Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Marktheidenfeld (Main-Spessart-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal
(Seite erstellt unter Mitarbeit von Martin Harth und Leonhard Scherg, beide Marktheidenfeld)  

Übersicht:  

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
bulletInformationen und Dokumente zu einzelnen Familien der jüdischen Gemeinde sowie zum Betsaal  
Familie Adler und der Betsaal der Gemeinde  
Familie Blumenthal  
Familie Abraham Freimark  
Familie Adolf Freimark  
Familie Salomon Freimark  
Familie Heimann 
Familie Levy     
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

     

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde               
   
In Marktheidenfeld bestand eine kleine jüdische Gemeinde von 1910 bis 1942. Möglicherweise haben bereits im 16. Jahrhundert am Ort jüdische Personen/Familien gelebt: in einem Schreiben des Rothenfelser Amtmanns Hans-Wilhelm von Riedern von 1573 wird angefragt, ob der aus Urspringen stammende Jude Salomon, der inzwischen in Mainz lebte, in das wertheimische Dorf Heidenfeld (Marktheidenfeld) übersiedeln dürfe (Quelle im Staatsarchiv Wertheim). Es ist nicht bekannt, ob er sich dort niederlassen durfte. 
  
Erst nach 1871 hatten sich - zuerst durch Familie Blumenthal aus Kirchbracht 1875, danach vor allem durch Zuzüge aus den benachbarten Orten Homburg (Familien Freimark und Heimann) und Karbach (Familie Guttmann) - einige jüdische Familien niedergelassen.  
    
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich bis 1933 wie folgt: 1880 6 jüdische Einwohner (0,2 % von insgesamt 2.423 Einwohnern), 1900 19 (1,0 % von 1.942), 1910 25 (1,3 % von 1.973), 1925 14 (0,7 % von 2.030), 1933 17 (0,8 % von 2.232). 
   
1910 konnte eine selbständige Gemeinde begründet werden, die dem Rabbinatsbezirk Würzburg zugeteilt wurde (bis Frühjahr 1937, dann zum Bezirksrabbinat Aschaffenburg). An Einrichtungen war ein Betsaal vorhanden (s.u., der Betraum war zunächst ab 1909 im Haus Mainkai 7, dann bis in die 1930er-Jahre im Haus Glasergasse 5). Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Karbach beigesetzt. 
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Simon Levy (geb. 28.4.1882 in Neubrunn, gef. 5.1.1917). Sein Name steht auf dem Mahnmal für die Kriegstoten des Ortes jenseits der Brücke auf der Anhöhe auf der der Stadt gegenüberliegenden Mainseite oberhalb des König-Ludwig-Denkmals (auf diesem Mahnmal stehen auch die Namen der ermordeten Juden der Stadt während der NS-Zeit).
  
Seit Mitte oder Ende der 1920er-Jahre wurde die religiöse Betreuung der Gemeinde Marktheidenfeld durch den jüdischen Lehrer in Urspringen übernommen.        
     
1933 lebten noch 17 jüdische Personen im Marktort, 1937 waren es noch 16. In den folgenden beiden Jahren verließen sieben von ihnen Marktheidenfeld. Drei emigrierten (zwei in die USA, einer nach Holland), vier zogen in andere deutsche Orte (Frankfurt, München), einer verstarb am Ort. Am 1. Oktober 1938 wurden bei einem Überfall auf ein jüdisches Wohnhaus die Fenster eingeschlagen. Auch beim Novemberpogrom 1938 kam es zu Ausschreitungen: nach den Ermittlungs- und Gerichtsakten zu den Vorgängen im damaligen Landkreis Marktheidenfeld [Staatsarchiv Würzburg] kam es zu Aktionen gegen die Anwesen der jüdischen Familien. Im Februar 1942 lebten noch neun jüdische Personen am Ort. Sie wurden 1942 über Würzburg nach Krasnystaw bei Lublin (Polen) deportiert und wurden ermordet. 
   
Von den in Marktheidenfeld geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Berthold Adler (1921*), Rosa Regina Adler geb. Freimark (1887), William Adler (1888), Bernhard Freimark (1880), Emanuel Freimark (1888), Friedrich Freimark (1902), Getta Freimark geb. Bierig (1879), Hermina Freimark geb. Adler (1876), Regina Freimark (1879), Rosa Gut(t)mann geb. Löwenstein (1888), Samuel Gut(t)mann (1889), Albert Heimann (1880), Helene Heimann geb. Löwenstein (1886), Lina Katz geb. Blumenthal (1876), Leopold Levy (1881), Regina Levy (1884), Fanny Simon geb. Blumenthal (1882), Lina Wahler geb. Freimark (1892).  
* Berthold Adler ist auf dem Gedenkstein der Opfer von Krieg und Gewalt gleichfalls genannt: er fiel als amerikanischer Soldat 1945 im Raum Aachen (vgl. unten).  
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde       
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Jüdischer Wanderlehrer gesucht (1926)  

Marktheidenfeld BayrGZ 07101926.jpg (93065 Byte)Anzeige in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. Oktober 1926: "Der Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden beabsichtigt in Unterfranken für die Gemeinden Karbach, Marktheidenfeld und Homburg einen Wanderlehrer anzustellen, der den Religionsunterricht und die Schechita in diesen drei Gemeinden zu übernehmen und abwechselnd in jeder dieser Gemeinden als Vorbeter zu wirken hat. Seminaristische Vorbildung, wenn auch ohne Anstellungsprüfung, wird verlangt. Die Besoldung erfolgt nach den Leitsätzen des Verbandes in Anlehnung an die Reichsbesoldungsordnung. Die durch die Betreuung mehrerer Gemeinden erwachsenden Unkosten werden gesondert vergütet. Bewerbungen mit Lebenslauf und Zeugnissen an den Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden, München, Herzog-Max-Str. 7/I." 

