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Urbach (Westerwald)
mit Linkenbach und Raubach (VG
Puderbach, Kreis
Neuwied)
sowie Horhausen (Westerwald) (VG Flammersfeld, Kreis Altenkirchen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Anmerkung: Urbach besteht aus den (bis 1969) selbständigen Gemeinden
Urbach-Kirchdorf und Urbach-Überdorf. Zum "Kirchspiel Urbach"
gehörten neben den beiden genannten Orten Dernbach, Linkenbach, Harschbach und
Niederhofen.
In Urbach bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. Erstmals werden 1742 drei "Schutzjuden" (vermutlich
mit Familien genannt): Michael, Amschel und Coppel; 1767 sind es zwei jüdische
Einwohner/Familien. Die Urbacher Juden gehörten zunächst zur Gemeinde in Puderbach.
Erst um 1813 bildete sich eine eigene Gemeinde in Urbach, zu der nun die
in Raubach, später auch die in Linkenbach und Horhausen lebenden jüdischen
Familien gehörten.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1811 19 (im Kirchspiel Urbach, die meisten in Urbach), 1852 39 (im
Kirchspiel, in fünf jüdischen Familien), 1858 27, 1895 22, 1908 30.
1811 waren die jüdischen Familien in Urbach: Familie Jakob Leib mit Frau
Greile und den Kindern Jacob, Sprinzche und Herta; Familie Jacob Moses mit Frau
Ella und den Kindern Jacob, Aron, Abraham, Sprinzche und Esther; Familie Jonas
Heijm mit Frau Gerdel; Familie Samuel Jakob mit Frau Hendel und den Kindern
Seligman, Erile und Reile. Die Familien lebten damals vom Vieh- und Warenhandel,
Samuel Jakob vom Schlachten. Später erlernten einige Jüngere Handwerksberufe.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule) und möglicherweise ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde
wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Puderbach beigesetzt.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Julius Levi (geb.
14.5.1891 in Urbach-Kirchdorf, gef. 23.8.1917) und Ferdinand Jakob (geb. 30.11.1893 in
Urbach-Kirchdorf, gef. 6.9.1914). G. Ebbinghaus nennt als Gefallene die Brüder Julius
Jakob (gef. 23.8.1917) und Konstantin Jakob (gef. 1916). Der Unterschied konnte
noch nicht geklärt werden.
Die jüdischen Familien am Ort waren weitestgehend integriert und engagierten
sich auch im allgemeinen Vereinsleben. Markus Michel war Mitglied des
Kriegervereins. Er und sein Sohn Alfred waren 1922 Mitbegründer des Urbacher
Turnvereins, deren erster Vorsitzender er ist. Sigmund Jakob war Mitglied im Gesangverein
und sang selbstverständlich an Weihnachten auch in der Kirche mit. Vom Gewerbe
her war Markus Michel als Viehhändler tätig. Die Geschwister Levi hatten einen
Kleinvieh-, Fell-, Lumpen- und Kurzwarenhandel. Siegmund Jakob lebte vom
Kleinviehhandel mit Kälbern, Schafen und Ziegen.
1925 wurden noch 24 jüdische Einwohner am Ort gezählt.
1933 lebten noch die folgenden jüdischen Personen im Kirchspiel Urbach:
in Urbach Sigmund Jakob, Else Jakob, Franziska Jakob, Jakob Levi,
Karoline Levi, Sara Levi, Markus Michel, Hedwig Michel, Alfred Michel, Moritz
Michel, Erna Michel, Dieter Michel, Irmhild Michel; in Linkenbach:
Arnold Simon und Karoline Simon; in Horhausen:
Sigmund Kahn, Lina Kahn, Betty Kahn; in Raubach:
Heinrich Löb, Leopold Löb, Käthe Löb, Henriette Löb, Hedwig Löb, Johanna
Jonas, Julius Jonas, Else Jonas.
In
den folgenden Jahren ist ein Teil der genannten Personen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Auswandern konnten: u.a. aus Urbach die Familie Michel
nach Argentinien, Franziska Jakob nach Großbritannien: aus Horhausen Betty Kahn
in die USA, aus Raubach Familie Löb in die USA, Else und Julius Jonas nach
Argentinien. Anfang November 1938 wohnten noch sieben jüdische Personen in
Urbach. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.).
Auch die jüdischen Wohnhäuser des Ehepaares Markus Michel und der Geschwister
Levi wurden in Brand gesteckt und brannten bis auf die Grundmauern ab; das Haus
des Ehepaares Jakob wurde von der Brandstiftung verschont mit Rücksicht auf das
anstoßende Nachbarhaus, doch ist es völlig zerstört worden. Selbst mit den
Hühnern im Garten wurde "Fußball gespielt", bis sie tot waren. Die
bisherigen jüdischen Einwohner wurden in das Haus des Albert Aron in der
Steimeler Straße 2 in Puderbach
eingewiesen.
