In Memmingen bestand eine jüdische Gemeinde zunächst im Mittelalter,
deren Entstehung vermutlich in das 13. Jahrhundert zurückgeht. Juden erscheinen
in Urkunden vor allem als Geldverleiher. 1310 wird ein ein Jude namens Michael
aus Memmingen in Augsburg genannt. Es kam zur Bildung einer jüdischen Gemeinde
mit eigenen Einrichtungen (1344 wird über einen Streit um den jüdischen
Friedhof berichtet). Im November 1348 wurden die Juden der Stadt ermordet
und verbrannt. Am 20. Juni 1349 verzieh Karl IV. der Stadt den Mord an den Juden
und den Raub ihres Besitzes. 1373 lebten wieder einige Juden in der
Stadt, die vom Kaiser auf sechs Jahre dem Schutz der Reichsstadt übergeben
wurden. 1429 leisteten zwei Juden zu Memmingen Bürgschaft für sechs in
Ravensburg gefangene Juden. Dies ist zugleich die letzte Nachricht über eine jüdische
Ansässigkeit im 15. Jahrhundert. Über eine Vertreibung der Juden ist nichts
bekannt.
Im 16. Jahrhundert ist die Existenz von jüdischen Personen in Dörfern
der Umgebung von Memmingen nachzuweisen: unter anderem in Osterberg
(1524/1574), Grönenbach (1529/1556), Thannhausen,
Amendingen (1529/1580), Schwaighausen (1530/1564), Heimertingen (1550/1574) und
Angelberg (1538/1586). zu den Quellen vgl. außer den im Staatsarchiv Augsburg vorhandenen Urkunden
vor allem auch die Sammlung "Quellen zur Geschichte der Juden bis zum Jahr
1600 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Staatsarchiv Ludwigsburg. Bearbeitet
von Wilfried Braunn 1982. HStA Stuttgart. Thematische Repertorien Band 1.
Erst im 19. Jahrhundert konnten sich Juden wieder in der Stadt
niederlassen. Ab 1862 erfolgte der Zuzug vor allem aus oberschwäbischen
Landgemeinden (insbesondere Fellheim,
Osterberg
usw.). Eine neue Gemeinde konnte 1875 begründet werden. In den folgenden
Jahrzehnten leisteten die jüdischen Einwohner wichtige Beiträge für die
wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Sie gründeten in Memmingen und Umgebung
verschiedene Fabriken für die Herstellung von Strickwaren, Aluminium und Käse,
ferner größere und kleinere Textil- und Schuhgeschäfte. Der Pferde- und
Viehhandel lag fast ausschließlich in jüdischen Händen.
Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde 1895 mit 231 Personen
erreicht; 1910 wurden noch 178 jüdische Einwohner gezählt (1925: 170, d.h.
etwa 1,3 % von etwa 13.700 Einwohnern).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge, eine jüdische Schule, ein
rituelles Bad sowie ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. unten die
Ausschreibungen der Stelle). Die jüdische Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat
Augsburg.
Zur Gemeinde gehörten auch die in Fellheim
(nach Auflösung der dortigen Gemeinde), Mindelheim und Bad Wörishofen lebenden
Juden. An jüdischen Vereinen bestanden insbesondere der Israelitische
Frauenverein (gegründet 1875), der Israelitische Männerverein Chevra
Kadischa (gegründet 1911) und die Unterstützungskasse für
durchreisende jüdische Arme. Zudem bestand eine Israelitische Wohltätigkeitsstiftung.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Hugo Freudenthal
(geb. 26.11.1885 in Theilheim,
gef. 22.8.1917), Jakob Guggenheimer (geb. 1.8.1884 in Memmingen, gef.
27.9.1918), Jakob Gutmann (geb. 19.6.1885 in Groß-Rohrheim,
gef. 28.10.1917), Jakob Sommer (geb. 6.2.1883 in Memmingen, gef. 22. November
1916). Anmerkung: im Gedenkbuch des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten wird nur
Hugo Freudenthal der Gemeinde Memmingen zugeordnet, die drei anderen Gefallenen
werden fälschlich der jüdischen Gemeinde Memmelsdorf
zugeschrieben (Hinweis von Jakob Vogel, Sontheim vom 7.6.2017).
Um 1925 gehörten dem Vorstand der jüdischen Gemeinde an: Karl
Gerstle, Benno Rosenbaum, Moritz Bacharach, David Heilbronner, Oskar Neumann,
Bernhard Seligmann und David Sommer. Als Lehrer, Kantor und Schochet war Ahron
Rosenblatt angestellt (gestorben 1930, siehe Artikel unten). Er erteilte damals
20 Kindern Religionsunterricht (im Schuljahr 1932/33: 27 Kinder). 1932
war 1. Vorsitzender der Gemeinde Benno Rosenbaum, Schriftführer, Lehrer und
Kantor war - als Nachfolger von Ahron Rosenblatt seit 1930 - Emil Liffgens.
1933 lebten noch 161 Juden in der Stadt. Mit der nationalsozialistischen
Machtübernahme in diesem Jahr änderten sich auch in Memmingen sofort die
Lebensbedingungen der jüdischen Einwohner. Der Wirtschaftsboykott wurde
besonders heftig durchgeführt. 1936 durften jüdische Viehhändler das städtische
Schlachthaus nicht mehr betreten. Infolge des Boykotts verarmten die jüdischen
Familien sehr schnell und begannen, ihre Häuser und Geschäfte zu verkaufen.
Von den 1933 in Memmingen wohnhaften jüdischen Einwohner sind bis zum Beginn
der Deportationen 37 Personen in andere Städte verzogen, 67 ausgewandert. Seit
1940 wurden die jüdischen Einwohner zunehmend gettoisiert. Im Sommer 1940
mussten die ca. 60 Gemeindeglieder äußert beengt in fünf Häusern wohnen.
1941 wurden die letzten 40 Gemeindeglieder in ein einziges Haus mit zwei
Wohnungen eingewiesen. Vom 30. Januar bis 13. März 1942 wurden 25 Juden aus
Memmingen nach Fellheim
eingewiesen und schließlich von dort deportiert und in den Vernichtungslagern
des Ostens ermordet.
Von den in Memmingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Alma Adler geb. Rosenbaum
(1883), Albert Bacharach (1879), Cäcilie Bacharach geb. Mayer (1882), Eva
Elisabeth Bacharach geb. Adler (1892), Gustav Bacharach (1886), Lisa Bacharach
geb. Bacharach (1914), Lisi Bacharach geb. Adler (1892), Hedwig Bähr (1891),
Arthur Danziger (1891), Bruno J. David (1920), Emilie David geb. Selinger
(1890), Josef David (1920), Samuel David (1883), Bettina Einstein (1897), Gerta
(Gretel) Einstein geb. Enslein (1890), Jakob Einstein (1880), Louis Einstein
(1876), Paula Einstein (1880), Selma Einstein geb. Gerstle (1887), Martha Frank
geb. Bähr (1892), Bernhard Frankenthaler (1873), Lina Frankenthaler geb.
Lichtenauer (1878), Bernhard Freimann (1901), Hans Jakob Freimann (1931), Lissa
Salina Freimann geb. Guggenheimer (1907), Stella Freund geb. Politzer (1907),
Pauline Freundlich geb. Heilbronner (1873), Eugen Gerstle (1875), Bettina
Graumann geb. Einstein (1872), Frieda Günzburger geb. Heilbronner (1860), Josef
Günzburger (1883), Rosalie Günzburger geb. Heilbronner (1893), Alfred
Guggenheimer (1877), Arthur Guggenheimer (1889), Cornelia (Nelly) Regina
Guggenheimer geb. Metzger (1891), Johanna Guggenheimer geb. Kaphan (1895),
Julius Guggenheimer (1885), Karl Guggenheimer (1884), Ursula Elisabeth
Guggenheimer (1922), Ida Gutmann geb. Gutmann (1873), Julius Gutmann (1873),
Pauline Gutmann (1882), Betty Heilbronner geb. Pressburger (1850), Erwin Salomon
Heilbronner (1894), Heinrich Heilbronner (1896), Ida Heilbronner (1878), Ludwig
Heilbronner (1874), Moritz Heilbronner (1861), Louise Heim geb. Guggenheimer
(1889), Rosalie Heimann geb. Kahn (1881, "Stolperstein" in
Wertheim, Eduard, Uihleinstr. 7), Anna Herz geb. Günzburger (1881),
Jakob Jacobs (1869), Clara Katz geb. Laupheimer (1875), Martha Katzenstein geb.
Bacharach (1920), Max Kirschbaum (1871), Antonie Kohn (1889), Hedwig Kohn
(1885), Julius Kohn (1880), David Laupheimer (1881), Jeanette (Jenny) Laupheimer
geb. Strauss (1894), Julius Laupheimer (1885), Mathilde Laupheimer geb. Strauß
(1890), Salo Laupheimer (1882), Fritz Lion (1915), Karl Lion (1913), Wilhelm
Lion (1909), Sara Nathan geb. Schwabacher (1880), Ida Neuburger (1890),
Max Neuburger (1893), Otto Nussbaum (1906), Rosalie Oppenheimer geb. Forst
(1873), Sofie Osswald geb. Goldstein (1874), Hulda Reiß geb. Guggenheimer
(1894), Rosa Schulmann geb. Günzburger (1879), Fritz Schwabacher (1913), Hedwig
Silberberg geb. Rosenbaum (1871), David Sommer (1880), Flora Sommer geb. Lemle
(1891), Nathan Sommer (1886), Bettina Späth geb. Eppstein (1877), Gabriel
Steiner (1897), Max Strauß (1873), Bernhard Strupp (1888), Erna Sussmann geb.
Schnaier (1884), Bertha Weil geb. Rosenbaum (1880), Helene Wild geb.
Guggenheimer (1879), Jetta Wolf geb. Gerstle (1894), Ten Wolf geb. Hausmann
(1894).
Zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit wurden seit 2014 in mehrfachen Aktionen "Stolpersteine"
in Memmingen verlegt; weitere Informationen siehe https://www.stolpersteine-mm.de.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges lebten in Memmingen und Umgebung für einige
Jahre neben vier einheimischen jüdischen Überlebenden etwa 100 jüdische
"Displaced Persons". Zu den jüdischen Überlebenden gehörte der
Memminger Lehrer Norbert Jacobs, der mit seinen beiden am 10. Juli 1938 in
Memmingen geborenen Söhnen Gerald und Ralph den Holocaust überlebt hatte und
Ende 1945 im Haus Nr. 79 in Fellheim
lebte. Vgl. auch Beitrag von Jim G. Tobias: "Jüdisches
Leben in Memmingen nach 1945" über eine Seite bei hagalil.com.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Januar 1867:
"Die hiesige Gemeinde sucht einen Religionslehrer, der zugleich die
Funktionen eines Vorbeters und Schächters versehen kann, sofort zu
engagieren. Fixer Gehalt 300 Gulden nebst freier Wohnung. Unverheiratete
Bewerber belieben sich zu wenden an W. Rosenbaum, Koscher Käs-Handlung. Memmingen in Bayern, im Januar
1867."
Anmerkung: 1867-1868 war S. Königshöfer
als Schochet und Religionslehrer tätig, danach wechselte er nach
Frankfurt am Main, siehe Bericht unten.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Januar 1868: "Lehrer-Stelle
vakant. Durch Berufung des Religionslehrers hiesiger Gemeinde nach
Frankfurt am Main wird die Stelle vakant. – Gehalt 300 Gulden nebst
freier Wohnung und Nebenverdiensten. Bewerber, welche gleichzeitig die
Funktionen eines Schächters und Vorbeters versehen können, wollen sich
in frankierten Zuschriften wenden an W. Rosenbaum. Memmingen, im Januar
1868."
Dieselbe
Anzeige erschien auch in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Januar 1868.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juni 1869: "Vakanz.
In hiesiger Gemeinde ist die Stelle eines Religionslehrers – welcher
gleichzeitig die Funktionen als Chasan (Vorbeter) und Schochet zu versehen
hat – wieder zu besetzen. Fixer Gehalt 300 Gulden nebst freie Wohnung.
Reflektanten belieben unter frankierter Einsendung ihrer Zeugnisse sich zu
wenden an L. Ullmann in Memmingen (Bayern)."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Februar 1870: "Die
hiesige israelitische Gemeinde sucht bis 1. April dieses Jahres einen
Religionslehrer, der auch die Funktionen als Chasan (Vorbeter) und
Schochet zu versehen hat, zu engagieren.
Jahresgehalt Gulden 350 nebst
freier Wohnung, außerdem noch das Einkommen der Schechita. Bewerber
wollen sich in frankierten Zuschriften unter Beifügung ihrer Zeugnisse
wenden an S. Ullmann Memmingen (Bayern), im Januar 1870."
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. November 1871:
"In hiesiger Gemeinde ist die Stelle eines Religionslehrers – der
zugleich die Funktionen als Chasan (Vorbeter) und Schochet zu versehen hat
– zu besetzen.
Fixer Gehalt 350 Gulden nebst freier Wohnung und
Beheizung, sowie die Erträgnisse der Schechita, wofür 50 Gulden
garantiert werden.
Ledige Bewerber wollen sich unser Einsendung ihrer
Zeugnisse wenden an J. Guggenheimer jr. Kaufmann.
Memmingen in
Bayern, den 13. November 1871."
Anzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. November 1928:
"Israelitische Kultusgemeinde Memmingen (Bayern). Infolge
Pensionierung unseres verdienten, seit mehr als 32 Jahre dahier
befindlichen Kultusbeamten sehen wir uns genötigt, die Stelle des
Religionslehrers, Kantors und Schochet alsbald neu zu besetzen.
Reichsdeutsche Herren mit seminaristischer oder akademischer Bildung und
entsprechender Praxis wollen ihre Bewerbung mit Lebenslauf und
Zeugnisabschriften bis längstens 23. November dieses Jahres an den
unterzeichneten Gemeindevorstand richten.
Die Anstellung erfolgt nach dem
Beamtenrecht des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden.
Die
Gemeindeverwaltung: K. Gerstle Vorstand."
Dieselbe
Anzeige erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15.
November 1928.
40-jähriges Dienstjubiläum von S. Königshöfer als Schochet (1904, 1867-1868
Schochet und Religionslehrer in Memmingen)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1904: "Frankfurt
am Main. 15. Schewat (= 1. Februar 1804). Heute sind es 40 Jahre, dass
Herr S. Königshöfer hier als Schochet tätig ist. Derselbe wurde am 1.
Februar 1864 von der Gemeinde Sulzbürg
(bayerische Oberpfalz) als Schochet engagiert. nach drei Jahren gab er
diese Stelle auf und bekleidete provisorische Stellen. In Memmingen
war er Schochet und erteilte auch den Religionsunterricht mit solchem
Erfolg, dass der Vorstand mit Hilfe der königlichen Regierung von Schwaben-Neuburg
bewirkt hatte, dass er zur Seminar-Austritts-Prüfung des nächsten
Sommers in Lauingen zugelassen wurde. Kurze Zeit nachher war die zweite
Schochet-Stelle der hiesigen Religionsgesellschaft vakant und meldete sich
Könighöfer, gestützt auf drei Kabbalot (hier: rabbinische
Gutachten) der Kapazitäten Bamberger - Würzburg, Weiskopf - Wallerstein
und Wißmann - Schwabach. Der Erfolg
war, dass Königshöfer von mehr als 50 Bewerbern per 1. März 1868 als
Schochet engagiert wurde. Die Gemeinde ließ einen vereinbarten Vertrag
auf drei Jahren sehr ungern fallen. J.E."
