Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Richen (Stadt Eppingen, Landkreis Heilbronn) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen        
bulletLinks und Literatur   

  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)        
    
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden Richen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1935. Ihre Entstehung geht in die Zeit um 1700 zurück. Um 1722 waren sechs jüdische Familien mit zusammen 30 Personen am Ort, 1743 und 1764 jeweils elf Familien mit zusammen über 50 Personen. 
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1825 124 jüdische Einwohner (17,5 % von insgesamt 708 Einwohnern); die höchste Zahl um 1841 mit 169 Personen (etwa 20 Prozent der Ortsbevölkerung). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl schnell zurück: 1875 103, 1900 nur noch 34 jüdische Einwohner. Die jüdischen Familien lebten bis weit ins 19. Jahrhundert fast ausschließlich vom Handel mit Vieh, Pferden, Wolle, Häuten und Lumpen. 
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Religionsschule im Synagogengebäude) sowie ein rituelles Bad (hinter dem Haus Hintergasse 15, besteht nicht mehr). Die Toten der Gemeinde wurden auf den jüdischen Friedhöfen in Heinsheim und Waibstadt, seit 1819 in Eppingen beisetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (bereits 1730 wird ein Rabbiner, 1749 ein "Judenschulmeister" genannt). 1827 wurde die Gemeinde dem Bezirksrabbinat Bretten zugeteilt.  
   
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Wilhelm Freudenthaler (zuletzt wohnhaft in Frankfurt am Main). Sein Name steht auf dem Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges auf dem jüdischen Friedhof in Eppingen. 
    
1933 lebten noch 15 jüdische Personen in Richen. Bis dahin waren in jüdischem Besitz u.a. die Viehhandlung Adolf und Leopold Dreifuß (Ittlinger Straße 27) und die Koschere Metzgerei Aaron Freudenthaler (Hintergasse 15) sowie die Getreide- und Futtermittelhandlung Josua Haber. Auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts und der zunehmenden Repressalien verzogen die jüdischen Einwohner von Richen oder wanderten aus, darunter Adolf Dreyfuß mit seiner Familie nach Palästina. Andere verzogen in die USA oder nach Argentinien. Beim Novemberpogrom 1938 war nur noch Betty Eppsteiner in Richen. Sie wurde im Oktober 1940 von Karlsruhe aus nach Gurs deportiert.
  
Von den in Richen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Alfred Dreifuss (1911), Gustav Dreifuss (1872), Sofie Dreifuß (1876), Betty Eppsteiner (1882), Wolf Hanauer (1866), Emil Rothschild (1857), Mina Rottenberg geb. Hanauer (1881).  
  
  
  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
  
Aus dem jüdischen Gemeindeleben  
 
In Richen kam es zu Ausschreibungen im Revolutionsjahr 1848 (1848)        

Anzeige in der "Karlsruher Zeitung" vom 16. März 1848: "Sinsheim. Erklärung
Nach Nr. 85 des Landtagsboten wird von dem Herrn Abgeordneten Bassermann unter den Ortschaften, wo Gewalttätigkeiten gegen Juden vorgekommen sein sollen, auch Sinsheim genannt. Ob nun Dieses einem Versehen irgend zuzuschreiben ist, oder ein falsches Gerücht zum Grunde hat, erachten sich die Unterzeichneten zur Ehre der hiesigen Einwohnerschaft, sowie zur Beruhigung ihres sehr verehrten Herrn Abgeordneten Bassermann zu folgender Kundgebung verpflichtet:
Hier in Sinsheim ist nicht das mindeste Beklagenswerte vorgefallen, und auf keine Weise das gute Einvernehmen der hiesigen Bürgerschaft unter Christen und Juden einen Augenblick gestört worden. Im Gegenteil ist der gute Sinn der hiesigen Einwohnerschaft nicht genug anzuerkennen. Vom ersten Augenblicke an wurden die möglichsten Einleitungen getroffen und zwar unter gemeinschaftlicher Mitwirkung von allen Konfessionsangehörigen, jedem Versuche von Ruhestörung jeder Art aufs kräftigste zu begegnen. Überhaupt hat man in hiesiger Nähe, Neckarbischofsheim und Richen ausgenommen nicht die geringste unangenehme Vorfallenheit zu beklagen.
Sinsheim, den 13. März 1848. Der Synagogenrat: H. Freidenberger. S. Reinach. A. Zimmern." .        

