Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Lorsch (Kreis Bergstraße) mit Einhausen
Jüdische Geschichte / Synagoge
(das Foto zeigt die Torhalle zum Kloster Lorsch aus karolingischer Zeit - ohne Bezug zur jüdischen Geschichte des Ortes, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Torhalle_Lorsch)  

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Kennkarten aus der NS-Zeit    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)     
        
In Lorsch bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück, als der Ort noch zum "Kurstaate" Mainz, Oberamt Starkenburg gehörte und im Blick auf jüdische Belange dem Rabbinat Mainz unterstand. Möglicherweise lebten bereits im 13. und 14. Jahrhundert einzelne jüdische Personen am Ort. Nach Überlieferung der Familie Mainzer ließ sich diese um 1500 im damals "mainzischen" Lorsch nieder und nahm später den Familiennamen "Mainzer" an. Die ersten schriftlichen Nachweise für Juden am Ort datieren ab 1660/68. Damals werden drei jüdische Familien in Lorsch und Kleinhausen genannt (Simon und Lazarus in Lorsch, Hersch in Kleinhausen, seit 1937 zusammen mit Großhausen: Einhausen). 
  
Genaue Zahlen der jüdischen Einwohner liegen aus dem 19. Jahrhundert vor: 1828 72 (etwa 10 Familien), 1837 70, 1845 80, 1861 86 jüdische Gemeindeglieder (2,6 % der Gesamteinwohnerschaft von 3.262 Personen). Die Höchstzahl jüdischer Einwohner wurde 1871 mit 110 Personen erreicht. Danach ging sie durch Ab- und Auswanderung wieder zurück: 1880 96, 1895 101, 1900 88, 1910 72 jüdische Gemeindeglieder. Anfang des 19 Jahrhunderts waren die als Ortsbürger in Lorsch aufgenommenen Juden: Aaron Mainzer, Meier Baruch Mainzer, Samuel Mainzer, Lazarus Rohrheimer, Simon Krakauer, Leopold Mainzer, Meier Mainzer II, Süßkind Abraham und Samuel Abraham. Die Vorfahren der Familie Mainzer stammten ursprünglich aus Spanien. Die jüdischen Familien lebten zunächst überwiegend vom Vieh- und Fruchthandel, später von Handlungen und kleineren Geschäften. Bekannt waren bis nach 1933 u.a. das Schuhgeschäft der Schwestern Jakob am Marktplatz oder das Manufakturwaren- und Bettengeschäft von Sigmund Abraham (Kirchstraße 12).
 
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule sowie ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Alsbach beigesetzt.  Für die Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Die Gemeinde war dem orthodoxen Rabbinat Darmstadt II zugeteilt.     
        
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde die Brüder Abraham Guthof (geb. 13.1.1895 in Lorsch, gef. 23.6.1918), Adolf Guthof (geb. 22.1.1894 in Lorsch, gef. 22.12.1916) und Siegmund Guthof (geb. 11.5.1891 in Lorsch, gef. 11.2.1917). 
    
Um 1925
gehörten der jüdischen Gemeinde etwa 70 Personen an (1,37 % der Gesamtbevölkerung von etwa 5.100 Einwohnern). Zur Gemeinde in Lorsch gehörten wie bereits im 18. Jahrhundert die im benachbarten Kleinhausen lebenden (damals drei) jüdischen Einwohnern. Mitglieder des Gemeindevorstandes waren damals Jacob Lorch II, Hermann Lorch und Josef Marx. Als Rechner war Adam Huba tätig. Die damals sechs schulpflichtigen jüdischen Kinder erhielten an der Religionsschule der Gemeinde Unterricht der Lehrer Heinrich Müller aus Bensheim. An jüdischen Vereinen bestanden der Israelitische Brautausstattungs- und Wohltätigkeitsverein unter Leitung von Hermann Lorch sowie der Verein Somech Noflim (Unterstützung von Hausarmen) und Leitung von Abraham Abraham.     
           
1932
waren die beiden Vorsteher Hermann Lorch (1. Vorsteher) und Abraham Abraham.
         
Nach 1933
ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder (1933: 73 Personen) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt sowie die Wohnungen und Geschäfte der jüdischen Familien verwüstet und geplündert. Das Haus einer jüdischen Familie in Einhausen wurde von fünf SA-Leuten überfallen, die die Wohnung zerstörten und das Haus anzündeten. Diese Gewalttaten führten dazu, dass bis September 1939 die meisten der jüdischen Einwohner auswanderten. Diejenigen, die blieben, wurden 1941 aus ihren Wohnungen vertrieben und in ein "Judenhaus" (Karlstraße 1) eingewiesen. Im August 1942 erfolgten die Deportationen der noch in Lorsch lebenden jüdischen Personen. 
     
Von den in Lorsch geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt durch die Angaben im "Gedenkbuch" siehe Heimatgeschichtlicher Wegweiser u.Lit.):  Else Abraham geb. Weingarten (1902), Gustav Abraham (1890), Johanna Abraham geb. Wachenheimer (1904), Siegmund Abraham (1892), Ida Bendheim (1893), Friedrich (Fritz) Jaffe (1888, "Stolperstein" in Seligenstadt), Max Jaffe (1885), Rosa Jaffe geb. Abraham (1888), Regina Josef (1878), Liesel Kahn (1926),Miriam Kahn (1925), Paula Kahn geb. Lorch (1902), Ruth Carola Kahn (1923), Suse Kahn (1829), Betty Lichtenstein geb. Lorch (1875), Jenny Lichtenstein (1899), Alfred Lorch (1899), Bertha Lorch geb. Krämer (1877), Eli Lorch (1940), Franziska Lorch geb. Oppenheimer (1903), Margarethe Lorch (1931), Martin Lorch (1927), Gustine (Christine, Justine) Mainzer (1897), Johanna Mainzer geb. Mayer (1863), Siegbert Mann (1904), Johanna Marx (1877), Mathilde Marx geb. Haas (1875), Emma Mayer geb. Oppenheimer (1893), Friedrich Mayer (1926), Otto Max Mayer (1891), Ernst Nathan (1871), Nathan Nathan (1871), Antonie Rosalie Oppenheimer geb. Mayer (1880), Bertha Oppenheimer (1877), Hannchen Oppenheimer (1871), Leopold Oppenheimer (1873), Lore Podolski geb. Herzberger (1921), Lina Schnautser geb. Marx (1875), Frieda Seelig geb. Guthof (1874)
Hinweis: der in einigen Listen genannte Heinz Kahn (geb. 25.8.1931 in Lorsch) konnte emigrieren und lebt in Kanada (Mitteilung von Angehörigen 17.3.2015).  
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1860 / 1872 / 1876 / 1877 / 1878 / 1900 / 1903 / 1907 / 1924  

Lorsch Israelit 29081860.jpg (42056 Byte)Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und Vorbeters in Lorsch in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. August 1860: "Ein unverheirateter Religionslehrer und Vorbeter kann in der Gemeinde Lorsch bei Worms sofort eine Anstellung bekommen. Bei freier Wohnung und Heizung ist der Gehalt 300 Gulden und dürfte derselbe um 100 Gulden vergrößert werden, wenn Reflektant die Schechitah (das Schächten) verstände.
Franco-Offerten entweder an Unterzeichneten oder an die bezeichnete Gemeinde direkt.
Biblis, Hessen-Darmstadt.   Dr. E. Sander." 
   
Lorsch Israelit 21081872.jpg (51889 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1872: "Lehrerstelle-Vakanz. Wegen Rücktritt unseres seitherigen Lehrers aus Gesundheitsgründen ist die hiesige Lehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle mit einem Gehalt von ca. 400 Gulden und mindestens 200-250 Gulden Nebenakzidenzien nebst freier Wohnung sofort oder innerhalb 3 Monate zu besetzen. Lorsch an der Bergstraße, 24. Juli 1872. Der Vorstand Jonas Mainzer."
  
Lorsch Israelit 25101876.jpg (28234 Byte)Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und Vorbeters in Lorsch in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Oktober 1876: "Annonce. Die hiesige Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle ist vakant und soll alsbald wieder besetzt werden. Fixer Gehalt 700 Mark nebst mindestens 500 Mark Nebeneinkommen und freier Wohnung. Hierauf Reflektierende belieben sich beim unterzeichneten Vorstande zu melden.
Lorsch a.d. Bergstraße, 19. Oktober 1876.   Abraham Lorch."  
   
Lorsch Israelit 03011877.jpg (49464 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1877: "Die hiesige Lehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle ist vakant und soll alsbald besetzt werden. Fixer Gehalt 900 Mark nebst mindestens 500 Mark Nebeneinkommen und freier Wohnung. Hierauf Reflektierende belieben sich alsbald bei dem unterzeichneten Vorstande, unter Angabe ob ledig oder unverheiratet zu melden. 
Anmeldungen von Russen und Polen bleiben unberücksichtigt. 
Lorsch a.d. Bergstraße, im Januar 1877. Abraham Lorch."
 
Lorsch Israelit 17071878.jpg (44705 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juli 1878: "Die hiesige Lehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle ist vakant und bis 1. September zu besetzen. Fixer Gehalt 900 Mark, Nebeneinkommen ca. 5-600 Mark nebst freier Wohnung. Hierauf Reflektierende belieben sich alsbald unter Angabe, ob ledig oder verheiratet, bei dem unterzeichneten Vorstande zu melden. 
Lorsch an der Bergstraße, im Juli 1878. Abraham Lorch."
  
Lorsch Israelit 09081900.jpg (72718 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1900
"Vakanz
Durch das plötzliche Hinscheiden unseres Kultusbeamten ist die hiesige Lehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle mit einem jährlichen Einkommen von ca. Mark 1.500 vakant und soll alsbald mit einem tüchtigen, orthodoxen Beamten wieder besetzt werden. Bewerber belieben ihre Zeugnisabschriften nebst Angabe, ob ledig oder verheiratet und ob seminaristisch gebildet, an den unterzeichneten Vorstand einzusenden. 
Lorsch, im Großherzogtum Hessen. 
Der Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde

Simon Lorch."     
    
Lorsch FrfIsrFambl 17031903.jpg (16759 Byte)Ausschreibung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. März 1903: "Lorsch a.d. Bergstraße. Lehrer, Vorbeter und Schächter per 1. Mai. Einkommen Mark 1.500 und freie Wohnung."    
  
Lorsch Israelit 21031907.jpg (58070 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1907
"II. Ausschreiben
Unsere Lehrerstelle ist noch zu besetzen. Wir reflektieren auf einen verheirateten, orthodoxen geprüften Religionslehrer, Vorbeter und Schächter. Fixer Gehalt je nach Befähigung 900 bis 1.000 Mark. Nebeneinkommen ca. 800 Mark nebst freier Wohnung und Garten. Offerten nebst Zeugnisabschriften sind an den unterzeichneten Vorsteher zu richten. 
Simon Lorch in Lorsch an der Bergstraße, Großherzogtum Hessen."
   
Lorsch Israelit 28081924.jpg (19518 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1924: "Für die hohen Feiertage suchen wir einen Hilfsvorbeter. Israelitische Religionsgemeinde Lorsch, Hessen."

 
Abschied von Lehrer Nathan (1866-1872 Lehrer in Lorsch)   

Lorsch Israelit 25121872.jpg (81545 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Dezember 1872: "Lorsch an der Bergstraße. (Durch Zufall verspätet). Am verflossenen Schabbat Bereschit (Schabbat mit der Toralesung Bereschit 1. Mose 1,1- …) hielt unser seitheriger Lehrer Herr Nathan seine Abschiedsrede, die auf alle Anwesenden den tiefsten Eindruck machte. 
Herr Nathan hat sechs Jahre hindurch in unserer Gemeinde mit unermüdlichem Eifer und strenger Gewissenhaftigkeit segensreich gewirkt. Wir bedauern deshalb alle, dass er durch seine geschwächte Gesundheit genötigt ist, von seinem seitherigen Berufe zurückzutreten. Möge in Worms, in seinem neuen Wirkungskreise, seine Gesundheit erstarken. Möge es durch seinen biedern Charakter ihm gelingen, die achtungsvolle Liebe seiner Mitbürger in gleichem Grade zu erringen, wie sie ihm hier allseitig zuteil geworden ist."
   
Lorsch Israelit 13111872.jpg (83976 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. November 1872: "Dank! Für die vielen Beweise von aufrichtiger Freundschaft, die mir während meiner sechsjährigen Wirksamkeit als Lehrer in der Gemeinde Lorsch zuteil geworden, ganz besonders aber für die herzliche Anerkennung, respektive für das schöne und wertvolle Geschenk, das mir als Beweise derselben beim Abschiede überreicht wurde, sage ich hiermit meinen herzlichen, tief gefühlten Dank! Mögen die Grundpfeiler der jüdischen Religion Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit die in der Gemeinde Lorsch stets einen fruchtbaren Boden gefunden, auch ferner in derselben blühen und Früchte tragen und auch meinem Nachfolger eine recht segensreiche Tätigkeit beschieden sein. Worms, im Marcheschwan 5633. E. Nathan."  

