Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Mainz (Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz )
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt im 19./20. Jahrhundert  
 
Hier: Einzelne Einrichtungen der jüdischen Gemeinde (bis zur NS-Zeit) 
    

Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Mainz wurden in jüdischen Periodika gefunden. 
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.     
Die Texte wurden dankenswerterweise durch Susanne Reber (Mannheim) abgeschrieben.   
    
  
 
Übersicht:  

bulletIsraelitisches Hospital / Kranken- und  Pfründnerhaus  
-  Über die Notwendigkeit der Einrichtung eines jüdischen Hospitals in Main (1869)  
-  Eröffnung des neuen jüdischen Kranken- und Pfründnerhauses (1904)  
-  10-jähriges Bestehen des Israelitischen Hospitals in Mainz (1914)  
-  25-jähriges Bestehen des Israelitischen Hospitals (1929)  
-  Einweihung des Neubaus des Israelitischen Hospitals bzw. Kranken- und Pfründnerhauses (1928)     
bullet"Jüdische Altertümer" und der Aufbau eines jüdischen Museums in Mainz  
-  Fund in der Sammlung alter Schriften (1909)   
-  Ein Museum für jüdische Altertümer in Mainz ist im Aufbau begriffen (1915)  
-  Über "Mainzer jüdische Altertümer" zur Eröffnung der Sammlung am 3. Oktober 1926 (1926)  
Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Sammlungen jüdischer Kunst und Altertümer in Mainz (1931)   

    
    
Israelitisches Hospital / Kranken- und Pfründnerhaus      
Über die Notwendigkeit der Einrichtung eines jüdischen Hospitals in Mainz (1869)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Dezember 1869: "Mainz, den 30. Nov. Die erste Tugend der jüdischen Stammes- und Glaubensgenossen, die erste und allgemeine Tugend derselben ist die Wohltätigkeit. So weit auch die Juden in den zivilisierten Ländern Europas und Amerikas in ihren religiösen Anschauungen auseinander gehen, in einem Punkte finden sie sich alle wieder als Juden zusammen und dieser Punkt ist die Pflicht, den armen, leidenden Brüdern zu gedenken und ihr Elend zu mildern. Als der Notschrei der westrussischen Israeliten, die zum Teile der fürchterliche Hungertod bedrohte, zu uns drang, da schieden sich nicht voneinander Orthodoxe und Reformer, Gläubige und Ungläubige, Gesetzestreue und Gesetzesverletzer, da gab es nur mitleidsvolle, helfende, rettende, spendende Brüder und Schwestern. Und es ist gut so, dass ein Einigungspunkt existiert, in welchem sich die sonst Getrennten zusammenfinden; namentlich ist das in solchen Gemeinden zu wünschen, in welchen wie hier in Mainz eine religiöse Scheidung bereits stattgefunden hat.
In der alten, ehrwürdigen israelitischen Gemeinde zu Mainz existiert kein jüdisches Hospital. Es gab ehedem hier ein solches, das aber in den vierziger Jahren, angeblich, weil es den Ansprüchen der Zeit nicht mehr genügte, von dem damaligen Vorstande aufgehoben worden. Seitdem werden die armen, kranken Israeliten in das allgemeine Krankenhaus (Rochus-Hospital), das unter der Leitung der barmherzigen Schwestern steht, verbracht. Die unglücklichen Kranken befinden sich dort in einer ihnen fernstehenden Umgebung; die Hausordnung ist eine streng katholische, von Zeit zu Zeit wird zum Gebete geläutet und dann knien die Nonnen und die Kranken, die so viel Kraft haben, vor den dort zahlreich angebrachten Bildwerken nieder. Freilich wird ein Andersgläubiger nicht veranlasst, daran teilzunehmen, nichtsdestoweniger muss so Fremdartiges störend auf die Nerven der kranken Israeliten einwirken. Die Speisen werden zwar von Israeliten geliefert; allein sie werden kalt, bis sie in das Hospital hinauskommen und von einer entsprechenden Diät kann demnach kaum die Rede sein. Das alles und noch manches andere kann nur ungünstig auf den Krankheitszustand wirken, kann nur schädigend der Genesung entgegentreten. 'Heil dem, der auf den armen Kranken achtet; auch ihn wird Gott am Unglückstage retten.'
Schon seit acht Jahren bemühen wir uns um die Gründung eines jüdischen Hospitals. Zustände, die seitdem beseitigt sind, hinderten damals da Zustandekommen; auch der deutsche Krieg und die in Folge dessen eintretende Geschäftsstockung ließen in den jüngstvergangenen Jahren es nicht als geraten erscheinen, das Projekt wieder aufzunehmen. Nunmehr jedoch blühen Handel und Wandel; opferwillige Männer haben nicht unbedeutende Schenkungen in Aussicht gestellt; Vermächtnisse für diesen Zweck werden nicht ausbleiben. So ist es denn wohl an der Zeit, unter göttlichem Beistande die längst gehegten, von einem großen Teil der Gemeindeglieder gebilligten Plane zur Ausführung zu bringen.
Wir konstatieren mit freudigem Herzen, dass seit einigen Jahren die Stimmung innerhalb der Gemeinde eine bei weitem versöhnlichere und friedlichere geworden. Möge gemeinsame Gründung eines der Würde unserer Gemeinde angemessenen Hospitals und Invalidenhauses, möge dieser gemeinsame Akt jüdischer Wohltätigkeit die Gemüter noch mehr einander nähern und die Herzen in Liebe und Eintracht verbinden."   
Anmerkungen:  Israelitisches Krankenhaus: https://www.future-history.eu/de/ansicht/juedisches-krankenhaus-mainz-1938-alexander
Rochus-Hospital: https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/mainz/kulturdenkmaeler/rochusspital.html
        

