Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 

  
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zu den Synagogen in Baden-Württemberg  


Neckarsulm (Landkreis Heilbronn) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeine Berichte  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben 
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde 
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen     
bulletZur Geschichte des Betsaals / der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde     
   
In dem vom Ende des 15. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts dem Deutschen Orden gehörenden Neckarsulm bestand eine jüdische Gemeinde im Mittelalter, die durch die Judenverfolgungen 1298 und 1349 vernichtet wurde. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kamen nach der Ausweisung der Heilbronner Juden einige von ihnen nach Neckarsulm. Seitdem lebten vermutlich ununterbrochen bis zum 20. Jahrhundert Juden in der Stadt (vgl. Beitrag des Lehrers Moritz Kulb s.u.)
  
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in die Zeit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. 1625 lebten 45 jüdische Einwohner in der Stadt, 1639 waren es acht jüdische Familien, dazu kamen einige auswärtige Juden, die auf Grund des Krieges in die Stadt geflohen waren. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebten jeweils fünf bis acht jüdische Familien in der Stadt. 
  
Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde um 1752 mit 13 Familien (ca. 90 Personen) erreicht, danach ging die Zahl zurück (1802 sieben Familien). 
  
Im 19. Jahrhundert wurde die Höchstzahl um 1869 mit 54 Personen erreicht, danach ging die Zahl zurück: 1888 noch 20 jüdische Einwohner. 
  
1828 oder 1832
wurde Neckarsulm Filialgemeinde zu Kochendorf und gehörte zum Bezirksrabbinat Lehrersteinsfeld. Von Kochendorf kam der dortige Religionslehrer fortan regelmäßig zum Religionsunterricht nach Neckarsulm (siehe unten Ausschreibungen der Stelle). 1887 waren es zwei schulpflichtige jüdische Kinder, denen der Kochendorfer Lehrer wöchentlich zwei Stunden Religionsunterricht erteilte (siehe unten Ausschreibung 1887).  
  
Bereits im Oktober 1874 wurde auf Grund der schnellen Abwanderung der Juden insbesondere nach Heilbronn die Gemeinde aufgelöst. Seitdem gehörten die noch in Neckarsulm lebenden Juden der Kochendorfer Gemeinde an. 1898 waren dies noch 12 Personen in drei Haushaltungen. Nach der Auflösung der Kochendorfer Gemeinde 1925 gehörten die in den beiden Orten lebenden jüdischen Personen zur Heilbronner Gemeinde. 
 
Im Ersten Weltkrieg ist Richard Reinganum aus Neckarsulm 1918 in den Argonnen gefallen.
  
1933 wurden noch 17 jüdische Einwohner in der Stadt gezählt.    
 
Von den in Neckarsulm geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Amalie Bodenheimer (1875), Alice Harburger geb. Rheinganum (1906), Werner Römmele (1914).    
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
     
Allgemeine Berichte     

Zur Geschichte der Juden in Neckarsulm (Artikel von 1925)  

