Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Klein-Krotzenburg (Gemeinde Hainburg, Kreis Offenbach)
Jüdische Geschichte / Synagoge
 
(erstellt unter Mitarbeit von Thorwald Ritter)

Übersicht:   

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
Weiteres Dokument      
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
    
In Klein-Krotzenburg bestand eine jüdische Gemeinde von 1871 (Gründung der Gemeinde) bis 1938/42. Bereits seit dem 17./18. Jahrhundert lebten Juden am Ort: 1680 wird ein Jude mit Namen Raphael in Klein-Krotzenburg genannt, der ein Wiesengrundstück an einen Bauern in Seligenstadt verkaufte. 1724 bis 1728 lassen sich in alten Gemeinderechnungen wiederum jüdische Personen in Klein-Krotzenburg nachweisen. Es waren die Familien Stein und Rosenthal, die somit zu den ersten jüdischen Familien am Ort gehörten. 
  
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie folgt: 1815 zwei jüdische Familien, 1828 16 jüdische Einwohner, 1861 25 (2,3 % von insgesamt 1.103 Einwohnern), 1880 37 (2,2 % von 1.668), 1900 33 (1,6 % von 2.032), 1910 32 (1,4 % von 2.325).
  
Unter den Gewerbebetrieben in jüdischem Besitz ist u.a. die Zigarrenfabrik der Brüder Rosenthal zu nennen: Aron und Josef Rosenthal übernahmen 1891 die Firma J.M. Kopp. Zunächst hatten sie drei bis fünf Arbeiter. 1893 wurde ein neues Fabrikgebäude erstellt. In den besten Zeiten der Firma wurden bis zu 500 Personen beschäftigt. Josef Rosenthal verstarb 1919, danach war Aron Rosenthal Firmeninhaber. Max Rosenthal war nach der Gemeindegründung 1871 der erste Vorsteher der jüdischen Gemeinde.   
  
An Einrichtungen bestand seit 1913 eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (Raum zum Abhalten des Religionsunterrichtes), eine Mikwe (rituelles Bad) sowie ein eigener Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war vermutlich zu keiner Zeit ein eigener Religionslehrer (zugleich Vorbeter und Schochet) angestellt. Den Religionsunterricht der nur wenigen schulpflichtigen jüdischen Kinder übernahm ein auswärtiger Lehrer. Die jüdische Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Offenbach. 
    
Im Ersten Weltkrieg fiel als der jüdischen Gemeinde Moritz Vyth (geb. 19.1.1876 in Calcar, gef. 24.8.1917). Von den anderen jüdischen Kriegsteilnehmern aus Klein-Krotzenburg starb Moses Mayer an den Kriegsfolgen.   
   
Um 1924, als 30 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (1 % von etwa 3.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der jüdischen Gemeinde Max Rosenthal (Metzgermeister; er war bereits zur Zeit der Synagogeneinweihung Gemeindevorsteher) und S. Neuburger. Als "ehrenamtlicher Kultusbeamter" war Lehrer L. Oppenheimer aus Groß-Steinheim in der Gemeinde tätig, wo er seine Hauptstelle als Lehrer, Kantor und Schochet hatte. Oppenheimer unterrichtete das damals einzige schulpflichtige jüdische Kind in Klein-Krotzenburg in Religion. 1932 war weiterhin Max Rosenthal, nun zusammen mit Herz Stein Vorsteher der Gemeinde. Ein Herr Gutmann ist als Schatzmeister eingetragen. 
  
1933 lebten noch 30 jüdische Personen in acht Familien in Klein-Krotzenburg. Zur Gemeinde gehörte auch die in Hainstadt lebende Familie Rollmann. Die zweite Hainstädter Familie Löb blieb der Gemeinde in Steinheim verbunden. 1934 wurde die Zigarrenfabrik Rosenthal "arisiert".
Beim Novemberpogrom 1938 wurde durch SA-Leute nicht nur die Synagoge geschändet und im Inneren völlig zerstört (s.u.), es sind auch die Wohnungen der letzten jüdischen Familien völlig verwüstet und die jüdischen Männer unter Verhöhnungen wie Vieh - einer musste eine Kuhglocke läuten - im Schulhof zusammengetrieben worden. 1939 verließen die letzten jüdischen Familien Klein-Krotzenburg: die Familie Stein aus der Kettelerstraße 3 und die Familie Vyth und Hirschmann aus der Erzbergerstraße 26 zogen im Juli 1939 nach Frankfurt (Dina Vyth wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert); die Familie Max Rosenthal (Friedrich-Ebert-Straße 26) zog nach Karlsruhe (später nach Auschwitz deportiert). Die Familie des Metzgers Julius Stein verließ Klein-Krotzenburg Ende 1939 auf dem Weg nach Argentinien. 
   