  
Eröffnung des neuen jüdischen Kranken- und Pfründnerhauses (1904)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1904: "Die Eröffnung des neuen jüdischen Kranken- und Pfründnerhauses in Mainz
Mainz, 15. November. Viele unserer geehrten Leser werden es wohl kaum glauben wollen, die uralte heilige Gemeinde Magenza, die schon im frühesten Mittelalter eine hervorragende Rolle in der Geschichte der deutschen Juden spielte, oder sagen wir es lieber, das moderne jüdische Mainz mit seinen, allen möglichen Zwecken dienenden Wohlfahrtseinrichtungen, die Fonds von Hunderttausenden besitzen, dies selbe Mainz hatte bis zum heutigen Tage kein jüdisches Spital. Wohl besitzen wir Krankenvereine in großer Zahl, die hilfreich und edel jedem erkrankten Glaubensgenossen zur Seite stehen, aber sie alle waren nicht im Stande, ein Krankenhaus, wie es bedeutend kleinere Gemeinden wie Mainz ihr eigen nennen, zu ersetzen. Worin lag der Grund dieser merkwürdigen Erscheinung? Zunächst an der hier seit Menschgedenken grassierenden ungeheuren Assimilationswut. Unter keinen Umständen sollte das Trennende, das, was uns von Andersgläubigen unterscheidet, betont werden und so wollte man selber in dem Zustande, in dem sogar nach Heine die Religion anfängt, nämlich, wenn die Gesundheit aufhört, kein jüdisches Krankenhaus. Auf eine Anfrage der Baronin Hirsch, die geneigt war, für ein hiesiges Spital eine größere Summe zu geben, erwiderte ein Hauptassimilant, dass für ein jüdisches Spital hier kein Bedürfnis sei, denn auf Wunsch würde jeder im städtischen Hospital rituell gepflegt werden. Der Herr Hauptassimilant vergaß aber dabei zu bemerken, dass der Chefarzt häufig den Einlass außerhalb bereiteter Speisen verwehrte und das aus gutem Grunde, denn die Speisen kamen oft kalt und verdorben nach halbstündigem Wege im Spital an. Der Herr Assimilant vergaß ferner zu bemerken, dass das allgemeine Mainzer Spital, entsprechend der Mehrzahl der hiesigen Bevölkerung einen vorwiegend katholischen Charakter trägt und dass Kranke und Sterbende es in ihren schwersten Stunden oft hart empfanden, Tag und Nacht von den Emblemen einer ihnen fremden Religion umgeben zu sein.
Das hat sich nun unter dem Beistande des Allgütigen geändert. Seit heute haben wir ein jüdisches Spital und ein jüdisches Pfründnerhaus. Die ersten Anregungen hierzu liegen weit zurück. Bereits vor dreiundvierzig Jahren erließen wackere hiesige Männer in den Lokalblättern einen Aufruf, der zur Gründung eines Spitals aufforderte, aber die Zeitverhältnisse ließen es nicht zu, dass die Spenden in so ausreichendem Maße flossen, als es für ein solches Werk erforderlich war. Auch ein Versuch zu Beginn der achtziger Jahre ein Spital zu errichten, führte nicht zu dem gewünschten Resultate. Erst als Herr D. E. Levinger sel. A. mit einer größeren Kapitalsumme den Grundstock legte, da fanden sich auch andere, die bereitwillig größere Mittel zur Verfügung stellten.
Wir nennen nur Professor Leser – Heidelberg, Frau Emil Simon hier, Frau Nordmann - Würzburg, M.F. Adler hier, Frau Max Schreiber hier. Machen wir zunächst durch die neuen Anstalten einen kleinen Rundgang.
In freier, gesunder Lage erheben sich inmitten ausgedehnter Gartenanlagen in der 'Gonsenheimer Hohl' zwei neue freundliche Gebäude: Das neue Spital und das damit verbundene Pfründnerhaus. Sämtliche Räume des Krankenhauses, das gegenwärtig zur Aufnahme von 20 Patienten eingerichtet ist, im Notfall aber bis zu 40 Kranke aufnehmen kann, sind weit und luftig und in hellen Farben ge-
Mainz Israelit 17111904b.jpg (411592 Byte)halten. Die einzelnen Bettstellen mit den geschmeidigen Patentmatratzen sind weiß lackiert, ebenso die Nachttischchen, die mit Glasplatten versehen sind, um das leider so beliebte aber verbotene Einschmuggeln von Speisen und Getränken zu verhindern. In allen Räumen ist Kalt- und Warmwasserleitung, Gas- und elektrisches Licht und Linoleumbelag. Für die pflegenden Schwestern und das Dienstpersonal sind nett ausgestattete Zimmer vorhanden und auch das Sprechzimmer des leitenden Arztes, Dr. Heßdörfer, ist mit Geschmack eingerichtet. Es ist mit der Apotheke direkt verbunden und birgt außerdem die vollkommensten elektrischen Einrichtungen zu Heilzwecken. Besondere Sorgfalt ließ man dem großen Operationssaal angedeihen. Von zwei Seiten aus wird er durch Oberlicht erhellt. Die Desinfektionsapparate und Spülvorrichtungen sind so eingerichtet, dass der Arzt zu ihrer Bedienung die Hände nicht braucht. Dass die Badezimmer und Klosetts mit den neuesten hygienischen Einrichtungen versehen sind, versteht sich von selbst. Nach der Straße zu befinden sich die Wohnräume, während die Krankenzimmer auf den Garten hinausgehen und namentlich von den oberen Stockwerken einen prachtvollen Rundblick über die ganze Stadt bieten. Aufnahme in das Spital finden Kranke jeder Konfession und jeder ist berechtigt, seinen eigenen Arzt zu bestimmen, sowohl zur einfachen Behandlung, wie bei einer etwa nötig werdenden Operation. Die Verköstigung ist streng rituell. Wie bereits bemerkt, ist dem Spital gleichzeitig ein Pfründnerhaus verbunden, das aus einer früheren Villa in überaus praktischer und wohnlicher Weise hergerichtet wurde. Es dient zur Aufnahme von 9 bis 12 Pfründnern und hat sehr nett eingerichtete Zimmer für Einzelne, wie auch für alte Ehepaare. Alle Möbel sind sehr geschmackvoll und in modernen Formen gehalten, jedes Zimmer hübsch tapeziert und mit elektrischem Läutewerk versehen und auch hier sind Bettstelle und Nachttisch weiß gestrichen. Die Verköstigung geschieht vom Spital aus. Ein Schuppen, der in den Gartenanlagen sehr versteckt liegt, birgt den Desinfektionsraum, die Waschküche und die Totenkammer. Etwaige Beerdigungen geschehen von der hinten angrenzenden Wallstraße aus und können weder von den Einwohnern des Spitals und des Pfründnerhauses, noch von der Gonsenheimer Straße aus bemerkt werden. Die Kosten für die ganze Anlage mit der Einrichtung betrugen 170.000 Mark. Nach den Plänen des Architekt Wirth, der mit aufopferungsvoller Tätigkeit und hoher Intelligenz den Bau leitete, wurde die Ausführung von dem Bauunternehmer Hauswald bewerkstelligt. An der inneren Ausstattung beteiligten sich die hiesigen Möbelfirmen Jourdan, Fischer Nachfolger und Grünfeld. Die Gasbeleuchtung wurde von der Firma Zulauf & Co, die elektrische Leitung von der Elektrizitätsgesellschaft Henry Hirsch ausgeführt, die Anstreicher- und Malerarbeiten erfolgten durch den Tünchermeister Moses Löb Asnes.
Vor einer kleinen Anzahl von Geladenen wurde die Anstalt heute mit einer äußerst würdigen Feier eröffnet. Als Vertreter der Regierung waren erschienen: Vom Großherzoglichen Ministerium in Darmstadt, Abteilung für Medizinalwesen, Herr Geheimer Regierungsrat Dr. Reidhardt, Herr Medizinalrat Dr. Hauser, beide aus Darmstadt und Herr Kreisarzt Medizinalrat Dr. Balser aus Mainz, ferner Geheimer Rat Provinzialdirektor Freiherr von Gagern und die Herren Regierungsräte Dr. Heinrich und Dr. Merk, sowie Herr Kreisamtmann Dr. Gaßner. Die städtischen Behörden waren vertreten durch Herrrn Oberbürgermeiser Dr. Gaßner und Herrn Bürgermeister Schmidt. Ferner bemerkten wir die beiden Herren Rabbiner Dr. Bondi und Dr. Salfeld, die Vorstände der verschiedenen israelitischen Wohltätigkeitsvereine und der Rhenus-Loge, die Vorsitzenden der israelitischen Religionsgemeinde und der Religionsgesellschaft, des kaufmännischen Vereins sowie Chefärzte des Rochus- und Vinzenzhofspitals, Herr Medizinalrat Dr. Reisinger und Herrn Medizinalrat Dr. Bierling, sowie dem Chefarzt der chirurgischen Abteilung, Herrn Dr. Neumann, eine größere Anzahl hiesiger Ärzte und Mitglieder der Familie Levinger.
Der Vorsitzende des Hospitalvereins, Herr Eduard Simon, eröffnete die Feier mit einer kernigen Ansprache. Er begrüßte die Geladenen und führte aus, dass schon vor 43 Jahren der Gedanke aufgetaucht sei, ein jüdisches Hospital zu errichten, dass es aber erst der heutigen Generation gelungen sei, denselben zur Ausführung zu bringen. Er betonte, dass hier kein Unterschied nach Rang und Stand, zwischen Reich und Arm gelte, keine Gegenüberstellung von religiösen Richtungen, aber auch - trotz der konfessionellen Richtungen, keine engherzige konfessionelle Abgrenzung. Er empfahl die Anstalten dem Schutze und Wohlwollen der staatlichen und städtischen Behörden, sowie der ganzen Mainzer Bevölkerung.
Der Chefarzt des neuen Hospitals, Herr Dr. Heßdörfer, führte aus, wie sehr das Krankenhaus dazu geeignet sei, eine längst fühlbare Lücke auszufüllen. Er dankte der Verwaltung, dass sie ihm das Ehrenamt übertragen und ihn durch Bewilligung der Mittel in die Lage gesetzt hätte, namentlich den Operationssaal auf das Modernste einzurichten. Er dankte ferner den Herren Medizinalrat Dr. Reisinger, Kreisarzt Medizinalrat Dr. Balser und Dr. Neumann, die ihm mit Rat und Tat zur Seite standen.
Herr Geheimer Regierungsrat Dr. Neidhardt würdigte die Bedeutung der Hospitäler in heutiger Zeit. Bei dem großen Fortschritt der Wissenschaft, er erinnere an die Antiseptik, sei es kaum möglich, Kranke    
Mainz Israelit 17111904c.jpg (229829 Byte)in Privatwohnungen fachgemäß zu verpflegen, und es waren da modern eingerichtete Krankenhäuser die größten Wohltäter der Menschheit. Entgegen der früheren Gepflogenheit, dass man an die Hospitäler die Inschrift setzen konnte: Lasciate ogni speranca voi ch’entrate (Beim Eintritt hier lasst alle Hoffnung fahren!) dürfte der Vorstand ruhig an das Portal dieses wohleingerichteten Hauses die Worte schreiben: 'Quisisana' (Hier wird man gesund!).
Nunmehr ergriff Herr Provinzialdirektor Geheimrat Freiherr von Gagern das Wort:
Auch die Regierung sei mit großem Vergnügen hierher gekommen, um der Einweihung des schönen Hauses beizuwohnen und sie drücke den Errichtern desselben und allen die zur Verwirklichung des edlen Planes beigetragen, ihren herzlichen Dank aus. Das fertige Haus sei ein Beweis dafür, dass die Israeliten unserer Stadt stets an erster Stelle zu finden seien, wo es gelte, Wohltätigkeit in großem Stile zu üben und dass sie nicht engherzig sich absperren, sondern in edler Weitherzigkeit die Tore ihres Krankenhauses jedem ohne Unterschied des Glaubens öffnen, der hilfeheischend bei ihnen anklopfe. Er empfehle das Werk der Nachahmung.
Herr Oberbürgermeister Gaßner rühmte die Opferwilligkeit der Stifter und Spender und drückte allen, die sich an dem Liebeswerk beteiligt haben, seine Hochachtung aus. Die Institution möge unter einem glücklichen Stern ihre Tätigkeit beginnen, damit sie denjenigen, die aus einem kampf- und qualvollen Leben hinaus flüchten, Hort und Zuflucht seit. Die Stadt Mainz wünsche dem Unternehmen aus tiefstem Herzen Glück.
Der erste Vorsteher der israelitischen Gemeinde Mainz, Herr Justizrat Dr. Ferd. Phil. Mayer, gratuliert aufs Herzlichste und wünscht immer weiteres Gedeihen und Blühen. Es sei bekannt, dass überall selbst wo kleine jüdische Gemeinden bestehen, neben der Pflege des Gottesdienstes und der Lehrtätigkeit auch in weitestem Sinne Wohltätigkeit geübt und Bedrückten und Sorgenvollen geholfen werde. Neben jedem jüdischen Gotteshause sei auch eine Einrichtung zur Krankenpflege. Er begrüßte heute die umfassende Institution, die nicht von der Gemeinde, sondern von einem privaten Kreise geschaffen sei. Er knüpfte an die Worte des Herrn Geheimrat von Gagern an, dass der neue soziale Gedanke der sei, dass es Aufgabe der Gesellschaft ist, neben dem Staate aus eigener Kraft Kranke und Schwache zu stützen und aufzurichten.
Herr Bauunternehmer Hauswald dankt für die anerkennenden Worte, die ihm hier gesagt wurden. Besonderen Dank gebührte der Baukommission, die sich nicht nur die finanzielle Seite, sondern auch jede Einzelheit habe angelegen sein lassen. Auch Herr Architekt Wirth dankt für das ihm gespendete Lob. Nachdem die Erschienenen die Anstalt eingehend besichtigt und ihrer hohen Befriedigung Ausdruck verliehen, schloss die würdige Feier. Wenn wir in diesem feierlichen Momente alle denjenigen, die sich um das neue Spital verdient gemacht, Anerkennung zollen, so darf aber auch ein Mann nicht unerwähnt bleiben, dem es leider nicht mehr vergönnt war, die Erstellung der Häuser mit eigenen Augen zu sehen. Es ist dies Herr L.H. Lippmann s.A., der die letzten Jahre seines fast nur Mitzwot gewidmeten Lebens damit verbracht hat, für das Spital rastlos zu arbeiten und der noch zwei Stunden vor seinem Tode dem Architekten Aufträge erteilte, der auch dem seligen Herrn Levinger die erste Anregung zu seinem guten Werke gegeben. Bram auso hoisch letauw.
Heute Abend findet der Chinuch ha-bajis (Einweihung des Hauses) in altjüdischer Weise durch Toralernen und eine Szudas Mitzwa statt.
Anmerkungen: - Magenza: https://de.wikipedia.org/wiki/Magenza  https://www.mainz.de/kultur-und-wissenschaft/stadtgeschichte/magenza/magenza-im-mittelalter.php
- Heine: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Heine
- Baronin Hirsch: wahrscheinlich Baronin Clara von Hirsch, geb. Bischoffsheim, Ehefrau von Moritz von Hirsch https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_de_Hirsch
- Hauptassimilant: es handelt sich hier sicher um ein Mitglied der reformjüdischen Gemeinde
- Professor Leser:  vgl. Artikel von 1914 zum Tod von Prof. Emanuel Leser 
- Klosett: https://de.wiktionary.org/wiki/Klosett
- Freiherr von Gagern: https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_von_Gagern_(Diplomat)    https://www.lagis-hessen.de/pnd/118689150
- Oberbürgermeister Dr. Gaßner: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Gassner  https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/biographien/gassner-heinrich.html 
- Rabbiner Dr. Bondi: vgl. Artikel von 1890 zum Stellenantritt von Rabbiner Dr. Bondi    
- Rabbiner Dr. Salfeld: https://de.wikipedia.org/wiki/Siegmund_Salfeld 
- Rhenus-Loge:  vgl. Artikel von 1908 zur Chanukkafeier der Rhenus-Loge    https://provenienz.gbv.de/Rhenus-Loge_(Mainz)  
- Rochusspital:  https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/mainz/kulturdenkmaeler/rochusspital.html
   https://www.unimedizin-mainz.de/katholische-klinikseelsorge/kirche-st-rochus/die-geschichte-der-kapelle-st-rochus-in-der-klinik.html
- Vinzenzhofspital: https://www.flickr.com/photos/hen-magonza/16256581418
- Lasciate ogni…..: http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Lasciate+ogni+speranza,+voi+ch%27entrate   
- L.H. Lippmann:  vgl. Artikel von 1902 zum Tod von Ludwig Hermann Lippmann  
- Mitzwot: Plural von Mitzwa https://de.wikipedia.org/wiki/Mitzwa, hier ist Wohltätigkeit gemeint, die eine religiöse Pflicht im Judentum ist. 
   

