Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Nordrach (Ortenaukreis) 
Die M.A. von Rothschild'sche Lungenheilanstalt
  

    

Übersicht:   

bulletZur Geschichte der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilanstalt    
bulletBerichte aus der Geschichte des Rothschild'schen Lungenheilanstalt / Sanatoriums    
bulletZur Geschichte des Betsaals / der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bullet Berichte zur ehemaligen von Rothschild'schen Lungenheilanstalt
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilanstalt                
    
In Nordrach bestand seit 1905 ein im Besitz einer Rothschildstiftung in Frankfurt am Main stehendes Sanatorium für jüdische weibliche Lungenkranke (M.A. von Rothschildsche Lungenheilanstalt). Die Stiftungsgründerin war Baronin Adelheid de Rothschild (1853-1935, beigesetzt 1954 bei Zikhron Ya'akob in Israel). 1903 war die Stiftung in Adelsheim gegründet worden. Ursprünglich sollte die Lungenheilanstalt dort erbaut wurden, 1905 wurde jedoch das fünf Jahre zuvor von Lungenfacharzt Dr. Karl Hettinger erbaute Gebäude von der Rotschildstiftung in Frankfurt zur Einrichtung einer Lungenheilanstalt für jüdische Kranke gekauft. 
 
Die Leitung der Lungenheilstätte hatte der leitende Chefarzt inne unter der Oberaufsicht eines Verwaltungsrates. Als Chefärzte waren tätig: Dr. Ephraim Adler (1907-1910, siehe Bericht anlässlich seines Todes unten), Dr. Max Ascher (1910-1921, siehe Bericht anlässlich seiner Verabschied unten), Dr. Nehemias Wehl (1921-1942). Das Sanatorium ist auf Anweisung der Stifterin streng orthodox geführt worden. So war eine koschere Küche eingerichtet, Schabbat und die jüdischen Feiertage wurden streng eingehalten und zelebriert (vgl. unten den Bericht einer Patientin von 1922). Die im Sanatorium verstorbenen Patientinnen wurden in einem eigenen Friedhof außerhalb des Ortes beigesetzt.
   
Die Lungenheilanstalt sollte einen unentgeltlichen Aufenthalt für jüdische weibliche Lungenkranke aller Länder ermöglichen. Durch die Inflationszeit in den 1920er-Jahren geriet die Einrichtung jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, sodass von vermögenderen Kranken Verpflegungsbeiträge erhoben werden mussten. 
 
Über die Zeit nach 1933 aus Hundsnurscher s.Lit. S. 230: "Von den judenfeindlichen Maßnahmen der nationalsozialistischen Regierung bekam das Sanatorium bis 1942 nicht viel zu spüren. Die Zahl der Patientinnen ging allmählich zurück, da aus dem Ausland keine Kranken mehr das Sanatorium aufsuchen könnten. Auswanderndes jüdisches Pflegepersonal konnte jeweils durch stellenlos gewordene Jüdinnen mühelos ersetzt werden. 1939 ging die Lungenheilstätte in den Besitz der Reichsvereinigung der Juden in Berlin über. Martin Wehl aus Hamburg, offenbar ein Bruder des Chefarztes, der sich seit dem 18. September 1940 im Sanatorium aufhielt, wurde am 22. Oktober 1940 von der Gestapo abgeholt und nach Gurs deportiert. Alle übrigen Insassen durften zunächst blieben. Ende September 1942 wurden sie - mit dem Chefarzt 26 Personen - nach Darmstadt transportiert und dort einem hessischen Deportationszug nach Auschwitz angeschlossen. Sie wurden alle ermordet." 
   
Von den zwischen 1933 und 1943 insgesamt 116 Patientinnen und Pflegepersonal in der Lungenheilstätte wurden mindestens 56 ermordet.   

   
Von den jüdischen Patientinnen und vom Pflegepersonal sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; es ist nur ein Teil der umgekommenen Patientinnen aufgeführt; diejenigen, die nicht von Nordrach aus deportiert wurden, sind nur ausnahmsweise unter "Nordrach" erfasst): Lieselotte Baer (1915), Margarete Bertha Behrens (1892), Ruth Berju geb. Podolski (1906), Wolfgang Samuel Borowitzky (1892), Luise Brocziner (1890), Cilly Burg geb. Steckhammer (1883), Irene Böck geb. Levitus (1884), Elsbeth Caminer (1901), Ellen Czarlinsky (1901), Rachel Desiatuik (1905), Hedwig Frank (1890), Ruth Freund (1920), Rosa Fuchs geb. Schwartz (1889), Käthe Goldschmidt (1907), Ursula Gross (1914), Magdalene Grundmann (1916), Elly Grunfeld (1919), Salomea Kalter (1914), Mechli Kaufmann-Süssermann (1908), Frieda Koh (1908), Jenny Levi (1893), Lotte Lewald geb. Hartwig (1893), Sophie Meyer (1899), Ilse Neumark (1906), Elsa Ottemberg geb. Isaac (1897), Hilde Platt geb. Maget (1910), Lina Plesser (1912), Käthe Salinger (1907), Martha Sandermann geb. Wolf (1892), Martha Sassen geb. Schneider (1884), Erna Schild (1920), Ruth Stein (1918), Dr. Nehemias Wehl (1877), Helene Zernik geb. Michaelis (1872), Elsa ZImmernann geb. Zander (1890), Lucie Österreicher (1914). 
   
Nach 1942 wurde aus dem Sanatorium ein SS-Mütterheim "Haus Schwarzwald" des Vereins "Lebensborn e.V." für schwangere Frauen vor und nach der Entbindung. Dieses Heim bestand bis zum 15. April 1945. In dieser Zeit sind 247 Kinder im Haus geboren. Das Heim hatte ein eigenes Standesamt, das die Geburten eigenständig registrierte.