Von den in Klein-Krotzenburg geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Irma Blumenthal geb. Rosenthal (1898), Emma Isselbächer geb. Stein (1875), Else (Elsa) Meier geb. Rosenthal (1885), Berta Neu geb. Stein (1873), Mina Roos geb. Hirschmann (1902), Arnold / Aron Rosenthal (geb. 1873 in Klein-Krotzenburg als Sohn von Isac Rosenthal und Karoline geb. May, Arnold Rosenthal wurde Bankier in Aschaffenburg), Johanna Rosenthal geb. Stern (1874), Max Rosenthal (1871), Siegfried Rosenthal (1899, Sohn von Max Rosenthal und Johanna geb. Stern, Gedenkseite im Karlsruhe Gedenkbuch mit Foto), Hermann Stein (1872), Hermann Stein (1889), Herz Stein (1874), Hilda Stein (1882), Johanna Stein (1879), Sofie Stein geb. Rosenthal (1866. "Stolperstein" in Seligenstadt), Adolf Vyth (1906), Dina Vyth geb. Hirschmann (1874).   
Aus Hainstadt sind umgekommen: Klara Löb (1895), Rosa Johanna Löb (1897), Frieda Rollmann (1875), Hanna (Johanna) Rollmann geb. Sonn (1874), Moses Rollmann (1870).
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Tragischer Tod einer alten Witwe (1886)

Kleinkrotzenburg Israelit 22111886.jpg (112058 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. November 1886: "Seligenstadt, 16. November (1886). In unserer Nachbargemeinde Klein-Krotzenburg entstanden vor etwa 3 Wochen zwischen zwei dortigen Israeliten nach Schluss des Synagogen-Gottesdienstes einige unbedeutende Neckereien. Die 70jährige Mutter des einen Beteiligten, die an derartigen Späßen keinen Gefallen finden konnte, wollte zum Abbrechen der Diskussion mahnen, wurde aber von ihrem ebenfalls herzugekommenen älteren Sohne davon abgehalten, indem sie dieser beiseite zu schieben versuchte. Die alte Witwe geriet dabei zu Fall, wurde besinnungslos vom Platze getragen und starb am letzten Montage, ohne dass man indessen die Todesursache in jenem Sturze vermutete. Der an den Neckereien beteiligte Sohn erhob jedoch von dem Vorfalle Anzeige beim hiesigen Amtsgerichte, worauf dieses durch die Bürgermeisterei die auf Mittwoch anberaumte Beerdigung untersagte und damit die Untersuchung gegen den Bruder des Denunzianten einleitete. Die durch den Kreisarzt aus Offenbach in Anwesenheit des Staatsanwaltes aus Darmstadt vollzogene Sezierung des Leichnams hat nunmehr einen durch den Fall veranlassten Rippenbruch als Todesursache konstatiert und dadurch den friedliebenden Sohn der Verstorbenen in eine äußerst prekäre Situation versetzt. Das Weitere wird die gerichtliche Untersuchung ergeben."  

  
Weiteres Dokument  
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries - Text auf Grund der Recherchen von P.K. Müller)    