  
10-jähriges Bestehen des Israelitischen Hospitals in Mainz (1914)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. November 1914: "Mainz, 13. November. Der aus der D.E. Levinger Stiftung hervorgegangene Israelitische Hospitalverein Mainz eröffnete am 15. November 1904 in der Gonsenheimer Straße das israelitische Hospital und Pfründnerhaus und sieht in diesen Tagen auf sein 10jähriges Bestehen zurück. Die beiden herrlich gelegenen Wohltätigkeitsanstalten zeigen aus kleinen Anfängen heraus stetig fortschreitende Entwicklung durch immer bessere Verpflegung, Erweiterung durch Ankauf eines nebenan liegenden großen Gartens usw. Es besteht die Annehmlichkeit, dass es in der Wahl der Pfleglinge sowohl der ersten wie der zweiten Klasse steht, einen ihnen beliebigen Arzt oder Wundarzt zu Hilfe zu ziehen. Durch ansehnliche Schenkungen und Stiftungen besitzt der Verein ein schuldenfreies Anwesen und beträchtliches Vermögen. Über 3.000 Personen, ohne Unterschied des Bekenntnisses, wurden bislang verpflegt. Eine erhebliche Anzahl alleinstehender alter Leute – vermögende und unvermögende – fanden und finden im Pfründnerhause sorgsame Wartung für den Abend ihres Lebens. Auch für die Pflege verwundeter Krieger hat die Krankenhausverwaltung eine größere Anzahl von Betten zur Verfügung gestellt. Seit der Gründung gehören der Verwaltung an: Stadtverordneter Ed. Simon, Vorsitzende: Sanitätsrat Dr. B. Neudörfer, dirig. Arzt, Fräulein Clara Heß, Oberin. Zum Vorstande gehören ferner noch die Herren: A. Borney, Rabbiner Dr. Bondi, Leo Bondi, S. Cahn, J.J. Fulda, T. Lewinger, H. Reiling, Rabbiner Prof. Dr. S. Salfeld, A. Schott."
Anmerkungen:  - Rabbiner Dr. Bondi: vgl. Artikel von 1890 zum Stellenantritt von Rabbiner Dr. Bondi  
- Leo Bondi: Weinhändler in Mainz 
- Rabbiner Dr. Salfeld: https://de.wikipedia.org/wiki/Siegmund_Salfeld      
 