  
Lehrer Jakob Lewin wechselt nach Randegg (1905)
  

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Dezember 1905: "Karlsruhe: "Das neueste Verordnungsblatt des Großherzoglichen Oberrates der Israeliten meldet folgende Veränderungen in der Besetzung der Religionsschullehrerstellen: Jakob Lewin seither in Lorsch nach Randegg, Sally Rosenfelder in Eubigheim nach Buchen, Nathan Adler von Külsheim nach Eubigheim, Kantor Simon Metzger von Sulzburg nach Bretten, Samuel Strauß von Berlichingen nach Sulzburg, Jakob Schloß von Talheim nach Malsch bei Ettlingen. Auf Ansuchen wurden von ihren Stellen enthoben: Kantor Weiß in Gailingen und Religionslehrer Jakob Lorch in Untergrombach, letzterer behufs Übernahme der Verwalterstelle der M.A. d. Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach."   

   
   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben 
Lob der Gemeinde für Ihre Wohltätigkeit (1870)  

Lorsch Israelit 13041870.jpg (53897 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1870: "Lorsch an der Bergstraße. Die hiesige israelitische Gemeinde, aus nur 15 Mitgliedern bestehend, zeichnet sich ganz besonders durch hervorragende Wohltätigkeit aus, wovon nicht allein die Spendenlisten des 'Israelit’, sondern auch viele Arme in der Nähe und Ferne Zeugnis ablegen. Mögen die edlen Wohltäter im Wohl tun nicht ermüden; mögen aber auch andere, größere und wohlhabendere Gemeinden sich ein Beispiel daran nehmen und es der unseren zuvortun."

   
Über den Brautausstattungsverein in Lorsch (1868)    

Lorsch Israelit 26051868.jpg (31740 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1868: "Aber auch für die echt jüdische Wohltätigkeit ist hier ein fruchtbares Feld gefunden. Fast in jeder Gemeinde besteht eine Chewra Kadischa, ein Wohltätigkeitsverein. In Lorsch besteht seit vielen Jahren eine Chewroh kaddischoh Hachnoßas Kalloh"" (Brautausstattungsverein) für Lorsch und die umliegenden Orte, welche im Ganzen nur etwa 20 Mitglieder zählt, aus welcher aber alle zwei Jahre ein armes Mädchen 600 Gulden zur Ausstattung erhält. Ähnliche Chewarot (Vereine) bestehen in Biblis und in Pfungstadt."   

  
Vortrag in der Synagoge (1908)   

Lorsch Israelit 21051908.jpg (90999 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Mai 1908: "Lorsch, 21. Mai (1908). In Anwesenheit fast sämtlicher Gemeindeangehörigen referierte am letzten Sonntag in unserer Synagoge Herr Kaufmann Aron aus Frankfurt am Main über 'Die Aufgaben des gesetzestreuen Judentums in der Gegenwart.' Redner wies auf die Ursachen des religiösen Niedergangs aller gesetzestreu Gesinnten auf dem flachen lande hin und empfahl den Zusammenschluss aller gesetzestreu Gesinnten von Stadt und Land. Nachdem Herr Aron über die Ziele und Bestrebungen der 'Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums' einiges ausgeführt hatte, erklärten sämtliche Gemeindemitglieder ihren Beitritt zu derselben. Der Verlauf der Versammlung bewies zur Genüge, dass in unserer Gemeinde noch echte Frömmigkeit vorhanden ist, und dass sich der von unserem früheren Lehrer Jaffé, während seiner langjährigen, hiesigen Tätigkeit eingepflanzte religiöse Geist treu erhalten hat."  

     
Hauptversammlung des Brautausstattungsvereins in Lorsch und Spende von Lazarus Oppenheimer aus Lindolsheim (1910)  
Anmerkung: Lazarus Oppenheimers Vorfahren stammten aus Kleinhausen bei Lorsch. Die in Kleinhausen lebenden jüdischen Familien gehörten zur Lorscher Gemeinde. Einer der beiden Gründer der Firma "Adler & Oppenheimer" - zeitweilig der größte Konzern der europäischen Lederindustrie - war Ferdinand Oppenheimer, der in Kleinhausen geboren ist und sich 1871 in Straßburg niedergelassen hatte. Zur Firma vgl. Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Adler_%26_Oppenheimer und Seite zu Lingolsheim.          

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. Januar 1910: "Lorsch (Hessen). Am Erew Rausch-Chaudesch Sch'wat (= Vorabend zum 1. Schwat) wurde die alljährliche Hauptversammlung des hiesigen Brautausstattungsvereins (Chewro kaddischoh 'Hachnoßas Kalloh') abgehalten. Der seitherige Vorstand, dessen Vorsitzender der Gemeindevorsteher Herr Simon Lorch ist, wurde durch Zuruf wiedergewählt und wegen des alljährlichen Vereinsessens der Jahresbeitrag von 10 M. auf 12 M. erhöht. Nach Schluss der Versammlung fand in der Synagoge zu Lorsch der übliche Jaum-Kippur-koton-Gottesdienst statt, in dem das Vereinsmitglied, Herr Lehrer B. Rohrheimer - Biblis, das Amt des Vorbeters versah. Anschließend an den Gottesdienst fand in den Räumlichkeiten des Vereinsvorsitzenden ein Festessen statt, bei dem sich die Mitglieder von nah und fern für einige Stunden geselligen Zusammenseins gern ein Stelldichein gaben. Herr Lehrer Jaffé von Lorsch gab diesem Bewusststein gemeinsamer Arbeit Ausdruck in seinen Worten, mit denen er an die Gründung der ersten jüdischen Chewroh erinnerte - an die Geburt des jüdischen Volkes in der Erlösungsnacht. Lehrer Rohrheimer knüpfte seine Worte an das Tefillingebot an und stellte so das Judentum als eine Religion der Tat hin, die zur Ausübung sittliche Handlungsweise, Mitzwaus, verpflichtet und dadurch das Glauben und das Aufstellen von Glaubenslehren stark in den Hintergrund stellt. Wie das Gesamtjudentum im Großen, so hat unsere 'Kippe' im Kleinen die sittliche Tat zum Vereinszweck und in ihrer Tätigkeit schon viele Saaten des Segens und der Liebe ausgestreut. Herr Dr. Mainzer - Alzey pries den Erew-Rausch-Chaudesch Sch'wat als das Einigungsband der 'Jungen' und der 'Alten'. Im Jahre 1912 beabsichtigt der Verein sein 100-jähriges Bestehen in einem größeren Stiftungsfest zu feiern. Wie im letzten Jahre, so wurden auch in diesem namhafte Beiträge von Seiten aller Mitglieder zu diesem Zweck gezeichnet. Herr Lazarus Oppenheimer aus Lingolsheim spendete für die Firma Adler und Oppenheimer in Straßburg 100 M. Das Tischgebet wurde nun versteigert und dann trennte man sich mit dem Wunsche eines fröhlichen Wiedersehens bei der 'Jahrhundertfeier'."      

   
Hundertjähriges Jubiläum des Braut-Ausstattungsvereines (1912)  

Lorsch FrfIsrFambl 02021912.jpg (22935 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 2. Februar 1912: "Lorsch. Der Braut-Ausstattungsverein (Chewrah kadischa wehachnosaß kaloh) beging sein 100jähriges Jubiläum. Auf Anregung Landrabbiners Dr. Marx wurde während der Festessens auch von den Frauen ein gleicher Verein gegründet."

  
Publikation "Gedenkblätter zur Erinnerung an das 175jährige Jubiläum des Wohltätigkeitsvereins im ehemaligen Amt Starkenburg (Sitz Lorsch) 1739-1914. Von Dr. phil. Moritz Mainer - Frankfurt am Main (1916).  

Lorsch FrfIsrFambl 23061916.jpg (247050 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. Juni 1916: "Gedenkblätter zur Erinnerung an das 175-jährige Jubiläum des Wohltätigkeitsvereins im ehemaligen Amt Starkenburg (Sitz Lorsch) 1739-1914. Von Dr. phil. Moritz Mainzer – Frankfurt am Main.  
Diese Gedenkblätter stellen eine sehr verdienstvolle Arbeit dar. Denn aus ihnen wehr der starke Geist der alten treu-jüdischen Familiengeschichte, der heute mehr denn jemals von Bedeutung für unsere jüdische Gegenwart ist. Im Rahmen einer Vereingeschichte spielt sich hier ein Stück Leben und sterben einer kleinen Landgemeinde vor uns ab, wie sie für die vergangene Zeit typisch ist. Darin liegt auch der besondere Wert dieser Arbeit, dass sie in der Darstellung der Geschichte eines Wohltätigkeitsvereins, wie sie zu Hunderten im 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland blühten, die typischen kulturhistorischen Züge der jüdischen Landgemeinde aufweist.     
Wir sehen hier, wie das jüdische Leben noch im Mittelpunkt alles Denkens und Schaffens unserer Ahnen stand, wie ihnen kein Gegenstand zu gering und keine Mühe zu groß schien, wenn das innere jüdische Leben, das echter Menschenliebe und edlem Wohl tun geweiht war, dadurch gestärkt wurde. Die Lokalgeschichte, die auch dem genealogischen Forscher viel Material bietet, wird hierdurch Beitrag zur inneren Kulturgeschichte der deutschen Juden in den beiden letzten Jahrhunderten.  
Wir erfahren, wie wenig vereinsmäßig dieser Verein geleitet, wie seine Sitzungen ohne Protokoll geführt wurden, wie aber trotzdem der Zweck des Vereins, die Liebestat selbstlos geübt wurde. Wir lernen die bescheidenen Freuden der deutschen Landjuden kennen, die aber doch in ihrer Schlichtheit und Einfachheit tief ans Herz griffen. Die ganze entwürdigende Rechtlosigkeit unserer Altvorderen empfinden wir beim lesen dieser Denkblätter, denn nicht einmal das Begräbnis wurde diesen Ausgeschlossenen ohne Zollhinterlegung gestattet. Die Vereinssatzungen waren 32 Paragraphen, entsprechend der Zahl des Werkes 'leiw’. Von 14 Männern wurde der Verein begründet, vielleicht hinweisend auf 'jad’ (sc. der Zahlenwert [J = 10 + D = 4] des hebräischen Wortes Jad = Hand ist 14), das tatvolle Handanlegen damit bezeichnend. Alt und Neuvorsteher leiten die Vereinigung und haben auch das Recht der Strafverhängung.   
Der Verein, der als Krankenpflege- und Beerdigungsverein begründet wurde, erweiterte später seine Ziele durch Angliederung eines Brautausstattungsvereins und wirkt auch in dieser Hinsicht sehr segensreich. Er war wohl der vornehmste und tätigste Verein der Zeit, und alljährlich auf dem Brudermahl hält auch die Freude in dem kreise der Mitglieder Einzug, und der silberne Pokal, mit den Sternbildern und Emblemen der jüdischen Stämme reich verziert, macht die Runde.   
Alles in allem, eine sehr fleißige, interessante und gehaltvolle Arbeit, die uns aus dem damals kraftvollen jüdischen Landleben, die alte längst verklungene Zeit wieder hervorzaubert mit all deren Leid, aber auch ihren stillen Freuden. W."
    

    
Zum Tod von Jacob Lorch, Vertrauensmann des "Central-Vereins" in Lorsch (1928)  

Lorsch CV-Ztg 10081928.jpg (31725 Byte)Artikel in der "Centralvereins-Zeitung" vom 10. August 1928: "Durch das Hinscheiden unseres Vertrauensmannes in Lorsch (Hessen), Herr Jacob Lorsch, erleiden wir einen schmerzlichen Verlust. In seiner Treue zum Judentum, seinem Gemeinsinn, seiner entschlossenen und großzügigen Art und seinem Eintreten für unsere Ideale war er ein Vorbild, dem seine Kinder nachstreben." 
   
Lorsch CV-Ztg 10081928b.jpg (39980 Byte)Anzeige in der "Centralvereins-Zeitung" vom 10. August 1928: "Heute Nacht ist unser innigst geliebter treu sorgender Vater, unser lieber Großvater, Schwiegervater, Bruder, Schwager und Onkel Herr Jakob Lorch im 59. Lebensjahre von uns geschieden. Alfred Lorch und Frau Fränze geb. Oppenheimer, Karl Kahn und Frau Paula geb. Lorch. Julius Strauss und Frau Irma geb. Lorch. Leo Lorch. Lorsch (Hessen), Michelstadt im Odenwald, New York den 15. Aw 5688 / 1. August 1928".  

