Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Thüngen (Markt Thüngen, Main-Spessart-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht: 

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bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
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bulletZur Geschichte der Synagoge   
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Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)  
    
In Thüngen bestand eine zeitweise große jüdische Landgemeinde bis 1942. Es war im Gebiet des heutigen Landkreises Main-Spessart die größte Gemeinde. 
  
Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurück. Damals hatten sowohl die Freiherren von Thüngen wie auch das Juliusspital, dem ein Viertel des Dorfes gehörte, jüdische Familien gegen Bezahlung entsprechender "Schutzgelder" aufgenommen.  1699 lebten bereits 28 jüdische Familien mit zusammen 130 Personen am Ort, davon waren 12 mit 57 Personen unter dem Schutz der Freiherren von Thüngen, 16 Familien mit 73 Personen unter dem Schutz des Juliusspitals. Im Laufe des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl auf bis zu 42 jüdische Haushaltungen an (1740), von denen 17 den Freiherren von Thüngen, 11 dem Juliusspital "gehörten". 
 
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1813 271 jüdische Einwohner (28,4 %), 1816 319 (34,7 % von insgesamt 920), 1837 350 (39,8 % von 880), 1867 227 (24,6 % von 924), 1880 231 (21,0 % von 1.099), 1900 218 (19,5 % von 1.116). 

An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Israelitische Konfessions- und Religionsschule sowie ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Laudenbach beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und teilweise auch als Schächter fungierte. Unter den jüdischen Lehrern sind u.a. bekannt: der für den gesamten Ort jahrzehntelang hoch bedeutende Ascher Eschwege (Lehrer von 1879 bis 1920; bereits sein Vater Hirsch Eschwege war um 1860 Lehrer in Thüngen),  Siegfried Freudenberger (Lehrer von 1921 bis 1931), Julius Roberg (1931/32), Max Rosenbaum (bis 1936), Harry Weinberg (1936 bis ?). 
   
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde beziehungsweise gelten als vermisst: Nathan Schreiner (geb. 20.4.1889 in Thüngen, gefallen 7.9.1914), Gefreiter Leo Scharlach (geb. 20.6.1892 Thüngen, gefallen 3.8.1915), Nathan Stern (geb. 24.6.1895 in Thüngen, gefallen 21.2.1916), Max Forchheimer (geb. 22.8.1890 in Thüngen, vermisst seit 4.11.1914), Leo(n) Forchheimer (geb. 12.9.1894 in Thüngen, vermisst seit 5.5.1915), Rudolf Frank (geb. 13.7.1896 Thüngen, vermisst seit 4.2.1917). Ihre Namen stehen auf dem Gefallenendenkmal des Ersten Weltkrieges in der Mitte des "Planplatzes" von Thüngen. 

Im Oktober 1923 kam es bei einem "Deutschen Tag" zu Ausschreitungen mit auswärtigen "Hakenkreuzlern" am Ort ("Thüngener Unruhen") mit einem Toten und Verletzten (Bericht s.u.).

Um 1924, als noch 184 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (15,7 % von insgesamt 1.170), waren die Vorsteher der Gemeinde Moses Tannenwald, Viktor Kraft, Alfred Frohlich, Simon Zucker und Louis Levy. Als Lehrer an der jüdischen Konfessionsschule (Volkshauptschule) wirkte Oberlehrer Siegfried Freudenberger. Er war zugleich Kantor und Schochet der Gemeinde. Freudenberger unterrichtete in Religion 14 jüdische Kinder an der Volkshauptschule und 11 Kinder an der Volksfortbildungsschule. An jüdischen Vereinen bestanden die Chewra Kadischa I (beziehungsweise Erste Chewra; gegründet 1885, Wohltätigkeits- und Bestattungsverein, 1924 unter Leitung von Jakob Stein, 1932 Leitung N. Strauß), die Chewra Kadischa II (beziehungszweite Zweite Chewra, gegründet 1881, Wohltätigkeits- und Bestattungsverein, 1924 unter Leitung von Meier Vorchheimer, 1932 unter Leitung von Meier Vorchheimer, 1932 16 Mitglieder), der Verein Assiva (auch Asifa; gegründet 1890, Verein zur Pflege des Torastudiums und der Krankenpflege; 1924 unter Leitung von Lehrer Freudenberger, 1932 N. Strauß; 1932 13 Mitglieder) und der Israelitische Frauenverein (1924/32 unter Leitung von Lina Stein). Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat in Würzburg (seit 1937 zum Distriktsrabbinat in Kissingen). 1932 gehörten etwa 160 jüdische Personen zur "Israelitischen Kultusgemeinde Thüngen". Erster Gemeindevorsteher war Moses Vorchheimer, der zweite Vorsteher Alfred Fröhlich; als Schriftführer war Lehrer Julius Roberg tätig. Dieser war 1931 Lehrer an der Israelitischen Volksschule geworden, an der (in einer Klasse) 15 Kinder unterrichtet wurden. Roberg war zugleich Leiter eines Israelitischen Jugendbundes (gegründet 1920 durch Hauptlehrer Freudenberger, s.u.).  
 
1933 wurden noch 152 jüdische Einwohner gezählt (13,5 % von insgesamt 1.129). Auf Grund der zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts wanderten immer mehr der jüdischen Einwohner aus oder verzogen in andere Orte: bis 1937 zunächst nur wenige, zwischen 1937 bis 1940 aber fast alle, sodass am 31. Dezember 1940 nur noch vier jüdische Einwohner gezählt wurden. Anfang 1942 waren es noch drei am Ort verbliebene jüdische Personen. Sie wurden am 24. April 1942 über Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert.    
    
Von den in Thüngen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt durch einige Namen aus Strätz, Biographisches Handbuch Würzburger Juden. 1989): Irma Bauer (1914), Adele Cohen geb. Tannenwald (1907), Betti Cohen geb. Vorchheimer (1905), Johanna Dames geb. Rogozinski (1887), Ferdinand Dessauer (1853), Selma Dessauer (1889), Rosa (Rosalie) Engländer geb. Vorchheimer (1878), Nathan Eschwege (1888), Frieda Fleischmann geb. Strauß (1895), Adolf  (Abraham) Forchheimer (1884), Isidor Forchheimer (1887), Louis Forchheimer (1876), Samuel (Sem) Forchheimer (1891), Theodor Forchheimer (1890), Bruno Frank (1915), Max Frank (1905),Moses Frank (1889),  Elisabeth Frankenburger (1911), Julius Frankenburger (1898), Moritz Frankenburger (1896), Rosa Fröhlich (1897), Bernhard (Baruch) Fulder (1866), Nathan Fulder (1863), Salomon Fulder (1869), Moses Glaser (1859), Hedwig Grünebaum geb. Siegel (1898), Regina Hess geb. Hirschheimer (1896), Ida Hesse geb. Hofmann (1892), Lina Hirschheimer (1866), Ricka Hirschheimer geb. Kraft (1877), Samuel Hirschheimer (1872), Siegfried Hirschheimer (1907), Fanni Hofmann (1895), Selma Hutzler geb. Siegel (1886), Friedel (Frieda) Katz geb. Stein (1903), Irma Levy geb. Hirschheimer (1901), Isaak Neumann (1879), Jettchen (Jette) Neumann geb. Hecht (1874), Lilli Neumann (1914), Julius Moses Neumann (1882), Bertha Oppenheimer (1852), Thekla Reis geb. Goldstein (1884), Gitta Reiter geb. Vorchheimer (1894), Rosa Rosenthal geb. Wachheimer (1880), Lina Rothschild geb. Forchheimer (1877), Rita Rothschild geb. Hirschheimer (1905), Jeanette Scharlach geb. Kissinger (1855), Günter Schlössinger (1927), Moses Schlössinger (1889), Frieda Sohn (1886), Selma Speier geb. Scharlach (1887), Arthur Stein (1910), Herz Stein (1871), Jakob Stein (1866), Julie (Julchen) Stein (1907), Lina Pauline Stein geb. Stern (1872), Senta (Sara) Stein geb. Scharlach (1883), Simon Stein (1874), Sara Strauss geb. Fulder (1866), Babette Strauß geb. Vorchheimer (1888), Gretchen (Grete) Strauß (1907), Moritz Strauß (1897), Meta (Marta) Traubel geb. Stein (1902), Adolf (Abraham) Vorchheimer (1884), Berta Vorchheimer geb. Hamburger (1877), Emil Vorchheimer (1895), Ernestine Vorchheimer (1892), Ignaz Vorchheimer (1899), Leopold Vorchheimer (1887), Ludwig Vorchheimer (1891), Selma (Sara) Vorchheimer geb. Adler (1896), Margaret Wolf (geb. ?).      
  
Im Juni 2009 wurde auf dem Planplatz ein neben dem Denkmal zur Erinnerung an die Gefallenen der Weltkriege ein Denkmal zur Erinnerung an 20 aus Thüngen umgekommene jüdische Personen eingeweiht (siehe Fotos und Berichte unten). Die auf dem Denkmal genannten Personen sind in der obigen Liste kursiv wiedergegeben.   
      
