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links: mit hebräischen Buchstaben geschrieben: "Gerolzhofen"
auf dem Grabstein des Rabbiners Joseph Arjeh (Löb) Kellermann
(1832-1883),
der als Lehrer in Gerolzhofen von 1865 bis 1883 tätig war.
Zwischen "Gerolz" (rechts) und "hofen" (links) eine
"Levitenkanne",
darunter die Abkürzung hebräische P"T für "Hier ist
begraben"
Gerolzhofen (Landkreis Schweinfurt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(Seite wurde erstellt unter
Mitarbeit von Evamaria Bräuer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis Anfang des 19. Jahrhunderts zum Hochstift Würzburg gehörenden
Gerolzhofen lebten Juden bereits im Mittelalter. Bei der Judenverfolgung
durch die Banden des Ritters Rindfleisch (bzw. Rintfleisch) 1298 wurden
auch hier Juden ermordet. Im 15. Jahrhundert waren offensichtlich wieder
einige Juden in der Stadt, die offenbar mehrfach gefangen gesetzt wurden. Um 1409
wird erstmals von einer Gefangensetzung der Juden berichtet:
Links:
Schreiben aus der Zeit um 1409, in dem Erkinger von Seinsheim erklärt,
dass er keinerlei Ansprüche auf das Eigentum der Juden erhebt, die vom
Fürstbischof zu Gerolzhofen, Dettelbach (?) und Gochsheim
gefangen genommen werden. Der Ortsname "Gerolzhofen" in der
vierten Zeile von unten. |
Einige Jahre später wurden unter Bischof
Johann II. von Brunn (1412-1440) - wahrscheinlich im Jahr 1422 - die Juden
wiederum gefangen gesetzt. Bischof Gottfried von Limpurg (1443-1455) gewährte 1448 fünf in
Gerolzhofen wohnhaften Juden die gleichen Freiheiten wie seinen Juden in
Würzburg. 1453 war Gerolzhofen eine der sieben hochstiftischen Landstädte, die
zur Mitwirkung an der durch Bischof Gottfried verfügten Annullierung der
Judenschulden namentlich aufgefordert wurden. Auch im 16. Jahrhundert werden
Juden in der Stadt genannt: 1560 wandte sich der Jude Abraham aus Gerolzhofen
mit der Bitte an Melchior, Herzog von Würzburg, Rechte zu erhalten, die die
Juden anderswo auch erhielten. 1583 werden Issac Judt und Jobst Judt als
Hausbesitzer in Gerolzhofen genannt.
Im 17. Jahrhundert entstand wiederum eine jüdische Gemeinde.
In der
Zeit des Dreißigjährigen Krieges konnten ein
Betsaal, ein Friedhof und eine Mikwe eingerichtet werden. Die
Zahl der jüdischen Einwohner blieb jedoch bis zum 19. Jahrhundert relativ
klein.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden auf den insgesamt
sieben Matrikelstellen in Gerolzhofen die
folgenden Familienvorsteher genannt (mit bereits neuem Familiennamen und
Erwerbszweig): Hirsch Hirschberger (Schnitt- und Weinhandel), Jacob Hitzinger
(Handel mit alten Kleidern), Joel Uhlfelder (Schnitthandel), Lazarus
Hirschberger (Tuch- und Spezereihandel), Raphael Bamberger (Handel mit kleinen
Ellenwaren), Raphael Jacobi (Schmusen), Witwe Rifka Schloß (lebt von Kapitalien
und etwas Wein- und Schnitthandel).
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie folgt: 1816 39 jüdische Einwohner (2,0 % von insgesamt 1.947),
1821 27, 1837 44 (2,0 % von insgesamt 1837), 1867 58 (2,9 % von 2.033), 1880 144
(5,1 % von 2.225), 1887 114 (in 29 Familien), 1897 128 (in 29 Haushaltungen), 1900 148 (6,8 % von 2.163),
1901 138 (in 28 Haushaltungen, von insgesamt 2163 Einwohnern).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Konfessions-/Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der
Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war. Zunächst war
ein Religionslehrer angestellt, seit dem Zeitpunkt der Umwandlung der
Religionsschule in eine Israelitische Konfessionsschule 1907 wurde ein
Volksschullehrer eingestellt.
Als Lehrer (Vorbeter und Schächter) waren tätig: vor 1865 Israel
Michael Schüler, 1865 bis 1883 Joseph Arjeh (Löb) Kellermann; 1884 bis 1898
Moses Godlewsky (hatte 1892 40 Kinder an
der Religionsschule zu unterrichten, 1893 38, 1896 36, 1897 35, 1899 36 Kinder), 1898 bis 1908 sein Sohn
Leopold Godlewsky, seit 1908 bis 1938 Heinrich Reiter.
Über die Entstehung der Israelitischen
Konfessionsschule wurde im März 1907 in der jüdischen Presse berichtet:
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1907: "Aus
Unterfranken. Es sei freudigst konstatiert, dass die Kultusgemeinde
Gerolzhofen ihre bisherige Religionsschule in eine öffentliche jüdische
Volksschule umwandeln will. Die Königliche Regierung dürfte dem Vorhaben
sehr wohlwollend gegenüberstehen und gewiss keine Hindernisse bereiten,
da man im bayerischen Ministerium und Landtage die Erhaltung der
konfessionellen Schulen wünscht und es gerne sieht, wenn solche ins
Dasein gerufen werden. Möchten andere jüdische Gemeinden, insbesondere
in den Städten, dem schönen Beispiele folgen. Es ist geradezu eine
Pflicht der maßgebenden Kreise, mit aller Energie dafür
einzutreten." |
Von den Gemeindevorstehern werden genannt. Um
1879 J. Hirschberger, um 1881 Emanuel Lewisohn, um 1887 Leopold May, um 1897
Leopold May zusammen mit M. Eichenbronner, um 1899/1901 A. Selig zusammen mit H.
Hirsch.
Von den jüdischen Vereinen werden genannt: die Chewra Kadischa
(auch "Israelitischer Begräbnisverein" genannt, 1893 unter Leitung von
Leopold May, 1896 unter Leitung von R. Lichtenauer, 1901 L. Lichtenauer). der
Israelitische Frauenverein (1896 unter Leitung von Frau Lewisohn, 1897 unter
gemeinsamer Leitung der Frau von Leopold May und Frau Lewisohn, um 1899/1901
unter gemeinsamer Leitung von Frau Lewisohn und der Frau von J. Selig) und der
Israelitische Wohltätigkeitsverein (1896 unter Leitung von Leopold May),
ein Verein zur Unterstützung durchziehender Reisender (um 1899/1901 unter
Leitung von Lehrer Moses Godlewsky). Ab 1901 wird ein "Gemeinsamer Friedhofs- und
Begräbnisverein für Gerolzhofen, Frankenwinheim, Zeilitzheim, Altenschönbach,
Prichsenstadt u.a." genannt (um 1901/1903 unter Leitung von R. Lichtenauer in
Gerolzhofen).
1900 gehörten 148 Personen zur jüdischen Gemeinde (6,8 Prozent der
Gesamtbevölkerung). Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte die Gemeinde zum
Rabbinatsbezirk Schweinfurt. Jüdischen
Familien gehörten zahlreiche Handels- und Gewerbebetriebe in der Stadt.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Unteroffizier
Siegmund Hahn (geb. 9.3.1892 in Kirchschönbach, gef. 27.11.1915) und Abraham
Marx (geb. 10.8.1884 in Gerolzhofen, vor 1914 in Traustadt wohnhaft, gef.
29.4.1917). Der Name von Siegmund Hahn steht in der Gedenkstätte für die
Gefallenen beider Weltkriege in der Krypta der "Johanniskapelle" (Name
auf der linken der drei an der Wand angebrachten
Gedenktafeln).
1932/33 gehörten zur
jüdischen Gemeinde noch 115 Personen. Den Gemeindevorstand bildete Willy
Brodmann (gest. 1942 und noch auf dem jüdischen
Friedhof beigesetzt), Josef Lichtenauer und Hermann Kohn. Vorsitzender der 18 Mitglieder
umfassenden Chewra Kaddischa war Oskar Hahn; Vorsitzende des 38 Mitglieder
umfassenden Israelitischen Frauenvereines (Chewra Anoschim) war Selma Brodmann.
Im Schuljahr 1932/33 erteilte Heinrich Reiter noch 14 Kindern
Religionsunterricht.
Nach 1933 wurde der geforderte wirtschaftliche Boykott der
Juden in Gerolzhofen zunächst nicht konsequent durchgeführt. Noch im Juli 1936
kaufte sogar der Bürgermeister in einem jüdischen Geschäft ein. Mit dem von
SA- und SS-Leuten durchgeführten Novemberpogrom 1938 änderte sich schlagartig die Situation der noch etwa 70
jüdischen Bewohner. Jüdische Wohnungen wurden durchsucht, Möbel und
Einrichtungsgegenstände auf die Straße geworfen. Mehrere jüdische Einwohner
wurden misshandelt. Ein Teil von ihnen konnte danach noch auswandern oder von
Gerolzhofen in andere Orte verziehen. Im April und September 1942 wurden die
letzten 25 jüdischen Einwohner deportiert, 19 von ihnen in das Vernichtungslager
Izbica, die anderen in das Ghetto Theresienstadt.
Von den in Gerolzhofen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Henny (Margarete) Braunold geb. Kissinger (1887), Hedwig
Brückheimer (1896), Hilde Brückheimer (1894), Emma Dreifuß geb. Sündermann
(1880), Regina Fisch geb. Maier (1872), Oskar Hahn (1864), Sara Hahn geb. Kuhn
(1870), Max Henle (1882), Meta Henle geb. Lichtenauer (1883), Paul Henle (1925),
Anna Jacob geb. Lewisohn (1882), Karoline Kaufmann geb. Rosenstein (1861), Meta
Kaufmann (1894), Robert Kaufmann (1893), Babette Klein geb. Schlachter (1872),
Louis Klein (1880), Amalie Kohn geb. Schwab (1873), Hermann Kohn (1871), Helene
Krämer geb. Reinach (1901), Samuel Krämer (1887), Siegfried Krämer (1883),
Ludwig Künstler (1891, vgl. Informationen auf der Seite zu Brünnau), Mina Künstler geb. Rindsberg (1898), Kathi
Langstädter geb. Lichtenauer (1884), Albert Lichtenauer (1925), Jenny
Lichtenauer geb. Berliner (1893), Raphael Lichtenauer (1878), Stephan Löbhardt
(1897), Jakob Marx (1886), Adolf May (1880), Hermann May (1889), Sigmund May
(1886), Nanni May (1877), Rosa Moddel geb. Godlewsky (1881), Samuel Reinhardt
(1861), Lina Rheinfelder (1891), Rosa Rheinfelder geb. Freudenthal (1904),
Siegbert Rheinfelder (1928), Werner Rheinfelder (1930), Klara Samuel geb. Löwisohn (1876), Fanny Weil geb. Krämer (1879), Ernestine Wormser geb. Hirsch
(1850).
Am 1. Dezember 2014 wurden in Gerolzhofen die ersten drei "Stolpersteine"
verlegt zur Erinnerung an Meta Henle-Lichtenauer, Max Henle und Paul Henle (Verlegungsort:
Marktstraße 7).
Nach 1945:
Emigrantentreffen in New York (1949)
Anzeige in der Zeitschrift "Aufbau" vom 22. April 1949:
"Bad Kissingen - Brückenau
- Hammelburg - Gerolzhofen.
Samstag, den 30. April ab 7.30 Uhr abends. Treffen in
Begelo's Café-Restaurant
3801 Broadway (158 St.), l Treppe. Tel.: WA 8-9654". |
Berichte aus dem Leben der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
In Gerolzhofen besteht eine
Vorbereitungsschule für die Lehrer- und Rabbinerausbildung (1859)
Anmerkung: es handelt sich in dem nachfolgenden Artikel vor allem
um die von
Lehrer Nathan Freund in Rimpar
betriebene kleine Schule. Der Berichterstatter in
der liberal geprägten "Allgemeinen Zeitung des Judentums" äußert
sich sehr kritisch über diese orthodoxe Kleinschule (unterer Abschnitt
"Institut der Finsternis). Gerolzhofen ist in diesem
Zusammenhang wohl deswegen genannt, weil hier in dieser Zeit der orthodoxe Toragelehrte
Rabbi Israel Michael Schüler (gest. 1882 in Frankfurt am Main) wirkte. Über ihn
und seine Wirkungszeit in Gerolzhofen wird im Nachruf zu seinem Tod auf der Seite
zu Autenhausen berichtet (siehe dort).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. August 1859: "Teils reicht die Würzburger Jeschibo nicht
mehr aus, teils kann man doch nicht alles und jedes dort so passend
unterbringen; man hat deshalb in Höchberg,
Gerolzhofen, Rimpar und vielen
andern Orten Schulen nach dem Muster der alten Chedorim gegründet und als
Zweck sich die Aufgabe gestellt, die Zöglinge ihrem Berufe als Rabbiner
und Lehrer zuzuführen, wie dies in einem Rundschreiben dargelegt wird. Da
aber nur solche Eltern ihre Kinder dieser Musterschule anvertrauen, deren
Vermögensverhältnisse nicht gestattet, anderweitig für dieselben zu
sorgen, so brauchte man vor allem Geld. Neue Rundschreiben wurden erlassen
und unter dem verführerischen Namen 'Fürs Toralernen' aller Orten
freiwillige Gaben gesammelt. Reichlich flossen und fließen die Gaben von
allen Seiten und die Leute machen brillante Geschäfte. Sie klopfen
nirgends vergebens an. Alt wie Neu öffnet ihnen willig den Säckel und so
mancher glaubt Wunder was zu tun, wenn er Leute dafür honoriert, das zu
tun, was er nicht mehr für zeitgemäß hält, aber nur für sich. Was
soll aber daraus werden Schon jetzt macht sich ein sehr bedeutender
Lehrermangel fühlbar. Der Seminarbesuch ist für Israeliten nicht mehr
notwendig und denjenigen, die es ja noch besuchen wollen - im Würzburger
Seminar sind gegenwärtig vier jüdische Zöglinge - erschweren die
sogenannten Schwarzen ihre Lage nach Kräften, und wer nicht Alles aus
eigenen Mitteln bestreiten kann, kann sich dort nicht mehr halten. Wie
leicht aber die Befähigungsnote als Rabbiner und Lehrer erlangt wird,
davon könnten wir so manches hübsche Beispiel erzählen, wollen aber nur
erwähnen, dass Rabbiner Bamberger die Hauptperson bei der
Prüfungskommission bildet. Bedenkt man nun, dass die Vorsteher
dieser Pflanzstätten jüdischer Lehrer und Rabbiner auch des
geringsten weltlichen Wissens bar, kaum der Mehrzahl nach im Stande sind,
Deutsch zu schreiben und jedenfalls nicht korrekt, so können auch nur
geistig verkümmerte Subjekte aus dieser Schule hervorgehen. Freue dich
aber dann, bayerisches Judentum, wenn erst deine geistlichen
Angelegenheiten und die Erziehung deiner Jugend in solche Hände
übergegangen. Traurig ist die Zukunft, der wir auf solche Weise
entgegengehen, und es tut wahrhaftig Not, diesen Leuten
entgegenzuarbeiten. Niemand unterschätze die Gefahr, die unsern
heiligsten Interessen droht. Soll jedoch etwas geschehen, so muss dies
rasch geschehen, ehe es zu spät ist. Darum kann es nicht laut genug
gesagt werden: Ihr Freunde des Judentums, scharet Euch zusammen, entziehet
Eure Spenden diesen Spekulanten auf Eure Gutmütigkeit, wendet sie solchen
jungen Leuten zu, denen es jetzt doppelt schwer wird, sich für ihren
Beruf gehörig vorzubilden. Doppelt wünschenswert erscheint es aber unter
den gegebenen Verhältnissen, dass man, sobald die Zeitumstände sich
wieder freundlicher gestalten, Hand an die Gründung eines jüdischen
Schullehrer-Seminars für Süddeutschland lege. Wohl lässt sich nicht
leugnen, dass für das Studium des Religiösen mehr geschehen muss, als in
der letzten Zeit geschehen ist; aber ein Extrem ist so verwerflich als das
andere, und sehr treffen lehren unsere Weisen: 'ohne Tora gibt es kein
profanes Wissen' und 'ohne profanes Wissen gibt es kein (Wissen um die)
Tora'.
Erfreulich ist es, zu sehen, wie neben diesen Instituten der Finsternis
auch recht gute Elementarschulen, und so sich seminaristisch gebildete
Lehrer befinden. Außerdem sind zwei in höchster Blüte stehende
Handelsinstitute fast nebeneinander, in Marktbreit
und Segnitz, von denen jedes 70-80
Schüler, worunter viele christliche zählt. Bisher wurde in diesen
Instituten, vielleicht aus letzterem Grunde, der israelitische
Religionsunterricht etwas stiefmütterlich behandelt, doch ist in Segnitz
letzter Zeit ein Vorstandswechsel eingetreten, und wird jetzt jedenfalls
dort das religiöse Element die gehörige Würdigung finden, ohne dass
deshalb weltliches Wissen vernachlässigt wird, und so soll es sein. Um
den Bericht nicht allzu sehr auszudehnen, will ich Spezielles aus
einzelnen Gemeinden für nächstens sparen und nur bemerken, dass auch in
Unterfranken Herr Rabbiner Lebrecht für die Bibelanstalt tätig ist.
Derselbe ist unermüdlich für alles wahrhaft Gute und lässt sich durch
keine Hindernisse, von welcher Seite sie auch kommen mögen, in seinem
anerkennenswerten Eifer beirren". |
Über Rabbiner/Lehrer
Joseph Arjeh (Löb) Kellermann (1832-1883) und seinen Sohn Rabbiner Dr. Benzion
Kellermann (1869-1923)
(Informationen und Foto des Grabsteines erhalten von Uri Kellermann,
Nof-Ayalon, Israel)
Links:
Grabstein für Joseph Arjeh (Löb) Kellermann (1832-1883) im jüdischen Friedhof
Gerolzhofen.
Der hoch geschätzte Lehrer und Rabbiner der jüdischen Gemeinde
Gerolzhofen ist am 2. März 1832 in Fuchsstadt
als Sohn von Michael Kellermann und der Bella geb. Kohn geboren. Er war von 1865 bis 1883 in
Gerolzhofen tätig.
Er heiratete Ella Schüler, die Tochter seines Vorgängers im Amt des
Lehrers und Vorbeters in Gerolzhofen, Israel Michael Schüler. Die
beiden hatten fünf Kinder. Nach dem Tod Ellas im Jahr 1873 heiratete
Joseph Kellermann deren jüngere Schwester Blümchen, mit der er weitere
fünf Kinder hatte. Joseph Kellermann starb am 2.
Tag des Laubhüttenfestes (Sukkot), am 17. Oktober 1883 in Gerolzhofen.
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Hinweis auf den Sohn von Lehrer
Kellermann:
Rabbiner Dr. Benzion Kellermann (geb. 11. Dezember 1869 in
Gerolzhofen, gest. 22. Juni 1923 in Berlin): besuchte bis zum 13.
Lebensjahr die Volksschule in Gerolzhofen, danach vier Jahre die Präparandenschule
in Höchberg, zwei Jahre die Israelitische
Lehrerbildungsanstalt in Würzburg (Examen 1888). Erste Lehrerstellen
verband er mit weiteren Studien an den Universitäten Marburg und Gießen
(Promotion 1896) und in Berlin, wo er 1902/03 das Rabbinerexamen an der
"Hochschule für die Wissenschaft des Judentums" ablegte.
