Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bieringen (Gemeinde Schöntal, Hohenlohekreis) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge

Übersicht:

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Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde                    
    
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zum Kloster Schöntal gehörenden Bieringen bestand eine jüdische Gemeinde bis um 1870. Erstmals werden 1579 Juden am Ort genannt; 1654 und 1661 waren es drei jüdische Familien. 
  
Seit 1832 gehörte die Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Berlichingen beziehungsweise war auch als Filialgemeinde der benachbarten Synagogengemeinde Berlichingen zugeteilt. Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde um 1858 mit 53 Personen erreicht. In den folgenden Jahrzehnten ging ihre Zahl rasch zurück. 1883 wurden noch 16 jüdische Einwohner gezählt; in den folgenden fünf Jahren verzogen auch diese Personen beziehungsweise sind verstorben. 
  
1888
verzogen die letzten jüdischen Einwohner vom Ort.  
  
Von den in Bieringen geborenen jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Julchen David geb. Stern (1859, später Zwingenberg), Isak Gottlieb (1854, später Berlichingen), Lina Obenheimer geb. Würzburger (1870, später Schwäbisch Hall), Rahel Ortheiler geb. Würzburger (1879, später Hamburg), Berta Schwarz geb. Fröhlich (1863, später Villingen), Hugo Schwarz (1892, später Villingen), Jakob Stern (1868, später Bochum), Jette Stern geb. Würzburger (1869, später Alzey), Salomon Strauß (1860, später Berlichingen), Emanuel Würzburger (1866, später Heilbronn).    
    
    
   

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
    
Das Ende der jüdischen Gemeinde 1888  

Bieringen AZJ 09021888.jpg (21398 Byte)In der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Februar 1888 findet sich die folgende Notiz: "Wieder hat eine israelitische Gemeinde Württembergs zu bestehen aufgehört: die Gemeinde Bieringen; das letzte Gemeindemitglied derselben, H. W. Stern, wurde am 20. d. M. (sc. Januar 1888) unter großer Teilnahme aus benachbarten Gemeinden zu Grabe getragen".  
   
Bieringen AZJ 19071888.jpg (41807 Byte)Meldung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Juli 1888: "Aus Bieringen bei (statt: in der) Künzelsau schreibt man: In dieser Woche ist aus unserem Orte die letzte jüdische Familie abgezogen. Die meisten sind nach Amerika ausgewandert, die anderen haben sich in Stuttgart, Heilbronn, Öhringen usw. niedergelassen."

   
Lehrer Ludwig Stern aus Bieringen wird 1. Lehrer (Direktor) an der Lehrerbildungsanstalt in Würzburg an (1864)  

Anmerkung: Ludwig Stern ist am 9. März 1824 in Bieringen als (unehelicher) Sohn der Jentle Hirsch Stern (Tochter des Handelsmannes Hirsch Baruch Stern) geboren (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-440598-2). Nach Abschluss seiner Ausbildung zum Lehrer dürfte Unterdeufstetten seine erste Stelle gewesen sein (um 1842/1850?). Nach dem Beitrag unten war Stern nach Unterdeufstetten Lehrer in Markelsheim, wo er 1854 Bärbel/Babette geb. Adler aus Markelsheim heiratete (geb. 28. Juli 1831). Von 1853 bis 1860 war er Lehrer in Creglingen (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442332-96), danach in Freudental und ab 1864 I. Lehrer / Direktor an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg. Er starb am 15. August 1890 in Würzburg, seine Frau Babette am 31. Januar 1902 ebd. 
Von den zehn Kindern des Ehepaares sind die ersten vier in Creglingen geboren (Abraham Hartwig 1855, Jacob 1856, Gustav Gedalja 1858, Ida 1860), die nächsten zwei in Freudental (Josua 1863, gest. 1863, Mirjam 1864), die übrigen vier in Würzburg (Baruch 1866, Nathan 1868, Julia 1873 und Lina 1875).       