     
Bericht des Pfarrverwalters Singer über Reformen im jüdischen Gemeindeleben (1839)  

Richen AZJ 16111839.JPG (89321 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. November 1839: "Karlsruhe, 24. Oktober. Die hiesige Zeitung enthält Folgendes: 
Richen, Amts Eppingen.
Auch dahier schreitet die israelitische Gemeinde in religiöser Bildung rasch voran, wovon ich mich am jüngst verflossenen Vorabend des Versöhnungstages zu meinem Vergnügen erfreute. Die neu eingerichtete Synagoge, die Ordnung in derselben, die äußere Andacht beim Gebete und der erhebende Vortrag des Vorbeters, eines hiesigen Privatmannes, alles zeigte, dass die ganze Gemeinde die Bedeutung dieses hochwichtigen Tages im wahren Geiste erfasst hatte. Am meisten aber erfreute mich die gehalt- und geistvolle Rede, welche der neu angehende Rabbinatskandidat Herr Abraham Dreyfuß, der erst dieses Spätjahr seine Studien auf der Universität Heidelberg vollendete, für das hohe Fest ganz geeignet in einem würdevollen Vortrag an seine Glaubensbrüder hielt. Möchte dieser junge Mann und Ihm ähnliche Subjekte recht bald zu einer Anstellung gelangen, sie würden gewiss unter ihren Glaubensgenossen mit Segen und Gedeihen wirken. Singer, Pfarrverwalter."

    
Die Auflösung der Gemeinde Ende 1935    

Michelfeld CV Ztg 09011936.jpg (70743 Byte)Artikel in der Zeitschrift des Central-Vereins ("CV-Zeitung" vom 9. Januar 1936: "Die Auflösung der Kleingemeinden. Der Oberrat der Israeliten Badens gibt bekannt, dass mit Genehmigung des Staatsministeriums und des Synodalausschusses die israelitischen Gemeinden Michelfeld und Richen aufgelöst worden sind. 
Gleichzeitig wird bekannt gegeben, dass aus den Beständen aufgelöster Gemeinden vom Oberrat Torarollen verwahrt werden, die anderen Gemeinden überlassen werden können. Der Oberrat bittet weiterhin bei der Auflösung von Gemeinden und bei der Abwanderung jüdischer Familien zu berücksichtigen, dass jüdische und hebräische Bücher, die von den Betreffenden nicht weiter verwendet werden können, wertvolle Dienste in Schulen, Bünden usw. leisten können. Der Oberrat hat in Karlsruhe eine Büchersammelstelle eingerichtet, die die Sichtung und die Weitergabe solcher Bücher vornehmen soll."   
 
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 8. Januar 1936: "Zwei jüdische Kleingemeinden in Baden aufgelöst. Karlsruhe. Der Oberrat der Israeliten Badens gibt bekannt, dass mit Genehmigung des Staatsministeriums und des Synodalausschusses die israelitischen Gemeinden Michelfeld und Richen aufgelöst worden sind." 

    
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde    
Zum Tod des Mohel (Beschneiders) Daniel Schwarzschild (1868)     

Richen Israelit 06051868.jpg (95211 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Mai 1868: "Richen (Großherzogtum Baden). Am letzten Tag des Pessachfestes starb dahier Herr Daniel Schwarzschild, ein in unserer Gemeinde und in der weiten Umgegend wegen seiner Frömmigkeit allgemein geachteter und beliebter Mann. Der Verstorbene verbrachte stets einen großen Teil des Tags und der Nacht mit dem Studium in der heiligen Tora, die immer seine Lieblingsbeschäftigung war. Er war Mohel in mehr denn 15 Gemeinden und wird sich die Zahl der Kinder, an denen er die Bescheidung vollzogen, auf nahe an 1.000 belaufen. Der Verlust unserer Gemeinde und des ganzen Kreises ist umso größer, da der Dahingeschiedene einer von den wenigen in hiesiger Gegend war, die treue Anhänger unserer heiligen Religion, wie wir sie von unseren Vätern ererbt haben, sind. Wenn die Reformsucht, der ebenso gefährlich, wenn nicht noch gefährlichere Indifferentismus, die Verletzung der Sabbat- und Speisegesetze immer mehr überhand nimmt, so schauen wir uns beim Verluste dieses Mannes vergeblich nach Männern um, die in den Riss Stehende sein werden. Möge dessen tief betrübte Witwe in unserer heiligen Religion, welcher der Verblichene von ganzen Herzen angehangen, Trost finden. J.K."  