  
Ausschreibung der Lehrerstelle in Urspringen mit Betreuung der Gemeinde Marktheidenfeld (1929)  

Urspringen Israelit 13061929.jpg (66475 Byte)Zeitschrift "Der Israelit" am 13. Juni 1929: "Die Israelitische Kultusgemeinde Urspringen (Unterfranken) beabsichtigt möglichst sofort ihre frei gewordene Lehrerstelle wieder zu besetzen. Bewerber, die der gesetzestreuen Richtung angehören, die Schlussprüfung an einem staatlichen anerkannten Lehrerseminar abgelegt haben und das Kantorat sowie den Schächtdienst zu übernehmen in der Lage sind, werden ersucht Bewerbungen unter Vorlage von Zeugnissen bei dem unterfertigten Vorstand einzureichen. Der Gehalt bemisst sich nach der Besoldungsordnung des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden. Dem Beamten obliegt neben dienstlichen Verpflichtungen in der Gemeinde Urspringen auch der Religionsunterricht, die Schechita sowie die religiöse Betreuung der Gemeinden Karbach und Marktheidenfeld nach Maßgabe näherer Vereinbarung. 
Urspringen, den 7. Juni 1929. Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Urspringen. Bernhard Dillenberger
  
Urspringen BayrGZ 15061929.jpg (83046 Byte)Dieselbe Ausschreibung in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juni 1929.  

   
   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben 
Gründung der Israelitischen Kultusgemeinde Marktheidenfeld (1910)  

Marktheidenfeld AZJ 01071910.jpg (24839 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Juli 1910: "Die seitens der israelitischen Bevölkerung in Marktheidenfeld (Bayern) schon so lange angestrebte Gründung einer Kultusgemeinde wurde vom Königlichen Bezirksamte genehmigt, und als Vorsitzender Herr Albert Heimann hier gewählt." 

  
  
Informationen und Dokumente zu einzelnen jüdischen Familien und Personen sowie zum Betsaal der jüdischen Gemeinde  
(Quelle: wenn nicht anders angegeben: Sammlung Martin Harth)    

Familie Adler und der Betsaal der Gemeinde   
Der unten in US-Uniform abgebildete Berthold Adler wurde am 28. Juli 1921 in Marktheidenfeld geboren als Sohn des späteren Vorsitzenden der jüdischen Kultusgemeinde und Viehhändlers William Adler (geb. 12. August 1888 in Neuhof-Opperz) und seiner Frau Regina (Rosa) geb. Freimark (geb. 29. Dezember 1887 in Marktheidenfeld). Im Anwesen der Familie Adler in der Glasergasse befand sich der Betsaal der Gemeinde (siehe unten). William Adler wurde beim Novemberpogrom 1938 festgenommen und bis zum 14. Dezember 1938 im KZ Dachau inhaftiert. Berthold Adler war 1935 nach München und zwei Jahre später nach Frankfurt umgezogen. Er emigrierte später über die Sowjetunion in die USA und fiel 1945 als Soldat der US-Army im Raum Aachen. Seine Schwester Hertha (geb. 21. August 1915 in Marktheidenfeld) emigrierte 1937 nach New York. William und Regina Adler wurden am 25. April 1942 von Würzburg nach Krasnystaw deportiert und sind umgekommen.  
Marktheidenfeld Adler Berthold.jpg (26841 Byte) Marktheidenfeld Adler William.jpg (66420 Byte) Marktheidenfeld Adler Regina.jpg (45546 Byte)  
 Berthold Adler (Quelle: Stadtarchiv 
Marktheidenfeld, Sammlung Eschenbacher) 
 William Adler und Regina geb. Freimark 
(Quelle: Staatsarchiv Würzburg LRA Mar 3410)  
 
     
Marktheidenfeld ludwig-poesiealbum-5.jpg (106059 Byte) Marktheidenfeld Maedchenklasse.jpg (82381 Byte) Marktheidenfeld Adler-Auswanderung.jpg (87470 Byte)
Eintrag von Hertha Adler in das Poesiealbum ihrer 
Schulkameradin Anneliese Ludwig aus dem Jahr 1929 
(Quelle: Sammlung Armin Hospes)
    
 Mädchenklasse im Hof der Marktheidenfelder 
Obertorschule (2. Hälfte 1920er-Jahre). Erste Reihe Mitte: 
Hertha Adler, rechts neben ihr Ruth Heimann 
(Quelle: Stadtarchiv Marktheidenfeld, Sammlung Eschenbacher) 
 Anzeige der Auswanderung von Hertha Adler 
nach New York im Juli 1937 
(Quelle: Stadtarchiv Marktheidenfeld, 
Ordner Juden 1933-1946)  
         
  

Erster Betraum im Haus der Familie Stumpf 
am (Oberen) Mainkai 

Zweiter Betraum im Haus der Familie Adler 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum September 2006)  

   
Marktheidenfeld Betsaal P01.jpg (58045 Byte) Marktheidenfeld Synagoge 121.jpg (60662 Byte)   Marktheidenfeld Synagoge 122.jpg (64542 Byte) Marktheidenfeld Synagoge 120.jpg (42580 Byte)
Plan des Marktheidenfelder Baumeisters Max Ludwig für einen 
Betraum im Obergeschoss des Hauses von Andreas Stumpf 
(heute Mainkai 7) aus dem Jahr 1909; der Betraum ist 
untergliedert in Männer- und Frauenbereich (Quelle: Scherg S. 34)    
Das Anwesen in der Glasergasse 5, das bis in die 1930er-Jahre 
der jüdischen Familie Adler gehörte und in dem sich der 
Betsaal der Gemeinde befand. Unklar ist, wann der Betsaal vom Haus am Mainkai in das Wohnhaus der Familie Adler verlegt wurde.  
Text der Hinweistafel: "In diesem Haus befand 
sich in der Zeit der Weimarer Republik der
 Gebetssaal der Jüdischen Gemeinde" 
   
     

Zur Geschichte der Beträume der jüdischen Gemeinde: Nachdem 1910 eine eigene Gemeinde gegründet werden konnte, war zunächst in einem Haus am Mainkai, später und bis zur Auflösung der jüdischen Gemeinde und der Deportation ihrer letzten Mitglieder 1942 im Anwesen der Familie Adler in der Glasergasse 5 ein Betsaal eingerichtet. 1934 wurde das Gebäude mit antisemitischen Parolen beschmiert.    
Das Gebäude mit dem früheren Betsaal ist bis heute erhalten. Es wird als Wohnhaus genutzt.          

