Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Pfaffenhausen (Stadt Hammelburg, Kreis Bad Kissingen) 
Jüdischer Friedhof
   

    
Zur Geschichte jüdischer Einwohner        
    
In Pfaffenhausen lebten einige Juden zumindest im 16. Jahrhundert. 1568 wird "Nat-Jüdt" (Jude Nathan) als wohnhaft in Pfaffenhausen genannt. Möglicherweise ist er bald wieder vom Ort verzogen, da 1575 "Natta Jud zuo Bonlant" (Bonnland) genannt wird, vielleicht dieselbe Person. 
  
Ansonsten: zur jüdischen Geschichte in Hammelburg (interner Link)   
   
   
Zur Geschichte des Friedhofes          
    
Der jüdische Friedhof in Pfaffenhausen wurde um 1580 vermutlich auf Initiative der jüdischen Gemeinde Hammelburgs angelegt. Urkundlich erstmals genannt wird der Friedhof in der Fuldaer Judenordnung von 1586. 

Pfaffenhausen Dok 610.jpg (123979 Byte)Aus der Judenordnung vom 31. Oktober 1586 - ausgestellt im Namen Maximilians, Erzherzog von Österreich, Administrator des Stifts Fulda (Stadtarchiv Fulda, Judenordnung, 1586, Okt.31, Handschrift; Abbildung aus dem Katalog "Jüdisches Leben in und um Hammelburg" s.Lit. S. 17): "Zum Fünfzehnten, sollen alle Juden, so unter uns sesshaft und darin sich aufhalten, so sie alt oder jung sterben, ihr Begräbnis vor der Stadt Fulda, Brückenau, Pfaffenhausen und sonst nirgends haben..." 

Der Friedhof diente in den folgenden Jahrhunderten als Verbandsfriedhof für die verstorbenen Mitglieder der jüdischen Gemeinden insbesondere in Geroda (bis 1911), Oberthulba, Untererthal, Unterriedenberg, Bad Kissingen (bis 1801), Bonnland, Dittlofsroda, Hessdorf, Westheim, Gemünden und Hammelburg.
 
Der älteste Friedhofsteil liegt im westlichen Bereich des heutigen Areals, das 1672 erweitert wurde. Durch die für jeden Beigesetzten erhobenen Gebühren war der Friedhof lange Zeit für den Amtssitz Hammelburg, später für die Gemeinde Pfaffenhausen eine nicht unbedeutende Geldeinnahmequelle. 

Seiten aus der Hammelburger Amtsrechnung von 1771/72 - Übersicht über die "Einnahm - Geld von Juden Begräbnissen" 
(Quelle: Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Rechnung 7612 / Rechnung 7611; 
Abbildungen aus dem Katalog "Jüdisches Leben in und um Hammelburg" s.Lit. S. 57-61) 
Pfaffenhausen Dok 620.jpg (115116 Byte) Pfaffenhausen Dok 620a.jpg (123731 Byte) Pfaffenhausen Dok 620b.jpg (148051 Byte)
Auf den drei Seiten werden als Herkunftsorte der beigesetzten jüdischen Personen genannt: Völkersleier, Brückenau, Platz, Unterleichtersbach, Weickersgrüben, Westheim, Kissingen, Bonnland, Riedenberg, Gemünden, Oberthulba, Mittelsinn, Untererthal, Hammelburg, Geroda, Hessdorf  

Der Friedhof war bereits im 19. Jahrhundert von der Schließung bedroht. Wegen der Lage mitten im Ort beantragte der Gemeindeausschuss von Pfaffenhausen 1873 beim Königlichen Bezirksamt die Schließung wegen "1. Luftverderbnis in Folge der unmittelbaren Nähe des Leichenackers am Orte Pfaffenhausen und dadurch bedingt örtliche Krankheitserscheinungen. 2. Verunreinigung des Trinkwassers durch gelöste Leichenstoffe aus dem genannten Leichenacker...". Der Antrag des Gemeindeausschusses wurde jedoch abgelehnt. 
  