Artikel in der "Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 15. Januar 1925: "Geschichte der Juden zu Neckarsulm.
Die älteste Nennung eines Neckarsulmer Juden enthält die Märtyrerliste von Heilbronn. Am 19. Oktober 1298 (statt 1289!) wurde hier während der Verfolgung durch den Ritter Rindfleisch Rabbi Vives von Sulmen, seine Frau Meitin und seine gleichnamige Enkelin ermordet.
In der Stadt selbst fand ein grausiges Judenmorden im Jahre 1349 statt'. (Salfeld, Memorbuch in Quellen III. 254).
In einer besonderen Vertrauensstellung stand Sampson zu Sulm bei Graf Eberhard von Württemberg. Der Graf wandte sich am 26. Juni 1474 für ihn an den Heilbronner Rat, und Sampson (Samson) schrieb selbst zur Vertretung seiner Angelegenheiten einen noch erhaltenen interessanten Brief an den Rat am 25. Februar 1483 (Württembergische Geschichtsquellen V. 523, XV.117, 287 f). Dass er nicht der einzige Jude damals in Neckarsulm gewesen, beweist das Vorkommen eines Juden Jakob von Sulm (12. Oktober 1477, Württembergische Geschichtsquellen XV. 117).
Diese Juden waren Flüchtlinge aus Heilbronn. Ihnen teilte der Rat im Jahre 1483 einen Ratsbeschluss mit, dass fortan kein Heilbronner Bürger verpflichtet sei, einem Juden seine Schuld zurückzuzahlen. Sie sollten sich also danach richten (Carl Jäger, Geschichte von Heilbronn I. 260 f).   
Allerdings fanden die Juden in Neckarsulm in dem Deutschmeister Reinhard von Neipperg einen tatkräftigen Sachwalter (Württembergische Geschichtsquellen XX. 846).
Zwei besonders hervorragende Großkaufleute sind in dieser Zeit die Juden Hirsch und Michel gewesen. Hirsch wird in Prozessakten vom 23. September 1529 bis zum 6. August 1532 wiederholt, Michel nur am 24. Dezember 1529 und am 5. Januar 1530 genannt. Am 18. Mai 1530 hatte Kaiser Karl V. der 'Jüdischheit' alle ihre im Reich verliehenen Privilegien bestätigt. Diesen Anlass benutzten Michel und Hirsch sich am 26. Juli 1530 namens 'gemeiner jüdischheit' an den Heilbronner Rat zu wenden. Sie hatten durch einen kaiserlichen Boten dem Heilbronner Rat ihre von Kaiser Maximilian verliehenen und von Kaiser Karl bestätigten Privilegien verlesen lassen und in Abschrift zugesandt. Sie baten um schriftliche Antwort durch den Boten, ob der Rat diesen
kaiserlichen Mandaten Nachkommen werde lWürttembergische Geschichtsquellen XX. 397). Der Rat geriet durch dieses tatkräftige Vorgehen in große Verlegenheit. Am 28. Juli 1530 schrieb der Syndikus Doktor Jakob Ehinger aus Schwaigern an den Bürgermeister Hans Wysspronn, dass er es für richtig erachtete, wenn der Rat zur Vermeidung von Weiterungen den Neckarsulmer Juden sofort einen Tag ansetzte, an dem sie die Antwort des Rates empfangen sollten.
Statt einer Antwort legte der Rat Beschwerde beim Kaiser ein 'wegen unverschämt und gräulich Jüdischheit'. Auf dem Städtetag zu Donauwörth wurden von den betroffenen Städten gemeinsame Vorschriften gegen die Juden vereinbart, und schließlich erlangte Heilbronn am 4. Februar 1543 von Kaiser Ferdinand ein eigenes Privileg, das es von der Verpflichtung befreite, Juden aufzunehmen. Das Privileg wurde den Juden von Neckarsulm direkt bekannt gegeben (Carl Jäger, Heil-
bronn II. 155-160). Das war schon deshalb notwendig, weil der Rat von Heilbronn 1523 alle Juden aus dem Stadtgebiet und seinen Dörfern Neckargartach, Frankenbach und Böckingen ausgewiesen hatte, die sich eine neue Heimat in Neckarsulm suchten.
Im 18. Jahrhundert trieben die Neckarsulmer Juden zumeist Pferdehandel. Wenigstens beklagten sie sich bei der Deutschordensregierung, deren Schutz sie gegen ein jährliches Kopfgeld von zwölf Reichstalern genossen, darüber, dass sie beim Amtsritt die Pferde stellen mussten. 1742 erneuerte der Deutschmeister ihren Schutzbrief.
In dieser Zeit spielt der erbitterte Kampf der Brüder Abraham und Nathan Maron (auch Marum oder Maron Levi genannt) um die Erweiterung ihrer Rechte. Im Jahre 1750 setzte Abraham Maron Levi den seit Jahren erstrebten Erwerb eines größeren Anwesens durch. Ebenso hartnäckig war ihr Kampf, den Getreide- und Weinhandel an sich zu ziehen (1760-61). Ein Jahrzehnt später war der Kurbayerische Hoffaktor Moyses Mändle der angesehenste Jude der Stadt.
Als Neckarsulm an Württemberg kam, lebten dort noch elf jüdische Familien mit etwa vierzig Seelen. Ihre Zahl ist unablässig zurückgegangen, bis ihr Gotteshaus geschlossen werden musste.
Die Neckarsulmer Juden wurden in die Gemeinde Kochendorf eingemeindet, bis auch die dortige Lehrerstelle aufgehoben werden musste. Heute leben noch zehn Juden im Orte.
Ihre bescheidene Synagoge (Judenschule) in der Lammgasse, in der Nähe des Benediktinerklosters ist jetzt in eine Scheune (Besitzer Heinrich Krämer) umgewandelt. Auch das rituelle Frauenbad ist noch vorhanden. Der wertvollste Rest der einst so bedeutenden Gemeinde ist aber ihr Friedhof am Fuße der Westseite des Scheuerberges. Auf ihm ruhen neben den Neckarsulmern die Juden von Sontheim, Frankenbach, Böckingen, Neckargartach, Kochendorf und Oedheim. Er gehört neben dem Friedhof in Affaltrach zu den ältesten und ehrwürdigsten israelitischen Begräbnisstätten der Oberämter Heilbronn und Weinsberg."

    
Zur Geschichte der Juden in Neckarsulm (Beitrag von Oberlehrer Kulb in Öhringen von 1931)         

Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1. Juli 1931: "Zur Geschichte der Juden in Neckarsulm.  
Von Oberlehrer Kulb-Oehringen.
Die erste Erwähnung von Juden in Neckarsulm bietet die Märtyrerliste von Heilbronn. Am gleichen Tage, an welchem Hunderte unschuldiger Juden ihr Leben unter der Mordgier 'Rindfleischs' und seiner Horden in Heilbronn 1298 lassen mussten, fielen der fromme Rabbi Vives von Sulmen, seine Frau Meitin und seine gleichnamige Enkelin den Mördern zum Opfer. Nach Salfeld, Das Nürnberger Memorbuch Quellen III. 254. fand im Jahre 1349 wie in vielen Städten Deutschlands auch in Neckarsulm ein grausames Judengemetzel statt. Außer dem Juden Jakob von Sulm wohnte ein Jahrhundert später ein Jude Sampson in der Sulmstadt. welcher es verstand, sich in die Gunst des Grafen Eberhard von Württemberg zu setzen. Der Graf verwendete sich für Sampson am 26. Juni 1474 bei dem Heilbronner Rat, und Sampson schrieb selbst zur Vertretung seiner Angelegenheit einen noch erhaltenen interessanten Brief an den Rat am 25. Februar 1483. Diese wie die meisten der aus Heilbronn 1476 und später 1520-29 vertriebenen Juden haben sich nach Neckarsulm geflüchtet, und der Deutschorden nahm sie gegen Entrichtung bedeutender Aufnahmegelder und Bezahlung jährlicher Schutzgelder gern auf.
Der Heilbronner 'Rat' teilte den Flüchtlingen im Jahre 1485 einen Ratsbeschluss mit, dass fortan kein Heilbronner Bürger verpflichtet sei, einem Juden seine Schuld zurückzubezahlen: sie könnten sich danach richten (Carl Jäger, Geschichte von Heilbronn I, 260 ff). Die Juden von Neckarsulm ließen nichts unversucht, dagegen Einsprache zu erheben, und fanden in dem Deutsch­meister Reinhard von Neipperg einen tatkräftigen und gerechten Sachwalter.
In jener Zeit sind ganz besonders zwei hervorragende jüdische Großkaufleute, Hirsch und Michel, in den Vordergrund der jüdischen Gemeinde von Neckarsulm getreten. Hirsch wird in Prozessakten vom 25. September 1529 bis zum 6. August 1532 wiederholt. Michel nur am 24. Dezember 1529 und am 5. Januar 1530 genannt.
Am 18. Mai 1530 hatte Kaiser Karl V. der 'Jüdischheit' alle ihre im Reich verliehenen Privi-   
Neckarsulm GemZeitung Wue 01071931a.jpg (276367 Byte)legien bestätigt. Diesen Anlass benützten Michel und Hirsch, sich am 26. Juli 1530 namens 'gemeiner jüdischheit' an den Heilbronner Rat zu wenden. Sie hatten durch einen kaiserlichen Boten dem Heilbronner Rat ihre vom Kaiser Maximilian verliehenen und vom Kaiser Karl V. bestätigten Privilegien vorlesen lassen und in Abschrift zugesandt. Sie baten um schriftliche Antwort durch den Boten, ob der Rat diesen kaiserlichen Mandaten nachkommen werde. Der Rat geriet durch dieses tatkräftige Vorgehen in große Verlegenheit. Am 28. Juli 1530 schrieb der Syndikus Doktor Jakob Ehinger aus Schwaigern, dass er es für richtig erachtete, wenn der Rat zur Vermeidung von Weiterungen für die Neckarsulmer Juden sofort einen Tag ansetzte, an dem sie die Antwort des Rates empfangen sollten.
Statt einer Antwort legte der Rat Beschwerde beim Kaiser ein 'wegen unverschämt und gräulich Jüdischheit'.
Auf dem Städtetag zu Donauwörth wurden von den betreffenden Städten gemeinsame Vorschriften gegen die Juden vereinbart, und schließlich verlangte Heilbronn am 4. Februar 1543 vom Kaiser Ferdinand ein eigenes Privileg, das es von der Verpflichtung befreite. Juden aufzunehmen. Das Privileg wurde den Juden von Neckarsulm direkt bekannt gegeben (Carl Jäger, Heilbronn II, 155—160). Das war schon deshalb notwendig, weil der Rat von Heilbronn 1523 alle Juden aus dem Stadtgebiet und seinen Dörfern Neckargartach, Frankenbach und Böckingen ausgewiesen hatte, die sich eine neue Heimat in Neckarsulm suchten.
Im Jahre 1650 führten die Bürger Neckarsulms Klage über die vielen Juden in der Stadt bei der Regierung des Deutschordens. Ihr Antrag ging dahin: 'Die fremden (frisch zugezogenen) Juden sollen ausgewiesen werden, die berechtigten jeder sein eigenes Haus haben und nicht mehrere beisammen wohnen, das Land sei jetzt sicher genug, um auch dort wohnen zu können. Im Geschäftsverkehr soll jeder Handel genau schriftlich aufgesetzt, und es sollen bei Geldanleihen jederzeit auch die dazu gegebenen Waren spezifiziert werden."