     
     
Familie Blumenthal    
Isaak Blumenthal stammte aus Kirchbracht in Hessen und war seit 1875 verheiratet mit Sarah geb. Thalmann aus Neubrunn. In diesem Jahr war das Ehepaar nach Marktheidenfeld gezogen und eröffnete hier eine Manufakturwarenhandlung. Isaak Blumenthal war Kriegsteilnehmer von 1870/71, erhielt 1898 die Gedenkmedaille für Kaiser Wilhelm I. und war Gründungsmitglied des Kriegervereins Marktheidenfeld (1874), ab 1881 in der Vorstandschaft, Mitglied der Festausschusses für die Jubiläumsfeier des Kriegervereins 1899 (25 Jahre). 1920 wurde Blumenthal Ehrenmitglied des Kriegervereins, erhielt 1924 das Ehrenzeichen für 50-jährige Mitgliedschaft. Isaak Blumenthal betrieb verschiedene Handelsgeschäfte, wohnte vorübergehend auch im benachbarten Erlenbach und verlieh Geld. Unter anderem hatte sich die Feuerwehr bei ihm verschuldet (1906)  
1909 verzog die Familie Blumenthal nach Lohr, wo sie im Jahr zuvor eine Gemischtwarenhandlung eröffnet hatte. Wenige Jahre später zog die Familie nach Frankfurt. Dort lebte offenbar inzwischen der Sohn Simon Blumenthal (geb. 3. Juli 1887 in Marktheidenfeld), der 1907 kurzzeitig das Geschäft in Marktheidenfeld geführt hatte. Er war im Januar 1939 noch in Frankfurt ansässig. Über Simon Blumenthals weitere Geschichte ist nichts bekannt (möglicherweise emigriert; nach SSDI ist in Los Angeles ein am 3. Juli 1885 geborener Simon Blumenthal gestorben). 
Der Neubrunner Händler Gustav Levy erwarb 1906 die Schnittwaren- und Zigarrenhandlung der Blumenthals und betrieb sie weiter (zur Familie Gustav Levy siehe Weiteres unten).  
     
 Anzeigen der Manufakturwarenhandlung  
von Isaak Blumenthal (1886)  
(erhalten von Martin Harth
Quelle: Stadtarchiv Marktheidenfeld, 
Sammlung Eschenbacher) 
Marktheidenfeld Blumenthal 10-1886.jpg (145881 Byte) Marktheidenfeld Blumenthal 11-1886.jpg (137082 Byte)
  Anzeige aus dem "Marktheidenfelder Boten" 
vom Oktober 1886  
Annonce zur Geschäftseröffnung in der Obertorstraße aus 
dem "Marktheidenfelder Boten" vom November 1886 
     
Auszeichnung von Isaak Blumenthal für 
25-jährige Dienstzeit bei der Feuerwehr (1901)
Anmerkung:  Isaak Blumenthal war seit 1876 
Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Marktheidenfeld  
Marktheidenfeld Israelit 10011901.jpg (16210 Byte)Meldung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Januar 1901: "Sonderhofen. Die Herren J. Blumenthal (für Blumenfeld) in Marktheidenfeld am Main und Herr Simon Oppenheimer in Aub erhielten das königliche Ehrenzeichen für 25jährige Dienstzeit bei der freiwilligen Feuerwehr."  
     
Kennkarte für Fanny Simon 
geb. Blumenthal 
Marktheidenfeld KK MZ Simon Fanny.jpg (152162 Byte)   
Fanny Simon geb. Blumenthal war eine Tochter von Isaak Blumenthal und seiner Frau Sarah geb. Thalmann (siehe oben). Das Geburtsdatum von Fanny war nach obigem Ausweis 1. November 1882, in anderen Unterlagen finden sich auch als Geburtsdaten 1. November 1885 oder 1. November 1887.  Fanny Simon wohnte später in Mainz, von wo sie am 25. März 1942 über Darmstadt in das Ghetto Piaski deportiert wurde. Sie ist umgekommen. 
Gleichfalls umgekommen ist die ältere Schwester Lina Katz geb. Blumenthal, geb. 10. September 1876 in Marktheidenfeld, die später in Fürth wohnhaft war. Sie wurde am 10. September 1942 ab Nürnberg in das Ghetto Theresienstadt deportiert, von hier aus am 29. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka. 
Anmerkung: Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. Nach der Namensänderungsverordnung vom 17. August 1938 mussten zusätzlich die Zwangsvornamen "Sara" oder "Israel" angenommen werden.  
Quelle der Kennkarte: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de  
.
     