Die letzte Beisetzung auf dem Friedhof war diejenige von David Birk aus Gemünden. Im Juli 1938 wurde der Friedhof aus "sanitären Gründen" geschlossen. Die zum Friedhofsverband gehörenden Gemeinden mussten danach die Toten auf dem Friedhof in Geroda beisetzen.     
   
In der NS-Zeit wurden auf Veranlassung des damaligen NS-Bürgermeisters sämtliche Grabsteine von Schulkindern am 13. November 1938 umgeworfen
1. Ab 1939 wurde der Friedhof als Viehweide benutzt. Im Taharahaus des Friedhofes wurde ein NSV-Kindergarten eingerichtet. Im Friedhof wurden Eichen gepflanzt ("Hitler-Eichen"). Das alte gusseiserne Tor des Friedhofes wurde entfernt und der Einschmelzung zu Kriegszwecken übereignet. Mauerteile des Friedhofes wurden entfernt. NS-Mitglieder Pfaffenhausens verwendeten sie zum Hausbau1 und gravierten in die Steine das Hakenkreuz ein. Umgeworfene Grabsteine wurden benutzt, um das Saale-Ufer in Pfaffenhausen einzufassen. Gegen Kriegsende befahl der NS-Bürgermeister einem örtlichen Bauunternehmer, im Friedhof eine Barackensiedlung für Ausgebombte zu errichten1; der Bauunternehmer weigerte sich jedoch. Bis zum Einmarsch der Amerikaner lagen die auf dem Friedhof noch vorhandenen Steine auf Stapeln und wurden dann im Eiltempo wieder aufgestellt.
 
1): Dr. Edgar Thamm (Leipzig, stammt aus Pfaffenhausen; Schreiben vom 2.12.2012) weist auf Grund von eigenen Recherchen zu Hammelburg und Pfaffenhausen darauf hin, dass die Anschuldigungen gegen BM Werberich im Gerichtsprozess nach 1945 zwar eine Rolle spielten, aber letztlich nicht belegt seien (gemeint die Anschuldigungen, er habe habe zum einen befohlen, dass Schulkinder 1938 die Grabsteine umwerfen, zum anderen, dass zu Kriegsende eine Barackensiedlung für Ausgebombte errichtet werden sollte). Dr. Thamm konnte in den 1980er-Jahren auch keinen Beleg (mehr) für die Behauptung finden, dass Grabsteine für den Hausbau verwendet worden seien. Im Gerichtsprozess nach 1945 (Entnazifizierungsprozess) sei BM Werberich freigesprochen worden.    
 
Petra Kaup-Clement weist andererseits darauf hin (Schreiben vom 19.6.2013),
dass im Mai 2013 im Zusammenhang mit dem Besuch jüdischer Gäste in Hammelburg, Zeitzeugen erneut und wiederholt bestätigt haben, dass Grabsteine des Friedhofes sowohl am Saale-Ufer liegen wie auch in Privathäusern verbaut wurden. Im November 2017 konnten zwei Grabsteine aus der Saale geboren werden (siehe Pressebericht unten).    
  
Trotz der Zerstörungen in der NS-Zeit ist der Friedhof mit den erhaltenen Steinen eines der wichtigsten Kulturdenkmale im Bereich der Stadt Hammelburg geblieben. Am ehemaligen Tahara-Haus befindet sich eine Hinweistafel mit der Inschrift: "Dieser jüdische Friedhof wurde seit dem 16. Jahrhundert ununterbrochen benutzt. Im Juli 1938 wurden der jüdischen Kultusgemeinde weitere Begräbnisse verboten. Zur Erinnerung [und] Mahnung".          
   
Seit 1972 liegt die Pflege des Friedhofs in den Händen der Stadt Hammelburg.
    
    
    

Lage des Friedhofes          
    
Der Friedhof liegt in der Mitte von Pfaffenhausen an einem nach Norden abfallenden Hang. Eingefriedet ist das Areal teils mit einer massiven Bruchsteinmauer, teils mit Maschendrahtzaun. Die Fläche des Friedhofes beträgt 121 ar.