Mainz Israelit 14011915.jpg (126128 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Januar 1915: 
Derselbe Text wie oben
.    

  
25-jähriges Bestehen des Israelitischen Hospitals (1929)      

Mainz Israelit 14111929.jpg (104892 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. November 1929: "Mainz, 8. November. Am 15. November sind es 25 Jahre, dass die Anstalten des Israelitischen Hospitalvereins, Krankenhaus und Altersheim, ihrer Bestimmung übergeben wurde. Seit ihrem Bestehen haben diese Anstalten einen stetigen Aufschwung genommen und erst im vergangenen Jahre wurden sie durch einen größeren Anbau beträchtlich erweitert, sodass unsere Stadt ein mit allen neuzeitlichen Erfordernissen ausgestattetes, musterhaft geleitetes und dabei streng rituell geführtes Krankenhaus besitzt, das sich in allen Kreisen der Bevölkerung wie insbesondere bei der Ärzteschaft großen Ansehens erfreut. Ein gütiges Geschick will es, dass von dem bei der Gründung amtierenden Vorstand, außer dem hochverdienten Vorsitzenden, Herrn Bankdirektor Eduard Simon, noch drei weitere Verwaltungsmitglieder, die Herren Abraham Schott, Hermann Reiling und J. J. Fulda seit dieser Zeit ununterbrochen ihr Ehrenamt ausüben. Es ist eine besonders freundliche Fügung, dass Herr Direktor Eduard Simon gleichzeitig in diesen Tagen in bewundernswerter körperlicher und geistiger Frische seinen 75. Geburtstag begehen kann. Dem Jubilar, der seit Jahrzehnten an allen jüdischen Wohlfahrtsbestrebungen an führender Stelle regsten Anteil nimmt, und seinen Kollegen möge noch lange Jahre segensreichen Wirkens vergönnt sein."       