     

Familie Abraham Freimark 

   
1887 eröffnete der am 7. September 1846 in Homburg am Main geborene Abraham Freimark eine Schlachterei in der Marktheidenfelder Herrngasse. Im Juni 1837 hatte er Sophia geb. Fleischmann (geb. 17. Oktober 1857 in Reckendorf) geheiratet. Dieser Ehe entstammte die ledige Damenschneiderin Regina Freimark, die später zeitweise in der Petzoltstraße arbeitete und mehrmals ihren Wohnsitz nach Düsseldorf und Frankfurt verlegte. Am 25. April 1942 wurde sie aus Marktheidenfeld über Würzburg nach Krasnystaw deportiert wurde und kam ums Leben.
Nachdem Abraham Freimarks erste Frau am 10. November 1883 gestorben war, heiratete der Metzger und Viehhändler im Herbst 1887 Jetta geb. Freund (geb. 1858 in Kleinwallstadt). Aus dieser zweiten Ehe stammt der später in Düsseldorf lebende Sohn Emanuel Freimark (geb. 18. März 1888 in Marktheidenfeld), der im Februar 1915 im Ersten Weltkrieg als Soldat schwer verwundet worden war. Beruflich war er als Schreiner tätig; er wurde 1942 im Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) ermordet. Emanuels Ehefrau Henriette geb. Spier (geb. 9. Januar 1891 in Sontra) und Sohn Alfred Ludwig Freimark (geb. 28. Juli 1923 in Düsseldorf) wurden 1942 im Getto Litzmannstadt/Lodz ermordet. Der zweite Sohn Bernhard Freimark (geb. 11. April 1889 in Marktheidenfeld) war Eigentümer des Anwesens Karbacher Straße 341/Hindenburgstraße (heute Petzoltstraße), das 1938 ein Schauplatz des Novemberpogroms war und kurz darauf veräußert werden musste. Er lebte ab 1919/20 ebenso in Düsseldorf und wanderte (1940?) vermutlich in die USA aus.
Die Tochter Karoline genannt Lina Freimark (geb. 17. Juni 1892 in Marktheidenfeld) war Damenschneiderin oder Modistin. Sie lebte später verheiratet mit dem Namen Lina Wahler in Frankfurt und wurde über Theresienstadt (16. September 1942) nach Auschwitz deportiert (23. Januar 1943) und dort ermordet. Ihr Ehemann Siegmund Wahler (geb. 8. März 1871) starb bereits am 10. Dezember 1942 in Theresienstadt.  
  
Marktheidenfeld Freimark-Anzeige 1887.jpg (174677 Byte) Marktheidenfeld Plan 1887.jpg (90959 Byte) Marktheidenfeld Bild ALFreimark.jpg (77887 Byte)
Im Oktober 1887 kündigte der Homburger Metzger 
und Viehhändler Abraham Freimark die Eröffnung
 einer Schlachterei
in Marktheidenfeld an 
(Quelle: Marktheidenfelder Bote, Oktober 1887)  
Genehmigungsplan aus dem Jahr 1887 von 
Johann Adam Ries für das Schlachthaus von 
Abraham Freimarkt
in der Herrngasse 
(Quelle: Staatsarchiv Würzburg LRA Mar 1664)  
Bild "Straße mit Pferdefuhrwerk und Omnibus" von Alfred 
Ludwig Freimark
aus dem Kunstunterricht des 1943 in Auschwitz 
ermordeten expressionistischen Malers Julo Levin an der
 Privaten Jüdischen Volksschule in Düsseldorf (Quelle)   
     
  Marktheidenfeld Tanzkurs 1910.jpg (96076 Byte)  
  Tanzkurs im Jahre 1910, oben links: Lina Freimark 
(Quelle. Stadtarchiv Marktheidenfeld, Sammlung Eschenbacher) 
 
     
     

Familie Adolf Freimark 

   
Marktheidenfeld Adolf und Babette Freimark.jpg (53766 Byte) Marktheidenfeld Haus Ad Freimark.jpg (67710 Byte) Marktheidenfeld  Anzeige Freimark.jpg (93469 Byte) Marktheidenfeld  Briefkopf Freimark 1934.jpg (32714 Byte)  

Schuhhändler Adolf Freimark (geb. 8. September 1877 in Homburg am Main) war seit 1903 verheiratet mit Babette geb. Hüchberger (geb. 10. November 1872 in Großlangheim als Tochter von Abraham Hüchberger und Lena geb. Wolfheimer). Adolf Freimark erwarb in der Marktheidenfelder Obertorstraße 1 ein Anwesen und betrieb  dort einen Schuhladen (oben Gemälde des Hauses von Willy Armstark). Adolf Freimark war in zahlreichen Vereinen in Marktheidenfeld aktiv, unter anderem im Fußballclub Bavaria Marktheidenfeld, im Turnverein 1884 Marktheidenfeld (TVM), im Kleinkaliber-Schützenverein (KKS) Marktheidenfeld. 
Das Ehepaar Freimark emigrierte 1934 mit den Kindern Recha (geb. 19. Mai 1906, verh. Eichenbronner) und Justin (geb. 6. März 1911, gest. 15. April 2002 NY) nach New York in die USA. Hier waren bereits die Kinder Arthur (geb. 8. September 1904, gest. Juli 1986 NY) und Leo (geb. 21. Juli 1907, gest. 26. Februar 1996 NY).    Oben rechts: Anzeige im Adressbuch 1929 und Briefkopf von 1934.      
Vgl. Artikel von Michael Deubert in der "Main-Post" vom 6. November 2019: "Trotz bester Integration: Wie Adolf Freimark 1934 aus Marktheidenfeld floh. Die Familie des Schuhhändlers jüdischen Glaubens konnte 1934 noch nach New York auswandern und entkam so der Vernichtung durch die Nazis..." 
Link zum Artikel  