  Die Lage ist eingezeichnet im Stadtplan Hammelburg des Städteverlages -
der Link zeigt die Lage des Friedhofes an;
oder über "Einrichtungen" zu "Friedhof, israelit. Pfaffenhausen"
            
Rechts: Google Maps
Größere Kartenansicht

    
    
Fotos     

Historische Karte
von Pfaffenhausen 
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
 Kirchheim / Ries)  
Pfaffenhausen AK 120.jpg (596092 Byte) Pfaffenhausen AK 121.jpg (171238 Byte)
  Die Ansichtskarte von Pfaffenhausen wurde als Feldpost in der Zeit des Ersten Weltkrieges vom
 Lager Hammelburg verschickt. Der Empfänger lag damals min einem Reservelazarett in München.
 Die Karte zeigt Pfaffenhausen; im Hintergrund der Kirche ist der jüdische Friedhof zu sehen. 
     
     
Neuere Fotos: 
Der Friedhof im 
Frühjahr 2010
(Fotos: Hahn)
Pfaffenhausen Friedhof 379.jpg (95152 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 380.jpg (69907 Byte)
  Das Eingangstor mit Blick 
über das Saaletal 
Das Taharahaus rechts 
des Eingangstores 
     
Pfaffenhausen Friedhof 370.jpg (65315 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 371.jpg (89419 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 372.jpg (86756 Byte)
Blicke vom Friedhof auf Hammelburg  Blick vom Friedhof auf einen 
Teil von Pfaffenhausen 
  
     
Pfaffenhausen Friedhof 376.jpg (104740 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 374.jpg (100235 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 375.jpg (93580 Byte)
Teilansicht des 
Friedhofes 
Grabstein im Vordergrund links für 
Sara Kleemann aus Hammelburg 
Grabstein mit "segnenden Händen" 
der Kohanim für Joseph Cahner 
     
Pfaffenhausen Friedhof 373.jpg (89765 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 377.jpg (98143 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 382.jpg (94096 Byte)
Grabstein für Musikprofessor 
Herrmann Steuermann (geb. 1848 in 
Obbach, gest. 1909 in Würzburg) 
Grabstein für 
Abraham Schleßinger 
(1829-1883) 
Grabstein für Nathan Stern
aus Hammelburg 
(gest. 1928) 
     
Pfaffenhausen Friedhof 381.jpg (92659 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 378.jpg (106385 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 383.jpg (112417 Byte)
Teilansicht des Friedhofes - vom 
Eingang auf der rechten Seite
Grabstein links "abgebrochene Säule" für
 einen mitten im Leben Verstorbenen
Teilansicht
des Friedhofes
     
Pfaffenhausen Friedhof 384.jpg (108598 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 385.jpg (111384 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 386.jpg (113946 Byte)
Grabstein links der Mitte für 
Babette Klingenstein geb. Lamm (1853 
in Ottensoos - 1923 in Westheim
Grabstein Mitte für Simon Sitzmann von
 Riedenberg (gest. 1903), rechts für 
Klara Distelburger von Oberthulba 
Grabstein links für Regina Schleßinger von
 Hammelburg (1828-1907), rechts für 
David Schleßinger (gest. 1895) 
     
Pfaffenhausen Friedhof 387.jpg (91639 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 388.jpg (81971 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 389.jpg (103479 Byte)
Teilansicht mit Blick zur 
Kirche von Pfaffenhausen 
Grabstein mit einer Krone (des "guten
 Namens") für Abraham Bonnländer 
Grabstein für Babetta Hamburger (gest. 1879)
 und Emanuel Hamburger (gest. 1890), 
beide von Hammelburg 
     
     
Pfaffenhausen Friedhof 390.jpg (109130 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 391.jpg (104252 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 392.jpg (110092 Byte)
Grabstein links der Mitte für 
Isak Engelhardt aus Unterriedenberg 
(gest. 1908) 
Grabstein Mitte (mit Levitenkanne) 
für Meier Löb Bergmann aus Völkersleier
 (gest. 1910)  
Grabstein für Frida Kohn geb. Feuchtwanger
 (1870 in Schwabach 
- 1934 in Hammelburg)  
     
Pfaffenhausen Friedhof 393.jpg (103566 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 394.jpg (78860 Byte)  
Grabstein für Leopold Klingenstein 
aus Westheim (1847-1928)  
Blick auf das 
Taharahaus 
 