Nach 1945 wurde das Gebäude zunächst vom amerikanischen, danach vom französischen Militär als Lazarett für Soldaten genutzt. Ab Juli 1947 wurde das Gebäude als Sammelstelle für Kinder genützt, deren deutsche Mütter mit französischen Soldaten ein Verhältnis hatten und dadurch Kinder zur Welt brachten. Diese Kinder wurden durch die französische Regierung oft gegen den Willen der Mütter nach Frankreich gebracht. Das Kinderheim wurde am 15. November 1949 geschlossen. Nach einem zweijährigen Leerstand kam das Gebäude 1952 wieder in jüdischen Besitz. Ein Sohn der Baronin Adelheid von Rothschild verkaufte das Grundstück mit dem früheren Sanatorium an Thaddäus Zajac aus Schömberg/Calw, dessen erste Frau eine polnische Jüdin war. Zajac betrieb die Einrichtung bis 1969 wieder als Lungensanatorium, danach kurze Zeit als Krebsnachsorgeklinik, schließlich als neurologisch-psychiatrisches Pflegeheim.  
   
Von 1993 an war das ehemalige Rothschild'schen Sanatorium das Haus Bergblick des Sankt Georg Pflegeheimes in Nordrach (Träger seit 1993: Oberrheinische Kliniken mit Sitz in Bad Krozingen; Träger von 2012 bis 2019 "Median" mit Sitz in Berlin). Es handelte sich um eine Pflegeeinrichtung für psychisch- und abhängigkeitskranke Menschen.
Die frühere Gedenktafel an die Stifterin des Sanatoriums wurde im Mai 2003 - im 100. Jahr der Stiftungsgründung und im 150. Geburtsjahr der Stifterin - wieder aufgestellt. Sie befindet sich an einer zum Klinikgelände gehörigen Mauer neben dem Eingang. 
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der Rothschild'schen Lungenheilanstalt / Sanatoriums - in chronologischer Reihenfolge      
     
Die Rothschild'sche Stiftung baut keine Lungenheilanstalt in Adelsheim (1904)  

Adelsheim FrfIsrFambl 08011904.jpg (31775 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Januar 1904: "Adelsheim, 3. Januar. Dem Bürgerausschuss wurde mitgeteilt, dass die Rothschildsche Stiftung in Frankfurt von der Erbauung einer Lungenheilsanstalt am hiesigen Platze absehen wolle, wenn die Stadt 38.000 Mark Entschädigung für aufgewandte Arbeiten usw. bezahle. Der Bürgerausschuss lehnte dieses Ansinnen ab."  

    
Lehrer Jakob Lorch wird Verwalter in der Lungenheilstätte (1905)
  

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Dezember 1905: "Karlsruhe: "Das neueste Verordnungsblatt des Großherzoglichen Oberrates der Israeliten meldet folgende Veränderungen in der Besetzung der Religionsschullehrerstellen: Jakob Lewin seither in Lorsch nach Randegg, Sally Rosenfelder in Eubigheim nach Buchen, Nathan Adler von Külsheim nach Eubigheim, Kantor Simon Metzger von Sulzburg nach Bretten, Samuel Strauß von Berlichingen nach Sulzburg, Jakob Schloß von Talheim nach Malsch bei Ettlingen. Auf Ansuchen wurden von ihren Stellen enthoben: Kantor Weiß in Gailingen und Religionslehrer Jakob Lorch in Untergrombach, letzterer behufs Übernahme der Verwalterstelle der M.A. d. Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach."   

   
Das Hettinger'sche Sanatorium wird von der Rothschildstiftung gekauft (1905)   

Nordrach FrfIsrFambl 27101905.jpg (25027 Byte)Meldung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. Oktober 1905: "Frankfurt am Main. Das Dr. Hettinger'sche Sanatorium in Nordrach (Baden) ist an die Rothschildstiftung zum Zwecke der Errichtung einer Lungenheilanstalt für israelitische Kranke verkauft worden."     

  
Ausschreibung der Stelle eines Arztes (1905)
  

Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Dezember 1905: 
"M.A. von Rothschild'sche Lungenheilstätte, Nordrach (Bad Schwarzwald). 
Wir suchen für unsere Heilstätte einen womöglich spezialistisch ausgebildeten Arzt. 
Bewerber wollen sich schriftlich wenden an Herrn Dr. med. G. Stiebel, Frankfurt am Main. Rechneigrabenstraße 9."   

    
Ausschreibung der Stelle einer Haushälterin (1907)  

Nordrach FrfIsrFambl 19041907.jpg (64665 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. April 1907: "M.A. von Rothschild'sche Lungenheilstätte. Die Stelle einer Haushälterin in unserer Lungenheilstätte Nordrach (Badischer Schwarzwald) ist zu besetzen. Bewerberinnen, welche eine streng religiöse Führung nachweisen können, belieben ihre Offerten unter Beifügung von Zeugnissen nur schriftlich an Herrn M. Mainz junior, Börnestraße 52 in Frankfurt am Main gelangen zu lassen. Der französischen Sprache mächtige erhalten den Vorzug."  

  
Ausschreibung der Stelle des Assistenzarztes (1908)  

Nordrach Israelit 02041908.jpg (44716 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1908: "In der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte Nordrach (badischer Schwarzwald) ist per sofort die Stelle eines Assistenzarztes zu besetzen. Anfangsgehalt bei vollständig freier Station 1.500 Mark. Bewerber wollen ihre Zeugnisse einreichen bei 
Dr. E. Adler, Direktor."  

    
Zum Tod des Leiters der Lungenheilanstalt Dr. Ephraim Adler (1910)  

Nordrach AZJ 28011910.jpg (26387 Byte)Meldung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Januar 1910: "In Nordrach im Schwarzwald ist der Leiter der Rothschild'schen Lungenheilstätte, Dr. Ephraim Adler, im Alter von 55 Jahren verschieden. Der Verblichene war ein edler Mensch und begeisterter Jude, dessen Andenken alle, die ihn kannten, stets in Ehren halten werden."
  