     
     
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
- "immer noch weit über Frankens Grenzen hinaus durch eine stattliche Zahl frommer jüdischer Häuser berühmt"
  

Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule  
Ausschreibung der Stelle des Schochet (1869) und Stelle des Elementarlehrers/ Vorbeters (1879)  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1869: "Vakanz. Die Schächterstelle in hiesiger Gemeinde mit einem Einkommen von ca. Gulden 225 soll baldigst besetzt werden und stehen einem befähigten Manne durch Erteilung von Privatunterricht um Hebräischen ansehnliche Nebenverdienste in Aussicht. 
Nur streng religiöse und sittliche Bewerber, ledigen Standes, welche sich der bei Seiner Ehrwürden Herrn Distriktsrabbiner Bamberger in Würzburg zu erstehenden Prüfung befähigt glauben, wollen sich mit Zeugnisabschriften in frankierten Offerten melden. 
Thüngen bei Würzburg, 19. Februar 1869. Der Kultus-Vorstand. M. Fulder  J. Goldschmidt."
   
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1879: "Die israelitische Elementar-Schulverweser- Stelle verbunden mit dem Vorsängerdienst dahier ist in Erledigung gekommen. Fixer Gehalt Mk. 600. Einkommen des Vorsängerdienstes und Gemeindeschreiberei beiläufig Mk. 200. Nebenverdienste sicher Mk. 200. Bei einem tüchtigen Manne stehen noch weitere Verdienste in Aussicht. Bewerber wollen sich binnen 14 Tage beim Unterzeichneten anmelden und Zeugnisse beilegen. 
Thüngen, 25. September 1879. M. Frankenburger. Vorstand". 
Auf die Ausschreibung dieser Stelle hin bewarb sich Ascher Eschwege, der bislang Lehrer in Kleinsteinach war (Anmerkung: der Sohn von Ascher Eschwege, der 1890 in Thüngen geborene Ruben Eschwege, war 1915 bis 1938 Oberkantor und Gemeindesekretär der Israelitischen Kultusgemeinde in Würzburg, gest. 1977 in New York).   

 
Die bedeutendste jüdische Persönlichkeit in der Geschichte Thüngens im 19./20. Jahrhundert: Hauptlehrer Ascher Eschwege (Lehrer in Thüngen 1879-1920)

Thuengen Israelit 06111930.jpg (301487 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. November 1930: "Hauptlehrer Ascher Eschwege 80 Jahre alt. Hauptlehrer Ascher Eschwege wurde am 4. November 1850; 9. Cheschwan 5611, als Sohn des Lehrers Hirsch Eschwege und seiner Ehefrau Leah geb. Steingut in Fulda geboren. Seine Kinderjahre verbrachte er in den Gemeinden: Thüngen, Neuhaus bei Neustadt an der Saale und Karbach, woselbst sein Vater, welcher rabbinische Autorisation hatte, wirkte. Er besuchte die Präparandie in Höchberg unter Leitung des rühmlichst bekannten Rabbi Elosor Ottensoser und hernach als einer der ersten Schüler die neu errichtete Israelitische Lehrerbildungsanstalt in Würzburg. Rabbi Seligmann Baer Bamberger bezeichnete ihn selbst als seinen Lieblingsschüler. Erst 19 Jahr alt, absolvierte er das Lehrerseminar und übernahm die Religionslehrerstelle in Zeitlofs. Nach glänzend bestandenem Staatsexamen übernahm er 1873 die Leitung der blühenden Gemeinde Kleinsteinach. 1874 vermählte er sich mit der Tochter des elsässischen Oberrabbiners Salomon Wolf Klein - Colmar, Begründer des ersten orthodoxen Rabbiner-Seminars in Frankreich. Seine mit hervorragenden Eigenschaften des Geistes und des Gemütes ausgestattete Gattin unterstützte ihn bei der Schaffung und Unterhaltung eines Internates für Knaben, welche sich dem Lehrer- und Kultusbeamtenberufe oder dem Studium der Torawissenschaften widmen wollten. Schließlich wurde ihm im Winter 1879 die Israelitische Volksschule in einer der größten bayerischen jüdischen Landgemeinden, in Thüngen, übertragen. 
In fast 40jähriger Tätigkeit bewähren sich daselbst seine erzieherischen und schöpferischen Eigenschaften, Die Gründung des jüdischen Frauenvereins, des Tora-Lernvereins Erwachsener 'Asisah', die sorgfältige Ausbildung der Schuljugend sowohl als auch der der Schule entlassenen Jugend in profanen und ganz besonders auch in jüdischen Disziplinen kennzeichnen seine Tätigkeit. Weit über seinen Pflichtenkreis hinaus war er allen seinen Gemeindemitgliedern und allen Ortsbürgern ohne konfessionellen Unterschied ein treuer Berater in allen Lebenslagen, Kranken und Bedürftigen, Armen und Notleidenden, Trauernden und Bedrückten stand er helfend und tröstend in vorbildlicher Weise zu Seite.  
Als in den Jahren 1898-1902 eine Typhus-Epidemie infolge der mangelhaften Trinkwasserverhältnisse in Thüngen ausgebrochen war, schuf er einen allgemeinen Helferdienst und stellte sich an die Spitze desselben. Tag und Nacht wurde dafür gesorgt, dass die Schwerkranken und ihre Angehörigen nicht allein waren und dass alles, was zur Behebung der Krankheit notwendig war, geschah. Er selbst war von dieser Epidemie befallen. Nachdem er wieder genesen war, setzte er mit anderen die Anlage einer Wasserleitung durch, die nach ihrer Durchführung auch in der Tat der Typhus-Epidemie ein Ende setzte. Er unterhielt aus Mangel des Vorhandenseins einer Ortsapotheke eine Hausapotheke, die alle Arzneien und Medikamente vorrätig hatte, welche bei Unglücks- und Krankheitsfüllen zur ersten Hilfe sich als notwendig erwiesen.
1919 verschied seine treue, allgemein angesehene und beliebte, ihm ebenbürtige Lebensgefährtin. 1920 erfolgte nach 41jähriger Amtstätigkeit in Thüngen und nach fast 51jähriger Lehrtätigkeit seine Pensionierung durch den bayerischen Staat.
Es lohnt sich, zu erwähnen, dass der evangelische Ortsarzt in Thüngen seinen Sohn in die jüdische Volksschule zum Unterricht schickte, weil sie von der vorgesetzten Schulbehörde als die beste am Platze anerkannt und ausgezeichnet wurde. 
Nach seiner Pensionierung siedelte der Jubilar nach Frankfurt am Main über, wo seine verwitwete Tochter ihm jene Güte und Fürsorge angedeihen lässt, welche den verdienstvollen Vater bis heute körperlich und geistig selten rüstig und lebensfroh erhielt.
Seinen Lebensabend füllt der Patriarch mit vielen Werken vorbildlicher Liebestätigkeit, mit selbstloser Unterweisung von Jugendlichen und Erwachsenen in religiösen Disziplinen verdienstvoll aus. Wir wünschen dem Jubilar weitere Jahre der Gesundheit und Arbeit. (Alles Gute) bis 120!"

   
Neujahrswünsche von Lehrer Ascher Eschwege (1897)  

Thuengen Israelit 23091897.jpg (26638 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. September 1897: 
"Verwandten, Freunden und Bekannten wünscht herzlichst eine 
'gute Einschreibung und gute Besiegelung" und 'ein gutes Jahr'. 
Lehrer Eschwege & Frau, Thüngen."   

  
Bar Mizwa-Feier von Ruben Moise Eschwege, Sohn von Lehrer Eschwege (1903)   

Thuengen FrfIsrFambl 10071903.jpg (11733 Byte)Unter den "Familiennachrichten" im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Juli 1903 die "Barmizwahs": "Ruben Moise, Sohn des Herrn Lehrer Ascher Eschwege in der Synagoge zu Thüngen (Unterfranken)."    

      
75. Geburtstag von Lehrer Ascher Eschwege (1925)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. November 1925: "(Ehrung eines Jeschiwoh-Dozenten). Herr Lehrer Eschwege, früher in Thüngen, der Senior der Dozenten in den Untergruppen der Thoralehranstalt Jeschiwa, beging vor wenigen Tagen in aller Frische und Rüstigkeit von Körper und Geist seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag. Herr Eschwege, seit einigen Jahren im Ruhestande, benützt diese 'Ruhe', um in Frankfurt in der Nähe seiner Kinder intensivem Thoralernen zu obliegen und mit ungeschwächter Jugendkraft und Jugendfreude Thora zu verbreiten. In der Jeschiwa widmet er sich mit bestem Erfolge den Kleinen und Kleinsten. Das Kuratorium der Jeschiwa ließ es sich nicht nehmen, dem jugendlichen Greise an seinem Geburtstage seine Wünsche für ein weiteres gedeihliches Arbeiten zu überbringen und in einem kostbaren Geschenke den Dank der Jeschiwa zum Ausdruck zu bringen. Gott mehre seine Tage." 