 
Einweihung des Neubaus des Israelitischen Hospitals bzw. Kranken- und Pfründnerhauses (1928)   

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 7. September 1928: "Mainz. (Einweihung im israelitischen Hospital). Am Sonntag, den 2. September wurde im Israelitischen Hospital-Verein, Gonsenheimerstraße 11, der Erweiterungsbau des Kranken- und Pfründnerhauses durch einen feierlichen Einweihungsakt seinen Zwecken übergeben. Im Anschluss daran fand eine Führung der geladenen Gäste durch die Anstalten statt. Um auch dem Publikum von Mainz Gelegenheit zu geben, sich von den auf der Höhe der Wissenschaft, Technik und Hygiene stehenden Einrichtungen zu überzeugen, hatte der Vorstand des Vereins beschlossen, am Sonntag Nachmittag von 2-6 Uhr allen Interessenten den Zutritt und die Besichtigung zu gestatten."      
 
Mainz Israelit 13091928.jpg (223122 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1928: "Einweihungsfeier in Mainz.  
Die Einweihung des Neubaus des israelitischen Kranken- und Pfründnerhauses fand am Sonntag statt. Der Vorsitzende des Israelitischen Hospitalvereins, Direktor E. Simon, konnte zahlreiche Damen und Herren, darunter die Vertreter des Staates, der Stadt, der Geistlichkeit, der Ärzteschaft, des Handels, der Industrie und vieler Vereine und der Presse herzlich begrüßen. Seinen Ausführungen entnehmen wir, dass die baulichen Veränderungen und die Vergrößerungen namentlich deshalb eine Notwendigkeit geworden seien, weil sich das Aufnahmebegehren von Kranken und Pfründnern verdreifacht habe. Noch sei es dringlich erforderlich, den Garten durch Gelände an der Wallstraße zu erweitern. Er gedachte dann in ehrenvollen Worten des früheren ärztlichen Leiters des Krankenhauses, des verstorbenen Sanitätsrates Dr. Heßdörfer, dankte den eifrigen Vorstandsmitgliedern, den Herren Gochsheimer und Schott und Herrn H. Reiling, dem Leiter der Zentralwohlfahrtsstelle, sprach dem Architekten Preis, sowie der Baufirma O. Hauswald seine Anerkennung für Errichtung der Bauten aus. Im Namen des Kreisamtes und der Provinzialdirektion überbrachte alsdann Regierungsrat Dr. Oppenheimer Glückwünsche, ihm schloss sich Beigeordneter Dr. Laaff an der im Auftrag der Mainzer Stadtverwaltung zu dem errungenen Erfolge dem Verein gratulierte. Kaplan Maurer von St. Bonifaz, der im Namen der Mainzer Geistlichkeit sprach, dass hier ein Werk der Humanität entstanden sei, das mit dazu beitrage, die bestehenden Weltanschauungsklüfte zu überbrücken. Kommerzienrat Kronenberger, der für den verreisten Vorsitzenden der israelitischen Gemeinde, Kommerzienrat B. A. Mayer, erschienen war, betonte, dass das Anrecht auf Hilfe und Fürsorge der Notleidenden, das heute der Stadt und die Gesellschaft allgemein anerkenne, in jüdischen Kreisen von jeher Geltung gehabt habe. Es sprach ferner Dr. Schlesinger im Namen der Israelitischen Religionsgesellschaft (Herr Rabbiner Dr. Bondi war durch Unpässlichkeit am Erscheinen verhindert), Dr. Neumann für die 'Rhenus-Loge' und anderer Vereine ähnlicher Bestrebungen. Sanitätsrat Dr. Herzog, der im Auftrage des ärztlichen Kreisvereins anwesend war, schloss seine Glückwünsche wertvollen Betrachtungen über den kulturellen Wert der Krankenhäuser an. Die Ansprachen fanden mit einem Vortrag des Rabbiners Dr. Levi, der einen verheißungsvollen Blick auf die Zukunft warf, ihren Abschluss unter Führung des leitenden Arztes und der Oberschwester statt. Der angegliederte Neubau, der innerhalb Jahresfrist fertig gestellt wurde, enthält 16 Räume, einen Schwesternspeisesaal, Ärzteberatungszimmer, Büro- und Empfangsräume, Krankenzimmer, Baderaum, einen Dachgarten, der prächtige Aussicht nach dem Taunus bietet, zu Sonnen- und Luftbädern benutzt wird. Von der Terrasse hat man einen abwechslungsreichen Blick auf die Stadt, die Gonsenheimer Waldungen usw." 
Anmerkungen:  - St. Bonifaz: https://de.wikipedia.org/wiki/St._Bonifaz_(Mainz) 
- Rabbiner Dr. Bondi: vgl. Artikel von 1890 zum Stellenantritt von Rabbiner Dr. Bondi  
- Rhenus-Loge: https://provenienz.gbv.de/Rhenus-Loge_(Mainz) 
- Kommerzienrat B. A. Mayer: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/L623WCZ35CJIJ4MUZCE4HVJNMOGIVKU7
- Rabbiner Dr. Levi: https://de.wikipedia.org/wiki/Sali_Levi          

   
   
"Jüdische Altertümer" und der Aufbau eines jüdischen Museums in Mainz   
Fund in der Sammlung alter Schriften (1909) 
    