  
  
Berichte über einzelne Personen aus der Gemeinde    
Tragische Geschichte mit der "Bitte um Auskunft" nach dem Verschwinden von Jette Abraham (1867)  

Lorsch Israelit 21081867.jpg (46695 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1867: "Bitte um Auskunft: Unsere achtzehnjährige Tochter, Jette Abraham aus Lorsch an der Bergstraße, ist von uns Donnerstag, den 18. Juli, nach Reichelsheim im Odenwalde geschickt worden, um daselbst bestellte Putzwaren abzuliefern; am darauf folgenden Monate, den 22. Juli, ist sie nach Darmstadt zurückgekehrt und seitdem spurlos verschwunden. Alle bisherigen Nachforschungen waren vergeblich. Die tief betrübten Eltern richten die ergebene Bitte an Juden, der über den Verbleib ihrer obgenannten Tochter Auskunft zu erteilen imstande ist, ihnen Nachricht zukommen zu lassen.
Lorsch a.d. Bergstraße, den 15. August 1867.     Löb Abraham und Frau."   

    
Zum Tod (Suizid) des Albert Hirsch aus Mannheim (1869)  

Lorsch Israelit 28041869.jpg (251986 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. April 1869: "Lorsch an der Bergstraße. Ein nicht freudiges Ereignis hat sich am verflossenen … in dieser Gemeinde zugetragen. 
Herr Albert Hirsch aus Mannheim, Ingenieur und Eisenbahnunternehmer an der ihrer Vollendung nahen Worms-Bensheimer Bahn, hat am 30. März seinem jungen tatkräftigen Leben durch Erschießen ein Ende gemacht. 
Herr Hirsch, ein Jehudi, aber leider nur dem Namen nach, war den Vorschriften unserer heiligen Religion ganz entfremdet. Sogar am verflossenen Jom Kippur sah man denselben auf der Bahnstrecke seinen gewöhnlichen Beschäftigungen obliegen.  
In seinem sonstigen leben soll er sehr menschenfreundlich, sehr tüchtig in seinem Fache und gewissenhaft in seinen Geschäften gewesen sein. Das zeigte sich auch bei seinem Leichenbegängnisse, an welchem sich fast alle hiesigen Honoratioren, das ganze Aufsichtspersonal der zu erbauenden Eisenbahn, viele Mitglieder des hiesigen Ortsvorstandes und noch viele andere Christen beteiligten. 
Dass sich die hiesigen Jehudim, obwohl Herr Hirsch ihnen im Leben ferne gestanden, nicht zurückzogen, ist selbstverständlich. 
Da der Tod nicht unmittelbar nach dem Schusse erfolgt (Hirsch lebte noch einen halben Tag und starb auf seinem Bette in Gegenwart eines großen Teiles der Gemeinde unter Anerkennung des Einig-einzigen Sch’ma Jisrael usw.), da ferner der Selbstmord höchst wahrscheinlich, aber doch nicht unzweifelhaft nachgewiesen werden konnte, so erzeigten wir dem Dahingegangenen alle Liebesdienste, die wir auch einem anderen Toten schuldig sind. – Der Einsender dieser Zeilen sprach an der Bahre einige Worte über das tragische ende des Dahingegangenen. Ausgehend von den Worten (Zitat) suchte er von dem Wahne zu warnen, als ob dieses Leben das ganze Ziel des Menschen, als ob mit dem Tode Alles abgeschlossen sei etc. etc.; er suchte aber auch nachzuweisen, dass wir in unserem Urteile über die Handlungen des Nächsten nie zu strenge sein dürften, da wir Alle menschlichen Schwachen unterworfen, und einst vor dem Könige aller Könige Rechenschaft über unsere Handlungen abzulegen haben.
Unser Streben müsse nur dahin gerichtet sein, für alle, auch für die unglücklichsten Fälle des menschlichen Lebens, eine Stütze zu haben, welche uns nie sinken lasse! Diese Stütze bilde der Glaube, dass der Gerechte in der Wahrheit bleibe. – Der Fromme lebt in und für seinen Glauben, und er bleibe aufrecht in den heftigsten Stürmen des Lebens.
Diese wenigen Worte, verbunden mit der Beteiligung der ganzen hiesigen Gemeinde am Leichenbegängnisse, machten einen wohltuenden Eindruck auf den gebildeten Teil der ganz katholischen hiesigen Bevölkerung; nur die Geistlichkeit soll sich missbilligend darüber geäußert haben, dass man einen Selbstmörder wie einen anderen Menschen behandele! – (Nach jüdischem Religionsgesetze wird nur Derjenige als Selbstmörder betrachtet, welcher vor Zeugen vorher die Absicht des Selbstmordes dargetan und denselben in Gegenwart von Zeugen ausgeführt hat. – Jore Deah Cap. 345 § 2 – Redaktion)."   

   
Zum Tod von Salomon Abraham (1886)  

Lorsch Israelit 20091886.jpg (180602 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1886: "Von der Bergstraße. Wenn der Monat Aw eintritt, beschränkt man die Freude. Auf doppelte Weise kam dieser Satz in der Gemeinde Lorsch zur Anwendung; denn abgesehen von der allgemeinen Trauer im Monat Aw wurde sie noch außerdem in tiefe Trauer versetzt durch den am 13. Aw erfolgten Heimgang ihres ältesten Mitgliedes Salomon Abraham, Sohn des durch seine bedeutende jüdische Gelehrsamkeit und Frömmigkeit ausgezeichneten Rabbi Salmon Lorsch – das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen. Und diese allgemeine Trauer war eine gerechte. War doch der Entschlafene das Muster eines jüdischen Mannes, hervorragend durch Frömmigkeit, stets festhaltend an den Satzungen unserer heiligen Tora, in der er sich ein großes Wissen angeeignet. Überall wurde er geliebt und verehrt. Jedem war er ein wahrer Freund und gewissenhafter Ratgeber. Mit inniger Freude nahm er Gäste bei sich auf und sah es mit Wonne, wen sich Gäste an seinem Tische labten, obschon er selbst mit Glücksgütern nicht gesegnet war. In seinem Hause versammelte sich die ganze Gemeinde; seine Worte, mit köstlichen Witzen gewürzt, wurden gerne gehört, und seine Zurechtweisungen von jedem gerne angenommen. Nach all diesem war es kein Wunder, dass zu seinem Leichenbegängnisse sich so viele Menschen aus der ganzen Umgegend eingefunden hatten, um dem Verblichenen die letzte Ehre zu erweisen. Dem allgemeinen Schmerze gab zuerst unter Zugrundelegung des am Eingang erwähnten Satzes mit vor Tränen erstickter Stimme der Schwiegersohn des Verstorbenen Herr Rohrheimer aus Biblis Ausdruck; dann folgte Herr Lehrer Jaffé aus Lorsch, der die Tugenden des Dahingeschiedenen, wie ich sie nur teilweise angeführt, in ergreifenden Worten schilderte; es würde zu weit führen, wenn ich alles einzeln wiedergeben wollte. Schließlich konnte es sich der greife Vorstand der Lorscher Chawera Herr Sinsheim aus Bierstadt, nicht versagen, seinem Freunde ein letztes Lebewohl nachzurufen, indem er noch hervorhob, dass es dem Verblichenen vergönnt gewesen, seine Kinder zu edlen Menschen heranwachsen zu sehen, die es sich zur Pflicht gemacht, die Eltern aufs höchste zu ehren. Dem anwesenden jüngsten Sohne, Herrn Prediger S. Abraham in Stuttgart, war es nicht möglich, seinen großen Schmerz in Worte zu kleiden. Möge der Allgütige der trauernden Witwe, die im wahren sinne des Wortes alle Eigenschaften einer echten Eschet chajil (wackeren Frau) besitzt und 44 Jahre lang mit dem selig Entschlafenen in Liebe verbunden war, Trost wie auch den Kindern Kraft geben, den sie betroffenen Verlust in Ergebung zu tragen. Ihm aber möge in den lichten Höhen der Lohn zuteil werden, der alle Frommen und Edeln erwartet. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

   
 Zum Tod von Bella Lorch (1887)  

Lorsch Israelit 12121887.jpg (214809 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1887: "Lorsch (Hessen) (hebräisch und deutsch:) 'Eine Frau, die erfüllt ist von Gottesfurcht, verdient gerühmt zu werden.’ Einer solchen gottesfürchtigen Frau sollen folgende Zeilen gewidmet sein. Am verflossenen 5. Marcheschwan verstarb hier im Alter von 83 Jahren Frau Bella Lorch, eine jener jüdischen Frauengestaltet, deren Charakter nur in jenem herrlichen Liede des weisen Königs Salomon Eschet Chajil seine volle Würdigung findet. Sie konnte mit Beruhigung auf ihr zurückgelegtes hohes Alter zurückblicken, denn es war ein Leben voll edlen Wirkens und frommer Strebsamkeit. Sie war die würdige Gattin ihres vor ca. 14 Jahren verstorbenen Gemahls, Herrn Model Lorch – seligen Andenkens, dessen Frömmigkeit und edle Gesinnungen noch heute in der ganzen Umgegend gerühmt werden. Von geringen Anfängen zu hohem Wohlstand sich in strenger Rechtlichkeit durch Fleiß und Ausdauer emporringend, hatte sich dieses edle Paar nicht als Besitzer des irdischen Gutes, sondern stets nur als die von Gott eingesetzten Verwalter desselben betrachtet, und erfüllten sie als solche ihre Pflichten auf das Gewissenhafteste; sie spendeten nicht nur bei jeder sich darbietenden Gelegenheit mit vollen Händen, sondern auch ihr Haus war eine Zufluchtsstätte für alle Armen und Bedrängten, denen sie wirksame Helfer in der Not waren. All ihr tun war durchseelt vom Geiste der Religiosität und der Gottesfurcht, wovon die Erziehung ihrer Kinder zu edel denkenden Menschen und zu wahrhaft frommen Jehudim das beste Zeugnis ablegt. Zum Öfteren äußerte die edle Greisin tränenden Auges ihre Freude darüber, dass ihr vom Allgütigen vergönnt sei, sich von solchen Kindern umgeben zu sehen, die für Jüdischkeit Herz und Sinn haben. Und wahrlich! Ihr Stolz und ihre Freude waren vollkommen berechtigt. Seit einer Reihe von Jahren nehmen ihre Söhne den Vorsitz im Vorstande der hiesigen Gemeinde ein, und ist nicht zum Mindesten deren Wirken und Einfluss das Verdienst zuzuschreiben, dass in hiesiger Gemeinde noch der Geist des alten unmodifizierten Judentums herrscht und allem jüdisch-Religiösen das größte Interesse entgegengebracht wird. – So wurde hier vor etwa 2 Jahren unter strenger Wahrnehmung aller religionsgesetzlichen Anforderungen eine neue komfortabel erbaute Synagoge eingeweiht, woran sich dann die Herstellung aller anderen Gemeindeinstitutionen anreihte, Unternehmungen,  die sowohl von der Opferwilligkeit aller Gemeindemitglieder für alles Religiöse, als auch von der unerschütterlichen Energie des Vorstandes zeugen, dessen Vorsitz gegenwärtig Herr Simon Lorch, jüngster Sohn der edeln Verstorbenen, inne hat. – An der Nahre der Dahingeschiedenen hielt Herr Rabbiner Dr. Marx aus Darmstadt die Trauerrede, in welcher er mit ergreifenden Worten die hohen Vorzüge der Entschlafenen schilderte, deren tugendhaftes Leben des Anwesenden als Beispiel empfehlend. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

   
Zum Tod von Jette Abraham (1892)   

Lorsch Israelit 23051892.jpg (107669 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1892: "Lorsch (Hessen). Am Mittwoch, den 18. Mai wurde hier eine Frau zu Grabe geleitet, die es wohl verdienst, dass ihr ein ehrendes Andenken auch in weiteren Kreisen bewahrt werde. Frau Jette Abraham vereinigte in sich all jene Frauentugenden, wie sie nur in dem herrlichen Liede Eschet Chajil völlig gewürdigt werden. Ihre Lebensaufgabe scheint sie nur in der Betätigung von Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit erblickt zu haben. Denn in diesem Sinne erzog sie ihre Kinder zu Frömmigkeit und Gottesfurcht, in diesem Sinne pflegte sie fleißig den synagogalen und häuslichen Gottesdienst und in demselben Sinne ließ sie, trotz ihrer bescheidenen Verhältnisse, keine Gelegenheit vorübergehen, Gerechtigkeit und Gastfreundschaft auszuüben. Ihr mildes gewinnendes Wesen zog ihr alle Herzen in Liebe und Verehrung zu, wovon die allgemeine Beteiligung bei der Beerdigung das beste Zeugnis abgab. An der Bahre haben ihr Schwiegersohn, Herr Lehrer Rohrheimer aus Biblis, ihr Sohn, Herr Prediger S. Abraham aus Stuttgart, sowie Herr Lehrer Jaffé von hier der allgemeinen Trauer beredten Ausdruck. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens".  