Nordrach Frf IsrFambl 28011910.jpg (201780 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. Januar 1910: "Dr. E. Adler seligen Andenkens. 
Die Judenheit hat einen schweren Verlust erlitten: Dr. med. Ephraim Adler ist in der Nacht vom 19. zum 20. Januar zu Nordrach nach langem Leiden in der Blüte seiner Jahre dahingerafft worden. Dr. Adler wurde 1855 zu Moisling bei Lübeck geboren. Nach seinen Schuljahren studierte er in Berlin und Freiburg Medizin. Schon als Student zeichnete er sich durch eine unermüdliche Arbeitsfreudigkeit und durch die Vielseitigkeit seines regen Geistes aus. Er besuchte neben den medizinischen Kollegien in Berlin das Rabbinerseminar, wirkte zu gleicher Zeit auch als Lehrer der Religionsschule der Addas Jisrael, trieb Sprachstudien und erwarb sich so für sein späteres Leben schon frühzeitig neben tiefen medizinischen Kenntnissen reiches und reifes jüdisches Wissen und eine geradezu umfassende Allgemeinbildung. 
Im Jahre 1882 ließ Dr. Adler sich in Lübeck als praktischer Arzt nieder. Schon nach kurzer Zeit hatte er eine umfangreiche Praxis, die ständig wuchs, und nach wenigen Jahren war er einer der gesuchtesten und beliebtesten Ärzte Lübecks. Vor allem war er ein hervorragender Diagnostiker. Das Vertrauen des Hohen Senates berief ihn in das Medizinalkollegium und in den Ehrenrat der Lübecker Ärzteschaft, und seine Patienten hingen mit schwärmerischer Verehrung an ihm. Er war der leidenden Menschheit nicht nur ein hilfreicher Arzt, er war ihnen auch Freund und vertrauter Berater; mit gewinnender Liebeswürdigkeit kam er allen entgegen, für alle und für alles hatte er Interesse, und jedem half er, wo er nur zu helfen vermochte. 
Aber nicht allein als Arzt leistete Dr. Adler Hervorragendes. Der Schwerpunkt seines Wirkens lag im Judentume. Er war ein Jude in des Wortes vollkommenster Bedeutung. Von echter Religiosität erfüllt, forschte er im Gottesworte, so oft seine karg bemessene Zeit es zuließ, und all sein Sinnen und Trachten war darauf gerichtet, die Lehren des Judentums in die Tat umzusetzen. So wurde sein Haus ein Mittelpunkt echt jüdischen Lebens. Jeder fand dort einen gedeckten Tisch, eine offene Hand, ein offenes Herz und reiche Geistesschätze.
An zahllosen Bestrebungen, die dem Dienste des Judentums gewidmet sind, nahm Dr. Adler tätigen Anteil, oft in führender Stellung, manche auch verdanken seiner Initiative ihre Entstehung. So begründete er in Lübeck den jüdischen Gesangverein 'Kaul Rinnoh' und einen hebräischen Sprachkurses; die Esra-Loge zu Lübeck im U.O.B.B., deren Expräsident er war und die er mustergültig leitete, hatte er ins Leben gerufen; zwei Jahrzehnte wirkte er als Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde in Lübeck, die er auch auf den Versammlungen des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes und auf den Judentagen in Berlin vertrat, und groß ist die Zahl der jüdisch-gemeinnützigen Vereinigungen außerhalb Lübecks, denen er ein eifriger Förderer war. 
Nordrach Frf IsrFambl 28011910b.jpg (225023 Byte)Vor allem aber war Dr. Adler Zionist! Bald nachdem er Herzls Weckruf vernommen hatte, war er in die Reihen des Zionismus eingetreten. Mit flammender Begeisterung erfasste er die national-jüdischen Ideale, und mit frischem Enthusiasmus arbeitete er an ihrer Verwirklichung mit. Wenn es auch nicht in seiner bescheiden-zurückhaltenden Art lag, ein Rufer im Streite, ein Vorkämpfer zu sein, so leistete er dem Zionismus doch große und bedeutende Dienste in stiller Werbearbeit. Seinem Einflusse ist es nicht zum wenigsten zu danken, dass die deutsche Misrachi-Förderation, deren Vizepräsident er war, immer neuen Zufluss bekam, denn seinem, des strenggläubigen Juden Beispiel schlossen sich viele an, die aus religiösen Erwägungen fern geblieben waren. Ihm verdanken wir aber auch, dass der Misrachi sich eng in die bestehende zionistische Organisation einfügte und seinen Mitgliedern vorschreibt, den zionistischen Ortsgruppen beizutreten kurz, dass die Misrachi-Förderation ihre besonderen religiösen Interessen den allgemein-zionistischen Grundsätzen angliedert. 
Auch als Mitglied des deutschen Zentralkomitees der zionistischen Organisation war Dr. Adler immer auf dem Posten, sein Einfluss war stets darauf gerichtet, Gegensätze auszugleichen und ein einheitliches Vorgehen zu ermöglichen. Nicht unerwähnt darf es bleiben, dass Dr. Adler einer derjenigen war, deren Takt und Geschicklichkeit es gelang, auf dem VII. Kongress die Einigung zwischen den politischen Zionisten und den Zione Zion herbeizuführen. 
Er war einer unserer Treuesten und Besten! Seine Augen leuchteten, sein Antlitz strahlte wie verkört, wenn er von unseren Idealen sprach, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele war er unser. Und nun mussten wir ihn hergeben. - - - 
Vor etwas mehr als zwei Jahren, nachdem er sein 25jähriges Jubiläum als Arzt gefeiert hatte, musste er seine Praxis in Lübeck niederlegen, weil er unter der Last seines Berufes zusammengebrochen war und ein schweres körperliches Leiden sich fühlbar machte. Er siedelte nach Nordrach im badischen Schwarzwald über, begleitet von seiner trefflichen Gattin, der ihm gleichgesinnten Lebensgefährtin, die ihn mit aufopfernder Sorgfalt umgab, und übernahm dort die Leitung der von Rothschild'schen Lungenheilstätte, wo er weniger aufreibende Arbeitslast hatte und doch einen reichen Wirkungskreis ausfüllen konnte. Bis zu seinem Tod hat er dort segensreich gewaltet und im Fluge die Herzen aller gewonnen: bis zu seinem Tode ist er auch uns treue geblieben. Er hat für den Zionismus und für das Judentum auch in Nordrach unentwegt und mit voller Hingebung gearbeitet. Nun ist er dahingegangen, dieser edle Mensch, dieser treue, echte Jude. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und ihm Dankbarkeit bewahren für das, was er uns und der Mitwelt geleistet hat. Er wird in unserer Erinnerung fortleben und uns ein Vorbild selbstloser Pflichterfüllung sein, und wenn man die Besten unseres Volkes nennt, wird man auch Dr. Ephraim Adler nennen! L."