Mainz Israelit 29071909.jpg (210095 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juli 1909: "(Aus dem alten Mainz). Herr Aktivar in Pension Klein hat aus seiner Sammlung alter Schriften dieser Tage der Mainzer Stadtbibliothek eine Verlaufsurkunde vom 14. September 1765 übergeben, die in mehr als einer Hinsicht das besondere Interesse aller derjenigen, die sich für Mainzer Geschichte interessieren, wachrufen dürfte. An dem genannten Tage wurde das Haus 'Zum roten Ochsen', Ecke der Löwenhof- und Synagogenstraße, von den Erben des kaiserlich Königlichen Hofjuden Josef Simson Wertheimber, nämlich David Josef, Isaac Lippmann und Lea Wertheimber, an die Witwe Simla oder Blümla des Schutzjuden und Mainzer Hoffaktors Zacharias Nathan Hamburger für 6.000 Gulden. Josef S. Wertheimber, gemeinhin Samson Wertheimber genannt, war einer der berühmtesten Juden zu Ausgang des 17. und Beginn des 18. Jahrhunderts, er war in Worms 1658 geboren, und starb in Wien 1724. Wertheimber war Kaiserlich Österreichischer Hofjude, Großfinanzier, Rabbi und Mäzen von Wissenschaft und Künsten. Seine Ausbildung erhielt er auf den Jeschiwot zu Worms und Frankfurt (auch in Mainz befand sich damals eine solche). Unter Kaiser Josef I. war er der erste Finanzmann und Kreditgeber des Staates. Er hatte persönliche gute Beziehungen zu Prinz Eugen von Savoyen, dem er auch die 300 Gulden bezahlte, die ihm Josef I. versprochen hatte. Wertheimbers Einfluss war ein sehr großer, weshalb er von seinen Zeitgenossen vielfach der 'Judenkaiser' genannt wurde. Er besaß viele Paläste und Gärten in Wien und zahlreiche Grundstücke in Deutschland, unter anderem in Frankfurt, Worms und anderen süddeutschen Städten. Eines der letzteren ist auch wohl das oben genannte Haus gewesen. Der 'Rote Ochs' war, wie die meisten Häuser der Löwenstraße, damals ein Gasthaus, in dem ausschließlich Israeliten verkehrten Auch die Familie des Mainzer Kurfürstlichen Hoffaktors Hamburger war eine sehr angesehene und der Name Hamburg, Homburg, Homburger usw. kehrt in den Chroniken der jüdischen Geschichte von Mainz sehr häufig wieder. In der Familie Hamburger soll sich eine kostbar, silberne Wiege aus Filigranarbeit befunden haben, die sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbte, schließlich aber, als eine Linie dieses Stammes verarmte, unter den Hammer kam. Das alte Haus 'Zum Roten Ochsen' ist in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts niedergebrannt. Besitzer war damals ein Goldarbeiter namens Friedberg. Bei dem Wiederaufbau wurde ein Teil nach der Synagogenstraße abgetrennt und auf ihm ein besonderes Haus errichtet."
Anmerkungen: - Josef Simson Wertheimber: https://en.wikipedia.org/wiki/Samson_Wertheimer
-  Hoffaktor: https://de.wikipedia.org/wiki/Hoffaktor
-  Jeschiwot: Plural von Jeschiwa https://de.wikipedia.org/wiki/Jeschiwa
-  Kaiser Josef I.: https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_I._(HRR) 
-  Eugen von Savoyen: https://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_von_Savoyen
-  Vgl. auch den Artikel über die Wiener Hofjuden, u.a. Samuel Oppenheimer von 1934 
       

   
Ein Museum für jüdische Altertümer in Mainz ist im Aufbau begriffen (1915)
    

Mainz Israelit 28011915.jpg (150352 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1915: "Ein Museum für jüdische Altertümer in Mainz
Die ersten bescheidenen Anfänge zur Begründung eines Museums hat die Mainzer Israelitische Gemeinde gemacht, indem sie einen ihr von einem auswärtigen Gönner zur Verfügung gestellten Prunkschrank dazu verwendet hat, um in ihm einen Teil der ihr gehörigen jüdischen Altertümer zu einer kleinen Ausstellung zu vereinigen. Der Schrank ist recht vorteilhaft im großen Sitzungssaale des Gemeindehauses an der Hauptsynagoge (Bonifaziusstraße) untergebracht. Neben kostbaren silbernen und goldenen antiken Kultusgeräten sieht man hier die altertümlichen gewaltigen Schlüssel von Mainzer Synagogen früherer Zeiten, uralte Verträge der Israelitischen Gemeinde mit der kurfürstlichen, der französischen und der hessischen Regierung, hebräische Pergamentrollen, alte Siegel des Rabbinats usw. Das Prachtstück der ganzen Sammlung ist aber unstreitig eine alte 'Pessach-Hagadah', ein Buch in Folioformat, das Gebete, Gesänge und Erzählungen für die beiden Osterabende enthält. Die Hagadah  stammt von dem Urgroßvater des früheren Kolonialdirektor Bernhard Dernburg, David Dernburg, aus der Zeit, da dieser erster Vorsitzender der Mainzer Israelitischen Gemeinde gewesen ist. Sie wurde vor einigen Jahren von der Gemeinde erworben. Das Buch, auf Pergament geschrieben, ist mit einer großen Zahl der herrlichsten Bilder im Stile altholländischer Meister geschmückt, in ihnen wird der Auszug der Kinder Israel aus Ägypten, ihr Durchzug durch das Rote Meer, die zehn Plagen usw. in der naiven Weise des 16. Jahrhunderts dargestellt. Das kostbare Werk trägt auf der Innenseite des Deckels verschiedene Eintragungen der Familie Dernburg. Die israelitische Gemeinde besitzt auch eine Reihe goldbestickter und seidengewebter Toravorhänge von hohem Werte, die aus dem frühen Mittelalter stammen, ein Teil davon gehörte der früheren Gemeinde Kastel. Mainz ist noch recht reich an jüdischen, geschichtlich wertvollen Altertümern. Die kleine Sammlung kann sich daher mit der Zeit zu einer recht stattlichen, ähnlich der Wormser, auswachsen."
Anmerkungen:  - Kultusgeräte: u.a. https://de,wikipedia.org/wiki/Rimonim  -  https://de.wikipedia.org/wiki/Toraschild   -  https://de.wikipedia.org/wiki/Jad  -
    Chanukka-Leuchter  https://de.wikipedia.org/wiki/Chanukka  - https://de.wikipedia.org/wiki/Menora u.a.m.
-  Pessach-Hagadah: https://de.wikipedia.org/wiki/Haggada  
-  Folioformat: https://de.wikipedia.org/wiki/Foliant
        

    
Weitere Schritte auf dem Weg zu einem Museum für jüdische Altertümer (1915)
         

Mainz AZJ 05021915.jpg (185269 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Februar 1915: 
Derselbe Text wie oben.
  