    
80. Geburtstag von Ascher Eschwege (1930)  

Thuengen BayrGZ 01111930.jpg (115913 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. November 1930: "Ascher Eschwege 80 Jahre. Eine der populärsten und ehrwürdigsten Persönlichkeiten in der unterfränkischen Judenheit, Ascher Eschwege (geboren am 4. November 1850 = 9. Cheschwan 5611), der von 1879-1920 die israelitische Volksschule in Thüngen, einer der größten bayerischen jüdischen Landgemeinden, leitete, feiert in diesen Tagen seinen 80. Geburtstag. Rabbi Seligmann Baer Bamberger bezeichnete selbst Ascher Eschwege als seinen Lieblingsschüler. 51 Jahre lang, bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1920, war Eschwege unermüdlich als Lehrer tätig; bei der Typhusepidemie vor 30 Jahren setzte er sich unter Hinansetzung von Leben und Gesundheit an die Spitze des Hilfsdienstes. Der evangelische Ortsarzt in Thüngen schickte seinen Sohn in die jüdische Volksschule, weil sie von der vorgesetzten Schulbehörde als die beste am Platze anerkannt wurde. 
Nach seiner Pensionierung 1920 siedelte der Siebzigjährige nach Frankfurt am Main über, wo er noch heute rüstig und lebensfroh unter den Seinen lebt. 
Von seinen neun Kindern sind drei Töchter an Lehrern, die an öffentlichen Volksschulen wirken, verheiratet, von den Söhnen übt der eine den Kaufmanns-, ein weiterer den Arztberuf aus, die übrigen drei stehen als Lehrer und Kantoren im Dienste der jüdischen Öffentlichkeit. Sein ältester Enkel ist seit etwa fünf Jahren Assistent des Universitätsprofessors Dr. Seit (Frankfurt am Main). Mögen dem 'Isch emunaus' raw b'rochaus' noch eine Reihe von glücklichen und zufriedenen Lebensjahren 'ad meoh w'esrim schonoh' (bis 120) im Kreise seiner Kinder, Enkel und Urenkel, die stolz zu ihm aufschauen, vergönnt sein."    

   
Oberlehrer Siegfried Freudenberger organisiert ein Treffen von Mit-Absolventen des Lehrerseminars (1925)  

Thuengen Israelit 30071925.jpg (30791 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juli 1925: "Thüngen (Unterfranken), 21. Juli (1925). Herr Oberlehrer S. Freudenberger in Thüngen lädt sämtliche Absolventen des Israelitischen Lehrerseminars Würzburg aus dem Jahre 1885 mit ihrem Familien zu einer Wiedersehensfeier im Hotel Goldschmidt in Würzburg am Sonntag, den 9. August dieses Jahres, nachmittags 5 Uhr herzlichst ein."   
  
Thuengen Israelit 10091925.jpg (137822 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. September 1925: "Würzburg, 6. September (1925). Auf Anregung der Oberlehrers S. Freudenberger - Thüngen hatten sich am 16. August die Absolventen der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt Würzburg des Jahres 1885 im Hotel Goldschmidt-Würzburg zum Teil mit ihren Familienangehörigen zu einer Wiedersehensfeier nach 40 Berufsjahren zusammengefunden. Nicht alle konnte erscheinen; manchen deckt schon der kühle Rasen - mancher war durch widrige Umstände am Erscheinen verhindert. Umso inniger gestaltete sich die Wiedersehensfreude derer, die kommen konnten. Distriktsrabbiner Dr. Hanover und Seminaroberlehrer Anfänger waren als Gäste erschienen. Heitere und ernste Reden würzten die Feier. Oberlehrer Freudenberger frischte in längerer, humorgewürzter Rede alte Erinnerungen auf. Hauptlehrer Mannheimer - Dettelbach sprach über die religiöse Bedeutung der Zahl 40. Oberlehrer Oberndörfer - Niederstetten brachte ein selbstverfasstes Festgedicht zum Vortrage. Seminaroberlehrer Anfänger gab ein Bild von der Entwicklung des Seminars seit den 40 Jahren und einen Ausblick auf die künftige Gestaltung der jüdischen Lehrerbildung. Rabbiner Dr. Hanover sprach über den Idealismus und das unentbehrliche Quentlein materiellen Einschlags beim Lehrerberufe. Nur zu schnell verflogen die schönen Stunden und mit dem Wunsche: Auf Wiedersehen in zehn Jahren so Gott will trennte man sich in später Stunde.  
Am anderen Tage erfolgte unter Führung Anfängers eine Besichtigung der in allen Teilen schön und praktisch restaurierten Seminarräume. Dann wurden die letzten Ruhestätten der ehemaligen Seminarlehrer (Dr. Tachauer - seligen Andenkens, J. Schlenker - seligen Andenkens, J. Weißbart - seligen Andenkens) pietätvoll besucht.   
Noch ein letztes Treuegelöbnis dem Berufe, den Kollegen und der alten, trauten Bildungsstätte und es hieß - scheiden! Die Erinnerungsfeier wird jedem Teilnehmer unvergesslich bleiben.   L."   


Lehrer Siegfried Freudenberger tritt in den Ruhestand (1931)  

Thuengen Israelit 23041931.jpg (131836 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. April 1931: "Thüngen, 20. April (1931). Wegen Erreichung der gesetzlichen Altersgrenze wurde Oberlehrer Freudenberger von der unterfränkischen Kreisregierung unter Anerkennung seiner Dienstleistung in den dauernden Ruhestand versetzt. Mit ihm verlässt ein Schulmann, der 46 Jahre als Volksschullehrer und Kultusbeamter seine ganze Arbeitskraft, sein reiches Können und seinen aufopfernden Fleiß in den Dienst einer Reihe unterfränkischer Gemeinden gestellt hatte, seinen Wirkungskreis. Über ein Jahrzehnte betreute Oberlehrer Freudenberger die altehrwürdige Kehilla (Gemeinde) in Thüngen, die größte unterfränkische Landgemeinde, die in der jüdischen Welt noch einen guten Klang besitzt. Unermüdlich arbeitete er in seiner Schule, tatkräftig als Leiter der verschiedenen Vereine. Der Gemeinde war er stets ein treuer Berater und dem einzelnen gegenüber immer hilfsbereit und entgegenkommend. Wenn in anderen Gemeinden gerade in den letzten Jahren vom alten jüdischen Lebensbaume gar manches abbröckelte, so hat es Freudenberger verstanden, dank seiner vortrefflichen Führereigenschaften und durch sein leuchtendes Vorbild an tiefinnerer Jüdischkeit und Selbstlosigkeit, den alten Geist und die althergebrachten Traditionen zu erhalten. Kultusverwaltung, Schule und Jugendverein bereiteten dem Scheidenden, der nach Würzburg übersiedelte und den die Gesamtbevölkerung nur ungern ziehen ließ, erhebende Abschiedsfeiern. Möge Herrn Oberlehrer Freudenberger und seiner Gemahlin noch ein sonniger Lebensabend in Gesundheit und Wohlergehen beschieden sein. (Alles Gute) bis 120."

  
Zum Tod von Hauptlehrer Ascher Eschwege (1931)  

Thuengen BayrGZ 01041931.jpg (71567 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. April 1931 (innerhalb der Mitteilungen des Bayerischen jüdischen Lehrervereins): "Hauptlehrer Ascher Eschwege. Das Andenken an den Gerechten ist zum Segen. Von einem unserer Mitglieder aus Frankfurt wird uns geschrieben: Ascher Eschwege, der vor einigen Monaten anlässlich seines 80.lGeburtstages in unseren Mitteilungen gefeiert worden war, ist am 2. Adar von hinnen gegangen. Wie er gelebt, so wollte er sterben und beerdigt sein. In seiner Bescheidenheit hat er sich geglichen Nachruf verbeten. Diesem letzten Wunsche des Heimgegangenen müssen wir Rechnung tragen. Beim Jubiläum unseres Vereins im August vorigen Jahres war Eschwege zu unserem Ehrenmitgliede ernannt worden. Es war eine Ehre für uns, dass er unser Mitglied war; denn mit seinem Tode ist ein Lehrerleben zu Ende gegangen, wie es idealer nicht gedacht werden kann. Er war ein Vater der Bedrückten und armen, ein Mensch, ein Jehudi. Alles für andere, für sich nicht. Das Andenken an den Gerechten ist zum Segen. Freunde und Bekannte hat er in einer letztwilligen Verfügung gebeten, ihn in ihre Schiurim einzuschließen."

 
Zum Tod von Lehrer Siegfried Freudenberger (bis 1931 Lehrer in Thüngen, 1936)  