         
Marktheidenfeld Freimark Kinder.jpg (51970 Byte) Marktheidenfeld TVM 1930.jpg (28362 Byte) Marktheidenfeld Bavaria.jpg (106863 Byte)
Die Geschwister Arthur, Recha, Leo und Justin Freimark 
(von links; Foto etwa am Ende des Ersten Weltkrieges) 
(Quelle: Stadtarchiv Marktheidenfeld, Sammlung Eschenbacher)
Im März 1930 bildete der Turnverein Marktheidenfeld 1884 drei 
Arbeitskolonnen, um einen neuen Sportplatz einzuebnen. An der 
Spitze der Kolonne I stand der spätere NSDAP-Kreisleiter Max Sorg. 
Sein Stellvertreter war der jüdische Kaufmann Adolf Freimark 
(Quelle: Archiv TV Marktheidenfeld)  
Foto des Fußballclubs "Bavaria Marktheidenfeld" (etwa 1924),
 hintere Reihe links außen: Justin Freimark, 
zweite Reihe Mitte: dessen Cousin Siegbert Freimark.   
(Quelle: Stadtarchiv Marktheidenfeld, Sammlung Eschenbacher) 
   
  
     
Marktheidenfeld Scheibe-Freimark1.jpg (77219 Byte) Marktheidenfeld  Schuhloeffel 2.jpg (79897 Byte) Marktheidenfeld Schuhloeffel 1.jpg (119731 Byte) Marktheidenfeld Briefkopf Freimark 1935.jpg (39302 Byte)
Schützenscheibe, die Adolf Freimarkt 1931 
dem Kleinkaliberschützenverein Marktheidenfeld schenkte 
Schuhlöffel aus dem Laden 
von Adolf Freimark   
Briefkopf aus dem Jahr 1935 
nach der Emigration in die USA   
         
        

Familie Salomon Freimark    

   
Salomon Freimark (geb. 5. April 1873 in Homburg am Main, gest. 1911) war verheiratet mit Hermine geb. Adler aus Urspringen (Tochter des dortigen Viehhändlers Isaak Joseph Leser Adler; 1851-1923). Salomon Freimarkt eröffnete 1901 in der Oberen Gasse in Marktheidenfeld eine Schmiede. Das Ehepaar hatte vier zwischen 1900 und 1906 geborene Söhne Leopold, Ludwig, Friedrich, Siegbert:  hierzu ein Artikel in der "Main-Post": "Die leidvolle Geschichte der Familie Freimark". 
Weiterer Artikel in der "Main-Post" vom 31. August 2017: "Das jähe Ende der Schmiede Freimark"
Hermine Freimark wanderte im März 1938 zur  Familie ihres Sohnes Friedrich nach Geleen in den Niederladen aus. Von dort wurde sie über das Lager  Westerbork ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und 1943 ermordet.   
     
Marktheidenfeld Salomon Hermine Freimark.jpg (120814 Byte) Marktheidenfeld Hermine Freimark.jpg (75477 Byte)  Marktheidenfeld Pferd-Freimark.jpg (70310 Byte)  Marktheidenfeld Pferd Freimark-1.jpg (43918 Byte)

Salomon Freimark und seine Frau Hermine geb. Adler  
  (Quelle: Stadtarchiv Marktheidenfeld, Sammlung Eschenbacher)   

Das Ladenschild aus Eisenblech von Salomon Freimarks 
Schmiede ist verändert erhalten geblieben    
   
Karbach Friedhof Ged Hermine Freimark.jpg (248755 Byte) Marktheidenfeld Friedrich Freimark.jpg (64403 Byte)   Marktheidenfeld Obere Gasse 1926-2.jpg (142457 Byte) Marktheidenfeld Obere Gasse 1926-4.jpg (44322 Byte)
 Grabstein im jüdischen Friedhof Karbach für den 1911 
gestorbenen Salomon Freimark 
(in der Reihe links erster Stein); auf der Rückseite
 steht eine Gedenkinschrift für Hermine Freimark.  
  
    
Friedrich Freimark (geb. 27.10.1902) betrieb nach seiner 
Emigration im niederländischen Geleen eine Wäscherei. Mit seiner 
Frau Gertrud geb. May (geb. 1902 in Niedermendig) und den 
beiden Söhnen Ernst (1936) und Kurt (1939) kam er 1942 in das Lager
 Westerbork, später nach Auschwitz, wo die Familie ermordet wurde. 
(Quelle: Yad Vashem, Jerusalem)  
  Blick in die Obere Gasse im Jahr 1926: 
die Witwe Hermine Freimark wirbt mit einem 
Auslegerschild für ihr "Kurz-, Weiss-, Wollwaren-Geschäft"
 (Quelle: Historischer Verein Marktheidenfeld) 
  
  
        
Marktheidenfeld Freimark 010.jpg (103090 Byte)Über den Rabbiner Ludwig Freimark (links als Student um 1920; nachfolgende Sätze von Martin Harth): Ludwig Freimark wurde am 27. März 1901 als zweiter von vier Söhnen des Schmieds Salomon Freimark und seiner Frau Hermine geb. Adler, in Marktheidenfeld geboren. Im Jahr 1914 feierte Ludwig Freimark seine Bar Mitzwa in der Synagoge in Urspringen. Nach seinem Examen an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg im Jahr 1920 wurde er Lehrer und war vor seiner Emigration in die USA in der NS-Zeit zuletzt in Mainz tätig. 1925 heiratete er Klara Mayerfeld. Nach der Emigration siedelte sich Ludwig Freimark in Vineland, New Jersey, an. Dort war er als Schächter, Kantor und Rabbiner tätig. In seinem Wohnhaus befand sich eine Synagoge, die seinen heute (sc. 2015) in New York lebenden Neffen Steven Freimark stark an die Synagoge von Urspringen erinnerte. Steven Freimark pflegt seit Jahren den Kontakt in die frühere Heimat seiner Familie. Ihm verdankt der Förderkreis Synagoge Urspringen einen regen Austausch von Zeugnissen aus der Familiengeschichte. Ludwig Freimark verbrachte seinen Lebensabend in New York City. 1985 starb der streng orthodoxe Rabbiner in Brooklyn.    
Vgl. Artikel im "Main-Echo": "Sie leben noch in meiner Erinnerung". Pogromnacht: Ein amerikanischer Rabbiner blickt auf das jüdische Urspringen vor 1938 zurück..."     
     