Unstimmigkeiten zwischen Lehrer Isaac Moses in
Memmingen und Rabbiner Seligsberger in Fellheim
zu Fragen der Kaschrut (1869) Hinweis: die vermutlich nur für Spezialisten interessanten Anzeigen werden
ausgeschrieben - bei Interesse bitte Textabbildungen
anklicken
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. April 1869: "Aufforderung!..."
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 5. Mai 1869: "Abfertigung!..."
Suchanzeige nach Lehrer Lublin (1872)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1872: "Indem sich
Herr A. Lublin, Religionslehrer und Musikdirektor früher in
Memmingen, trotz unserer Annonce in Nr. 29 dieses Blattes nicht gemeldet,
so wird er hiermit wiederholt ersucht, seinen dermaligen Aufenthaltsort
dem Unterzeichneten binnen 14 Tagen bekannt zu geben. Memmingen, 14.
August 1872. J. Guggenheimer jr., Kultusvorstand."
Anzeige des
Lehrers Ahron Rosenblatt in der Zeitschrift "Der Israelit", 12. Mai
1898
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1898: "Memmingen –
Allgäu. Der Unterzeichnete, Religionslehrer an den hiesigen anerkannt
guten Mittelschulen, ist bereit, Knaben, welche dieselben besuchen wollen,
zu mäßigem Preis in Kost und Logis zu nehmen. Gewissenhafte
Beaufsichtigung und Nachhilfe. Referenz: Ihre Ehrwürden die Herren
Distrikts-Rabbiner Dr. Cohn – Ichenhausen und Dr. Cohn –
Ansbach. A.
Rosenblatt, Lehrer."
Zum Tod der Ehefrau von Lehrer
Rosenblatt (1921)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Januar 1921: "Altenstadt,
31. Dezember (1921). Frau Helene Rosenblatt, Gattin des Herrn Lehrers
Rosenblatt in Memmingen, wurde nach einem langen und schweren
Krankenlager, ihrem Gatten, ihren Kindern, ihren Geschwistern und
sonstigen Verwandten entrissen. Mit ihr ist eine treue Beraterin und
Gehilfin ihres Mannes und die gewissenhafte stets besorgte Erzieherin
ihrer Kinder dahingegangen. Ihr emsiges und von wahrer Frömmigkeit und
echter Gottesfurcht erfülltes Wirken gestaltete ihr Heim zu einem kleinen
Heiligtum auf Erden. Tief bewegt hielt Herr Distriktsrabbiner Dr. Cohn aus
Ichenhausen, als Onkel der Verstorbenen, eine von Herzen zu Herzen gehende
Grabpredigt, auf welche noch eine kurze Ansprache des Herrn Rabbiners Dr.
Heilbrunn aus Nürnberg, eines Vetters der Entschlafenen, folgte. Ihre
Seele sein eingebunden in den Bund des Lebens."
Lehrer Ahron Rosenblatt tritt in
den Ruhestand (1929)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Januar
1929: "Memmingen. Nach mehr als vierzigjähriger Dienstzeit, von der er
volle 32 Jahre in der hiesigen Gemeinde tätig war, scheidet infolge
geschwächter Gesundheit Herr Lehrer A. Rosenblatt aus dem Amte, um sich
in den wohl verdienten Ruhestand zurückzuziehen. Es fällt der Gemeinde
sehr schwer, den bewährten Mann aus dem Amte scheiden zu sehen, das er
all die langen Jahre in vorbildlicher Gewissenhaftigkeit, in Schule und
Gotteshaus versah. Herr Rosenblatt kann mit vollstem Rechte das erhebende
Bewusstsein in denn Ruhestand mitnehmen, dass sein segensreiches Wirken
auf Generationen hinaus in bester und liebevollster Erinnerung bleiben
wird und dass ihm die Hochschätzung und Verehrung der ganzen Gemeinde in
besonderem Maße und für alle Zeit gesichert sind. Die Gemeinde wird dem
Scheidenden zu geeignetem Zeitpunkte verschiedene Ehrungen zuteil werden
lassen."
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Januar
1929: "Personalien…
Lehrer A. Rosenblatt in Memmingen tritt nach mehr als 40jähriger
Dienstleistung in den dauernden Ruhestand…"
Zum Tod von Lehrer Ahron Rosenblatt (1930)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. August
1930: "Memmingen. Nach kurzem Krankenlager starb hier der Lehrer a.D.
Rosenblatt."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1930: "Memmingen,
19. August (1930). Am Sonntag, den 10. August, am 16. Aw schied der
langjährige treu bewährte Lehrer und Kantor unserer Gemeinde, Herr Ahron
Rosenblatt, 61 Jahre alt, von uns. 41 Jahre seines Lebens waren dem Dienst
für Schule und Gotteshaus geweiht. Nach genossener Ausbildung in
Burgpreppach und Würzburg wirkte Ahron Rosenblatt als Religionslehrer in
den Gemeinden Strümpfelbrunn in Baden und Egenhausen bei Ansbach. Im
Jahre 1896 wurde er von der Israelitischen Kultusgemeinde Memmingen zu
ihrem geistigen Führer berufen. In 32jähriger von beispielloser
Gewissenhaftigkeit und hingebungsvollster Berufstreue erfüllter
Tätigkeit hat er mitgebaut an der Aufwärtsentwicklung unserer Gemeinde.
Einer traditionserfüllten Familie entstammend, aus der altehrwürdigen
Kehilloh (Gemeinde) Fürth, war er von tief religiösem Geiste beseelt.
Sein ganzes Leben war beispielgebende Tat.
Die Würdigung seiner Persönlichkeit kam bei der am 12. dieses Monats
stattgefundenen Beerdigung in eindrucksvollster Weise zum Ausdruck. Lehrer
Liffgens schilderte in ergreifender Weise das segensreiche Leben und
Wirken, die Bescheidenheit, Menschenliebe und Menschenfreundlichkeit des
edlen Gatten und Familienvaters, des treuen Führers seiner Gemeinde, des
väterlichen Freundes und Amtsgenossen. Auch im Namen des Jüdischen
Lehrervereins für Bayern und der Bezirkskonferenz Schwaben gab er der
Trauer Ausdruck um den rührigen Kollegen. Der 1. Vorstand der
Kultusverwaltung, Direktor Karl Gerstle, widmete dem treu bewährten
Lehrer seiner Gemeinde, dem hilfsbereiten Freund jeder Familie einen aus
tief bewegtem Herzen kommenden und zu Herzen dringenden Nachruf dankbarer
Verehrung. Für den Bezirkslehrerverein Memmingen nahm dessen Vorsitzender
in erhebenden Worten Abschied von dem teuren Kollegen und langjährigen
Mitglied des Vereins. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens."
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
Oktober 1930: "Ahron Rosenblatt. Mit dem Tode Ahron Rosenblatts ist
wieder eine schmerzliche Lücke in die Reihen unseres Vereins gerissen
(gemeint: Jüdischer Lehrerverein). Für diejenigen, die um ihn warne, kam
sein Ende überraschend; war doch gerade diesesmal innerhalb der zwei
Jahre seines Leidens der Ernst der kurzen Erkrankung kaum zu erkennen.
Noch vor einigen Wochen hat er mit innerer Befriedigung von der Besserung
seines gesundheitlichen Zustandes gesprochen und vor nicht sehr langer
Zeit seiner Freunde an der ihm mit Gottes Hilfe vergönnten Teilnahme an
unserer Jubelfeier Ausdruck gegeben. Diese Freude durfte er leider nicht
mehr erleben. Die Vorsehung hat ihn früh - 61 Jahre alt - von uns
genommen; doch waren ihm die Schmerzen eines langen Lagers erspart.
Er war vom Geiste Ahrons. Sein Leben verwirklichte die Lehre, mit der
unser Gesetzeslehrer Hillel uns auffordert (hebräisch und deutsch):
'Liebe den Frieden und jage ihm nach! Liebe die Menschen und bringe sie
der Gotteserkenntnis nahe!'
In 32jährigem, von beispielloser Gewissenhaftigkeit und
hingebungsvollstem, aufopferndem Pflichtbewusstsein erfüllten Wirken, hat
er durch seine harmonisch ausgeglichene Persönlichkeit mitgebaut an der
Aufwärtsentwicklung der Kultusgemeinde Memmingen. Mit seinem gewinnenden
Wesen, seinem wohlmeinenden, auf reicher Erfahrung gegründeten Rat,
seinem von überzeugenden Ernst getragenen Worte hat er stets den Frieden
und die Geschlossenheit der Gemeinde zu wahren verstanden. Die
Menschenliebe und Menschenfreundlichkeit, seine Bescheidenheit und
Einfachheit fanden die Liebe und Wertschätzung all derer, die mit ihm in
Beziehung traten. Wohl kein Haus in seiner Gemeinde, dem er nciht Freund
und Berater gewesen!
Wie an der Stätte des Gebetes sein Gesang und sein Wort die Gemeinde zu
Gott erhob, so hat auch sein, von tiefer Liebe zum Kind erfülltes
Lehrerherz eine ganze Generation der Gotteserkenntnis nahegebracht. Ein
alter Erziehungsgrundsatz sagt: 'Verba docent, exempla trahunt'. 'Worte
können nur belehren, aber Beispiele reißen hin', So war sein ganzes
Leben beispielgebende Tat, die anspornend und gestaltend auf die
Kinderseele wirkte.
Ahron Rosenblatt - seligen Andenkens - ist von uns gegangen; doch
sein Andenken wir unter uns fortlegen und uns aneifern, es ihm
gleichzutun. Liffgens.
Die Trauerrede an der Bahre Ahron Rosenblatts hielt Herr Lehrer Emil
Liffgens, der Nachfolger Rosenblatts, auch im Namen des Jüdischen
Lehrervereins für Bayern. Der erste Vorstand der Kultusgemeinde, Direktor
Karl Gerstle, widmete dem Verstorbenen ehrende Worte des Dankes und der
Treue. Hauptlehrer Ree nahm als Vorsitzender des Bezirkslehrervereins
Memmingen am Grabe Abschied von dem Kollegen."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1900:
"Memmingen, 30. April (1900), In hiesiger Stadt scheint eine
antisemitische Bewegung im Gange zu sein. nachdem erst vor Kurzem an
verschiedenen Straßenecken der Stadt Pamphlete angeklebt waren, wurde am
18. dieses Monats um Mitternacht ein Attentat gegen die Häuser
verschiedener jüdischer Familien unternommen, indem judenfeindlich
gesinnte Personen die Fenster der Schlafzimmer mit Steinen bombardierten.
Die israelitische Gemeinde setzte eine Belohnung von 50 Mark für Ermittlung
der Täter aus. ('Augsburger Postzeitung')."
Ein alter, russischer Jude wurde ausgewiesen (1911)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. November
1911: "Regensburg. In Memmingen war ein 88jähriger,
schwerkranker Juden ausgewiesen worden und sollte - trotzdem sich damit
Lebensgefahr verknüpfte - nach Russland transportiert werden.
Distriktsrabbiner Dr. Meyer - Regensburg wandte sich im Namen der
Menschlichkeit sofort an den Magistrat und an das Staatsministerium.
Daraufhin verfügte das Ministerium unter dem 15. November wie folgt: 'Im
Einverständnis mit dem Königlichen Staatsministerium der Finanzen wurde
die Königliche Regierung von Schwaben und Neuburg veranlasst, mit dem
Distriktrabbinate Regensburg in Verhandlungen einzutreten und von dem Vollzug
der Ausweisung abzusehen, wenn binnen angemessener Frist die Unterbringung
des Mannes in ein israelitisches Krankenhaus erfolgt oder die Bezahlung
der Krankenhauskosten sichergestellt ist.'
Distriktsrabbiner Meyer bittet nun um Zusendung von Spenden für diesen
Fall."
Ein nichtjüdischer Bäcker bekommt Schwierigkeiten wegen koscheren Backens
(1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. März 1915: "Memmingen,
6. März (1915). Ein hiesiger Bäckermeister hat für Angehörige der
israelitischen Konfession nach Religionsvorschrift Weizenbrote gebacken,
die nicht aus der vorgeschriebenen Mehlmischung, sondern aus reinem,
ungemischtem Weizenmehl hergestellt waren. Dar Stadtmagistrat gibt nun
bekannt, dass dies unzulässig ist und weitere Verfehlungen
unnachsichtlich streng bestraft werden, da eine solche Ausnahmebestimmung
nicht besteht. (Die Notiz entbehr zweifellos der Genauigkeit. Es handelte
sich entweder um Mazzos für den vorgeschriebenen Genuss an den
Sederabenden, dann könnte eine Bestrafung gemäß $ 29 Abs. 2 der
Bundesratsverordnung vom 5. Januar, nicht erfolgen, oder aber es kamen
lediglich gewöhnlich Mazzos für die Dauer des Festes in Betracht, in
welchem Falle der vorgeschriebenen Beimischung von 30 % Roggenmehl auch
vom Standpunkte des Religionsgesetzes aus nichts entgegenstand.
Red.)."
Erweiterung des Gebietes der jüdischen Gemeinde Memmingen (1927)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juli
1927: "Bekanntmachung über die Erweiterung des Gebietes der
Israelitischen Kultusgemeinden.... Memmingen.... Die nachstehend
aufgeführten Kultusgemeinden haben beschlossen, ihr Gebiet wie folgt
auszudehnen: ..... die Israelitische Kultusgemeinde Memmingen auf die
Finanzbezirke Memmingen, Mindelheim, Ottobeuren und
Türkheim."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. August 1921: "Der
Käsepogrom in Memmingen. München, 14. August (1921). Als man vor kurzem
in der politischen Tagespresse von einem Überfall auf einen jüdischen
Milch- und Käsehändler in der bayerischen Stadt Memmingen las, da sagte
sich wohl manch einer, der Mann werde schon irgendwie durch unlautere
Geschäfte oder aufreizendes Benehmen sein Schicksal verschuldet haben.
Wir sind heute noch nicht in der Lage, ein Zeugnis zu Gunsten oder
Ungunsten des Beschuldigten abzulegen, obgleich das vom Amtsgericht gegen
ihn inzwischen gefällt milde Urteil die ihm vom Memminger Volke zur Last
gelegten Delikte eher widerlegt als bestätigt. Indes ersieht man aus den
ausführlichen Berichten in der bayerischen Presse, um was es sich bei dem
Überfall in Memmingen letzten Endes handelte. Es spielten sich vor dem
Hause des jüdischen Großhändlers stürmische Szenen ab, die rein
antisemitischen Charakter hatten, und sie fanden ihre Fortsetzung, nachdem
der Bedrohte in Schutzhaft genommen war, auch an und in anderen jüdischen
Häusern, deren Bewohner nicht das Mindeste mit Lebensmitteln zu tun
haben. Es steht fest, dass R. seine Milch entsprechend den Weisungen der
Landesfettstelle nach Nürnberg zu schicken hatte. Es nützte ihm nichts,
dass er dies nachwies, dass er versprach, seinen Einfluss bei den Käufern
zu Gunsten der Stadt geltend zu machen, es nützte auch nichts, dass der
Bürgermeister begütigend eingriff und der erste Staatsanwalt, um den
Bedrohten zu schützen, einen Haftbefehl gegen ihn erließ, die ‚Volksbelustigung’
kam doch zustande, die darin bestand, dass das unglückliche Opfer auf dem
Wege zum Gefängnis durch die Straßen gezerrt und schwer misshandelt
wurde.