Von den in Urbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Else Jakob (), Sigmund
Jakob (1884), Karoline Levy (), Heinrich Levy (1877), Jakob Levy (1875), Sarah
Levy (), Alfred Michel (1903), Hedwig Michel (1874), Markus Michel
(1872).
Die Namen stehen auf einer Gedenktafel, die am 11. November 1979 an der
Friedhofshalle in Puderbach angebracht wurde.
Aus Horhausen sind umgekommen: Rosalie Gottschalk geb. Kahn (1878),
Salomon Kahn (1883), Siegmund Kahn (1879).
Aus Raubach ist umgekommen: Friedrich Jonas (1890).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Spendensammlung für eine verarmte
jüdische Familie in Urbach (1905)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 2. Februar 1905: "Bitte!
Mildtätige Glaubensgenossen werden gebeten, die Not einer im Nachbarorte
Urbach in großer Not lebenden Familien lindern zu helfen. Die
Unterzeichneten nehmen Gaben entgegen und werden darüber an dieser Stelle
quittieren.
Dierdorf, Bezirk Koblenz, den 29. Januar 1905.
S. Herz, Vorsteher - A. Ginsberg, Lehrer." |
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Anzeige
in "Israelitisches Familienblatt" vom 23. Februar 1905: "Quittung.
Für die notleidende Familie in Urbach gingen ein:
Aus Dierdorf insgesamt 19,50 Mark, von
H. Jacob in Moringen 3, A. Metzger in Schönstadt 3, A. Binheim in Sarstedt
1,05, A.M. in Arnsberg 2, S. Pantiel in Iwitz 3, L. Comar in Mogilno 2,
'Ungenannt' in Hattstadt 2, A.
Leffmann in Ronsdorf 3,06, K. Apfel in Bebra
3, aus Gelsenkirchen: L. S. 1, Ph. Baum 5, N.N. in Nienburg 1,50, N.N. in
Borgholzhausen 1, 'Ungenannt' in Metz 3, Lehrer Schonunger in
Kleinheubach 2, M. Heilbrunn in
Brakel 2, N.N. in Klein-Krotzenburg
5, J. Bamberger in Hachenburg 3,
'Ungenannt' in Lugnien, J. Oppenheimer in
Gemmingen 4, aus Mendt: F. Heilberg 3, Lehrer Bär 1, S. Heilberg 3, K.
Grünewald in Lampertheim 1, K.
Freitag in Erfelden 3, L. Cahn in
Camberg 3, H.L. In
Montabaur 1, M. van Geldern in Köln 3,
N.N. in Rexingen 1, L.S. in C. 2, H.H.
in Barmen 3, M. Bermann in Ludweiler 5, Th. Harf in Seibersberg 3, N.N. im
Kempen 1,05, Frau J. Dreifuß in Karlsruhe
1. Insgesamt 103,15 Mark.
Herzlichen Dank allen Gebern!
Dierdorf, Bezirk Koblenz, den 19. Februar 1905.
S. Herz, Vorsteher A. Ginsberg, Lehrer."
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Weitere Spendensammlung für eine
verarmte Familie in Urbach (1911)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 15. Dezember 1910:
"An meine Glaubensbrüder, deren Wohltätigkeitssinn sich zu allen Zeiten
bewährt hat, wende ich mich mit der
Bitte,
durch Spenden die Not einer im benachbarten Urbach wohnenden armen, von
Krankheit heimgesuchten Familie lindern zu helfen. Über die eingehenden
Spenden wird an dieser Stelle quittiert werden.
Dierdorf, Bezirk Koblenz, den 4. Dezember 1910. A. Ginsberg, Lehrer"
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Anzeige
in "Israelitisches Familienblatt" vom 5. Januar 1911: "Quittung.
Für die notleidende Familie in Urbach gingen bei mir folgende Spenden ein:
N.N. - Kempen (Posen) Mark 5, N. Schubiner - Gembitz 3, Is. Hildesheimer -
Schlüsselburg5, P. Luf - Lubschau 2, G. Simons sen. - Jüchen 2,50, M. Schmul
- Janowitz 5, N.N. - Norgholzhausen 1, L. Stern- Usingen 3, A. Powitzer -
Posen 3, N.N. - Lippstadt 1,50, E. Fribourg - Metz 3, B.S. - Michelstadt 3,
Frl. Sch. - Aschaffenburg 2, A. Frank - Willmars 3, Frau L. Leseritz -
Iserlohn 20, Gundersheimer - Kleinheubach 5, Frau Salomon - Kruft 3, B. Wolf
- Niederstetten 2, S. Höchster - Lauterbach 10, M. Levi - Gymnich 3, Lehrer
Loew - Viernheim 2, Frau Lieben - Kreuznach 3, H. S. - Kanowitz 4, S. Levy
II - Polch 4, N.N. - Buer 1.50, J. Grünebaum - Altenkirchen 3, J. Levy -
Gymnich 1, F. P. - Detmold 1.05, Witwe M. Bär - Wissen 5, Witwe H. Bär
- Hamm a.S. 4, A. Katz - Dormagen 3, Ungenannt - Welwer 1, H. Freudenberger
- Heßdorf 3, J. Baum - Osann 3, A. R's - Ullrichstein 2, J. Stein - Dausenau
2, N.N. - Nieheim 1, M. Harf - Seibersach 3, B. Apfel - Bebra 4, A. R. -
Herbstein 3.