     

Familie Heimann  

   
Albert Heimann (geb. 16. November 1880 in Homburg am Main) war seit 1908 verheiratet mit Helene Heimann geb. Löwenstein  geb. 11. Mai 1886 in Laudenbach bei Weikersheim als Tochter von Lippmann Löwenstein und Anna geb. Löwenstein) 6. Er war Inhaber einer Eisenhandlung am Marktheidenfelder Marktplatz 6. Das Geschäft war ein Schauplatz des Novemberpogroms 1938 in der Stadt. Albert Heimann wurde festgenommen und bis zum 19. November 1938 im Gerichtsgefängnis von Lohr in "Schutzhaft" festgehalten. 1939 verzog das Ehepaar mit Tochter Ruth (geb. 15. Juni 1916 in Würzburg) nach Frankfurt. Albert und Helene Heimann wurden 1942 von Frankfurt aus deportiert und sind umgekommen.    
Marktheidenfeld  Albert Heimann 025.jpg (8909 Byte) Marktheidenfeld  Helene Heimann 025.jpg (14374 Byte) Marktheidenfeld Albert Heimann Reklame.jpg (48330 Byte)

Albert Heimann und seine Frau Helene geb. Löwenstein  
(Quelle der Fotos: Staatsarchiv Würzburg, LRA Mar 4310)  

Werbepostkarte der Eisenhandlung Heimann 
für einen Wotan Gußofen   
     
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Das Geschäft von Albert Heimann - zentral am 
Marktheidenfelder Marktplatz (Quelle: Stadtarchiv 
Marktheidenfeld, Sammlung Historischer Verein) 
  
Briefkopf der Eisenhandlung Albert Heimann
daneben Messer aus der Eisenhandlung 
(Quelle: Sammlung Martin Harth)  
 
Montage einer Postkarte: Diese Karte schrieb Helene Heimann  
Ende 1941 aus Frankfurt an eine Bekannte in Marktheidenfeld. 
Sie klagt darüber, dass sie von der kurz zuvor in die USA 
emigrierten Tochter Ruth keine Nachricht habe
     
     

Familie Levy  

   

Der Neubrunner Händler Gustav Levy (1854-1937, beigesetzt im Friedhof in Karbach) erwarb 1909 die Schnittwaren- und Zigarrenhandlung der Blumenthals in Marktheidenfeld (siehe oben). Der Witwer war im gleichen Jahr Gründungsmitglied der jüdischen Gemeinde. Sohn Simon Levy (geb. 29. April 1882 in Neubrunn) fiel als Soldat im Ersten Weltkrieg am 5. Januar 1917 bei Langemark/Belgien. Sein Grab ist in der Kriegsgräberstätte in Langemark/Belgien (Block B Grab 17681). 
Gustav Levys Sohn Leopold Levy (geb. 29. April 1882 in Neubrunn) führte mit seiner Schwester Regina Levy (geb. 26. 5. 1884 in Neubrunn) nach dem Tod des Vaters das Geschäft bis zum Novemberpogrom 1938 weiter. Bereits am 1. Oktober 1938 waren am Anwesen Levy nachts Scheiben eingeworfen worden. Beim Novemberpogrom wurde der Laden nach Zeugenaussagen zerstört und geplündert. Regina Levy wurde durch einen Steinwurf am Kopf verletzt. Leopold Levy wurde verhaftet und bis zum 2. Dezember 1938 im Gerichtsgefängnis Lohr in "Schutzhaft" festgehalten. 1939 musste das Geschwisterpaar Levy seinen Besitz verkaufen und wohnten ein Jahr später im Anwesen von Bernhard Freimark in der Untertorstraße. Ein Spaziergang des Geschwisterpaars Levy an einem Sabbat bot im November 1940 Anlass für den Landrat, ein allgemeines Ausgehverbot für die Juden in Marktheidenfeld zu erlassen, das von der GeStaPo in Würzburg später als widerrechtlich bezeichnet und aufgehoben wurde. Vergeblich versuchten Leopold und Regina vor ihrer Deportation am 25. April 1942 in die USA auszuwandern. Beide wurden am 25. April 1942 ab Würzburg nach Krasnystaw deportiert und sind umgekommen.    

     
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 Leopold Levy und Regina Levy (Bildquelle: Staatsarchiv Würzburg LRA Mar 4310).    
     
Das Mahnmal für die "Opfer von Krieg und Gewalt"  
(Fotos von 2005: Martin Harth) 
   
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Das Mahnmal für die "Opfer von Krieg und Gewalt" befindet sich jenseits der Brücke auf der Anhöhe der der Stadt gegenüberliegenden Mainseite oberhalb des König-Ludwig-Denkmals. 
2005 war es zu einem Anschlag auf das Denkmal gekommen. Auf dem Foto in der Mitte ist auf der rechten Gedenktafel noch der Schatten eines Hakenkreuzes zu erkennen.  
     
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Auf der Tafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges steht auch der Namen von Simon Levy (Fotos links und Mitte). Auf der Tafel rechts steht: "Verfolgt aus rassischen Gründen verloren ihr Leben: Adler William geb. 12.8.1888, Adler Regina geb. Freimark geb. 29.12.1887. Freimark Bernhard geb. 7.3.1990. Freimark Getta geb. Bierich geb. 14.5.1879. Freimark Regina geb. 15.11.1879. Guttmann Samuel geb. 4.4.1889. Guttmann Rosa geb. Löwenstein geb. 10.11.1888. Levy Leopold geb. 18.5.1881. Levy Regina geb. 26.5.1884. Freimark Hermine geb. 12.12.1876. Heimann Albert geb. 16.11.1880. Heimann Helene geb. 11.5.1886. Als Soldat der US-Army i.J. 1944 Bertold Adler 23.J."    