Zur Goldenen Hochzeit von Maier Hanauer und seiner Frau (1885)  

Richen Israelit 26021885.JPG (134732 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Februar 1885: "Gemmingen, 22. Februar (1885). Am 14. Februar fand in Richen eine seltene Feier statt, nämlich das Fest der Goldenen Hochzeit der Maier Hanauer'schen Eheleute. Morgens, 10 Uhr, bewegte sich ein feierlicher Zug in die festlich erleuchtete Synagoge. Voran schritten die 11 anwesenden Enkel des Jubelpaares (es hat deren 24). Dann folgte das Jubelpaar, rüstig und gesund, wiewohl der Mann 80 und die Frau 76 Jahre zählen. Hierauf kamen die Kinder des Ehepaares, geführt von dem jüngsten Sohne, Herrn Lehrer Hanauer aus Neckarbischofsheim und viele Freunde, Bekannte und Verehrer; auch viele Nichtjuden, unter ihnen der Bürgermeister, der Ratsschreiber und die Mitglieder des Gemeinderats. Nachdem einige Psalmen gesungen waren, überreichte der Herr Bürgermeister im Auftrage Seiner Königlichen Hoheit, des Großherzogs, dem Jubelpaare eine Ehrengabe. Herr Lehrer Hanauer hielt die Festrede, in welcher er die Zufriedenheit und Bescheidenheit, die Rechtlichkeit und die Menschenliebe, den Glauben und das Gottvertrauen seiner ehrwürdigen Eltern schilderte. Die Rede machte auf alle Anwesenden, welche dichtgedrängt die Synagoge füllten, einen erhebenden Eindruck. Zum Schlusse sangen die Enkel den 150. Psalm. 
An der festlichen Mittagstafel beteiligten sich auch der Bürgermeister und der Ratsschreiber. Von allen Seiten trafen Telegramme und Glückwunschschreiben ein; zahlreiche teils sehr wertvolle Geschenke wurden überreicht. - Möge das würdige Jubelpaar noch lange in Gesundheit und Zufriedenheit hienieden weilen!"

  
Zum Tod von Fanny Hanauer geb. Weißbart (1889)  