Seit 1898/1901 Rabbiner und Religionslehrer in Konitz (Chojnice),
Westpreußen. 1901 bis 1913/14 leitete er die IV. Religionsschule der
Jüdischen Gemeinde in Berlin, zeitgleich Lehrer an der
Knabenmittelschule. 1917 bis 1923 liberaler Rabbiner in Berlin. Die
philosophischen Hauptwerke Kellermanns waren: Der wissenschaftliche
Idealismus und die Religion (1908), Der ethische Monotheismus der
Propheten (1917), Das Ideal im System der Kantischen Philosophie (1920),
Die Ethik Spinozas (1922, siehe den links abgebildeten Titel). |
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Nachrufe auf
Rabbiner
Dr. Benzion Kellermann
nach seinem Tod im Juni 1923 |
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Der Nachruf in der
"Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 7. August 1923 hebt hervor,
dass
Dr. Kellermann "durch Lehre und Leben
Begeisterung zu entzünden
vermochte" |
Der Nachruf in der
konservativen Zeitschrift "Der Israelit"
vom 19. Juli 1923 erinnert
an den oft "berechtigen Anstoß",
den Kellermann mit seiner
Lehrtätigkeit erregte.
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Dissertation
zu Benzion Kellermann:
Torsten Lattki: Benzion Kellermann. Prophetisches Judentum und
Vernunftreligion. 1. Auflage 2016. 460 S. ISBN
978-3-525-57040-1
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 2016. Informationen
und Bestellmöglichkeit über Verlagsseite
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Zum Tod des Lehrers (auch Vorbeter, Schächter, Beschneider) Moses Godlewsky
im März 1900
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April 1900:
"Unterfranken. Ende März (1900). 'Wehe uns...' haben wir
schmerzvoll bei der Nachricht von dem plötzlichen Hinscheiden des Herrn
Lehrer Moses Godlewsky in Gerolzhofen am Abend des 19. vorigen Monats
(März 1909) ausgerufen. Gewiss, wer wie wir Gelegenheit hatte, den Mann
kennen und würdigen zu lernen, der wird diesen Schmerz mit uns teilen,
der wird empfinden, dass der Tod dieses seltenen Mannes nicht nur einen
schweren Verluste für die hartgeprüfte Familie und für die Gemeinde,
sondern auch für das Allgemeine, für den Kelal Jisrael (ganz
Israel) bedeutete. Herr Godlewsky war sozusagen ein Vollkommener,
vor allem ein Chassid (ein Frommer) ein Gottesfürchtiger mehr
als viele andere, ein reiner, hoher Charakter, selbst- und
anspruchslos wie selten einer, musterhaft in Pflicht- und Berufstreue. Von
guter, ehrenwerter Familie in Russland stammend, war er mit reicher
Torakenntnis ausgestattet, ein Gelehrter in Tanach (Bibel) und ...
Sein Hebräisch war klassisch und bewundernswert. Seit Jahrzehnten in
Bayern naturalisiert, hat er sich rasch die Kenntnis im Deutschen
angeeignet, sodass er nicht nur den gesetzlichen Ansprüchen für den
Lehrerberuf mehr als genügte, sondern auch bei den königlichen
Behörden, bei Vorgesetzten und Kollegen, sowie in der Gemeinde und deren
Umkreis in hohem Ansehen stand. Bei seiner seltenen Begabung und seinem
energischen Willen war es ihm gelungen, bisher ihm fremde Kenntnisse und
Fähigkeiten sich anzueignen, ward ein gewandter, angenehmer Chasan
(Vorbeter), ein tüchtiger Schochet uBodek (Schächter und
Fleischbeschauer), ein geschickter Mohel (Beschneider) und erlernte
noch in späteren Jahren Stenographie und Schriftmalerei. Was er für die
Ausbildung seiner Kinder, die ebenfalls von besonderer Begabung, getan und
geleistet, erregte allgemeine Bewunderung. Von seinen fünf Söhnen
studierte einer Medizin, der bereits als tüchtiger Arzt praktiziert, die
vier anderen ließ er als Lehrer ausbilden und suchte sie so der Tora
und der Gottesfurcht zu erhalten. So hatte Herr Godlewsky im engeren
Kreise gelebt und gewirkt, bis eine tückische Herzkrankheit seine
Schaffenskraft lähmte und ihn schließlich im besten Mannesalter, im 57.
Lebensjahre, dem Tode überlieferte. Hart empfindet die trauernde Witwe
mit ihren sieben Kindern den Verlust des geliebten, sorgsamen Gatten und
Vaters, die Gemeinde des treuen Führers und Beraters, Lehrers und
Freundes, beklagenswert erscheint der frühe Heimgang eines so frommen,
tätigen Mannes allen, denen das allgemeine Wohl und Heil am Herzen liegt.
Kein Wunder, dass die Teilnahme an diesem Trauerfalle eine sehr lebhafte
und allgemeine war und sie gab sich kund bei dem Leichenbegängnisse, dem
sich nicht nur die Gemeindemitglieder, sondern auch viele Nichtisraeliten,
darunter städtische und königliche Beamte, die Lehrerschaft und viele
seiner Verehrer aus der Umgegend anschlossen.
Herr Distrikts-Rabbiner Dr. Stein aus Schweinfurt gab sowohl im Hause als
am Grabe den Trauergefühlen, der Anerkennung und der Bedeutung des
pflichttreuen, gelehrten und frommen Hingeschiedenen beredten Ausdruck. Es
sprachen noch außerdem Herr Lehrer Hirsch - Zeilitzheim im Namen der
Kollegen, Herr Lehrer Oppenheimer - Prichsenstadt im Namen des jüdischen Lehrervereins
und endlich der Kultusvorstand im Namen der Gemeinde.
Möge der gebeugten Familie himmlischer Trost werden und der Verdienst
des Dahingeschiedenen ihr beistehen; er selbst aber den
reichen Lohn seiner Taten in einem schöneren Leben finden und am
Sternenhimmel verdienstvoller Männer glänzen für und für - mit
Zitat aus Daniel 12,3: "die, die viele zur Gerechtigkeit weisen,
werden leuchten wie die Sterne immer und ewiglich". |
|
Aus
dem Stadtarchiv Gerolzhofen: Foto der Familie Godlewsky 1889: von
links: Leopold (geb. 1878 in
Hirschaid, umgekommen um 1942), Ida (1844), Rosa (geb.
1876 in Schradeck im Kurland - Srednik / Kowno, Litauen, später verheiratet
mit Rudolph Moddel, umgekommen 1943 im Ghetto Theresienstadt), Julius
(geb. 1884 in Gerolzhofen), Elias (geb. 1880 in
Hirschaid, wurde Lehrer an
verschiedenen Orten, von 1924 bis 1936 in Kassel, zuletzt noch in Bad
Wildungen; gest. 1953 in New York; an ihn erinnert ein "Stolperstein" in
Bad Wildungen ), Moses (um 1843,
gest. 1900), Fanny (geb. 1882 in
Hirschaid, später verheiratet mit Siegfried Speyer, ermordet 1942 im KZ
Auschwitz). Nicht auf dem Foto ist der 1867 noch in Schradeck im Kurland -
Srednik / Kowno, Litauen geborene Sohn Meyer (Mayer, Meier), der als
Kantor und Religionslehrer in Sulzbach und Cham tätig war und 1939 in
Konstanz starb (weitere Informationen auf der Seite zu
Cham).
Genealogische Informationen teilweise nach
https://www.geni.com/people/Moses-Godlewsky/6000000031450400686
|
Zum 25-jährigen Dienstjubiläum von Oberlehrer Leopold Godlewsky in Amberg.
Godlewsky war als Sohn des o.g. Lehrers Moses Godlewsky nach dem Tode seines
Vaters bis 1908 Lehrer in Gerolzhofen.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. August 1933:
"Amberg, 31. Juli. Am Schabbat Nachamu (Schabbat nach dem 9.
Aw, an dem die Worte aus Jesaja 40 gelesen werden: 'tröstet, tröstet
mein Volk..." kann Herr Oberlehrer Leopold Godlewsky auf eine
25jährige, ersprießliche Tätigkeit in der Gemeinde Amberg mit
Sulzbach
und Schwandorf zurückblicken, nachdem er vorher in der Gemeinde
Gerolzhofen 10 Jahre amtierte. Einer frommen und angesehenen Lehrerfamilie
in Franken entstammend, wusste er deren Tradition allzeit hochzuhalten.
Sein Name hat in der bayerischen Judenheit und darüber hinaus und
besonders bei seinen Kollegen einen guten Klang. Durch seine berufliche
Tüchtigkeit, seinen biederen Charakter, sein allzeit hilfsbereites Wesen,
errang er sich die Wertschätzung und Achtung seiner Gemeinden und aller
Schichten der Bevölkerung. Auch seine schriftstellerische Tätigkeit,
besonders auf kulturhistorischem Gebiete, verdient hervorgehoben zu
werden. (Alles Gute) bis 120 Jahre."
vgl. zu Leopold Godlewsky auch die Seite zur
Synagoge in Küps (interner Link) |
Zum 25-jährigen Dienstjubiläum von Lehrer (Kantor
und Schächter) Heinrich Reiter im Oktober 1933
Artikel in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 1. Oktober
1933: "Gerolzhofen. Am 1. September waren 25 Jahre verflossen, seit
Herr Reiter hier als Lehrer, Kantor und Schochet amtiert. Obwohl dieser
mit Rücksicht auf unsere trübe Lage von jeglicher Ehrung abzusehen bat,
ließ es sich die Gemeinde nicht nehmen, den Jubilar zu feiern. Zu Roschhaschono
(Neujahrsfest) wurde das Gotteshaus, vor allem der Platz des zu Ehrenden,
mit Blattgrün geschmückt. Nach dem Einheben (sc. der Torarollen)
würdigte Herr Vorstand Brodmann in dankbarer Anerkennung die segensreiche
Tätigkeit des Beamten in Schule, Synagoge und Gemeinde, worauf Herr
Lehrer Reiter nach dankbarem Aufblick zu Gott den Gefühlen der
Verbundenheit für Vorstand und Gemeinde Ausdruck verlieh. Auch das
zuständige Rabbinat Schweinfurt sandte dem Jubilar Glückwünsche nebst
Dank und Anerkennung für gewissenhafte, erfolgreiche
Leistungen". |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. September 1933:
ähnlicher Artikel wie oben. |
|
Foto
links aus dem Staatsarchiv Würzburg (erhalten über Evamaria Bräuer),
erstellt für den Erwerb der Fahrlizenz durch Lehrer Heinrich Reiter.
Zur Person: Heinrich Reiter ist am 7. Januar 1884 in
Hainsfarth geboren als Sohn des
Handelsmannes in Hainsfarth David Reiter und seiner Frau Jette geb.
Lottenheimer. Er war seit 1912 verheiratet mit Recha Regina geb. Jasmin,
die am 22. Dezember 1884 in Frankfurt am Main geboren ist. Heinrich Reiter
blieb bis nach dem Novemberpogrom in Gerolzhofen und verzog dann Ende
November 1938 nach Würzburg (Wohnung
Johannisgasse 7). Über England konnten Heinrich Reiter und seine Frau in die
USA emigrieren. Heinrich (Henry) Reiter starb am 7. Dezember 1965, seine
Frau am 1. August 1978. Beide wurden im Gates of Prayer Cemetery in New
Orleans, Orleans Paris, Louisiana, USA beigesetzt.
|
Erinnerungen an Heinrich
Reiter und seine Frau Recha:
Quellen: LRA Gerolzhofen 3211; ancestry.com
https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/42652951:60525;
findagrave
https://de.findagrave.com/memorial/76945200/heinrich-reiter
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Kriegsstammrolle des
4. bayr. Infanterieregiments mit
Eintragungen für Heinrich Reiter |
Abmeldung von
Gerolzhofen
nach Würzburg
(Dezember 1938) |
Einwanderungskarte
nach Großbritannien
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Formular zum Einzug in
die US Army 1942
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Grabstein für Recha und
Heinrich
Reiter im Gates of Prayer Cemetery,
New Orleans; Quelle:
findagrave |
Auszeichnung für Lehrer Heinrich Reiter (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. März 1934:
"Gerolzhofen, 22. Februar (1934). Das Bezirksrabbinat
Schweinfurt hat dem Lehrer Heinrich Reiter für langjähriges,
treues Wirken in Schule und Gemeinde und für gewissenhafte Fortbildung in
den jüdischen Disziplinen den Chower-(Ehrenrabbiner)-Titel
verliehen." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des königlichen Hofrates Dr. Samuel Berlin (1897 in Fürth, war ab 1848
einige Jahre der erste jüdische Advokat Bayerns in Gerolzhofen)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar
1897: "München, 26. Dezember (1896). In der alten
Gemeinde Fürth hat heute einer ihrer besten Söhne sein Leben
beschlossen, der königliche Hofrat Dr. Samuel Berlin, ein Mann,
ausgezeichnet durch seine Abkunft, hervorragend durch seine persönliche
Tätigkeit. Er entstammte der Familie des bekannten Löb Berlin,
einstmaligen hochfürstlich bambergischen und ritterschaftlichen
Oberlandesrabbiners zu Bamberg und
späteren Landrabbiners in Kassel. Bis
zum Jahr 1848 war er als geprüfter Rechtspraktikant und Doktor der
Rechte, da der König Ludwig I. keinen Juden als Advokaten anstellen
wollte und damals andere Zweige des Staatsdienstes selbstverständlich
einem Juden verschlossen waren, Kassier des israelitischen
Religionsvereins in Fürth, welchen Namen, wenn ich mich nicht täusche,
damals die Kultusgemeinde Fürth amtlich führte; neben ihm war der Sohn
des Amtsnachfolgers seines Ahnen Löb Berlin, der Dr. Carl Feust,
rechtskundiger Sekretär der Gemeinde. 1848 war Samuel Berlin der Erste,
der als Jude zum Advokaten in Bayern ernannt wurde; sein erster Amtssitz
war Gerolzhofen, wo er mit einem
jungen Rechtspraktikanten, einem Schullehrersohne, Freundschaft schloss,
dessen glänzende Zukunft er voraussagte: es war niemand anderes als der
spätere bayerische Ministerpräsident Dr. von Lutz. Später wurde
er nach Ansbach versetzt, wo ihn das
Vertrauen seiner Mitbürger zum Vorstande des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigen
wählte, in welcher Eigenschaft er durch Verleihung des Ritterkreuzes des
Verdienstordens vom heiligen Michael I. Klasse ausgezeichnet wurde,
während seine Standesgenossen ihn zum Vorstandsmitgliede des damaligen
bayerischen Anwaltsvereins wählten. Welche Stellung er als Anwalt
einnahm, beweist, dass er der Sachwalter der Familie des jetzigen
bayerischen Justizministers war. 1876 gab er die Rechtsanwaltschaft auf,
um sich in Fürth, seiner Heimat, von einer gesegneten und
erfolgreichen Berufstätigkeit auszuruhen; die Ernennung zum königlichen
Hofrate begleitete ihn in den Ruhestand, während dessen er einer der
fleißigsten wissenschaftlichen Hilfsarbeiter seines bekannten Schwiegersohnes,
des Justizrates Josephthal in Nürnberg, war und sich mit Eifer
noch in hohen Jahren den Pflichten des Amtes eines Kollaturmitgliedes der
Gabriel Riesser'schen Stipendienstiftung in Fürth widmete; es war für
denjenigen, der das Glück hatte, es mit anzusehen, ein erhebender Anblick,
den in hohen Achtzigern stehenden Mann mit Scharfsinn und der Gewandtheit
eines Jugendlichen seine Referate vortragen zu hören. Im 90. Lebensjahre
abberufen und mit einem reich gesegneten Leben gesättigt, nachdem er
schon vor Jahren seine goldene Hochzeit zu feiern das Glück gehabt hatte,
ist er meines Wissens der dritte Jude gewesen, der in Bayern Advokat
geworden war. Die Nachkommen des Löb Berlin sind es übrigens, welche
auch den ersten bayerischen Berufsrichter israelitischer Religion
stellten, den Oberlandesgerichtsrat Max Berlin in Nürnberg.
Vielleicht interessiert es heute, wo der neben dem Reichsgerichtspräsidenten
Simson vielleicht älteste lebende deutsche Jurist jüdischer Abkunft
ins Grab gesunken ist, den Lebenden zu wiederholen, wie in Bayern unter
Max Joseph I. der erste Jude Mayersohn (Aschaffenburg?)
die Anstellung als Advokat erlangte, unter Ludwig I. während der 23 Jahre
seiner Regierung nur der einzige Dr. Samuel Grünsfeld in Fürth,
während 1848 Dr. Samuel Berlin in Gerolzhofen
und Dr. Carl Feust in Fürth zu Advokaten ernannt wurden, der
Letztere, welcher die Staatsprüfung schon im Jahre 1826 mit I bestanden
hatte und als Mitübersetzer des Corpus juris und Schriftsteller weit
bekannt war, nachdem er sich vorher mit 49 Jahren noch vergeblich um die
Stelle eines Stadtgerichtsprotokollisten beworben hatte. Würdige Söhne
ihrer Ahnen, haben sie trotz aller Verlockungen, die auch von
wohlmeinenden Jugendfreunden in hoher Stellung ausgingen, es verschmäht,
den Glauben der Väter einer Anstellung wegen zu verraten. - An dem am 23.
Dezember dahier stattgefundenen Leichenbegängnisse beteiligten
sich die höchsten Beamten der Stadt und der Nachbarstadt Nürnberg, wie Herr
Oberlandesgerichtspräsident von Schmauß, Senatspräsident Enderlein,
Regierungsrat Goreis, Oberlandesgerichtsrat und Vorstand des Amtsgerichtes
Nürnberg von Merz, und viele andere. Die Beteiligung war eine rege. Herr
Dr. Neubürger rühmte in trefflicher Ansprache an dem Verstorbenen
alle Tugenden, die einen edlen Mann zieren: seine Seelengröße, seine
Duldsamkeit, seine Humanität, sein rastloses Schaffen etc. Herr
Justizrat Gunzenhäuser widmete dem Verewigten namens der hiesigen
Kultusgemeinde einen ehrenden Nachruf: Herr Dr. Deutsch sprach im
Namen des israelitischen Waisenhauses, Herr Kantor Rosenhaupt aus
Nürnberg, ein Großneffe Dr. Berlins, für die Verwandten. Möge der
teure Verstorbene in Frieden ruhen!" |
Strafe gegen antijüdische Sprüche eines Metzgers von
Gerolzhofen (1900)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Februar 1900: "Der Metzger Heinrich Haller in Gerolzhofen
hatte zu einem Wort, der von dem jüdischen Metzger Klein Fleisch
bezieht, gesagt, er wolle noch einen Schoppen Wein, obgleich der Wirt von
dem Juden besudeltes Fleisch kaufe. Daraufhin wurde vor dem Amtsgericht
Gerolzhofen Klage erhoben, und letzteres verurteilte den Haller wegen
unlauteren Wettbewerbs in contumaciam (= in Abwesenheit des Angeklagten)
zu 100 Mark Geldstrafe." |
Zum Tod von Hirsch Haas (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli 1901: "Gerolzhofen.
Am 16. Tammus (= 3. Juli 1901) wurde dahier Herr Hirsch Haas - seligen
Andenkens - zur letzten Ruhe bestattet. Das Schriftwort in Hiob (hebräisch
und deutsch aus Hiob 5,26): 'Du kommst im Alter ins Grab, wie der
Garbenhaufen eingefahren wird zu seiner Zeit', hat sich hier bewährt,
denn der selige Verblichene hat 84 Lebensjahre zurückgelegt.
Wenn auch
der Dahingeschiedene das biblische Alter erreicht hat, so ist sein Verlust
doch schmerzlich für seine Familie und für die Gemeinde. Seinen Kindern
und Enkeln war er ein treu besorgter Vater, deren Wohl und Wehe stets sein
Herz bewegte und sein Denken beschäftigte. Aber seine Liebe war nicht von
so engen Grenzen, sie war wie die eines wahrhaft edlen Menschen,
umfassender Art. Aus dieser Gesinnung der Liebe gingen auch die Tugenden
hervor, welche den Verstorbenen zierten, die Tugenden der Wohltätigkeit (Gemilut
Chassodim = Wohltätigkeit) und der Gastfreundschaft, die in seinem
Hause von ihm selbst sowie von all den Seinen in edelster Weise geübt
wurden.