Thuengen Bayr GZ 15041936.jpg (136811 Byte)Artikel in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. April 1936: "Siegfried Freudenberger seligen Andenkens. Würzburg. Kaum hat sich der Grabhügel gewölbt über die Gebeine unseres geliebten Kollegen Simon Freudenberger dahier, noch vor Ablauf der Schloschim (30 Trauertage) mussten wir dessen Bruder, Oberlehrer Siegfried Freudenberger, zur ewigen Ruhe betten. Wer hätte das gedacht, wer konnte solches ahnen bei dem stets vorzüglichen Gesundheitszustand des Siebzigjährigen? Rasch tritt der Tod den Menschen an! Nach kurzer, mehrtägiger Erkrankung wurde uns der liebe Freund und Kollege entrissen. Die Beerdigung am Montag, den 2. März, gab Zeugnis von dem schweren Verluste, den die Familie, die Lehrerschaft, die Gemeinde, das Judentum erlitten. In beredten Worten beleuchtete Herr Rabbiner Dr. Hanover den Lebensgang des Verblichenen, sein Wirken und Streben als Lehrer und Erzieher in den Gemeinden Burgsinn, Memmelsdorf, Reckendorf und Thüngen, von welchen Orten zahlreiche Teilnehmer an der Trauer herbeigeeilt waren, vielfach ehemalige, dankbare Schüler. Das Glück harmonischen Familienlebens verschönte das Dasein des Dahingegangenen. Zwei Schwiegersöhne gehören selbst dem Lehrberufe an, ein Sohn ist Arzt. Von den Behörden wurden das Streben und die Erfolge des tüchtigen Lehrers stets vollauf gewürdigt. So konnte der in den Ruhestand Getretene seinen Lebensabend seelisch befriedigt in Würzburg im Kreise vieler anderer Pensionisten verbringen. An den 'Lernkonferenzen' nahm er stets regen Anteil und suchte auch sonst sich im Gemeindeleben nützlich zu erweisen. Daher die innige Teilnahme aller. Mannheimer - Dettelbach sprach als Jugendfreund, der in gleichem Schritt und Tritt neben dem Heimgegangenen alle Stationen des Lebenslaufes und Lehrberufes absolvierte, warme Worte der Erinnerung. Simon Blumenthal - Würzburg brachte namens des jüdischen Lehrervereins in Bayern den Schmerz der Kollegen zum Ausdruck und rundete das Bild des lieben Menschen, guten Lehrers und treuen Vereinsmitgliedes zu einem geschlossenen Ganzen. Lehrer Heß - Miltenberg gab in bewegten Worten dem Schmerze der Familie und des nahen und weiteren Verwandtenkreises Ausdruck. Dann rollten die Schollen stumpf hernieder. 'Süß ist der Schlaf des Arbeiters.' Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." 
 
Thuengen Israelit 19031936.jpg (205398 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. März 1936: "Würzburg, 13. März (1936). Noch in den Schloschim (30 Trauertagen) um seinen vor drei Wochen heimgegangenen Bruder folgt ihm nun Oberlehrer a.D. Freudenberger ganz unerwartet kurz nach Vollendung seines 70. Lebensjahres im Tode nach. Die segensreiche Tätigkeit des Verstorbenen als Lehrer und Betreuer verschiedener unterfränkischer Landgemeinden wurde in dieser Zeitung anlässlich der Vollendung seines 70. Lebensjahres eingehend gewürdigt. Fast vergessen aber ist heute der Allgemeinheit sein Verdienst, Vater und Begründer des Siedlungsgedankens im deutschen Judentum zu sein. Als ein weiser Seher... sah er schon vor 30 Jahren fast in prophetischer Schau die verhängnisvolle Auswirkung der einseitigen Berufsschichtung innerhalb unserer Glaubensgemeinschaft. In Wort und Schrift richtete er damals in flammender Begeisterung den Ruf an die jüdische Öffentlichkeit: 'Zurück zum Berufe der Väter im heiligen Lande, zurück zur Scholle!' Erst die harte Notwendigkeit unserer Zeit lehrte die zahlreichen Gegner dieser Bestrebung von einst eines Besseren. 
Welcher Wertschätzung und Beliebtheit sich der Heimgegangene erfreuen konnte, zeigte die außerordentlich große Beteiligung an der Beerdigung, die am 2. März auf dem Würzburger Friedhof stattfand. In einer großangelegten Trauerrede ließ Herr Rabbiner Dr. Hanover die überragende Persönlichkeit des Heimgegangenen, der aus eigener Kraft und mit seltener Willens- und Charakterstärke sich seine Position geschaffen habe, vor unserem geistigen Auge vorüberziehen. In bewegten Worten verabschiedete er sich von einem Freund, der ihm im letzten Jahrzehnt persönlich nagegestanden habe. Als Studiengenosse und Freund sprachen Hauptlehrer Mannheimer, Dettelbach, für den Israelitischen Lehrerverein in Bayern, Hauptlehrer a.D. Blumenthal, Würzburg, für die Familie, sodann Lehrer Hess, Miltenberg, herzliche Worte des Abschieds und des Gedenkens. 
Ein Mann von tiefer Herzensfrömmigkeit, der Treue und Wahrhaftigkeit, ein untadeliger Charakter, ein vorbildlicher Gatte und Familienvater, dessen Herzensgüte und Hilfsbereitschaft gegen jedermann allbekannt war, ist allzu früh den Seinen und der Allgemeinheit entrissen worden. Möge Gott der tief betrübten Gattin und den trauernden Kindern in ihrem Schmerze reichen Trost spenden. Seine Seele sein eingebunden in den Bund des Lebens."        
  
Anmerkung: Siegfried Freudenberger ist am 1. Dezember 1865 in Heßdorf / Unterfranken als Sohn des Landwirts Judas Freudenberger und seiner Frau Babette geb. Goldner geboren; Ausbildung an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg, unterrichtete an jüdischen Volksschulen in Memmelsdorf, Maßbach u.a., zuletzt in Thüngen. Er war verheiratet mit Rika geb. Hecht, geb. 19. Juli 1870. 
Der im Artikel auch genannte Lehrer Simon Freudenberger ist am 10. Juni 1871 in Heßdorf geboren (Bruder zu Siegfried). Er starb am 4. Februar 1936 in Würzburg. Angaben nach R. Strätz: Biographisches Handbuch.
Hinweis: eine Tochter Erna (geb. 1900) des Lehrers Siegfried Freudenberger ist im jüdischen Friedhof in Maßbach beigesetzt.  

      
Lehrer Julius Roberg vertritt die Lehrerstelle (1931/32)  

Thuengen BayrGZ 15051931.jpg (13577 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Mai 1931: "Personalia. Kollege Blumenthal in Unsleben wurde ab 1. Mai zum Oberlehrer ernannt. Roberg (Höchberg) wurde mit der Verwendung von Thüngen betraut". 
Anmerkung: Julius Roberg ist 1907 in Berlichingen geboren. Er ließ sich 1921-24 an der Israelitischen Präparandenschule in Höchberg und an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg zum Lehrer ausbilden (Examen 1927). Zunächst unterrichtete er in Höchberg, 1931-32 vertrat er die Lehrerstelle in Thüngen. Danach unterrichtete er an der jüdischen Volksschule in Würzburg (auch an der ILBA?) und war als Kantor tätig. Beim Novemberpogrom 1938 festgenommen und nach Dachau verschleppt. Im Februar 1939 mit Ehefrau und Sohn nach London emigriert. Dort weiterhin als Lehrer tätig; lebte 1983 im Ruhestand in London. Söhne: Meir Uri (geb. 1938) und Nathan (geb. 1939).
(Quelle: Strätz, Biographisches Handbuch Bd. II S.  464).  

    
Die jüdische Volksschule wird aufgehoben und als private Schule weitergeführt (1935) 
 

Mitteilung in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juni 1935: "Die Volksschulstelle in Thüngen wurde mit Beginn des Schuljahres 1935/36 aufgehoben. Die Schule wird als private jüdische Volksschule weitergeführt."   

    
Hauptlehrer Max Rosenbaum verlässt Thüngen (1936)  

Thuengen Bayr GZ 15011936.jpg (12750 Byte)Artikel in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Januar 1936: "Hauptlehrer Max Rosenbaum in Thüngen ist ab 1. Februar zum Leiter des Israelitischen Volksschule in Unsleben ernannt worden."    

   
Lehrer Harry Weinberg wird Lehrer in Thüngen (1936)   
Anmerkung: nach Strätz Biographisches Handbuch Würzburger Juden Bd. II S. 659 ist Harry Weinberg 1908 in Sulzbürg als Sohn des Rabbiners Magnus Weinberg geboren, Er studierte 1936 (?) bis 1930 an der ILBA Würzburg. Er konnte noch (wann?) emigrieren und lebte in den 1960er-Jahren in London. Er war verheiratet mit Fanny geb. Kahn (geb. 1913 in Gemünden), die nach der Deportation 1941 in Minsk ermordet wurde. Vor seiner Zeit in Thüngen war Harry Weinberg Lehrer in Gemünden.   

Mitteilung in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 16. November 1936: "Stellenbesetzungen: Dem Lehrer Harry Weinberg wurde mit Wirkung vom 1. November dieses Jahres die Leitung der privaten Volksschule in Thüngen übertragen."    

  
  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
 
Vergabe des Aussteuerpreises in Aschaffenburg aus der Dilsheimerstiftung an Jettchen Hecht verh. Neumann (1905)   
Anmerkung: Jettchen Neumann geb. Hecht ist am 13. November 1874 in Babenhausen [nicht: Baumhausen!] geboren; sie war seit 1905 verheiratet mit dem Kaufmann/Eisenhändler Isaak Neumann (geb. 1879 in Thüngen). Die beiden wohnten in Thüngen und wurden Ende April 1942 ab Würzburg nach Krasnystaw deportiert und ermordet. Die Namen der beiden stehen auf dem Denkmal für die aus Thüngen in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Personen.      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. Mai 1905: "Aschaffenburg, 19. Mai (1905). Kommenden Sonntag wird im Deutschhaussaale der Aussteuerpreis aus der Dilsheimerstiftung im Betrage von 2.000 Mark an Fräulein Jettchen Hecht verabreicht werden. Im kommenden Jahre erhält den Preis eine Christin."    
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Juni 1905: "Aschaffenburg, 25. Mai (1905). Mit einer schönen Stiftung bedachte vor Jahren der in Paris verstorbene Kaufmann Daniel Dilsheimer (statt Pilsheimer) seine Vaterstadt Aschaffenburg. Er verfügt letztwillig, dass alljährlich 2.000 Mark in bar an ein vom Magistrate ausgewähltes Mädchen, das sich besonders durch Tugendhaftigkeit und Unterstützung seiner Eltern ausgezeichnet hat, als Heiratsstipendium ausbezahlt werden. Die Überreichung hat stiftungsmäßig öffentlich und feierlich zu geschehen, was einer französischen Sitte entspricht; auch im Monat Mai muss die sogenannte 'Rosenbraut' beglückt werden. Für heuer fiel das Stipendium einem jüdischen Mädchen und zwar der Dienstmagd Jettchen Hecht zu. Heute Vormittag fand im Rathaussitzungssaale in Anwesenheit der städtischen Kollegien und vor zahlreichem Publikum durch Herrn Bürgermeister Dr. Matt die feierliche Überreichung des Stipendiums von 2.000 Mark in neuen 20-März-Stücken statt. Den Abschluss der Feier bildete die Ziviltrauung der Bedachten mit dem Kaufmann Isaak Neumann."     