Hatten die Bürger im Jahre 1650 Klage gegen die Juden geführt, so beschwerten sich hingegen anno 1690 die Juden darüber bei der Regierung gegen die Stadt, 'dass sie beim Amtsritt die Pferde stellen müssen'. Die Beschwerde ist insofern von einigem Interesse, als sie erkennen lässt, dass die Judenschaft wohl schon damals den Pferdehandel betrieben habe. -
Wenn Neckarsulm bzw. der hohe Deutschorden die aus Heilbronn ausgewiesenen Juden aufgenommen hat, so waren sie damit nichts weniger als Bürger oder Vollbürger der Stadt, sondern einfache Hintersaßen (accubae) und Schutzleute des Deutschmeisters, der ihnen, natürlich gegen Übernahme gewisser Verbindlichkeiten. Verpflichtungen und Einschränkungen, einen Schutzbrief ausgestellt hatte. Dahin gehörte, dass jeder Jude ein jährliches Schutzgeld von 12 Reichstalern an die Herrschaft zu entrichten hatte: eine für die damaligen Geldverhältnisse nicht unerhebliche Besteuerung. Den Juden war sodann von Anfang an, wie früher in allen Städten, ein besonderer Distrikt in der Stadt zur Bewohnung angewiesen, das so genannte Judenviertel - über das sie nicht hinausgreifen durften. Nur ausnahmsweise und nur mit hoher Genehmigung wurde ihnen gestattet, Häuser, die im Besitze von Christen waren, käuflich zu erwerben.
Die rührige Judenschaft, die anfangs, wie schon angedeutet, ziemlich zahlreich war, fühlte sich innerhalb dieser und anderer Einschränkungen gehemmt, was zur Folge hatte, dass gar manche bald anderwärts ein bessres Unterkommen suchten. Die Zurückgebliebenen aber vielfach über die ihnen lästigen Schranken hinausstrebten und es an Versuchen nicht fehlen ließen, sie zu durchbrechen, was öfters Einschreiten und wiederholte Gegenmaßregeln von Seiten der Deutschherrlichen Regierung und Obrigkeit veranlasste. Das tritt besonders in zahlreichen Regierungserlassen aus dem vorigen Jahrhundert deutlich zutage. Diese hatte ihnen zwar im Jahre 1742 den Schutzbrief erneuert und bestätigt, aber schon im Jahre 1745 hatte sie Anlass, durch Dekret den in- und ausländischen Juden zu verbieten, zu Geldvorschüssen noch Waren, Branntwein usw. abzugeben und den viel zu hoch angesetzten Preis zur Kapitalschuld zu schlagen. -
Ganz besonders war es ein israelitisches Brüderpaar, Abraham und Nathan Maron (auch Maron Levi genannt), die um die Mitte des 18. Jahrhunderts durch ihre Widerspenstigkeit gegen die alte Ordnung der Deutschordensbehörde und der Bürgerschaft viel zu schaffen machten, die mit großer Energie und. wie es scheint, mit allen Mitteln - einer derselben wird darum in einer städtischen Urkunde Maron der Falsche tituliert - Erweiterungen ihrer Rechte durchzusetzen suchten. Dabei handelte es sich in erster Linie um Häusererwerb (wahrscheinlich um beabsichtigten Häuserhandel) und den Betrieb des Weingeschäftes.
So wird durch Regierungserlass vom Jahre 1748 dem Neckarsulmer Schutzjuden Nathan Maron sein wiederholtes Gesuch, sein kleines Haus mit einem großen an der Hauptstraße und in der Nähe der Kirche vertauschen zu dürfen, abschlägig beschieden mit dein Vermerk: ''er solle in einer Nebengasse seine Wohnung haben'. Nach ihm trat sein Bruder Abraham mit dem gleichen Gesuch hervor und hatte das gleiche Schicksal erfahren. Doch das entmutigte die unverzagten Brüder nicht, sie wagten im Jahre 1749 ein neues Gesuch, wurden aber aufs Neue dahin beschieden : 'Amtmann Klamm in Stocksberg, dem das betreffende Haus gehörte, solle einen christlichen Käufer suchen, die Juden sollen es nicht bekommen'. Allein was geschah? Im Jahre 1750 hatte Abraham Maron seine Absicht dennoch durchgesetzt und das Haus erworben. Und nun ist er schon wieder im Zug, ein anderes - eine Gartenwegs-Behausung - an sich zu bringen: es wurde ihm jedoch abgeschlagen. Aber schon im Jahre 1758 wurde durch einen neuen Erlass dem Schutzjuden Abraham Maron Levi untersagt: 'neben seinen schon zwei besitzenden Christenhäusern, noch ein drittes, das Freudenberger'sche Haus, zu erwerben'.
Auch den Wein- und Getreidehandel im großen zu betreiben, schienen die Gebrüder Maron versucht zu haben. Ersteres wäre vielleicht für die Neckarsulmer damals, wo sie noch keinen Weinmarkt hatten, gar nicht so unvorteilhaft gewesen. Allein die Bürgerschaft schien eine Schädigung ihres Interesses darin erblickt zu haben: darum die obrigkeitliche Verfügung: 'Keine jüdische Haushaltung darf mehr als 5 Fuder Wein zum Koschern und Einlegen sich erwerben — die Gebrüder Nathan und Abraham Maron aber gar keinen - wegen ihrer respekt- und gehorsamwidrigen Art, weil sie ihren Bedarf gar nicht anzeigen wollen.'   
 