Aus all dem ergibt sich: die Milch- und Käsesorge war es nicht, die die
Menge in Memmingen auf die Straße vor das Haus des Juden trieb. Die
Vorgänge waren gut organisiert und von langer Hand durch antisemitische
Drahtzieher, die heute bis auf das letzte bayerische Dorf ihre unheilvolle
Wirkung ausüben, gut vorbereitet.
Der Regierung Kahr in München, die in unerschöpflicher Toleranz in den
letzten Jahren in Presse und Vortragssaal, sogar auf Katheder und Kanzel
ein Kesseltreiben gegen die Juden duldet, wie man es früher in deutschen
Landen kaum gekannt hat, sollte doch dieser Fall Memmingen sehr zu denken
geben. - - -
München, 10. August (1921). Gegen die Anstifter und Teilnehmer an den
Krawallen in Memmingen ist Strafverfahren eingeleitet worden. Nach der
amtlichen Darstellung ist als treibende Kraft der Kundgebungen der Arzt
Dr. Sizius anzusprechen. Nach Aussage des Stadtrats Mayrock, des Führers
der christlichen Gewerkschaften, hat Dr. Sizius ihn bereits am Freitag zu
bestimmen versucht, ‚endlich gegen die Juden vorzugehen’, da doch
diese die meiste Schuld an der jetzigen Teuerung trügen. Mayrock hat das
Ansinnen ganz entschieden zurückgewiesen und Dr. Sizius vor einem
derartigen Unternehmen gewarnt, da dadurch nur die Masse auf die Straße
gehetzt werde. Als Sizius sah, dass Mayrock nicht dafür zu haben war,
wandte er sich an einen als linksradikal bekannten Arbeiter, offenbar mit
besserem Erfolg."
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. August 1921: Augsburg, 13. August (1921).
"Aus Memmingen wird gemeldet: Der Großhändler Wilhelm
Rosenbaum wurde vom Landgericht Memmingen wegen Butter- und
Mehlschiebungen sowie Wuchers zu einer Gesamtgefängnisstrafe von fünf
Wochen und einer Geldstrafe von 3000 Mark verurteilt. Bekanntlich gaben
diese Verfehlungen Rosenbaums den Antisemiten in Memmingen Anlass zu einer
allgemeinen Judenhetze und es kam zu schweren Krawallen und
Ausschreitungen gegen jüdische Geschäftsleute. In einer Eingabe der
Israelitischen Kultusgemeinde Memmingen an den Stadtrat wurde das
Schieber- und Wuchertum schärfstens verurteilt; aber andererseits für
die rechtlich denkenden jüdischen Geschäftsleute Schutz gefordert. Der
Stadtrat hat die antisemitische Hetze schärfstens verurteilt und dem
Bürgermeister wurde das Recht zugesprochen, bei künftigen Krawallen
Reichswehr zu Hilfe zu rufen, da die Polizei zu schwach sei, um die
systematisch betriebene Judenhetze zu
verhindern."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1921: "Noch ein
Wort zum Memminger Käsepogrom. In unserer Korrespondenz aus München
über dieses unerfreuliche Kapitel hieß es, ‚wir seien nicht in der
Lage, ein Zeugnis für oder wieder den Beschuldigten abzulegen.’
Inzwischen ist ihm doch ein Zeugnis ausgestellt worden, vom Memminger
Gericht selbst. Und man muss sagen: das Zeugnis ist reichlich günstig
für ihn ausgefallen. Das Gericht hat ihn zwar zu einer geringen
Gefängnis- und Geldstrafe verurteilt. Liest man aber das Protokoll der
Verhandlungen in den bayerischen Blättern nach, so gewinnt man den
Einruck, dass bei der Urteilsfällung Momente mitgespielt haben, die wir
nicht weiter erörtern möchten. Von all den schweren Delikten, wie sie
der Memminger Mob unter Führung der intellektuellen Akteure Herr R. ins
Gesicht geschleudert hatte, war bei der Verhandlung mit keinem Worte die
Rede. Was man hier dem jüdischen Kaufmann zur Last legte, war, dass er
ein Quantum beschlagnahmten Mehls zwei Tage später ablieferte als es der
Schutzmann holen wollte, und dass bei ihm, dem Großhändler, der von Amts
wegen die Großstädte zu beliefern hatte, einige Zentner Butter gefunden
wurden, von denen vermutet wird, dass sie zu Spekulationszwecken im Keller
ruhten, während die Großabnehmer des Angeklagten unter ihrem Eide
bestätigten, dass sie von R. stets zu billigeren Preisen bedient wurden
als von jeder anderen Seite, und dass die im Keller gefundene Butter zum
Versande bestimmt war, mit dem bis zum Eintreffen des Geldes gewartet
wurde. Die Sachverständigen begutachteten, dass die vorgefundene Menge
Butter durchaus normal sei, dass eine absichtliche Zurückhaltung nicht
beabsichtigt sei und dass 90 Prozent der Händler es so gemacht hätten,
wie R. vorgeworfen wird. Trotzdem kam die Verurteilung zustande.
Die reaktionäre Hetze – es fließt alles aus der gleichen Quelle –
hat inzwischen noch etwas Schlimmeres gezeitigt als die ‚Volksbelustigung’
in Memmingen. Am offenen Grabe des neuesten politischen Märtyrers wird
man vielleicht auch in Bayern ein wenig in sich gehen und auf eine
Eindämmung der Hasswellen sinnen. Urteile von der Art, wie es eben in
Memmingen gefällt wurde, werden aber kaum zur Beruhigung der Gemüter und
zur Lahmlegung des Hetzwerkes beitragen."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. September 1921: "Der
Käse-Pogrom in Memmingen. Memmingen, 16. September (1921). Vor dem
Memminger Volksgericht begannen die Verhandlungen wegen Landfriedensbruchs
gegen den deutschvölkischen Arzt Dr. Sicius und elf Genossen. Der Eingang
zum Gerichtsgebäude ist durch Gendarmerie abgesperrt, da man Unruhen
befürchtet, weil der Führer der hiesigen Kommunisten, Stadtrat Mohring,
mit auf der Anklagebank sitzt. Es handelt sich um die gegen
Lebensmittelschieber gerichteten Krawalle, die die Antisemiten geschickt
auf jüdische Geschäftsleute abzulenken verstanden. Weder Dr. Sicius noch
sonst jemand weiß etwas Positives gegen Rosenbaum, das Opfer der Hetze,
vorzubringen. Dr. Sicius erklärt, er habe den Juden an den Pranger
stellen wollen. Die Volksstimmung sei sozusagen reif dazu gewesen, zum
Mittel der Selbsthilfe zu greifen. Der Vorsitzende: ‚Sie haben zu
Arbeitern, die mit Herrn Günzburger debattierten, gesagt: ‚Das ist auch
so ein Kapitalist, der könnte den Arbeitern etwas hergeben.’ Auch gegen
Max Guggenheimer wurde noch nachts demonstriert und versucht, die Haustür
mit einem Beil zu öffnen. Das erweckt den Anschein, dass die Leute so
vorgehen sollten, wie es nach Ihrem Sinne war, gegen die Juden.’ Der
Angeklagte behauptet, es handele sich nicht um einen politischen, sondern
um einen volkswirtschaftlichen Kampf. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob
ihm von Rosenbaum mehr bekannt gewesen sei, als dass 9 Zentner Butter
beschlagnahmt wurden, antwortete der Angeklagte: ‚Nein, aber in der
Stadt hat man allerlei gemunkelt.’ Auch der Angeklagte Hail ergeht sich
in allgemeinen Beschuldigungen. – Dr. Sicius und Hail wurden zu je einem
Monat Gefängnis verurteilt, alle anderen Angeklagten frei gesprochen.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. September 1921: "Das
Urteil in dem Prozess wegen des Memminger Landfriedensbruches, verübt
gegen dortige jüdische Kaufleute, ist Mitte dieses Monats vom Memminger
Volksgericht verkündet worden. Es stellt lediglich den Tatbestand
schweren Hausfriedensbruches gegen Dr. Sicius und Ewald Heil und des
einfachen Hausfriedensbruchs gegen die beiden anderen Mitglieder des
Deutsch-völkischen Schutz- und Trutzbundes fest. Die beiden Erstgenannten
wurden zu einem Monat Gefängnis, die beiden anderen zu fünf Tagen
Gefängnis verurteilt und allen vieren Bewährungsfrist für die gesamte
Strafe bis 1. Oktober 1923 gewährt. Die übrigen Angeklagten wurden
sämtlich frei gesprochen. In der Verhandlung wurde von mehreren zeugen
erwähnt, dass ein dortiger Oberlandesgerichtsrat einige Zeit vorher
öffentlich erklärt hätte, gegen Wucherer und Schieber müsse endlich
zur Selbsthilfe gegriffen werden."
Weitere Artikel: Berichte zum Memminger Käsepogrom
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. September
1895: "Zum dem Kapitel 'Kriegserinnerungen' erlaube ich mir, Ihrer
Aufforderung entsprechend, Sie auf ein Mitglied unserer jüdischen
Gemeinde hinzuweisen, Herrn Kaufmann Ludwig Heilbronner, der im
deutsch-französischen Feldzuge mit dem 'eisernen Kreuz' dekoriert
wurde.
Herr Heilbronner zog als Gefreiter im 12. bayerischen Infanterie-Regiment
in Neu-Ulm in den Krieg. Er erhielt laut Schreiben des Regimentskommandos
das 'eiserne Kreuz' für sein ausgezeichnetes Verhalten in der Schlacht
von Sedan, wo er bei der wiederholten Erstürmung der Anhöhen zwischen La
Mondelles und Balan in den vordersten Reihen kämpfte und deshalb von drei
Offizieren gleichzeitig zur Dekoration vorgeschlagen
wurde.
Bei der Einnahme von Orleans wurde ihm weiteres, laut bayerischem
Armee-Verordnungsblatt Nr. 65 vom Jahre 1870, wegen tapferen Verhaltens
eine Belobung zuteil.
Es dürfte ferner interessieren, dass Ludwig Heilbronner der erste
jüdische, mit dem eisernen Kreuze, in diesem Feldzuge dekorierte Soldat
der bayerischen Armee war, und ihm demzufolge auch, auf Grund besonderer
Bestimmung des Gebers, die für einen Soldaten israelitischer Konfession
ausgesetzte Gabe von 100 Gulden als Belohnung für seine verdienstvollen
Leistungen und sein tapferes Verhalten während des Krieges auf Grund des
Königlichen Kriegs-Ministerial-Reskripts vom 12. November 1871, zuerkannt
wurde.
Memmingen, im September (1895). A. Gerstle."
Zum Geburtstag des Gemeindevorstehers Albrecht Gerstle (1912)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. Januar 1912:
"Memmingen.
Albrecht Gerstle, Präsident der jüdischen Gemeinde und Mitglied des
städtischen Gemeindekollegiums, feiert am 29. Januar seinen 70.
Geburtstag."
Zum Tod von Kaufmann Ludwig Heilbronner (1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Oktober 1915. "Memmingen in
Bayern. Am 29. August (1915) verstarb eines der angesehensten und
beliebtesten hiesigen Persönlichkeiten, Herr Ludwig Heilbronner,
Mitinhaber der bekannten Tuchfirma M.L. Heilbronner. Er war der letzte der
hiesigen Inhaber des Eisernen Kreuzes von 1870 und der erste bayerische
jüdische Soldat, welcher damals mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet
wurde, wofür er seinerzeit eine von privater Seite ausgesetzte Ehrengabe
von 100 Gulden erhielt. Das Ehrenzeichen, welches er sich für sein
tapferes, mutiges und entschlossenes Vorgehen in der Schlacht bei Sedan
erwarb, trug er stets mit berechtigtem Stolz, ebenso wie er sein ganzes
Leben hindurch ein lebhaftes Interesse für Militär- und vaterländische
Angelegenheiten bewahrte. Aber auch für alle sonstigen öffentlichen,
sozialen und insbesondere jüdischen Angelegenheiten war der Verblichene
in gewissenhafter und unermüdlicher Weise tätig. Der hiesigen
Kultusverwaltung gehörte er seit 16 Jahren an und war er stets mit dem
ihm eigenen Temperament am Platze, wo es galt, für die Interessen des
Judentums einzutreten. Die Leichenhalle versammelte eine große Schar von
Teilnehmern aus allen Kreisen der Bevölkerung. Herr Lehrer Rosenblatt
rühmte in einem vortrefflichen Nachrufe den biederen Charakter, die
einfache, schlichte und ehrliche Sinnesart und die peinlichste
Gewissenhaftigkeit des Dahingeschiedenen. Der Krieger- und Veteranenverein
war nahezu vollzählig mit umflorter Fahne erschienen, um dem scheidenden
Kameraden das letzte Geleite zu geben. Am Grabe sprachen die Vorstände
der Veteranenvereine von Memmingen und von Fellheim. Im Auftrage des
zurzeit hier garnisonierenden Bataillons war eine Abordnung zum Begräbnis
erschienen. Man wird dem Verstorbenen hier ein ehrendes Andenken bewahren.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
Zum Tod von Wolf Rosenbaum (1900) vgl. weiter unten Anzeigen und Dokumente zur Käserei von
Wolf Rosenbaum
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juni 1900: "Memmingen, im
Siwan (‚Die geliebten und die Lieblichen, in ihrem Leben und in ihrem
Tode sind sie nicht getrennt.’) Unwillkürlich muss ich an die
Klageworte Davids um den Tod Sauls und Jonathans denken, wenn ich Ihnen
von dem Hinscheiden des Herrn Wolf Rosenbaum s.A. berichte, der am 26.
vorigen Monats im 60. Lebensjahre, nach kaum zwei Jahren, seinem
unvergesslichen Bruder Isaak in das bessere Jenseits gefolgt ist. Wer wie
ich das Glück hatte, das Seelenleben dieses großen Mannes näher zu
kennen, wird mit mir übereinstimmen, dass die Familie, unsere Gemeinde
und das gesetzestreue Judentum durch seinen Tod einen schweren Verlust
erlitten haben.
Ein würdiger Enkel des berühmten Rabbi Mendel Rosenbaum s.A. in Zell bei
Würzburg, hat er stets mit strammer Hand die Fahne des orthodoxen
Judentums hochgehalten, unentwegt und unter den größten Opfern alle
Satzungen unserer heiligen Religion aufs Pünktlichste beobachtet und
seine Kinder in streng-religiösem Sinne erzogen. Dabei war er nach allen
Seiten und Richtungen überaus wohltätig, den Armen und Notleidenden ein
Helfer und Jedem ein aufrichtiger Berater. Seine Gottesfurcht und
Ergebenheit in den Willen des Allmächtigen zeigte sich so recht deutlich
auf seinem langen und schmerzlichen Krankenlager; trotz der
schrecklichsten und andauernden Schmerzen kam niemals ein Wort der Klage
über seinen Mund.