Richen Israelit 04041889a.jpg (64847 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. April 1889: "Richen (Baden). Am 6. März (3. Weador) ist Frau Fanny Hanauer, Gattin des Moses Hanauer von hier, im 57. Lebensjahre zur ewigen Ruhe entschlafen, eine Frau, die es wahrhaft verdient, dass ihr Name in diesen Blättern rühmlich genannt werde. Die Verstorbene war eine Tochter des berühmten Rabbi Nathaniel Gabriel Weißbart seligen Andenkens zu Allersheim in Unterfranken und erhielt in ihrem elterlichen Hause eine sorgfältige und religiöse Erziehung, Anleitung zu allem Guten und Edlen. Hier wurde sie richtig vorbereitet für ihren späteren Beruf als Gattin und Mutter. Die guten Lehren schlugen Wurzel. 24 Jahre lang hatte sie das Glück, ihrem Manne Gattin, ihren Kindern Mutter zu sein und während dieser Zeit hat sie mit seltener Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit ihrem Berufe gelebt. Es war ihr nicht beschieden im Glanz und Reichtum zu leben. Doch gerade in engen Verhältnissen zeigt sich der Wert des Menschen. Wie gut verstand es die Entschlafene sich darein zu finden. Geschmückt mit allen Tugenden des Weibes und zumal des jüdischen Weibes, mit vorzüglichen 
Richen Israelit 04041889b.jpg (244710 Byte) Herzens- und Geistesgaben ausgestattet, war ihr die Ehe ein Heiligtum, ihre Häuslichkeit ein Tempel, wo sie am liebsten verweilte, so sie rastlos von früh bis spät mit Körper und Geist zum Wohl der Ihrigen tätig war, den sie nie verließ, um an den Vergnügungen und Zerstreuungen der Welt teilzunehmen, auch nicht, um der Nachbarin Geschwätz zuzutragen. Doch, wo es galt, eine Mizwoh auszuüben, Kranke zu besuchen, Trauernde zu trösten, Toten die letzte Ehre zu erweisen, da wurde sie nirgends vermisst, da war ihr kein Weg zu weit. Wie gegen ihren Gatten die treue, liebevolle Frau, so war sie auch ihren Kindern die aufopferndste Mutter, von zärtlicher Liebe zu ihnen erfüllt. Nicht, dass sie ihnen deswegen auch nur das Geringste nachsah, nein, kein hässliches Wort verzieh sie ihnen; nur auf ihre Ausbildung und Erziehung bedacht, opferte sie derselben ihr Gut und Blut. Vom Munde sparte sie es sich ab, dass ihre Söhne bessere Schulen besuchen konnten, um es zu etwas Tüchtigem zu bringen. Doch ihre Hauptsorge war es, dass dabei ihre religiöse Ausbildung vor allem gefördert, dass dieselben im heiligen Glauben gestärkt wurden. Auch ihre Töchter suchte sie zu tüchtigen Hausfrauen auf jüdisch-religiöser Grundlage zu erziehen. Leider sollte sie die Früchte ihrer Entsagung, ihrer Mühen nicht mehr erleben, sie wurde abberufen, ehe die Kinder der über alles geliebten Mutter ihre Dankbarkeit erweisen konnten, in dem Maße, wie sie es verdiente. 
Wie gegen ihre nächsten Angehörigen und ihre weitere Familie, so war sie überhaupt gegen alle Menschen von Liebe und Freundlichkeit erfüllt. Sie beherzigte den jüdischen Grundsatz, dass Gutes zu tun nicht allein den Reichen zukomme, und nie ließ sie sich eine Gelegenheit entgehen, durch Wort und Tat es zu üben. Dabei tat sie es ohne jede Nebenabsicht, wie dies ganz in ihrem Wesen lag, nur aus Freude daran, anderen sich nützlich und gefällig zu erweisen. 
Der Grundzug des Charakters der seligen Entschlafenen war Wahrheit, Aufrichtigkeit und Treue. Nie kam ein Wort der Lüge über ihre Lippen. Falschheit war ihrem Wesen gänzlich fremd, und wie sie gut und fromm war, so glaubte sie auch den Maßstab an andere anlegen zu müssen: Nie hat sie eine Beleidigung nachgetragen und lieber wollte sie vielmals Unrecht leiden, als dass sie es einmal vergalt. dazu war sie von einer Geduld und Nachgiebigkeit beseelt, die wahrhaft bewunderungswürdig war, und die sie manches ertragen ließ, was sonst für Menschen nicht leicht ertragbar schien. Dass die Verblichene, trotz ihrer großen Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit volle Anerkennung ihres edlen und gottesfürchtigen Lebenswandels genoss, dass alle, die sie kannten, liebten und schätzten, das bedarf bei einem solchen Charakter nicht mehr der Versicherung, das zeigte sich am deutlichsten während ihres 9-wöchentlichen schweren Krankenlagers und ihres Hinscheidens, als der Tod sie von ihrem Leiden erlöste, nachdem das Organ, das Herz, das stets nur von Güte und Liebe überströmte, zuerst seinen Dienst eingestellt hatte. Die Teilnahme an ihrem Begräbnis war eine allgemeine, und Juden und Christen, bei denen die Dahingeschiedene wegen ihrer Biederkeit in gleichem Maße beliebt war, von Nah und Fern ließen es sich nicht nehmen, der Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen.
Vor Abgang des Leichenzuges widmete der Schwager, Herr Lehrer Hanauer von Steinsfurt, der Heimgegangenen ehrende Worte des Nachrufes, indem er die Tugenden derselben der Trauerversammlung vor Augen führte und ihr allzufrühes Hinscheiden beklagte. Am Grabe sprach Herr Lehrer Eichstetter von Eppingen, indem er hervorhob, wie die selig Entschlafene die guten Lehren, die sie im Elternhaus empfangen, zur sittlichen und religiösen Erziehung ihrer Kinder verwertete, wie auch diese Kreise das Gute sich forterbe und immer wieder Früchte trage. Schließlich rief der älteste Sohn der Hingeschiedenen, Kandidat der Medizin, von tiefer Rührung ergriffen, der geliebten Mutter den letzten Abschiedsgruß zu, indem er das Gelöbnis der Kinder aussprach, das Andenken der seligen Mutter dadurch in Ehren halten zu wollen, dass sie stets in dem Geiste lebten, in dem sie von der Mutter erzogen wurden. Möge die Dahingeschiedene in einer besseren Welt für ihren guten und frommen Lebenswandel hienieden ihren Lohn bekommen!" 
Persönlichkeiten. Bei dem im letzten Abschnitt genannten ältesten Sohnes von Fanny Hanauer handelte es sich um: 
Wilhelm Hanauer (1866 Richen - 1940), Mediziner, Prof. an der Universität Frankfurt am Main; setzte sich für die Tuberkulosefürsorge und die soziale Hygiene ein.
Übersetzung der Grabinschrift für Fanny Hanauer (jüdischer Friedhof in Eppingen Grabstein Nr. 472 nach der Dokumentation von Bischoff/Hauke): "Hier ruht die angesehene Frau, Frau Fanni, Frau des verehrten Moses Hanauer, aus Richen, Tochter unserer Lehrers und Meisters, des Herrn Rabbiners Nathaniel Gabriel Weisbart - das Andenken des Gerechten sei zum Segen - aus Allersheim, verstorben am Mi. 3. Adar II 56489; ihren Mund öffnete sie mit Weisheit, gottesfürchtig in ihrem Herzen, Wahrheit waren ihre Worte, die ihr auferliegenden Pflichten waren ihr lieb, loyal gegenüber ihrem Gatten, liebte und zog sie ihre Kinder zum Glauben hin auf, liebenswert war sie allen wegen ihres Charakters und ihrer treffenden Meinung, wertvoll für ihr Heim und sehr geliebt von ihren Kindern, bitter weinen wegen ihr, oh Schwester, trauern ihre Verwandten. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