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. August 1931: "Zur Geschichte der Juden in Neckarsulm.
Von Oberlehrer Kulb - Öhringen.
Ebenso wurde auch im Jahre 1760 auf Klagen der Bürgerschaft den Juden das viele Aufkäufen und 'Koschern' von Most im Herbste verboten, im Jahre 1761 der Verkauf von Getreide ins Ausland untersagt, damit es nicht daheim verteuert werde.
Doch nicht nur gegen die Juden, sondern auch für dieselben, als ihre 'jüdischen Schutzleute", zugleich auch für ihre christlichen Untertanen, trat die hohe Deutschordens-Regierung mit ihren Erlassen ein. So verfügte ein solcher vom Jahre 1738, dass den vom Freiherrn v. Bauz in Oedheim aufgenommenen Judenfamilien aller Handelsverkehr mit den Ordensuntertanen - Juden wie Christen - unter Strafe der Vermögenskonfiszierung verboten, die Untertanen selbst im Falle des Zuwiderhandelns mit 5 fl. Strafe angesehen werden sollen. Und ein anderer vom Jahre 1739 gibt zu erkennen, dass die Kochendorfer Juden bei Strafe nicht an Sonn- und Feiertagen bei den Ordensuntertanen Geld einziehen dürfen, dass gegen Zuwiderhandelnde mit Arreststrafen vorgegangen werden, und dass dem Hebräer Jakob Mayer in Kochendorf bei Strafe verboten sein solle, mehr als 5 Prozent zu nehmen. Doch sind auch die Neckarsulmer Juden hinwiederum mit einbezogen, ja hauptsächlich gemeint, wenn ein Erlass vom Jahre 1752 verordnet, dass wegen Betrugs, Wuchers, Übervorteilung der Juden jeder Kontrakt, Handel usw. bei über 20 fl. Wert obrigkeitlich untersucht werden sollte: wo nicht, sollten die Juden ohne weiteres von den Gerichten abgewiesen werden.
Im allgemeinen scheinen die Juden während ihres 400jährigen Aufenthalts stets in gutem, friedlichen Einvernehmen mit der christlichen Bevölkerung gelebt zu haben, und weder die pfarrlichen noch die städtisch-bürgerlichen Akten wissen Ungünstiges über sie zu berichten. Ihre besonders anfänglich größere Anzahl erforderte eine Art von eigenem Gemeindeleben und von GemeindeInstitutionen. So hatte die jüdische Gemeinde in Neckarsulm bis etwa zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ihre eigene, freilich höchst bescheidene Synagoge. im Volksmund heute poch 'die Judenschul" genannt, die noch steht und nunmehr in eine Scheune umgewandelt ist (Eigentum des Landwirts Heinrich Krämer in der Nähe des Benediktinerklosters in der Lammgasse).
Die Innenwände zeigen heute noch in Quadratschrift geschriebene, zum Teil noch gut erhaltene hebräische Verse auf. Außer der Synagoge hatte die jüdische Gemeinde ihr eigenes rituelles Frauenbad und ihren eigenen Friedhof in Waldesnähe - am Fuße der Westseite (des Scheuerbergs. Er weist eine ansehnliche Zahl von alten, interessanten Grabsteinen auf. Man wird wohl in der Annahme nicht irre gehen, dass dieser Friedhof bald von den im Jahre 1529 aus Heil-      
Neckarsulm GemZeitung Wue 16081931a.jpg (100457 Byte)bronn ausgewiesenen und in Neckarsulm angesiedelten Juden angelegt wurde. Die Juden der damaligen Zeit wurden mit denen von Sontheim, Frankenbach. Böckingen und Neckargartach anfangs auf dem noch älteren Friedhof von Affaltrach und später auf dem Friedhof von Neckarsulm zur letzten Ruhe bestattet. Außer den genannten Ortschaften hatten auch die jüdischen Gemeinden Kochendorf und Oedheim ihre Toten in Neckarsulm beerdigt. Dank dem eingreifen des Oberrats ist der Zerfall dieses alten und idyllisch gelegenen Friedhofs durch Hebung der Grabsteine und Anbringung einer guten Einfriedigung verhütet.
Die Neckarsulmer Juden gehörten lange Zeit zum Rabbinat Kochendorf, später nach Lehrensteinsfeld. Im Laufe der Zeit ist die jüdische Gemeinde in Neckarsulm mehr und mehr zusammengeschmolzen. Am Anfänge des vorigen Jahrhunderts, als Neckarsulm unter Württembergs Szepter kam, umfasste die Judengemeinde nur noch elf Familien mit etwa 40 Seelen. Ihre Zahl ist in der Neuzeit noch mehr zurückgegangen: ihre Synagoge und Schule ist längst geschlossen und einer profanen Bestimmung überwiesen. Die Standesbücher führte vom Jahre 1805 an das katholische Stadtpfarramt, seit dem Jahre 1876 das neue Standesamt. Das Freizügigkeitsgesetz der Neuzeit hat die meisten Söhne der alten Familien in die Ferne und auf größere Plätze gezogen, wo sie blieben und zum Teil, wie die Rosenfeld in Zürich und Rheinganum in Göppingen, sich zu Großindustriellen emporgeschwungen hatten. Auch Heilbronn, das sie einst ausgetrieben, hat ihnen seine Tore wieder öffnen müssen. Heute zählt Neckarsulm vier jüdische Familien mit etwa 10 Seelen, die der jüdischen Gemeinde Heilbronn angegliedert sind." 