   
Oberarzt Dr. Samuel Eschwege erhält das EK I (1918)   

Thuengen FrfIsrFambl 13091918.jpg (22157 Byte)Meldung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 13. September 1918: "Nürnberg. Leutnant Jakob Steinacher - Nürnberg, Oberarzt Dr. Samuel Eschwege aus Thüngen und Leutnant Emil Kraemer aus Ansbach erhielten das Eiserne Kreuz 1. Klasse."

  
Zum 80. Geburtstag von Babette Bierschild - "Wahrzeichen des jüdischen Geistes in der Thüngener Gemeinde" (1920)    

Thuengen Israelit 18031920.jpg (71311 Byte)Artikel aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. März 1920: "Thüngen (Unterfranken), 14. März (1920). Unsere altehrwürdige Gemeinde Thüngen, immer noch weit über Frankens Grenzen hinaus durch eine stattliche Zahl frommer jüdischer Häuser berühmt, feiert einen Festtag. Die älteste der jüdischen Frauen und eine der ältesten des Ortes, Babette Bierschild, begeht in voller Rüstigkeit ihren 80. Geburtstag. Sie, die in einem alteingesessenen jüdischen Bürgerhaus des fränkischen Dörfchens Fuchsstadt entstammt, - das Dorf beherbergt keine Juden mehr, nur der jüdische Friedhof und die Träger der Namen derer, die dort ruhen, zeugen von der einst blühenden Gemeinde - hat in Thüngen vor vielen Jahren eine zweite Heimat gefunden. Hier wirkte sie anfangs an der Seite ihres gelehrten Bruders Jakob Bierschild - seligen Angedenkens - und nach seinem Tode in biederer Schlichtheit als jederzeit hilfreiche und wohltätige Freundin. Gar innig verwebte sich ihr Leben mit dem Geschick der Gemeinde. Das dritte Geschlecht zieht an ihr vorüber, alle aber schauen voll Ehrfurcht und Dankbarkeit zu der frommen Frau hinauf. Sie verehren sie als Wahrzeichen des jüdischen Geistes in der Thüngener Gemeinde. Und aller Wunsch ist, dass ihr von HaSchem (Gott) noch recht viele Jahre stillzufriedenen Glücks beschieden sein mögen.  (Alles Gute) bis 120 Jahre."

  
Goldene Hochzeit von Oskar Forchheimer und Karolina geb. Heinemann (1925)
   

Thuengen Israelit 13081925.jpg (49840 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1925: "Thüngen, 10. August (1925). In körperlicher und geistiger Frische feiern die Eheleute Oskar und Karolina Forchheimer von hier, letztere geborene Heinemann, am Sonntag, den 23. August, das Fest der goldenen Hochzeit. Beide führen ihr Mehl- und Getreidegeschäft noch ununterbrochen bis heute fort. Von den 7 während des ganzen Weltkrieges an der Front befindlichen Söhne haben zwei den Heldentod gefunden. Außerdem standen auch zwei Schwiegersöhne im Feld. (Alles Gute) bis 100 Jahre."  

   
Zum Tod von Oskar Forchheimer (1928)  

Thuengen Israelit 17051928.jpg (61897 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1928: "Thüngen, 13. Mai. Am 12. Ijar ist im hohen Alter von nahezu 80 Jahren Oskar Forchheimer verstorben. Er stand auf streng religiösem Standpunkte und hat noch in seinem Siechtum in den letzten Jahren treu und gewissenhaft alle Gebote unseres heiligen Glaubens erfüllt. Der Verstorbene war ein einfacher, schlichter, biederer, unermüdlich tätiger, friedliebender Mann. Seine 7 Söhne standen im Weltkrieg an der Front; außerdem waren noch 2 Schwiegersöhne eingezogen. Der Verlust von zwei Söhnen, die den Heldentod gestorben sind, brach seine Kraft. Bei der Überführung schilderten Oberkantor Eschwege in Würzburg und Oberlehrer Freudenberger von hier seinen Lebensweg und seine Verdienste."

   
89. Geburtstag von Babette Bierschild (1929)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1929: "Thüngen (Unterfranken), 10. März (1929). Das Ehrenmitglied unseres hiesigen Frauenvereins, zugleich die älteste Bürgerin der politischen Gemeinde, Fräulein Babette Bierschild, feierte am 14. dieses Monats in seltener körperlicher und geistiger Frische ihren 89. Geburtstag. Jeder in Bayern erinnert sich gerne dieser Gelehrten-Familie, der diese ehrwürdig-fromme Jüdin entstammt. Möge der Jubilarin noch ein weiterer glücklicher Lebensabend beschieden sein. (Alles Gute) bis 120 Jahre."   


90. Geburtstag von Babette Bierschild (1930)  

Thuengen BayrGZ 15031930.jpg (103548 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. März 1930: "Thüngen (Unterfranken), 6. März 1930: In seltener körperlicher und geistiger Frische feiert am Purimfest Babetta Bierschild von hier ihren 90. Geburtstag. Sie ist die älteste Person in hiesiger Marktgemeinde. Schön frühzeitig verwaist, steht sie seit Jahrzehnten schon einsam ohne nähere Verwandte da. Sie blieb unverehelicht. Sie betrieb früher ein reges Nähegeschäft. Heute noch besorgt sie allein ihre Haushaltungsarbeiten und nimmt lebhaften Anteil an allen Vorkommnissen der Gemeinde. Von tief religiöser Gesinnung besitzt sie durch ihren edlen Charakter und durch ihr freundliches, bescheidenes Wesen die Liebe und Achtung des ganzen Ortes ohne Unterschied der Bevölkerung. Die Gesamteinwohnerschaft nimmt innigen Anteil an ihrem Freudentag. Der hiesige Gemeinderat und die israelitische Kultusverwaltung ehren die Greisin mit Überreichung eines Geschenkes durch je eine Abordnung." 
    
Thuengen Israelit 10041930.jpg (76401 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. April 1930: "Thüngen (Unterfranken), 1. April..." Insgesamt derselbe Text wie oben- im Rückblick formuliert

     
     
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben  
Antijüdische Unruhen (1866)  

Laudenbach Israelit 13061866.jpg (71530 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1866: "Regensburg, 1. Juni (1866). Das schändliche Treiben der Judenverfolgung, wie es vor Kurzem in Böhmen stattgefunden, scheint sich leider jetzt auch in Bayern einstellen zu wollen. In Laudenbach, Wiesenfeld und Thüngen (Bezirksamt Karlstadt) ist der Krawall bereits losgegangen. Schon seit 14 Tagen werden den Juden die Fenster eingeworfen, die Läden gesprengt, die Hausdächer demoliert, und wird verdorben, was verdorben werden kann. Trotzdem, dass der Bezirksamtmann eine Mahnung an die betreffenden Gemeinden ergehen ließ, wiederholten sich die Exzesse; mitten in der Nacht, halb angekleidet, flüchteten sich die Juden, namentlich das weibliche Geschlecht, auf Schiffen nach Karlstadt. Es ist sogar Militär nach Laudenbach requiriert worden."   

    
Gründung des Jugendvereines durch Hauptlehrer Freudenberger im Dezember 1920  

Thuengen Israelit 30121920.jpg (14623 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Dezember 1920: "Thüngen, 19. Dezember (1920). Hauptlehrer Freudenberger, gründete hier in Verbindung mit einer Chanukkafeier, einen Jugendverein, dem sofort 48 aktive und 10 passive Mitglieder beitraten."