       
     
Der Friedhof im Sommer 2003 
(nach Monaten der Trockenheit in völlig ausgetrocknetem Zustand;
Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.8.2003)
   
Pfaffenhausen Friedhof 114.jpg (32747 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 113.jpg (63076 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 112.jpg (51040 Byte)
Hinweistafel 
am Friedhof
Der Eingang von der Südseite 
mit Taharahaus 
Blick über den Friedhof Richtung Ortsmitte
 Pfaffenhausen, links das Tahara-Haus
     
Pfaffenhausen Friedhof 100.jpg (69778 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 104.jpg (66653 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 111.jpg (55572 Byte)
Blick über die 121 ar 
große Friedhofsfläche
Im Hintergrund die Erdfunkstelle 
Fuchsstadt (Intelsat Teleport)
Blick nach 
Hammelburg
     
Pfaffenhausen Friedhof 110.jpg (76205 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 105.jpg (93125 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 106.jpg (76696 Byte)
Teilansichten des Friedhofes  
     
Pfaffenhausen Friedhof 102.jpg (110387 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 109.jpg (112498 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 108.jpg (109071 Byte)
Einzelne ältere Grabsteine
 
Pfaffenhausen Friedhof 103.jpg (66631 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 101.jpg (86735 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 107.jpg (88164 Byte)
Grabstein für Nathan Stern 
aus Hammelburg  
Grabstein für Henriette Cahner 
geb. Kohnstamm
aus Brückenau  
Grabstein für Samuel Schiff 
aus Oberthulba (gest. 1937)  
     
     
Ältere Fotos
(Fotos: Hahn, aufgenommen 
Mitte der 1980er-Jahre) 
Pfaffenhausen Friedhof 121.jpg (53425 Byte)   Pfaffenhausen Friedhof 120.jpg (63784 Byte)
   Eingangstor zum Friedhof - 
im Hintergrund Hammelburg  
Teilansicht -
im Hintergrund Hammelburg 
       
  Pfaffenhausen Friedhof 122.jpg (67560 Byte)  Pfaffenhausen Friedhof 123.jpg (58351 Byte)
      Blicke über den Friedhof und auf Pfaffenhausen 
      
Der Friedhof 
im Sommer 2007 
(Fotos: Petra Kaup-Clement) 
 Pfaffenhausen Friedhof 630.jpg (104316 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 631.jpg (110891 Byte)
     
    Pfaffenhausen Friedhof 633.jpg (116731 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 632.jpg (99929 Byte) 
       
      
März 2008: die 1939 gepflanzten
 Eichen werden gefällt  
Pfaffenhausen Friedhof 640.jpg (119682 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 641.jpg (106681 Byte)
    Die Eichen wurden nach mehrjährigem Befall durch den Eichenprozessionsspinner im Auftrag des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Bad Kissingen gefällt.   
     
Pfaffenhausen Friedhof 644.jpg (91011 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 643.jpg (105316 Byte) Pfaffenhausen Friedhof 642.jpg (108895 Byte)
     

   

Offene Fragen im Blick auf das Tahara-Haus  
(Hinweise und Fotos von Petra Kaup-Clement)  
   
 Pfaffenhausen Taharahaus 010.jpg (221991 Byte) Pfaffenhausen Taharahaus 011.jpg (129134 Byte) Pfaffenhausen Taharahaus 012.jpg (188198 Byte) Pfaffenhausen Taharahaus 013.jpg (295890 Byte)
Es ist unklar, ob das jetzige "Friedhofshäuschen" rechts des Eingangs noch das originale Taharahaus ist. In der NS-Zeit wurde das Taharahaus um- oder sogar großenteils neugebaut als Büro und Wohnraum der Kindergartenschwester der NSV, die dort nach Zeitzeugenaussagen aus Pfaffenhausen ab 1942 wohnte und auf dem Friedhofsgelände bis 1945 einen Kindergarten der NSV betrieb. 
Auf dem linken Foto oben ist am Fensterrahmen aus Stein zu erkennen, dass hier früher eine Türe war. Das Fenster mit Holzfensterladen wurde später geschaffen, vermutlich 1942. Das originale Taharahaus war vermutlich größer und hatte einen überdachten Vorplatz. Darauf weisen rechteckig angeordnete Steine im Boden vor dem Eingang hin (Foto rechts). Ob der Schmuckstein auf dem Boden vom alten Taharahaus oder von einem Grabstein stammt, ist gleichfalls unklar.    