Umschlag eines Briefes an Max Rosenthal
 in Klein-Krotzenburg (September 1939!) 
Klein-Krotzenburg Dok 195.jpg (110636 Byte) Klein-Krotzenburg Dok 195a.jpg (104177 Byte)
Der an Max Rosenthal in Klein-Krotzenburg adressierte Brief datiert vom 9. September 1939, einen Monat nachdem die Familie Rosenthal nach Karlsruhe gezogen ist. Max Rosenthal (Sohn von Samuel Rosenthal und Helene [Lena] geb. May; vgl. auch die schon oben gegebenen Informationen) betrieb zusammen mit seinem Bruder Isac (gest. 1919) eine Firma für Zigarettenfabrikation in Klein-Krotzenburg. Er war der erste Gemeindevorsteher der 1911 gegründeten Jüdischen Gemeinde (noch 1924 als Gemeindevorsteher mit S. Neuburger, 1932 mit H. Stein genannt). Als 1939 die letzten jüdischen Familien Klein-Krotzenburg verließen, zog auch Max Rosenthal mit seiner Frau Johanna geb. Stern (Tochter von Josef Stern und Rebecca geb. Hamburger, verh. seit 28.3.1898) und seinem Sohn Siegfried am 9. August nach Karlsruhe. Seine Frau Johanna hatte - als Hilfskraft im Jüdischen Altenheim in der Kronenstraße 62 - die damals für Juden schwer erhältliche Zuzugsgenehmigung von der Stadtverwaltung Karlsruhe bekommen (Weiteres siehe bei Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern - Das Schicksal der Karlsruher Juden. 1988 S. 100 und auf einer Seite im Karlsruher Gedenkbuch zu Siegfried Rosenthal). Max Rosenthal und seine Frau wurden erst nach Gurs, am 23. März 1943 in das Lager Masseube und schließlich am 7.3.1944 über Drancy nach Auschwitz deportiert. Ihr Sohn Siegfried ereilte dasselbe Schicksal bereits anderthalb Jahre früher, am 4. September 1942.
Der Brief vom September 1939 wurde vom Amtsgericht Seligenstadt an Max Rosenthal verschickt und kam zurück an dasselbe mit der Bemerkung "verzogen wohin unbekannt" und trägt den Eingangsstempel des Amtsgerichts vom 11. Sept. 1939.
Bei einer auch unten ("Erinnerungsarbeit vor Ort") genannten Gedenkveranstaltung in Hainburg im Januar 2010 wurde auch an Max Rosenthal und seine Familie erinnert: http://www.op-online.de/nachrichten/hainburg/nach-auschwitz-oder-auch-theresienstadt-deportiert-610089.html.  
  
Ergänzende Informationen aus dem Stadtarchiv Karlsruhe vom 12. Juli 2012 zur Familie: ein weiterer Sohn von Max und Johanna Rosenthal - Adolf Rosenthal (geb. 7.9.1905 in Klein-Krotzenburg, Bruder des o.g. Siegfried Rosenthal) - konnte mit seiner Frau in die USA emigrieren, wo die Kinder der beiden geboren sind: Helen (geb. 24.2.1942) und Fred (geb. 8.11.1943). Die Familie lebte zunächst in Los Angeles, seit Anfang der 1950er-Jahre in Tujunga L.A., CA. In Los Angeles wohnte eine weitere Tochter von Max und Johanna Rosenthal: Ida verh. Waller, über die sonst keine weiteren Angaben vorliegen. 
Nach dem Social Security Death Index starb Adolf Rosenthal im Oktober 1979; letzter Wohnsitz war Tujunga, L.A. CA.       

      
      
      
Zur Geschichte der Synagoge         
   
Zunächst war eine ältere Synagoge beziehungsweise ein kleiner Betsaal vorhanden (vgl. oben den Bericht von 1886).
 
1911
beschloss die jüdische Gemeinde den Bau einer neuen Synagoge. Sie wurde am 26. Januar 1913 durch Rabbiner Dr. Goldschmidt aus Offenbach eingeweiht. Im Synagogengebäude befand sich auch eine Mikwe (rituelles Bad), zu dem acht Stufen hinabführten. Das Wasser der Mikwe war durch das Grundwasser mit dem Main verbunden.
  
Bau und Einweihung der Synagoge in Klein-Krotzenburg (1911 / 1913)  

Kleinkrotzenburg AZJ 02061911.jpg (33634 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Juni 1911: "Die Israeliten in Klein-Krotzenburg beschlossen neuerdings die Gründung einer selbständigen Gemeinde und damit  auch die Erbauung einer eigenen Synagoge. Die Barmittel zum Synagogenbau werden sowohl auf dem Wege freiwilliger Gabenspenden als auch durch eine Lotterieveranstaltung aufgebracht."
   