   
Spätes Kinderglück für Lion Lorch und Mina geb. Wolff (1903)
   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. September 1903: "Lorsch. Das Haupt der israelitischen Gemeinde Lorsch hat ein merkwürdig glückliches Ereignis zu verzeichnen, das die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Im Jahre 1878 nämlich verheiratete sich Herr Lion Lorch mit Fräulein Mina Wolff. Sie lebten glücklich, und in Gottes Wegen wandelnd, bewährten sie sich auch durch ihre edlen Taten und segensreiches Wirken zu Gunsten der Gemeinde. Herr Lorch wurde auch seinerzeit zum Gemeindevorsteher ausersehen. Nur Eins bedrückte sie, dass sie kinderlos waren. Zum Glück segnete sie der liebe Gott zur silbernen Hochzeitsfeier und Frau Mina Lorch geb. Wolff ist am Erew Rosch ha Schono (sc. am Tag vor Neujahr) von einem Knäblein entbunden worden. Wir wünschen ihnen hierzu unsern herzlichsten Masel tow."    
Anmerkung: der Junge ist am 21. September (Tag vor Neujahr) geboren. 

     
Artikel zum Tod von Frau G. Wolff geb. Lorch (1904)  

Lorsch Israelit 03111904.JPG (168032 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November 1904: "Lorsch (Hessen), 23. Oktober. Unter größter Beteiligung, ohne Unterschied der Konfession, wurde heute der irdischen Hülle der seligen Frau G. Wolff Witwe geb. Lorch von hier, das letzte Geleite gegeben. Von Nah und Fern waren Freunde und Bekannte herbeigeeilt. Um der Entschlafenen die letzte Ehre zu erweisen, deren sie sich als Eschet Chajal (sc. "tüchtige Frau") in des Wortes ausgiebigster Bedeutung wohl verdient gemacht hatte. 
Wer die Verblichene näher kennen gelernt hatte, dem drängten sich bei dem Gedanken an die edlen Eigenschaften der Dahingeschiedenen die Worte auf: "Eine herrliche Zierde ist das Greisenalter, auf dem Wege der Gerechtigkeit wird es erreicht".
Mit vollem Rechte findet dieser Satz unseres weisen Salomo auf unsere teure Dahingeschiedene Anwendung. Reich an edlen Taten, begnadet mit einem liebevollen Herzen, erreichte sie das Alter von 73 Jahren. Früh musste sie durch den Verlust ihres Ehegatten, mit dem sie kaum zwei Jahre verbunden, das Leben von seiner ernsten Seite kennen lernen. Doch als eine Frau gehören und erzogen in echt rein-jüdischem Hause wusste sich die teure Entschlafene in ihrem seltenen Gottvertrauen ihrem Geschicke hinzugeben. Ihre tugendhafte Führung, ihre große Willensstärke und menschenfreundliches Entgegenkommen ließen sie gedeihen zum Gliede einer edlen Menschenkette. War auch ihre geschäftliche Tätigkeit, die sie mannesgleich vertrat, gar des Öfteren untermischt von manchem Tropfen bitteren Wermuts, so vergaß sie doch nicht, ihren zwei geliebten Töchtern die peinlich sorgfältigste Erziehung und in ihrem erhabenen Wohltätigkeitssinn Notleidenden jeden Standes hilfeleistend Gutes angedeihen zu lassen. Ein Familienleben, wie es die Dahingeschiedene führte, und dies noch in ihren letzten Tagen ihren teuren Angehörigen gegenüber dokumentierte, kann nur als musterhaft bezeichnet werden; unbeschreiblich war die Harmonie zwischen ihr und ihrer Umgebung. Ihr Haus war gestützt und getragen von den drei Pfeilern, die unsere Weisen nennen mit den Worten ämät din weschalom (Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden), dies waren die Grundsätze, die sich unsere liebe Unvergessliche zu eigen machte, und die ihr den großen Ruf und das hohe Ansehen sicherten für alle Zeiten. Möge der Allmächtige ihren Angehörigen Trost spenden.   Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens".  

   
Zum Tod von Leopold Oppenheimer (1909)  

Lorsch FrfIsrFambl 06081909.jpg (57875 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. August 1909: "Lorsch (Bergstraße). Am Tischo-be-Aw starb unser Gemeindemitglied Herr Leopold Oppenheimer in Bad Soden. Die Beerdigung fand auf dem großen Friedhof in Alsbach statt. Herr Lehrer Jaffé rühmte in kurzen, kernigen Worten die Tugenden, besonders die Friedfertigkeit und und Fleiß des Heimgegangenen. Der Verstorbene stammt aus Kleinhausen und war ein Bruder des Begründers der Weltfirma Adler und Oppenheimer in Straßburg, für die er bis zu seinem Lebensende eifrig gearbeitet hat."
  
Lorsch Israelit 05081909.jpg (107775 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. August 1909: "Lorsch (Bergstraße), 29. Juli. Mit tiefem Schmerze erfüllte uns am 9. Aw die Trauerbotschaft von dem Ableben unseres teuren Gemeindemitgliedes, Herrn Leopold Oppenheimer aus Bad Soden. Wohl kam es für uns nicht überraschend, und doch war unsere Gemeinde in die größte Aufregung, in die tiefste Trauer versetzt worden, als die Todeskunde hier eintraf. Am Erew Schabbat Kodesch Nachamu war die Beerdigung auf dem großen Friedhof in Alsbach, wo sich Juden und Christen versammelt hatten, um ihrem treuren Bruder und Freunde das letzte Geleite zu geben. Es blieb kein Auge tränenleer, als Herr Lehrer Jaffé in kurzen, kernigen Worten den 55jährigen Lebensweg des Heimgegangenen ausmalte. Wie der Erzvater konnte er die Jahre seines Lebens als kurz und leidvoll schildern. 'Liebe die Arbeit' war sein Losungswort. Hatten ihn die Werktage 'hinaus ins feindliche Leben’ gerufen, so verbrachte er den Schabbat im Kreise der Familie und der Gemeinde. Da vergaß er nicht seinen Gott; er nahm seinen Segen mit in die Alltagsbeschäftigung hierüber; über seinem Hause ruhte der Schein, den die beglückenden Mizwot (Weisungen) ausstrahlen. Möge Gott den trauernden Hinterbliebenen und der Gemeinde die Fülle seiner Trostes angedeihen lassen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."    

    
Todesanzeige für Minna Lorch geb. Oppenheimer (1924)    

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 21. Februar 1924: 
"Nach längerem Krankenlager verschied heute nacht meine innigstgeliebte Gattin, die treubesorgte Mutter ihrer Kinder, Frau 
Minna Lorch geb. Oppenheimer
 
im 46. Lebensjahre. Lorsch (Hessen), den 5. Februar 1924 / 30. Schewat 5684. 
Jakob Lorch II  Alfred Lorch  Paula Kahn geb. Lorch  Irma Lorch  Leo Lorch  Karl Kahn."     

   
Zum Tod von Mina Lorch (1928) 
 

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1928: "Lorsch, 15. August (1928). Am Schabbat Nachamu (Schabbat nach dem 9. Av, das war 4. August 1928), an ihrem 71. Geburtstag, wurde Frau Mina Lorch, die Gattin des vor ungefähr anderthalb Jahrzehnten ihr im Tode vorangegangenen langjährigen früheren Gemeindevorstehers, Simon Lorch, in die ewige Heimat, zum Schabbat und Ruhetag für das ewige Leben abberufen. Wenn zu den von König Salomon hervorgehobenen Eigenschaften und Vorzüge einer wackeren Frau, auch (hebräisch und deutsch) 'Auf sie vertraut ihres Mannes Herz' mitzählt, so kann das Lebensbild der Verklärten, ihre hervorstechenden Tugenden und Wesensart, nicht besser als mit diesen vier Wörtchen gezeichnet werden. Mit der ihr angeborenen vornehmen Gesinnung, echtjüdischer Denkungsart und Herzensgüte, gepaart mit inniger, tiefwurzelnder Frömmigkeit alten Schlages, die ihr höchstes Lebensziel war, übernahm sie das heilige Vermächtnis ihres Mannes; übte ganz in seinem Geiste in ihrem trauten Heim, im Kreise ihrer Gemeinde, wie auch auswärts in stiller und schlichter Weise Wohltätigkeit; linderte, ohne dass es jemand ahnte, so manches Leid und trocknete viele Tränen. Das große Trauergefolge von Nah und Fern legte beredtes Zeugnis von der Beliebtheit und Wertschätzung, deren sich die Verblichene bei allen Schichten der Bevölkerung erfreute. Herr Rabbiner Dr. Merzbach - Darmstadt und Herr Jacob Teßler - Nürnberg, letzterer als früherer Lehrer der Gemeinde, sprachen an der Bahre tief ergreifende Worte und entwarfen ein treues Bild der Heimgegangenen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."     

   
80. Geburtstag von Abraham Abraham (1934) 

Lorsch Israelit 23081934.jpg (87110 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1934: "Lorsch (Hessen), 20. August (1934). Am Schabbat Paraschat Reeh beging Herr Abraham Abraham in seltener körperlicher und geistiger Frische, geehrt von der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung, im Kreise seiner Familie, den 80. Geburtstag. Herr Abraham übt noch heute - ehrenamtlich - die Funktion des 'Bal Kaure' (Toravorlesers) aus, und hält alsabbatlich den Gemeinde-Schiur (Lernstunde) ab. Zur Feier des Tages prangte die Synagoge sowie der Platz des Gefeierten in festlichem Blumenschmuck. Nach dem Einheben (der Torarollen) brachte der Vorstand der Gemeinde, Herr Alfred Lorch, in warmen Worten den besonderen Dank der Gemeinde zum Ausdruck und überreichte in deren Auftrag ein Geschenk. Herr Rabbiner Dr. Merzbach, Darmstadt, gratulierte in einem herzlichen Schreiben von der Urlaubsreise, unter Verleihung des Ehrentitels 'Chower'. Möge es Herrn Abraham vergönnt sein, diese heiligen Funktionen in gleicher Jugendfrische und Gesundheit bis 120 Jahre auszuüben."   

  
Schuhwarenhändler Sieghart Mann wird verurteilt (1933) 

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August 1933: "Mainz. Der jüdische Schuhwarenhändler Sieghart Mann aus Lorsch bei Bensheim wurde in Worms festgenommen, weil er sich als Nationalsozialist ausgab und einem Geschäftsmann das unter seinem Rockkragen befestigte Hakenkreuz zeigte. Mann wurde das Parteiabzeichen abgenommen, er selbst wurde einige Zeit nach Osthofen gebracht (sc. KZ). Nun wurde er wegen unberechtigten Tragens des Abzeichens von der Ferienstrafkammer Mainz zu einem Monat Gefängnis verurteilt."   

  
75. Geburtstag von Johanna Mainzer geb. Mayer (1938) 
Anmerkung: Johanna Mainzer ist am 5. März 1943 im Ghetto Theresienstadt umgekommen.

Lorsch Israelit 07041938.jpg (17742 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. April 1938: "Lorsch, 1. April (1938). Frau Johanna Mainzer geb. Mayer, Lorsch, feierte am Schabbat, den 26. März, in seltener geistiger körperlicher Rüstigkeit ihren 75. Geburtstag. (Alles Gute) bis 120 Jahre."  

    
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen 
Anzeige der Tuch-, Wollen- und Bettwarenhandlung von Löb Abraham (1856)  
 
(erhalten von Hans-Peter Traumann)   

Lorsch Anzeige 18071856.jpg (21907 Byte)Anzeige im "Intelligenzblatt für den Kreis Lindenfeld Nr. 29 vom 18. Juli 1856": "(Lorsch). Bettfedern.  
Der Unterzeichnete hält fortwährend Lager von neuen weißen Bettfedern und Pflaumen, sowie Bett-Barchent und Zwillich in schöner Auswahl zu den billigsten Preisen. Auch bringt derselbe zugleich sein Lager von anderen Ellenwaren, als Tuch, Wollen- und Seidenstoffe, Druckkattune etc. im empfehlende Erinnerung. 
Lorsch
, den 27. Juni 1856. Löb Abraham."   