Freudental Israelit 16111864.jpg (233255 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. November 1864: "Aus Württemberg. Dem inneren Berufe folgend, hat am Anfang dieses Monats ein Mann das Schwabenland verlassen, dessen Verlust nicht nur die Gemeinden, in deren Mitte er als Lehrer und Vorsänger gewirkt hat, sondern nahezu das ganze Württemberg empfinden dürfte, für das er besonders in jüngster Zeit in edelster Weise, ersprießlich und wacker gewirkt und gekämpft hat. Ludwig Stern, bisher in Freudental angestellt, hat die Lehrer- und Hausmeister-Stelle an der Lehrerbildungsanstalt in Würzburg angenommen, welche von den dortigen hochherzigen Rabbinen unter Protektion der bayerischen Regierung ins Leben gerufen worden ist. Wie unser Stammvater folgte auch er der inneren Himmelsstimme und zog weg aus seinem Land und aus seiner Heimat wie aus dem Haus seines Vaters, verließ Vaterland, Heimat, Verwandte und Freunde, um zu wirken für das Ideal, das er auch bei uns zu erstreben bemüht gewesen, um vereint zu sein mit den Verwandten des Geistes, die seinem Edelmute mehr gelten als irdische Beziehungen. Rastlos wie seine pflichttreue Tätigkeit stieg auch er in seiner äußeren Stellung von Stufe zu Stufe und bewährte sich an ihm jeder göttliche Segen, der solchen Männern verheißen ist 'und ich will groß machen deinen Namen und er wird ein Segen sein’. Von der kleinen Filialgemeinde Unterdeufstetten aus, für die er ein Faktotum war, wie von Markelsheim und Creglingen, wo die Gemeinden zu jedem Opfer bereit waren, um ihn länger besitzen zu dürfen, wie durch die größere Kehilla (Gemeinde) Freudental, wo sein hervorragendes Wissen und Wirken, obschon neben einem Rabbinen, doch in der ehrenvollsten Weise Anerkennung gefunden hat, verbreitete sich sein Name immer weiter in den Gauen Württembergs. Sein rednerisches Talent und seine theologischen und pädagogischen Kenntnissee fanden ihren besten Lobredner in seinen Predigten, seinen Vorträgen und seinen schriftstellerischen und publizistischen Werken und Aufsätzen, welche auf der Kanzel vernommen worden, oder durch die Presse in Büchern, Zeitschriften und Broschüren an das Licht der Öffentlichkeit getreten sind. An der Spitze steht hierin das von ihm erschienene 'Deutsche Lesbuch für israelitische Schulen in 5 Abteilungen’ (Stuttgart 1862), das im Auslande fleißig gebraucht wird, obgleich unsere israelitische Oberkirchenbehörde, deren meisten Mitglieder nicht wohl die wahren Freunde eines solchen Strebens sein können, es nicht offiziell in den württembergischen Schule eingeführt hat. Mit einem wahren Eliasmute aber ist er als wackerer Kämpe in die Schranken getreten, um eine Revision des israelitischen Kirchenwesens in Württemberg zu erstreben, um die jetzt das ganze Land in allen seinen Parteien einstimmig und sehnlich petitioniert. So hat sich sein Verdienst über das Weichbild der Gemeinden hinaus durchs ganze Land nicht nur ausgebreitet und unvergesslich gemacht, sondern auch – gestützt auf 1. Samuel 12,23 – die Hoffnung erzeigt, dass die politische Grenze, die ihn nun von uns trennt, keine Scheidewand zwischen uns sein werde in den religiösen Bestrebungen, die wir bis jetzt gemeinschaftlich unternommen haben, und bald zum segensreichen Ziele führen werden. 
Möge er in Würzburg die Liebe und Achtung finden, die er unter uns besitzt, seine Aufnahme dort so herzlich sein, wie sein Abschied von hier und sein Wirken immer allgemeiner und segensreicher sich enthalten! Im Namen der Freunde im Neckartale, im Taubergrunde und am Donaustrome. S. Levy in Stuttgart."

  
Über die Nachkommen der Familie Baruch Stern aus Bieringen (1929)     

Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. Juni 1929: "Bieringen. Viele der jetzt lebenden Generation haben die Familie Baruch Stern in Bieringen an der Jagst gekannt, deren noch lebenden 7 Kinder Hermann Stern, Rochester (N.J.); Bertha Falk Witwe, Braunsbach an der Kocher; Karolina Frank, Neckarbischofsheim (Baden); Ida Gottlieb, Künzelsau an der Kocher; Julchen David, Zwingenberg am Neckar (Baden); Jakob Stern, Bochum (Westfalen); Emma H. Sänger, Heilbronn am Neckar; heute zusammen ein Alter von 518 Jahren haben. Noch manchem wird in Erinnerung sein, dass der verstorbene Baruch Stern seinerzeit sein Haus zur Verfügung stellte, um darin eine Synagoge einzurichten, die die Familie Stern 40 Jahre lang der Gemeinde unentgeltlich überlies. Der damalige Ortspfarrer, Dekan Zierlen, unterhielt ein sehr freundschaftliches Verhältnis mit Baruch Stern, der in Bieringen in großer Achtung stand. Wenn Gemeinderatswahl oder Kirchengemeinderatswahl war, dann ging Dekan Zierlen nur zu Baruch Stern, um den Kandidaten durchzubringen, den er gern haben wollte. Dann war er seiner Sache sicher",          