   
  
 
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  

Oktober 2009: Vortrag in Marktheidenfeld über Judenwege und andere Flurnamen   
Marktheidenfeld PA 2009010.jpg (147222 Byte)Artikel von Martin Harth im "Lohrer Echo" vom 14. Oktober 2009
(Artikel wurde von Fred G. Rausch zur Verfügung gestellt): 
"Auf den Spuren der 'Judenwege'.   Kulturwissenschaft: Barbara Rösch erklärte Flurnamen.  
Marktheidenfeld.
Die Berliner Kulturwissenschaftlerin Barbara Rösch befasste sich am Mittwochabend in der Marktheidenfelder Volkshochschule mit den so genannten Judenwegen und erläuterte ihren spezifischen Forschungsansatz zur deutsch-jüdischen Alltagsgeschichte.   
Die Autorin der wissenschaftlichen Arbeit 'Der Judenweg' erforschte Wegebezeichnungen außerhalb geschlossener Ortschaften und verwandte Flurnamen wie Judenstein, -baum, -brunnen, -pfad, -steig, -acker und ähnliches. Von Interesse sei dabei, wie solche Toponyme zustande kämen und sich mündlich oder schriftlich überlieferten. Mit den Begriffen gehe oft neben der reinen Sachinformation auch ein Werturteil einher. Früheste Belege fänden sich im 15. und 16. Jahrhundert.  
Schwerpunkt um Marktheidenfeld.
Ein Schwerpunkt ihrer auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausgeweiteten Arbeit sei der 'Waldsassengau' sagte Rösch und meint mit diesem etwas altertümlichen Begriff die Region um Marktheidenfeld zwischen Gemünden/Karlstadt und Wertheim. Die Forscherin konnte auf eine in der Qualität höchst unterschiedliche Flurnamensammlung aus dem ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts in Bayern zurückgreifen. Weitere Belege lieferten historische Katasterpläne für Grundsteuern oder Hypotheken. Im bereich um Marktheidenfeld ließen sich 132 Einzelbelege für etwa 20 Wegstrecken finden, 16 Judenpfade, fünf Judenwege, drei Judenstraßen und drei Judengassen. Oft liefen diese parallel zu wichtigen Handelswegen durch die früher gemischtherrschaftliche Region..."   
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken
 
Mai 2011: Marktheidenfeld beteiligt sich am Gedenkmarsch in Würzburg    
Artikel von Martin Harth in der "Main-Post" vom 26. April 2011 (Artikel): 
"URSPRINGEN. Gedenkmarsch auf dem Weg der Opfer 
Förderkreis und Main-Spessart-Gemeinden unterstützen Aktion – Schilder erinnern an Deportierte
(maha) Am 10. Mai soll in Würzburg unter dem Titel 'Wir wollen uns erinnern' ein Gedenkmarsch auf dem Weg der größten Deportation von Juden aus Unterfranken am 25. April 1942 von der ehemaligen Gaststätte 'Platz'scher Garten' am Friedrich-Ebert-Ring zum früheren Güterbahnhof Aumühle stattfinden.
Dabei soll auch der großen Anzahl von Opfern der nationalsozialistischen Rassenideologie aus dem heutigen Landkreis Main-Spessart gedacht werden. Der Förderkreis Synagoge Urspringen unterstützt diese Gedenkveranstaltung, wie dies der Vorsitzende Leonhard Scherg bei der Hauptversammlung des Vereins deutlich machte. Für die Aktion 'Wir wollen uns erinnern' wurden die Daten der Deportationsopfer vom 25. April 1942 aus einigen jüdischen Gemeinden überprüft und zusammengestellt. Über den Stand der Vorbereitungen für den Gedenkmarsch 'Wir wollen uns erinnern' am 10. Mai in Würzburg wurde bei der Hauptversammlung berichtet.
So haben sich die Stadt Marktheidenfeld und die Gemeinde Karbach bereits um Teilnehmer bemüht, welche die Namenstafeln der neun, beziehungsweise 27 Opfer aus den Gemeinden beim Gedenkmarsch tragen werden. Auch Triefenstein wird sicher mit fünf Vertretern für die Opfer aus Homburg dabei sein. Für Urspringen will Bürgermeister Heinz Nätscher Verbindung mit den Schulen in Marktheidenfeld aufnehmen, um Vertreter für die 42 Opfer aus seiner Gemeinde nach Würzburg schicken zu können. Georg Schnabel berichtete über den Stand der Vorbereitungen in Laudenbach.
Bürgermeister Kurt Kneipp aus Karbach will sich um zwei Busse bemühen, die für Vertreter aus dem ehemaligen Landkreis Marktheidenfeld eingesetzt werden, um die Aktion, die von 14 bis etwa 19 Uhr dauern könnte, gemeinsam abzuwickeln.
Josef Laudenbacher (Karbach) holt die Namensschilder für die vier Gemeinden vorher in Würzburg ab und verteilt sie in den Bussen. Bemerkenswert ist, dass im Fall von Karbach auch Nachkommen jüdischer Opfer zu dem Gedenkmarsch aus Israel nach Deutschland kommen wollen."  
  