So lange es seine körperlichen und geistigen Kräfte zuließen,
war er der Erste im Gotteshause. Viele Jahre hindurch versah er an den Jomim
hanoroim (ehrfurchtgebietende Tage zwischen Jom Kippur und
Neujahrsfest) und anderen Festtagen die Stelle eines Chasan und Bal
Kore (Vorsänger und Vorbeter). Stets wird uns darum das Andenken des
seligen Verstorbenen in Erinnerung bleiben. Seine Seele sei eingebunden
in den Bund des Lebens." L.G." |
Zum Tod von Milka Lichtenauer im Oktober 1915
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Oktober 1915:
"Gerolzhofen, 24. Oktober (1915). Einen schweren Verlust hat die hiesige
Gemeinde durch den plötzlichen Heimgang der Frau Milka Lichtenauer
erlitten. - Geschmückt mit dem herrlichsten Kranz edler Frauentugenden,
betätigte sich diese wahre Eschet Chajal (tüchtige Frau) auf dem
Gebiete des Zedoko (Gerechtigkeit) und Gemiloth Chesed
(Wohltätigkeit) in hervorragender Weise. Am Grabe entwarf Herr Lehrer
Reiter in beredten, zu Herzen gehenden Worten ein Lebensbild der
Entschlafenen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Abraham Lichtenauer,
Kriegsteilnehmer von 1870/71 (1921)
Artikel
in der Lokalpresse ("Bote vom Steigerwald") vom 4. Dezember 1921: "Von nah und fern.
Gerolzhofen, 3. Dezember. Gestern Mittag wurde auf dem
israelitischen Friedhof die
sterbliche Hülle des verlebten früheren Viehhändlers und nunmehrigen
Privatiers Abraham Lichtenauer zu Grabe getragen. Nebst vielen
Leidtragenden gab ihm auch der Krieger- und Veteranen-Verein, dessen
Ehrenmitglied der Verlebte war, mit umflorter Fahne das letzte Geleite und
löste am Grabe die Ehrensalven. Der Dahingeschiedene machte den Feldzug von
1870/71 mit und nahm während desselben an verschiedenen Schlachten und
Gefechten, so auch an der Schlacht von Sedan teil. Ein ruhiger geachteter
Bürger hiesiger Stadt und einer von denen, die die große Zeit von
Deutschlands Aufstieg mitmachten, ist mit dem Dahingeschiedenen von hinnen
gegangen. Er ruhe in Frieden." |
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Ergänzende Dokumente zum Tod
von Abraham Lichtenauer und zu seiner Familie
(erhalten von Evamaria Bräuer) |
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Dankesanzeigen der
Angehörigen
(Dezember 1921; links im "Bote vom Steigerwald") |
Grabstein für Abraham
Lichtenauer (10.12.1847 - 1.12.1921)
und Sara Lichtenauer geb. Sussmann (25.5.1852 - 1.8.1940)
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1899
sprechen sich mit vielen anderen die Gebrüder Lichtenauer (Viehhändler) für die Errichtung
eines Kriegerdenkmals 1870/71 aus
(Quelle: "Der Bote vom Steigerwald" vom 19.
Februar 1899) . |
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Aus dem
Stammbaum der Familie Lichtenauer in Brünnau
bis zu Abraham Lichtenauer
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Hauskauf 1877 von
Abraham Lichtenauer
(bisher Brünnau) in Gerolzhofen
(Bahnhofstraße 133)
(Quelle: Anzeige im Bezirks Amtsblatt) |
Liste von 1895 (Quelle: Stadtarchiv Gerolzhofen)
mit den Kriegsteilnehmern 1870/71. Die beiden jüdischen
Kriegsteilnehmer stehen unter Nr. 13 (Abraham Lichtenauer)
und Nr. 19 (Kallmann Seelig)
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Goldene Hochzeit von Kalmann Selig und Mathilde geb. Freimann (1924)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. November 1924: "Gerolzhofen,
24. November (1924). Am vergangenen Schabbat Paraschat Chaje Sara
(Schabbat mit der Toralesung Chaje Sara = 1. Mose 23,1 - 25,18, das
war am 22. November 1924) feierte Herr Kalmann Selig mit seiner Ehefrau
Mathilde geb. Freimann, in körperlicher und geistiger Frische das Fest
der Goldenen Hochzeit. Beim Morgengottesdienste verlieh Herr Lehrer Reiter
den Gefühlen, die ein solches Ereignis auslöse, beredten Ausdruck und
zollte den Jubilaren, die auch sonst vielfach geehrt wurden, Worte des
Lobes und der Anerkennung." |
Goldene Hochzeit von Emanuel Lewisohn und Regina geb. Feuchtwanger (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1925: "Gerolzhofen,
12. Dezember (1925). Am Dienstag, den 8. Dezember, feierten Herr Emanuel
Lewisohn und seine Gattin Regina geb. Feuchtwanger im Vollbesitz der
körperlichen und geistigen Kräfte das seltene Fest der goldenen
Hochzeit, verbunden mit 50jährigem Geschäftsjubiläum. Aus diesem Anlass
wurde das Jubelpaar am vorausgehenden Schabbat Wajeschew (Schabbat
mit der Toralesung wajeschew = 1. Mose 37,1 - 40,23, das war Schabbat, 12.
Dezember 1925) von Lehrer Reiter in der Synagoge im Anschluss an die Sidra
(Toralesung) in längerer Rede entsprechend gefeiert. Durch ihr
gemeinnütziges Wirken im Dienste des Judentums, der Kultusgemeinde und
der Allgemeinheit haben es die Jubilare verstanden, sich die Sympathie
weitester Kreise zu erwerben und durch eisernen Fleiß und strengste
Reellität ihr Geschäft auf respektable Höhe zu bringen, sodass es sich
im Kreise der Bevölkerung des besten Rufes erfreut. Das Jubelpaar war
Gegenstand herzlicher Ehrung, nicht nur seiner Kinder und Enkelkinder -
auch die Kultusgemeinde, das Rabbinat und die Stadtverwaltung haben teils
schriftlich, teils mündlich, ihre Wünsche und Gefühle zum Ausdruck
gebracht. Zahllose Gratulationen liefen brieflich und telegrafisch aus
allen Gauen des In- und Auslandes tagsüber ein, die von der Beliebtheit
des Paares zeugten. Möge ihm ein recht langer und heiterer Lebensabend
beschieden sein." |
Zum Tod von Betty Sachs (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juni 1928: "Gerolzhofen,
11. Juni (1928). Gestern kam hier die allgemein beliebte und geachtete
Frau Betty Sachs aus Altenschönbach
neben ihrem Manne zur Beisetzung. Sie hat das ehrwürdige Alter von fast
80 Jahren erreicht und hatte es stets peinlich genau genommen mit der
treuen Erfüllung unserer Gebote. Am Grabe schilderten die
Schwiegersöhne, Oberlehrer Erlebacher aus Oberdorf
- Bopfingen und S. Tachauer aus Fürth
i.B.. das schaffensfreudige Leben und segensreiche Wirken der
Dahingeschiedenen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum Tod des Kriegsveteranen (1870/71) Kalman (Kallmann) Seelig (Selig) im August 1930
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1930:
"Gerolzhofen, 21. August 1930. Unter großer Beteiligung wurde heute
unser ältestes Gemeindemitglied, Kalman Seelig, zu Grabe getragen. Er
erreichte ein Alter von 85 Jahren, war ein guter Jehudi, ein bescheidener,
biederer Charakter und als Feldzugsteilnehmer von 1870/71 Ehrenmitglied
des Veteranen- und Kriegervereins, der ihm mit umflorter Fahne und unter
Trauerweisen das letzte Geleite gab. Am Grab entwarf Lehrer Reiter ein
ausführliches getreues Lebensbild, während der Vorstand des genannten
Vereins dem 'guten Kameraden' einen letzten Scheidegruß widmete. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens". |
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Todesanzeigen (in "Der Bote
vom Steigerwald")
und Grabstein
(Abbildungen erhalten von Evamaria Bräuer) |
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Traueranzeige der Familie
von Kallmann Selig
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Traueranzeige des Krieger- und
Veteranenvereins
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Grabstein im
jüdischen Friedhof für "Kalmann
Selig, Kriegsteilnehmer von 1870/71,
geb. 20. Juli 1845, gest. 19. August 1930" und Mathilda Selig geb.
Freimann
(vgl. Bericht zur Goldenen Hochzeit 1924 oben) |
Zum Tod von Selma Brodmann geb. Lichtenauer (1936)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
Januar 1937: "Gerolzhofen. Hier wurde am Mittwoch, 16.
Dezember 1936, die Gattin des Kultusvorstandes Willy Brodmann, Frau Selma
Brodmann geb. Lichtenauer im Alter von erst 48 Jahren zu Grabe getragen.
Die zu früh Verblichene war eine seltene jüdische Frau. Sie stand nicht
nur in vorbildlicher Weise ihrem Hause vor, in dem Gastfreundschaft und
wahre Religiosität herrschte. In ihrer Liebe und Güte betätigte sie
sich sozial innerhalb der Gemeinde. Viele Jahre hindurch war sie
Vorsitzende des Jüdischen Frauenvereins. Im Trauerhause und am Grabe
würdigte Herr Bezirksrabbiner Dr. Köhler (Schweinfurt) die edlen
Tugenden der früh Vollendeten und sprach dem Gatten, der Familie und der
Gemeinde Trost zu. Im Auftrage des Israelitischen Frauenvereins
Gerolzhofen dankte Herr Lehrer Reiter (Gerolzhofen) der Entschlafenen für
ihr selbstloses und tätiges Wirken im Dienste der jüdischen Gemeinschaft
an Lebenden und an Toten. Möge das Leben dieser Frau Trost und Beispiel
sein für die Hinterbliebenen und für die ganze Gemeinde." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Dezember 1936:
"Gerolzhofen, 17. Dezember (1936). Die Gattin unseres
Kultusvorstandes, Frau Selma Brodmann, ist, erst 48-jährige, nach ganz
kurzer Krankheit plötzlich und unerwartet abberufen worden. Die
Heimgegangene, das Muster einer jüdischen Frau, hat sich auf allen
Gebieten, insbesondere auch als Vorsitzende des jüdischen Frauenvereins,
hervorragend betätigt und hinterlässt in der Gemeinde eine nur schwer zu
schließende Lücke. Den schwer geprüften Angehörigen wendet sich
allgemeine Teilnahem zu. - Auf dem Friedhofe in Gerolzhofen sprachen Herr
Rabbiner Dr. Köhler, Schweinfurt, und Lehrer Reiter ehrende Worte des
Gedenkens und des Trostes." |
Traueranzeige für Ernestine Lichtenauer geb. May (1937)
Traueranzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Mai
1937: "Unsere unvergessliche, liebe, gute Mutter, Schwieger- und
Großmutter, Frau
Ernestine Lichtenauer geb. May, in Gerolzhofen,
wurde
uns am 4. Mai 1937 kurz nach vollendetem 90. Lebensjahr durch den Tod
entrissen.
Im Namen aller trauernden Hinterbliebenen:
Sigmund Lichtenauer,
Augsburg." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Karte von Levi May in Gerolzhofen (1888)
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Die Karte wurde von Levi May in
Gerolzhofen versandt an Herrn S. Hermann Söhne nach Karlsruhe am
16. Dezember 1888. Text der Karten-Rückseite: "Herrn S. Hermann Söhne Karlsruhe.
Gerolzhofen 16. Dez. 1888.
Meinem Freund Levisohn verdanke ich die Empfehlung Ihrer werten Adresse und bitte ich Sie auf angebogener Carte mir einen tüchtigen Rechtsanwalt
in Karlsruhe zu benennen nur nicht Dr. Weill der mein Contra ist, sehe hauptsächlich mehr auf einen tüchtigen Juristen als auf Diätenschneider.
Für Ihre Berufung bestens dankend zeichnet Hochachtungsvoll Levi May."
Levi May wurde am 23. April 1851 als Sohn des Samuel May und der Fradel Reinhard
in Jaerkendorf im Kreis Kitzingen geboren.
Quelle: http://wc.rootsweb.ancestry.com/cgi-bin/igm.cgi?op=GET&db=lesmoyaux&id=I7376
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Anzeigen des Manufaktur- und Konfektionsgeschäftes
Emanuel Lewisohn (1897 / 1921)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. September 1897:
"Für mein am Sabbat und Feiertagen streng geschlossenes Manufaktur-,
Damenkonfektion- und Wollwarengeschäft suche ich per sofort
zwei tüchtige Verkäuferinnen gegen hohes Salair bei freier Station
und familiärer Behandlung. Nur tüchtige Kräfte, die schon längere Zeit
in ähnlichen Geschäften tätig waren, wollen ihre Offerten, Photographie
und Zeugnisabschriften beifügen.
E. Lewisohn, Gerolzhofen." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juli 1921: "Suche
per bald für mein am Samstag und Feiertag streng geschlossenes
Manufaktur- und Konfektionsgeschäft eine tüchtige
branchekundige
Verkäuferin.
Offerte mit Bild und Gehaltsanspruch bei freier Station erbeten.
E. Lewisohn, Gerolzhofen, Unterfranken." |
Weitere Dokumente zum Manufaktur- und
Konfektionsgeschäft Emanuel Lewisohn
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries)
Anzeigen des Eisengeschäftes A. Selig (1889 / 1897)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
23. Mai 1889:
"Suche per sofort einen Lehrling mit guter Schulbildung. Samstage und
Feiertage ist das Geschäft streng geschlossen.
A. Seelig, Eisenhandlung,
Gerolzhofen." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Dezember 1897: "Lehrling-Gesuch.
Für mein Eisengeschäft, Samstags und Feiertage streng geschlossen, suche
einen Lehrling mit guter Schulbildung. Kost und Logis im Hause.
A. Selig, Gerolzhofen, Bayern." |
Weiteres Dokument zur Eisenhandlung A. Selig
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)
Postkarte
der Eisenhandlung A. Selig
an die Eisenhandlung Eisenheimer
in Schweinfurt (1897) |
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Die
Postkarte mit einer Warenbestellung der Eisenhandlung A. Selig
(Gerolzhofen) wurde am 28. Mai 1897
an die Eisenhandlung Eisenheimer in
Schweinfurt verschickt. |
Anzeige der Eisenhandlung Hermann Kohn
(1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1900:
"Suche für mein Samstags und israelitische Feiertage streng
geschlossenes Geschäft einen tüchtigen
jungen Mann,
18-20 Jahre
alt, welcher die Eisen- und landwirtschaftliche Maschinenbranche praktisch
versteht. Junge Leute, welche die einfache Buchführung praktische geübt
haben, bevorzugt. Offerte mit Lebenslauf und Gehaltsanspruch bei freier
Station bitte sofort an mich einzusenden.
Hermann Kohn,
Eisenhandlung, Gerolzhofen, Unterfranken." |
Anzeige der Eisenhandlung E. Selig (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1900:
"Für mein Samstags und Feiertage geschlossenes Eisengeschäft suche
einen
Lehrling aus achtbarer Familie, unter günstigen Bedingungen
oder einen angehenden Commis.
E. Selig, Eisenhandlung,
Gerolzhofen, Bayern." |
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Links
Anzeige im Bezirksamtsblatt Gerolzhofen vom 29.März 1889 der Eisenhandlung
A. Selig (erhalten von Evamaria Bräuer, Gerolzhofen) |
Anzeigen des Manufaktur- und Konfektionsgeschäftes
Hermann Löbhardt (1901 / 1912)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August 1901: "Tüchtige
Verkäuferin
per 1. Oktober gesucht. Kost und Logis im Hause.
Samstags geschlossen. Offerten mit Photographie erbeten.
Hermann
Löbhardt, Manufakturwaren und Konfektion, Gerolzhofen,
Unterfranken." |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. September
1912:
"Tüchtige Verkäuferin
für mein Manufaktur- und
Konfektionsgeschäft per 1. September gesucht. Samstags geschlossen.
Station im Hause. Offerten mit Bild erbeten.
Hermann Löbhardt,
Gerolzhofen, Bayern." |
Weiteres Dokument zum Manufaktur- und Konfektionsgeschäft Hermann
Löbhardt
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim /
Ries; Angaben zur Familie gleichfalls von P.K. Müller)
Ansichtskarte
vom Kriegerdenkmal
in Gerolzhofen mit dem Wohn- und
Geschäftshaus von Hermann Löbhardt (1919) |
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Die Ansichtskarte vom
Kriegerdenkmal in Gerolzhofen - im Hintergrund das Wohn - und Geschäftshaus von Hermann Löbhardt
- wurde am 4. Februar 1919 nach Walsdorf bei Bamberg
versandt.
Zu Familie Löbhardt: Der Kaufmann Hermann Löbhardt führte ein Geschäft für Manufakturwaren,
Kurz- und Weißwollwaren am Marktplatz 15 in Gerolzhofen. In einer Liste der jüdischen Familien und Anwesen in Gerolzhofen (Stand 1933) findet sich folgender
Eintrag: Familie Hermann Löbhardt, Kaufmann, Marktplatz 15, Söhne: Stefan und Otto Löbhardt.
In den Jahren 1933 bis 1938 gelang 22 Gerolzhofer jüdischen Einwohnern die Auswanderung, hauptsächlich nach Amerika,
darunter auch Käthe Löbhardt und Otto Löbhardt. Am 22./23. Oktober
1938 und vom 27. bis 29. Oktober 1938 wurden in der Synagoge die Fensterscheiben mit Steinen eingeworfen. Auch
die Häuser der jüdischen Familien Hermann Löbhardt, Hermann Kohn, Fanny und Josef
Lichtenauer wurden beschädigt. Ab dem 22. Januar 1941 finden Hilda und Hedwig Brückheimer, Töchter seiner Nichte Sophie Brückheimer, Aufnahme bei Hermann Löbhardt.
Hilda Brückheimer führt dem 73-jährigen Hermann Löbhardt sowie dessen 45-jährigen, zu
40 % körperlich behinderten und an Epilepsie leidenden Sohn Stefan Löbhardt den Haushalt. Ihre Schwester Hedwig Brückheimer wird zur Zwangsarbeit in Schweinfurt herangezogen.
Am 22. April 1942 wurden aus Gerolzhofen neben 17 anderen auch Stefan Löbhardt, Hilda und Hedwig Brückheimer
deportiert. Am 25. April 1942 wurden sie mit der größten von insgesamt
sechs aus Würzburg ausgeführten Deportationen (852 Personen) mit dem Zug über Lublin in die
Todeslager des Ostens geschickt.
Hermann Löbhardt starb in den Tagen des Abtransportes der Gerolzhofer Juden. Seine Beisetzung ging heimlich vonstatten, nachdem der jüdische
Friedhof nach der letzten Beisetzung des Gerolzhofer Gemeindevorstands Willi Brodmann am 2. Februar 1942 offiziell für geschlossen erklärt worden
war. |
Anzeige des Schuhwarenhauses M. Schwarz (Gerolzhofen
und Altenschönbach, 1911, Anzeige
erhalten von Werner Steinhauser)
Die
Anzeige erschien im "Boten vom Steigerwald" vom 1. Juni
1911. |
Anzeige von Hermann Rothschild (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Februar 1925:
"Suche für meinen Sohn, 15 Jahre alt, Absolvent der Mittelschule,
bei Großfirma in Getreide eventuell auch Metall, eine Lehrstelle.
Offerten sind zu richten an
Hermann Rothschild, Gerolzhofen,
Unterfranken." |
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
Anzeigen
aus "Der Bote vom Steigerwald"
(1923/31)
(erhalten von Evamaria Bräuer, Gerolzhofen) |
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Anzeige des
Geschäftes
von Alfred Reinhold (1923) |
Anzeige von Theo
Schwarz, nachdem in seinem Geschäft die
Schaufenster eingeworfen wurden (1923) |
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Anzeige des
Schuhhauses Lichtenauer
(1923) |
Anzeige vom 16.12.1931 des
Schuhhauses
E. Lichtenauer, Inh. Marx Henle mit Abbildung
des Geschäftes in der Marktstraße |
Verlobungsanzeige von
Meta Lichtenauer
und Max Henle (Januar 1923
Gerolzhofen / Nürnberg, Ulm)) |
Anzeige des
Modenhauses Frieda Lichtenauer
(1923) |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine (neue) Synagoge auf dem heutigen Grundstück Steingrabenstraße
51 wurde 1874 erbaut. Sie löste einen älteren Betsaal ab. 1934
wurde das Innere der Synagoge im Vergleich zu einigen anderen Synagogen
als "kirchenhaft düster" beschrieben:
Aus
einem Artikel in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 1.