   
   
Einzelne Presseberichte 

April 2013: Gedenktafel für Sophie Sichel  
Artikel von Roland Pleier in der "Main-Post" vom 2. Mai 2013 (Link zum Artikel): "PFAFFENHAUSEN. Ort der Vergangenheit und Zukunft 
Gedenktafel auf dem jüdischen Friedhof von Pfaffenhausen erinnert an Sophie Sichel zurück
 
Er ist mehr als einen Hektar groß und sogar von Hammelburg aus als markante grüne Fläche sichtbar. Von der westlichen Ecke aus sind es grade mal 50 Meter zur katholischen Kirche von Pfaffenhausen. In mehr als 350 Jahren wurden auf dem jüdischen Friedhof von Pfaffenhausen über 1000 Juden aus der ganzen Region begraben. Der letzte war 1938 David Birk aus Gemünden. Dann kamen Adolf Hitlers Nationalsozialisten (NS).
Auch Sophie Sichel wurde 1918 dort 'für die Ewigkeit' bestattet. Sie ruhte ungestört, bis 1938 nach dem Kirchweihtanz die Hammelburger Sturmabteilung (SA) kam, Hitlers paramilitärische Kampforganisation, und die Sockel von über 1100 Grabsteinen lockerte. Am nächsten Morgen wurde die Schändung des jüdischen Friedhofs öffentlich zelebriert. Der nationalsozialistische Dorfschullehrer rückte mit fünf Dutzend Schulkindern an, um die gelockerten Grabsteine umzulegen.
Ab 1939 wurde der Friedhof als Viehweide benutzt. Das Taharahaus, das Leichenhaus, nutzten Kinder bei Aktionen der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. 'Hitler-Eichen' wurden gepflanzt, das gusseiserne Tor eingeschmolzen, Mauerteile entfernt. Pfaffenhäuser NS-Mitglieder verwendeten sie zum Hausbau, gravierten Hakenkreuze ein. Grabsteine wurden benutzt, um das Saale-Ufer in Pfaffenhausen einzufassen.
Als 1945 die Amerikaner anrückten, wurden die noch vorhandenen, gestapelten Steine hastig wieder aufgestellt. Welcher Stein der von Sophie Sichel war und wo genau er stand, weiß man heute nicht mehr. Nur die Reihe, in der sie begraben ist, kennt man. Einer der größeren Grabsteine bekommt nun wieder eine Inschrift-Tafel, sie erinnert an die Frau von Samuel Sichel, die 1853 in Gersfeld geboren wurde und in Hammelburg starb.
Sie war die Großmutter von Kurt Samuel, der mit seiner Familie in die USA emigrierte. Er benannte sich um in Arnold Samuels, als er US-Soldat wurde und gegen Hitler in den Krieg zog. Und er war, ebenso wie der gleichaltrige Arthur Stühler, dabei, als der Würzburger Rabbiner Jakov Ebert diese Tafel am Dienstag vor 30 Versammelten segnete. Auch die Inschrift auf der Gedenktafel, die seit 1986 am ehemaligen Leichenhaus hängt und an den Pogrom erinnert, wurde aufgefrischt, der siebenarmige Leuchter neu vergoldet.
Oskar Böhm, langjähriger Ortsbeauftragter Pfaffenhausens, erinnerte an die Zeit, in der 'Heil Hitler!' den herkömmlichen Gruß ablöste. Weil er sich nicht daran gehalten und den Lehrer mit 'Grüß Gott' gegrüßt habe, erzählte der heute 85-Jährige, habe ihm dieser damals '20 übern Arsch gehauen'.
Arnold Samuels nickte gerührt mit, als der Rabbiner ein hebräisches Gebet intonierte. Er selbst dankte nur Petra Kaup-Clement, die den Besuch eingefädelt hatte: 'Petra hat dies so wunderbar gemacht. Sie war der wichtigste Grund, dass ich nach Hammelburg gekommen bin', so der 89-Jährige.
'Vergangenheit ist nur, wenn man was davon hat', sagte Rabbiner Ebert. An diesem Ort in Pfaffenhausen seien Vergangenheit und Zukunft verbunden. 'Wie man sich hier den Koffer vollmacht', machte er bildhaft deutlich, 'kommt man an in der Ewigkeit.' Arthur Stühler hat einen guten Grund, erneut nach Hammelburg zu kommen: Auch sein Großvater Abraham Stühler ist in Pfaffenhausen begraben. Dessen Grab allerdings wurde noch nicht ausfindig gemacht."      
 