      
     
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1872 / 1876 / 1887 / 1891 für Kochendorf mit Neckarsulm (und Oedheim

Kochendorf Israelit 04121872.jpg (67334 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1872: "Religionslehrer- und Vorsänger-Gesuch. Die Gemeinde Kochendorf sucht per 1. Januar 1873 einen Religionslehrer und Vorsänger, welcher auch den Religionsunterricht in Oedheim und Neckarsulm wöchentlich 2 Mal mit je 2 Stunden zu erteilen hat. Gehalt 475 Gulden pro Jahr nebst freier Wohnung und Emolumenten. Qualifizierte, unverheiratete Bewerber wollen ihre Zeugnisse franko dem Unterzeichneten einsenden. 
Heilbronn am Neckar, 19. November 1872. Das Königlich Württembergisch Bezirks-Rabbiner: Dr. M. Engelbert."     
    
Kochendorf Israelit 14061876.jpg (64136 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juni 1876: "Die Religionslehrer- und Vorsängerstelle in Kochendorf, welche Mitte Juli dieses Jahres vakant wird, soll alsbald wieder besetzt werden. Der Gehalt für diese Stelle, mit welcher der Religionsunterricht in Oedheim und Neckarsulm verbunden ist, beträgt  8.0 (?) Mark pro Jahr nebst freier Wohnung und Emolumenten. Qualifizierte Bewerber wollen ihre Meldungen und Zeugnisse innerhalb 3 Wochen dem Unterzeichneten einsehen. 
Heilbronn am Neckar, 12. Juni 1876. Das Königliche Bezirksrabbiner. Dr. M. Engelbert."  
  
Kochendorf Israelit 13101887.jpg (70064 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Oktober 1887: "Die Religionslehrer- und Vorbeterstelle in Kochendorf (Bezirksrabbinat Heilbronn am Neckar) soll am 1. Januar 1888 anderweitig von einem ledigen Mann besetzt werden. Gehalt pro anno bei freier Wohnung Mark 560 und Mark 18 Holzentschädigung, sowie einen für den Religionsunterricht in Neckarsulm, 2 Kinder, wöchentlich 2 Stunden, aus der israelitischen Zentralkirchenkasse zu beziehenden Gehalte von Mark 85 jährlich, nebst Emolumenten. Qualifizierte Bewerber wollen ihre Meldungen nebst Zeugnissen dem Unterzeichneten bis zum 1. November dieses Jahres einsenden. 
Heilbronn. Dr. M. Engelbert, Bezirksrabbiner."    
    
Kochendorf Israelit 10081891.jpg (49683 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. August 1891: "Kochendorf. Die Stelle als Religionslehrer und Vorbeter in hiesiger Gemeinde ist per sofort oder längstens innerhalb drei Monaten zu besetzen. 
Jährliches Einkommen, bei freier Wohnung, Mark 560, Holzgeldentschädigung Mark 18, für die Filiale Neckarsulm Mark 85 und nicht unbedeutende Nebenverdienste. 
Ledige, seminaristisch gebildete Lehrer wollen sich melden und Zeugnisse beifügen. 
Kochendorf bei Heilbronn, 9. August 1891. Vorsteheramt: Levi."  

   
   
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben    
Rabbi Sekel Wormser aus Michelstadt hilft der Gemeinde Neckarsulm um 1830 in einer Notlage (1931)          

Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. September 1931: 
"Der Rabbi als Arzt. Von Oberlehrer Kulb, Öhringen. 
Es dürften etwa hundert Jahre her sein, als der in weiten Kreisen und über seine engere Heimat hinaus berühmte Rabbi Sekel Wormser seligen Angedenkens - genannt Baal Schem von Michelstadt - geehrt und geachtet und in hohem Ansehen stehend, segensreich wirkte. Nicht nur in religiösen Fragen wandte man sich an den gelehrten und frommen Mann, sondern auch in Dingen, deren Beurteilung man von Ärzten erhoffte. So geschah es, dass in der Gemeinde Neckarsulm die Knaben - und es waren deren mehrere - nacheinander in den besten Kindesjahren vom Tode hinweggerafft wurden, während die Mädchen am Leben blieben. Man wusste lange Zeit keinen Rat, um so mehr die befragten Ärzte vor einem Rätsel standen. In ihrer Not wandte sich eine Familie an den berühmten Rabbi in Michelstadt im Odenwald mit der Frage, was zu tun sei, um ein inzwischen geborenes Knäblein am Leben zu erhalten. 
Man bat nicht vergebens: die Antwort des großen Rabbi lautete, dass man den Knaben bis zu seiner Barmizwah nur in weiße Gewänder kleiden solle. Die Eltern freuten sich über den Bescheid, befolgten den Rat des weisen Rabbi und waren ihrem Gotte und dem gelehrten Manne überaus dankbar. 
Der Knabe wuchs zur Freude seiner Eltern zum Manne heran. Er übte als wahrer Menschenfreund viel Gutes und segnete nach Beendigung des Weltkrieges, geachtet und geehrt als langjähriger Vorsteher, das Zeitliche. Sein Name - Julius Reinganum - lebt in der Geschichte Göppingens in ehrendem Andenken weiter."              

  
 
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde 
Über der Lehrer und Vorsänger Aaron Hilberth (geb. 1815 in Neckarsulm, gest. 1864 in Niederstetten) finden sich ausführliche Informationen in der Seite zu Niederstetten.
 
  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Lehrlingssuche des Kaufhauses Stern (1912) 

Neckarsulm FrfIsrFambl 26041912.jpg (50649 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. April 1912: "Lehrling 
gesucht bei freier Station. Sohn achtbarer Eltern. Selbstgeschriebene Offerten an 
Kaufhaus Stern 
Neckarsulm
."   