  
Zum Tod der Witwe von Leopold Stiefel geb. Lazarus (1899)  

Richen Israelit 03071899.JPG (119833 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juli 1899: "Richen bei Eppingen, 25. Juni (1899). In einem Zeitalter des Rückgangs echt religiösen Lebens, erscheint es oft wie eine Oase in dürrer Wüste, wenn sich Personen durch Tugend und Frömmigkeit und edles Wohltun besonders auszeichnen. Zu dieser kleinen Betrachtung werden wir durch den vor kurzem erfolgten Tod der Leopold Stiefel Wwe. von hier, geborene Lazarus, gestorben in Königsbach bei Pforzheim veranlasst. Dieselbe war eine wackere Frau im echten Sinne des Wortes, eine Frau, wie sie König Salomo in den Sprüchen Kap. 31 nicht besser zeichnen konnte. Mit einem streng religiösen Leben, zu welchem sie durch ihr Leiborgan, den 'Israelit' stets neue Nahrung erhielt, verband sie eine Wohltätigkeit, die oft ihre Verhältnisse überstiegen. Keiner, der sich in dieser Beziehung an sie wandte, ging leer aus. Auch in beratender Weise hat sie Viele auf die richtige Spur geführt. Deshalb erwarb sie sich, sowohl hier in ihrer Heimatgemeinde, als auch in Königsbach, wo sie die letzten fünf Jahre ihres Lebens bei ihrer Tochter zubrachte, die Liebe und Achtung aller, die sie kannten. Ihre schweren Leiden ertrug sie mit Geduld und Gottergebenheit, und wollte in schonender Weise ihrer Umgebung keine Mühe verursachen. Sie ruhe in Frieden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