Mai 2013: Grabsteine am Ufer der Saale sollen geborgen werden    
Artikel in der "Main-Post" vom 24. Mai 2013 (Link zum Artikel): "PFAFFENHAUSEN. Grabsteine werden geborgen 
Wasserwirtschaftsamt kündigt Schritte an (dübi/rp) 
Das Wasserwirtschaftsamt unterstützt die Bergung von Grabsteinen des jüdischen Friedhofes in Pfaffenhausen. Der Friedhof war 1938 von Nationalsozialisten geschändet worden. Einzelne Grabsteine wurden an der Saale oberhalb des Stegs zur Uferbefestigung eingebaut (wir berichteten). Möglicherweise wurden sie als Treppenstufen verwendet. 'Wir müssen uns erst vor Ort ein Bild machen', sagt Leonhard Rosentritt zum erforderlichen Umfang der Arbeiten. Dazu wolle man neben dem eigenen Flussmeister zwei ortskundige Bürger einbeziehen. Zu sehen sind die Steine nur bei klarem Niedrigwasser.
Wasser ist zu trüb. Durch die aktuellen Regenfälle führe die Saale allerdings zu viel Wasser und sei zu eingetrübt, um einen kompletten Überblick zu gewinnen, schränkt Rosentritt ein. Bis bei besseren Bedingungen gehandelt werden kann, werde es noch einige Wochen dauern. Zeitzeugen gehen davon aus, dass bis zu fünf Grabsteine vom Friedhof an die Saale gebracht worden sind.
Der Friedhof ist mehr als einen Hektar groß. In mehr als 350 Jahren wurden auf dem jüdischen Friedhof von Pfaffenhausen über 1000 Juden aus der ganzen Region begraben. Sie ruhten ungestört, bis 1938, als nach dem Kirchweihtanz die Hammelburger Sturmabteilung (SA) kam, Hitlers paramilitärische Kampforganisation, und die Sockel von über 1100 Grabsteinen lockerte.
Am nächsten Morgen wurde die Schändung des jüdischen Friedhofs nach Schilderungen von Zeitzeugen öffentlich zelebriert. Der nationalsozialistische Dorfschullehrer rückte mit fünf Dutzend Schulkindern an, um die gelockerten Grabsteine umzulegen."      
 
November 2017: Bergung von zwei Grabsteinen   
Artikel von Michael Nöth in der "Main-Post" vom 24. November 2017: "Grabsteine wieder im jüdischen Friedhof.
Wasserwirtschaftsamt barg geschändete Steine aus der Saale - Jahrelang in einer Ufertreppe verbaut..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken. 
Link zum Artikel mit Fotos   

 

September 2019: Rundgang über den Friedhof mit Kreisheimatpflegerin Cornelia Mence 
Artikel in "infranken.de" vom September 2019: "Geschichte. Rundgang durch den jüdischen Friedhof von Pfaffenhausen
Bis heute gibt es keine Dokumentation des Pfaffenhausener Friedhofs und seiner Grabsteine. Warum das so schwierig ist, erklärte Kreisheimatpflegerin Cornelia Mence.