 
Der leitende Chefarzt Dr. Max Ascher verabschiedet sich von Nordrach (1921)

Nordrach Israelit 06011921.jpg (183990 Byte) Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Januar 1921: "Danksagung! Nach zehnjähriger segensreicher Tätigkeit sieht sich Herr Dr. Max Ascher veranlasst, sein Amt als leitender Chefarzt der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte zu Nordrach niederzulegen. Bei seinem Scheiden rufen wir ihm, sowie seinem ganzen Haus ein herzliches Lebewohl zu. Wir verlieren in Herrn Dr. Ascher den tüchtigen, überaus geschickten, allzeit liebevoll für unser Wohl bedachten Arzt, der durch sein reiches Wissen und Können unser Leiden oft zu heilen und immer zu mildern wusste. Es war uns zugleich unser treuester Freund und Berater, der durch die Lauterkeit und Güte seines Charakters uns auch in unseren seelischen Nöten Beistand und Hilfe war. Trotz aller Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellten, vertrat er in seiner selbstlosen, aufopfernden Menschenfreundlichkeit stets nur unser Interesse ohne Rücksicht auf sich selbst. Innigen, nie zu löschenden Dank schulden wir ihm. Dass wir ihn nun entbehren sollen, dass er der Anstalt, aus der das Beste mit ihm geht, nun verloren ist, bewegt uns aufs schmerzlichste. Immer wird der Gedanke an ihn tiefste Verehrung bei uns auslösen. 
Auch Frau Dr. Ascher wird uns stets unvergessen sein. Ihre herzgewinnende liebevolle Anteilnahme gab uns in unserem Leiden oft Trost und immer Freude. 
Dasselbe wie die noch anwesenden, empfinden auch wir ehemaligen Patientinnen. 
Viele von uns durften von Zeit zu Zeit als Sommergäste in die Anstalt zurückkehren und sich immer wieder der Sorgfalt und Güte Herrn Dr. Aschers erfreuen. Sein Verlust trifft uns also gleich hart, wie die eben in der Anstalt anwesenden Kranken. 
Möge das Gute, das Herr und Frau Dr. Ascher uns taten, ihnen selber Segen bringen! Möge ihnen in einem neuen Wirkungskreis die verdiente Anerkennung zuteil werden, die ihnen in ihrer bisherigen Tätigkeit so oft vorenthalten war. Innig wünschen dieses in unentwegter Anhänglichkeit und Dankbarkeit 
Jetzige und ehemalige Patientinnen der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte zu Nordrach."

   
Zum Tod des Verwalter Jakob Lorch (1921) 

Nordrach Israelit 24041921.jpg (53130 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. April 1921: "Nachruf! Am 11. April nachts 11 Uhr wurde uns plötzlich und unerwartet Herr Jakob Lorch, Verwalter der M.A. von Rotschildschen Lungenheilstätte in Nordrach durch den Tod entrissen. Der Verblichene hat in einem Zeitraum von 15 1/2 Jahren unermüdlich und hingebungsvoll in unserer Anstalt gewirkt und seine ganze Kraft in ihren Dienst gestellt. Ein Herzschlag hat seinem treuen Wirken ein jähes Ende bereitet. Wir werden ihm für alle Zeiten ein dankbares Gedenken bewahren. Mosbach, den 15. April 1921. 
Der Verwaltungsrat der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach
Dr. Löwenstein,
Vorsitzender."

   
Ehepaar für die Verwalterstelle gesucht (1921)

Nordrach Israelit 12051921.jpg (62928 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1921: "Verwalterstelle. Zur wirtschaftlichen Leitung unserer Anstalt suchen wir ein streng orthodoxes jüngeres Ehepaar. Der Verwalter, der auch die Schechioth zu besorgen hat, soll mit dem Rechnungswesen und Besorgung der Büroarbeiten vertraut sein. Baldige ausführliche schriftliche Bewerbungen sind an den Unterzeichneten zu richten. 
Der Verwaltungsrat der M.A. von Rothschildschen Lungenheilstätte Nordrach zu Händen des Herrn 
Michael M. Mainz in Frankfurt am Main
, Börnestraße 52." 

       
Bericht einer Patientin aus Nordrach (1922)  