September 1934: "Alte und neue Synagogen.
Es ist merkwürdig, dass
verhältnismäßig viele Synagogen in früheren Jahren einem Brande zum
Opfer gefallen sind. Nur selten verdankt ein Neubau dem Anwachsen der
Gemeinde seine Entstehung. Man mag die neueren Synagogen schön finden.
Die in Theilheim etwa, wo die Anlage der Frauenempore und deren
Ausstattung mit farbigen Vorhängen an stille Theaterlogen erinnern; die
in maurischem Stil gehaltenen Synagogen in Marktbreit und
Obbach oder die
in kirchenhaftes Düster getauchte in Gerolzhofen." |
Über die Feier zum Dienstjubiläum des Lehrers Reiter zum
Neujahrstag im Oktober 1933 in der Synagoge Gerolzhofen s.o.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Synagoge demoliert. SS- und SA-Angehörige gingen zunächst gewaltsam gegen die
jüdischen Gemeindeglieder vor. Die Frau der jüdischen Lehrers wurde gezwungen,
dessen Gebetsmantel, Talar und Kopfbedeckung anzuziehen. Sie musste am
Synagogeneingang stehen, wo man sie brutal misshandelte. Danach drangen 40 SS-
und SA-Leute in die Synagoge ein, zerschlugen die Fenster und vernichteten die
Inneneinrichtung, den Toraschrein und die Ritualien. Die zerstörten Möbel und
Ritualien wurden auf den städtischen Sportplatz gefahren und unter dem Beifall
zahlreicher Einwohner verbrannt. Am darauf folgenden Schabbat mussten jüdische
Gemeindeglieder die Synagoge säubern und deren großen Heizofen zu einem
Altwarenhändler transportieren. Das Gebäude wurde wenige Tage danach von der
SS beschlagnahmt und als Dienstraum der SS zweckentfremdet.
Das Gebäude blieb nach
1945 erhalten und ist in Privatbesitz (u.a. Friseursalon). An den hohen
Rundbogenfenstern ist es als ehemaliges Gotteshaus erkennbar.
Adresse der ehemaligen Synagoge:
Steingrabenstraße 51
Stadtführungen zur jüdischen Geschichte
in Gerolzhofen werden immer wieder angeboten,
Informationen bei der Stadtinformation: Marktplatz 20 - Altes Rathaus - 97447 Gerolzhofen
Tel.: 09382/903512 Fax: 09382/903513 E-Mail
Fotos
(Quelle: obere Zeile links: Stadtarchiv Gerolzhofen; obere Zeile rechts: Schwierz
s. Lit. S. 59)
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Rechts das
Gebäude der Synagoge um 1930 - im Vordergrund der Teil der
jüdischen Schule und der Lehrerwohnung; anschließend die Synagoge. |
Gebäude der
ehemaligen
Synagoge (1987) |
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Weitere Fotos werden bei Gelegenheit ergänzt; über Zusendungen
freut sich der
Webmaster von Alemannia Judaica, Adresse siehe Eingangsseite |
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Gedenkstein von 2007 in der
Schuhstraße
(Foto: Matthias Endriss, Artikel in der "Main-Post"
vom November 2009 siehe unten) |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
27. Januar 2007:
Neue Gedenkstätte für die jüdische Gemeinde
Gerolzhofen eingeweiht |
Bildunterschrift:
"Was in manchen Zeiten unmöglich schien, ist heute wahr geworden.
Zur Übergabe der erweiterten Gedenkstätte für die jüdische Gemeinde
Gerolzhofen fanden sich auch der Pfarrverweser der evangelischen Gemeinde,
Martin Oeters, und Dekan Josef Kraft ein (im Bild links). In ihrer Mitte
der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, Dr. Josef
Schuster. Rechts daneben Bürgermeister Hartmut Bräuer und die Tochter
des 1936 nach Israel ausgewanderten jüdischen Einwohners Gustav
Lichtenauer, Milka Zeiler-Lichtenauer mit Ehemann Schmuel Zeiler, der ein
Gebet auf Hebräisch sprach. Foto: Patricia Kaspar.
Erinnern an unsägliches Leid. Erweiterte Gedenkstätte für die
jüdische Gemeinde übergeben.
Gerolzhofen. Genau einen Tag nach dem 62. Jahrestag der Befreiung von
Auschwitz am 27. Januar 1945 hatte die Stadt zur Übergabefeier der
erweiterten Gedenkstätte für die jüdische Gemeinde von Gerolzhofen in
die Schuhstraße eingeladen. Der im Jahr 1988 errichtete Gedenkstein
erinnert an die vielen jüdischen Einwohner der Stadt Gerolzhofen, deren
Wurzeln schon auf das Jahr 1425 zurückzuführen sind, als der
Fürstbischof von Brunn den ersten Israeliten erlaubte, in Gerolzhofen
ansässig zu werden. Den einst 134 jüdischen Mitbewohnern widerfuhr in
den Jahren zwischen 1933 und 1942 unsägliches Leid. Wer von ihnen nicht
rechtzeitig die Stadt und Deutschland verließ, sollte diese Zeit nicht
überleben.
1942 letzte Deportation. So wurden am 19. September 1942 die
letzten vier Juden in der Stadt in das Lager Theresienstadt deportiert.
Gerolzhofen war seit diesem Tag "judenfrei", so wie es der Plan
des nationalsozialistischen Regimes forderte. Den Standort eines
Gedenksteines in der Schuhstraße fanden die Verantwortlichen deshalb
passend, da er unweit der ehemaligen Synagoge in der Steingrabenstraße
liegt, die schon zur damaligen Zeit privatisiert war. Im vergangenen Jahr
kam im Stadtrat auf Initiative von geo-net die Diskussion um die so
genannten 'Stolpersteine' des Künstlers Gunter Demling auf. Wie schon in
Würzburg und anderen Städten wurde vorgeschlagen, auch in Gerolzhofen
diese kleinen Messingtäfelchen zwischen den Pflastersteinen vor den einst
von Juden bewohnten Häusern anzubringen und mit einer Inschrift an sie zu
erinnern.
Viele der heutigen Hausbesitzer wünschten diese jedoch nicht, aber die
Diskussion um ein Symbol zur Gedenken an die jüdische Gemeinde der Stadt
hat hierdurch eine Eigendynamik erreicht, so Bürgermeister Hartmut
Bräuer. Mit der neuen Gestaltung des Platzes in der Schuhstraße wurde
diese Erinnerung in einer würdigen Art und Weise geschaffen.
In der Pflasterung ist eine Steintafel mit hebräischen Schriftzeichen
'Friede, Friede den Fernen und Nahen!' eingelassen. Neben dem Gedenkstein
wurde zusätzlich eine Schautafel aufgestellt, auf der ein Zeitstrahl von
1933 bis 1942 mit den unvergesslichen Ereignissen dieser Jahre sowie ein
Plan der Innenstadt mit den ehemals jüdische bewohnten Häusern und die
Namen der früheren Besitzer zu seihen sind.
Auch heute Antisemitismus. Bürgermeister Bräuer sieht den Platz
auch als Mahnmal, wurden im letzten Jahr noch immer über 8000
antisemitische Handlungen in der Bundesrepublik registriert. Der
Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, Dr. Josef
Schuster, erinnerte noch einmal an die unfassbaren Verbrechen, die an den
einst elf Millionen Juden in Europa begangen worden sind. Sechs Millionen
von ihnen fanden damals den Tod. Dekan Josef Kraft und der Geistliche der
evangelischen Kirchengemeinde, Martin Oeters, riefen in ihrer Ansprache zu
mehr Toleranz unter den Menschen auf, sehe der christliche Glaube Gott
doch als Vater aller Menschen an.
Ein besonderer Gast fand sich ebenfalls zur Übergabefeier ein. Die
Tochter des 1921 in Gerolzhofen geborenen und 1935 nach Israel
ausgewanderten Juden Gustav Lichtenauer, Milka Zeiler-Lichtenauer, freute
sich, in der Geburtsstadt ihres Vaters eine würdige Gedenkstätte auch
für ihre ermordeten Familienangehörigen vorgefunden zu haben.
Vortrag. Im Anschluss an die Feierstunde in der Schuhstraße hielt
Thomas Schindler vom Stadtarchiv Haßfurt einen Vortrag zur Vorgeschichte
des nationalsozialistischen Antisemitismus in Ostunterfranken, der nicht
ganz den Erwartungen des Publikums entsprach. In Anlehnung an die 1965 von
Michael Pfranz herausgegebene Broschüre 'Die jüdische Gemeinde von
Gerolzhofen' verdeutlichte der Vortrag den Ursprung antisemitischer
Handlungen und ihre Folge. Für die Zuhörer war es jedoch schwierig, die
Geschichte der Juden in Ostunterfranken auf Gerolzhofen zu
übertragen." |
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November
2009:
Referat von Stephan Oettermann über den
Novemberpogrom 1938 in Gerolzhofen und Frankenwinheim |
Artikel von Matthias Endriss in der "Main-Post"´vom
22.11.2009 (Artikel):
"GEROLZHOFEN. Der Tag, an dem es Gerolzhofen nicht gab
Stephan Oettermann referierte über den Pogrom 1938 in Gerolzhofen und Frankenwinheim
Mit der viel beachteten Ausstellung 'Gerolzhofen 1933 - 1945' begann der Historische Verein im Frühjahr seine Aufklärungsarbeit über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt und ihrem Umland. Diese wurde nun fortgeführt mit einem Vortrag von Stephan Oettermann zu den Vorgängen in Gerolzhofen und Frankenwinheim während des Judenpogroms von 1938.
Es sind rund 40 Geschichtsinteressierte, die sich an diesem Abend im Gasthaus
'Zum Kapellenberg' eingefunden haben. Stephan Oettermann, Vorsitzender des Historischen Vereins und ehemaliger Stadtarchivar, will in seinem Vortrag die Geschehnisse nachzeichnen, die sich an jenem Donnerstag, 10. November 1938, in Gerolzhofen und Frankenwinheim abgespielt haben.
Kein leichtes Unterfangen, wie er zugibt, basiert sein Referat doch auf den zusammengefassten Vorermittlungen des Gerichts zum Synagogenprozess 1950 und den während des Prozesses protokollierten Zeugenaussagen. Und ein Gericht, so betont
Oettermann, 'interessiert sich nicht für historische Wahrheit und die ganze
Geschichte'. Ereignisse, die nicht justiziabel sind, interessieren dabei ebenso wenig wie Personen, die nicht unmittelbar Täter oder Zeugen waren oder die, aus welchen Gründen auch immer, strafrechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Auch wurde, so Oettermann, im gesamten Prozess keines der Opfer gehört.
Lückenhafte Akten. Dem Gericht sei es nicht einmal gelungen, den zeitlichen Ablauf der Ereignisse jenes Tages exakt zu klären. Geschweige denn, wie viele Personen daran aktiv oder passiv beteiligt waren. Die Akten sprächen vage von
'der Menge'. 'Deshalb bleibt die folgende Geschichte des Gerolzhöfer Novemberpogroms mehr als lückenhaft und
unbefriedigend', befindet Oettermann. Und doch gelingt es ihm in seinem rund einstündigen Vortrag, den Zuhörern die ganze Unmenschlichkeit und den Widersinn der damaligen Ereignisse vor das geistige Auge zu führen.
Auslöser des Pogroms war das Attentat des jungen Juden Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris. Dessen Tod zwei Tage später, am 9. November 1938, war Wasser auf die Mühlen der nationalsozialistischen Propaganda. Von München aus, wo just an diesem Tag des gescheiterten Hitler-Putsches von 1923 gedacht wurde, schwappte der Aufruf Goebbels zum
'Volkszorn gegen die Juden' in die Gaue des Hitler-Reiches. Obwohl es keinen direkten Befehl zur Auslösung des Pogroms gab, verstanden die Kreisleiter die Aufforderung ganz im Sinne der Nazis. So auch Wilhelm Heer in Kitzingen. Dort brannte bereits in den frühen Morgenstunden des 10. September die Synagoge. In Gerolzhofen erreichte Heer erst morgens um 8 Uhr Ortsgruppenleiter Ludwig Zrenner und wies ihn an, endlich etwas gegen die jüdische Bevölkerung zu unternehmen. Auch im Landratsamt war am Morgen die Weisung eingegangen, männliche jüdische Bürger in Schutzhaft zu nehmen und jüdische Wohnungen und Häuser zu durchsuchen.
Zrenner zögerte zunächst. Nicht zuletzt deshalb, weil die Gerolzhöfer Nationalsozialisten erst kurz zuvor in Gerolzhofen und vor allem in Frankenwinheim eine Strafaktion – die sogenannte Brunnenvergifter-Aktion – gegen die jüdische Bevölkerung gestartet und, da diese nicht von oben gedeckt war, Ärger mit der Gestapo bekommen hatten. Und ein formeller Befehl lag eben auch an diesem 10. November nicht auf dem Tisch.
Dennoch versammelte Zrenner im Lauf des Vormittags die Mitglieder der SA. In der Gaststätte Reissweber wurde über das weitere Vorgehen beraten. Feuerwehr-Kommandant Hans Härterich machte dabei klar, dass er wegen des Wassermangels in der Stadt ein Anzünden der Synagoge keinesfalls billigen würde. Gegen Mittag kam es so zwar zu einer ersten Attacke auf die Synagoge, die Zerstörungswut hielt sich aber noch in Grenzen.
Am frühen Nachmittag fuhr die Gerolzhöfer SA dann nach Frankenwinheim, wo bereits ein Trupp aus Volkach in der Synagoge gewütet hatte. Die jüdische Bevölkerung wurde malträtiert, das Inventar und die Ritualgegenstände der geschändeten Synagoge gingen auf einem Acker in Flammen auf. Einige unscharfe Fotos, die nach dem Krieg als Beweisstücke in den Synagogenprozess eingingen und in der Frühjahrsausstellung in diesem Jahr erstmals veröffentlicht wurden, zeigen die Vorgänge am Scheiterhaufen, konnten aber zur Wahrheitsfindung wenig beitragen.
Gegen 18 Uhr kehrten die SA-Männer nach Gerolzhofen zurück. Dort hatte sich indes Kreisleiter Heer persönlich bei Ortsgruppenleiter Zrenner über das zu lasche Vorgehen gegen die Juden in der Stadt beklagt. Rund 40 SA- und SS-Angehörige zogen daraufhin nochmals zur Synagoge, drangen zunächst in die Wohnung des Judenlehrers Heinrich Reiter ein, misshandelten dessen Frau Recha, und schlugen schließlich in der Synagoge alles kurz und klein.
Scheiterhaufen am Säusee. Zwar wurde das Gotteshaus aus Angst um umliegende Gebäude nicht wie andernorts angezündet, wohl aber das Inventar am Säusee auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Im Lauf des Abends kam es auch zu Plünderungen in jüdischen
Wohnungen. Insgesamt 47 Personen, darunter sechs Frauen und sieben arische
'Judenknechte', kamen bei den Aktionen im Kreis Gerolzhofen in 'Schutzhaft'.
Juristische Aufarbeitung erfuhr die von den Nazis höhnisch als 'Reichskristallnacht' titulierte Aktion in Gerolzhofen im Jahr 1950. Von 160 Verdächtigen wurden gerade einmal 16 angeklagt, zwölf erlebten den Prozess. Die Wahrheitsfindung erwies sich als schwierig. Von den mehr als 50 Geschädigten hatten sich lediglich zwei emigrierte Frankenwinheimer Juden mit von US-Anwälten beglaubigten eidesstattlichen Erklärungen zu Wort gemeldet. Ob und in welcher Weise das Gericht diese zur Kenntnis genommen und bewertet hat, so Oettermann, sei den Unterlagen nicht zu entnehmen.
Die Angeklagten zeigten beim Prozess im Saal des 'Wilden Mann' fast durchweg nicht die geringste Reue, logen in ihren Aussagen
'dass sich die Balken bogen' und gaben nur zu, was ihnen längst bewiesen war. Wenn man davon ausgehe, dass sich alle Aussagen zu einem Gesamtbild addieren müssten, sei es in diesem Fall eher umgekehrt, meint Oettermann. Kumuliere man alle Unwahrheiten, Ausflüchte und Lügen, bleibe am Ende eine Art Loch:
'Am 10. November 1938 hat es kein Gerolzhofen gegeben, und in der Geschichte Gerolzhofens hat es nie einen 10. November 1938
gegeben.'
Der gesamte Prozess sei durchgängig gekennzeichnet gewesen durch die geradezu zynische Anwendung der Unschuldsvermutung. Nur fünf Personen wurden letztlich wegen ihrer Beteiligung am Gerolzhöfer Judenpogrom verurteilt. Das höchste Strafmaß betrug 21 Monate.
Nach dem Referat ergreift Altbürgermeister Hartmut Bräuer das Wort. 'Der Vortrag war nicht darauf ausgelegt, Personen herauszuheben und zu geißeln', attestiert er
Oettermann: 'Das war keine Anklage, es war eine Aufarbeitung der
Geschichte.' Dass man nach 71 Jahren die Kraft finde, dieses hochsensible Thema aufzugreifen und offen über die Zeit reden zu können, sei sehr wichtig. Ebenso, wie wachsam zu sein und ähnliche Ereignisse in der Zukunft unmöglich zu machen." |
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Juli 2009:
Besuch von Nachkommen des Lehrers Joseph
Kellermann |
Foto
von Norbert Vollmann: Aus Israel und den USA waren Nachkommen der jüdischen Familie Kellermann angereist, um sich in Gerolzhofen auf die Spuren ihrer Vorfahren zu begeben und hier insbesondere auf die des Religionslehrers Joseph Kellermann, der 1883 in Gerolzhofen starb und auf dem israelitischen Friedhof am Henkelmannskeller beerdigt wurde. Dabei wurde die Gruppe von Evamaria Bräuer auch an die Gedenkstätte in der Schuhstraße geführt, die an die ehemalige jüdische Gemeinde in der Stadt erinnert. Nur zwei Häuser weiter befand sich das Wohnhaus von Joseph Kellermann.
Artikel in der "Main-Post" vom 10. Juli 2009 (Artikel):
"GEROLZHOFEN - Kellermanns Kampf um den Sabbat-Draht
Gäste aus Israel und den USA suchten in Gerolzhofen nach Spuren ihrer Vorfahren, insbesondere aber des israelitischen Religionslehrers Joseph Kellermann, suchten dieser Tage aus Israel und den USA angereiste Nachkommen der Großfamilie Kellermann. Kundig geführt wurden die Gäste von Evamaria Bräuer.
1832 in Fuchsstadt im Ochsenfurter Gau geboren, war Joseph Kellermann nach Gerolzhofen gekommen, um hier in der jüdischen Gemeinde Religionsunterricht zu erteilen. Aus der Ehe mit Ella Schüler ging der in Gerolzhofen geborene Benzion Kellermann (1869-1923) hervor, der es in Berlin und Frankfurt als Reform-Rabbiner zur damaligen Zeit zu großer Bekanntheit und Anerkennung brachte. Nach dem frühen Tod Ellas heiratete Joseph Kellermann deren Schwester Blümchen.
Orthodox und streng. Joseph Kellermann muss als Angehöriger des Leviten-Stammes ein sehr orthodoxer und damit wohl strenger Lehrer gewesen sein. Im Stadtarchiv Gerolzhofen findet sich sein Name vor allem im Zusammenhang mit dem Disput um die Anbringung des so genannten Schabbes-Draht, der sich fast neun Jahre lang von 1871 bis 1880 hinzog.
Nachdem Gerolzhofen durch die Einlegung der Stadttore eine 'offene Stadt' geworden war, war es den Juden nach ihren rituellen Gesetzen nicht mehr möglich, am heiligen Wochenfeiertag die geringsten Dinge
'über die Straße zu tragen'.