     
Verlobungs- und Heiratsanzeigen von Stefan Strauss (Neckarsulm/Heilbronn) und Gretel Nussbaum (Köln) (1935)        

Anzeige in der "Gemeinde-Zeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. Februar 1935: 
"Gretel Nußbaum - Stefan Strauss 
 
Verlobte   
Köln Spichernstraße 57  -  Neckarsulm / Heilbronn".       
 
Anzeige in der "Gemeinde-Zeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. März 1935:  
"Stefan Strauss - Gretel Strauss geb. Nussbaum   
Vermählte.  
Neckarsulm / Heilbronn   24. März 18935  Hochzeit in Köln Spichernstraße 57".       

    
    
  
  
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge   
   
Die ehemalige "Judengasse" (parallel zu einem Teil der Marktstraße und zu einem Teil der Kolpingstraße; gegenüber der Pfarrkirche St. Dionysius) könnte Hinweis auf ein mittelalterliches Wohngebiet sein. Durch die Bebauung nach 1945 ist diese Judengasse aus dem Stadtbild völlig verschwunden. 
     
Seit dem 17. Jahrhundert konzentrierte sich das jüdische Wohngebiet auf den östlichen Teil der Rathausstraße bis zur Neutorgasse. Hier wurde auch ein Betsaal beziehungsweise eine Synagoge eingerichtet. Eine erste Nennung stammt aus dem Jahr 1625. Der wegen den Kriegsunruhen von Erlenbach nach Neckarsulm gezogene Jude Hirtz hatte in Neckarsulm ein Haus gekauft, worin eine Synagoge eingerichtet werden konnte ("darin sie ihre Synagog erbaut"). 1639 starb Hirtz. In diesem Jahr wird in Neckarsulm Aaron, Männlins Sohn genannt, der in dem damals erstellten Judenverzeichnis als "einfältiger Rabbiner" bezeichnet wird.  
       
Mehrfach wird in den 1690er-Jahren der Betsaal genannt, vermutlich noch derselbe wie ein halbes Jahrhundert zuvor in einem Gebäude am Ende der Rathausgasse unweit des Amorbacher Hofes. Da ein Teil der jüdischen Familien verstreut in der Stadt lebte, stellte sich für den damaligen deutschordischen Amtmann das Problem, dass beispielsweise "Benedict der Rabbi" über den Markt und durch mehrere Gassen zur Synagoge gehen musste. Der Amtmann überlegte, ob die Juden der Stadt "nicht näher zusammengezogen" werden könnten. Mit welchem Erfolg, wird nicht berichtet.
      
1736 wurde ein Vertrag der Judenschaft mit der Stadt Neckarsulm abgeschlossen "das Haus der Judenschaft betreffend". Gemeint war damit das Gebäude der "Judenschul" oder die "sogenannte Männer- und Weiber-Synagoge in der Rathausgassen". Die Judenschaft hatte das Haus für 300 Gulden gekauft, wobei es sich um die alte Synagoge handelte, die vermutlich nun aus privatem Besitz in das Eigentum der Gemeinde überging. Nach dem mit der Stadt ausgehandelten Vertrag sollten alle Anlieger freien Aus- und Eingang zu dem Grundstück haben. Bei dem Gebäude handelte es sich nach der damaligen Zählung um das Gebäude Nr. 205a an der Rathausgasse.
   
Nachdem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Zahl der jüdischen Einwohner schnell zurück ging und die Gemeinde 1874 aufgelöst wurde, wurde auch die Synagoge geschlossen. Letztmals hatte man 1852 an dem Gebäude eine bauliche Veränderung vorgenommen, wobei für die Besucher "eine besondere Tür angebracht" wurde. 1861 wird berichtet, dass die Neckarsulmer Juden die Synagoge in Kochendorf besuchten. Möglicherweise wurde damals nur noch an Festtagen Gottesdienst in der Neckarsulmer Synagoge gefeiert. 
    
Über die Auflösung der Gemeinde und den anstehenden Verkauf von Synagoge und Synagogeninventar berichtet die Zeitschrift "Der Israelit" am 24. März 1875: 

"Neckarsulm. Unsere israelitische Gemeinde, vor Jahrhunderten zahlreich und wohlausgestattet, seit 1828 ein Filial der israelitischen Gemeinde in Kochendorf, hat sich, herabgesunken auf etliche Mitglieder, nun völlig aufgelöst. Unser Kirchengut, bestehend aus dem Synagogengebäude, Torarollen, wertvollen Vorhängen, silbernem Toraschmuck, Leuchtern und dergleichen wird nach dem Erkenntnis der Königlichen Oberkirchenbehörde meistbietend verkauft(!) und der Erlös zunächst der Zentralkirchenkasse zugewiesen, aus welcher der Betrag seiner Zeit zu Gunsten israelitischer Gemeinden verwendet wird*. Es ist dies vielleicht der erste Fall, dass in unserem Lande in solcher Weise über das Gemeindevermögen verfügt wird, und diese Verfügung gibt ein Präjudiz für künftige Fälle der Auflösung jüdischer Gemeinden infolge ihrer Entvölkerung und der Übersiedelung in andere Orte. Bei der jetzigen starken Wanderung der Israeliten vom Lande in die Städte dürfte das Eingehen der Landgemeinden bald öfters vorkommen und den Grundstock vermehren, aus welchem bedürftigen Gemeinden Subsidien zugewendet werden können." 
* Anmerkung der Redaktion: Es wäre uns lieb, wenn der geehrte Korrespondent den Wortlaut jenes 'Erkenntnisses' einsenden möchte. So, wie es in Vorstehendem mitgeteilt wurde, ist es mit den Vorschriften unserer heiligen Religion (Schulchan Aruch, Orach-Chajim, C. 153) nicht übereinstimmend."