    
Verlobungsanzeige von Minna Wertheimer und Heinrich Guthof (1923)   

Lorsch Israelit 06121923.jpg (28225 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1923: 
"Gott sei gepriesen
Minna Wertheimer - Heinrich Guthof.
Verlobte. 
Schwäbisch Hall - Chanukka 1923 - Lorsch in Hessen / Halberstadt."  

  
Anzeige zum Tod von Minna Lorch geb. Oppenheimer (1924)  

Lorsch Israelit 14021924.jpg (69606 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1924: "Nach längerem Krankenlager verschied heute Nacht meine innigstgeliebte Gattin, die treubesorgte Mutter ihrer Kinder 
Frau Minna Lorch geb. Oppenheimer 
im 46. Lebensjahre. 
Lorsch (Hessen). 5. Februar 1924 = 30. Schewat 5684. 
Jakob Lorch II. Alfred Lorch  Paula Kahn geb. Lorch  Irma Lorch  Leo Lorch  Karl Kahn".   

       
Todesanzeige für Jacob Lorch (1928)
  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1928: "Heute nacht ist unser innigstgeliebter treu sorgender Vater, unser lieber Großvater, Schwiegervater, Bruder, Schwager und Onkel 
Herr Jacob Lorch 
im 59. Lebensjahre von uns geschieden.   
Lorsch (Hessen)  Michelstadt/Odenwald, New York, den 15. Aw 5688 - 1. August 1928.  
Alfred Lorch und Frau Fränze geb. Oppenheimer. Karl Kahn und Frau Paula geb. Lorch. Julius Strauß und Frau Irma geb. Lorch. Leo Lorch."    

        

Kennkarten aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarten einiger Personen, 
die in Lorsch geboren sind
 
 Lorsch KK MZ Lorch Frieda.jpg (89956 Byte)      
    Kennkarte für Frieda Lorch geb. 
Abraham
(geb. 7. Februar 1886 in Lorch)  
konnte emigrieren, gest. 1950 in Brooklyn NY 
   
        
Lorsch KK MZ Kahn Liesel.jpg (95025 Byte)  Lorsch KK MZ Kahn Miriam.jpg (92768 Byte) Lorsch KK MZ Kahn Paula.jpg (100774 Byte)  Lorsch KK MZ Kahn Ruth.jpg (92345 Byte)
  Kennkarte für Liesel Kahn 
(geb. 19.11.1926 in Lorsch)  
Kennkarte für Miriam Kahn 
(geb. 24. Mai 1928 in Lorsch) 
 Kennkarte für Paula Kahn 
geb. Lorsch (geb. 18.1.1902)  
  Kennkarte für Ruth Karola Kahn 
(geb. 16.9.1923)  

Im März 1942 wurden die Mitglieder der Familien Kahn weitere Lorscher Juden ab Mainz über Darmstadt in das Ghetto Piasko deprtiert. Alles sind - vermutlich in den Vernichtungsanstalten Belzec oder Majdanek ermordet. Weiteres siehe in dem unten wiedergegebenen Presseartikel von Thilo Figaj.    

       
Weitere Kennkarten von Personen 
mit Bezug zu Lorsch
  
Gross-Umstadt KK MZ Lichtenstein Jenny.jpg (89046 Byte)    
  KK (Dieburg 1939) für Jenny Lichtenstein
(geb. 2. September 1899 in Groß-Umstadt), 
wohnhaft in Groß-Umstadt und Lorsch, am 
25. März 1942 deportiert ab Mainz-Darmstadt 
in das Ghetto Piaski, umgekommen       
   

      
      
      
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge              
      
Bereits im 18. Jahrhundert war ein Betsaal beziehungsweise eine Synagoge vorhanden. 1794 gab es Unruhe zwischen den in Lorsch und Kleinhausen (heute Einhausen) lebenden jüdischen Familien. Einige Familien war von jenseits des Rheins nach Kleinhausen gezogen, worauf die hier lebenden Familien nicht mehr nach Lorsch zum Gottesdienst kommen wollte. In Kleinhausen sollte nun eine eigene Synagoge sein. Die Lorscher Juden protestierten erfolglos; ein Separatgottesdienst in einem Betsaal in Kleinhausen wurde genehmigt und für einige Monate abgehalten. Nachdem die zugezogenen Familien Kleinhausen 1795 wieder verlassen hatten, gab es nur noch vier jüdische Familien in Kleinhausen, die - um eigene Gottesdienste feiern zu können - auswärtige jüdische Männer dazu einladen mussten. Nun protestierten die Lorscher Juden erneut, worauf das Erzbischöfliche Generalvikariat die Kleinhauser Juden anwies, wie früher zum Gottesdienst nach Lorsch zu gehen.  

Eine neue Synagoge wurde 1885 erbaut. Sie hatte 82 Männer- und 36 Frauenplätze. Ein Bericht zur Einweihung konnte noch nicht gefunden werden.
Neben den gewöhnlichen Gottesdiensten an Werktagen, Schabbat und den Feiertagen gab es auch besondere Ereignisse, zu denen die Gemeinde in der Synagoge zusammenkam. So war mit den Hauptversammlungen des Brautausstattungsvereines (s.o.) ein Gottesdienst in der Synagoge verbunden. worüber ein Bericht in der Zeitschrift "Frankfurter Israelitisches Familienblatt" vom 28. Januar 1910 vorliegt:

Lorsch Frf IsrFambl 28011910.JPG (190516 Byte)"Lorsch (Hessen). Am Erew Rausch-Chaudesch Sch’wat (am Vorabend zum Beginn des Monats Schwat) wurde die alljährliche Hauptversammlung des hiesigen Brautausstattungsvereins (Chewroh kaddischoh 'Hachnoßas Kalloh’) abgehalten. Der seitherige Vorstand, dessen Vorsitzender der Gemeindevorsteher Herr Simson Lorch ist, wurde durch Zuruf wieder gewählt und wegen des alljährlichen Vereinsessens der Jahresbeitrag von 10 Mark auf 12 Mark erhöht. Nach Schluss der Versammlung fand in der Synagoge zu Lorsch der übliche Jaum-Kippur-koton-Gottesdienst statt, in dem das Vereinsmitglied, Herr Lehrer B. Rohrheimer - Biblis, das Amt des Vorbeters versah. Anschließend an den Gottesdienst fand in den Räumlichkeiten des Vereinsvorsitzenden ein Festessen statt, bei dem sich die Mitglieder von nah und fern für einige Stunden geselligen Zusammenseins gern ein Stelldichein gaben. Herr Lehrer Jaffé von Lorsch gab diesem Bewusstsein gemeinsamer Arbeit Ausdruck in seinen Worten, mit denen er an die Gründung der ersten jüdischen Chewroh erinnerte – an die Geburt des jüdischen Volkes in der Erlösungsnacht. Lehrer Rohrheimer knüpfte seine Worte an das Tefillingebot an und stellte so das Judentum als eine Religion der Tat hin, die zur Ausübung sittlicher Handlungsweise, Mitzwaus (Gebote), verpflichtet und dadurch das Glauben und das Aufstellen von Glaubenslehren stark in den Hintergrund stellt. Wie das Gesamtjudentum im Großen, so hat unsere 'Kippe’ im Kleinen die 'sittliche Tat’, zum Vereinszweck – und in ihrer Tätigkeit schon viele Saaten des Segens und der Liebe ausgestreut. Herr Dr. Mainzer – Alzey pries den Erew Rausch-Chaudesch Sch’wat als das Einigungsband  der 'Jungen’ und der 'Alten’. Im Jahre 1912 beabsichtigt der Verein sein hundertjähriges Bestehen in einem größeren Stiftungsfest zu feiern. Wie im letzten Jahre, so wurden auch in diesem namhafte Beiträge von Seiten aller Mitglieder zu diesem Zweck gezeichnet. Herr Lazarus Oppenheimer aus Lingolsheim spendete für die Firma Adler und Oppenheimer in Straßburg 100 Mark. Das Tischgebet wurde nun versteigert und dann trennte man sich mit dem Wunsche eines fröhlichen Wiedersehens bei der 'Jahrhundertfeier’.

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von SA-Leuten unter engagierter Beteilung von Bürgern aus Lorsch zunächst geschändet und verwüstet, anschließend in Brand gesteckt. Die jüdische Gemeinde musste die Kosten für den Abbruch der Ruine übernehmen. Das Grundstück wurde nach 1945 mit einem Wohn- und Geschäftshaus neu überbaut. Unter Verwendung von Steinen der Lorscher Synagoge wurde 1949 die Friedhofskapelle der Gemeinde erbaut.

Im Beisein des Landesrabbiners Prof. Dr. Ernst Roth wurde im November 1982 in der Lorscher Schulstraße eine Mahntafel mit folgendem Text enthüllt: "Dem Andenken der jüdischen Bürger unserer Stadt - Zur Erinnerung an die Synagoge der jüdischen Gemeinde Lorsch, die am 10. November 1938 zerstört wurde." Eine Anbringung einer Gedenktafel am Haus auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge war damals nicht möglich, da der Besitzer aus Angst vor Sachbeschädigungen keine Tafel an diesem Gebäude sehen wollten. Inzwischen befindet sich auch an diesem Haus eine Gedenktafel.   
  
  
Adresse/Standort der SynagogeBahnhofstraße 10      
  
  
Fotos
(Quelle: Foto obere Zeile rechts: aus Arnsberg, Bilder S. 135)  

Historische Ansichten 
der Synagoge
Lorsch Synagoge 10.jpg (43175 Byte) Lorsch Synagoge 011.jpg (52845 Byte)
   Historische Ansichtskarte mit 
Ansicht der Synagoge   
Fassade der Synagoge mit 
den Gebotstafeln  
     
  Lorsch1.jpg (66866 Byte) Lorsch2.jpg (32742 Byte)
  Historische Ansichtskarte von Lorsch - versandt 1900 - mit freundlicher Genehmigung 
von Frantisek Bányai übernommen aus der Website www.judaica.cz  
     
Der Standort der 
ehemaligen Synagoge im Sommer 2011 
(Fotos: Michael Ohmsen) 
Lorsch Synagoge 912.jpg (97741 Byte) Lorsch Synagoge 910.jpg (113043 Byte)
   Standort der Synagoge mit Inschriftentafel: "Ehemalige Synagoge. Hier stand die Synagoge, die 1885 für die 96 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Lorsch erbaut wurde. Im Zuge der nationalsozialistischen Judenverfolgung mussten zahlreiche jüdische Mitbürger ihre Heimat verlassen. In der 'Reichskristallnacht' am 9. November 1938 wurde die Lorscher Synagoge durch Brandstiftung zerstört. 1942 waren noch 14 Juden in Lorsch verblieben. Sie wurden am 10./15. August und am 10./15. September in die Konzentrationslager Auschwitz und Theresienstadt deportiert."  
      
 Der Standort der
ehemaligen Synagoge im Juni 2021
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.6.2021) 
   
     
     
Gedenkstätte in der Schulstraße 
(eingeweiht 1982)  
(Fotos: Michael Ohmsen von 2011) 
Lorsch Synagoge 913.jpg (193736 Byte) Lorsch Synagoge 911.jpg (149166 Byte)
   Die Inschrift der Gedenktafel: "Dem Andenken der jüdischen Bürger unserer Stadt. 
Zur Erinnerung an die Synagoge der jüdischen Gemeinde Lorsch, die am 
10. November 1938 zerstört wurde."    
     