Daraufhin beantragte die jüdische Gemeinde auf Betreiben von Kellermann die Anbringung eines Schabbes-, also Sabbat-Drahtes anstelle der alten Tore, um so symbolisch durch eine bewegliche Umfriedung für den Sabbat-Tag den Ring um die Stadt wieder zu schließen. Der Magistrat lehnte dies jedoch ab, da hierzu die Aufstellung von Telegrafen-Stangen erforderlich gewesen wäre.
Hartnäckiger Lehrer. Während die Vorstände der jüdischen Kultusgemeinde bald aufgaben, ließ der orthodoxe Kellermann nicht locker. Von seiner Hartnäckigkeit zeugen mehrere Beschwerden bei der Regierung. Diese wurden zwar im Kern zurückgewiesen, grundsätzlich wurde aber die Anbringung eines Schabbes-Drahtes für zulässig erklärt, sofern die Stadt ihr Einverständnis dazu geben sollte. Wohl um des lieben Friedens willen wurde schließlich behördlicherseits der Anbringung kleiner verschließbarer Kästen mit aufgerollten dünnen Drähten zugestimmt, die nur am Sabbat über die Straße von Hauswand zu Hauswand gezogen werden durften.
Da sich diese Konstruktion aber nicht bewährte, offenbar brach der Draht immer wieder, unternahm die jüdische Gemeinde 1880 einen erneuten Vorstoß, den Sabbat-Draht genehmigt zu bekommen, und wurde wieder abgewiesen. Damit drohte der Zwist weiterzuschwelen. Die salomonische Lösung des Konflikts war schließlich weder dem bald darauf 1883 verstorbenen Kellermann noch dem
'angefressenen' Stadtmagistrat, sondern dem neuen Vorsteher der Kultusgemeinde, Emanuel Lewisohn zu verdanken. Auf seinen pragmatischen Vorschlag hin wurde am Ort der ehemaligen Stadttore je ein Draht über die Straße gezogen und daran eine hübsche Laterne aufgehängt. Die Schabbesdrähte erhielten dadurch eine mittig über die Straße hängende Straßenbeleuchtung, also eine sehr praktische Doppelnutzung. Die Kosten für die Anschaffung und auch für die Unterhaltung und den Ölbedarf für die Lampen übernahm die jüdische Gemeinde. Damit war Ende Juli 1880 das leidige Kapitel endlich abgeschlossen.
Foto
links: Auf großes Interesse der aus Israel und den USA angereisten Nachkommen der Familie Kellermann stieß beim Besuch des Israelitischen Friedhofs in Gerolzhofen der Grabstein ihres Vorfahren, des 1883 in Gerolzhofen gestorbenen Religionslehrers Joseph Kellermann.
Jüdische Stätten in Gerolzhofen. Evamaria Bräuer führte die Nachkommen der Familie Kellermann zunächst zur ehemaligen Synagoge in der Steingrabenstraße, dem früheren Wohnhaus des Lehrers in der heutigen Schuhstraße 20 und zu der in der unmittelbaren Nachbarschaft befindlichen Gedenkstätte für die ehemalige jüdische Gemeinde. Uri Kellermann hatte wesentlich bei der Übersetzung der Inschrift der Gedenkstätte in der Schuhstraße und der Übertragung in die hebräische Schrift mitgewirkt und ist auch sonst Evamaria Bräuer bei Interpretationen hebräischer Texte behilflich.
Der von den Stadtgärtnern mit Rosen bepflanzte kleine Erinnerungsplatz machte auf die Gäste sowohl von seiner Ausstattung als auch von seiner Pflege her einen sehr positiven Eindruck. Danach ging es weiter zum Israelitischen Friedhof, wo sich der Grabstein des Religionslehrers befindet. Eine kurze Mittagsrast vor der Weiterreise legte man am idyllischen Neuen See mit Blick auf den Steigerwald ein.
Nach Deutschland gekommen waren aus Israel diesmal Uri Kellermann und seine Frau Duba aus
Nof-Ayalon, sowie seine Schwester Ruth mit ihrem Mann aus Jerusalem, und aus den USA eine Cousine sowie der Vetter mit Frau und Tochter. Der Gerolzhöfer Religionslehrer Josef Kellermann war ein Bruder von Uri
Kellermanns Urgroßvater.
Ihr Stammquartier hatten die Gäste in Würzburg im 'Shalom Europa', dem dortigen jüdischen Zentrum, bezogen, von wo aus sie sich auf die familiäre Spurensuche machten.
Flucht nach Palästina. Die Vorfahren der Familie hatten seit Generationen in Bayern gelebt. Martha Flamm, die Mutter von Uri Kellermann und Ruth Weiss, kam aus Kitzingen und war als kleines Kind nach Nürnberg gezogen, wo sie später ihren Mann Kurt Kellermann kennen lernte.
Der beschloss im April 1933, im Alter von 24 Jahren, und damit rechtzeitig vor der Verfolgung durch Hitlers Nationalsozialisten, ins damalige Palästina, das heutige Israel, auszuwandern. Mit leeren Händen landete er im Hafen von Haifa. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, kaufte er sich eine Leiter und einen Eimer und begann Schaufenster zu putzen. Nachdem Kurt Kellermann in Haifa ein Geschäft für Baumaterialien eröffnet hatte, kehrte er zurück nach Nürnberg, um dort am 13. Januar 1935 seine Verlobte zu heiraten. Noch am nächsten Tag machte sich das junge Ehepaar auf den Weg nach Palästina, wo 1937 Uri und 1941 Ruth zur Welt kamen und der Vater alsbald sein Geschäft auf den Verkauf von Spielzeug umstellte. Schließlich kam er aus der Spielzeugstadt Nürnberg.
Tod im KZ und bei Anschlag. Der Großvater mütterlicherseits, Leopold Flamm, kam im KZ Theresienstadt ums Leben. Die Tante, Lilli Willner, geborene Flamm, wurde mit ihren drei Kindern in Riga umgebracht. Die Großmutter, Jettchen Flamm, überlebte Theresienstadt.
Ein weiterer Schicksalsschlag traf die Familie, als bei einem Terroranschlag im März 2008 auf eine Rabbinerschule in West-Jerusalem ein 17-jähriger Enkel starb.
Die Großeltern von Uri Kellermann und Ruth Weiss, die 1904 in Nürnberg geheiratet hatten, zählen heute etwa 200 Nachkommen. Über 90 Prozent davon leben in Israel." |
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November 2010:
Zur Einweihung der Deportations-Gedenkstätte in Würzburg
sind auch Vertreter aus Gerolzhofen anwesend |
Foto
links von Elisabeth Böhrer (nicht im Artikel der "Main-Post"). Wider das Vergessen: Das Denkmal am so genannten Platz'schen Garten in Würzburg, das an die Deportation der Juden aus Unterfranken erinnert, mit dem Künstler Pater Meinrad
Dufner. Auch für 20 Bürger aus Gerolzhofen begann hier die Fahrt in die
Vernichtungslager.
Artikel (novo) in der "Main-Post" vom 22. November 2010 (Artikel):
"GEROLZHOFEN - Namen erinnern an das Grauen
Auch den 20 deportierten Gerolzhöfer Juden wird in Würzburg ein Denkmal gesetzt
Die Reichspogromnacht 1938 signalisiert den Beginn der brutalen Verfolgung der Juden. Zwei Jahre später begann 1940 ihre systematische Ermordung. Am ehemaligen Platz'schen Garten in Würzburg wurde nun ein neues Denkmal eingeweiht, das an die Opfer der Deportationen aus Unterfranken, darunter 20 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Gerolzhofen erinnern soll.
Ein geladener Kreis aus Kirchen, Politik und des gesellschaftlichen Lebens gedachte bei der Enthüllung der Pogrom-Nacht vom 9. auf den 10. November vor 72 Jahren. Unter den Gästen waren auch zahlreiche Vertreter vieler betroffener unterfränkischer Städte und Gemeinden erschienen.
Aufgrund ihres persönlichen Engagements waren aus Gerolzhofen Altbürgermeister Hartmut Bräuer und seine Frau Evamaria gekommen, die das Erinnerungsprojekt beide aktiv begleiten.
Evamaria Bräuer vertritt in der Projektgruppe, unterstützt von ihrem Mann, die in Vernichtungslagern umgekommenen 20 jüdischen Mitbürger aus Gerolzhofen, die mit dem dritten von sechs Transporten 1942 von Würzburg aus deportiert wurden.
Evamaria Bräuer verfasst auch ihre jeweiligen Biografien für die Internet-Seite
www.wir-wollen-uns-erinnern.de.
Drei verlorene Schuhe. Das neue Denkmal soll an die Massendeportationen von Juden erinnern, die in Unterfranken im November 1941 begannen. Jüdische Bürger mussten sich damals im Platz'schen Garten sammeln und von dort aus zu Fuß zum Hauptbahnhof oder zum Verladebahnhof Aumühle marschieren. Von da begann dann die Fahrt mit Viehwaggons der Reichsbahn in den Tod.
Das Gelände in Würzburg entlang des Friedrich-Ebert-Rings gehört heute zum
'Haus St. Benedikt' der Abtei Münsterschwarzach. Entworfen wurde das in den Werkstätten der Abtei geschaffene Mahnmal vom Münsterschwarzacher Benediktinerpater und Künstler Meinrad Dufner. Er hat in das Kunstwerk die früheren Treppen aufgenommen, eine Jugendstilsäule und den Zaun. Ins Mauerwerk sind die Namen der Vernichtungslager und die Deportationsdaten eingraviert.
Auf den Treppenstufen aus rostigem Metall liegen drei verlorene Schuhe (aus Eisen) – ein Männer-, ein Frauenschuh und ein Kinderschuh als Symbol für die jüdischen Menschen aus ganz Unterfranken, die sich hier am Eingang zu Würzburgs damals bekanntestem Tanzlokal versammeln und dann unter Bewachung zum Verladebahnhof Aumühle laufen mussten. Ganze Familien wurden damals im KZ ausgelöscht.
Jeder der diese Schwelle sieht, kann sofort begreifen, dass mit den Besitzern der Schuhe
'etwas passiert sein muss', so der Künstler zu seiner Intention. Das frühere Würzburger Tanzlokal ist fortan kein unbeschwerter Ort mehr.
Erinnerungsweg in Arbeit. Das Denkmal soll allerdings nur der Anfang eines geplanten Erinnerungsweges sein, der seinen Endpunkt am Verladebahnhof findet.
Zwischen dem 27. November 1941 und dem 17. Juni 1943 wurden von Würzburg aus bei den insgesamt sechs erwähnten Deportationen exakt 2063 unterfränkische Männer, Frauen und Kinder jüdischer Abstammung wie Schlachtvieh auf der Schiene in die osteuropäischen Vernichtungslager gebracht. Anschließend wurde der
'Gau Mainfranken' offiziell als 'judenfrei' gemeldet.
Die 20 jüdischen Mitbürger aus Gerolzhofen gehörten dem dritten Transport am 25. April 1942 an, der sie
zunächst nach Krasnystaw (kleine Korrektur des
Pressartikels durch den Webmaster) in Polen führte und bei dem allein 852 Menschen deportiert wurden. An ihr aller Schicksal soll am 20. Mai 2011 erinnert werden. Nur 41 der
(sc. zwischen dem 27. November 1941 und dem 17. Juni 1943 aus Würzburg
2.063) Deportierten haben das Grauen überlebt.
Bei der Gedenkveranstaltung werden Teilnehmer Schildern mit Namen und Herkunft der einzelnen Opfer tragen und von dem neuen Denkmal aus auf einem
'Weg der Erinnerung' zum ehemaligen Verladebahnhof laufen. Den Weg der Opfer machen elf Betonschwellen sichtbar, die entlang der Strecke als visuelle Hinweise in den Boden eingelassen werden. Daneben informieren Gedenkstelen über die einzelnen Deportationen. Auch am Ende des Erinnerungswegs wird eine Gedenkstele errichtet.
Was die Einweihung des Gedenkwegs 2011 anbelangt, so ist geplant, dass 20 Gerolzhöfer, darunter auch Realschüler, die jeweiligen Schilder mit den Daten der Gerolzhöfer Opfer tragen sollen.
Mehr über die Aktion im Internet unter www.wir-wollen-uns-erinnern.de." |
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November 2013:
Gedenken zum 75. Jahrestag des Novemberpogroms
1938 |
Das Programm der Gedenkveranstaltungen am 10. November 2013 in Gerolzhofen
und einer damit verbundenen Ausstellung:
"Wir erinnern" (pdf-Datei)
Dazu Artikel in der "Main-Post" vom 12. November 2013: "Gerolzhofen
- Erinnerung an die Opfer bewahren. Stadtrundgang zu Zeichen des
Erinnerns..."
Weiterer Artikel in der "Main-Post" vom 12. November 2013:
"Gerolzhofen
- Zwischen Gedenken und Erinnern. Gottesdienst zum 75. Jahrestag der
Pogromnacht in der Erlöserkirche mit Referat von Dr. Rotraud Ries..." |
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Fotos vom
Gedenkgottesdienst
am 10. November 2013
in der Erlöserkirche Gerolzhofen |
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Quelle der Fotos: Evangelische
Kirchengemeinde Gerolzhofen |
Dr. Rotraud Ries
während der Kanzelrede |
Musikalische Umrahmung
durch
den Posaunenchor Gerolzhofen |
Tanzperformance mit
Marie Preußlen, München |
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Mai 2014:
Auf den Spuren der jüdischen Geschichte durch
Gerolzhofen |
Artikel in der "Main-Post" vom 13.
Mai 2014: "GEROLZHOFEN. Auf den Spuren jüdischer Familien durch die Stadt
Führung durch Gerolzhofen mit Evamaria Bräuer. Zahlreiche jüdische Kaufleute, Händler und Metzger lebten einst in Gerolzhofen. Heute sind sie nur noch in Geschichtsbüchern wiederzufinden. Doch was ist geblieben? Dieser Frage ging Evamaria Bräuer im Rahmen der Wanderausstellung
'Mitten unter uns', die aktuell im Gerolzhöfer Rathaus gezeigt wird, auf den Grund..."
Link
zum Artikel |
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Juni / Dezember 2014:
In Gerolzhofen werden erste
"Stolpersteine" verlegt |
Artikel in der "Main-Post" vom 5.
Juni 2014: "GEROLZHOFEN. Mahnung gegen das Vergessen
Die ersten Stolpersteine werden verlegt – Stadtrat macht Zustimmung der Hauseigentümer zur Bedingung
Wie in rund 820 deutschen Städten und Gemeinden (zuletzt Frankenwinheim) hält nun auch in Gerolzhofen die Erinnerungskultur in Form von Stolpersteinen Einzug. Zum Gedenken an die ehemaligen jüdischen Mitbürger, die in dem Haus wohnten und dem NS-Terror zum Opfer fielen, werden in der Marktstraße 7 vor der dortigen Boutique drei dieser Symbole gesetzt. Es sind quadratische, mit einer Messingplatte besetzte Steine, auf denen Geburts- und Todesdatum der Opfer eingeschlagen sind. Sie stammen von dem Kölner Künstler Gunther Demnig.
Drei Gegenstimmen. Mit 18:3 (Gegenstimmen Markus Reuß und Burkhard Wächter von der CSU sowie Heinz Lorz von Bürger für Geo) sprach sich der Stadtrat am Montag im Rathaus von Rügshofen für einen Antrag des KulturForums auf Verlegung dieser Steine aus. Bei allen weiteren Anträgen wird nicht mehr der Stadtrat entscheiden, sondern das schriftliche Einverständnis der betroffenen Hausbesitzer. Für die ersten Stolpersteine liegt dieses Einverständnis
vor..."
Link
zum Artikel |
Anmerkung: Die ersten drei "Stolpersteine"
wurden verlegt am 1. Dezember 2014 für Meta Henle geb.
Lichtenauer, Max Henle und Paul Henle (Verlegungsort: Marktstraße
7)
Einladung
zur Verlegung der "Stolpersteine"
(pdf-Datei) |
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Dezember 2014:
Die erste Verlegung von
"Stolpersteinen" in Gerolzhofen |
TV-Video-Beitrag
siehe http://www.tvtouring.de/mediathek/video/stolpersteine-verlegt/ |
Artikel von Norbert
Vollmann in der "Main-Post" vom 1. Dezember 2014: "GEROLZHOFEN. Die
Henles.
Erstmals wird jetzt auf diese Weise auch in Gerolzhofen an einst von den
Nazis verschleppte und ermorderte jüdische Mitbürger erinnert. Hierzu
bedurfte es allerdings eines längeren Anlaufs.
Ihr Leben millionenfach auszulöschen, das ist den Nationalsozialisten auf
barbarische Weise gelungen. Was Adolf Hitler und seine Nazi-Schergen aber
nicht geschafft haben, ist die Erinnerung an die in den Vernichtungslagern
umgebrachten Menschen jüdischen Glaubens zu verhindern und damit auch ihre
Namen auszulöschen. Ganz im Gegenteil. Auch in Gerolzhofen hat jetzt gut 70
Jahre später auf Initiative des KulturForums die Erinnerungskultur an die
einstigen jüdischen Mitbürger durch die Verlegung der ersten Stolpersteine
für Max, Meta und Paul Henle in der Marktstraße am Anwesen Nr. 7 Einzug
gehalten. Zu ihrem Gedenken wurden vor der dortigen Boutique zwischen der
Eisdiele und dem Schuhhaus drei dieser Symbole in den Gehsteig eingelassen.
Max, Meta und Paul Henle wohnten in diesem Haus und hatten hier in
Gerolzhofen ihre Heimat, bevor der Nazi-Terror ihr Leben brutal auslöschte.
Die heutigen Hausbesitzer, Armin und Heidemarie Bacher, hatten dem
Mahnprojekt von Anfang an aufgeschlossen, engagiert und mit großer Sympathie
gegenüber gestanden. Die Stolpersteine stammen von dem Kölner Künstler
Gunther Demnig. Es sind quadratische, mit einer Messingplatte versehene
Steine, auf denen neben dem Namen das Geburts- und Todesdatum der Opfer
eingeschlagen sind. Demnig hat inzwischen bereits 49 000 Stück im Rahmen
seines Kunstprojektes in Deutschland und im Ausland verlegt. Auch in
Gerolzhofen griff er persönlich zu Hammer, Keller und Besen.
'In Gerolzhofen sind meine Wurzeln'. Eigens zur Verlegung der Platten
waren zwei Nachfahren der Familien Henle-Lichtenauer nach Gerolzhofen
gekommen. Mauricio Lichtenauer, ein Großneffe, hatte sogar mit seiner Frau
Nelly den weiten Weg aus Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires nach
Gerolzhofen auf sich genommen. Meta Henle war eine geborene Lichtenauer.