Die Versteigerung des Synagogeninventars am 16. Mai 1875 auf dem Rathaus in Heilbronn erbrachte den Betrag von 335 Gulden.  

Neckarsulm Israelit 12051875.jpg (61350 Byte)Anzeige in der Zeitschrift der Israelit vom 12. Mai 1875: "Heilbronn. Versteigerung. Von dem Kirchengut der Israeliten in Neckarsulm werden in höherem Auftrag am Mittwoch den 16. Mai 1875, vormittags 9 Uhr, auf dem Rathause in Heilbronn, Zimmer Nr. 19, folgende Gegenstände gegen bare Bezahlung im Aufstreich verkauft:
Mehrere auf Pergament geschriebene, gut erhaltene Gesetzrollen (Siphre Tora und Megilla). 1 prächtiger, reichlich goldgestickter Vorhand mit silbernen Glocken (Paroches), 1 dto. und gewöhnliche Vorhänge, 4 Stück goldgestickte Tora-Mäntelchen. Weiße Vorhänge, Mäntelchen, Decken, Sargenes etc. 1 Stock silbernes Taß (Toraschmuck) nebst 2 Handdeuter (Jad), zusammen über 3 Pfund schwer. Wand-, Kron-, Arm-, Hänge- und Chanukka-Leuchter und 1 Handfass von Messing. Ferner: Bücher, Schofroth von Widderhorn und andere Utensilien. Viele dieser Gegenstände sind noch zur Ausstattung von Synagogen geeignet.
Israelitisches Kirchenvorsteheramt. A. A. Löwenstein, Vors."

Auch das Synagogengebäude wurde verkauft und spätestens um 1900 in eine Scheune umgebaut, die am 1. März 1945 kriegszerstört wurde. Noch um 1930 waren an den Innenwänden der ehemaligen Synagoge in Quadratschrift geschriebene, zum Teil gut erhaltene hebräische Inschriften zu sehen.  
    
    
    

Fotos 
Historische Fotos: 

Historische Fotos finden sich in der Publikation von Ansbert Baummann, siehe Literatur 

Plan: 

Neckarsulm Plan 01.jpg (130338 Byte)  Neckarsulm Plan 02.jpg (144320 Byte) 
Flurkarten-Ausschnitt: Neckarsulm 1892; 
links eingetragen die ehemalige "Judengasse";
 rechts unten die ehemalige Synagoge 
Nr. 205 und das Badhaus 205a
Karte: Neckarsulm 1834 nach dem Plan der 
ersten württembergischen Landesvermessung 
mit eingetragener "Judengasse" und 
der ehemaligen Synagoge

  
Fotos nach 1945/Gegenwart:  

   Fotos sind keine vorhanden   
        

   
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 

April 2012: In Neckarsulm wurde ein "Stolperstein" verlegt   
Artikel von Helmut Buchholz in der "Heilbronner Stimme" vom 17. April 2012: "Stolperstein-Verlegung in Heilbronn und Neckarsulm..."  
Link zum Artikel      
Weiterer Artikel in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 23. April 2012: "Schüler setzen Zeichen gegen das Vergessen. 'Stolperstein' zum Gedenken an Amalie Bodenheimer aus Neckarsulm verlegt..."  
Link zum Artikel (eingestellt als pdf-Datei)  
Anmerkung: der Gedenkstein für Amalie Bodenheimer (1875-1942) wurde in der Wilhelmstraße 14 verlegt.     
 

    
     

Links und Literatur

Links: 

bulletWebsite der Stadt Neckarsulm 
bulletSeite zum jüdischen Friedhof in Neckarsulm (interner Link)  
bulletSeite zur jüdischen Geschichte in Neckarsulm bei leo-bw: https://www.leo-bw.de/themenmodul/juedisches-leben-im-suedwesten/orte/wurttemberg/neckarsulm     

Literatur:

bulletGermania Judaica II,2 S. 571-572.
bulletPaul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. 1966. S. 132-143.
bulletWolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. 1986. S. 165-176.
bulletLothar Hantsch: Von den Juden in Neckarsulm, in: Historische Blätter des Heimatvereins Neckarsulm. Sept./Okt. 1985.
bulletAnsbert Baumann: "...das wir sie nie so lang gehalten hetten". Die Vertreibung der Heilbronner Juden im 15. Jahrhundert und ihre Niederlassung in Neckarsulm. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden. 16 Jg., Heft 2. 2006. S. 439-460. 
bulletAnsbert Baumann: Die Neckarsulmer Juden. eine Minderheit im geschichtlichen Wandel 1298-1945. Thorbecke-Verlag. Ostfildern 2008. ISBN 978-3-7994-0819-1.    

     
      

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge 

               

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 06. Oktober 2024