Es dar daher nicht verwundern, dass die Kunde vom Tode dieses in den
weitesten Kreisen beliebten und hoch angesehenen Mannes allgemeine tiefe
Trauer und Teilnahme hervorgerufen hat. Von Nah und Fern waren die
zahlreichen Verwandten, Freunde und Bekannten herbeigeeilt, um dem
Verewigten die letzte Ehre zu erweisen. Möge Gott den tief betrübten
Angehörigen lindernden Trost gewähren, und möge der gute Name, den Herr
Rosenbaum hinterlassen, den Kindern ein Sporn sein, im Sinne ihres Vaters
weiter zu wirken und zu handeln. Seine Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens."
Geburtsanzeige für Ingeborg Seligman (1928)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 21. September 1928:
"Statt Karten! Ingeborg. Die Geburt einer gesunden Tochter
zeigen hocherfreut an
Arthur Seligman und Frau Else geb. Kaumheimer.
Memmingen in Bayern. Welfenstraße 3".
Zum Tod von Naftali Weiß (1929)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
November 1929: "Altenstadt in Schwaben. Wenige Tage vor Rosch-Haschanah
(Neujahrsfest) haben wir einem lieben Glaubensgenossen, Herrn Naftali
Weiß aus Memmingen, seine dauernde Ruhestätte auf dem hiesigen Bes dom
bereitet. Er hat es in reichem Maße verdient, dass seiner auch in diesem
Blatte gedacht wird. Herr Weiß war hier 1859 als Sohn des damaligen
israelitischen Schulverwesers Nathan Weiß geboren und hat die erste
biblische Altersgrenze überschritten. Schön frühzeitig zeigte der
Verstorbene sein großes Interesse für alle Anliegen der hiesigen
Kultusgemeinde sowie auch der politischen Gemeinde. In verhältnismäßig
jungen Jahren wurde er daher in die hiesige Kultusverwaltung gewählt
(1890) und 1899 zu ihrem Vorstande bestimmt, welches Amt er bis zu seinem
1906 erfolgten Wegzuge nach Memmingen bekleidet. Sein kluger Rat wurde
immer hoch geschätzt. So hatte er auf manches bedeutsame Werk
maßgebenden Einfluss; es sei nur an die 1902 erfolgt Restaurierung
unseres Gotteshauses und das damit verbundene 100jährige Jubiläum
desselben erinnert. 22 Jahre lang war der Entschlafene Vorstand der
hiesigen Chewra kadischah und erfüllte stets frohbereit die schönster
aller Pflichten. Auch die Memminger Kultusgemeinde wusste bald die
schätzenswerten Eigenschaft des seligen Herrn Weiß zu würdigen und
übertrug ihm auf längere Zeit das Amt eines Verwaltungsmitgliedes,
ebenso die Vorstandschaft der dortigen Chewra kadischa. Auch auf seinem
Grabsteine wird, wenn auch unsichtbar, die Inschrift prangen: ‚Alle, die
sich mit gemeindlichen Angelegenheiten beschäftigen, werden es um Gottes
Willen tun! Rose, Hauptlehrer".
Todesanzeige für Sophie Theilhaber (1935)
Anzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. September
1935:
"Unsere geliebte Schwester, Schwägerin und Tante
Fräulein Sophie
Theilhaber
ist am 1. August, nach kurzem Krankenlager, im 78. Lebensjahre,
in München sanft verschieden. Die Beerdigung hat in aller Stille
stattgefunden.
Namens der Familie: Moritz und Klara Heilbronner, Memmingen."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1866:
"Nach vieler Anstrengung mannigfacher Versuche wegen Kaschrut
im Einverständnisse mit dem Herrn Distrikts-Rabbiner Seligmann Bär
Bamberger in Würzburg, ist es dem Unterzeichneten endlich gelungen,
Limburger- und Schweizer Koscher-Kase in bester Qualität auf
hiesigem Platze, unter eigener Leitung und Aufsicht, anfertigen zu lassen,
und empfiehlt solchen an Wiederverkäufer unter Zusicherung billigster
Bedienung. W. Rosenbaum in Memmingen. Auch unter Adresse M.
Rosenbaum in
Würzburg."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Januar 1878: "Herr W.
Rosenbaum in Memmingen (Bayern), aus Zell bei Würzburg stammend, vielen
Lesern des ‚Israelit’ durch seinen vor Jahren nach Angaben des Herrn
Distriktsrabbiner Bamberger in Würzburger fabrizierten Koscher-Käse
bekannt, benachrichtigt die Redaktion des ‚Israelit’, dass er die
Einrichtung treffen werde, um jede Woche nach allen Gegenden
unverfälschte, und daher streng koschere Allgäuer Butter, die
bekanntlich außerordentlich schmackhaft ist, versenden zu können und
wird er über das kleinste zu versendende Quantum nebst Preiscourant
demnächst in einer Annonce in diesen Blättern Mitteilung geben."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1878: "Aufseher,
Lehrling und Commis gesucht. Zur Beaufsichtigung meiner Koscher-Käserei
suche ich einen unverheirateten Mann, der über religiösen Lebenswandel
genügende Zeugnisse aufweisen kann; ferner einen gut erzogenen Jungen aus
religiösem Hause als Lehrling und einen Commis, der selbständig
Korrespondenz und Buchführung besorgen kann.
W. Rosenbaum, Memmingen,
Bayern."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1892: "Ich suche für
meine Käserei auf der Alpe einen Aufseher, welcher sich über religiösen
und sittlichen Lebenswandel ausweisen kann.
W. Rosenbaum, Memmingen."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1900: "Koscher
- Koscher - Schweizer-, Limburger-, vollfette Romatourkäse, feinste
Süßrahmbutter, empfiehlt zur geneigten Abnahme.
W. Rosenbaum, Memmingen,
Allgäu. An größeren Plätzen werden Niederlagen
gesucht."
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. Mai 1903:
"Junger Mann, der einen streng religiösen Lebenswandel nachweisen
kann, als
Schomer (Aufseher) für meine Koscher Käserei per
sofort gesucht. A. Rosenbaum,
Memmingen (Allgäu)."
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. Juli 1903:
"Butter Koscher Käse. Eigene Molkereien. Wir versenden täglich frisch Feinste Süßrahm Tafelbutter. 9 Pfd. Ballen M. 1.15 p. 1/2 Kg. 1 Pf. und 1/2 POfd.-Stücke M. 1.20
er 1/2 Kg. ab Memmingen. Wir empfehlen ferner: Feinste koschere
Emmenthaler Käse. Feinste koschere Limburger Käse. Feinste koschere
Alpenrahm-Camember Käse. Gebr. Rosenbaum, Memmingen (Allgäu).
Referenzen: Ihre Ehrwürden Herr Distrikts-Rabbiner Dr. Cohn, Ichenhausen,
Herr Distrikts-Rabbiner Nathan Bamberger, Würzburg."
Postkarte
der Käserei Wolf Rosenbaum
aus Memmingen (1895)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries)
Die Postkarte der Käserei Wolf Rosenbaum
wurde an W. Löbenberg in Breslau am 24. Dezember 1895 verschickt. Der Text der Karte ist geschäftlicher Natur. Es geht dabei um den Verkauf von koscherem Käse nebst einem Hinweis auf
hierfür zuständige Rabbiner als Referenzen.
Wolf Rosenbaum war ein Sohn des bekannten Rabbis Mendel Rosenbaum von Zell am
Main. Wolf Rosenbaum und sein Bruder Isak Löb Rosenbaum ließen sich in Memmingen nieder. Auf der Seite
zum jüdische Friedhof Memmingen sind die Grabsteine von Isak Löb (Jizchak Jehuda) Rosenbaum und seiner Frau Bettie (Beile) auf Fotos zu sehen.
Text der Postkarte: "Herrn W. Löbenberg, Breslau, Antoniusstraße 5
- Memmingen, 24. Dezember 1895.
In höflicher Erwiderung Ihrer werten Karte vom 22. teile Ihnen mit, daß ich
koscher Schweizerkäse fabriziere, jedoch mich mit Versand von Post... nicht befasse. Das
kleinste Quantum , welches ich abgebe ist mindestens ein Laib von ca. 18 - 20 kg und kostet 90.- Mark je 50 kg
ab hier. Hakoscher gebe ich nicht ab, dagegen können Sie sich bei Herrn Distriktsrabbiner Dr. Kohn aus
Ichenhausen, Rabbiner Bamberger in Bad Kissingen, Rabbiner Bamberger in Aschaffenburg, Dr. Bondi in Mainz erkundigen.
Hochachtend W. Rosenbaum."
Anzeige der Schuh-, Schäfte- und Lederhandlung Hermann
Kohn (1889)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 30. Mai 1889: "Für meine Schuh-, Schäfte- und
Lederhandlung suche ich per sofort einen Lehrling mit nötiger
Schulbildung aus achtbarem Hause.
Sabbat streng geschlossen.
Hermann Kohn, Memmingen in Bayern."
Mitarbeiter für das Tuch- und Schnittwaren-Geschäft von Leopold Harburger
gesucht (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juni 1900: "Gesucht
ein junger Mann, in einem Tuch- und Schnittwaren-Geschäft für
Detailreisen und Comptorarbeiten in einer gut eingeführten Tour nicht
unter 25 Jahren. Samstags geschlossen.
Leopold Harburger, Memmingen,
Allgäu."
Nachstehende Dokumente aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries
Ansichtskarte aus Memmingen
- Kalchstraße mit
der Woll- und Kurzwarenhandlung von J.B. Guggenheimer (1898/99; siehe weitere Dokumente unten
Postankunftsstempel von Mannheim 1.1.1899)
Rechnung von Fa. J.B.
Guggenheimer, En-gros-Lager
Galanterie-, Kurzwaren, Knopf-, Bandwaren,
Strickgarne, Weiß-, Woll- und Strumpfwaren,
Papier- und
Schreibmaterialien, Spielwaren
vom 20. Juli 1900
Rechnung der Fa. Jacob
Seeligmann, Lager in
Kurz-, Weiss- und Wollwaren vom 26. Juli 1902
Zeugnis
für Herrn Daniel Schwarz vom 31. März 1903 nach der abgeschlossenen
Lehrzeit in der
Fa. J. Heilbronner & Guggenheimer, Tuch-,
Manufaktur- und Seidenwaren en gros
Rechnung der Fa. J.B.
Guggenheimer, En-gros-Lager
Galanterie- und
Kurzwaren, Knopf-, Bandwaren,
Strickgarne, Weiss-, Woll- und Strumpfwaren,
Papier- und Schreibmaterialien vom 18. August 1906
Anzeige
des Kaufhauses zum goldenen Falken in
Memmingen, Inhaber Jacob Seligman (Anzeige
in
der "Memminger Zeitung" vom 27. Januar 1908)
Rechnung von Fa. Julius
Gutmann, Fabrikation
wollener Strumpfwaren (Strumpffabrik?) vom
9.
Oktober 1912 sowie (rechts) eine historische
Karte von
Memmingen mit einem Foto der
Strumpfwarenfabrik Julius Gutmann (vermutlich
aus der Zeit zwischen 1915 und 1925)
Postkarte
an Cenzie Steiner, Haustochter
bei Alfred Guggenheimer (1934)
Die Postkarte an Cenzie
Steiner, Haustochter bei Herrn Alfred Guggenheimer in
Memmingen wurde versandt am 10. April 1934.
Alfred Guggenheimer wurde am 15. März 1877 als Sohn der Eheleute August Tobias Guggenheimer und
Fanny geb. Goldmann in Memmingen geboren. Alfred Guggenheimer war Pferdehändler und heiratete am 1. Juni 1922 in Oberstdorf Anna Maria
Meitinger (nichtjüdisch). Die Ehe wurde am 15. August 1942 geschieden. Der Weg von Alfred Guggenheimer führte über Fellheim (14. Mai 1942) und
München (Deportationstag 12. Januar 1944 ) nach Theresienstadt (13. Januar 1944,
wo er am 13. August 1944 umgekommen ist. Heute erinnert ein Stolperstein in der Herrenstrasse 7 in Memmingen an Alfred
Guggenheimer. Quellen: Stadtarchiv
Memmingen (Gedenkheft); Pressebericht
zur Verlegung der ersten Stolpersteine in Memmingen; Buch
"Allgäuerinnen" mit der Geschichte von Alfred Guggenheimer und
seiner Familie.
Mittelalter. Möglicherweise wohnten
die Juden im Mittelalter in der heutigen Gerbergasse, die die ehemalige
Judengasse gewesen sein kann. 1407 soll ein Jude das heutige Haus Kramergasse 16
besessen haben. Eine Synagoge und einen jüdischen Friedhof kann man vermuten,
jedoch liegen keine Quellen hierfür vor (abgesehen von einer indirekten Nennung
eines jüdischen Friedhofes 1344).
19./20.Jahrhundert: Zunächst hielt die Gemeinde ihre
Gottesdienste in gemieteten Räumlichkeiten ab, die aber seit der Jahrhundertwende
als unzulänglich beklagt wurden und den Plan zu einem Neubau reifen ließen.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, einen geeigneten Bauplatz zu finden, erwarb
die Gemeinde ein Anwesen am westlichen Rande der alten Stadtumwallung in einer
Grünanlage gegenüber der Knabenschule (Schweizerberg, damalige
"Kaiserpromenade"). Eine katholische Kirche
war in der Nähe geplant. 1908/09 konnte die Synagoge gebaut werden. Die Pläne
zeichnete der bekannte Frankfurter Architekt Max Seckbach. Er hatte die Vorgabe,
"dass die äußere Form möglichst die Umgebung berücksichtigen"
solle und sich der "bodenständigen Bauart" anpassen möge. Dadurch
war die Memminger Synagoge in ihren Formen von der barocken Architektursprache
geprägt. In vielen Details aber, wie etwa den halbrunden Treppenausbauten an
der Westseite, zeigten sich sehr moderne Formen. Der Entwurf Seckbachs
wurde von Kultusverwaltung und dem Magistrat der Stadt gebilligt. Die
Grundsteinlegung konnte bereits am 2. November 1908 - elf Monate nach dem
Baubeschluss am 1. Dezember 1907 - durchgeführt werden. Die festliche Ansprache
hielt der Augsburger Bezirksrabbiner. Der Memminger Bürgermeister sprach die
Glückwünsche der Stadtverwaltung aus.
Grundsteinlegung zur neuen Synagoge (Herbst 1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1908:
"Memmingen, 3. November (1908). In Anwesenheit des Bürgermeisters
Hofrat Scherer, des Landtagsabgeordneten Hofstätter, Vertreter der
städtischen Kollegien, sowie eines zahlreichen Publikums fand gestern die
feierlich Grundsteinlegung zur hiesigen neuen Synagoge statt. Die Festrede
hielt Distriktsrabbiner Dr. Cohn von Ichenhausen."