Mauricio Lichtenauer, sein Großvater Moritz (daher Mauricio) und Meta
Lichtenauer waren Geschwister, zeigte sich sehr beeindruckt von der würdigen
Zeremonie und der dem Anlass angepassten kleinen Feier zur Verlegung der
Stolpersteine für seine Vorfahren. Er betonte sichtlich ergriffen: 'Hier in
Gerolzhofen sind meine Wurzeln. 20 Jahre lang hatte ich nach dem Tod meines
Vaters, der nur sehr wenig über die damalige Zeit erzählt hatte, danach
gesucht. Um so glücklicher bin ich jetzt.' Mit dem Argentinier war sein
Cousin dritten Grades, David Lichtenauer, nach Gerolzhofen gekommen. Beide
trafen sich zum ersten Mal persönlich. Der in Kolumbien aufgewachsene und
inzwischen in Nürnberg lebende David Lichtenauer entstammt der Linie, die
einst in der Bahnhofstraße lebte. Den Auftakt der Stolpersteinverlegung
machte eine kurze Einführung durch das Beiratsmitglied des KulturForums,
Evamaria Bräuer. Sie, die ausgewiesene Kennerin des jüdischen Glaubens und
der jüdischen Gemeinde, wies daraufhin, dass 'der Weg dahin kein einfacher
und lang war.' In der Tat hatte es mehrere Anläufe bedurft. Zuletzt war 2006
ein diesbezüglicher Vorstoß im Stadtrat gescheitert. Man sollte sich der
Glanzlichter und Schandflecken der deutschen Geschichte bewusst sein, so
Evamaria Bräuers Credo. Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak würdigte
die kontrovers, aber ehrlich geführte Diskussion im Stadtrat. Mit dieser
Stolpersteinverlegung verändere sich die Erinnerungskultur in der Stadt. Die
Stolpersteine seien an der viel begangenen Engstelle zwar eher zufällig,
aber passend an zentraler Stelle platziert, mitten im Herzen der Altstadt
und genau dort, wo die Henles gelebt haben. Wozniak forderte dazu auf,
diesen Tag zum Anlass zu nehmen, 'uns daran zu erinnern, dass wir alle immer
wieder aufs Neue zu einer Zukunft in Frieden und Freiheit betragen können,
indem wir unsere Lehren aus der Vergangenheit ziehen und für Toleranz und
Verständigung einstehen.' Schweinfurts stellvertretender Landrat Peter
Seifert ging zugleich im Namen von Landrat Florian Töpper besonders auf die
Bedeutung der hiesigen jüdischen Gemeinden ein. Sein Appell an die Jugend
lautete: 'Bleibt dabei und gebt es weiter.' Die Schüler Fanny Seßler,
Anna-Lena Ries, Anne Keilholz, Lena Ludwig und Nina Piller der Klasse 9c der
Ludwig-Derleth-Realschule verlasen die Biografien von Meta, Max und Paul
Henle. Die Klasse ist über den bilingualen Englisch- und
Geschichtsunterricht mit Lehrerin Daniela Mack in das Projekt eingebunden.
Neben den Realschülern wohnten auch Schüler des Gerolzhöfer Gymnasiums,
zahlreiche interessierte Bürger sowie mit Paula Fellner und Robert Maria
Schmitt zwei ehemalige Klassenkameraden von Paul Henle der
Stolpersteinverlegung bei.Für die musikalische Umrahmung sorgten
Klarinettist Sepp Hauck (Michelau), am Klavier begleitet von Elke Friedl,
mit dem Titelsong von John Williams aus dem Film 'Schindlers Liste'.
Steine wurden gespendet. Kosten entstehen der Stadt durch die
Stolpersteine übrigens auch so gut wie keine. In Gerolzhofen hat sich
nämlich unter dem Dach des KulturForums eine Initiative zu ihrer Verlegung
gebildet. So hatten der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete und
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, der SPD-Ortsverein und die
Stadtratsliste Geo-net die Patenschaften zum Auftakt der Aktion übernommen:
Glos für den Stein der in seiner Heimatgemeinde Brünnau geborenen Meta Henle,
geb. Lichtenauer, die SPD für den der Sozialdemokratie nahestehenden Max
Henle und Geo-net für den von Paul Henle. Michael Glos, der
SPD-Ortsvereinsvorsitzende Lukas Bräuer und Thomas Vizl für Geo-net legten
schließlich als Steinpaten jeweils eine Rose an den neu verlegten
Stolpersteinen nieder. Mit der Entzündung von Lichtern gedachten Mauricio
und David Lichtenauer den Opfern des Nazi-Terrors aus ihren Familien.
Unterdessen hat der neu gewählte Präsident des Zentralrates der Juden in
Deutschland, Josef Schuster (Würzburg), am Montag den 'Stolperstein'-Künstler
Gunter Demnig kritisiert. Zum einen verstehe er nicht, weshalb Demnig seit
kurzem auch Steine für Menschen verlege, die den Nazi-Terror überlebt
hätten. Regelrecht verstört habe ihn aber eine zweite Entwicklung,
erläuterte Schuster. Auf einigen Stolpersteinen verwende Demnig die
Terminologie der Nationalsozialisten. Auch wenn er die Begriffe in
Anführungszeichen setze, könne man heute kaum noch voraussetzen, "dass jeder
Passant weiß, was mit 'Rassenschande' gemeint war", fragte Schuster. Zudem
seien die Angehörigen der Opfer durch die Wortwahl "oft tief verletzt".
Demnig möchte damit zweifelsohne Fragen aufwerfen und damit zur vertieften
Auseinandersetzung mit dem Thema motivieren. Dies dürfe aber nicht auf
Kosten der Opfer und Hinterbliebenen geschehen.."
Link
zum Artikel |
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FLYER:
"STOLPER STEINE - STUMBLING STONES in Gerolzhofen",
herausgegeben von der Initiative Stolpersteine für Gerolzhofen.
Kulturforum e.V. info@kulturforum-gerolzhofen.de
Zum Download: Vorderseite
des Flyers Innenseite
des Flyers (pdf-Dateien) |
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Die
drei verlegten "Stolpersteine" für
Meta Henle geb. Lichtenauer,
Max Henle und Paul Henle
(Fotos erhalten von Evamaria Bräuer) |
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Eintragung
in "Goldene Buch" der Stadt
(Fotos erhalten von Evamaria Bräuer) |
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Die Nachfahren der
Familien Henle-Lichtenauer, die zur Stolpersteine-Verlegung nach
Gerolzhofen gekommen waren, trugen sich in das Goldene Buch der Stadt ein:
Mauricio Lichtenauer mit seiner Frau Nelly aus Buenos Aires sowie David
Lichtenauer. |
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September
2015: Zweite Verlegung von
"Stolpersteinen" in Gerolzhofen
(Informationen und Fotos erhalten von Evamaria Bräuer) |
Am 19. September 2015 wurden
drei "Stolpersteine" in Gerolzhofen verlegt: vor dem Haus
Marktplatz 15 für Stefan Löbhardt (geb. 1897 in Gerolzhofen, deportiert
1942) und vor dem Haus Marktstraße 20 für Amalie Kohn geb. Schwab
(geb. 1873 in Rimpar, deportiert und
ermordet 1943) und Hermann Kohn (geb. 1871 in Lülsfeld,
deportiert und ermordet 1943).
Weitere Informationen zu den genannten Personen im Presse-Artikel von
Stefan Polster in der "Main-Post" vom 22. September 2015: "Gerolzhofen.
Stolpersteine erinnern an drei weitere ermordete Mitbürger"
(eingestellt als pdf-Datei)
bzw.
Link
zum Artikel in der "Main-Post". |
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Die drei Personen und
die
für sie verlegten Stolpersteine |
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Stefan Löbhardt
und der für ihn vor dem
Haus Marktplatz 15 verlegte Stolperstein |
Kennkarte
(ausgestellt Gerolzhofen 1939) für Hermann Kohn und die Stolpersteine
für ihn
und seine Frau Amalie geb. Schwab vor dem Haus Marktstraße 20 verlegten
Stolpersteine |
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Die Verlegung der
Stolpersteine
am 19. September 2015 |
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Zahlreiche Interessierte bei
der Verlegung |
Schüler verlesen die
Biografien |
Schülerin mit
Klarinette |
Flötenquartett der
Musikschule |
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Mai
2016: Dritte Verlegung von
"Stolpersteinen" in Gerolzhofen
(Informationen und Fotos erhalten von Evamaria Bräuer)
Anmerkung: vor dem ehemaligen Anwesen der Familie Lichtenauer in der
Bahnhofstraße 16 sowie vor dem Anweisen der Familie Brodmann in der
Bahnhofstraße 5 wurden insgesamt fünf Stolpersteine verlegt.
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Bericht in der
"Main-Post" vom 29. Mai 2016: "GEROLZHOFEN. Sie haben wenigstens ihre Namen wieder.
Versteinerte, betroffene, gar entsetzte Gesichter. Altbürgermeister Hartmut Bräuer versagt die Stimme, als er die auf Englisch vorgetragene Rede von Milka Lichtenauer, verheiratete Zailer, auf Deutsch vorlesen will.
Sechs Millionen durch das NS-Regime ermordete Juden, das ist eine immer wieder vorgetragene Zahl, die abstumpfen mag. Aber wenn es um Einzelschicksale geht, dann machen die Verbrechen dieser Diktatur auch über 70 Jahre danach immer noch fassungslos. Auch Menschen, die diese Zeit nicht erlebt haben.
So geschehen bei der dritten Verlegung von Stolpersteinen in der Stadt, diesmal in der Bahnhofstraße 5 und 16. Diesmal ging es um das Gedenken an die jüdische Familie Lichtenauer, die in Gerolzhofen einen Namen hatte und sich vor der Machtübernahme stark im Leben der Stadt engagierte.
Evamaria Bräuer vom KulturForum, das die Stolperstein-Verlegung begleitet, sagte eingangs, im Wissen um die deutsche Geschichte seien die Gründe gut zu verstehen, warum bereits 1933 viele Menschen Deutschland verließen. Viele aber sind geblieben und
'die Gründe, Gerolzhofen nicht zu verlassen, erscheinen uns heute fast völlig unverständlich', sagte Bräuer.
So kam es, dass die Nazis im April 1942 20 Gerolzhöfer zwischen 11 und 66 Jahren aus ihren Wohnungen holten, nach Würzburg brachten und von dort in das Durchgangslager Krasnystaw bei Izbica in Ostpolen transportierten. Danach verlieren sich ihre Spuren.
Fest steht aber, dass alle deportierten Gerolzhöfer in den Vernichtungslagern Belzec und Sobibor ermordet wurden. Die Nazis nahmen ihnen nicht nur das Recht zu leben, sondern auch das Recht, in einem Grab bestattet zu werden.
Besuch aus Israel. 'Froh und ein klein wenig stolz' zeigte sich Bräuer, dass rund ein Dutzend Nachfahren der Familie Lichtenauer eigens aus Israel zu der Zeremonie der Steinverlegung gekommen war.
Abermals ist das KulturForum bei seinen Anfragen an die heutigen Hausbesitzer auf großes Entgegenkommen gestoßen. Brunhilde Jüttner aus der Bahnhofstraße 5 hat sofort zugestimmt, dass vor ihrem Anwesen der Stein für Kathi Langstädter
geb. Lichtenauer, verlegt wird, ebenso Norbert Rumpel für die Bahnhofstraße 16, vor der Aktionskünstler Gunter Demnig die Steine für Rafael, Jenny, Albert und Janette Lichtenauer verlegte. Nachdem sie das Regime zu Nummern gemacht hatte, bekommen die Lichtenauers nun wenigstens wieder ihre Namen zurück, freute sich Evamaria Bräuer.
Bürgermeister Thorsten Wozniak erklärte, für heutige Demokraten sei das Grundgesetz, das auf Menschlichkeit und Menschenrechten basiert, eine Selbstverständlichkeit. Zwischen 1933 und 1945 war das anders.
'Während wir heute in einem Staat leben, der Hilfebedürftigen und Minderheiten Schutz bietet, wurden die Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus nicht ins arische Weltbild gepasst haben, systematisch verfolgt und
vernichtet.'
Stolpersteine, so Wozniak, seien ein Zeichen, dass die große Mehrheit der Deutschen aus der Vergangenheit gelernt hat.
'Die Geschichte lehrt, dass sich Menschen und Nationen erst dann klug verhalten, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft
sind', zitierte stellvertretende Landrätin Christine Bender den israelischen Politiker Abba Eban. Das Verlegen der Stolpersteine sei ein Beweis für diese Erkenntnis. Auch Bender fand es gut, dass im Landkreis aktive Erinnerungsarbeit geleistet wird. Neben Gerolzhofen wurden bereits auch in Frankenwinheim Stolpersteine verlegt.
Kibbuzgründer. Aus der Familie Lichtenauer überlebte nur Gustav, der bereits vor dem Krieg im Alter von 15 Jahren aus Deutschland nach Israel fliehen konnte. Ihm ist es zu verdanken, dass wieder eine weitverzweigte Familie besteht, für die Milka Zailer – ebenfalls deutlich emotionalisiert – das Wort ergriff.
Sie berichtete, dass Gustav Lichtenauer in Israel sehr aktiv gewesen sei. Er gehörte zu den Gründern eines Kibbuz und war 1948 am Unabhängigkeitskrieg beteiligt, als arabische Länder den jungen Staat Israel mit seinen damals nur 600 000 Menschen angriffen.
Eines Tages nach dem Krieg erhielt er eine Mitteilung vom Roten Kreuz mit der Information, dass seine gesamte Familie – Eltern, Bruder, Großeltern, Tanten und Cousinen – in den Grauen der Shoa ums Leben gekommen war. Bis zu seinem Tod 2007 hat Gustav immer gesagt:
'Wir dürfen niemals vergessen und vergeben.' Das verschwieg Milka Zailer nicht. Trotzdem bedankte sie sich bei allen Aktiven in Gerolzhofen, besonders Evamaria Bräuer, für die Bemühungen, an das Vergangene zu erinnern.
Die Paten für die Steine, Hartmut Bräuer für die SPD-Kreistagsfraktion, Thomas Vizl für die Fraktion der Bündnisgrünen, Brigitte Wozniak für die evangelische Kirchengemeinde und Burkhard Tebbe für das KulturForum, legten Rosen an den Stolpersteinen nieder.
Die Musikstücke von Dana Sperling, Franziska Schneider und Julia Barthelme aus dem Flötenensemble von Elke Friedl sowie später einer Chorgemeinschaft halfen den Teilnehmern, ihren Gedanken und Gefühlen nachzuspüren.
Quelle / Link zum Artikel: http://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/Kunst-und-Kulturforen;art769,9238787
Artikel in der "Main-Post" vom 30. Mai 2016: GEROLZHOFEN. Nur einer aus Rafael Lichtenauers Familie überlebte
Die Biografien der Angehörigen der Familie Lichtenauer, für die nun Stolpersteine in der Bahnhofstraße liegen, in Kurz Form.
Kathi Langstädter, geb. Lichtenauer (verlesen von Irmgard Fröhling): Sie ist eins von elf Kindern von Raphael sen. und Milka Lichtenauer und wurde 1880 geboren. Sie heiratete 1906 den Metzger Heinrich Langstädter aus Memmelsdorf, der 1917 im Ersten Weltkrieg fiel. Die Witwe kehrte 1935 nach Gerolzhofen zurück und wohnte bei Familie Brodmann in der Bahnhofstraße. 62-jährig wurde sie im April 1942 als Nummer 460 nach Polen deportiert und kehrte nicht zurück.
Rafael Lichtenauer jun. (verlesen von Horst Gandziarowski): Der Landwirt und Viehhändler wurde 1878 in Gerolzhofen geboren. Er war das dritte von zehn Kindern von Abraham und Sara Lichtenauer. In der heutigen Bahnhofstraße 16 gründete die Familie einen florierenden Hof- und Landhandel. Die Lichtenauers waren geachtete Bürger und gut im Leben der Stadt integriert. Rafael Lichtenauer etwa gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Steigerwaldklubs. Die Familie unterstützte den patriotischen Aufruf zur Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen des Kriegs von 1870/71, das heute als
'Germania' in der Nördlichen Allee steht. Seinen ältesten Sohn Gustav schickte Rafael nach Frankfurt/Main, um sich dort für die Auswanderung zu qualifizieren. Die gelang im Sommer 1936 im Schatten der Olympischen Spiele. Ab 1941 durfte Rafael Lichtenauer keine Gastwirtschaft mehr
betreten. Sein Feierabendbier reichten ihm die Wirtsleute Weinig heimlich durch ein Fenster zum Hof. Rafael Lichtenauer wurde ebenfalls 1942 nach Polen gebracht und im Raum Lublin ermordet.
Jenny Lichtenauer (vorgelesen durch Ursula White): Sie heiratete 1920 den Gerolzhöfer Rafael Lichtenauer, mit dem sie zwei Kinder hatte. Zu Hause in der Bahnhofstraße wurde fränkisch gesprochen. Samstags und an Feiertagen besuchten die Lichtenauers die Synagoge. Die kürzlich verstorbene Nachbarin Anni Kirchner berichtete von den schönen Handarbeiten und Stickereien aus der Hand von Jenny Lichtenauer. Ab 1939 war nur noch der Kolonialwarenladen mit Bäckerei Weickert bereit, jüdische Kunden zu bedienen. Die christlichen Nachbarn aus der Schulersmühle halfen mit den notwendigsten Lebensmitteln aus, die sie nachts heimlich über den Zaun reichten. Jenny Lichtenauer wurde ebenfalls 1942 bei Lublin ermordet.
Albert Lichtenauer (vorgetragen vom 17-jährigen Lukas Stößel): Er war der zweite Sohn von Rafael und Jenny Lichtenauer (Jahrgang 1925). 1938 wurde ihm verboten, eine öffentliche Schule zu besuchen. Die gewaltsam unterbrochene Schulausbildung konnte er auf einem Landwerk bei der Vorbereitung auf ein Leben in Israel fortsetzen. Aber es war zu spät. 1941 erließen die Nazis ein allgemeines Emigrationsverbot, die Ausbildungsstätten wurden zu Zwangsarbeitslagern. Der 16-jährige Albert kehrte nach Gerolzhofen zurück und fand 1942 mit seinen Eltern und Verwandten den Tod in der Nähe von Lublin.
Janette Lichtenauer (vorgetragen von Brigitte Vogt): 1881 geboren, war sie viertes Kind von Abraham und Sara Lichtenauer. Sie war behindert und zog mit ihrer 87-jährigen Mutter und der blinden 83-jährigen Tante Fanny nach Würzburg in ein Altenheim. Mutter und Tante starben 1940 und 1941 und konnten noch auf den Israelitischen Friedhöfen in Würzburg und Gerolzhofen begraben werden.
Die 60-jährige Janette kam Ende 1941 über Nürnberg nach Riga. Der Transport erfolgte im kältesten Winter seit 1756 in vollgestopften, unbeheizten Eisenbahnwaggons. Gipfel des Zynismus: Für ihre letzte Fahrt mussten die unfreiwilligen Passagiere auch
noch 80 RM bezahlen. Nur 52 Personen überlebten diesen Transport. Janette Lichtenauer war nicht unter ihnen.
Quelle / Link zum Artikel: http://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/Biografien-Mord;art769,9239636
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Links Evamaria Bräuer
und Milka Lichtenauer
verh. Zailer, rechts Chorgemeinschaft Gerolzhofen |
Musikalische Umrahmung
der Verlegung
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Stolperstein für Kathi
Langstädter
geb. Lichtenauer (1880;
Bahnhofstraße 5) |
Milka Lichtenauer
verh. Zailer bei ihrer Ansprache,
auf Foto rechts während der Verlegung der Stolpersteine
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Gruppenbild mit den
Angehörigen der
Familie Lichtenauer und jetzigen Hausbesitzern
vor dem Haus Bahnhofstraße 16 |
Die Stolpersteine
für Janette Lichtenauer, Rafael Lichtenauer, Jenny Lichtenauer
geb. Berliner und Albert Lichtenauer vor dem Grundstück Bahnhofstraße
16
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Aviram Zailer
entzündet
eine Gedenkkerze
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Februar 2017:
Eine Treppe soll an Benzion Kellermann erinnern |
Artikel von Norbert Finster in der
"Main-Post" vom 23. Februar 2017: "Treppe soll an
Benzion Kellermann erinnern.
Der Name wird den meisten nichts sagen. Doch Benzion Kellermann ist einer der großen Söhne Gerolzhofens. Er war in der wilhelminischen Ära und in der Frühphase der Weimarer Republik ein viel beachteter Philosoph, Pädagoge und Reform-Rabbiner.
Nach ihm soll jetzt die Treppenanlage benannt werden, die von der Schuhstraße zwischen dem Anwesen Dittmeier und dem Gedenkstein für einstige jüdische Mitbürger hinab zur Bleichstraße führt. Das beschloss der Stadtrat einstimmig."