   
Die "Thüngener Unruhen" im Oktober 1923 - die NS-Zeit wirft ihre Schatten voraus  

Thuengen Israelit 27031924.jpg (197938 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. März 1924: "Die Thüngener Unruhen vor Gericht
Thüngen, 23. März 1924. Am 21. Oktober 1923 veranstaltete der Bund "Bayern und Reich" unter Führung des Baron von Thüngen einen sogenannten deutschen Tag. Dazu waren noch auswärtige vaterländische Verbände Oberland und andere mehr geladen. Bis zu den Zähnen bewaffnet, trafen diese hier ein. Am Bahnhofe schon stießen verschiedene Angekommene schwere Drohungen gegen die hiesige Einwohnerschaft aus. Sie wurden darob mit Pfuirufen empfangen. Die Stimmung war gereizt. Vor dem Schlosse stellte sich der Zug auf. Außer dem Baron und einiger seiner Bediensteten schlossen sich hier nur noch 2-3 Einwohner an. Wüster Lärm und lautes Gejohle einer großen Volksmenge begleitete den Zug. Am Kriegerdenkmal sollte eine Feier stattfinden. Dieses wurde jedoch von den hiesigen jungen Leuten verhindert. Sie umstellten das Denkmal. Sie wollten das Andenken ihrer gefallenen Brüder, Freunde und Kameraden durch politische Reden der Hakenkreuzler nicht schänden lassen. Der Baron kommandierte: 'Platz räumen!'. In diesem Augenblick zogen die sogenannten Vaterländischen blank. Ein unbeteiligter hiesiger Arbeit erhielt einen tödlichen Stich. Darauf herrscht ungeheure Erregung. Die Landespolizei von Würzburg wurde telefonisch herbeigerufen. Sie verhaftete vom Platz weg 10 junge Leute, darunter 7 Israeliten. Um den Mörder kümmerte man sich nicht. Wie Schwerverbrecher wurden diese gefesselt, gleichsam zur Schau durch die Straßen des Städtchens Karlstadt geführt. Sieben Wochen schmachteten sie in Untersuchungshaft. Die Erbitterung des hiesigen Ortes richtete sich gegen Baron von Thüngen. Laute Verwünschungen wurden gehört. Die schöne Harmonie, die bisher zwischen den hiesigen Konfessionen geherrscht hat, wurde nicht getrübt. Am Volksgericht Würzburg fand vom 13. bis 15. März die Hauptverhandlung wegen Landfriedensbruch gegen 13 Angeschuldigte, darunter 7 Israeliten, statt. 55 Zeugen waren geladen. Die Verhandlung ergab die volle Haltlosigkeit der ganzen Anklage. Die Verdächtigung in der Anklageschrift: 'Die Juden in Thüngen haben beschlossen, den deutschen Tag mit Gewalt zu verhindern und da sie glaubten, dazu zu schwach zu sein, haben sie sich mit dem Fußballklub verbunden,' hat selbst der Staatsanwalt fallen lassen. Die Angeklagten wurden teils freigesprochen und teils wegen Unfugs zu 3-5 Wochen Haft, verbüßt durch die Untersuchung, verurteilt. Dieser Wahrspruch ist ein glänzender Sieg der Wahrheit und des Rechtes gegen niedrige, böswillige Verleumdung und konfessionelle Entzweiung. Der gesunde Sinn der hiesigen Einwohner ließ sich durch die propagandistischen Absichten des deutschen Tages nicht betören. Die hiesige Bevölkerung will mit ihren jüdischen Mitbürgern, die nahezu ein Fünftel der Ortsbewohner zählen und im Weltkrieg 7 tapfere Söhne auf dem Altar des Vaterlandes geopfert haben, auch weiterhin wie bisher in Frieden und Eintracht leben. Das Fiasko des deutschen Tages wird für den von völkischen Schlagworten berauschten jungen Baron - der im Gegensatz zu den Bekundungen aller Zeugen seine Leute wehrlos und die hiesige Bevölkerung mit Knütteln bewaffnet sah - und seine Hintermänner eine heilsame Lehre bleiben." 
 
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 3. April 1924: "Die Thüngener Ausschreitungen. Glänzende Rechtfertigung der jüdischen Angeklagten.  Am 21. Oktober veranstaltete der Verein 'Bayern und Reich' in Thüngen unter Führung des Barons Lutz von Thüngen einen Deutschen Tag. Mit Revolvern und Messern bewaffnet erschienen auswärtige Vereine, und schon am Bahnhof kam es zu Rempeleien. Das Bezirksamt Gemünden hatte die Erlaubnis zu der Veranstaltung gegeben, obschon durch eine Verordnung des Generalkommissariats Versammlungen im Freien verboten waren.  
Unter dem Gejohle und Geschrei der Thüngener Burschen bewegte sich der Zug nach dem Kriegerdenkmal. Die Thüngener Burschen besetzten jedoch das Denkmal und den freien Platz und schrieen: 'Hier werden keine politischen Reden gehalten, hier liegen unsere Toten!' Der Baron von Thüngen gab aber darauf den Befehl, den Platz zu säubern, und sofort stürmte ein Stoßtrupp der Hakenkreuzler mit gesenkter Fahne, bewaffnet mit Dolchen und Revolvern, gegen die unbewaffneten Thüngener Burschen los. Einer der Leute erhielt einen schweren Stich am Hals, dem er nach wenigen Minuten erlag. Die Landespolizei schaffte wieder Ruhe, nahm 13 Thüngener junge Leute, darunter 7 jüdischen Glaubens, fest, und sie mussten sich jetzt vor dem Würzburger Volksgericht als Rädelsführer des Landfriedensbruches verantworten.  
Die Anklage war von der Annahme ausgegangen, dass die Juden von Thüngen die Störung des Deutschen Tages verabredet und sich dazu der Hilfe des Fußballklubs, den sie dazu bestochen hätten, bedient hätten. Die dreitägige Verhandlung ergab, dass diese Annahme durchaus falsch sei, die Anklage wegen Landfriedensbruches musste fallen gelassen werden, und es erfolgten nur teilweise Verurteilungen wegen groben Unfugs zu Haftstrafen. Ein Teil der Angeklagten wurde freigesprochen. Um dieser Verurteilung abzuwarten, mussten die Festgenommenen sieben Wochen in Untersuchungshaft sitzen. 
Mit wie verschiedenem Maß die öffentliche Meinung in Bayern bei Christen und Juden zu messen pflegt, beweist dieses Geschehnis. In Thüngen lebten unter 1000 Einwohnern etwa 200 Juden seit Jahrzehnten im besten Einvernehmen; das Kriegerdenkmal in Thüngen nennt unter 44 Namen der Gefallenen 7 Juden. Nichtsdestoweniger konnte die Behauptung der Gendarmen, dass der ganze Widerstand gegen den Deutschen Tag von den Juden veranstaltet und bezahlt sei, sofort öffentlichen Glauben finden. Es ist erfreulich, dass das Volksgericht in Würzburg zum Unterschied von manchen anderen bayerischen Volksgerichten objektiv geurteilt und die völlige Unschuld der Juden anerkannt hat."      

   
Erinnerung an den in Thüngen geborenen Abraham Albert Fröhlich 
(Foto erhalten von Lin Herz)   

Noerdlingen Fam Froehlich 045.jpg (146116 Byte) Links Abraham Albert Fröhlich (geb. 21. Januar 1895 in Thüngen, gest. 26. Februar 1977 in Raleigh, North Carolina / USA). Das Foto zeigt ihn mit seiner Frau Emilie (Millie) geb. Bühler (geb. 13. Mai 1896 in Nördlingen, gest. 14. Dezember 1991 in Raleigh, North Carolina / USA). Das Foto entstand im Juli 1926 wo Abraham Fröhlich als Lederfabrikant tätig war.
  

    
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen 
Lehrlingssuche des Modewarengeschäftes M. Fulder (1901)  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Oktober 1901: "Suche für mein Modewaren-Geschäft einen Lehrling aus guter Familie. Samstags und Feiertage geschlossen. 
M. Fulder, Thüngen (Bayern)." 

     
Anzeige des gemischten Waren- und Eisengeschäftes M. Frankenburger (1904)       

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1904:  
"Für mein gemischtes Waren- und Eisengeschäft suche einen 
Lehrling
 
mit guter Schulbildung. Samstags geschlossen. Kost und Logis im Hause.
M. Frankenburger, Thüngen (Bayern)".          

  
Verlobungsanzeige von Bertie Fröhlich und Sigmund Bravmann (1922)       

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. April 1922: "Statt Karten: 
Bertie Fröhlich - Sigmund Bravmann, Lehrer. Verlobte. 
Thüngen
in Unterfranken - Weilburg an der Lahn
5. Tag von Pessach 5682 (= 17. April 1922)". 

    
Verlobungs- und Heiratsanzeige von Mally Adler und Dr. Rudolf Freudenberger (1923) 
sowie Verlobungsanzeige von Else Freudenberger und Josef Frank (1923)    

Heubach Israelit 23081923.jpg (26749 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1923: "Gott sei gepriesen
Mally Adler - Dr. med. Rudolf Freudenberger
. Verlobte. 
Heubach
/ Schüchtern  -  Bergen - Frankfurt am Main / Thüngen
7. Elul 5683 (= 19. August 1923)".  
   
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1923: "Gott sei gepriesen
Dr. Rudolf Freudenberger - Mally Freudenberger geb. Adler. Vermählte. Bergen - Frankfurt am Main.  
Else Freudenberger - Josef Frank. Verlobte. Thüngen Unterfranken - Würzburg."
Anmerkung: Dr. Rudolf Freudenberger ist am 25. März 1893 als Sohn des späteren Lehrers in Thüngen - Siegfried Freudenberger s.o. - in Memmelsdorf geboren; er studierte Medizin in Würzburg, 1915-1918 Kriegsteilnehmer, Feldhilfsarzt; 1921 nach Nürnberg.
Josef Frank war ein Sohn des Getreidehändlers Benjamin Frank in Thüngen (verh. mit Sofie geb. Goldschmidt). Else Freudenberger ist am 22. April 1898 als Tochter des späteren Lehrers in Thüngen - Siegfried Freudenberger (s.o.) - in Memmelsdorf geboren. Josef Frank war in Würzburg als Kaufmann tätig (Mitinhaber der Fa. Siegbert Dillenberger & Co., Kurzwarengroßhandlung und Wäschefabrik; das Ehepaar ist im Dezember 1936 nach Argentinien emigriert.  Alle Angaben nach Strätz Biographisches Handbuch Würzburger Juden. 