März 2016: Vortrag über "Judenwege" in der Region  
Artikel von Martin Harth in der "Main-Post" vom 3. März 2016: "MARKTHEIDENFELD. Den Judenwegen nachspüren. 
Im Jahr 2009 rief die Potsdamer Historikerin Barbara Rösch mit ihrem Buch 'Der Judenweg' eine kulturhistorische Besonderheit in Erinnerung, die in unserer Region lange in Vergessenheit geraten war. Auf Einladung des Förderkreises Synagoge Urspringen stellte die Forscherin noch im gleichen Jahr ihre Erkenntnisse bei einem Vortrag an der Volkshochschule (vhs) in Marktheidenfeld vor. Am Montagabend wurden die Judenwege erneut zum Inhalt eines Vortrags an gleicher Stelle, zu dem der Vorsitzende der vhs sowie des Förderkreises, Leonhard Scherg, knapp 20 interessierte Zuhörer begrüßen konnte. Der Karlstadter Alfred Dill ist als ausgebildeter Landschafts- und Naturführer beim Naturpark Spessart engagiert und sucht für seine Wanderungen neben Fauna, Flora und Geologie auch kulturhistorische Besonderheiten, die er seinen Gästen vermitteln kann. Er wurde auf die jüdische Vergangenheit in der Region aufmerksam und versuchte bald schon, die von Barbara Rösch aufgezeigten Wege in der Natur aufzuspüren. Teilweise kann er heute solche Routen für Wanderfreunde anbieten und dabei auf Relikte der Kultur der einstigen jüdischen Minderheit hinweisen. Dill legte zunächst die bekannten Fakten dar. Sogenannte Judenwege waren ein Zeichen der eingeschränkten Mobilität und Diskriminierung. Es gab bedeutsame und beschwerliche Wege von den Kultusgemeinden zu Friedhöfen, zum Beispiel zum großen jüdischen Distriktsfriedhof nach Laudenbach. Es gab Wege, die einzelne Juden und Angehörige kleiner Gemeinden an Sabbat zum Gottesdienst in einer Nachbargemeinde bewältigen konnten, da nicht überall ein Minjan aus zehn religionsmündigen Männern zur Verrichtung der Gebete gebildet werden konnte. Es gab Wege, die es Juden erlaubten, am Sabbat bis an die Grenzen des Sabbatbezirks zu spazieren. Eine große Rolle spielten die Handelswege, so die Wege für den Viehtrieb und die jüdischen Händler. Wege führten beispielsweise nach Karlstadt, wo jüdische Viehhändler lange Zeit das Geschehen auf dem großen Viehmarkt prägten. Besondere Wege waren für die Hausierhändler, die von Dorf zu Dorf zogen, wesentlich, bis hin zu den so genannten 'Betteljuden', die aus ihrer polnischen Heimat kommend saisonal ihr Glück bis ins Fränkische suchten.
Verbindungen im Verborgenen. Dabei nutzten die Juden meist keine neuen Wege, oft aber Verbindungen, die abseits der großen Straßen etwas im Verborgenen liefen. Sie waren gezwungen, verbotene Territorien wie das des Hochstifts Würzburg zu umgehen. Oft verliefen solche Wege entlang der Grenzen der in Franken stark zersplitterten Territorien. Die jeweiligen Landesherren belegten die durchreisenden Juden mit eigenen Abgaben und ein Sprung über eine Grenze konnte vor den Ansprüchen der jeweiligen Wegezoll-Eintreiber bewahren. Die Judenwege verloren mit zunehmender rechtlicher Gleichstellung der Minderheit und der Entwicklung moderner Verkehrsmittel an Bedeutung und gerieten durch die nationalsozialistische Vernichtungspolitik weitestgehend in Vergessenheit. Die Flurbereinigung setzte vielen Wegebeziehungen seit den 1970er Jahren ein Ende, da die Neuordnung landwirtschaftlicher Flächen auf kulturhistorische Zusammenhänge kaum Rücksicht nahm. Mit Fotografien und Kartenausschnitten zeigte Alfred Dill den Verlauf von Judenwegen auf. Etwa von Wiesenfeld über Steinfeld nach Laudenbach oder von Steinfeld und Urspringen nach Karbach. Von Urspringen führte eine Route über Stadelhofen nach Karlstadt oder von Thüngen und Arnstein über Himmelstadt nach Laudenbach. Zwischen Lohr und Marktheidenfeld gab es eine Wegebeziehung, die auch von den Leinreitern als Abkürzung für den Rückritt auf den Pferden mainabwärts genutzt wurde.
Erinnerungen am Wegesrand. Manches erinnert heute am Wegesrand an die jüdische Kultur, so die Friedhöfe in Karbach und Laudenbach an etwas entlegenen Orten. Man kann die Ritualbäder (Mikwen) einiger Kultusgemeinden entdecken sowie deren Synagogen und Betsäle. In Karbach wurde die Synagoge zum Rathaus, in Urspringen zur Gedenkstätte und zum Museum. In Wiesenfeld wurde ein kleines dörfliches Kulturzentrum im einstigen Gotteshaus gestaltet. Lediglich in Laudenbach ist die frühere Synagoge noch in einem ruinösen Zustand und wartet auf eine baldige Sanierung." 
Link zum Artikel  
 

  
    

Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Stadt Marktheidenfeld  

Literatur:  

bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 358-359. 
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 87.  
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 515.  
bulletMarktheidenfeld Lit 005.jpg (45737 Byte)Leonhard Scherg/Martin Harth: Juden im Landkreis Marktheidenfeld. Hrsg. Historischer Verein Marktheidenfeld und Umgebung e.V. Nr. 13. 1993.
bulletMSP Publikation 01.jpg (23157 Byte)Leonhard Scherg: Jüdisches Leben im Main-Spessart-Kreis. Reihe: Orte, Schauplätze, Spuren. Verlag Medien und Dialog. Haigerloch 2000 (mit weiterer Literatur). S. 34.   
bulletBayern Synagogengedenkbuch IMG_20150803_0001.jpg (85625 Byte)"Mehr als Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Teilband III: Unterfranken, Teil 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger. Hg. von Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff in Verbindung mit Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3: Bayern. 1. Auflage 2015. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgäu (mit umfassenden Quellen- und Literaturangaben)
ISBN 978-3-89870-449-6.
Hinweis: die Forschungsergebnisse dieser Publikation wurden in dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch nicht eingearbeitet.
Abschnitt zu Marktheidenfeld S. 272-276.

        
        
n.e.       

                   
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Stand: 15. Oktober 2013