Nordrach Israelit 09031922.jpg (239633 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. März 1922: "Nordrach. (Von einer Patientin erzählt.). 
An einem Januartag war es! Die Sonne strahlte am Himmel und frühlingslind war die Luft. Die Landschaft lag schneebefreit da. Kinder spielten jubelnd im Freien; ein braunes Schwarzwaldmädchen, die Haare schlicht um den Kopf belegt, in der kleidsamen Dorftracht, die ihren Trägerinnen so viel Würde verleiht, ließ ein jauchzendes Bübchen die ersten Gehversuche machen. Es war einer jener Wintertage, die dem nahen Frühling den Einzug vorbereiten und seine ganze Schönheit ahnen lassen. Berge und Tal waren von Sonnenlicht übergossen, die Quellen sprühten silberne Perlen, die Bäche rauschten frohe Lieder 'der Frühling kommt'. Und in all' dieser Schönheit, all' dieser Pracht liegt ein Haus; es ragt wie eine stolze Burg über die anderen Häuser des lieblichen Schwarzwalddorfes. Seine Tore schützen mächtige Koniferen und sein Gebiet umfrieden eng gepflanzte Tannen. Ein weiter Park umgibt das schöne Gebäude, über dessen Eingangspforte die Trost spendenden Worte 'Heilung dem Kranken' stehen. Ich las diese Worte, seufzend gedachte ich vergangenen Leids und mit stillem Gebet trat ich in die Heilstätte ein. 
Tage, Wochen und Monde haben inzwischen schwere Schatten über die Welt geworfen. Draußen verkrampfen sich die Menschen in bitterem Hass und jeder neue Tag bringt neues Leid. Hier blühten an den Abhängen der Berge die Veilchen, die Bäume überschleierte ein zartes Grün, die Sonne lockte die Patientinnen ins Freie und vergessen waren Not und Krankheit. Die Kranken bauten Luftschlösser, die bis in den blauen Himmel ragten und so vergingen schnell die Tage. Und der Schabbos kam! Auf den Gesichtern der Frauen lag der Schimmer stiller Freude; alle waren festtäglich gekleidet und aufrichtige 'Gut-Schabbbos-Wünsche' wurden zwischen den Fremdesten gewechselt. Schabbos war's. Er hielt das ganze Haus in seinem Bann und weiherfüllt war die Brust der Einsamsten und Unglücklichsten, wenn in dem blumengeschmückten Speisesaal in schöner Melodie und gedankenvollen Worten der Schabbos begrüßt und der Kiddusch gesprochen wurde. Der Saal erstrahlte im Glanz der Schabboskerzen und froh erklangen zwischen den einzelnen Gerichten altvertraute Semiroth (Melodien). Bei ihrem Klange weiteten sich die Herzen, das beglückende Gefühl, Jude sein und mit Juden zusammenleben zu dürfen, vertiefte sich und ich erinnere mich, dass ich mich an jenem ersten Schabbosabend in diesem Hause, als zum Schluss des Mahles der Stufengesang Schir Hamaloth gesungen wurde, in schöner Befangenheit befand. Wie war das Herz mir voll! Ich lebte in der lieblichsten Gegend des Schwarzwaldes in einem Hause, das die große Güte einer edlen Jüdin ihren leidenden Glaubensschwestern gestiftet hat; hier darf man gesund werden, ohne unsere geheiligten Gesetze verletzen zu brauchen und über allem und Jedem weht der Hauch jüdischen Geistes, der sich so besonders schön und wahr in der Liebe von Mensch zu Mensch offenbart. ich stand lange noch an diesem Abend am Fenster meines stillen Zimmers. Der Himmel war mit Sternen übersät und die Berge lagen dunkel am Horizont. Die Nordrach rauschte ihrem Ziele entgegen, das Dorf schlief einen friedlichen Schlummer und durchs Haus schallten lachende Stimmen. Schabbos war's und die Juden waren in ihm geeint. Das fühlte ich mächtig und bestimmend. Ich war seit Jahren nicht mehr daheim und lange lebte ich, durch meine schwere Krankheit gezwungen, in den schönsten Orten des Auslandes, fern von Juden. Aber weder die Schönheit der oberitalienischen Seen, noch die der Graubündner Bergriesen haben mir jemals über das Gefühl der Einsamkeit und der äußerlichen Losgelöstheit von der Gemeinschaft der Juden hinweggeholfen. Und nun war ich inmitten gläubiger Leidensgenossen, stand ihnen unmittelbar durch den gleichen Glauben nahe und friedlich und still wurde es in mir.  
Nordrach Israelit 09031922a.jpg (217150 Byte)Der Sommer kam. Die Kirschblüte verwehte, wie Reif war sie über die Wege verstreut. Die Bäume des Parkes belaubten sich, die ersten Rosen brachen aus ihren Knospen, Bänke und Tische luden zur Rast und die Sonne lachte am tiefblauen Himmel. Vor den Fenstern ertönte ein vielstimmiges Vogelkonzert 'kiwitt, tirilili, wer ist froher als wir'? und im Park blühten Maßliebchen und Anemonen. 'Kiwitt, tirilili, wer ist froher als wir'? Draußen vor der Liegehalle am Waldrand und einer herrlichen Zypresse holt euch Bescheid, ihr gefiedertes Sängervolk! Dort singt und klingt's auch, dort liegen kranke Frauen und singen leise jüdische Wiegenlieder, die die ganze Innigkeit der jüdischen Frau in sich bergen, hört zu, ihr Vögel.  
Etwas entfernt von dieser Gruppe auf einem Platz, den die Sonne bestrahlt, an einem dunkelrot blühenden Rotdornstrauch ein anderes Bild. Dort träumt ein junges Mädchen von seiner Heimreise und dem Leben draußen. Es kam krank und elend her und nun ist's gesund und arbeitsfähig. Freude erfüllt sein Herz und doch fällt ihm der Abschied schwer von der Anstalt, die es jetzt der Welt als gesunden Menschen zurückgibt, in der es unendlichen Segen genieß0en durfte und die es menschlich Neues und Schönes lehrte. Neben ihm liegen drei andere junge Menschen. Eine kleine, zarte Polin mit vor Begeisterung brennenden Augen und stürmischen Bewegungen, spricht zu einer großen, schlanken Deutschen, die lächelnd und still ihr zuhört und dann mit heiterer Miene sich Gehör verschafft. Wie so oft zwischen ihnen ist auch heute die Streitfrage der Zionismus. Die kleine Polin bekennt sich zu ihm, das schlanke Mädchen steht fest auf dem Boden der gesetzestreuen Juden. Es gibt ein Hin und Her an Fragen und Antworten, bis sich die Dritte, eine Palästinenserin (sc. eine jüdische Frau aus dem damaligen 'Palästina' = Erez Jisrael), die mit all' ihrem Denken und Fühlen an ihrer Heimat hängt, ins Gespräch mischt und mit ihren Liegenachbarinnen von dem Land der Verheißung erzählt. Stille ward's nun am Rotdornstrauch und die Vögel konnten zukunftsfrohen Worten lauschen, die Kunde von schöner, starker Gemeinschaft und von der hohen Sendung des jüdischen Volkes geben. Der Streit war gebrochen, die Palästinenserin sann ihren eigenen Worten nach und die junge Deutsche gab der Polin freundlich lächelnd die Hand. 
Das Alles sahet ihr, ihr Vögelein und nun fliegt hurtig an die Fenster des Hauses! In hohen, weiten, wohnlich möblierten Zimmern liegen die Kranken, sonnengebadet, vor ihren Blicken die vollen Wipfel der Bäume im Park, ein grünes Meer, das dann und wann leis' von einem warmen Windhauch bewegt wird. Sie hören eurer Singen und Jubilieren und sind hoffnungsfroh trotz der schweren Krankheit, von der sie hier Heilung finden wollen. Auch sie träumen bunte Träume und weben sie zu einem schönen Zukunftsbild, das sie weit über die Berge des stillen Tales zurück ins Leben bringt, zur Erfüllung und Auswirkung ihres Seins. Und in diesem Zukunftsbild steht leuchtend über dem Treiben und Hasten des Alltags Nordrach, das Nordrach, das sich uns zu unendlichem Segen in der M.A. von Rothschid'schen Lungenheilstätte erschloss. Unsere Gedanken werden oft still bei ihm verweilen und ihr Vögel, die ihr jetzt in eurer luftigen Höhe so fröhliche Fragetöne singt, kommt dann zu uns, wenn ihr die Antwort froher, tatkräftiger Menschen vernehmen wollt! Ihr sollt dann hören, dass wir jetzt wie immer, hier wie überall der unendlichen Wohltat der Anstalt eingedenk sein werden, die uns den Weg ins Leben wieder ebnete und die Tore zu ihm uns mit beinahe dornenlosen Rosen schmückte."   