Die am 8. September 1909 feierlich
eingeweihte Synagoge enthielt etwa 200 Plätze. Der Raum für eine Orgel war
vorgesehen.
Feierstunde zugunsten der jüdischen Winterhilfe in der
Synagoge (1936)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. März
1936: "Jüdische Winterhilfe in Memmingen. Der Bund
deutsch-jüdischer Jugend, Ortsgruppe München, veranstaltete am Sonntag,
den 2. Februar, in der Synagoge in Memmingen eine Feierstunde zugunsten
der jüdischen Winterhilfe. Die Veranstaltung wurde durch eine Ansprache
von Herrn Laupheimer eingeleitet. Alsdann kamen einige Psalmen und
hebräische Lieder zum Vortrag. Ein Sprechchor aus dem 'Jungen David'
leitete zum Mittelpunkt der Veranstaltung über. Es waren dies drei
dramatisierte Szenen aus dem 'Jungen David' von Beer-Hoffmann. Besondere
Anerkennung verdient es, dass sich der Bund der Kleingemeinden annimmt,
die sich keine kostspieligen Kultusbundveranstaltungen leisten
können."
Konzert des Chores der jüdischen Gemeinde Augsburg
in der Synagoge (1937)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. März
1937. "Memmingen. Am vergangenen Sonntag hat der Chor der Gemeinde
Augsburg mit seinen Solisten unter Führung von Dr. Walter Teutsch in der
Synagoge zu Memmingen eine Widerholung seines Augsburger Konzertes
veranstaltet, das aus der Gemeinde und benachbarten Orten sehr gut besucht
war und allerbeste Aufnahme gefunden hat. Von den (aus Anlass des
Augsburger Konzertes an dieser Stelle bereits besprochenen ) Leistungen
der Solisten: Frau Buxbaum, Frau Marx, Frl. Lichtenauer, Herr Oberkantor
Heimann und Herr Michlin waren besonders beachtenswert, dass die schönen
Stimmmittel des Fräulein Lichtenauer in dem kleineren und akustisch
besseren Raume zu bester Wirkung kamen. Die einheimische Pianisten Frau
Alice Seligmann spielte mit schönstem Gelingen Mendelssohn, Mozart und
Grieg. Für die Gemeinde Memmingen war dieser Nachbarbesuch aus Augsburg
und die von herzlicher Gastlichkeit eingerahmte Veranstaltung eine dankbar
und freudig begrüßte, nachahmenswerte 'Seelische Winterhilfe'.
M-C."
Beim Novemberpogrom 1938 erhielt der NSDAP-Kreisleiter von Memmingen
den Befehl aus Augsburg, die Juden in der Stadt festzunehmen, die Synagoge
niederzubrennen und das Gemeindearchiv zu beschlagnahmen. Nachdem aus der
Synagoge die Bänke und Leuchter herausgeholt, Gebetbücher und andere Ritualien
abtransportiert waren, wurde unter Anleitung des NSDAP-Kreisleiters das Gebäude
mit TNT-Sprengstoff gesprengt und abgebrochen. An den Arbeiten beteiligten sich viele Stadtbewohner, unter ihnen
Schulkinder mit ihren Lehrern. Einige Abbrucharbeiter setzten sich die Zylinder
auf, die sie in der Synagoge gefunden hatten. Das Vernichtungswerk dauerte eine
ganz Woche. Für die Kosten in Höhe von 12.000 RM musste die jüdische Gemeinde
aufkommen.
Nach 1945 wurde das Grundstück mit einem Nebengebäude der Verwaltung
der Lech-Elektrizitätswerke neu bebaut. Eine Gedenkstätte wurde angelegt
(siehe Fotos unten). Zu den Diskussionen in der Stadt im Blick auf eine Neugestaltung des
Synagogengrundstückes seit 2008 siehe die unten
stehenden Presseberichte).
Fotos
Historische Fotos: (Quelle: die beiden mit *) bezeichneten Fotos sind aus dem
Buch von G. Römer, Schwäbische Juden S. 172; das linke Foto untere Zeile ist
mehrfach veröffentlicht u.a. in The Encyclopedia of Jewish Life siehe Link beim
englischen Text Bd. 2 S. 809; die Fotos der oberen Zeile Sammlung Hahn).
Historische Ansichtskarte mit
Blick
auf Synagoge (Mitte links)
Ausschnitt aus der Karte links
Die Synagoge stadtauswärts
gesehen;
im Hintergrund die frühere Knabenschule
Die Synagoge stadteinwärts
gesehen
Skizze der ehemaligen
Synagoge*
Feierliche Einzug zur
Einweihung der
neuen Synagoge in Memmingen am
8. September 1909*
Blick
auf die Memminger Synagoge auf einer Ansichtskarte, die am 25. Juni 1916
verschickt wurde (aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries)
Fotos nach 1945/Gegenwart: (Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 23.7.2004)
Der Synagogenstandort war an
Stelle
des heutigen Flachbaus (vgl. historische
Aufnahme oben mit der
Schule im
Hintergrund)
Gedenktafel für die Synagoge
Gedenkstätte für
Synagoge, jüdische Gemeinde und die in der NS-Zeit aus Memmingen
umgekommenen Gemeindeglieder (namentliche Nennungen auf beiden
Seitensteinen)
Gegenüber dem
Synagogenstandort:
Erklärungen an einer Informationstafel
der Stadt
("Grüner Weg" Memmingen:
hier
anklicken)
August 2008:
Artikel von Volker Geyer in der
"Allgäuer Zeitung" vom 18. August 2008: "'Stadt soll Gebäude der LEW kaufen und abreißen'. Stellvertretender Heimatpfleger Günther Bayer regt einen "Gedächtnis-Hain" an. Memmingen Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Lechwerke AG (LEW) am Schweizerberg steht seit über einem Jahr leer. Nun stellt stellvertretender Heimatpfleger Günther Bayer folgenden Vorschlag zur Diskussion:
"Die Stadt soll das Gebäude kaufen und abreißen." Auf dem Areal könnte dann ein
"Gedächtnis-Hain" angelegt werden, der an die einstige Synagoge erinnert.
Sein Ansinnen begründet Bayer folgendermaßen: "Der unförmige Betonkubus an sensibler städtebaulicher Position ist den größten Memminger Bausünden zuzurechnen. Er beeinträchtigt den Blick von Westen auf die Altstadt und schiebt sich als Klotz in die südliche Platzperspektive des Schweizerbergs, wo - vom Fuggerbau aus gesehen - das Haus Zu den drei Schweizern und die Historismus-Fassade der Bismarckschule wichtige gestalterische Akzente setzen." Nach Bayers Meinung könnte anstelle des LEW-Gebäudes eine schöne Grünfläche angelegt werden, in der der Gedenkstein für die 1938 abgerissene Synagoge
"würdiger und eindrucksvoller zur Geltung käme als in der Ecke des Areals. Darüber hinaus würde die westliche Altstadt-Silhouette dadurch eine neue Qualität erhalten und der einstige Grüngürtel um ein weiteres Stück freigelegt.
"Gute Idee". "Die Idee an sich ist gut", sagt Bürgermeisterin Claudia Knoll, die derzeit den im Urlaub weilenden Oberbürgermeister vertritt. Allerdings müsste man erst einmal abklären, was die LEW mit ihrem Gebäude vor hat. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass eine Öffnung und Verschönerung des Fuggergartens im Zuge der
Rossmarkt-Umgestaltung "sofort umsetzbar wäre". Indes spricht Werner
Häring, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion, auf Anfrage der MZ von einem
"reizvollen Vorschlag, über den man nachdenken sollte". Schließlich sei das LEW-Gebäude
"nicht gerade ein Augenschmaus". Er könnte sich einen Ideenwettbewerb für Städteplaner und Landschaftsarchitekten vorstellen.
"Dabei muss man freilich auch die Finanzierbarkeit des Ganzen im Auge behalten", so
Häring.
Auch CSU-Fraktionschef Stefan Gutermann bezeichnet Bayers Vorschlag als "interessanten Gedanken". Zumal dieser dem städtischen Konzept entspreche, Wall und Graben von Bebauung freizumachen. Mit Blick auf den Gedenkstein sagt
Gutermann: "Das ist natürlich ein Ort von besonderer geschichtlicher Bedeutung." Daher müsse letztlich im Stadtrat genau überlegt werden, was dort geschehen soll."
Februar 2009:
Artikel von Manfred Jörg in der "Memminger Zeitung" vom 9.
Februar 2009 (Artikel):
"Kaufinteressenten gefunden - Verhandlungen über Gebäude am Schweizerberg aber noch nicht abgeschlossen - Stadt sieht keinen Bedarf für das Haus
Memmingen/Augsburg. Für das ehemalige Verwaltungsgebäude der Lechwerke AG (LEW) am Schweizerberg gibt es jetzt einen privaten Kaufinteressenten. Das hat Unternehmenssprecher Ingo Butters auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt. Die Vertragsverhandlungen dauerten allerdings noch an. Daher könne er noch keinen Namen und auch noch keine Details zur künftigen Nutzung nennen, so
Butters. Fest steht indes, dass die Stadt Memmingen das in den Jahren 1963 und 64 errichtete und seit Mai 2007 nicht mehr von der LEW genutzte Haus nicht kaufen wird.
'Wir sind an die Stadt herangetreten und haben über einen Verkauf gesprochen', erläutert
Butters, 'die Gespräche haben aber kein konkretes Ergebnis erbracht.'
Das bestätigt Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger: 'Wir haben das Angebot der LEW geprüft. Aber es hat sich für uns kein Bedarf ergeben.' Daraufhin hätten die LEW ihr Gebäude und das Grundstück auf dem
'freien Markt angeboten', so Butters. Er wisse nun auch noch nicht, wer das LEW-Gebäude erwerben wolle, versichert der OB. Er hoffe jedoch, dass das Gebäude
'nicht auf ewig leer steht'. Eine bauliche Aufwertung an dieser Stelle würde er begrüßen. Damit das Gebäude weiter genutzt werden könne, müsse es aber
'bestimmt massiv umgebaut werden', ist sich der OB sicher. Stellvertretender Heimatpfleger Günther Bayer stellte im August 2008 folgenden Vorschlag zur Diskussion (wir berichteten):
'Die Stadt soll das Gebäude kaufen und abreißen. Auf dem Areal könnte ein Gedächtnis-Hain angelegt werden, der an die einstige Synagoge erinnert.' Gedenkstein für Synagoge würdiger zur Geltung bringen. Bayer ist der Ansicht, dass der
'unförmige Betonkubus an sensibler städtebaulicher Position den größten Memminger Bausünden zuzurechnen' sei. Er beeinträchtige den Blick von Westen auf die Altstadt und schiebe sich als
'Klotz in die südliche Platzperspektive des Schweizerbergs'. Bayer regte daher an, anstelle des LEW-Gebäudes solle dort eine
'schöne Grünfläche' angelegt werden, in der der Gedenkstein für die 1938 zerstörte Synagoge
'würdiger und eindrucksvoller zur Geltung' komme als in der Ecke des aktuellen Areals.
'Die Idee an sich ist gut', sagte Bürgermeisterin Claudia Knoll im August zu Bayers Vorschlag. Auch CSU-Fraktionschef Stefan Gutermann bezeichnete ihn damals als
'interessanten Gedanken'. Und Werner Häring, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion, sprach von einem
'reizvollen Vorschlag, über den man nachdenken sollte'.
'Kein gelungenes Stück Stadtarchitektur'. Heimatpfleger Uli Braun meint, Bayers Gedanke sei
'ehrenwert'. Auch er findet, dass das LEW-Gebäude 'kein gelungenes Stück Stadtarchitektur ist'. Dennoch ist er generell der Ansicht, dass an dieser Stelle kein Loch entstehen dürfe."
September 2009:
Zum 100. Jahrestag der Einweihung der Synagoge in
Memmingen
Foto
links (Stadtarchiv Memmingen): Die Synagoge am Schweizerberg wurde am
8. September 1909 eingeweiht. Im November 1938 wurde sie von Nazis und
deren Helfern zerstört und dem Erdboden gleich gemacht. Das Bild zeigt
sie im Jahr 1910.
Artikel von Manfred Jörg in der "Memminger Zeitung" vom 11.
September 2009: Sie wurde nicht einmal 30
Gedenken - Vor 100 Jahren fand die Einweihung der jüdischen Synagoge am Schweizerberg statt.
Verschämt schweigen und so tun, als ob nichts gewesen wäre. Genau das wollen die Stadt und die christlichen Dekanate nicht. Deswegen veranstalten sie am Dienstag, 15.September, ab 18 Uhr in der Martinskirche eine gemeinsame Gedenkfeier. Damit soll die Erinnerung an die ehemalige Synagoge der Jüdischen Gemeinde wachgehalten werden. Diese wurde vor 100 Jahren feierlich eingeweiht und vor 71 Jahren dem Erdboden gleich gemacht (siehe auch Infokasten).
Nicht einmal 30 Jahre stand das jüdische Gotteshaus an der Ecke Schweizerberg/Kaisergraben. Am 2.November 1908 war der Grundstein gelegt worden, am 8.September 1909 wurde es feierlich eingeweiht. Im Zuge der sogenannten Reichskristallnacht (9. auf 10. November 1938) wurde die Synagoge im Auftrag des nationalsozialistischen Regimes wie rund 1400 andere jüdische Gebetshäuser im gesamten Deutschen Reich zerstört.
Rund 29 Jahre zuvor, bei der Einweihung der Synagoge, deutete noch nichts auf die kommende Katastrophe hin. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Albrecht Gerstle, sagte bei der Feier am Schweizerberg:
'Auch wir Israeliten fühlen uns unter seiner glorreichen Regierung (gemeint war Prinzregent Luitpold von Bayern, Anm. d. Red.) als zufriedene, glückliche Bürger. Und mit allen Bewohnern des Landes blicken wir zum ihm empor als dem Hort der Gerechtigkeit, als Fels der
Treue.'
Historische Quellen berichteten davon, dass es am 8.September 1909 auch einen
'imposanten Festumzug' in der Stadt gegeben habe, weiß der evangelische Pfarrer Ralf Matthes, der sich mit der Geschichte der Synagoge beschäftigt hat. Als die Nazi-Schergen in der ganzen Stadt wüteten. Nicht nur Matthes geht davon aus, dass die Anteilnahme der Memminger Bevölkerung groß gewesen ist. Auch im Alltag seien die Juden zu jener Zeit
'gut in das tägliche Leben integriert gewesen'. Das lasse sich auch in der Ausstellung des Heimatmuseums im Hermansbau über das Leben der Juden in Memmingen nachvollziehen.
Keine drei Jahrzehnte später war dann alles anders: Der Historiker Paul Hoser beispielsweise berichtet in seinem Buch
'Die Geschichte der Stadt Memmingen' detailliert über die unheilvollen Ereignisse in jenen Novembertagen des Jahres 1938: Er schildert, wie die Nazi-Schergen in der gesamten Stadt in jüdischen Wohnungen und Geschäften wüteten.