1146 Grabsteine stehen auf dem jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen, der um das Jahr 1580 herum angelegt wurde. Und es ist schon Tradition geworden, dass Kreisheimatpflegerin Cornelia Mence jedes Jahr im September hier einen Rundgang organisiert. Und so trafen sich auch dieses Mal knapp 30 kulturhistorisch oder heimatkundlich Interessierte am 1877 gebauten Tahara-Haus (Leichenwaschhaus), um sich von ihr auf dem 1,2 Hektar großen Hanggelände führen zu lassen. Vor 400 Jahren gab es nur wenige Einwohner jüdischen Glaubens in den überwiegend katholisch geprägten Dörfern, so dass man sich nicht überall einen eigenen Friedhof leisten konnte. Um 1580 kaufte deshalb die jüdische Gemeinde Hammelburgs ein erst später auf 12.100 Quadratmeter vergrößertes Grundstück in Pfaffenhausen, das über Jahrhunderte als Verbandsfriedhof diente, um dort die Toten aus 26 Gemeinden, also weit über die heutigen Landkreisgrenzen hinaus, bestatten zu können. Obwohl der Friedhof jüdisches Eigentum war, musste dennoch für jede Beisetzung eine Gebühr zunächst an den Amtssitz Hammelburg, später an die Gemeinde Pfaffenhausen gezahlt werden. Im 18. Jahrhundert waren dies drei Gulden für Erwachsene und ein Gulden für jedes Kind. Mence: 'Damals verdiente ein Maurer fünf Gulden pro Monat, ein Schulmeister nur 20 Gulden pro Jahr.' Erst später bildeten sich in den Städten größere jüdische Gemeinden, so dass dort - wie 1817 in Bad Kissingen - eigene Friedhöfe entstanden. Nur unzugängliche und deshalb schwer zu bewirtschaftende Flächen wurden den Juden für ihre Friedhofsanlagen verkauft. 'Flächen, die keiner gebrauchen konnte', formulierte es Cornelia Mence beim Rundgang. So hat auch der Pfaffenhausener Friedhof eine recht steile Hanglage.
Alle Grabsteine stehen mit der hebräischen Inschrift nach Osten. Neuere Steine zeigen rückseitig den deutschen Text, nur die neuesten beide Versionen auf der Vorderseite. Verziert sind viele Steine mit Ornamenten, deren Bedeutung einige Besucher anhand der von Cornelia Mence verteilten Texte vorlasen. So verweisen Kannen oder Amphoren auf die levitische Abstammung des dort Begrabenen, zwei Hände mit gespreizten Fingern symbolisieren den aaronitischen Segen, der Schmetterling steht für die Metamorphose und damit für die Wiederauferstehung der Seele und die Sanduhr für die Vergänglichkeit des Lebens. Hin und wieder ist auf dem Friedhof statt eines Grabsteins eine abgebrochene Säule zu finden, die das abrupt unterbrochene Leben erinnert. Erkennt man die Zeichen Alpha und Omega auf einem Grabstein, eigentlich ein typisches Symbol des Christentums, dürfte es sich um einen wohl preiswerteren, weil vom Steinmetz schon serienmäßig vorgefertigten Grabstein gehandelt haben, meinte dazu die Kreisheimatpflegerin. Mence gab nicht nur Auskunft zur Symbolik, sondern erzählte auch kleine Geschichten zu einigen bekannteren Persönlichkeiten, die auf dem jüdischen Friedhof bestattet sind. So las sie vor dem Grab des Westheimer Gemeindevorstehers Benjamin Hirschenberger, der am 18. Oktober 1904 starb, den Bericht aus der jüdischen Zeitung 'Der Israelit' vom 3. November, in dem die Beisetzung in Anwesenheit von Familie und Freunden, der Verwaltung und der Feuerwehr genau beschrieben wurde.
Grabsteine aus der Anfangszeit um 1600 wird man heute in Pfaffenhausen wohl nicht finden. Zwar dürfen jüdische Grabstätten niemals aufgelöst werden, doch war es Brauch, nach Jahrzehnten aus Platzmangel 'aufzustocken', berichtete Kreisheimatpflegerin Mence. Noch heute sieht man am westlichen Ende, dem ältesten Teil des Friedhofs, an dem einst auch der Eingang war und das erste Tahara-Haus stand, einen breitflächigen, begrünten Erdhügel ohne Grabsteine, der auf eine solche Aufstockung hindeutet. Doch auch die ältesten der heute noch stehenden Grabsteine sind derart verwittert, dass die Inschriften nicht mehr lesbar sind. Zudem ist es für heutige Fachleute schwierig, das alte Hebräisch zu übersetzen. Auch deshalb gibt es bis heute keine Dokumentation des Pfaffenhausener Friedhofs und seiner Grabsteine. 'Pro Stein dürfte es über 1000 Euro kosten - abbauen, restaurieren, Inschrift übersetzen und wieder einsetzen', schätzt Mence. Noch stehen 1146 jüdische Grabsteine auf dem 440 Jahre alten Friedhof in Pfaffenhausen, dessen weiterer Betrieb 1938 von den Nationalsozialisten verboten wurde. Viele der dort Bestatteten sind heute vergessen. Sogar manche ihrer Grabsteine sind schon halb im Erdreich versunken."   
Link zum Artikel  
 