    
Anzeigen für die Betreuung in der Rothschild'schen Lungenheilstätte (1934)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1934: "Lungenleidende können in zwei vorzüglich ausgestatteten, fachärztlich geleiteten jüdischen Anstalten, der Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach in Baden (nur für weibliche Kranke) und der Kuranstalt für Israeliten in Bad Soden im Taunus (für männliche und weibliche Kranke) Aufnahme finden. Die in Lungenheilstätten üblichen modernen Behandlungsmethoden werden angewandt. Beide Anstalten liegen in landschaftlich bevorzugter Gegend und verfügen über alle Kurhilfsmittel, wie Liegehallen, Terrassen usw. - Die Kuranstalt in Bad Soden ist neuerdings weitgehend modernisiert und auch ärztlich noch ausgebaut worden. Privatpatienten, Versicherte und von jüdischen Organisationen betreute Patienten finden Aufnahme und ärztliche Betreuung zu mäßigen Sätzen. Die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte belegt die Anstalten seit vielen Jahren. Es ist uns bekannt, dass sie entsprechenden Anträgen von Kranken, die auf rituelle Verpflegung Wert legen, im allgemeinen Rechnung trägt.   
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Versicherte, die ihre Stellung verloren und das freiwillige Weiterkleben der Beitragsmarken für die Reichsversicherung unterlassen haben, ihre Anwartschaft auf Versicherungsleistungen wieder herstellen können, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach Verlust der Stellung die fehlenden Marken nachkleben. Weitere Auskünfte erteilt die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte oder ihre Vertrauensmänner an den einzelnen Orten."       
   
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1934: "Heilstätten für jüdische Lungenleidende
Berlin, 5. November (1934). Die Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden teilt auf mehrfache Anfragen mit, dass Lungenleidende in zwei vorzüglich ausgestatteten, fachärztlich geleiteten jüdischen Anstalten, der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach im badischen Schwarzwald (nur für weibliche Kranke) und der Kuranstalt für Israeliten in Bad Soden am Taunus (für männliche und weibliche Kranke) Aufnahme finden können. Beide Anstalten liegen in landschaftlich bevorzugter Gegend und verfügen über alle Kurhilfsmittel wie Liegehallen, Terrassen usw. In beiden Heilstätten werden alle modernen Behandlungsmethoden, auch solche chirurgischer Art, angewandt. Besonders wird darauf hingewiesen, dass Winterkuren im allgemeinen zweckmäßiger sind als Sommerkuren.   
Privatpatienten, sowie Versicherte und von jüdischen Organisationen verschickte Patienten finden Aufnahme und ärztliche Betreuung zu mäßigen Sätzen. Die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, sowie die Landesversicherungsanstalten belegen die Anstalten seit vielen Jahren und tragen entsprechenden Anträgen von Kranken, die auf rituelle Verpflegung Wert legen, im allgemeinen Rechnung. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Versicherte, die ihre Stellung verloren und das freiwillige Weiterkleben der Beitragsmarken für die Versicherung unterlassen haben, ihre Anwartschaft auf Versicherungsleistungen wieder herstellen können, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach Verlust der Stellung die fehlenden Marken nachkleben.   
Weitere Auskünfte erteilt die Zentralwohlfahrtstelle der deutschen Juden, Abt. Tuberkulosefürsorge, Berlin-Charlottenburg 2, Kantstraße 158, sowie die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte oder ihre Vertrauensmänner an den einzelnen Orten."      