Doch nicht nur dort: Im Gotteshaus am Schweizerberg wurden zunächst beispielsweise Thorarollen herausgerissen und verbrannt sowie Leuchter und Bänke geplündert. Später wurde das Dach fachmännisch abgedeckt, um die Ziegel weiter für andere Zwecke verwenden zu können. Schließlich wurde der sakrale Bau gesprengt, der Schutt systematisch abgetragen.
Eine ganze Woche dauerte das Vernichtungswerk. Zahlreiche Memminger Unternehmen, Bürger, ja sogar Schulklassen mit ihren Lehrern haben sich daran beteiligt. Das ist auf Fotos in der Ausstellung im Hermansbau deutlich zu sehen. In Band II der Stadtgeschichte von Paul Hoser liest man jedoch, dass auch sehr viele Bürger die
'kriminellen Handlungen' abgelehnt hätten.
Mai 2010:
Widerstand gegen die Nutzung
des Synagogengrundstückes für eine
"Gasthaus-Brauerei"
Artikel von Manfred Jörg in der
"Memminger Zeitung" vom 14. Mai 2010 (Artikel):
"Memmingen. 'Kein Prosit, wo Synagoge stand' - LEW-Gebäude - Bedenken gegen Gaststätte - Investor: Wir gehen sensibel mit dem Ort um Auf öffentliche Kritik gestoßen ist die geplante neue Nutzung des LEW-Gebäudes am Schweizerberg, das jüngst an eine Investoren-Gruppe aus Memmingen verkauft wurde. Wie berichtet, soll dort eine
'Gasthaus-Brauerei' entstehen. Stellvertretender Heimatpfleger Günther Bayer und die Stadträte Stefan Gutermann (CSU) und Dr. Hans-Martin Steiger (SPD) haben nun ethische und moralische Bedenken geäußert. Der Grund: Es solle künftig nicht dort ausgelassen gefeiert werden, wo früher die jüdische Synagoge stand.
Josef Kurz, der federführende Investor, bekräftigt: 'Wir wissen um die Geschichte des Ortes. Und ich kann versichern: Wir werden sensibel damit umgehen.' Der Bereich um den Gedenkstein etwa soll geschützt und sogar vergrößert werden.
'Außerdem legen wir Wert auf stilvolle, gehobene Gastronomie. Bei uns werden keine Besäufnisse geduldet.' Kurz versichert:
'Wir werden uns große Mühe geben und sind offen für alle Gespräche.' In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger und alle Stadträte schreibt hingegen Günther Bayer:
'Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit auf dem Gelände jüdischer Glaubenstradition? Also dort, wo 1938 die Synagoge demoliert wurde und eines der düstersten Kapitel der Stadtgeschichte seinen Anfang nahm.' Es könne nicht angehen, so Bayer, dass künftig ausgerechnet an dieser Stelle
'Gerstensaft produziert wird, der dann in einem Biergarten in durstige Kehlen fließt'.
'An Hässlichkeit nicht zu überbieten'. Bereits vor zwei Jahren habe er bei der Stadt angeregt, so Bayer, den
'städtebaulich fragwürdigen Betonkubus des ungenutzten LEW-Anwesens' zu erwerben, abzubrechen und durch einen
'Gedächtnis-Hain' den bestehenden Grüngürtel zu erweitern. Die Stadt habe ihre
'Interesselosigkeit' damit begründet, dass sie keinen Bedarf sehe und auch die Finanzierbarkeit in Frage zu stellen sei. Zur ethischen Komponente geselle sich der städtebauliche, der ästhetische Aspekt, kritisiert Bayer. Das sieht auch Stadtrat Steiger so:
'Das bestehende LEW-Gebäude ist an Hässlichkeit nicht zu überbieten.' Bayer regt nun erneut an, das städtische Vorkaufsrecht wahrzunehmen, das Gebäude zu beseitigen und es
'im Sinne meines Gedankens' zu nutzen. Denn an dieser 'schicksalsschweren Stätte soll es nicht in Bälde heißen: Eins, zwei - gsuffa', betont Bayer.
Bei der jüngsten Sitzung des Stadtrates äußerte Stefan Gutermann eine ähnliche Kritik. Er fragte Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger konkret:
'Waren Sie als LEW-Aufsichtsrat in die Verhandlungen mit den Investoren eingeschaltet? Und gab es Gespräche mit der Verwaltung über die künftige Nutzung?' Holzinger nahm nur kurz Stellung: Er gehe davon aus, dass zahlreiche Fragen zu klären seien, wenn der Bauwerber demnächst seine Unterlagen einreiche."
August 2010:
Memminger Bürger haben keine Probleme mit einer
Gaststätte beim Synagogen-Gedenkstein
Artikel (vog) in der "Memminger Zeitung"
vom 23. August 2010 (Artikel): "Bürger für neue Gaststätte - Umfrage - Keine Einwände wegen Synagogen-Gedenksteins
Noch nie ist eine Umfrage unter unseren Lesern derart eindeutig ausgefallen. So haben sich alle Einsender für ein Lokal im ehemaligen LEW-Gebäude am Schweizerberg in Memmingen ausgesprochen. Ihrer Meinung nach passt das geplante Bräuhaus mit Gaststätte durchaus neben den Gedenkstein für die einstige Synagoge. Im Vorfeld hatten zum Beispiel die Stadträte Stefan Gutermann (CSU) und Dr. Hans-Martin Steiger (SPD) ethische und moralische Bedenken geäußert. Denn es solle künftig nicht dort ausgelassen gefeiert werden, wo das jüdische Gotteshaus stand, das von den Nazis zerstört wurde. Der Stadtrat wird nach der Sommerpause über das Projekt entscheiden.
Im Folgenden nun die Meinungen von MZ-Lesern. Aufgrund der Fülle an Zuschriften können wir leider nur einen Teil davon veröffentlichen:
'Die Memminger Bierwüste hätte eine Qualitäts-Brauereigaststätte bitter und ganz schnell nötig', schreibt Adolf Schneider aus Memmingen. Die Ottobeurer hätten es mit der Klosterhofbrauerei schon richtig vorgemacht. Zudem schlägt Schneider vor, in der neuen Gaststätte eine bebilderte Dokumentation über die einstige Synagoge einzurichten. Zugleich sollte ein Buch ausgelegt werden, auf dessen leeren Seiten die Gäste ihre Ideen für eine bessere Gestaltung des Platzes um den Gedenkstein formulieren könnten.
Mit Blick auf das Mahnmal kommt Peter Spitz der Jahrmarkt in den Sinn, der auch in unmittelbarer Nähe des Gedenksteins stattfindet.
'Ein Rummel ist bedeutend lauter als eine Gaststätte', betont der Memminger. In seinen Augen würde ein Lokal letztlich
'in keiner Weise das Andenken an die ermordeten Juden vermindern'.
Walter Müller zielt bei seinen Überlegungen ebenfalls auf den Jahrmarkt ab. Seiner Ansicht nach hätte die Schnapsbude am Jahrmarkt von dieser Stelle schon längst verbannt werden müssen, wenn man jetzt eine Gaststätte im LEW-Gebäude verbieten möchte.
'Meines Erachtens', so der Memminger, 'gibt es für dieses durch das LEW-Gebäude verschandelte Areal keine bessere Verwendung als die durch den Investor vorgesehene Form einer gehobenen Gastronomie'. Dem Gedenken an die zerstörte Synagoge und an die ermordeten Memminger Juden würde ein Lokal aus Müllers Sicht
'bestimmt nicht entgegenstehen'.
In Elke Schellers Augen ist der Bereich um den Gedenkstein 'recht trostlos'. Sie wünscht sich
'etwas mehr Leben drum herum'. Dazu könne auch ein schön gestaltetes Gasthaus beitragen.
Marion Weiss rät den Memminger Stadträten, bei ihrer anstehenden Entscheidung über das Projekt
'nicht so engstirnig, sondern flexibel zu sein'. Denn die geplante Gastronomie schaffe ja auch Arbeitsplätze.
(vog)"
September 2010:
Das Gebäude der Synagoge wieder aufbauen?
Artikel (vog) in der "Memminger
Zeitung" vom 2. September 2010 (Artikel):
"'Baut die Synagoge wieder auf'
Stadtrat - Corinna Steiger (Grüne) und Dr. Hans-Martin Steiger (SPD) gegen Gaststätte im LEW-Gebäude - Thomas Kästle (SPD) ist dafür Bei der Diskussion über eine mögliche Brauerei-Gaststätte im LEW-Gebäude gleich neben dem Gedenkstein für die einstige Synagoge am Schweizerberg haben sich jetzt weitere Stadträte zu Wort gemeldet. So fordert etwa Corinna Steiger von den Bündnisgrünen:
'Baut die Synagoge wieder auf!'
Steiger verweist in einer Pressemitteilung darauf, dass die Synagoge 'einst ein fest integrierter Bestandteil Memmingens war', bis sie von den Nazis 1938 geschändet und zerstört wurde.
'Im Grunde müsste als Wiedergutmachung', so Steiger, 'zumindest die Synagoge an der alten Stelle wieder aufgebaut werden'. Darüber hinaus sei das jüdische Gotteshaus einst
'ein städtebauliches Juwel am Eingang zur Altstadt gewesen und Kennzeichen für religiöse Vielfalt in Memmingen'. Über einen originalgetreuen Neubau an der alten Stelle sollte laut Steiger ernsthaft nachgedacht werden. Deshalb werde sie im Stadtrat einem Bräuhaus mit angeschlossener Gaststätte in unmittelbarer Nähe des Gedenksteins
'auf keinen Fall zustimmen'.
Gegen ein Lokal im ehemaligen LEW-Gebäude ist auch Dr. Hans-Martin Steiger (SPD) - und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen würden angesichts der Geschichte ethische und moralische Aspekte dagegen sprechen, dass neben dem Gedenkstein ausgelassen gefeiert werde. Zum anderen dürfe man die städtebauliche Komponente nicht vergessen.
'Die Stadt hat hier die einmalige Chance, ein Schlüsselgrundstück am westlichen Eingang zur Altstadt zu kaufen und den hässlichen LEW-Klotz zu beseitigen', sagt Steiger. Errichtung eines neuen Hauses angeregt. Anschließend könnte der hintere Teil des Areals als Gedenkstätte ausgebaut und an der Straße ein neues Gebäude errichtet werden. Wie das Haus einmal aussehen und wen oder was es beherbergen soll, muss nach Steigers Meinung nicht von heute auf morgen entschieden werden.
Indes schreibt Thomas Kästle (SPD) in einer E-Mail an Stefan Gutermann (CSU), der sich aus ähnlichen Gründen wie Hans-Martin Steiger gegen eine Gaststätte ausgesprochen hat (wir berichteten):
'Dein Anliegen, das Areal aufgrund des historischen Hintergrunds nicht für ein interessantes Gastronomiekonzept zu nutzen, hätte meine volle Unterstützung, wenn zum einen die jüdische Gemeinde oder die
'Deutsch-Israelische Gesellschaft' den Anspruch auf das Gelände angemeldet hätte, um dort entweder die Synagoge wieder aufzubauen oder beispielsweise ein kleines Museum zu errichten, das das Leben der Juden in Memmingen vor und während des Dritten Reichs zeigt.'
Darüber hinaus würde Stadtrat Kästle auf eine gastronomische Umnutzung des ehemaligen LEW-Gebäudes am Schweizerberg verzichten,
'wenn es in der Memminger Innenstadt vergleichbare Alternativen für das Barfüßerkonzept gäbe - was aus meiner Sicht nicht der Fall ist'.
(vog)."
September 2010:
Zeitzeuge spricht sich gegen die Nutzung des
Synagogengrundstückes als Brauerei-Gaststätte aus
Artikel in der "Memminger Zeitung"
vom 16. September 2010 (Artikel):
"'Geschichte aufarbeiten'
LEW-Areal - Dr. Hans Eisenmann (78) hat die Zerstörung der Synagoge miterlebt und spricht sich nun gegen die geplante Gastronomie aus
Als sechsjähriger Bub hat er mit eigenen Augen gesehen, was in jenen unseligen und dunklen Tagen im November 1938 neben seinem protestantischen Elternhaus am Kaisergraben 40 passiert ist. Noch 72 Jahre später erinnert sich Dr. Hans Eisenmann genau an die Verbrechen rund um die
'Reichskristallnacht'. Damals wurde auch die Memminger Synagoge von Nazis und ihren willfährigen Helfern zunächst geschändet und später in Schutt und Asche gelegt.
Das grelle und blendende Licht hat der heute 78-Jährige, der in Riedering im Landkreis Rosenheim lebt, nie vergessen. Als Kind schaute er zitternd und verängstigt zu, wie auf der anderen Straßenseite, in den oberen Stockwerken der Bismarckschule große Scheinwerfer montiert wurden - damit die Täter nach Einbruch der Dunkelheit ihrem zerstörerischen Werk in der Synagoge
'gut beleuchtet' nachgehen konnten.
Im persönlichen Gespräch mit Hans Eisenmann spürt man deutlich, wie ihn die schrecklichen Kindheitserinnerungen nach wie vor innerlich aufwühlen. Er hat die Ruinen der Synagoge vor Augen, das dunkle Blau und die aufgemalten Sterne auf den Mauerresten, die Staubwolke bei der Sprengung.
Unter anderem aus diesem Grund hat sich der Ruheständler jetzt nach langem Zögern entschlossen, öffentlich das Wort zu ergreifen und sich in die seit Monaten andauernde Debatte um die künftige Nutzung des LEW-Areals einzuschalten.
'Ethisch absolut verwerflich'. Wie von unserer Zeitung vielfach berichtet, wollen Investoren neben dem früheren Synagogen-Standort einen gastronomischen Betrieb eröffnen. Das hat eine Kontroverse zwischen Gegnern und Befürwortern ausgelöst.
Eisenmann spricht sich entschieden gegen die Gastronomie-Pläne aus. Zusammen mit seinen beiden erwachsenen Kindern, die mittlerweile Eigentümer der Familienvilla sind, hat er seine Bedenken auch in einem Brief an die Stadt formuliert.
Darin heißt es unter anderem: 'Die Planung, auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge einen Biergarten zu errichten, ist unseres Erachtens ethisch absolut verwerflich, zudem politisch instinktlos.'
Als Augenzeuge fordert Dr. Hans Eisenmann Respekt vor der Geschichte ein: 'Sie darf nicht verdrängt und muss aufgearbeitet werden - nicht rückwärtsgewandt, sondern mit Blick in die Zukunft, auf kommende Generationen', betont der 78-Jährige.
Er kritisiert das Vorhaben am Schweizerberg aber auch aus städtebaulicher Sicht:
'Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass der Betonkubus des ehemaligen LEW-Gebäudes zu den architektonisch fragwürdigsten Objekten Memmingens zu zählen ist.' Deshalb würde er einen Abriss und den Erwerb des gesamten Areals durch die Stadt begrüßen.
Denn es gebe nach wie vor die 'große Chance', an diesem 'Eingangstor zur Altstadt' eine städtebauliche Aufwertung durch eine neue Bebauung vorzunehmen.
'Auch deswegen ergreife ich nun öffentlich das Wort: Weil ich verhindern will, dass dort etwas Falsches entsteht, das womöglich lange Zeit Bestand hat.'