Kleinkrotzenburg FrfIsrFambl 21021913.jpg (13825 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21. Februar 1913: "Klein-Krotzenburg. Rabbiner Dr. Goldschmidt - Offenbach weihte hier die neu erbaute Synagoge ein."
   
Kleinkrotzenburg AZJ 14031913.jpg (121208 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. März 1913: "Aus Hessen, 7. März (1913). In Klein-Krotzenburg fand, vom herrlichsten Wetter begünstigt, vor kurzem die Einweihung der neu erbauten Synagoge statt. Unter Vorantritt der Musikkapelle setzte sich gegen 2 Uhr nachmittags der stattliche Festzug durch die reichbeflaggten Ortsstraßen in Bewegung. An dem neuen Gotteshause angekommen, überreichte Herr Baurat Landmann den Schlüssel an den ersten Vorstand der Gemeinde, Herrn M. Rosenthal, der in tiefempfundenen Worten den Dank der Gemeinde allen denen aussprach, die zum Gelingen des Baues beigetragen haben, besonderen Dank zollte Herr Rosenthal der Bauleitung, der es gelungen, mit geringen finanziellen Mitteln der Gemeinde ein so herrliches Gotteshaus zu erbauen. Nach dem von Fräulein Paula Rosenthal vorgetragenen Prolog übernahm Rabbiner Dr. Goldschmidt - Offenbach den Schlüssel, um den Bau seiner Bestimmung zu übergeben. Der Synagogenchor der benachbarten preußischen Gemeinde Groß-Krotzenburg trug durch Gesangsvorträge zur Verherrlichung des Festes bei. Als Vertreter des erkrankten Kreisrats Kochmann überbrachte Herr Baurat Landmann der Gemeinde die Glückwünsche des Großherzoglichen Kreisamts Offenbach, während diejenigen der politischen Gemeinde durch Herrn Bürgermeister Zilg übermittelt wurden, der auch der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass allzeit das friedlich und einmütige Nebeneinanderleben der hier vertretenen Konfessionen bestehen möge. Nach dem einheben der Torarolle schilderte in seiner Festpredigt Rabbiner Dr. Goldschmidt die Bedeutung eines eigenen Gotteshauses für eine Gemeinde. Nach dem Gebet für den Landesherrn und erteiltem Segen fand in einem Schlussgesang des Groß-Krotzenburger Synagogenchors die Feier einen würdigen Abschluss."

Von der Architektonik her wurde ein einfacher Saalbau mit einem Vorbau an der Nordseite erstellt, ausgeführt als Massivbau mit verputztem Ziegelmauerwerk. Der Haupteingang befand sich an der westlichen Seite mit einem Portal mit Gebälk und darüber befindlichem ovalem Fenster. Die weiteren im oberen Bereich vorhandenen ovalen Fenster und das stark geschweifte Walmdach (ein kleineres Walmdach über dem Vorbau) gaben dem Synagogengebäude sein charakteristisches Aussehen. 
 
Eines der letzten besonderen Ereignisse in der Geschichte der Synagoge war am 19. Mai 1935, als eine Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges enthüllt wurde: 

Kleinkrotzenburg Israelit 23051935.jpg (34328 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1935: "Babenhausen (Hessen), 19. Mai (1935). Am Sonntag, den 19. Mai, fand in der Synagoge (gemeint: Klein-Krotzenburg) die feierliche Enthüllung der Gedenktafel für die Gefallenen des Weltkrieges statt. Der zuständige Bezirksrabbiner hielt die Weiherede. Der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten Hanau und die Nachbargemeinden waren durch Abordnungen vertreten." 
  
Kleinkrotzenburg Israelit 06061935.jpg (20287 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juni 1935: "Klein-Krotzenburg, 28. Mai (1935). Die feierliche Enthüllung der Gedenktafel für die Gefallenen des Weltkrieges fand nicht in Babenhausen - wie uns berichtet wurde - sondern in Klein-Krotzenburg (Hessen) statt."

Die Synagoge wurde am 20. Juli 1938 an den Landesverband der jüdischen Gemeinden verkauft und die jüdische Gemeinde aufgelöst worden. Dennoch wurde sie im Novemberpogrom 1938 durch SA-Leute (SA-Standarte 168) im Inneren verwüstet und durch einen Brandanschlag vollends unbenutzbar gemacht. Wenig später ging das Synagogengebäude in den Besitz der politischen Gemeinde über, von der beziehungsweise deren Bauhof es über Jahrzehnte als Werkstatt und Materiallager benutzt wurde. 