  
Jahrzeittag von Frau Baronin Adelheid von Rothschild (1936)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1936: "Nordrach, 12. Juni (1936). Am 11. Juni (21. Siwan) fand eine Gedächtnisfeier anlässlich des ersten Jahrzeittages der seligen Frau Baronin Adelheid von Rothschild aus Paris in dem Betsaal der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach statt. Zu diesem feierlichen Akt hatten sich sämtliche Patienten, Vertreter des badischen Oberrats und der gesamte Verwaltungsrat eingefunden. Ihren Höhepunkt fand die Feier in der Enthüllung einer schlichten Gedächtnistafel für die edle Stifterin der Anstalt. Aus den Reden, die gehalten wurden, wuchs die einzigartige Persönlichkeit der Verewigten hervor, deren ungewöhnliches geistiges Format allen Anwesenden plastisch vor Augen trat. Das stolze Werk, das die selige Frau Baronin Adelheid von Rothschild in der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte erstellt hat, legt Zeugnis ab von dem tiefen sozialen Gefühl und der echten religiösen Überzeugung, die sie beseelten. Vor 30 Jahren wurde die Anstalt ins Leben gerufen, zu einer Zeit, wo die Kampfmethoden gegen die Tuberkulose noch recht bescheiden waren. Nur wenige Heilstätten standen damals für diesen Kampf zur Verfügung. In Prophetischem Blick hatte die Verklärte schon damals das große Bedürfnis der Gründung einer Jüdischen Lungenheilstätte erfast, weil sie, aus ihrem sozialen und echt jüdischen Empfinden heraus, fühlte, dass ein jüdischer Kranker nur in einem jüdischen Milieu genesen könne. Für jeden im Judentum wurzelnden Juden war nach ihrer Überzeugung die Befriedigung der seelischen Bedürfnisse von der gleichen Bedeutung wie die Behandlung des körperlichen Leidens. Aus dieser Erwägung heraus gründete sie vor 30 Jahren die Lungenheilstätte für weibliche Kranke, die bis auf den heutigen Tag einzigartig dasteht. In der Stiftungsurkunde bildet die Forderung der Führung der Anstalt nach den Grundsätzen des gesetzestreuen Judentums das Kernstück. In dieser Bestimmung erblickte sie die Grundfeste der Anstalt, wie ihr eigener geistiger Standort in den Traditionen ihrer edlen Vorfahren wurzelte. Dr. W."   

   
   
   
Zur Geschichte des Betsaals/der Synagoge                 
    
Neben 48 Krankenzimmern und Gesellschaftsräumen wurde in dem Gebäude auch eine Synagoge eingerichtet. 
   
   
   
Fotos 
Historisches Foto: 
(aus der Sammlung von U. Schellinger)  

  Nordrach H110.jpg (133848 Byte)  
  Blick auf das Gebäude des
 Rothschild'schen Sanatoriums
 
     

Neuere Fotos:
(Fotos: U. Schellinger, Mai 2003 / neuer Gedenkstein: Sommer 2009)  

Die Gedenktafel zu Ehren der
 Baronin Adelheid von Rothschild 
vor dem ehemaligen
 Rothschild'schen Sanatorium 
in Nordrach  
Nordrach Sanatorium 010.jpg (72297 Byte)   
     
       
Gedenkstein von 2007 unterhalb 
des ehemaligen Lungenheilanstalt 
Nordrach Gedenkstein 150.jpg (107194 Byte) Nordrach Gedenkstein 151.jpg (69142 Byte)
  Gedenkstein mit Inschrift: "Nordrach gedenkt der in den Jahren 1940/42
 deportierten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger der 
Rothschild'schen Lungenheilanstalt"  

  
   

      
Text
Aus einem Schreiben von Benjamin de Rothschild aus Genf, dem Urenkel der Gründerin Adelheid de Rothschild 
anlässlich der Neuaufstellung der Gedenktafel in Nordrach im Mai 2003: 

"Meine Urgroßmutter war eine rücksichtsvolle, herzensgute und tief religiöse Frau. Sie beschäftigte sich insbesondere mit dem Bau eines Krankenhauses in Safed und mit verschiedenen anderen Wohlfahrtseinrichtungen. Zusammen mit meinem Urgroßvater Edmond bildete sie ein Ehepaar, das sich bestens verstand und sie überlebte ihn auch nur knapp sechs Monate. Ihre gemeinsame Grabstätte befindet sich nunmehr in Ramat Hanadiv, auf der Anhöhe von Zikhron-Jacob bei Haifa. Ich bin Ihnen unendlich dankbar dafür, dass sie auf diese Weise das Andenken an eine Frau wach halten möchten, die den Schwierigkeiten und der äußersten Not ihrer Mitmenschen niemals gleichgültig gegenüberstand".    
   
    
   