   
    

Links und Literatur  

Links:  

bulletWebsite der Stadt Hammelburg  
bulletZur Seite über die Synagoge in Hammelburg (interner Link) 
bulletSeite zum jüdischen Friedhof Pfaffenhausen in der Website des Hauses der Bayerischen Geschichte  

Literatur:

bulletGermania Judaica II,2 S. 335-336, III,1 S. 510-511. 
bulletMichael Trüger: Artikel zum jüdischen Friedhof Pfaffenhausen, in: Der Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. 13 Nr. 78 Dezember 1998 S. 18. 
bulletIsrael Schwierz: Steinere Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. 1988. S.63. 
bulletRoland Flade: 50 Jahre danach. Die Stadt Hammelburg erinnert sich. Eine Dokumentation, hrsg. von der Stadt Hammelburg, 1995. 
bulletVolker Rieß: Sie gehören dazu... Erinnerungen an die jüdischen Schüler der Lateinschule und des Progymnasiums – verbunden mit einigen Aspekten zur Geschichte der Juden in der Stadt Hammelburg und ihren Stadtteilen (Frobenius-Gymnasium Hammelburg. Festschrift zum Schuljubiläum 1994), Hammelburg 1994, S. 83-102. 
bulletDers.: Jüdisches Leben in und um Hammelburg. Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Herrenmühle 12. Oktober – 10. Dezember 2000, Hammelburg 2001.
bullet Gerhild Elisabeth Birmann-Dähne: Jüdische Friedhöfe in der Rhön. Haus des ewigen Lebens. 132 S. 166 Abb. ISBN 978-3-7319-0828-9. 19,95 €. Imhof-Verlag. Fulda 2018.
Information auf Verlagsseite mit Bestellmöglichkeit. https://www.imhof-verlag.de/juedische-friedhoefe-in-der-rhoen.html 
Das Buch ist ein Führer zu den interessantesten jüdischen Friedhöfen in der Rhön, dokumentiert durch Bild und Text. Ausführlich behandelt sind die Friedhöfe in Altengronau (Hessen), Aschenhausen (Thüringen), Barchfeld an der Werra (Thüringen), Bauerbach (Thüringen), Berkach (Thüringen), Burghaun (Hessen), Dreißigacker (Thüringen), Gehaus (Thüringen), Geisa (Thüringen), Kleinbardorf (Bayern), Marisfeld (Thüringen), Mellrichstadt (Bayern), Neustädtles (Bayern), Pfaffenhausen (Bayern), Schmalkalden (Thüringen), Schwarza (Thüringen), Stadtlengsfeld (Thüringen), Suhl-Heinrichs (Thüringen), Tann (Hessen), Unsleben (Bayern), Vacha (Thüringen), Weimarschmieden (Bayern) und Weyhers (Hessen).
Presseartikel zur Buchvorstellung: Artikel in der "Fuldaer Zeitung" vom 3. November 2018 zu einer Ausstellung mit Fotos von jüdischen Friedhöfen in der Rhön; Artikel zur Vorstellung des Buches in "Fulda Aktuell" vom 29. Dezember 2018; Artikel zur Buchvorstellung in der Zeitschrift "Marktkorb" vom 2. Januar 2019.  

      
        

                   
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Stand: 30. Juni 2020