  
Anzeige der Wurstfabrik Samuel Dessauer (1924)

Thuengen Israelit 01051924.jpg (42066 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Mai 1924: "Koschere Wurstwaren. Empfehle prima Kochwurst per Pfund 1.20 Gm., prima Landwurst per Pfund 1.50 Gm., prima Dauerwurst per Pfund 2.- Gm. sowie sämtliche anderen Wurst- und Fleischwaren zu billigsten Tagespreisen. Versand nur unter Nachnahme. Samuel Dessauer, Thüngen (Unterfranken) Wurstfabrik mit elektrischem Betrieb. Telefon 16."

      
Louis Vorchheimer II. sucht eine Lehrstelle für seinen Sohn (1925)

Thuengen Israelit 30041925.jpg (33695 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1925: "Lehrstelle für meinen Sohn mit Handelsschulbildung in Manufakturgeschäft, Samstag geschlossen, bei Kost und Logis im Hause, gesucht. 
Louis Vorchheimer II., Thüngen (Unterfranken)."

      
Verlobungsanzeige von Bella Freudenberger und Pinnas Blumenberg (1926)      

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1926: 
"Bella Freudenberger - Pinnas Blumenberg. 
Verlobte. 
Zürich / Thüngen - Zürich."     

    
Verlobungs- und Hochzeitsanzeige von Minna Freudenberger und Salli (Sally) Stern (1927/1928)

Thuengen Israelit 29121927.jpg (22193 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Dezember 1927: 
"Minna Freudenberger - Salli Stern 
Verlobte  
Thüngen, am Chanukka-Fest (1927)."
 
Thuengen Israelit 26071928.jpg (26097 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juli 1928: 
"Sally Stern - Minna Stern geb. Freudenberger. Vermählte. 
Thüngen, (Unterfranken). 
Trauung: Hotel Katzmann, Würzburg. 29. Juli 1928, mittags 12 Uhr."   

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge  
   
Eine Synagoge beziehungsweise ein Betsaal war auf Grund der großen Zahl der jüdischen Einwohner sicher bereits Ende des 17. Jahrhunderts vorhanden ("Judenschule").
   
Anstelle dieser alten, auf Grund und Boden des Juliusspitals erbauten älteren Synagoge wurde 1860 (oder in den 1860er-Jahren?) eine neue Synagoge mit Schule und Lehrerwohnung erbaut. Ein Bericht zu ihrer Einweihung konnte nicht nicht gefunden werden.  Doch liegt ein ausführlicher Bericht über die Einweihung einer neuen Torarolle aus dem Jahr 1884 vor: 
   
Einweihung einer neuen Torarolle (1884)

Thuengen Israelit 03041884.jpg (78645 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. April 1884 (abgekürzt zitiert): "Thüngen bei Würzburg. Am verflossenen Heiligen Schabbat, Paraschat Schemot (Schabbat mit der Toralesung Schemot, das ist 2. Mose 1,1-6,13, das war Schabbat, 19. Januar 1884) wurde dahier ein Fest begangen, welches sich zu einem so herrlichen gestaltete, dass es verdient, auch in weiteren Kreisen bekannt zu werden. Die Chevra rischnoh (d.i. die oben genannte Erste Chevra, d.i. der Wohltätigkeits- und Bestattungsverein) ließ durch Anregung Herrn Lehrer Eschwege eine Torarolle schreiben, die an erwähntem Heiligen Schabbat in folgender Weise ihrem heiligen Zwecke übergeben wurde. 
Am Freitag Abend gegen 8 Uhr versammelten sich die zu dieser Feier eingetroffenen Gäste in einem herrlich dekorierten Saale und wurden dort von Herrn Lehrer Eschwege aufs Herzlichste begrüßt. An die letzte Mischna von Taanit anknüpfend, wies derselbe darauf hin, dass bei jegliches Gesetzerfüllung ein gewisser Grad von Freude uns beseelen soll, wie auch alle Freude stets in den Grenzen des Gesetzes sich bewegen muss. Möge die Gesetzesfreude des morgigen Tages sich zu einem wahren Schmucke, zu einer echten Krone für unsere Tora gestalten..., indem bei jedem Festteilnehmer das 'wir wollen es tun und darauf hören' aufs neue gelobt werde, wie damals am flammenden Sinai von unseren Ahnen.  
Später vereinigten sich dann die verschiedenen hiesigen Chevros in dem Zimmer, woselbst die neue 
Thuengen Israelit 03041884a.jpg (186201 Byte)Torarolle stand, - um, wie bestimmt war, hier ganz Psalmen zu sagen. Wie überrascht war man aber, hier ein wahres Prachtwerk, in schönster Beleuchtung strahlend zu finden. Ein Bau, wie er nur selten errichtet wird, stand da, welchen Herr Eschwege herstellte nach der genauen Angabe und unter Leitung und Mitwirkung seines verehrten Vaters, Herrn Lehrer Eschwege aus Karbach, der hierzu eigens eingetroffen war. Die erhebende Andacht dauerte bis 2 Uhr und ein jeder freute sich mit der Pracht auch die Bedeutung der Tora vereint zu sehen. 
Nach früh vollendetem Aufstehen versammelten sich die Festteilnehmer Vormittags gegen 9 Uhr zum Festzuge. 
Dieser war aufs Gelungenste arrangiert, und wurde von der hiesigen Schuljugend eröffnet. Die Schüler mit Fahnen und Schärpen versehen, während die Mädchen mit Kränzen und Bändern geschmückt waren. - Diesen folgten einige Fahnenträger, diesen ein Teil der Chevra-Mitglieder, dann der Distrikts-Rabbiner, die neue Torarolle tragend, vom Lehrer und Chevravorstand begleitet. Den übrigen Teil des Zuges bildeten die Chevra mit 4 Torarollen - als Begleitung der neuen - die Herren Vorstände, der Herr Bürgermeister mit dem ganzen Gemeindeausschusse, die Ehrengäste und die übrigen Gemeindeangehörigen. 
Der Festgottesdienst verlief ganz dem Programme entsprechend. Die Festpredigt, die Herr Distriktsrabbiner Nathan Bamberger hielt, war eine sehr gediegene und fand ungeteilten Beifall. Der verehrte Redner sprach zuerst über die Vorzüge der Tora, über die Größe der durch Übergabe der Torarolle erfüllen Weisung und verbreitete sich sodann über einen Midrasch...., welchen er in meisterhafter Weise auszuführen verstand, knüpfte hieran jene allegorische Stelle, dass Gott nur unsere Kinder sich als Bürgschaft für die Tora-Erfüllung und Tora-Verbreitung erkoren habe...
Der Tag bot noch manches Vergnügen für Jung und Alt. So verlief denn das ganze Fest in würdigster Weise und herrschte bei Allen nur die eine Stimme, dass die Feier eine höchst gelungene gewesen. Gewiss entsprechen wir dem Wunsche Vieler, indem wir schließlich dem verehrten Festkomitee, wie überhaupt Allen, die sich um das Zustandekommen und die Ausführung dieser Feier verdient gemacht, herzinnigen Dank aussprechen..."

  
Bereits im Frühjahr 1938 kam es zu Ausschreitungen gegen die jüdischen Einwohner am Ort. Über Ausschreitungen gegen die Synagoge beim Novemberpogrom 1938 liegen in den vorliegenden Darstellungen keine Berichte vor (so bei Ophir/Wiesemann S. 411, Hinweis bitte an Webmaster, Adresse siehe Eingangsseite). Nach Schwierz S. 116 und L. Scherg S. 41 wurde die Synagoge 1938 ohne nähere Angaben "beschädigt".   
  
Das Synagogengebäude blieb jedoch nach 1945 erhalten und wurde bis in die 1980er-Jahre - nach einem heute noch vorhandenen Schild - gewerblich genutzt (als Fabrikgebäude einer Handweberei). Inzwischen ist es zu einem Wohnhaus umgebaut. Die Fenster und der Aufgang in die Synagoge sind noch erhalten.   
   
Im November 2007 wurde an der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel eingeweiht. 
    