Seit 1985 gab es Pläne zur Renovierung des Synagogengebäudes und einer würdigen Nutzung. Im November 1985 fand erstmals eine Gedenkfeier vor der ehemaligen Synagoge statt. Eine Bestandsaufnahme des Gebäudes wurde im August 1986 durch die TH Darmstadt durchgeführt. Im Februar 1990 wurde als Zielsetzung der Gebäudeerhaltung und -Nutzung bestimmt, eine Gedenkstätte mit einer Dauerausstellung zu errichten. Das Gebäude sollte auch für kulturelle Zwecke (Lesungen, Konzerte, Ehrungen) genutzt werden können. Zwischen 1995 und 1997 wurde das Gebäude unter der fachlichen Begleitung durch das Landesamt für Denkmalschutz und die Untere Denkmalschutzbehörde beim Kreis Offenbach restauriert und als Gedenkstätte, Begegnungs- und Veranstaltungsort eingerichtet. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 130.000 €, wobei die Hälfte durch den Kreis Offenbach übernommen wurde.
Nicht restauriert wurde die Mikwe, die nach dem Zweiten Weltkrieg zugeschüttet wurde.

Der Arbeitskreis Ehemalige Synagoge bietet seit Abschluss der Renovierungen im Sommer 1997 ein Jahresprogramm mit Ausstellungen, Vorträgen, Film- und Musikveranstaltungen an. Insbesondere werden Jugendliche aus Schulen des Kreises angesprochen. Führungen für Gruppen, aber auch für Einzelinteressenten sind nach Absprache jederzeit möglich. Öffnungszeiten nach Vereinbarung.  
  
  
  
Adresse/Standort der SynagogeEhemalige Synagoge Klein-Krotzenburg  Kettelerstraße 6  63512 Hainsburg - Klein-Krotzenburg
Träger: Gemeinde Hainburg und Landkreis Offenbach
Initiative: Arbeitskreis Ehemalige Synagoge
Ansprechpartner: Petra Herold (Uferstraße 3, Tel. 06182-4570), Edmund Schwab (Gutenbergstraße 15, Tel. 06182-68265) und Thorwald Ritter (Liebfrauenheidestraße 14, Tel. 06182-69600, E-Mail susan.ritter@t-online.de).  
  
  
  
Fotos
(Quelle: Fotos von 1985: Thea Altaras 1988 S. 173-174; Neue Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 18.4.2008)

Die ehemalige Synagoge vor Beginn 
der Restaurierung im August 1985
Klein-Krotzenburg Synagoge 199.jpg (110630 Byte) Klein-Krotzenburg Synagoge 198.jpg (105697 Byte)
    Süd- und Ostseite des Gebäudes mit Apsis
 (Bereich des Toraschreines)
Haupteingang 
von der Westseite   
               
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge im Frühjahr 2008  
Klein-Krotzenburg Synagoge 154.jpg (92694 Byte) Klein-Krotzenburg Synagoge 151.jpg (78844 Byte) Klein-Krotzenburg Synagoge 152.jpg (77241 Byte)
   Ansichten der ehemaligen Synagoge - Blick auf den Eingangsbereich
     
Klein-Krotzenburg Synagoge 153.jpg (58427 Byte) Klein-Krotzenburg Synagoge 153a.jpg (44526 Byte) Klein-Krotzenburg Synagoge 150.jpg (70509 Byte)
Eingangstür und Gedenktafel; Text der Tafel: "Ehemalige Synagoge. 1913-1938. Wer Mut
 hat zur Erinnerung, der gestattet neue Zukunft. Zum Gedenken an die Leiden unserer
 jüdischen Mitbürger und die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft wurde diese
 Synagoge von der Gemeinde Hainburg und dem Kreis Offenbach restauriert. 1995-1997."  
Hinweisschild von der 
Ketteler Straße aus 
   
         