    
    
    
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge                     
    
Ein Betsaal war bereits im 18. Jahrhundert vorhanden. 1807 berichtete der Kreisamtmann aus Öhringen, dass ein Betsaal in einem jüdischen Privathaus in Bieringen eingerichtet sei. Auch 1818 ist in der Pfarrbeschreibung der Gemeinde von einer "Synagoge" und einer jüdischen Schule in Bieringen die Rede. Beides sollte 1832 bei der Neueinteilung der jüdischen Gemeinden durch staatliches Gesetz aufgelöst und die Bieringer Juden der Gemeinde in Berlichingen zugewiesen werden. Damit waren jedoch die Betroffenen nicht einverstanden. Eineinviertel Stunden Weg sei es nach Berlichingen, was am Schabbat aus religiösen Gründen sowieso nicht möglich wäre und über Schabbat wolle man die Häuser in Bieringen nicht unbeaufsichtigt lassen. Leicht würden sie in dieser Zeit von Einbrechern heimgesucht. Sicher habe man keine Synagoge wie in Berlichingen, "allein wir sind bereit, einen unserem örtlichen Bedürfnis entsprechenden Ort zur gemeinsamen Gottesverehrung zu schaffen, sobald dies bei den beschränkten Mitteln unserer aus 12 Familien bestehenden Gemeinde möglich ist". Darauf wiesen die Bieringer Gemeindevorsteher Samuel Neumann und Jacob Oppenheimer im Oktober 1832 in ihrer Beschwerde gegen die Zuteilung nach Berlichingen hin. Freilich hatten sie zunächst mit ihrer Argumentation keinen Erfolg, wobei offen bleibt, ob die Bieringer Juden in den folgenden Jahren tatsächlich die Gottesdienste in Berlichingen besuchten oder es vorzogen, in ihrem Betsaal eine "private Andacht" abzuhalten.  
    
Erst 1843 wurde von der israelitischen Oberkirchenbehörde gestattet, dass der Berlichinger Lehrer die Bieringer Kinder in Bieringen selbst unterrichtet. Die Synagoge sollte weiterhin in Berlichingen besucht werden. Dennoch war vermutlich im ganzen 19. Jahrhundert in Bieringen ein Betsaal ("Synagoge") vorhanden. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Baruch Stern in seinem Haus einen solchen zur Verfügung gestellt. 40 Jahre lang konnten die Bieringer Juden diesen privaten Betsaal unentgeltlich nützen. Baruch Stern war zu dieser Zeit hoch angesehen in Bieringen. Auch der damalige Ortspfarrer, Dekan Zierlen, unterhielt ein ausgesprochen freundschaftliches Verhältnis zu Stern (siehe Artikel oben).   
   
   
   
 
Fotos / Pläne / Darstellungen 

Fotos / Pläne /Darstellungen sind nicht bekannt, eventuelle Hinweise bitte an den 
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Links und Literatur  

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Schöntal  

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Bieringen 
In der Website des Landesarchivs Baden-Württemberg (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) sind die Personenstandsregister jüdischer Gemeinden in Württemberg, Baden und Hohenzollern einsehbar: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632     
Zu Bieringen sind vorhanden:    
J 386 Bü. 80 Bieringen Geburtsbuch von 1812 bis 1876   http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-440595    
J 386 Bü. 81 Bieringen Ehebuch von 1812 bis 1869     http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-440596   
J 386 Bü. 82 Bieringen Sterberegister 1812 bis 1873   http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-440597   
J 386 Bü. 83 Bieringen Familienbuch 1762 bis 1875    http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-440598        

Literatur:   

bulletArtikel zu Familie Baruch Stern in: Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs Jg. VI Nr. 6 vom 16.6.1929 S. 88-89.  
bulletArtikel zu Ludwig Lämmlein Stern in: Jüdisches Lexikon Bd. IV/2 Sp. 719.  
bulletPaul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. 1966. S. 49.  
bulletHauptstaatsarchiv Stuttgart Bestand E 201c Bü. 8, Fasz. 57-60.  
bulletJürgen Hermann Rauser: Ortsgeschichte Bieringen, in: Schöntaler Heimatbuch. 1982. S. 257 u.ö.  
bulletSimon Berlinger: Synagoge und Herrschaft: 400 Jahre jüdische Landgemeinde Berlichingen. Sigmaringendorf 1991.  
bulletNaftali Bar-Giora Bamberger: Die jüdischen Friedhöfe im Hohenlohekreis. 2002.    
bulletsynagogenbuch-1.jpg (32869 Byte)Joachim Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007.  

      
       

                   
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Stand: 30. Juni 2020