Gedenkstätte in der Schulstraße im Juni 2021
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.6.2021)   
 
     

    
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    
Gedenken an die Zerstörung der Synagoge 
(Quelle: Website der Gemeinde Lorsch)

GEDENKEN. Eigentlich kommt die Gedenkstätte für die Lorscher Opfer des Dritten Reiches, vorwiegend jüdische Mitbürger, nur einmal im Jahr so richtig zur Geltung, am 9. November, der "Reichskristallnacht", wenn Bürgermeister und Stadtverordnetenvorsteher, unser Bild, im Namen der Gemeinde ein Blumengesteck niederlegen. ml/Bild: ml 
MAHNUNG. Trotz regnerischen Wetters trafen sich am Abend des 9. November über 30 Menschen an der Gedenkstätte für die Opfer des Naziterrors in der Schulstraße. Bürgermeister Klaus Jäger, links, erinnerte in einer Rede an die Gräueltaten dieser Zeit und mahnte den Kampf gegen Wiederholungen dieser Art an. ml/Bild: ml
Lorsch. Ein Blumengesteck legten Bürgermeister Klaus Jäger und Stadtverordnetenvorsteher Harald Horlebein als Vertreter der Lorscher Bürgerschaft am Abend des 9. November an der Gedenkstätte für die Lorscher Opfer des Naziterrors in der Schulstraße nieder. Zahlreiche Bürger hatten sich trotz schlechten Wetters dort eingefunden, um am Datum der "Reichskristallnacht", als auch die Lorscher Synagoge in der Bahnhofstraße niedergebrannt wurde, der ermordeten Mitbürger zu gedenken. Es sei ein Gedenken an die Menschen, die unter den Pogromen der Nazis hätten leiden müssen, die ihre Gesundheit und ihr Leben verloren hätten, sagte Bürgermeister Klaus Jäger in einer kurzen Ansprache. Die Vorkommnisse in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 seien schlimme und beschämende Ereignisse in der deutschen Geschichte gewesen, mit denen eine Entwicklung eingeleitet worden sei, die man als schweren Schlag gegen Anstand, Zivilisation und Humanität verstehen müsse. Man dürfe nicht vergessen, dürfe das Erinnern aber auch nicht zu einem Ritual verkommen lassen, mahnte das Stadtoberhaupt. Ohne Erinnerung bestehe die Gefahr, "dass wir in unserem Staat, unserer Gesellschaft und unserer Gemeinschaft die Orientierung und Identität verlieren". Man müsse dies den folgenden Generationen weitergeben, um der Opfer und sich selbst gerecht zu werden. Erinnern bedeute Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, den Entwürdigten Gerechtigkeit angedeihen zu lassen. Man müsse sich aber auch der Taten und der Täter erinnern, müsse sich fragen, wie Mitmenschen dazu gebracht werden konnten, andere Menschen auszusondern und zu vernichten? Erinnern müsse Trauer über Leid und Verlust zum Ausdruck bringen aber auch zur Wachsamkeit und zum Kampf gegen Wiederholung motivieren. Erinnern müsse so gestaltet sein, dass jüngere Generationen ihre Verantwortung für Demokratie, Freiheit und Menschenwürde verinnerlichen könnten.
Man müsse mit jungen Menschen den Dialog suchen, damit sie die richtigen Schlüsse ziehen könnten. In Anspielung auf wieder aufkommende recht braune Tendenzen in der Bundesrepublik forderte Klaus Jäger auf, sich vor Augen zu führen, dass immer dann, "wenn irgendwo unterschieden, klassifiziert und selektiert wird, niemand sicher sein kann, dass er nicht eines Tages selbst zu den Ausgesonderten gehört". Es liege in unserer Verantwortung, gegen solche Entwicklungen anzugehen. "Es darf nicht zugelassen werden, dass die Wertigkeit eines Menschen abhängig gemacht wird von seiner Rasse oder Herkunft, von Überzeugung oder Glauben, von Gesundheit oder Leistungsfähigkeit. Es sei aber auch wichtig, beim Erinnern an die Geschichte des Dritten Reiches auch diejenigen nicht zu vergessen, die Widerstand geleistet hätten, militärisch oder im Alltag. Diese Aktionen seien ein Beleg dafür, dass das Gewissen funktionieren könne, dass der Einzelne nicht ganz machtlos sei. Über 4000 Deutsche würden heute in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem als Jugendretter geehrt. Sie hätten Vorbildfunktion für unsere Jugend. Abschließend zitierte Klaus Jäger den früheren Bundespräsidenten Roman Herzog zu dieser Art Heldentum. "Heldentum dieser Art wird wohl nie zu einer alltäglichen ethischen Verhaltensweise werden. Niemand kann es von anderen einfordern. Erst recht – auch das sage ich vor allem den Jungen – darf sich niemand im Nachhinein einbilden, er selbst wäre im Ernstfall ein Held gewesen. Umso mehr haben wir alle die tägliche Pflicht, für Verhältnisse in unserem Land zu sorgen, in dem niemand ein Held sein muss, um ein guter, um ein anständiger Mensch zu sein".
 
April 2012: Presseartikel zum Ende der jüdischen Geschichte in Lorsch    
Artikel von Thilo Figaj in "Echo online" vom 25. April 2012: "Ende einer jüdischen Gemeinde in Südhessen. Geschichte - In Lorsch pulsierte wie in vielen anderen Orten der Region das jüdische Leben - Im Jahr 1942 wurde es von den Nationalsozialisten systematisch ausgelöscht..." 
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Das o.g. Artikel darf mit Genehmigung des Verfassers hier wiedergegeben werden: "Ende einer jüdischen Gemeinde in Südhessen
Geschichte – In Lorsch pulsierte wie in vielen anderen Orten der Region das jüdische Leben – Im Jahr 1942 wurde es von den Nationalsozialisten systematisch ausgelöscht.  
Für Lorsch gelte, so eine 2009 veröffentlichte Untersuchung 'zur Klärung des Nationalsozialismus', dass der Ort 'mit diesen Zahlen weder besonders aktiv noch passiv' gewesen sei. Die weitgehend namenlose statistische Erkenntnis lässt der Aufsatz als abschließendes Urteil im Raum stehen und stößt damit bei mindestens denjenigen auf Unbehagen, die es aus Überlieferungen – oder aus eigenem Erleben – besser wissen.
Die Erforschung der jüngeren Geschichte erfolgte immer nur bis zu jenem Punkte, an dem erklärt werden muss, wie eine ehedem blühende jüdische Gemeinde spurlos aus der Mitte des Ortes verschwand, samt ihrer Synagoge, ihrer Menschen und Besitztümer. Allein eine Schülerzeitung traute sich 1985 weiter vor. Ihr verdankt Lorsch die ersten veröffentlichten Zeugnisse Lorscher Überlebender der Shoa. Dagegen sind die 38 Namen von Lorschern vergessen, die der Shoa zum Opfer fielen.
Dabei kann noch heute gut nachvollzogen werden, wie auch in Lorsch über die Staatspolizeistellen, die Landräte und Bürgermeister den Deportationsbefehlen Adolf Eichmanns, Leiter des 'Judenreferats' im Berliner 'Reichssicherheitshauptamt', Folge geleistet wurde. Die Meldekarten der Deportierten weisen verzogen nach 'unbekannt' aus, so wie es Eichmann verlangte.
Aber da war ja noch diese Datumsspalte, die konnte in einer Behörde nicht leer bleiben. Und so setzte ein treuer Diener des Dritten Reiches seine ganze Fantasie ein und kritzelte irgendetwas und bei jedem etwas anderes hinein; nur nicht die Wahrheit.
Seither wurden diese Daten nie mehr korrigiert. Sie stehen auf einer billigen Plastiktafel in der Bahnhofstraße Lorsch. Dass sie unplausibel waren, störte offenbar niemanden, auch nicht, dass den Opfern damit das letzte Stückchen Identität genommen wurde: den Hinweis auf den Zeitpunkt ihres Todes. An dieser Stelle wird Verdrängen sichtbar, und nur genaues Nachschauen wirkt hier als Gegenmittel.
1923 kommt in der Lorscher Bahnhofstraße 14 Ruth Carola Kahn zur Welt. Das Mädchen ist die erste von vier Töchtern des jüdischen Viehhändlers Karl Kahn, der aus Sickenhofen bei Babenhausen stammt. Dessen Frau Paula, Jahrgang 1902, stammt aus der Familie Lorch, die es in der Klosterstadt zu einigem Wohlstand und Ansehen gebracht hatte. Lorscher Juden hatten wesentlich früher als in der Umgebung nach 1821 das Ortsbürgerrecht beantragt und auch erhalten. Simon Krakauer zum Beispiel: Mit seinem in Lorsch geborenen Sohn Julius und dessen Bruder David begründet er 1869 die Pianofabrik 'Krakauer Brothers' in New York.
Die Lorchs bleiben im Großherzogtum. Ihnen gehören um 1890 weite Areale der Ortsmitte, die Hofreiten der Bahnhofstraße gehen durch bis zur Kirchstraße. Dieser Umstand erlaubt es der jüdischen Gemeinde, eine stattliche Synagoge in der Bahnhofstraße zu errichten. Um sie herum pulsiert das jüdische Leben.
Auf Ruth folgen weitere Töchter: Miriam (1925), Liesel (1926) und schließlich Suse (1929). Nachdem Paulas Vater Jakob 1928 gestorben ist, kommt ihr Bruder Alfred mit seiner Familie aus Bensheim zurück in seine Heimatstadt und übernimmt als Oberhaupt der Familie den Holzhandel und wenig später auch den Vorsitz der jüdischen Gemeinde. Mit ihm und seiner Frau Franziska kommen Sohn Martin (1927) und die gerade geborene Margarethe (1931) an den Stammsitz der Familie. Im Sommer 1929 wird Ruth Kahn eingeschult. Auf dem Klassenfoto sehen wir ein ernstes, ausnehmend hübsches Mädchen. Die Kinder der Lorscher Juden gehen selbstverständlich gemeinsam mit ihren Altersgenossen zur Schule.
Nur wenige Jahre später ist alles anders: Der frisch ins Amt gehievte Wormser Polizeidirektor Heinz Jost, ein Lorscher, lässt Missliebige ins KZ Osthofen bringen. Am 26. August 1933 überschreibt die Frankfurter Zeitung den Polizeibericht aus Worms: 'Letzte Warnung an die Juden'. Eine größere Anzahl aus Worms und Umgebung sei im KZ Osthofen in Haft genommen, vermeldet Josts Staatspolizeistelle.
Aus dieser Zeit berichtet nach dem Krieg die Witwe des Lorscher Juden Siegbert Mann, die Katholikin Betty Mann, von der ersten Verhaftung ihres Mannes: Der Lederhändler ist nach Worms gefahren, aber nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Statt seiner stehen plötzlich mehrere SA- oder SS-Männer in der Lorscher Bahnhofstraße 18. Sie bedrängen die schwangere Frau und pressen ihr drei Mark als Fahrgeld für die Rückfahrt nach Worms ab. Sie sucht Beistand bei Nachbarn.
Die wissen im Gegensatz zu ihr von Josts Stellung und raten ihr, selbst nach Worms zu fahren und ihr Glück direkt beim Polizeichef zu suchen, was sie auch tapfer tut. Siegbert Mann kommt ein paar Tage nach der Intervention seiner Frau wieder frei, nur um wenig später wieder für einen Monat in Haft zu verschwinden. Angeblich hat er sich als Parteigenosse ausgegeben.
Paula Kahn gibt 1934 ihr kleines Manufakturwarengeschäft in Lorsch auf und zieht mit Mann und den vier Töchtern nach Babenhausen. Karl Kahn hofft, hier den Lebenserwerb für seine Familie auf solidere Füße zu stellen, als er das in Lorsch kann. Er besitzt in Babenhausen eine Hofreite und zwei Morgen Land. Der Viehhandel ist eine Domäne der hessischen Juden, und in Lorsch war die Konkurrenz der Juden untereinander groß. Jetzt wird es noch schwerer. Auch die Bauern sind in der Zwickmühle. Der Umgang mit den Juden ist verpönt, aber ausgerechnet sie haben den Zugang zu den Schlachthöfen. Geschäfte werden nur noch heimlich gemacht. Die Gestapo Darmstadt fordert am 22. April 1936 alle Kreis- und Polizeiämter zur Denunziation Beteiligter auf. Schließlich werden die Juden, teilweise mit Gewalt, aus den Schlachthöfen gejagt. Kahn ist mutig, er wehrt sich. 1937 klagt er gegen den Viehwirtschaftsverband Hessen Nassau.
Die Kinder der Lorscher Juden dürfen keine Regelschulen mehr besuchen. Sie fahren täglich nach Worms, drangsaliert von Hitlerjungen, oder sie besuchen die jüdischen Schulen in Darmstadt und Frankfurt. Margarethe und Martin Lorch wohnen dort bei Verwandten und Bekannten. Aus Lorsch müssen ihre Eltern sie abmelden und bei Beginn der Ferien wieder anmelden.
Das Leben wird unerträglich. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 setzen auch in Lorsch die Plünderungen und Brandstiftungen ein. Die Synagoge wird zerstört, die schönen Buntsandsteinquader behält man – und baut nach dem Krieg eine Friedhofskapelle damit.
Als sich der Rauchvorhang hebt, sind mindestens drei Menschen verschwunden: der 84 Jahre alte Abraham Abraham und sein Sohn Siegmund, sie kommen später aus Dachau wieder zurück. Aron Lorch aber bleibt für immer verschollen. '9.11.38 verzogen nach Frankfurt' steht im Melderegister. Eine Chiffre für die Verschleppung ins Gestapogefängnis. Oder soll man glauben, dass ein Siebenundsechzigjähriger seine sechs Jahre jüngeren Frau zurücklässt, ausgerechnet in der Pogromnacht einfach so 'verzieht' und nicht die kleinste Spur hinterlässt?
Alfred Lorch, seine Frau Franziska (Fränzi) und die Kinder ziehen in Arons Wohnung, zur Tante Bertha, in die Bahnhofstraße 13. Ihr eigenes Anwesen mit der Holzhandlung in der Nummer 17 würden sie verkaufen und dann auswandern. Das Ziel: Chile. Auch Schwester Paula und Schwager Karl, dem mutigen Viehhändler, war in Babenhausen schwer zugesetzt worden. Zwei Wochen nach den Pogromen stellen sie Antrag auf Ausreise nach Südafrika. Sie sind spät dran, aber Paula ist schwanger geworden. Ihr fünftes Kind stirbt nach der Geburt.
Ihr Eigentum wird unter Preis verkauft. Im Juni 1939 endlich geben die Behörden das Einverständnis. Doch dann kommt der Krieg, und kein deutsches Schiff fährt mehr nach Südafrika. Die Kahns bekommen ihre gepackten Überseekisten aus Bremen zurück, das Landratsamt behält die Pässe. Den Verwandten in Lorsch ergeht es ähnlich. Franziska ist auch noch einmal schwanger geworden und bringt am 21. Januar 1940 ein Mädchen zur Welt. Elia Lorch ist der letzte jüdische Mensch, der in Lorsch geboren wird.
Die Geschwister Alfred und Paula sitzen mit ihren Familien in der Falle. Das zweite Opfer aus dem Familienverband wird Ruth Kahn. Die Studentin hat sich 1939 aus Babenhausen abgemeldet; sie gerät im Oktober 1940 in eine von Eichmann persönlich koordinierte Aktion der Zwangsverschleppung von Juden aus Baden in das Lager Gurs in Frankreich, am Rande der Pyrenäen. Nach zwei Jahren der Agonie wird die Neunzehnjährige im September 1942 von dort nach Auschwitz deportiert. Da ist ihre Familie bereits tot.
Am 21. August 1941 weist der Bergsträßer Landrat die Bürgermeister im Kreis an, die 'umzusiedelnden Juden zunächst zur Räumung ihrer bisherigen Wohnungen zu veranlassen.' Ein konkreter Hinweis auf die bevorstehenden Deportationen. Spätestens jetzt weiß man auch in der Provinz Bescheid. Neben der Familie Lorch, den drei Kindern und Tante Bertha leben noch elf Juden in Lorsch. Sie müssen nun den Judenstern tragen, wenn sie überhaupt aus dem Haus dürfen. Der Briefträger versorgt sie heimlich mit Lebensmitteln.
Mit weißer Farbe pinseln die Juden ihre Namen, ihre Kennnummern und ihre Deportationsorte auf die Gepäckstücke, die sie tragen können. Alles ist bis ins Kleinste organisiert, jeder Deportationszug, den Eichmann bei der Reichsbahn bestellt, fasst 1000 Personen. Der 'Gesellschaftssonderzug' mit der Nummer DA 14 fährt nach Sonderfahrplan am 25. März 1942 ab Mainz über Darmstadt in den Bezirk Lublin im sogenannten Generalgouvernement (Polen). Hier ist das Durchgangslager Piaski.
Aus diesem ländlichen Getto werden zur gleichen Zeit die polnischen Bewohner in die Vernichtung nach Belzec und Majdanek getrieben, um Platz zu machen für die 'Reichsjuden'. Einige glauben immer noch an Pionierarbeit im Osten und schleppen ihr Werkzeug mit. Die Lorchs aus Lorsch treffen die Kahns aus Babenhausen im Zug wieder.
Am 27. März kommen die Familien Kahn und Lorch und vier weitere Lorscher Juden in Lublin an. Wie lange sie möglicherweise in Gettos oder Arbeitslagern noch leben, ist nicht bekannt. Post aus Piaski darf in Hessen nicht zugestellt werden.
Das Ende kommt dann meistens in den Vernichtungsanstalten der Region, in Belzec oder Majdanek. Bis heute weiß man es nur vom 15 Jahre alten Martin Lorch. Eine Todesmeldung nennt den 4. August 1942 und Majdanek. In Lorsch zurückgeblieben sind nun noch sieben Menschen, für die ein 'Alterstransport' nach Theresienstadt vorgesehen ist. Am 27. September 1942 sind auch sie verschwunden – mit dem letzten großen Transport aus Südhessen, DA 520, wieder aus Mainz und Darmstadt.
Weil er in Mischehe lebt und kleine Kinder hat, war der Jude Siegbert Mann ausdrücklich von Eichmanns Deportationsbefehl ausgenommen. Doch auch er verschwindet an einem unbekannten Tag aus Lorsch. Von Mann gibt es nicht einmal den 'verzogen'-Vermerk. Alles, was seine Frau später erhält, ist die Todesmeldung. Siegbert Manns Witwe dient in einem der Nürnberger Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher ausgerechnet der Verteidigung von Heinz Jost. Für das falsche Bild vom guten Nazi muss noch einmal die Geschichte mit Siegbert Mann herhalten, den Jost 1933 kurz hatte laufen lassen." 
  Personen, die in obigem
 Artikel genannt werden
 