    
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

Januar 2010: Gedenkstunde zum Holocaustgedenktag in der ehemaligen Synagoge  
Artikel von Michael Hoffmann in "op-online.de" (Offenbach-Post) vom 30. Januar 2010 (Artikel): 
"Nach Auschwitz oder auch Theresienstadt deportiert. 
Klein-Krotzenburg ‐
Nach der Brandsetzung und Zerstörung der Klein-Krotzenburger Synagoge am 10. November 1938, der Verbrennung der Thorarollen vor den damals noch elf jüdischen Bürgern und der Zerstörung ihres Ladeninventars blieb wenig Hoffnung für den weiteren Aufenthalt und das Zusammenleben in der Gemeinde. 
So zogen die Steins aus der Kettelerstraße 3 sowie die Vyths und Hirschmanns aus der Erzbergerstraße 26 am 13. Juli nach Frankfurt, am 9. August die Rosenthals aus der Friedrich-Ebert-Straße 26 nach Karlsruhe, und am 27. Dezember verließ die Familie des Metzgers Julius Stein die Krotzenburger Straße in Richtung Argentinien. An die Opfer des Nationalsozialismus erinnerte der Arbeitskreis 'Ehemalige Synagoge' am Mittwoch im früheren Gotteshaus an der Kettelerstraße..."     
  
Februar 2011: Vortrag zur jüdischen Geschichte in Klein-Krotzenburg    
Artikel von "mho" in der "Offenbach-Post" (op-online.de) vom 22. Februar 2011 (Artikel): "'Die Torarolle verbrannt'.  
Klein-Krotzenburg (mho)
‐ Etwa 300 Jahre lang lebten Juden in Klein-Krotzenburg, fühlten sich dort wohl, lebten harmonisch mit den Christen zusammen und waren integriert. Bis zum 10. November 1938, als die Nazi-Mörder die Synagoge anzündeten und die letzten acht Juden aus ihren Häusern holten und zum Rathaushof führten. 
Sie mussten mitansehen, wie ihr höchstes Heiligtum, die Torarolle, verbrannt wurde. 'Nach und nach wurden sie abgeholt. Kaum einer hat überlebt. Seitdem gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Klein-Krotzenburg'. Mit diesen Worten leitete Erich Weih, Sprecher des AK 'Ehemalige Synagoge' und Mitglied des veranstaltenden Heimatvereins, in seinem Vortrag 'Jüdisches Leben in Klein-Krotzenburg' zum schrecklichen Ende dieser Menschen über..."   
  