Berichte zur ehemaligen von Rothschild'schen Lungenheilanstalt    

August 2019: St. Georg schließt - die künftige Nutzung des Gebäudes ist unklar  

Artikel von Herbert Vollmer Badenonline.de vom 23. August 2019 : "Fachpflegeeinrichtung schließt zum Monatsende. Die letzten Tage von St. Georg Nordrach
Das 'Median'-Haus St. Georg Nordrach wird zum Ende August geschlossen. Die fast 100 Patienten wurden im Laufe der letzten Monate bereits in andere Einrichtungen im Ortenaukreis und darüber hinaus verlegt. Die Gemeinde bemüht sich nun intensiv um eine Nachnutzung.
'Median' mit Sitz in Berlin ist ein Gesundheitsunternehmen mit 120 Rehabilitationskliniken, Fachkliniken für Frührehabilitation, Therapiezentren, Ambulanzen und Wiedereingliederungseinrichtungen in 14 Bundesländern. Im Mai gab das Unternehmen bekannt, die Fachpflegeeinrichtung Haus St. Georg in Nordrach zum Ende August zu schließen (wir berichteten). Bei St. Georg handelt es sich um eine Pflegeeinrichtung für psychisch- und abhängigkeitskranke Menschen. Eigentümer Median nannte als Grund für die Schließung die Landesheimverordnung, die ab dem 1. September dieses Jahres verlangt, dass Bewohnern von Heimen ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss. 'Das ist in der denkmalgeschützten Immobilie so nicht umzusetzen', hieß es in der Pressemitteilung vom Mai.
1993 übernahmen die 'Oberrheinischen Kliniken' mit Sitz in Bad Krozingen das Pflegeheim. Dieser Träger wurde 2012 von der Median-Unternehmensgruppe übernommen.
Bis vor wenigen Monaten wohnten knapp einhundert Personen im Pflegeheim, teilweise schon seit mehreren Jahrzehnten. Sie waren Nordracher Einwohner und nahmen, soweit es jedem möglich war, auch am Dorfgeschehen Anteil. Die Heimbewohner waren akzeptiert und integriert. Die Patienten wurden zuletzt von 35 Mitarbeitern betreut. Bereits im Jahre 2009 hat das Land Baden-Württemberg das Gesetz zur Gestaltung der Bau- und Raumkonzepte von Heimen erlassen. Diese müssen sich vorrangig an den Zielen der Würde, Selbstbestimmung und Lebensqualität orientieren. Dies schließt das Recht auf eine geschützte Privat- und Intimsphäre der Bewohner von Heimen mit ein, was durch Einzelzimmer erreicht werden soll. Für diese Vorgaben wurde den Heimbetreibern eine Übergangsfrist von zehn Jahren eingeräumt. Diese Frist läuft Ende August 2019 ab.
'Nicht wirtschaftlich'. Im Nordracher Haus St. Georg gibt es 70 Zimmer, davon sind 46 Doppelzimmer. Median sah es nicht als wirtschaftlich an, in dem Gebäude die Doppelzimmer auch als Einzelzimmer zu nutzen und hoffte auch aus therapeutischen Gründen auf eine Ausnahmegenehmigung. Gespräche seien seit geraumer Zeit mit den zuständigen Behörden geführt worden, um eine bestmögliche Lösung für die Einrichtung zu finden. Diese Gespräche führten laut Median aber nicht zum gewünschten Erfolg, so dass das Pflegeheim geschlossen werden musste.
Der Heimverwaltung ist es gelungen, alle Patienten in anderen Häusern unterzubringen. Zahlreiche Mitarbeiter haben vorzeitig das Pflegeheim verlassen und sich einen anderen Arbeitsplatz gesichert. Für die Heimbewohner, die zum Teil schon lange gemeinsam im Haus lebten, war es schwer erträglich, als immer mehr ihrer Mitbewohner ausgezogen sind und sich ihre 'Großfamilie' nach und nach auflöste. Am Dienstag hat die letzte Patientin das Haus verlassen. Mitarbeiter räumen es derzeit 'besenrein' auf, Mobiliar wird, soweit verwendbar, in andere Kliniken gebracht. Für Nordrach ist die Schließung des Pflegeheims ein großer Verlust. Die Gemeinde verliert mit einem Schlag fast 100 Einwohner, was sich erheblich auf die Finanzzuweisungen auswirken wird. Ebenso ist der Verlust von 35 Arbeitsplätzen zu beklagen. Die Median Franz-Alexander-Klinik in unmittelbarer Nähe ist von der Schließung nicht betroffen. Noch ist kein Konzept bekannt, was mit dem Gebäude geschehen wird. Bürgermeister Carsten Erhardt erklärt auf Nachfrage, dass die Gemeinde sich intensiv um eine Nachnutzung bemühe. Da die letzte Entscheidung allerdings beim Eigentümer Median liege, könne er, Erhardt, aber nur als Vermittler tätig sein. Die Art einer späteren Nutzung möchte Erhardt nicht einschränken: 'Wir sind da sehr offen'.
Schmerzlicher Verlust. Erhardt weiter: 'Es ist natürlich sehr bedauerlich, dass das St. Georgs-Pflegeheim schließt. Die Bewohner waren immer ein Teil von Nord­rach. Mit den Verantwortlichen vor Ort hat die Gemeinde Nordrach ein sehr gutes Verhältnis gepflegt. Daraus entstanden auch verschiedene Initiativen, um den Betrieb der Einrichtung zu erhalten. Diesen Prozess hat die Gemeinde Nordrach nach Kräften unterstützt. Leider ohne Erfolg.' 'Trotz des schmerzlichen Verlustes der Einrichtung freue ich mich, dass die Bewohner eine neue Bleibe und fast alle Mitarbeiter eine neue Beschäftigung gefunden haben', erklärt Erhardt."  
Link zum Artikel    

  

 
    

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Nordrach mit Hinweis auf den Friedhof unter den Sehenswürdigkeiten des Ortes 
bullet St.-Georg Pflegeheim in Nordrach der Oberrheinischen Klinken (Seite ist noch im Aufbau); Anschrift des Hauses: St. Georg Pflegeheim, Im Dorf 44, 77787 Nordrach.

Quellen:

bulletRequisitionsentschädigungen für jüdisches Kultvermögen: Lungenheilstätte Nordrach (Dokumente Landesarchiv BAW):  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-52574-1  

Literatur: 

bulletFranz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden. 1968. S. 229-230.
bulletUwe Schellinger: Adelheid de Rothschild (1853-1935) und die Gründung der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilanstalt in Nordrach, in: Die Ortenau 82 2002 S. 519-528. 
bulletders.: Der vergessene Fotograf: Wolf Schmuel Borowitzky aus Nordrach (1892-1940). In: Die Ortenau 89 2009 S. 391-396. 
bulletNordrach Lit 015.jpg (66381 Byte) ders. / Rolf Oswald / Egbert Hoferer: Deportiert aus Nordrach. Das Schicksal der letzten jüdischen Patientinnen und Angestellten des Rothschild-Sanatoriums. Hrsg.: Historischer Verein für Mittelbaden - Mitgliedergruppe Nordrach. 2010. 
Aus der Buchvorstellung: "In dem vorliegenden Buch wird versucht, das damalige Geschehen in Erinnerung zu rufen. Es wurden die bisher unbekannten Lebensläufe der deportierten Patientinnen und der Angestellten erforscht und dokumentiert, sowie dies aus den aufgefundenen Quellen noch möglich war". 
Weitere Informationen über Uwe Schellinger M.A., Historiker, Mozartstraße 29, 79104 Freiburg i.Br., E-Mail
bulletUwe Schellinger: Von der Idylle zur Falle. Das Rothschild-Sanatorium für jüdische Frauen in Nordrach (1905-1942), in: Olga Kurilo (Hrsg.), Kurort als Tat- und Zufluchtsort. Konkurrierende Erinnerungen im mittel- und osteuropäischen Raum im 19. und 20. Jahrhundert, Berlin 2014, 63-96.  
bulletEva Magin-Pelich: "Die Frau, die zu Gott betete: Baronin Adelheid de Rothschild" in: AUFBAU Nr. 15/2003 vom 7.8.2003: online hier anklicken oder (intern abgespeichert) als pdf-Datei.  

    
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020