Link zum
Artikel (eingestellt als pdf-Datei) |
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November 2017:
Mit Schülern auf den Spuren jüdischen Lebens in
Gerolzhofen |
Artikel von Michael Mahr in der
"Main-Post" vom 24. November 2017: "GEROLZHOFEN Auf den Spuren jüdischen Lebens in der Stadt
Die wenigsten Schüler der neunten Klasse des Gymnasiums in Gerolzhofen wussten bis vor Kurzem, dass es in der Stadt so wie in vielen anderen fränkischen Orten eine jüdische Gemeinde gab. Durch Referate erarbeiteten sich die Jugendlichen ein Grundwissen über namhafte jüdische Persönlichkeiten wie Karl Marx, Sigmund Freud, Albert Einstein und Martin Buber, aber auch über den Antisemitismus und die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, die im
'Tal der Gemeinden' auch an die vielen nicht mehr bestehenden jüdischen Gemeinden in Unterfranken erinnert. Dort liest man in großen Felsblöcken eingemeißelt bekannte Namen: Schweinfurt, Haßfurt, Würzburg, Kitzingen, Marktbreit, Gerolzhofen, Frankenwinheim, Prichsenstadt und andere.
Pfarrer Hans Gernert organisierte für die Schüler gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen Klaus Vollmuth eine Führung zur Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Gerolzhofen. Evamaria Bräuer zeigte anhand eine Stadtplans, dass die jüdischen Familien zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die ganze Stadt verteilt wohnten und gut integriert waren. Im Ersten Weltkrieg kämpften über 90 000 jüdische Männer ganz selbstverständlich auf deutscher Seite mit. Fast ein Drittel ist gefallen. So findet sich auch der Name eines jüdischen Mitbürgers aus Gerolzhofen auf dem örtlichen Kriegerdenkmal. Am Türstock eines Hauses am Anfang der Steingrabenstraße zeigte Frau Bräuer die Stelle, an der eine Mesusa, eine Art jüdischer Haussegen, angebracht war. In einem anderen Haus wohnte Familie Selig, die mit Hefe handelte. Die Synagoge, ebenfalls in der Steingrabenstraße, hat als Gebäude die Reichspogromnacht am 9. November 1938 überstanden, weil sie unmittelbar mit einem christlichen Haus verbunden war. Doch das Inventar wurde auf den Sportplatz gebracht und verbrannt. Für Männer und Frauen hatte die Synagoge getrennte Eingänge. Um das nachzuempfinden stellten sich Schüler und Schülerinnen getrennt vor der ehemaligen Synagoge auf. Nur wenige Häuser weiter war das Haus des jüdischen Lehrers, der den Synagogengottesdienst leitete und den Kindern Religionsunterricht erteilte. Ein Lehrersohn aus Gerolzhofen, Dr. Benzion Kellermann, war Anfang des 20. Jahrhunderts ein viel beachteter Philosoph, Pädagoge und Reform-Rabbiner. Ihm zu Ehren wird am 10. Dezember 2017 das Straßenschild
'Dr.-Benzion-Kellermann-Stiege' enthüllt. Evamaria Bräuer ging auch kurz auf den jüdischen Friedhof in Gerolzhofen und auf Stolpersteine ein, die vor manchen Häusern auf deren ehemalige jüdische Bewohner aufmerksam machen. Die Führung endete am Gedenkstein in der Schuhstraße, der an die durch den Nationalsozialismus zerstörte jüdische Gemeinde in Gerolzhofen erinnert. Im Lauf des Schuljahrs ist noch ein Besuch des neuen jüdischen Gemeindezentrums Shalom Europa in Würzburg geplant, um heutiges jüdisches Leben
kennenzulernen."
Link
zum Artikel |
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Dezember 2017:
An Dr. Benzion Kellermann erinnert die "Dr.-Benzion-Kellermann-Stiege" |
Aus den Mitteilungen der Stadt Gerolzhofen
vom 15. Dezember 2017: "Kellermann-Steige erinnert an den Reform-Rabbiner
Dr. Benzion Kellermann wurde am 11. Dezember 1869 in Gerolzhofen geboren; er starb am 22. Juni 1923 in Berlin, wo er auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee bestattet ist.
Dr. Kellermann war in der wilhelminischen Ära und frühen Weimarer Republik ein führender jüdischer Geisteswissenschaftler, er war Philosoph und viel beachteter Reform-Rabbiner. Er machte sich um die Verständigung zwischen Juden und Christen verdient. Er setzte sich für ein friedvolles Miteinander der Religionen ein.
Damit zählt er zu den ganz großen Gerolzhöfern.
Jetzt ist ein Weg in Gerolzhofen nach Dr. Benzion Kellermann benannt: Am Vortag des Geburtstages von Dr. Benzion Kellermann wurde in der Nähe seines Geburtshauses offiziell der Verbindungsweg von der Schuhstraße zur Bleichstraße
'Dr.-Benzion-Kellermann-Stiege' benannt. Damit erinnert die Stadt Gerolzhofen nicht nur an den jüdischen Reform-Rabbiner, Lehrer und Philosophen, sondern auch daran, wie wichtig und bedeutend es ist, sich für Völkerverständigung und, wie es Herr Dr. Kellermann machte, sich für ein friedvolles Miteinander der Religionen einzusetzen. Das ist heute so aktuell wie damals.
Im Rahmen des Festaktes referierte Dr. Torsten Lattki über Dr. Benzion Kellermann. Dr. Lattki ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Jüdischen Kulturmuseum Augsburg-Schwaben und hat in seiner Dissertation an der Universität Erfurt Leben und Werk des Gerolzhöfers erforscht."
Link zur
Pressemitteilung der Stadt |
Artikel in der
"Main-Post" vom 12. Dezember 2017: "Ein Sohn Zions und
der Stadt Gerolzhofen.
Im Beisein von Nachkommen aus England wurde das Straßenschild 'Dr.-Benzion-Kellermann-Stiege'
enthüllt..."
Artikel
eingestellt als pdf-Datei
Kürzerer Artikel in der "Main-Post" vom 11. Dezember 2017: "Gerolzhofen.
Straßenschild 'Dr.-Benzion-Kellermann-Stiege' enthüllt..."
Link
zum Artikel |
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Januar
2018: Gedenkrundgang zum
Holocaust-Gedenktag - Schüler reinigen "Stolpersteine" |
Artikel in der
"Main-Post" vom 29. Januar 2018: "Gerolzhofen. Schüler
reinigen Stolpersteine. Den Opfern des Nationalsozialismus
gedacht..."
Link
zum Artikel - auch eingestellt
als pdf-Datei |
Fotos vom
Holocaust-Gedenktag
in Gerolzhofen
(erhalten von Evamaria Bräuer) |
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Gedenkrundgang -
Am
Marktplatz |
Reinigen der
Stolpersteine durch Jugendliche durch Schüler
der Ludwig-Derleth-Realschule |
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Januar 2019:
Ein Koffer gegen das Vergessen
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Mit einem neuen Denkmal hat die
Stadt Gerolzhofen am Holocaust-Gedenktag 2019 (27. Januar 2019) an die
verschleppten und ausgewiesen jüdischen Mitbürger während der NS-Zeit
erinnert. Ein Metallkoffer soll symbolisch für ihre Verschleppung und
Ermordung stehen. Der ist symbolisch für die wenigen Gepäckstücke, die Juden
auf ihrer meisten letzte Reise von Würzburg aus in die Vernichtungslager
mitnehmen durften. Gebaut wurde er vom Volkacher Künstler Clemens Hegler und
steht jetzt in der Marktstraße.
(Fotos unten: Evamaria Bräuer) |
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Links zu Presseartikeln:
https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/Der-Koffer-fuer-die-Reise-in-den-Tod;art769,10136581
https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/Ein-Leben-auf-einen-Koffer-reduziert;art769,10165330
(Artikel ist auch
als pdf-Datei eingestellt)
https://www.br.de/nachrichten/bayern/gerolzhofen-erinnert-an-deportierte-juedische-mitbuerger,RGLylLr
https://www.radioprimaton.de/2019/01/28/gerolzhofen-ein-koffer-gegen-das-vergessen/
. |
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April 2019:
Besuche von Nachkommen von Kathi
Langstädter geb. Lichtenauer |
Artikel
von Karin Sauer in der "Main-Post" vom 28. April 2019 (Foto links
von Evamaria Bräuer): "Ein berührendes Geburtstaggeschenk. - Reise in
die Familiengeschichte
'80 Jahre alt musste ich werden, um zu erfahren wo meine Wurzeln liegen'
sagte Yael (Gabriele) Sharf und blickte auf den Stolperstein, der in der
Bahnhofstraße 5 vor dem Optiker Geschäft ins Pflaster eingelassen ist. Ein
Gedenkstein für Kathi Langstädter, ihre Großmutter. Sie stammte aus der
angesehenen jüdischen Gerolzhöfer Familie Lichtenauer und erlitt das
unfassbare Schicksal der Shoa wie viele ihrer Familienmitglieder. Vom Regime
der damaligen Machthaber diskriminiert - 1942 deportiert starb sie im Raum
Lublin im besetzten Polen – und kehrte nie zurück.
Aufgrund der vorbereitenden Recherchen zur Stolpersteinlegung 2016 durch das
KulturForum e.V. für Kathi Langstädter, fand Evamaria Bräuer heraus: in
Israel, in einer kleinen Siedlung, Oranit nahe bei Tel Aviv, lebt eine
Enkelin, eben Yael Sharf. Aus familiären Gründen konnte sie die Einladung
zur Steinlegung nicht annehmen. Sie bedauerte dies sehr, zumal sie damals
zum ersten Mal erfuhr, dass ihre Vorfahren großmütterlicher Seite aus
Gerolzhofen stammen. Doch nun beschlossen ihre beiden Töchter Liat Gertmann
und Orit Sasson ihre Mutter zum 80. Geburtstag mit dieser berührenden Reise
in die familiäre Vergangenheit zu beschenken und begleiteten sie nach
Deutschland.
Am vergangenen Freitag kamen sie in Gerolzhofen an und wurden von Evamaria
Bräuer herzlich begrüßt. Nach dem ersten Kennenlernen mit intensivem
Informationsaustausch, begleitete die Stadtführerin die drei Frauen bei
einem ersten Stadtrundgang. Die Spurensuche führte Yael Sharf durch die
Gerolzhöfer Innenstadt entlang der bestehenden Gebäude, wo ehemals ihre
Vorfahren lebten und arbeiteten.
Erste Station war das 1877 von der Familie erworbene Anwesen Bahnhofstraße
16. Hier kam Kathi 1880 als Zwillingsmädchen zur Welt. Sie heiratete 1906
den Metzger Heinrich Langstädter aus
Memmelsdorf. Mit dem gemeinsamen Sohn Bruno (Yaels Vater) musste sie als
Kriegerwitwe des I.Weltkrieges – Heinrich starb in Flandern an den Folgen
eines Senfgasangriffs – ihr beider Leben als Haushälterin in verschiedenen
Orten meistern. 1935 Jahren kehrte sie nach Gerolzhofen zurück zur Pflege
der erkrankten Schwester und bezog eine bescheidene Unterkunft bei Brodmanns
in der Bahnhofstrasse.
Sehr ergriffen betrachteten Yael Sharf und ihre Töchter den 2016 verlegten
Stolperstein, der die einzige sichtbare Erinnerung an ihre Großmutter ist.
Nun wurde ihr erst einmal richtig bewusst: hier liegen meine Wurzeln. Zum
Gedenken an ihre Großmutter zündete sie vor Ort eine Kerze an. Yaels Vater
Bruno, der seine Schulzeit beim Onkel in Ingelheim verbrachte, besuchte
schon sehr frühzeitig ein zionistisches Hachshara Camp in Norddeutschland,
eine vorbereitende Einrichtung für junge Palästina Auswanderer. Hier lernte
er seine künftige Frau aus Stettin kennen und beide gelangten mit einem
Schiff ins damals britische Mandatsgebiet. 1939 wurde Tochter Yael dort
geboren. Yael Sharf spricht ein ausgezeichnetes Deutsch und auf die Frage wo
sie die Sprache gelernt habe antwortete sie: 'Ich habe nie eine einzige
Deutschstunde gehabt, meine Eltern sprachen deutsch.' Obwohl ihr Vater Bruno
in all den Jahren kein einziges Wort über seine Wurzeln in der europäischen
Heimat und das dort Erlebte verlor, habe er trotzdem die deutsche Sprache
gepflegt. Über das tragische Schicksal seiner Mutter, Yaels Großmutter,
hatte er all die langen Jahre geschwiegen. So erfuhr die Enkelin erst im
Nachhinein, dass ihre Oma Kathi 1939 mit einem Besuchervisum nach Palästina
reiste um ihre dort geborene Enkelin zu sehen. Es sollte das einzige Mal
bleiben. Über die Gründe der Rückreise fehlen Informationen. Besaß sie nur
ein befristetes Visum durch die Briten, waren es die beengten Wohn- und
-eingeschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse des Sohnes, oder das
Pflichtbewusstsein gegenüber der Familie in Gerolzhofen? Bekannt ist, dass
Kathi Langstädter zurückkehrte. Mit unserem Wissen um den Verlauf der
Geschichte und deren Folgen eine fatale Entscheidung!
Nach der Würdigung des Stolpersteines zeigte Evamaria Bräuer bei einem
Rundgang weitere ehemalige Wohn- und Geschäftshäuser Häuser der Familie und
Gedenkstätten, wie das Deportations Denkmal - Koffer - Symbol der letzten
Habe -, sowie den Erinnerungsstein an das Pogrom 1938 und die frühere
Synagoge. Tief beeindruckt und dankbar waren die Besucherinnen von der
sichtbaren guten Erinnerungsarbeit der Stadt Gerolzhofen. Eine weitere
Station des Besuches wird in Ingelheim sein, wo dem Bruder von Heinrich
Langstädter eine Straße gewidmet ist. Yael Sharf erzählte, dass sie nicht
das erste Mal in Deutschland wäre. Mit Jugendgruppen waren sie und ihr
verstorbener Mann Josef oftmals zum Jugend Austausch in Berlin unterwegs.
Ein großes Anliegen war beiden schon immer die Aussöhnung.
Voller Emotionen für Mutter und Töchter war am Samstag der Besuch des
israelitischen Friedhofs. Welch ein Gefühl, die Gräber der Urahnen zu
besuchen, von denen man Jahrzehnte lang nichts ahnte. Evamaria Bräuer führte
sie zu allen bisher zugeordneten Grabstätten der weit verzweigten
Lichtenauer Familien. Diese 'Mischpachologie' wie Yael es bezeichnete reicht
bis in 1736 zurück.
Innerlich erregt, von kaum fassbarer umfangreicher Familiengeschichte, legte
Yael nach überlieferter Tradition an den Grabstätten einen kleinen Stein
nieder. Auf die Frage, was sie denke und fühle konnte sie kaum Worte finden
'Ich kann das alles gar nicht fassen. In meinem Kopf dreht sich alles und
ich muss die zwei Tage des Aufenthalts erst einmal richtig verarbeiten.' Mit
dem umfangreichen Urkunden- und Recherche Material, das ihr Evamaria Bräuer
überreichte, dürfte es sicher möglich sein das Erlebte und alle Erkenntnisse
an ihre Enkel und Urenkel in Israel weitergeben." . |
Fotos aus der Familie
Langstädter:
rechts Kathi Langstädter
geb. Lichtenauer mit
Sohn Bruno Langstädter
(Fotos: aus Familienbesitz) |
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Links: Kathi Langstädter mit
Sohn Bruno Langstädter und
dessen Frau Susanne |
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August 2019:
Nachkommen der Familie Kohn
besuchen die Heimat ihrer Vorfahren |
Artikel von Karin Sauer in der
"Main-Post" vom 23. August 2019: "Gerolzhofen. Die Rückkehr zu den
Wurzeln der ermordeten Großeltern
Er weiß, wo seine Wurzeln liegen, er kennt die Herkunft seiner Urgroß- und
Großeltern und doch wollte er bei seinem Besuch in Gerolzhofen mehr über die
Wohnorte und Plätze seiner Vorfahren wissen. Aus diesem Grund nahmen Harold
Kohn und seine Frau Carol im April dieses Jahres Kontakt mit der Stadt
Gerolzhofen auf, hatten jedoch keine Antwort erhalten. Aus diesem Grunde
wandten sie sich nach München, an den Landesverband Israelitischer
Kultusgemeinden in Bayern, der ihnen die Adresse von Josef Meyer, dem
ehemaligen Gerolzhöfer Stadtgärtner vermittelte. Er pflegt den
israelitischen Friedhof aufs Beste.
Meyer verwies die Familie Kohn an Evamaria Bräuer. Seit über 25 Jahren
widmet sie sich, neben Stadtführungen und -rundgängen, der Forschung über
die Geschichte der jüdischen Gemeinde Gerolzhofen. Dankbar und überwältigt
waren die Kohns darüber, denn sie konnten so viele offene Fragen in Harold
Kohns Spurensuche klären.
Bräuer erklärt Bräuche. Sein Wunsch war, das Grab seines Urgroßvaters
Abraham Löb Kohn zu besuchen. Erster Treffpunkt war deshalb der
jüdische Friedhof in Gerolzhofen.
Hier erklärte die Stadtführerin fränkische Traditionen und Begräbnisbräuche.
"Der Friedhof mit seinen Steinen ist das physische Gedächtnis dieses Teils
der Stadtgeschichte", sagte sie. Aus den von ihr vorbereiteten Auszügen der
Standesamtsregister wurden verschiedene Zweige der Familie Kohn wieder
nachvollziehbar.
Der typische Weg vom Dorf zur Stadt des fränkischen Landjudentums ist an den
Geburts- und Wohnsitzen der Familie Kohn abzulesen. In
Altenschönbach geboren, mit zehn
Geschwistern aufgewachsen, war Abraham Löb Kohn, Harold Kohns Vorfahr
väterlicherseits, später nach Lülsfeld
in das Haus des Schwiegervaters gezogen. Das stattliche Haus der Kohns in
Lülsfeld existiert heute noch. Bürgermeister Wolfgang Anger zeigte den
Gästen die Örtlichkeiten.
Und dann stand Harold Kohn vor dem mächtigen Grabstein seines Urgroßvaters
Abraham Löb Kohn. Inzwischen ist auf Initiative von Evamaria Bräuer die
hebräische Inschrift auf dem schwarzen imposanten Granitstein übersetzt
worden. Das Vorlesen rief bei Professor Kohn und seiner Frau tiefe
Ergriffenheit hervor. Nach jüdischer Sitte legte er einen kleinen Stein an
der Grabstätte nieder.
Am zweiten Tag des Besuches wurden die Gäste vom stellvertretenden
Bürgermeister Erich Servatius im Rathaus begrüßt. Bei einem kleinen Umtrunk
erklärte Servatius den Gästen die heutige Struktur der Stadt, in der die
Familie Kohn früher lebte. Die erste Station beim anschließenden
Stadtrundgang war die historische Stadtansicht en miniature hinter der
Stadtpfarrkirche. Evamaria Bräuer zeigte den Kohns, wo die
Eisenwarenhandlung seines Großvaters zu finden war. Der nächste Punkt war
das neu installierte Erinnerungsdenkmal für die Deportationsopfer in der
Marktstraße. Die Stadtführerin erklärte den Grund, warum dieser Eisenkoffer
hier aufgestellt wurde. Danach ging es weiter zum ehemaligen imposanten
Anwesen von Hermann Kohn in der Rügshöfer Straße (sc. in Gerolzhofen)
gegenüber vom Floriansbrunnen.
Einst geachteter Bürger. Hier gründete und betrieb der in
Lülsfeld geborene Hermann Kohn
(Großvater von Harold Kohn) zusammen mit seinem Sohn Karl (Vater von Harold)
ein florierendes Eisenwarengeschäft. Hermann Kohn war ein geachteter Bürger
Gerolzhofens und zählte zu den zehn größten Gewerbesteuerzahlern der Stadt
(bis 1936). Karl konnte noch über Liverpool in die USA auswandern, wo er
1983 starb. Hermann und seiner Frau Amalie war 1938 die Flucht in die
Niederlande zu ihrer Tochter Rosl gelungen. Verraten durch einen Spitzel
wurden sie nach der deutschen Besetzung der Niederlande zuerst in das
Internierungslager Westerbork und anschließend ins ostpolnische
Internierungslager Sobibor gebracht. Hier fanden sie den Tod in den
Gaskammern.