 
Über "Mainzer jüdische Altertümer" zur Eröffnung der Sammlung am 3. Oktober 1926 (1926)
    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. November 1926: "Mainzer jüdische Altertümer. Noch einige Worte zur Eröffnung der Sammlung am 3. Oktober 1926
Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt. In den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts schrieb ein Pater Fuchs aus dem Rheingau eine Geschichte der Stadt Mainz. In ihr führte er eine bewegliche Klage darüber, dass aus Mainz seit undenklichen Zeiten alle möglichen Denkmäler fortgeschleppt werden. Er bezieht sich dabei auf andere Mainzer Schriftsteller aus dem Mittelalter, die schon zu ihrer Zeit sich über diesen Mißstand aufregten. Was die Römer während der langen Zeit der Rheinbesatzung hier über und unter dem Boden zurückgelassen haben, war in der Tat so gewaltig, dass die Fürsten Deutschlands von hier aus ihre Raritätenkabinette füllen konnten. Die Kurfürsten – oft ohne den damals noch schwach entwickelten historischen Sinn oder um politische Gegengeschenke einzuheimsen, oder auch, da sie gerne die heidnischen Götterbilder und deren Zubehör aus der Stadt scheiden sahen – ließen es ruhig geschehen, dass man kunstvoll gehauene Grabsteine und Altarsäulen, Fibeln und Brunnenverzierungen wegnahm und irgendwo in Württemberg oder Sachsen aufstellte.
Wie mit den römischen Denkmälern, ähnlich erging es mit den jüdischen. Im Britischen Museum in London kann man silberne Becher sehen, die einst aus der Mainzer Synagoge entwendet worden waren. Mein Vater wühlte in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in einem Stoß alter Akten, der im Buchladen von J. Kauffmann, Frankfurt a. M., auf dem Fußboden herumlag und er fand dort das Protokollbuch der Israelitischen Gemeinde von Mainz aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; er erwarb es und es befindet sich noch heute in meinem Besitz (Jetzt in dem neuen Museum ausgestellt). Als vor noch nicht ganz einem Jahre Herr Dr. jur. Ladenburg mit den Plan entwarf, hier ein jüdisches Altertumsmuseum begründen zu wollen, lachte ich ihn aus. 'Gehen Sie nach London, Frankfurt, New York usw. und suchen Sie sich die Mainzer Sachen zusammen.'
Aber heute steht das Museum da und es ist erstaunlich, was da nicht alles zusammengekommen ist. In anerkennenswerter Weise hat allerdings jeder, Private, Vorortgemeinden, Stadtbibliothek und Stadtarchiv, der darum angegangen wurde, seinen kostbaren Besitz als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Als ältestes Stück der Sammlung darf wohl ein rabbinatliches Rechtsgutachten aus dem 14. Jahrhundert bezeichnet werden, das als Einband einer Hechtsheimer Gemeinderechnung aufgefunden wurde. Merkwürdigerweise begrüßt mich gleich beim Eingang eine meiner Urahninnen. Ein herrlicher Vorhang zum Gebrauch für die heilige Lade in der Synagoge, kostbare Brokatstickerei, stammt aus dem Besitz meiner Ur-Ur-Urgroßmutter, die ihr Brautkleid für diesen Zweck opferte. Ihr Gatte war Rabbiner in Bamberg, ebenso ihr Sohn, der später die Rabbinatsstelle in Mainz annahm. Aus Weisenau kommt eine Torarolle, vorläufig noch nicht ausgestellt, mit einem großen runden Loch in der Mitte; ein napoleonischer Tambour hat sich ein Fell für seine Trommel aus dem Pergament geschnitten.
Ein anderer napoleonischer Soldat war der Isaac Herz, der als 'Mameluk' diente und dessen Bild in Uniform man auf einer Veteranentafel sehen kann.          
Mainz Israelit 11111926b.jpg (189804 Byte)Schon damals wurden die Gesichter der Betreffenden in die lithographierten und dann mit der Hand bunt angemalten Gedenkblätter eingefügt, ganz so wie es noch heute beim Militär üblich ist. Die Aktenstücke aus kurfürstlicher Zeit sind manchmal recht drollig. Jedenfalls muss der Kurfürst viel Zeit gehabt haben, sich um recht kleinliche Dinge zu kümmern. Er residierte in der von Napoleon niedergelegten, prächtigen, uralten Martinsburg am Ende der Großen Bleiche – damals Burgstraße genannt – daher unter seinen Erlassen zu lesen ist: 'Gegeben zu Martinsburg'. So lesen wir als Verfügung, dass der Judd Abraham in der vorderen Juddegaß den vorspringenden Stein an seinem Hauseingang um 2 Zoll zurückzulegen hat. 'Gegeben zu Martinsburg'. In einem anderen Aktenstück aus dem Jahre 1848 protestieren eine große Anzahl Gemeindemitglieder in den energischsten Ausdrücken gegen die Einführung einer Orgel in der Synagoge. Das war der Beginn einer Bewegung, die später zur Trennung in zwei Gemeinden führte. Bis zur Franzosenzeit das Ghetto seine Bestimmung verlor, hat ein Jude, Moise Cahn, eigenhändig die Tore des Ghettos einzureißen begonnen. Das kann man auf einem Bilde der neuen Sammlung sehen, die näheren, hochinteressante Umstände bei diesem Vorgang in Salfelds Bilder aus der Vergangenheit der jüdischen Gemeinde Mainz nachlesen. Dieser Cahn war, nebenbei bemerkt, der Großvater des vor einigen Jahren in Berlin verstorbenen königl. Preußischen Legationsrat Dr. Wilhelm Cahn, dessen Gattin eine nahe Verwandte Eduard Laskers war. Andere Bilder stellen mittelalterliche Hochzeiten und Beerdigungen in Mainz dar. Eine solche jüdische Hochzeit in Mainz ist vom Maharil, der lange Zeit Rabbiner in Mainz war und dessen 500jähriger Todestag im nächsten Jahre von allen jüdischen Gemeinden der Welt gefeiert werden wird, anschaulich beschrieben. Diese Schilderung gewährt tiefe Einblicke in die Sitten und Gebräuche der damaligen Juden von Mainz. Bei dem Mangel an plastischen Bildwerken in der jüdischen Kunst interessiert besonders die schon früher genannte Ziesenhausener Tongruppe 'Sabbatvorbereitung'. Der Stifter der formenreichen Rokokoterrinen der Heiligen Bruderschaft war Herz Reinach, der Stammvater der Familie Reinach in Mainz, Frankfurt a. M., Paris. Ganz reizend sind die Malereien an den ausgestellten Estherrollen, bekanntlich das einzige unter den heiligen Büchern, das mit Bildern versehen werden darf. Mit diesen wenigen Bemerkungen ist natürlich der Inhalt der Sammlung noch lange nicht erschöpft. Es fehlt namentlich noch die Beschreibung des Silbers. O. L."
Anmerkungen: - Dr. jur. Ladenburg: Wahrscheinlich Dr. Karl Moritz Ladenburg, Kaiserstraße 11  https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de907412
- Heilige Lade: https://de.wikipedia.org/wiki/Toraschrein
- Tambour: Trommler in einem Spielmannszug https://de.wikipedia.org/wiki/Spielmannszug
- Mameluk: https://de.wikipedia.org/wiki/Mamluken
- Martinsburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Martinsburg_(Burg)   https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/mainz/kulturdenkmaeler/martinsburg.html
- Moise Cahn: vgl. Artikel von 1798 zur Emanzipation der Juden in Mainz  
- Salfeld: https://de.wikipedia.org/wiki/Siegmund_Salfeld
- Bilder aus der Vergangenheit der jüdischen Gemeinde Mainz:  https://d-nb.info/1206864745/34
- Dr. Wilhelm Cahn:https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Cahn
- Eduard Lasker: https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Lasker
- Maharil: https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_ben_Moses_haLevi_Molin
- Heilige Bruderschaft: https://de.wikipedia.org/wiki/Chewra_Kadischa
- Reinach: https://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_Reinach   https://de.wikipedia.org/wiki/Th%C3%A9odore_Reinach   https://frankfurter-personenlexikon.de/node/865
   https://de.wikipedia.org/wiki/Adolph_Reinach   https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_von_Reinach sowie ein Artikel von 1905 zu Kommerzienrat Hermann Reinach  
- Estherrolle: https://sammlung.juedischesmuseum.de/objekt/megillat-esther-esther-rolle/      