Allen Spendern herzlichen Dank. Dierdorf, Bezirk Koblenz, 2. Januar
1911. A. Ginsberg, Lehrer." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und
Privatpersonen
Anzeige von Moses Levi in Urbach bei Dierdorf
(1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Februar 1904:
"Für meinen Sohn, der sehr groß und stark ist, suche Stelle
bei einem Viehhändler.
Moses Levi, Urbach bei Dierdorf
(Westerwald)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war eine Betstube vorhanden, die erstmals 1823
genannt wird. Die Betstube war etwa 30 qm groß (5,70 m breit, 5,25 m lang, 2.04
m hoch und wurde auch von den Juden des
Kirchspiels Urbach sowie von den beiden jüdischen Familien aus Horhausen und
Raubach besucht.
Zwischen 1900 und 1914 wurde gegenüber der evangelischen Kirche ein Synagogenbau
erstellt. Finanziert wurde der Bau vermutlich vor allem durch die beiden
wohlhabenden jüdischen Bürger Moses Moses und Tobias Jakob. Bei der Synagoge
handelte es sich um einen etwa 6 mal 5,50 m großen Saalbau, der aus
Ziegelsteinen erstellt wurde. Im Inneren befand
sich eine Frauenempore vor der Westwand. Nicht eindeutig ist die Form der
Fenster, entweder Rundbogenfenster oder gotische Fenster.
Einweihung einer Torarolle in der
Synagoge (1920)
Artikel
in "Jüdischer Bote vom Rhein" vom 9. Juli 1920: "Urbach-Kirchdorf.
Kürzlich fand in unserer kleinen Gemeinde das seltene Fest einer Toraweihe
statt. Herr Heinrich Löb aus Raubach hatte dankbaren Herzens gegen
den Weltenlenker eine Torarolle gestiftet. Die Weihe vollzog Herr Lehrer
Ginsberg aus Dierdorf. An die
synagogale Feier schlossen sich Konzert und Tanz." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch ein Rollkommando aus
Puderbach unter Leitung des SS-Führers Piroek überfallen und angezündet. Dabei brannte der Dachstuhl aus. Die Samtvorhänge
konnten gerettet werden. Das Synagogengebäude wurde wenig später abgebrochen.
Auf dem Grundstück beziehungsweise der unmittelbar anschließenden Parzelle wurde ein Gebäude der Raiffeisenbank erstellt.
Adresse/Standort der Synagoge: Gegenüber
der evangelischen Kirche im "vorderen Dorf"
Fotos
(Quelle: Landesamt s. Lit. S. 372; die
Rekonstruktionszeichnungen wurden erstellt von Hans Hoffmann Urbach (2002);
unklar ist, ob die Fenster mehr gotischen Stil hatten; das Fenster im Bereich
der Apsis des Toraschreines ist unwahrscheinlich)
Rekonstruktionszeichnungen
der
Synagoge in Urbach |
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Ansicht der Synagoge von Osten
mit Blick
auf die Apsis des Toraschreines
(Anm.: der jedoch vermutlich
kein Fenster hatte) |
Blick auf die Synagoge von
Norden,
links die Apsis des Toraschreines
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Blick von Süden mit Eingang
in den Betraum der Männer
im Erdgeschoss und Aufgang zur Frauenempore |
Grundriss der Synagoge
auf
Höhe der Frauenempore |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Gerhard Ebbinghaus: Die Geschichte der Juden in
Urbach / Westerwald. In: SACHOR. Beiträge zur jüdischen Geschichte in
Rheinland-Pfalz. 2/1993 Heft Nr. 5 S. 62-72. Online
zugänglich (als pdf-Datei eingestellt, 15,1 MB). |
 | Albert Hardt: Juden im Umland von Puderbach. In: Vom
Holzbach zur Wied. Puderbach 1992 S. 131-146. online
zugänglich. |
 | Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 373-373 (mit weiteren Literaturangaben).
|
n.e.

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