(Fotos abgebildet mit
 Genehmigung des
 Verfassers; die Fotos befinden
 sich im Stadtarchiv Lorsch*
 bzw. im Staatsarchiv
 Darmstadt)  
Lorsch Karl Kahn 010.jpg (11005 Byte) Lorsch Martin Lorch 010.jpg (27169 Byte) Lorsch Ruth Carola Kahn 010.jpg (12840 Byte) Lorsch Siegbert Mann 010.jpg (8630 Byte)
 Karl Kahn  Martin Lorch*   Ruth Carola Kahn   Siegbert Mann* 
 

 

Juli 2015: Erste Verlegung von "Stolpersteinen" in Lorsch 
Vgl. Liste im Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Lorsch 
 
April 2016: Über die Aktivitäten zur Erinnerungsarbeit im Lorscher Heimat- und Kulturverein  
Artikel von Hans-Jürgen Brunnengräber in "Echo-online.de" vom April 2016: "Die Wirkung reicht bis New York
LORSCH -
Von der Verlegung der ersten Stolpersteine für ehemalige jüdische Mitbürger über öffentliche Veranstaltungen zum 70. Jahrestag des Kriegsendes bis zu den Bürgerprojekten Tabak, Kräuter- und Pfingstrosengarten reichten die Aktivitäten des Lorscher Heimat- und Kulturvereins 2015. Dafür dankte der Vorsitzender Reinhard Diehl den Mitgliedern. 70 von ihnen waren zur Jahresversammlung in den Karolinger Hof gekommen. In seinem Rechenschaftsbericht erinnerte Diehl an die Stolperstein-Aktion, mit welcher der Kölner Bildhauer Gunter Demnig an die Opfer der NS-Zeit erinnerte. Dazu waren Nachfahren ehemaliger jüdischer Bürger aus den USA nach Lorsch gekommen. Der Verein organisierte eine öffentliche Veranstaltung sowie ein Besuchsprogramm. Daraus habe sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt, sagte Diehl. Vor wenigen Wochen weilte Thilo Figaj, Projektleiter 'Jüdisches Leben in Lorsch' des Vereins zum Gegenbesuch in den Vereinigten Staaten. Er hielt Vorträge in jüdischen Gemeindezentren in Pasadena und New York. Für 2017 plant die Arbeitsgruppe eine Ausstellung über Repressalien deutscher Finanzbehörden gegenüber Juden in der Zeit des Nationalsozialismus im Museumszentrum...
NEUE HOMEPAGE. Der Lorscher Heimat- und Kulturverein wurde 1926 gegründet. Seine Mitglieder fühlen sich der Kloster- und der Stadtgeschichte verpflichtet, aber auch den vielen kleinen Geschichten in und um Lorsch. Über seine Aktivitäten berichtet der Verein auch auf seiner neuen Homepage: www.kulturverein-lorsch.de..."  
Link zum Artikel 
 
November 2016: Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht 1938 
Pressemitteilung der Stadt Lorsch vom 5. November 2020: "Lorsch: Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht am 9. November
Lorsch
– 'Mag es auch manchen schon weit weg erscheinen: Wir wollen und müssen lebendig halten, was mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern während der Nazi-Diktatur auch in unserer Stadt geschah. Ihre Namen, ihre Geschichten wollen wir lebendig, ihr Schicksal soll uns wachsam halten.' Mit diesen Worten lädt Bürgermeister Christian Schönung die Bevölkerung ein, am diesjährigen Pogrom-Gedenken teilzunehmen. Wie stets am 9. November, findet auch am nächsten Mittwoch um 18 Uhr eine Gedenkveranstaltung statt. Sie beginnt am Mahnmal für die ehemaligen Lorscherinnen und Lorscher jüdischen Glaubens in der Schulstraße /Ecke Nibelungenstraße. Neben Vertreterinnen und Vertretern der Stadt nimmt auch der Jugendrat an der Veranstaltung teil. Schon seit einigen Jahren versucht die Lorscher Stadtverwaltung, insbesondere mit Hilfe von Thilo Figaj vom Heimat- und Kulturverein, anlässlich dieses Tages den Teilnehmenden das jüdische Lorsch näher zu bringen. Wer waren die Opfer? Wo wohnten sie? Welchen Berufen gingen sie nach? Welche Stellung hatten sie im damaligen Dorf? 'Wir wollen – über der Trauer und Betroffenheit anlässlich der Nazi-Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung – einen möglichst persönlichen Bezug zu den einzelnen Personen und deren Schicksalen herstellen, die hinter den aufgelisteten Namen stehen', heißt es deshalb von Veranstalterseite. In den vergangenen Jahren hatte man deshalb etwa gemeinsam die Süßkindgasse, die Stiftstraße 17 oder die Orte der ersten Stolperstein-Verlegungen, ebenfalls in der Schulstraße, besucht. Am nächsten Freitag führt der Weg vom Mahnmal in die Nibelungenstraße 19, zum Gelände der ehemaligen Cigarrenfabrik Herzberger und Mainzer, später Henkes & Co. Dort wird einmal mehr Thilo Figaj die Geschichte der jüdischen Fabrikantenfamilie erzählen. Ihr Weggang aus Lorsch war nicht durch die Nationalsozialisten verursacht. Die Spur ihrer in Lorsch geborenen Tochter Lore jedoch verliert sich in der mörderischen Zeit des Dritten Reiches. 'Wir haben uns in diesem Jahr für diese Geschichte entschieden', so Gabi Dewald vom KULTour-Amt. 'Uns geht es nicht nur darum, die Erinnerung an die Ermordeten und Vertriebenen aufrecht zu erhalten. Sondern auch darum, der heutigen Lorscher Bevölkerung eine Vorstellung davon zu geben, wie die aus unserer Mitte verschwundenen Jüdinnen und Juden das Gesicht und das Leben in unserer Stadt geprägt haben. Vieles im heutigen Lorsch wäre ohne die soziale, die Arbeitsleistung oder auch ohne die Investitionen der Juden nicht da. Es gilt, die Bezüge zum Heute, zu den heute hier Lebenden, zu schaffen. Je länger die Nazi-Zeit zurückliegt, desto wichtiger ist diese lebendige Verbindung in die Vergangenheit, wenn wir sie nicht vergessen wollen.'
Infobox: Die Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht 1938 beginnt am Mittwoch, den 9. November um 18 Uhr am jüdischen Mahnmal in der Schulstraße/Ecke Nibelungenstraße."  
 