März 2019: Presseartikel zur jüdischen Geschichte in Klein-Krotzenburg  
Artikel von Oliver Signus in "op-online.de" vom 1. März 2019: "Kurze Geschichte der jüdischen Gemeinde in Klein-Krotzenburg. Nur wenigen gelang die Flucht
Klein-Krotzenburg –
Mit dem Anschlag auf die Synagoge beim Novemberpogrom 1938 ging die kurze Geschichte der jüdischen Gemeinde in Klein-Krotzenburg zu Ende. Sie währte nur 26 Jahre.
Klein-Krotzenburg – Die jüdische Gemeinde in Klein-Krotzenburg, deren Geschichte mit dem Novemberpogrom 1938 ein gewaltsames Ende fand, bestand zwar lediglich 26 Jahre. Die Anfänge reichen jedoch weit zurück. Bereits im Jahre 1680 wird ein Jude mit Namen Raphael erwähnt. Wie aus einem Beitrag des ehemaligen Vorsitzenden des Arbeitskreises Synagoge, Erich Weih (gestorben 2017), im Heft 'Die ehemaligen Landessynagogen in Großkrotzenburg und Klein-Krotzenburg' (erschienen 2012) hervorgeht, verkaufte Raphael ein Wiesengrundstück an einen Seligenstädter Bauer. In alten Gemeinderechnungen aus den Jahren 1724 bis 1728 sind Einnahmen anderer Juden aufgeführt. Es waren die Familien Stein und Rosenthal, die somit zu den ersten jüdischen Bürgern gehörten, die sich in Klein-Krotzenburg niederließen. Eine israelitische Gemeinde gründete sich 1871, der Friedhof wurde ein Jahr später eingerichtet. 1880 lebten 37 Juden in Klein-Krotzenburg, sie machten einen Anteil von 2,2 Prozent der insgesamt 1168 Bürger aus. 1912 gründete sich die selbstständige jüdische Gemeinde auf einen Beschluss von 1911. Die Synagoge errichteten die Mitglieder im Jahr darauf in der Kettelerstraße 6. Vorher gab es nur einen Betsaal. Zu diesem Zeitpunkt machten die rund 30 Mitglieder nur noch einen Anteil von 1,4 Prozent der Bevölkerung in Klein-Krotzenburg aus. Erster Vorsteher der jüdischen Gemeinde war Max Rosenthal. Er hatte zusammen mit seinem älteren Bruder Isac 1891 in Klein-Krotzenburg eine Zigarrenfabrik von der Firma J. M. Kopp übernommen und 1893 ein neues Fabrikgebäude gebaut. Das Unternehmen florierte, die Zahl der Mitarbeiter stieg von drei im Jahre 1891 auf 500 Beschäftigte. Isac Rosenthal starb 1919, danach war Max Rosenthal Firmeninhaber.
Die Krotzenburger Juden waren sehr gläubig, schreibt Erich Weih in seinem Text. Wenn am Freitagabend durch eine Luke in der Wand neben dem Thoraschrein die ersten drei Sterne zu sehen waren, begannen die Sabbat-Feierlichkeiten. Am nächsten Tag, dem Sabbat, begann um 9 Uhr der Gottesdienst unter Leitung eines Vorbeters (einen Rabbi gab es nicht) in der Synagoge, zu der mindestens zehn männliche Juden anwesend sein mussten. Die sehr aktive Gemeinde lösten die Nationalsozialisten 1938 auf. Die Synagoge wurde bei einem Brandanschlag in der Pogromnacht beschädigt. Auch die Einrichtungsgegenstände verbrannten.
Zur Synagoge gehörte eine Mikwe (Ritualbad). Die Frauen mussten acht Stufen hinabsteigen, um in einen kellerartigen Raum zu gelangen. Das Reinigungswasser, das fließend sein muss, war durch das Grundwasser mit dem Main verbunden. Die Mikwe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zugeschüttet und ist seither nicht mehr zu sehen. Die Synagoge wurde 1997 renoviert und dient heute dem Arbeitskreis ehemalige Synagoge Klein-Krotzenburg als Begegnungsstätte und Veranstaltungsort. 'Sie könnte auch wieder ihrem eigentlichen Zweck dienen,' schreibt Erich Weih, 'doch leider gibt es (Stand 2012) keine Juden in Klein-Krotzenburg.'
Die meisten Mitglieder der einst aktiven jüdischen Klein-Krotzenburger Gemeinde wurden in Konzentrationslagern des nationalsozialistischen Regimes ermordet, nur wenigen gelang die Flucht ins Ausland. Auch Max Rosenthal überlebte die Gewaltherrschaft nicht, er starb in Auschwitz. Seine Zigarrenfabrik war bereits im Jahr 1934 'arisiert' worden."
Link zum Artikel   
 

    


Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Hainburg 
bulletSeite der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung zur ehemaligen Synagoge Klein-Krotzenburg  
bulletInformationsseite des Kreises Offenburg zur ehemaligen Synagoge Klein-Krotzenburg  
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Klein-Krotzenburg (interner Link) 
bulletWebportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Klein-Krotzenburg 

Literatur:   

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 449. 
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 173-174. 
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 142. 
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 275. 
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 293-294.  
bulletThorwald Ritter: Die Synagoge der Jüdischen Gemeinde in Klein-Krotzenburg. Frankfurt am Main 1997. 
bulletders.: Das Geheimnis der Versöhnung liegt in der Erinnerung. Die Juden von Klein-Krotzenburg und Hainstadt nach 1933. Frankfurt am Main 1994.
bulletErich Weih: Jüdischer Friedhof Klein-Krotzenburg. Eine Dokumentation. Hg. vom Heimat- und Geschichtsverein Hainburg e.V. Hainburg 1994.
bulletders.: Die ehemaligen Landessynagogen in Großkrotzenburg und Klein-Krotzenburg. 2012.

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Klein-Krotzenburg Hesse. At its height, in 1880, the community numbered 37 (2 % of the total). On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was vandalized and within a year all the Jews had left, most emigrating.  
     
       

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020