Eisenmann macht keinen Hehl daraus, dass er und seine Familie die vorliegenden Gastronomie-Pläne auch noch aus einem dritten Grund ablehnen: Das Ensemble der bestehenden Villen am Kaisergraben sei schützenswert und müsse auch durch die Umgebung entsprechend gestärkt werden.
'Doch wenn nun 43 Parkplätze an der Grenze zu unserem Grundstück entstehen, sinkt dessen Wert. Dass wir da dagegen sind, ist legitim', unterstreicht Dr. Hans Eisenmann."
Video zum Streit um die künftige Nutzung
des Synagogengrundstückes aus "TVAllgäuNachrichten" -
eingestellt bei youtube.com:
August 2011:
Die Neubebauung des Grundstückes der ehemaligen
Synagoge erfolgt in Kürze
Artikel von Volker Geyer in der
"Memminger Zeitung" vom 9. August 2011 (Artikel):
"Memmingen.
Investoren rechnen mit baldiger Baugenehmigung für Gaststätte auf Memminger LEW-Areal
Im September wohl Baubeginn
Die Planung des Projekts hat im vergangenen Jahr zu einer monatelangen Debatte unter den Memmingern geführt. Dabei schieden sich die Geister an der Frage, ob im ehemaligen LEW-Gebäude neben dem Gedenkstein für die einstige Synagoge eine Brauereigaststätte samt Hotel eingerichtet werden soll. Letztlich gab der Stadtrat im Oktober mit 28:7 Stimmen grünes Licht für das Vorhaben. Allerdings wurden bis heute keine Bauarbeiter beim einstigen LEW-Gebäude gesichtet, das eine Investorengruppe erworben hat.
Laut deren Sprecher Josef Kurz sollen die Bagger aber demnächst anrollen.
'Wir rechnen noch im August mit der Baugenehmigung', sagt Kurz auf Nachfrage der Memminger Zeitung:
'Dann können die Arbeiten im Laufe des Septembers starten.'
Nach Kurz Worten hat sich das Baugenehmigungsverfahren vor allem aus zwei Gründen längere Zeit hingezogen: Zum einen mussten Schallgutachten eingeholt werden, da ein Nachbar eine zu große Lärmbelästigung befürchtet habe.
'Nun werden wir die Parkplätze hinter dem Gebäude zum Teil in Carports anlegen', sagt Immobilienkaufmann Kurz.
Zum anderen musste aus Sicherheitsgründen ein zweites Treppenhaus eingeplant werden,
'da wir mit Blick auf den Jahrmarkt einen weiteren Fluchtweg benötigen', erklärt der Investoren-Sprecher. Nun warte man nur noch auf die Baugenehmigung.
Sobald diese erteilt sei, werde mit den Abbrucharbeiten begonnen: 'Bis auf den Turm und sieben Garagen kommt alles weg.' Danach soll ein neues Gebäude für das Restaurant entstehen und ein Biergarten angelegt werden.
In den drei Obergeschossen des Turms sind 21 Hotelzimmer geplant. 'Wir hoffen darauf', sagt Kurz,
'dass wir den Rohbau noch dieses Jahr fertigstellen können'. Die Investitionskosten gibt er mit rund 3,2 Millionen Euro an.
Im Zuge der Umbauarbeiten möchte die Stadt die Fläche um den Gedenkstein für die ermordeten Memminger Juden von derzeit fünf auf etwa 180 Quadratmeter vergrößern.
Dabei soll unter anderem der Gedenkstein weg von der Straße weiter in das Gelände dahinter versetzt werden. Zudem ist geplant, die Gedenkstätte mit einer Wand vom künftigen Biergarten abzugrenzen. Moralische Bedenken. Hintergrund sind Bedenken der Gegner des Gastronomie-Projekts. Diese hatten im Vorfeld der entscheidenden Stadtratssitzung im vergangenen Oktober immer wieder betont, dass eine Gaststätte neben dem einstigen Standort der 1938 von den Nazis zerstörten Synagoge aus moralischen Gründen nicht tragbar sei.
Wann die Kommune mit der Errichtung der angedachten Parkanlage beginnt, steht laut Ulrich Wagner vom Stadtplanungsamt aber noch nicht fest. Schließlich müssten die Stadträte über deren Gestaltung noch beraten und entscheiden."
November 2011:
Gedenkstunde für Opfer der Nationalsozialisten
in Memmingen
Artikel in der Memminger Zeitung vom 11.
November 2011: "Gedenkstunde für Opfer der Nationalsozialisten in
Memmingen.
Nach Worten suchen. Sich mit der Sprache vorsichtig voran tasten. Begriffe
für das Unfassbare finden. Damit die Pogromnacht am 9. November 1938
niemals in Vergessenheit gerät. Aus diesem Grund haben sich an diesem
Abend rund 200 Menschen beim Gedenkstein am Schweizerberg versammelt. An
dem Ort also, wo bis zu jenen düsteren Novembertragen vor 73 Jahren die
jüdische Synagoge stand. Bis sie von den Nazis zunächst geschändet und
anschließend gesprengt wurde..." Link
zum Artikel
Sommer 2012:
Neue Bebauung des
Synagogengrundstückes
Die
aktuelle Entwicklung zur Gestaltung des Synagogengrundstückes kann einer Seite
des Jüdisch Historischen Vereines Augsburg entnommen werden: https://jhva.wordpress.com/tag/gaming/ Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Synagogengrundstückes wurde
das bisherige Denkmal komplett demontiert. Es soll wieder neu aufgestellt
werden.
Juni 2014:
In Memmingen werden "Stolpersteine"
verlegt
Pressemitteilung der Stadt Memmingen vom 30.
Juni 2014: "Künstler Gunter Demnig verlegt die ersten "Stolpersteine" in Memmingen
Anschließend Empfang im Rathaus - Eintrag in das Goldene Buch der Stadt
Auf Initiative des Vereins "Stolpersteine in Memmingen" mit dem Vorsitzenden Helmut Wolfseher und Schirmherr Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger hat der Kölner Künstler Gunter Demnig an drei Stellen in der Memminger Innenstadt (Kalchstraße 8, Herrenstraße 7 und Zangmeisterstraße 24) die ersten "Stolpersteine" verlegt. Die Gedenktafeln im Pflasterbelag erinnern an jüdische Bürgerinnen und Bürger, die der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum Opfer fielen. Beim anschließenden Empfang im Rathaus dankte Holzinger allen Beteiligten für den Beitrag zur Aufarbeitung "der dunkelsten Jahre der Stadtgeschichte"..." Link
zur Website der Stadt mit der ausführlichen Pressemitteilung und Fotos.
November 2014:
Gedenkstunde zum Novemberpogrom
1938 mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm
Artikel in vom 11. November 2014: "Memmingen
– 'Es geht um Werte' – Landtagspräsidentin Barbara Stamm spricht anlässlich
der Gedenkstunde zur Reichspogromnacht.
Die Präsidentin des Bayerischen Landtages, Barbara Stamm, hielt am 9.
November die Ansprache bei der Gedenkstunde zur Reichspogromnacht an der
Gedenkstätte der ehemaligen Synagoge am Schweizerberg. Oberbürgermeister Dr.
Ivo Holzinger empfing die Landtagspräsidentin zum Eintrag in das Goldene
Buch im Rathaus.
'Es ist mir eine besondere Freude, sie heute an diesem besonderen Tag in
Memmingen willkommen heißen zu dürfen', begrüßte Oberbürgermeister Dr. Ivo
Holzinger mit Barbara Stamm die Landtagspräsidentin mit weiteren Ehrengästen
vor der Gedenkstunde im Rathaus. Dr. Holzinger erinnerte in seinen
Grußworten an den Mauerfall vor 25 Jahren in der ehemaligen DDR. Es sei
bereits lange Tradition in Memmingen an der neu geschaffenen Gedenkstätte
der ehemaligen Synagoge ein ehrendes Gedenken durchzuführen, so Dr.
Holzinger. Der Oberbürgermeister dankte Stamm für die Unterstützung in ihrer
damaligen Funktion als Sozialministerin bei der Zusammenführung des
Stadtkrankenhauses mit dem Kreiskrankenhaus zum Klinikum Memmingen und
gratulierte nachträglich zum 70. Geburtstag. Präsidentin Stamm bedankte sich
für die Glückwünsche und den Empfang im Rathaus der Stadt. Ob als Ministerin
oder als Landtagspräsidentin sei es ihr immer darum gegangen, zum Wohle der
Mensch zu arbeiten und Heimat zu gestalten, betonte Stamm. 'Ich bedanke mich
besonders für das ehrenamtliche Engagement der Katholischen
Arbeitnehmerbewegung Memmingen-Unterallgäu (KAB), der Deutsch Israelischen
Gesellschaft (DIG) und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) als
Veranstalter der gemeinsamen Gedenkstunde', so Stamm weiter. Besonders der
jungen Generation gelte es, die Geschichte nahe zu bringen und so
Verantwortung wahrzunehmen. Neben dem Gedenken an die Gräuel des
Nazi-Regimes stehe der 9. November 2014 für den 25. Jahrestag des
Mauerfalls. 'Die Menschen in der ehemaligen DDR haben friedlich für ihre
Freiheit gekämpft und einiges riskiert', sagte Stamm. Deutschland sei heute
besonders gefordert, die demokratischen Werte und die Würde des Menschen
deutlich zu machen. 'Mit bestem Dank für den herzlichen Empfang verbunden
mit guten Wünschen für die Bürgerinnen und Bürger. Glück auf und Gottes
Segen!', schrieb die Präsidentin des Bayerischen Landtages in das Goldene
Buch der Stadt Memmingen. Im Anschuss fand die Gedenkstunde zur
Reichspogromnacht an der Gedenkstätte der ehemaligen Synagoge am
Schweizerberg statt. Seit vielen Jahren wird die Veranstaltung von der
Deutsch Israelischen Gesellschaft Memmingen, von der Katholischen
Arbeitnehmerbewegung Memmingen-Unterallgäu und dem Deutschen
Gewerkschaftsbund Schwaben organisiert."
Link zum Artikel
September 2015:
Weitere Verlegung von "Stolpersteinen"
in Memmingen
Am 12. September wurden an den folgenden
Orten weitere "Stolpersteine" verlegt (in der Reihenfolge der
Verlegung): Kalchstraße 19 (Josef Diefenthaler, nichtjüdisch), Ulmer Straße 28
(Karolina Laupheimer), Herrenstraße 7 (Anna Maria Guggenheimer geb.
Meitinger, Ursula Guggenheimer, Oskar Guggenheimer, Wally Guggenheimer
geb. Nussbaum, Klaus Wolfgang Guggenheimer), Schweizerberg 17 (Emil
Liffgens, Irma Liffgens geb. Goldheim, Lothar Liffgens), Moltkestraße 8
(Rosalie Günzburger), Moltkestraße 1 (David Laupheimer), Julius
Laupheimer, Jeanette Laupheimer geb. Strauss, Salo Laupheimer, Mathilde
Laupheimer geb. Strauss), Weberstraße 50 (Fritz Bürk, Karoline Bürk
geb. Wassermann, beide nichtjüdisch), Lindauerstraße 10 (Martin Mayrock,
nichtjüdisch), Kramerstraße 29 (Frieda Günzburger geb. Heilbronner), Kalchstraße 8
(Lotte Lore Guggenheimer verh. Michaelis, Fritz Heinrich
Guggenheimer Fred Grant).
Herbst 2016:
Weitere Verlegung von "Stolpersteinen"
in Memmingen
Oktober 2017:Auf den Spuren der Familie Heilbronner
Pressemitteilung der Stadt Memmingen vom
20.Oktober 2017: "Stadt Memmingen. Auf den Spuren der Familie Heilbronner.
Oberbürgermeister Manfred Schilder empfängt Judy Heilbronner-Avrin im
Rathaus – Ihr Vater und ihre Großeltern mussten vor den
Nationalsozialisten fliehen und emigrierten in die USA.
Judy Heilbronner-Avrin, Nachfahrin der jüdischen Memminger Familie Heilbronner, wurde von Oberbürgermeister Manfred Schilder im Rathaus empfangen.
'Wir sind froh über Ihren Besuch und heißen Sie sehr herzlich willkommen. Memmingen war die frühere Heimat Ihrer
Familie', begrüßte Oberbürgermeister Schilder die Tochter von Walter Heilbronner, der 1928 als 14-Jähriger vor den Repressalien der Nationalsozialisten in die Schweiz fliehen konnte und mit seinen Eltern und seinem Bruder Hans über London nach Amerika emigrierte.
'Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Dunkle und grausame Dinge geschahen und wir haben keine Möglichkeit, sie ungeschehen zu machen. Aber wir können uns erinnern, wir können der Opfer gedenken und wir dürfen niemals
vergessen', betonte Schilder. Um die Geschichte ihrer Familie zu erforschen, meldete sich Judy Heilbronner-Avrin vor kurzem aus den USA beim Memminger Stadtarchiv. Zufällig traf ihre Kontaktaufnahme mit der Verlegung von vier Stolpersteinen vor dem Haus Kalchstraße 47 für ihren Vater, ihren Onkel und ihre Großeltern zusammen. Schilder stellte Judy Heilbronner-Avrin und ihrer begleitenden Freundin Sharon Fromm-Goldstein das Projekt der
'Stolpersteine' vor, die in vielen Städten Deutschlands verlegt werden, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Auch Helmut Wolfseher, Vorsitzender des Vereins Stolpersteine in Memmingen e.V., ließ sich durch Krankheit nicht abhalten, Judy Heilbronner-Avrin persönlich zu begrüßen.
Judy Heilbronner-Avrin kam für ihre Studien im Stadtarchiv zum ersten Mal nach Memmingen. Ihr Vater, Walter Heilbronner, erzählte sie, wurde in den USA Professor für deutsche Literatur."
November 2018:
Am 11. November 2018 fand die
5. Verlegung von "Stolpersteinen" in Memmingen statt. Seitdem
liegen 113 "Stolpersteine" an 42 Adressen im gesamten Stadtgebiet.
Oktober 2019:
Schülerinnen und Schüler
übernehmen die Patenschaft für "Stolpersteine"
Artikel in "new-facts.eu" vom 8. Oktober
2019: "Memmingen | Schüler der Staatlichen Realschule übernehmen
Patenschaft für 'Stolpersteine'.
Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Realschule übernehmen Patenschaft
für 'Stolpersteine' in Memmingen. Engagement mit Urkunde feierlich besiegelt. Schülerinnen und Schüler
der Staatlichen Realschule Memmingen übernehmen die Patenschaft für die in
Memmingen verlegten 'Stolpersteine', mit denen der Opfer des
Nationalsozialismus gedacht werden soll. Helmut Wolfseher, Vorsitzender des
Vereins 'Stolpersteine in Memmingen', und Schirmherr Oberbürgermeister
Manfred Schilder überreichten den Schülersprechern Paul Braunmiller, Julia
Pfalzer und Thomas Weiland bei einem Empfang im Rathaus im Beisein des
Schulleiters Jörg Link und des Geschichtslehrers Simon Stein eine Urkunde
über die Patenschaft und dankten für das Engagement.