März 2017: Lorscher Bürger und die Pogromnacht 1938 
Artikel von Christiane Knatz in der "Bürstädter Zeitung" vom 13. März 2017: "Pogromnacht 1938: Thilo Figaj schildert Lorscher Verstrickungen. 
LORSCH
- Vier Jahre nach Ende des NS-Regimes schrieb Lorschs Bürgermeister Georg Werner, von den Lorscher Juden und ihrem Ende wisse man so gut wie nichts. 'Das ist der Auftakt zur Unterdrückung der Geschichte', sagte Thilo Figaj. Das definitive Ende ist die Forschungsarbeit des Unternehmers und Lokalhistorikers. In einem trotz Frühlingswetter sehr gut besuchten Vortrag schilderte er im Detail die Vorgänge der sogenannten Reichspogromnacht, deren korrektes Datum der 10. November 1938 ist. Was Werner und viele Zeitzeugen nicht gehört und gesehen haben wollen, lässt sich ganz gut rekonstruieren aus Akten und vereinzelten mündlichen Berichten. Auf Spekulationen verzichtet der mit viel Applaus bedachte Referent, auch auf die Nennung all der vielen, die schuldig geworden waren: am 10. November und in der Zeit darum. 'Ich nenne nur die Haupttäter.'
Bürger aus Lorsch brannten die Synagoge nieder. Das genügte zur Untermauerung einer Kernthese. Das Unglück kam nicht allein in Form auswärtiger SA-Banden über Lorsch, von denen die SA-Brigade Starkenburg in allen Abhandlungen als Alleintäter behandelt wird. Nein, es waren Lorscher, welche die Synagoge niederbrannten, später die Reste niederrissen (das hatte niemand höheren Orts angeordnet) und die jüdischen Mitbürger quälten und beraubten. Dem SA-Trupp aus der Nachbarschaft folgte willig ein eigener, befehligt vom SA-Standortführer Karl Jost und Truppführer Franz Blust.
Staatsmacht wird zum Staatsterroristen. Wie andernorts handelten sie planvoll. 'Aus dem Spritzenhaus wurden Äxte und Beile geholt', hielt ein Zeuge fest. Wie praktisch: Einen Schlüssel zum Feuerwehrgerätehaus im Rathaus-Anbau hatte Josts Bruder Helmut von der Apotheke nebenan, das hatte er selbst in Büchern nach dem Krieg festgehalten. Ab fünf Uhr lief auch in Lorsch innerhalb weniger Stunden das ab, was zentral befohlen worden war, aber lokal mit Eifer umgesetzt wurde: Zerstörung, später Enteignung unter tätiger Mithilfe des Lorscher Notars Karl Selzer (Figaj: 'Er hat die Bergstraße entjudet'), Inhaftierung im Rathaus, Verschleppung in die Konzentrationslager Dachau und Sachsenhausen, wohl auch öffentliche Demütigungen. 'Niemand soll sagen: So was hat’s bei uns nicht gegeben', mahnte der Fachmann. Erst als die jüdischen Männer weggesperrt waren, griff der plündernde Mob die verbliebenen Juden an. 'So feige waren die', sagte Figaj. Und noch immer war der selbstgemachte Schrecken nicht zu Ende. Am Beispiel einer couragierten Lorscher Jüdin, die mit Erfolg Forderungen des Finanzamts mit Verweis auf den organisierten Raub abwehrte, wurde die Geschichte eines Orts-Gendarms erzählt, der drei Tage nach dem Pogrom den Lorscher Juden als Räuber gegenübertrat. Auch nach den letzten Habseligkeiten griff die Staatsmacht, die zum Staatsterroristen verkommen war. Karl Jost wurde nach dem Krieg wegen Landfriedensbruch verurteilt, sonst schufen Gerichte im Lorscher Fall so gut wie keine Gerechtigkeit. Historiografisch standen bis vor Kurzem ein paar Andeutungen in Lorsch-Büchern, zwei Schülerprojekte der Siemens-Schule und ein Artikel der Südhessischen Post von 1991 recht alleine da. Thilo Figaj appellierte an die eher spärlich vertretenen Lorscher Politiker, bei der 1949 gebauten Friedhofskapelle das Lorscher Schweigen beispielhaft zu durchbrechen: Es solle am Gebäude einen Hinweis darauf geben, dass es in der Ära Georg Werner aus Steinen der Synagoge errichtet wurde."
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April 2017: Rundgang zu den "Lorscher Gräbern" im jüdischen Friedhof Alsbach  
Lorsch PA 042017.jpg (128946 Byte)Artikel im "SüdhessenMorgen" vom 26. April 2017: "Legalisierter Raub: Thilo Figaj erzählt am 30. April von Lorscher Gräbern in Alsbach. Rundgang über den Judenfriedhof..."  
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Oktober 2018: Weitere Verlegung von "Stolpersteinen" in Lorsch 
Artikel von Nina Schmerzing im "Bergsträßer Anzeiger" vom 29. Oktober 2018: "Lorsch. Mahnmal In der Kirch- und in der Bahnhofstraße Gedenktafeln verlegt / Elternhaus von Claude Abraham und der Familie Marx. Sieben Stolpersteine erinnern an Schicksale Lorscher Juden
Lorsch. Als Knirps von sieben Jahren wurde Kurt Abraham von der SA aus seinem Elternhaus in der Lorscher Kirchstraße getrieben. Direkt gegenüber brannte bereits die Synagoge. Von der dramatischen Flucht des kleinen Jungen nach Frankreich, von der Ermordung der Mutter in Auschwitz und den vielen Angehörigen der Familie, die der Holocaust auslöschte, berichtete am Samstag Thilo Figaj. Anlass war die Verlegung von Stolpersteinen. Die kleinen Pflastersteine, versehen mit Bronzetafeln, auf denen die Namen der früheren jüdischen Bewohner eingraviert sind, erinnern an das Schicksal der Menschen, die ihr Zuhause nicht freiwillig verließen, und an die Gräuel der NS-Zeit. Sieben Steine ließen Heimat- und Kulturverein in Zusammenarbeit mit der Stadt Lorsch zum Gedenken an ehemalige Mitbürger in der Kirch- und in der Bahnhofstraße verlegen. Zu jedem Gedenkstein erzählte Figaj, herausragender Kenner der regionalen jüdischen Geschichte, die von ihm recherchierten Biografien.
Nachfahren aus Tel Aviv angereist. Unter den zahlreichen Teilnehmern, die die Stolperstein-Aktion des Kölner Künstlers Gunter Demnig begleiteten, befanden sich auch Nachfahren der einstigen Hausbewohner. Eine Großnichte war aus Tel Aviv angereist, ihre Cousine aus Berlin. Sie bedankten sich, sichtlich bewegt, mit einem Kaddisch-Gebet, vorgetragen in hebräischer Sprache. Kurt Abraham, der in Frankreich den Vornamen Claude annahm und Professor wurde, ließ aus Los Angeles Grüße übermitteln. Die weite Reise wollte der 2001 von der Stadt Lorsch mit dem Ehrenring ausgezeichnete fast 87-Jährige nicht mehr auf sich nehmen. Er bat aber darum, ihm Fotos und Berichte zuzusenden. Diesem Wunsch kamen die Organisatoren gerne nach. An der Adresse Kirchstraße 12 lebte die Familie Abraham seit 1853. Figaj erzählte von dem Kaufhaus und der Auswanderer-Agentur, die die Abrahams dort betrieben. Er schilderte Alltagssorgen, verlas einen Brief, in dem sich die Familie 1911 beim Bürgermeister in höflicher Form über andauernde Hochwasserschäden beschwerte und charakterisierte Claudes Großvater Abraham mit dem Hinweis auf eine Kandidatur 1920 auf der Liste der Vereinigten Volkspartei als 'politisch engagierten' Menschen. Die Abrahams hatten einen ausgezeichneten Ruf in Lorsch, dennoch wurden sie so vernichtend wie keine zweite Lorscher Familie von den Pogromen der Nazis getroffen. Von den sechs Kindern Abraham Abrahams kamen drei mitsamt ihren Familien zu Tode. Geschäft und Wohnung in der Kirchstraße wurden im November 1938 verwüstet und geplündert. Nichts erinnerte dort seitdem an dieses grausame Kapitel der Geschichte. Die 'Stolpersteine' rufen es nun ins Bewusstsein. Gisela Steines vom Heimat- und Kulturverein legte weiße Rosen mit Trauerflor an den Gedenksteinen für Abraham Abraham, dessen Sohn Sigmund mit Ehefrau Johanna und deren Sohn Claude Abraham nieder.
Doppelte Deportation. Eine lange Tradition als jüdisches Geschäftshaus hat auch die Bahnhofstraße 33. Dort wurden am Samstag drei Stolpersteine verlegt, für Lina Schnauzer, Mathilde und Simon Marx. Thilo Figaj informierte über das Martyrium von Lina Schnauzer, das er angesichts ihrer doppelten Deportation – erst Theresienstadt, dann Auschwitz, wo sie ermordet wurde – als 'besonders tragisch' herausstellte. Er erläuterte, wie Lina, die in Lorsch geboren und dort auch ihren aus Galizien stammenden Ehemann geheiratet hatte, bei der Rückkehr in ihre Heimatstadt als 'staatenlos' geführt wurde. Er berichtete, wie Nachbarn ihr helfen wollten, einen neuen Pass zu beantragen, aber denunziert und bestraft wurden und wie sich ihre Schwägerin Mathilde 1940 um ein Visum für England bemühte – vergeblich. Nur Simon Marx glückte, nachdem er zunächst nach Buchenwald verbracht wurde, die Ausreise. Er gelangte in die USA. Nachfahren der Familie, die nach dem Krieg im Rahmen eines Wiedergutmachungsantrags wenigstens auf einige Erinnerungsstücke hofften, gingen leer aus, berichtete Figaj: 'Der Hausrat war im Ort vor den Häusern versteigert worden.'
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Vgl. Artikel von Christopher Frank in "echo-online.de" vom 16. Oktober 2018: "Lorscher Unternehmer-Familien Abraham und Marx wird mit sieben neuen Stolpersteinen gedacht
Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt am 27. Oktober sieben weitere Stolpersteine in der Klosterstadt.

LORSCH - Bislang erinnern 19 Stolpersteine an fünf Standorten an ehemalige Lorscher Mitbürger, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Am 27. Oktober kommen laut Mitteilung des Heimat- und Kulturvereins Lorsch sieben Gedenksteine hinzu, weitere sollen im nächsten Jahr an der Bahnhofstraße folgen..."  
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April 2019: Bericht zur Erinnerungsarbeit in 2018 
Artikel von Norbert Weinbach im "Bergsträßer Anzeiger" vom 5. April 2019 (nur auszugsweise zitiert): "Lorsch. Heimat- und Kulturverein - Berichte zeugen von zahlreichen Aktivitäten im vergangenen Jahr / Zwölf neue Stolpersteine im August. Neue Exponate im Tabakmuseum
Lorsch. Die Neuwahlen des Vorstands standen im Mittelpunkt der Jahreshauptversammlung des Heimat- und Kulturvereins Lorsch (HuK) im Nibelungensaal des alten Rathauses...
Thilo Figaj berichtete, dass 2018 sieben neue Stolpersteine zum Gedenken an ehemalige jüdische Bürger verlegt wurden. In diesem Jahr sollen am 8. August zwölf weitere Steine folgen. Damit steige die Gesamtzahl in Lorsch auf 38. Das sei ausreichend, um zum Jahresende eine gedruckte Stolperstein-Informationsschrift herauszugeben. Im Jahr 2021 sollen 17 weitere Stolpersteine verlegt werden. Jüdische Mitbürger seien zur Verlegung angereist aus Berlin und Israel. Figaj berichtete von der Gedenkstunde 80 Jahre Novemberpogrom und gab einen Hinweis, dass der Westermann-Verlag ein Schulbuch herausgegeben habe zum Thema 'Holocaust'. Darin werde auch ausführlich über die Ereignisse im Jahr 1938 in Lorsch berichtet."
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August 2019: Vierte Verlegung von "Stolpersteinen" in Lorsch  
Artikel im Mannheimer Morgen vom 9. August 2019: "Stolpersteine erinnern an jüdische Mitbürger in Lorsch. 
Lorsch
. Weitere zwölf Stolpersteine hat der Kölner Künstler Gunter Demnig gestern in Lorsch verlegt. Die kleinen Pflastersteine mit aufgesetzter Bronzetafel erinnern an ehemalige jüdische Bürger, die Opfer von Gewalt und Vertreibung wurden. Insgesamt gibt es in Lorsch damit jetzt 38 Stolpersteine. Bis zum Jahr 2022 sollen es insgesamt 55 werden. Mit der aktuellen Verlegeaktion wird an vier Familien erinnert, die in der Bahnhofstraße lebten. Heimatforscher Thilo Figaj berichtete aus den Biografien der früheren Lorscher Bürger, von denen viele in die USA fliehen konnten. Andere wurden in Auschwitz ermordet oder in den Tod getrieben."  
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Links und Literatur  

Links: 

bulletWebsite der Stadt Lorsch  
bulletWebsite des Heimat Kultur Vereines Lorsch e.V.   https://kulturverein-lorsch.de/verein/das-juedische-lorsch     

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 501-504.
bulletders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 135.
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 24-25.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 228-230.
bulletPaul Schnitzer und Hans Degen: Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Lorsch. Laurissa Jubilans. Festschrift zur 1200-Jahrfeier von Lorsch. Mainz 1964 S. 182-187.
bulletdies.: Juden im Amt Lorsch zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Geschichtsblätter Kreis Bergstrasse. Bd. 12 1979 S. 149-160. 

 
  


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Lorsch Hesse. Established before 1750, the community drew members from nearby Kleinhausen and numbered 110 (about 3 % of the total) in 1871. Affiliated with the Orthodox rabbinate of Darmstadt, it maintained good relations with the largely Catholic population. Of the 66 Jews living there in 1933, 26 left before Kristallnacht (9-10 November 1938) when the synagogue was burned down. By 1939 most had emigrated to the United States.
    
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020