    
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen     
Verlobungsanzeige von Blanka Dreifus und Jehuda (Julius) Nußbaum (1936)     

Anzeige in "Jüdische Rundschau" vom 3. April 1936: "Wir haben uns verlobt 
Blanka Dreifus  -  Jehuda (Julius) Nußbaum 
  
Herzlia (Palästina) / Richen, Friesenheim   
Herzlia bei Tel Aviv   Neukirchen, Krs. Ziegenhain   
Peßach 5696"    

     
      
      
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge             
    
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert wurde ein Betsaal im Haus der Familie des Gerson (gest. 1742) und seines Sohnes Samuel eingerichtet. Gerson hatte bei sich auch einen Rabbi namens Jacob (gest. 1746) aufgenommen. 1775 wird als Rabbiner Marx Aaron genannt, das seit 1771 als "Oberrabbiner" für die Ittlinger und Gemminger Juden eingesetzt wurde. Ein Schulmeister wird 1749 erstmals genannt; 1788 war Hayum Seeligmann Judenschulmeister.   
      
1790 wurde eine Synagoge eingeweiht (Standort Ittlinger Straße 18). Zur Einweihung waren auch die Ittlinger Juden anwesend, zu denen wohl auch verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Über 140 Jahre diente die Synagoge den jüdischen Einwohnern in Richten als gottesdienstliches Zentrum. In den 1830er-Jahren fand eine umfassende Renovierung und "Neueinrichtung" der Synagoge statt (vgl. Bericht oben von 1839; möglicherweise wurden die Stehpulte durch Bankreihen ersetzt).
   
Nach Wegzug der meisten Juden vom Ort wurde das Gebäude 1936 verkauft und in den 1960er-Jahren wegen Baufälligkeit abgebrochen.   
    
    
    
Fotos 
Historische Fotos: 

Historische Fotos sind nicht bekannt, eventuelle Hinweise bitte an
den Webmaster von Alemannia Judaica, Adresse siehe Eingangsseite 

Pläne/Grundrisse aus dem Jahr 1916 
(Quelle: Angerbauer/Frank s. Lit. S. 204)  

Richen Synagoge 001.jpg (30096 Byte)  Richen Synagoge 002.jpg (20526 Byte) 
Plan des Synagogengebäudes: 
Erdgeschoss 
Plan des Synagogengebäudes: Betsaal 
mit Schulzimmer im 1. Stock

 
Fotos nach 1945/Gegenwart: 

(Foto links: HStA Stuttgart; rechts: Hahn, Aufnahmedatum 15.9.2003)  

Richen Synagoge 011.jpg (40972 Byte) Richen Synagoge 150.jpg (53047 Byte)
Bauliche Situation am Synagogengrundstück um 1964 (?).
 Genauere Beschreibung ist nicht möglich (ehemalige
 Synagoge Gebäude rechts??). Wer eine genauere
 Beschreibung des Abgebildeten geben kann, bitte Hinweis
 an den Webmaster von Alemannia Judaica; 
Adresse siehe Eingangsseite
Das auf dem ehemaligen 
Synagogengrundstück erbaute 
Wohnhaus Ittlinger Str. 18
 
 
   

   
    

Links und Literatur  

Links:  

bulletWebsite Stadt Eppingen  

Literatur:

bulletFranz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden. 1968. S. 248-249.  
bulletWolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. 1986. S. 200-205. 
bulletsynagogenbuch-1.jpg (32869 Byte)Joachim Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007.  

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Richen  Baden. Jewish settlers are first mentioned in 1722. In the early 19th century they traded in cattle, wool and hides. Anti-Jewish rioting broke out during the revolutionary disturbances of 1848. The Jewish population reached a peak of 103 in 1875 (total 915) but then fell to 34 in 1900 through emigration and the move to the big cities. In 1933, 15 remained, all but one leaving by 1936.  
   
    

                   
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Stand: 30. Juni 2020