führen und es so zu gestalten,
wie es in der Schule gelehrt wird. Herr Lehrer Sonn hob das
segensreiche Wirken des Herrn Nußbaum hervor und machte die Kinder
aufmerksam, dass sie diesem Herrn und allen, die bei dem Liebeswerk
mithelfen, großen Dank schuldig seien.
Herr Dr. Löwenstein legte den Kindern in längeren Ausführungen dar,
wie sie zur Pflege ihres Körpers und Förderung ihrer Gesundheit die
Ferien verbringen sollen. Mit der Überreichung einer Süßigkeit an die
Kinder war die Feier beendet." |
|