'Es ist unsere Verantwortung, die Erinnerung an die Opfer des
Nationalsozialismus wach zu halten', sagte der Oberbürgermeister. Die in
Memmingen bisher verlegten 113 'Stolpersteine' würden dazu einen wichtigen
Beitrag leisten. Schilder dankte dem Vorsitzenden des Vereins 'Stolpersteine
in Memmingen' Helmut Wolfseher, 'der sich mit großer Energie und
unermüdlicher Leidenschaft für dieses wichtige Thema einsetzt'. Dass gerade
junge Menschen mit der Patenschaft die Pflege der 'Stolpersteine' übernähmen
und sich dadurch mit dem Thema befassten, sei eine 'großartige Geste und
sehr erfreulich'. Er lobte das wertvolle Engagement und wünschte den
Schülerinnen und Schülern für ihre neue Aufgabe alles Gute.
'Die Staatliche Realschule hat die Initiative ergriffen und ist mit der Idee
der Patenschaft auf uns zugekommen', berichtete Wolfseher und dankte dem
Schulleiter Jörg Link für das Engagement. Die Pflege der Steine sei damit in
guten Händen und für die Zukunft gesichert, freute sich der Vorsitzende.
'Ziel ist es, selbst aktiv zu werden und einen kleinen Beitrag zum Projekt
Stolpersteine zu leisten', erklärte Jörg Link. Neben der Reinigung und
Pflege der Steine werde die Aufmerksamkeit auch auf die Verlegestellen im
Stadtgebiet und auf die Namen und Biografien der Opfer des
Nationalsozialismus in Memmingen gelegt. Im Unterrichtsfach Geschichte solle
in den 9. und 10. Klassen auch das persönliche Schicksal der Personen eine
bedeutende Rolle spielen, so der Lehrer Simon Stein.
'Im Jahr 2020 wird Gunter Demnig das nächste Mal nach Memmingen kommen, um
weitere Stolpersteine zu verlegen', kündigte Wolfseher an. "
Link zum Artikel
Dezember 2019:
Der 75.000 "Stolperstein" wird in
Memmingen verlegt
Anmerkung: der 75.000ste "Stolperstein" wurde vor dem früheren Haus des
Ehepaares Rosenbaum in der Kalchstraße 11 verlegt, in dem sich heute die
Kanzlei von Christoph Maier, dem parlamentarischen Geschäftsführer der AfD
im Landtag und Vertreter des völkischen "Flügels" der Partei befindet.
Artikel in der "Jüdischen Allgemeinen" vom
28. Dezember 2019: "Memmingen. 75000. Stolperstein wird heute verlegt
Der Stolperstein erinnert künftig an das Schicksal des jüdischen Ehepaars
Martha und Benno Rosenbaum
In Deutschland und zahlreichen weiteren Ländern Europas wird mit den
sogenannten Stolpersteinen an die Opfer der Nazi-Diktatur erinnert. Nun will
der Initiator des Projekts, der Künstler Gunter Demnig, am Sonntag (11.00
Uhr) in Memmingen den 75 000. Stolperstein verlegen. Die Steine werden mit
einer kleinen Messingplatte versehen, die biografische Angaben über die
Opfer enthalten. Die Stolpersteine werden dann vor den früheren Wohnhäusern
der Verfolgten des Naziregimes in den Bürgersteig eingelassen. Demnig
arbeitet seit den 1990er Jahren an dem Stolperstein-Erinnerungsprojekt, in
Deutschland gibt es nach Angaben des Künstlers die kleinen Gedenksteine in
mehr als 1250 Gemeinden.
In Memmingen werden seit 2014 Stolpersteine verlegt, mittlerweile sind mehr
als 100 Stück im Stadtgebiet zu finden. Der Jubiläumsstein und ein weiterer
Stolperstein erinnern künftig an das Schicksal der jüdischen Familie
Rosenbaum, berichtete der Verein Stolpersteine in Memmingen. Die Steine
werden vor dem früheren Wohnhaus von Martha und Benno Rosenbaum verlegt."
Link zum Artikel
Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" vom 1.
Januar 2020: "Gedenken. Wo die Rosenbaums vor ihrer Flucht wohnten..."
Link zum Artikel
Januar 2023:
Weitere Verlegung von "Stolpersteinen" in Memmingen
Artikel (Quelle: Stadt Memmingen) in
all-in.de vom 31. Januar 2023: "Zum Holocaust-Gedenktag. "Stolperstein"-Verlegung
in Memmingen: Nachfahren jüdischer Vertriebener waren dabei
Seit neun Jahren werden in Memmingen "Stolpersteine" zum Gedenken an die in
der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten oder verfolgten Mitbürgerinnen
und Mitbürger verlegt. Weitere Steine wurden nun am Holocaust-Gedenktag zur
Erinnerung an die aus Memmingen vertriebenen Angehörigen der Familien
Feibelmann und Rosenbaum verlegt. Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Memmingen. Vor der feierlichen
Verlegung wurden die Nachfahren der Familien zum Empfang ins Rathaus
geladen, bei dem diese sich auch in das Goldene Buch der Stadt eintrugen.
Schon im Rathaus bedankte sich Oberbürgermeister Manfred Schilder bei den
Familien für ihr Kommen und die dadurch ausgedrückte Wertschätzung. Dabei
mahnte er, dass nur Toleranz gegenüber allen Menschen, Gräueltaten, wie sie
im Nationalsozialismus geschehen sind, verhindern könne. Botschaft gegen das Vergessen. Eli Berman, Sohn von Hilde Rosenbaum,
die 1915 in Memmingen geboren wurde, sprach ebenfalls beim Empfang und
betonte wie sein Vorredner: "Erinnern Sie sich – vergessen Sie nicht!" Das
sei die Botschaft seiner Familie an die jetzige und auch die nächste
Generation. Schmähungen und Drohungen in der Nazi-Zeit. Die Gäste, die
überwiegend aus Israel angereist waren, wurden nach dem Empfang durch die
Ausstellung "Feibelmann muss weg" im Hermansbau geführt. Diese beschäftigte
sich mit Jakob Feibelmanns Biografie und den Drohbriefen, Schmähpostkarten,
Schmierereien am Haus und Ähnlichem, dem er und seine Familie über Monate
hinweg in der Herrenstraße in Memmingen im Jahr 1933 ausgesetzt waren.
Gemeinsam mit seiner Frau Irma, Sohn Heinz und Tochter Maria flüchtete er
schließlich nach Palästina. Drei Generationen kamen jetzt nach Memmingen. Rolf Spitz,
Vorsitzender des Vereins Stolpersteine e.V. in Memmingen unterstrich, dass
die Stolpersteine eine eigene Form der Erinnerung darstellen: "Sie sind ganz
besondere Mahnmale, da sie im öffentlichen Raum das Gedenken an die Opfer
lebendig halten." Auch ein großer Teil der Familie Rosenbaum, deren Villa
bis 1975 dort stand, wo später die Gebäude des Vöhlin-Gymnasiums errichtet
wurden, war nach massiven Anfeindungen und zum Teil Haft und Folter, nach
Palästina ausgewandert. Drei Generationen der Nachkommen von Wilhelm
Rosenbaums Töchtern Hilde und Gertrud waren nun zur Verlegung der
Gedenksteine nach Memmingen gekommen.
Insgesamt sind nun 130 "Stolpersteine" als Gedenksteine an die Opfer der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Memmingen verlegt worden.
Organisiert werden die Verlegungen vom Verein Stolpersteine in Memmingen
e.V. in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Realschule Memmingen, die eine
Patenschaft für die Steine übernommen hat."
Link zum
Artikel in all-in.de
Oktober 2024:
10. Verlegung von
"Stolpersteinen" in Memmingen
Artikel
im Merkur.de vom 18. Oktober 2024: "Gegen das Vergessen: 10.
Stolperstein-Verlegung für Opfer des Nazi-Regimes in Memmingen.
Bei der zehnten Verlegung von sogenannten Stolpersteinen in Memmingen wurden
diesmal insgesamt acht Gedenksteine verlegt. Gunter Demnig, der Initiator
und Künstler hinter diesem größten dezentralen Mahnmal der Welt, war
persönlich anwesend.
Foto links von Manuela Frieß von der Pressestelle der Stadt Memmingen:
Stolpersteine in der Crusiusstraße 14 für das Ehepaar Grünfeld mit einem
Foto neben dem Gedenkstein. Memmingen – Oberbürgermeister Jan Rothenbacher, Schirmherr der
Verlegung, lobte diese einzigartige Gedenkarbeit: 'Es braucht nicht immer
große Mahnmale. Durch die Verlegung dieser vermeintlich kleinen Steine,
erobert sich die Erinnerung an die Opfer den öffentlichen Raum.' Zusätzlich
betonte er, dass dieses Gedenken weiter am Leben erhalten werden müsse, um
die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen! Insgesamt sind in
Memmingen an zehn Terminen 138 'Stolpersteine' als Gedenksteine an die Opfer
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verlegt worden.
10. Stolperstein-Verlegung für Opfer des Nazi-Regimes in Memmingen.
Organisiert werden die Verlegungen vom Verein Stolpersteine in Memmingen
e.V. in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Realschule Memmingen, die eine
Patenschaft für die Pflege der Steine übernommen hat. Auch diesmal hatten
die Schüler und Schülerinnen die Verlegung mit der Verlesung der Biografien
und Geigenmusik feierlich mitgestaltet. Angehörige der Opfer sowie
Mitglieder des Vereins gedachten den Männern und Frauen, die diskriminiert,
verfolgt und zum Teil getötet wurden.
Von den zehn neuen Steine sind für drei/vier für jüdische Personen /
Angehörige:
In der Sedanstraße 2 erinnern zwei Steine an das Ehepaar Ignaz und Hedwig
Gutmann. Er wurde 1938 ins KZ Dachau und 1945 nach Theresienstadt verbracht,
wo er nach dem Krieg befreit wurde. Seine Frau Hedwig wurde wegen der Ehe
mit einem Juden während des Nazi-Regimes ausgegrenzt und drangsaliert. Die
beiden wohnten nach dem Krieg bis zu ihrem Tod in Memmingen.
In der Crusiusstraße 14 erinnern zwei Steine an Theodor und Hermine
Grünfeld. Theodor wurde 1938 kurz ins KZ Buchenwald gebracht, später, mit
seiner nichtjüdischen Frau gezwungen, immer wieder die Wohnung zu wechseln.
1945 wurde Theodor Grünfeld nach Theresienstadt deportiert, von dort kam er
nach dem Krieg zurück zu seiner Frau nach Memmingen."
Link zum Artikel vgl. Pressemitteilungen zu "Stolpersteinen"
in Memmingen
https://www.memmingen.de/suche.html?tx_solr%5Bq%5D=Stolpersteine
zur 10. Verlegung:
https://www.memmingen.de/aktuell-presse/nachrichten-und-termine/pressemeldungen/singlenews-presse/news/detail/News/das-gedenken-am-leben-erhalten.html
Germania Judaica II,2 S. 534-535; III,2 S. 858-860.
Julius Miedel: Die Juden in Memmingen: aus Anlass der Einweihung
der Memminger Synagoge verfasst. Memmingen 1909.
Die Publikation ist online
zugänglich.
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 480-483.
Michael Trüger: Der jüdische Friedhof in
Memmingen / Schwaben. In: Der Landesverband der Israelitischen
Kultusgemeinden in Bayern. 16. Jahrgang Nr. 85 vom April 2001 S. 17.
Gernot Römer: Die Austreibung
der Juden aus Schwaben. Schicksale nach 1933 in Berichten, Dokumenten,
Zahlen und Bildern. Augsburg 1987.
ders.: Der Leidensweg der Juden in
Schwaben. Schicksale von 1933-1945 in berichten, Dokumenten und Zahlen.
Augsburg 1983.
ders.: Schwäbische Juden. Leben und
Leistungen aus zwei Jahrhunderten. Augsburg 1990.
"Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern.Band I:
Oberfranken - Oberpfalz - Niederbayern - Oberbayern - Schwaben.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-98870-411-3.
Abschnitt zu Memmingen S. 504-510 (die Forschungsergebnisse
konnten auf dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch
nicht eingearbeitet werden).
"Ma
Tovu...". "Wie schön sind deine Zelte, Jakob..." Synagogen
in Schwaben. Mit Beiträgen von Henry G. Brandt, Rolf Kießling,
Ulrich Knufinke und Otto Lohr. Hrsg. von Benigna Schönhagen.
JKM Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben. 2014. Der Katalog erschien zur Wanderausstellung "Ma Tovu...".
"Wie schön sind deine Zelte, Jakob..." Synagogen in Schwaben des
Jüdischen Kultusmuseums Augsburg-Schwaben und des Netzwerks Historische
Synagogenorte in Bayerisch-Schwaben.
"Ewige Namen gebe ich ihnen..." (Jesaja 56,6).
Gedenkheft für die jüdischen Frauen, Männer und Kinder aus Memmingen, die in
der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, verschleppt und ermordet wurden.
Materialien zur Memminger Stadtgeschichte. Reihe B: Forschungen. Hrsg. vom
Stadtarchiv Memmingen (eingestellt
als pdf-Datei).
Anton
Zanker (Hrsg.): Die Juden im Illertal. Darin auch: Julius Miedel:
Die Juden in Memmingen. Hermann Rose: Geschichtliches der
Israelitischen Kultusgemeinde Altenstadt. Frühe Texte u.a./ Edierte Fassung
Memmingen, Altenstadt, Fellheim, Osterberg. Hardcover 688 S.
Verlag BoD - Books on Demand. Norderstedt 2021. ISBN 978-3-7534-2473-6.
Informationsseite des Verlages mit Leseprobe
Anmerkung: Neben zwei frühen Texten, die vor dem Drama der Intoleranz
entstanden, nämlich von Julius Miedel und Hermann Rose, werfen auch heutige
Autoren auf die Geschichte vor der Geschichte der Juden im Illertal, in der
Region zwischen Kempten und Altenstadt / Iller.
Memmingen Swabia. Jews are first
mentioned in he second half of the 13th century. The community was destroyed in
the Black Death persecution of 1348-49 when the Jews were burned alive. Jews
returned later in the century but by the end of the 15th century none remained.
Only with the Bavarian annexation of 1802 were restrictions lifted on the
presence of Jews for purposes of trade and only in 1862 was permament residence
permitted. Jews contributed significantly to the economic development of the
city, opening factories (knitted goods, aluminum, cheese) and dominating the
horse and cattle trade. The Jewish population grew to 203 (total 9,600) in 1890.
In 1933, 161 Jews remained. In 1933-38, 47 Jews left, 25 of them emigrating. On
Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was wrecked with the
participation of local schoolchildren and 23 Jewish homes were destroyed. A
number of Jews were also sent to the Dachau concentration camp. In summer 1940,
the remaining Jews were ghettoized in five homes (later reduced to two
apartments). Another 57 left in 1939-41, with 42 emigrating from Germany. The
community was liquidated in 1942: 22 Jews were deported to Piaski (Poland) on 3
April after being held at the Milbertshofen camp near Munich and at least 12
others were sent to the Theresienstadt ghetto. By 1947, 125 Jews, mostly
concentration camp survivors, hat gathered in the city; most emigrated soon
after.
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