Betroffen stand Harold Kohn mit seiner Frau vor den zwei Stolpersteinen im
Gehsteigpflaster, die seinen Großeltern an der Ecke Marktstraße/Rügshöfer
Straße gewidmet sind."
Link zum Artikel
Vgl. Artikel
https://thejewishnews.com/2018/12/09/new-u-m-professorship-to-support-social-justice-research-action/
und
http://fordschool.umich.edu/news/2018/new-u-m-professorship-support-social-justice-research-action |
Fotos vom Besuch von
Prof. Harold Kohn und Frau Carol
am 16. August 2019
(Fotos erhalten von Evamaria Bräuer) |
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Vor den Stolpersteinen
für die
Großeltern an der Ecke
Marktstraße/Rügshöfer Straße |
Am Grab des
Urgroßvaters
Abraham Löb Kohn im
jüdischen Friedhof |
Bürgermeister Wolfgang
Anger aus Lülsfeld vor dem Haus der
Kohns in Lülsfeld |
Hermann und Amalie Kohn,
die ermordeten Großeltern
von Harold Kohn |
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Mai 2021:
Verlegung von "Stolpersteinen" für
die Familie Rheinfelder |
Artikel von Klaus Vogt in der
"Main-Post" vom 20. Mai 2021: "Erinnerung an die Familie Rheinfelder
In Gerolzhofen wurden wieder neue Stolpersteine vor einem ehemals jüdischen
Anwesen verlegt.
Mit der Verlegung von fünf weiteren so genannten Stolpersteinen leistet der
Verein 'KulturForum' in Gerolzhofen erneut einen sichtbaren Beitrag zur
Erinnerungsarbeit. Seit Donnerstag erzählen die kleinen Steine in der
Steingrabenstraße 13 von einer Gerolzhöfer Familie, deren grausames
Schicksal fast vergessen war. Wegen der Corona-Pandemie wurden die Steine am
Donnerstag von Mitarbeitern des städtischen Bauhofs verlegt. Eine
öffentliche Zeremonie soll später erfolgen, teilt Evamaria Bräuer in einer
Pressemitteilung des 'KulturForums' mit.
Die Gebrüder Samuel und Jakob Rheinfelder stammten ursprünglich aus Lülsfeld
und betrieben in Gerolzhofen zwischen 1912 und 1933 ein florierendes
Eisenwarengeschäft in der Salzstraße, unterbrochen nur durch die Teilnahme
als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Ab 1921 wohnte der jüngere Bruder Jakob
dann mit seiner Frau Rosa und seinen Söhnen Siegbert (geb. 1928) und Werner
(geb. 1930) nebst seiner Mutter und Schwester Lina im Steingraben. Nach
willkürlichen Inhaftierungen und Schikanen durch die Nationalsozialisten
verließ Jakob Rheinfelder im Juli 1939 seine Heimatstadt Gerolzhofen mit dem
Ziel Shanghai. Dorthin konnte man noch bis Kriegsbeginn als Flüchtling
einreisen. Er hoffte, seine Familie dorthin nachholen und retten zu können.
Mit Kriegsbeginn war aber auch dieser Fluchtweg versperrt. Sein älterer
Bruder Samuel mit Frau konnte sich 1938 mit einem Visum über Antwerpen nach
USA in Sicherheit bringen. Rosa und Lina Rheinfelder mussten in der
Kartonagenfabrik in Schweinfurt Zwangsarbeit leisten. Im April 1942 wurden
sie mit den beiden 13- und 11-jährigen Buben über Würzburg nach Polen
deportiert. 'Sie starben als Nummern. Wir führen im Gedenken die Familie
zusammen und geben ihnen auf den Stolpersteinen ihre Namen zurück', schreibt
Evamaria Bräuer."
Link zum Artikel |
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Erinnerungen an Familie
Rheinfelder (Dokumente erhalten von Evamaria Bräuer; Quelle: Stadtarchiv
Gerolzhofen) |
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Anzeige der
Gebr. Rheinfelder (1920)
("Bote vom Steigerwald") |
Telefonbuch Gerolzhofen (1920)
mit Nennung der Manufakturwaren -
Maschinen Gebr. Rheinfelder |
Führerschein von
Jakob Rheinfelder (1925)
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NS-Kennkarte (1939) für
Jakob Rheinfelder
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NS-Kennkarte (1939) für
Siegbert Rheinfelder
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Die Verlegung der
"Stolpersteine"
Steingrabenstraße 13
(Fotos: Evamaria Bräuer) |
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2021:
Beiträge
in Presseartikeln zum Jubiläumsjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in
Deutschland" |
- Artikel von Michael Mößlein in
der "Main-Post" vom 4. Juli 2021: "Juden
in Gerolzhofen: Über 700 Jahre voller Schicksalen..." (Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein in der "Main-Post" vom 16. Juli 2021: "Juden
in Gerolzhöfer Vereinen: Aus der Mitte ins Abseits gedrängt..." (Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein und Evamaria Bräuer in der "Main-Post" vom 8.
August 2021: "Jüdische
Namen: Erst durch sie erhalten Menschen ihre Identität..." (auch
eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein in der "Main-Post" vom 13. September 2021:
"Jüdische Häuser erzählen von ihren Bewohnern..." (Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein in der "Main-Post" vom 16. September 2021: "Gerolzhöfer
Modegeschäfte: Jüdische Frauen setzten Akzente..." (Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein in der "Main-Post" vom 9. Oktober 2021
"Jüdische Soldaten: Vom Kriegshelden zum Verräter abgestempelt" (Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein in der "Main-Post" vom 15. Oktober 2021:
"Jüdischer Friedhof: Grabsteine als stumme Zeugen vergangenen Lebens..."
(Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein in der "Main-Post" vom 8. November 2021:
"Bewegender Vortrag zur Geschichte der Gerolzhöfer Juden..." (Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein in der "Main-Post" vom 10. Dezember 2021: "Nazis
treiben jüdischen Fabrik-Direktor in die Flucht..." (Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
- Artikel von Michael Mößlein in der "Main-Post" vom 31. Dezember 2021:
"Käthe Krämer: Als 'lebensunwert' aussortiert und ermordet..." (Artikel
auch eingestellt als pdf-Datei)
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August
2022: Nachkommen der
Familien besuchen die Heimat ihrer Vorfahren |
Artikel in der "Main-Post" vom
5. September 2022: "Gerolzhofen. MP+ Besuch aus Israel: Tochter und Enkel
suchen in Gerolzhofen nach Spuren von Kurt Rothschild und dessen Familie.
An den Originalschauplätzen wird für die Nachfahren das in einem Tagebuch
beschriebene Schicksal der jüdischen Flüchtlinge lebendig. Im Archiv gab es
überraschende Neuigkeiten.
Es ist 90 Jahre her, dass Kurt Rothschild Gerolzhofen verlassen hat. Der
damals knapp 22-jährige Mann floh im März 1933 zunächst nach Holland, um
einer Verhaftung durch Nationalsozialisten zu entgehen. Er hatte sich nichts
zu Schulden kommen lassen. Er war in der Stadt, in der er 1910 zur Welt
gekommen war, nur deshalb nicht mehr sicher, weil er Jude war. In der
vergangenen Woche besuchten Rothschilds Tochter und ein Enkel Gerolzhofen.
Sie suchten nach Spuren ihrer Vorfahren und wollten auch ihrer eigenen
Familiengeschichte und Identität ein Stück näher kommen.
Für die 75-jährige Edna Rothschild-Azrieli ist es nicht der erste Aufenthalt
in Gerolzhofen. In den 1970er Jahren begleitete sie ihren Vater Kurt
Rothschild, der regelmäßig nach Würzburg reiste, einmal in dessen
Geburtsstadt. Anhand einiger alter Bilder erinnert sie sich grob an das
Stadtbild. Ihr Sohn Eran Azrieli dagegen war noch nie hier gewesen. Bereits
nach dem ersten von zwei Tagen in Gerolzhofen ist er beeindruckt. Hier vor
Ort, sagt der 47-Jährige, könne er das Tagebuch seines Urgroßvaters
'plötzlich verstehen'. Die Erzählungen füllten sich mit Daten und Bildern.
Tagebuch als außergewöhnliches Zeugnis der Zeit. Das Gespräch mit
Eran Azrieli läuft auf Englisch. Seine Mutter spricht neben Englisch auch
gut Deutsch, das sie es mit ihrem Vater gesprochen hat, bis dieser im Jahr
1994 gestorben ist. In seinem Nachlass fanden sie unter anderem besagtes
Tagebuch: ein mit Schreibmaschine getipptes Büchlein auf Deutsch, in dem
Kurt Rothschild auch seine Kindheit und Jugend in Gerolzhofen sowie sein
Leben als 'deutsch-jüdischer Flüchtling im Ausland', wie er sich darin
selbst bezeichnet, notiert hat. Es ist sein Vermächtnis an seine Nachwelt.
Zugleich ist es ein beredtes Zeugnis der Lebensumstände seiner jüdischen
Familie in Gerolzhofen zu der Zeit, als aus der patriotisch geliebten Heimat
seiner Familie unter dem Einfluss von Adolf Hitler innerhalb weniger Jahre
das braune Nazi-Deutschland wurde.
Kurt
Rothschild kam am 3.Juli 1910 als erstes Kind von Hermann und Babette
Rothschild (Foto links) zur Welt. Sein im Jahr 1881 in Hörstein,
einem Ortsteil von Alzenau, geborener Vater war Viehhändler. Seine 1887
geborene Mutter, eine geborene Steinhardt, stammt aus Estenfeld. Nach ihrer
Hochzeit zogen sie nach Gerolzhofen; der Grund hierfür ist bis heute unklar.
Sie wohnten zunächst in der Schallfelder Straße, im später abgerissenen
Eckhaus an der Einmündung zur Straße 'Auf der Weth', wo sich heute das Haus
mit der Zahnarztpraxis Seidenstücker – zuvor Weissenseel – befindet. Im Jahr
1914 erwarb die Familie ein stattliches Anwesen in der Rügshöfer Straße 15.
Viehhändler erwirbt bankrotten Brauerei-Gasthof. Im Jahr 1929 erwarb
Hermann Rothschild im Zuge einer Zwangsversteigerung die Brauerei Steinam,
das fortan Brauhaus Gerolzhofen hieß. Er ließ den Betrieb des
Brauereigasthofs fortführen. Kurt Rothschild half dabei maßgeblich mit und
trug dazu bei, den Umsatz in kurzer Zeit deutlich zu steigern, wie er es in
seinem Tagebuch beschreibt.
Anfang der 30er Jahre machte sich der 'politische Umschwung in Deutschland
und speziell in unserer Gegend' deutlich spürbar, hält Kurt Rothschild in
seinen niedergeschriebenen Erinnerungen fest. Nazi-Anhänger verhielten sich
immer häufiger offen aggressiv gegenüber jüdischen Mitmenschen. Er selbst
musste etwa im März 1933 den FC Gerolzhofen verlassen, wo er Mitglied war;
dies betraf damals auch alle übrigen jüdischen Mitglieder sämtlicher
Vereine. Kurts Vaters Hermann wurde am 12. März 1933 in sogenannte
Schutzhaft genommen, was den Nazis als reiner Vorwand diente, um Juden und
politische Gegner willkürlich wegzusperren. Hermann Rothschild kam zunächst
nach Würzburg ins Gefängnis und kurze Zeit später ins Konzentrationslager
(KZ) Dachau, was nicht zuletzt seine ganze Familie auch in große
wirtschaftliche Not stürzte.
Abenteuerliche Flucht über die holländische Grenze. Kurt Rothschild
wurde Ende März 1933 von einem Bekannten gewarnt, dass auch er verhaftet
werden sollte. Kurzentschlossen floh er mit dem Auto nach Hörstein, der
Geburtsstadt seines Vaters, zu Verwandten. Der grölende Mob, der kurz nach
seiner Flucht in Gerolzhofen vor der Haustür stand um ihn abzuführen, ging
damit leer aus. Nach einigen Tagen und mit Unterstützung weiterer Verwandter
gelang Kurt Rothschild zwischen Kaldenkirchen in Deutschland und Venlo in
Holland die Flucht über die Grenze. Er nutzte hierzu den Trubel einer
Fußballpartie zwischen beiden Orten, um ohne große Kontrolle die deutschen
und holländischen Grenzposten zu passieren. Dies sei der gefährlichste Teil
der Flucht gewesen, schreibt Kurt Rothschild viele Jahre später in seinem
Tagebuch.
Als junger jüdischer Mann, der vor den Nazis geflohen war, gelangte er
schließlich im Jahr 1935 von Frankreich aus nach Palästina. Dorthin folgten
ihm im Jahr darauf seine Eltern und seine Schwestern Liesel und Hanna. Diese
hatten zuletzt in Freudental (Lkr.
Ludwigsburg) gelebt, wohin sie gezogen waren, weil Hermann Rothschild nach
seiner Entlassung aus dem KZ nicht mehr nach Gerolzhofen zurückkehren
durfte.
Gründer von Fink's Bar und Restaurant in Jerusalem. Während Hermann
und Babette Rothschild im Jahr 1951 nach Deutschland zurückkehrten und bis
zu ihrem Tod 1968 (Babette) bzw. 1970 (Hermann) in Würzburg in einem
Altenheim lebten, blieb Kurt Rothschild in Israel. Er übernahm in Jerusalem
Fink's Bar und Restaurant, welche zu einer der renommiertesten
gastronomischen Adressen des Landes wurden. Seine Tochter Edna
Rothschild-Azrieli führte die Bar und das Restaurant mit ihrer Familie bis
zum Jahr 2014.
Der Besuch in Gerolzhofen hinterließ bei ihr tiefe Eindrücke, wie sie sagt.
Besonders beeindruckt zeigte sie sich vom Besuch des Hauses in der Rügshöfer
Straße, wo ihr Vater Kurt Rothschild aufwuchs. Karin Riedel, die heute dort
wohnt, führte die beiden Besucher aus Israel durchs ganze Anwesen, bis
hinauf in den alten Dachboden. 'Der Besuch hier hat mir das Gefühl dafür
gegeben, wie es damals wirklich war', beschreibt die 75-jährige Tochter von
Kurt Rothschild ihre Eindrücke.
Auch Evamaria Bräuer, die die Gäste in Gerolzhofen begleitete und mit ihrem
gesammelten Wissen über Familie Rothschild und die einstige jüdische
Gemeinde von Gerolzhofen versorgte, spürte, wie wichtig Mutter und Sohn der
Besuch der Örtlichkeiten war, die in deren Familiengeschichte zentrale
Rollen einnehmen. Die beiden seien schon am Abend nach ihrer Ankunft durch
die Stadt gelaufen und hätten alles auf sich wirken lassen, ebenso nochmals
am Tag nach dem gemeinsamen Rundgang.
Familie verliert zwei Buben im Kleinkindalter. Zusammen waren sie
auch im Stadtarchiv gewesen, wo der derzeitige Archivbetreuer Norbert
Vollmann Dokumente herausgesucht hatte, die mit der Geschichte der Familie
Rothschild zu tun haben. Unter anderem ist auf diese Weise anhand von
Urkunden aus dem Standesamt erstmals bekannt geworden, dass Hermann und
Babette Rothschild nach der Geburt ihres Sohnes Kurt zwei Söhne
hintereinander im Kleinkindalter verloren haben. Im Jahr 1911 starb ein Sohn
namens Max vier Wochen nach der Geburt und im Mai 1914 ein zweijähriger
Sohn, dem die Eltern erneut den Namen Max gegeben hatten, im Gedenken an den
zuvor gestorbenen Buben.
Diese Nachricht war auch für die beiden Besucher aus Israel völlig neu und
ein zusätzliches bedeutsames Puzzleteil für das Bild ihrer
Familiengeschichte. Beim Besuch des jüdischen Friedhofs von Gerolzhofen
konnte Evamaria Bräuer ihnen sogar den Grabstein des zweijährigen Max
Rothschild zeigen, der mutmaßlich einer in der Stadt wütenden
Masern-Epidemie zum Opfer fiel.
Spontaner Besuch im Gerolzhöfer Bierkrugmuseum. Spontan öffnete auf
die kurzfristige Anfrage hin Norbert Rumpel sein Gerolzhöfer Bierkrugmuseum,
wo ein original Krug des Brauhauses Gerolzhofen zu sehen ist, in dem Kurt
Rothschild seinerzeit arbeitete. Bei dieser Gelegenheit zeigte Eran Azrieli
auch ein Foto des Reservistenkrugs seines Urgroßvaters Hermann Rothschild.
Dieser hatte, wie alle seiner sieben Brüder, als Soldaten am Ersten
Weltkrieg teilgenommen.
Besonders wichtig ist es Bräuer, die wohlwollende, freundliche Stimmung
aller, die während des Besuchs zusammentrafen, herauszuheben. In diesem
Zusammenhang dankt sie ausdrücklich Karin Riedel für den offenen Empfang im
ehemaligen Haus der Familie Rothschild. Allen sei völlig bewusst gewesen,
dass die Nachgeborenen keinerlei Schuld an den Ereignissen und Verbrechen
während der Zeit des Nationalsozialismus trifft. Ausdrücklich hätten sich
die Besucher aus Israel und ihre Gastgeber zum Abschied voneinander nicht
nur Gesundheit, sondern Frieden gewünscht – für sich, ihre Heimatländer und
für die ganze Welt." |
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Edna Azrieli am Grab
ihres Onkels Max Rothschild |
Edna Azrieli-Rothschild
und ihr Sohn Eran Azrieli |
Eran Azrieli betet das
Kaddisch
am Grab für Großonkel Max |
Grab von
Max Rothschild (gest. 1911) |
Grab von Hermann
Rothschild
(1881-1970) in Würzburg |
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Fotos
erhalten von
Evamaria Bräuer
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Eran
Azrieli vor ehemaligem
1. Wohnhaus der Familie Rothschild
Bleichstr. 2 |
Eran Azrieli vor
ehemaligem
Anwesen der Familie Rothschild
Rügshöfer Straße 15 |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 278; III,1 S. 434. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern.
Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988. S. 59-60. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in
Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 300-302.
|
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 445-446.
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|
Michael Pfrang: Die jüdische Gemeinde in
Gerolzhofen. 1985. Zu bestellen für 2 € beim Historischen Verein
Gerolzhofen. |
| Dirk Rosenstock (Bearbeiter): Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg.
Band 13. Würzburg 2008. S. 132. |
| Martin Frey: Das Glöcklein aber läutet weiter...
Antisemitismus und Nationalsozialismus in Gerolzhofen 1919-1933. In:
Historisches Archiv der Stadt Gerolzhofen. Gerolzhofen 2000. Nr. 1 S.
173-204.
Auf den Seiten 175ff behandelt Frey ausführlich den Mordfall Karl
Schwarz, der große Wellen über Unterfranken hinaus schlug. Auf S. 191 wird
die Ortsgruppe Gerolzhofen des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten und
deren Führer erwähnt. S. 190 und S. 193f berichten über Schändungen des
jüdischen Friedhofes in Gerolzhofen. |
| Torsten Lattki: Benzion Kellermann. Prophetisches Judentum und
Vernunftreligion. 1. Auflage 2016. 460 S. ISBN
978-3-525-57040-1
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 2016. Informationen
und Bestellmöglichkeit über Verlagsseite.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Gerolzhofen Lower Franconia. Jews were
victims of the Rindfleisch massacres of 1298. The modern community dates from
the first half of the 17th century, with a cemetery consecrated in 1639 serving
seven other communities as well. A new synagogue was built in 1874. The Jewish
population reached a peak of 148 in 1900 (total 2,163) and numbered 125 in 1933.
On Kristallnacht (9-10 November 1938), jews were beaten and arrested and
their homes wrecked along with the synagogue. In 1933-41, 61 Jews emigrated from
Germany, 39 of them to the United States. Another 35 left for other German
cities. On 25 April 1942, 19 Jews were deported to Izbica near Lublin via
Wuerzburg; another six were sent to the Theresienstadt ghetto in September.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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