  
 Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Sammlungen jüdischer Kunst und Altertümer in Mainz (1931)
       

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 28. Januar 1931: "Mainz. (Tagung für jüdische Kunstpflege) Bei der am 11. Januar 1931 in Worms zusammengetretenen Arbeitssitzung der Arbeitsgemeinschaft für Sammlungen jüdischer Kunst und Altertümer wurde der für diese Gemeinschaft lang erstrebte Satzungsentwurf geschaffen und alle Aufgaben und Ziele festgelegt. An dieser Arbeitssitzung nahmen Vertreter der bisher bestehenden jüdischen Sammlungsorganisationen in größerer Zahl teil; die am Erscheinen verhinderten Organisationen bzw. deren Bevollmächtigte bekundeten durch Briefe und Telegramme ihr Einverständnis mit der satzungsgemäßen Festlegung und Inszenierung der Zusammenarbeit.
Der bisherige Vorsitzende, Herr Max Silberberg (Breslau) eröffnete die Sitzung, Herr Kommerzienrat B. A. Mayer (Mainz) begrüßte die Erschienenen namens der Israelitischen Religionsgemeinde Mainz und Herr Rabbiner Dr. Levi (Mainz) leitete die Verhandlungen nach Übernahme der Vorortsarbeit.
Über folgende Themen wurden Referate gehalten: 1. 'Das Programm für die zukünftige Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft' durch Herrn Max Silberberg (Breslau), Koreferent: Dr. Karl Ladenburg (Mainz). 2. 'Zusammenarbeiten der jüdischen Museen und Austauschmöglichkeiten' (in Abwesenheit des Referenten, Herrn Prof. Dr. Jakob Bronner (Wien), gelangte dessen Manuskript zur Verlesung). 3. 'Die Errichtung eines photographischen Archives' durch Herrn Max Silberberg (Breslau), Koreferent: Herr Theodor Harburger (München). 4. 'Die eventuelle Einrichtung einer die Arbeitsgemeinschaft betreffenden Zeitschrift' durch Herrn Rabbiner Dr. S. Levi (Mainz). 5. 'Ein eventuelles Engagement eines Herrn, welcher sich von Fall zu Fall für Forschungs- und andere Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft zur Verfügung stellen soll', durch Herrn J. Reiling (Mainz). - Über die Organisation des Kuratoriums zum Schutz jüdischer Denkmäler in Lemberg und dessen bisher geleistete Arbeit berichtete Herr Dipl.-Architekt Teitelbaum (Lemberg).
Aufgrund lebhafter Diskussionen zu den einzelnen Referaten wurde der Satzungsentwurf für die Arbeitsgemeinschaft, der Verteilungsplan für die einzelnen Bezirke der Museen und die Richtlinien für die inneren Arbeiten geschaffen. Zur Inangriffnahme der weiteren Arbeiten wurden folgende Kommissionen eingesetzt: 1. ein Aktionsausschuss für die kunst- und kulturhistorische Arbeit, bestehend aus: den Herren Max Silberberg (Breslau), Rabbiner Dr. Levi (Mainz) und Felix Perle (Breslau). 2. Ein Werbefinanzausschuss, bestehend aus den Herren Max Silberberg (Breslau), Kommerzienrat Mayer (Mainz), Dr. Leonhard Filda (Mainz) und Dr. Felix Kauffmann (Frankfurt a. M.) 3. Eine Kommission zur Schaffung eines fotografischen Bildarchivs, bestehend aus Frau Dipl-Architektin Rahel Wischnitzer-Bernstein (Berlin) und den Herren Max Silberberg (Breslau), J. Reiling (Mainz), Prof. Dr. Erwin Hitze (Breslau), Professor Dr. Glaser (Berlin), Dr. Otto Wertheimer (Berlin), Dr. Karl Schwarz (Berlin). Ferner wurde eine 4. Kommission zwecks Verbreitung der Aufgaben und Ziele der Arbeitsgemeinschaft mittels einer Werbeschrift, die Proben aus verschiedenen Tätigkeitsgebieten enthalten soll, eingesetzt; dieser Kommission gehören die Herren Felix Perle (Breslau) und Dr. Karl Ladenburg (Mainz) an.
In die Sitzung war eine gemeinsame Besichtigung des jüdischen Museums, Mainz, eingefügt. Führungen durch weitere Sehenswürdigkeiten in Mainz, Worms und Frankfurt a. M. schlossen die Tagung."
Anmerkungen: - Max Silberberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Silberberg
- Kommerzienrat Bernhard Albert Mayer: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/L623WCZ35CJIJ4MUZCE4HVJNMOGIVKU7
- Dr. Karl Ladenburg: Dr. Karl Moritz Ladenburg, Kaiserstraße 11 https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de907412
- Rabbiner Dr. Sali Levi: https://de.wikipedia.org/wiki/Sali_Levi
- Lemberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Lwiw
- Dr. Felix Kauffmann: https://www.lagis-hessen.de/pnd/116072857
- Rahel Wischnitzer-Bernstein: https://de.wikipedia.org/wiki/Rachel_Wischnitzer
- Prof. Dr. Erwin Hintze: https://de.wikipedia.org/wiki/Erwin_Hintze
- Dr. Otto Wertheimer: https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Wertheimer
- Dr. Karl Schwarz: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Schwarz_(Kunsthistoriker)         

  
  
   
   
   
   
   
   

 

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Stand: 30. Juni 2020