    
Adresse/Standort der SynagogeObere Gasse 1  
   
   
Fotos   
(die historischen Fotos entstammen der Fotosammlung Theodor Harburger; veröffentlicht in: Theodor Harburger: Die Inventarisierung s.Lit. Bd. 3 S. 723-724; Neuere Fotos: Hahn, 

Historische Fotos
um 1930 
Thuengen Synagoge 010.jpg (62407 Byte) Thuengen Synagoge 011.jpg (88672 Byte)
   Gießfass und Waschbecken im kleinen
 Vorraum der Synagoge (aus der früheren
 Synagoge übernommen, 18. Jahrhundert)
Tora-Schild (Tass) aus 
Gemeindebesitz der jüdischen 
Gemeinde Thüngen
           
Das Synagogengebäude 
im Herbst 2006 
Thuengen Synagoge 101.jpg (79400 Byte) Thuengen Synagoge 102.jpg (92633 Byte)
   Das ehemalige Synagogengebäude 
von der Oberen Gasse 
Seitenansicht 
vom Hof 
      
    Thuengen Synagoge 103.jpg (105268 Byte) Thuengen Synagoge 100.jpg (53430 Byte)
    Seiteneingang (heute Eingang
 zum Wohnhaus)  
Erinnerung an die Nutzung des 
Gebäudes als "Handweberei" 
     
Das Synagogengebäude im Juni 2009
(Fotos: Elisabeth Böhrer, Aufnahmedatum 29. Juni 2009)
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Das ehemalige Synagogengebäude 
von der Oberen Gasse
Blick in die 
Hofeinfahrt  
Hinweistafel zur 
Geschichte des Gebäudes
      
Einweihung eines Denkmals für die 
aus Thüngen deportierten jüdischen
 Personen
(Fotos: Elisabeth Böhrer, Aufnahmedatum wie oben)
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  Der inmitten von Thüngen gelegene Planplatz mit den Gefallenendenkmalen und seit 
Juni 2009 dem Denkmal für die aus Thüngen umgekommenen jüdischen Personen
     
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Enthüllung des Denkmals Kinder der vierten Grundschulklasse 
mit Pfarrerehepaar Robert und 
Ulrike Foldenauer 
Gedenkstein für 20 aus Thüngen 
deportierten und ermordeten 
jüdischen Personen
 
     
Kriegsopfer- und Deportiertendenkmale im Oktober 2009 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 21.10.2009) 
  
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Blick auf das Kriegerdenkmal (links) und das
 Deportiertendenkmal (links des Baumes)
Der Gedenkstein für 20 aus Thüngen deportierten und ermordeten jüdischen 
Personen, rechts mit Gedenksteinchen und Kerze
      
Gefallenendenkmal mit den Namen der
 gefallenen und vermissten jüdischen 
und nichtjüdischen Soldaten 
aus Thüngen
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   Jüdische Gefallene: Nathan Stern, Benno Forchheimer   
     
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   Jüdische Gefallene: Nathan Schreiner, 
Leo Scharlach
Jüdische Vermisste: Max Forchheimer, 
Leo Forchheimer, Rudolf Frank
     

   
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  

Juni 2009: Gedenkstein wird eingeweiht.  
Thuengen PA 290609.jpg (35091 Byte)Artikel von Holgar Reiff in der "Mainpost" vom 29. Juni 2009:   
THÜNGEN - Ein Gedenkstein wider das Vergessen. Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus am Thüngener Planplatz enthüllt
Seit Freitagabend hat auch die Gemeinde Thüngen ihr Mahnmal für die Opfer des NS-Regimes. In einer feierlichen Zeremonie wurde auf dem Planplatz mitten im Ort ein Gedenkstein enthüllt, auf dem die Namen jener 20 ehemaligen jüdischen Mitbürgern eingraviert sind, die nachweislich verfolgt und ermordet wurden. Ein langer und schwieriger Prozess sei es gewesen, erklärte einleitend Kristina Ackermann, deren Recherchen über die einstige jüdische Gemeinde in Thüngen das Aufstellen des Gedenksteines und damit den Festakt überhaupt erst ermöglicht hatten. Ursprünglich war vorgesehen, die Namen der nachweislich verschleppten und ermordeten Juden wie in Karlstadt als "Stolpersteine" in den Boden einzulassen. Auch Georg Schnabel vom gleichnamigen Karlstadter Arbeitskreis und Betreuer des Laudenbacher Judenfriedhofs hatte sich dafür ausgesprochen. Der Thüngener Marktgemeinderat entschied sich dann jedoch für den zentral aufgestellten Gedenkstein. Wichtig, so Ackermann weiter, sei aber, dass man für das neue Mahnmal einen Platz in der Gemeinde gefunden habe, um dort gegen das Vergessen der verfolgten und ermordeten Mitbürger zu gedenken. Geschaffen wurde der Stein von dem Bildhauer Peter Gopp.
Großes Interesse der Bevölkerung. Thüngens Bürgermeister Klaus Enzmann zeigte sich in seiner Festrede erfreut darüber, welch großes Interesse die Enthüllung des Gedenksteines in der Bevölkerung geweckt habe. Die Geschichte des Ortes sei schon seit dem 15. Jahrhundert untrennbar mit seinen jüdischen Mitbürgern verbunden gewesen, sagte Enzmann. Aus ihrer ursprünglichen Rolle als "Schutzjuden" unter dem Hause Thüngen habe sich im Laufe der Jahrhunderte ein friedliches Miteinander mit Katholiken und Protestanten entwickelt mit allen Facetten des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens. Für Thüngen sei dies auch von wirtschaftlicher Bedeutung gewesen.
Anteil von rund 40 Prozent. Im Jahr 1837 lebten 350 jüdische Mitbürger unter 880 Einwohnern in Thüngen, womit fast 40 Prozent der Bewohner jüdischen Glaubens gewesen wären. "Von den fünf Metzgern im vorigen Jahrhundert gehörten vier der jüdischen Religion an", betonte der Bürgermeister. Die systematische Ghettoisierung von Millionen von Juden, Sinti und Roma sowie Andersdenkenden samt ihrer Vertreibung und Ermordung in Gaskammern und Todeslagern, die Shoah, bezeichnete Klaus Enzmann als "Zivilisationsbruch in der Geschichte unseres Landes, Europas und der Welt". Um so wichtiger sei es, dass überall im Land – auch in Thüngen – die Erinnerung an das Geschehene als Aufgabe für die Zukunft angenommen werde. Unverzichtbar sei deshalb die differenzierte Vermittlung von geschichtlichen Fakten und Wissen an die Jugend, so Enzmann weiter. Denn sie wachse in einer Zeit auf, in der die Zeitzeugen allmählich verstummen würden.
Kaum noch Überlebende. Man dürfe nicht zulassen, dass Geschichte vergessen oder verdrängt werde, wenn es eines Tages keine Überlebenden mehr gebe, die persönlich Zeugnis ablegen könnten. "Das ist die Aufgabe unserer Generation, wenn ich über mich und die etwa Gleichaltrigen spreche", sagte der Bürgermeister. Geschichte sei nicht vergangen. Sie lebe in der Gegenwart weiter, und man müsse die richtigen Schlüsse daraus ziehen, wenn man die Zukunft gestalten wolle. Der Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, Dr. Josef Schuster, bezeichnete die ursprünglich auch in Thüngen geplanten "Stolpersteine" als eine gute Idee, um auf das Schicksal von Opfern des NS-Regimes hinzuweisen. Es gebe aber "keinen glückseligen Weg des Gedenkens", und so sei auch ein Gedenkstein eine sinnvolle Einrichtung. Wichtig sei auch, dass der Stein die Namen der Verschleppten und Ermordeten trage. Damit habe man diesen einstmals geachteten Bürgern der Gemeinde Thüngen ihre Würde wiedergegeben. Auch die Platzwahl bezeichnete Schuster als vorbildlich. Einerseits stehe der Stein mitten im Ort, und anderseits befinde sich direkt daneben das Kriegerdenkmal mit den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs – unter denen sich auch sechs jüdische Namen befinden.
Gäste aus Israel. Unter den Gästen des Festaktes befand sich mit Harel Halberstadt auch der Großneffe von Moritz Strauss, einem der namentlich auf dem Stein genannten Opfer. Er war mit seiner Frau Rachel extra aus Israel angereist. Musikalisch begleitet und untermalt wurde die Gedenksteinenthüllung vom Posaunenchor Thüngen sowie den Kindern der vierten Klasse der Grundschule. Die Schülerinnen und Schüler trugen gemeinsam mit Robert Foldenauer, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Thüngen, ein hebräisches Lied vor.
   

   
    

Links und Literatur  

Links: 

bulletWebsite der Marktgemeinde Thüngen  
bulletNamen der Gefallenen: Liste des Hauses der Bayerischen Geschichte (über Ortsregister zu Thüngen)  

Literatur:  

bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 410-411.  
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 116-117.  1992² S. 125.   
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 502-503.   
bulletLeonhard Scherg: JüdischesMSP Publikation 01.jpg (23157 Byte) Leben im Main-Spessart-Kreis. Reihe: Orte, Schauplätze, Spuren. Verlag Medien und Dialog. Haigerloch 2000 (mit weiterer Literatur).  
bulletBayern Synagogengedenkbuch IMG_20150803_0001.jpg (85625 Byte)"Mehr als Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Teilband III: Unterfranken, Teil 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger. Hg. von Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff in Verbindung mit Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3: Bayern. 1. Auflage 2015. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgäu (mit umfassenden Quellen- und Literaturangaben)
ISBN 978-3-89870-449-6.
Hinweis: die Forschungsergebnisse dieser Publikation wurden in dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch nicht eingearbeitet.
Abschnitt zu Thüngen S. 309-331.

   
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Thuengen Lower Franconia. The Jewish settlement was started in the second half of the 17th century by Jews expelled from the Wuerzburg region. The Jewish population reached 350 in 1837 (total 880). A new synagogue was built in the 1860s. The Jewish population declined steadily to 152 in 1933, with the community known for its Orthodox way of life. Jews were attacked on the eve of the Austrian Anschluss (13 March 1938) and during the Sudetenland crisis in 1938. Most left in 1937-39. In all 110 emigrated (86 to the United States) and 56 left for other German cities (34 to Wuerzburg).   
   
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020