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Jüdische Geschichte / Synagoge
(die Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Gisela
Görgens, Linz)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Linz lebten Juden bereits im Mittelalter. Der
bekannte Chronist des 13. Jahrhunderts Caesarius von Heisterbach berichtet in
seinem 1219-1223 verfassten Diagolus miraculorum von der Taufe eines
jüdischen Mädchens in Linz. Mitte des 13. Jahrhunderts werden Vivelin und
seine Frau Kela von Linz als Einwohner und Hausbesitzer im jüdischen Viertel
von Köln genannt. 1342 wird ein "Meister" (Arzt?) Moyses aus Linz
Judenbürger in Nürnberg. Bei der Judenverfolgung in der Pestzeit 1348/49 wurde
auch in Linz jüdisches Leben vernichtet. 1424 ließen sich in Linz einige aus
Köln vertriebene Juden nieder. 1438 wird ein Jude "von Linz" in der
Stadt genannt.
Im 16./17. Jahrhundert entstand eine jüdische Gemeinde in der Stadt mit
einem Gemeindevorsteher.
Genaue Zahlen jüdischer Einwohner sind erst aus dem 19. Jahrhundert bekannt:
1809 waren es 14 jüdische Familien. 1819 litt die jüdische Gemeinde unter
den Hep-Hep-Unruhen. Die Zahl der jüdischen Einwohner nahm im Laufe des
Jahrhunderts zu: 1858 wurden 114 jüdische Einwohner gezählt. Die höchste Zahl
wurde 1892/93 mit 142 Personen erreicht (in 33 Familien). Seit Ende des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der
jüdischen Einwohner durch Aus- und Abwanderung zurück: 1900 wurden noch 116, 1905 92
Gemeindemitglieder gezählt.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (Religionsschule beziehungsweise zunächst Privatschule, seit
1881 eine öffentliche jüdische Elementarschule /
Konfessionsschule), ein rituelles Bad und seit 1854 einen Friedhof.
Das ehemalige jüdische Schulhaus stand bzw. steht in der Neustraße 20.
Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein 1725 von einem jüdischen Ehepaar
käuflich erworbenes Haus (Mann war Vorsteher der jüdischen Gemeinde; erster
jüdische Hauskauf in Linz ohne Gegenwehr der christlichen Mehrheit). 1841 ging
das Gebäude in das Eigentum der jüdischen Gemeinde über und wurde nun als
Gemeindehaus beziehungsweise als jüdisches Gemeindezentrum erworben. Ein auch
als Betraum genützter Schulraum befand sich im Obergeschoss. Auch nachdem die
jüdische Privatschule 1881 in eine öffentliche Schule umgewandelt worden war,
schickten viele, insbesondere die liberalen jüdischen Eltern ihre Kinder jedoch
weiterhin auf die christlichen Schulen. 1887 erhielten die jüdischen Kinder
einen Schulraum im Obergeschoss des Rathauses. Das jüdische Gemeindehaus (1923
renoviert) wurde 1936 unter dem Druck der Verhältnisse der NS-Zeit von der
jüdischen Gemeinde an Privatpersonen verkauft.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
(Religions-/Elementarlehrer) angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war. Zeitweise war auch ein Hilfsvorbeter und Synagogendiener angestellt.
Unter anderen wirkten folgende Lehrer in der Gemeinde (insgesamt neun Lehrer
zwischen 1844 und 1890): Lehrer Moses Heilbronn
(seit 1844, der die israelitische Elementarschule erfolgreich aufbaute, siehe
Artikel unten), 1862 bis 1877 Lehrer Goldschmidt, der als erster Lehrer
auch im Progymnasium unterrichten konnte, gefolgt von 1877 bis 1889 durch Lehrer
Leopold Mandel (unterrichtete um 1879 auch in
Unkel,
Rheinbreitbach und Erpel). Sein Nachfolger war seit 1890 Lehrer David Würzburger. Er
leitete 20 Jahre lang die jüdische Schule und unterrichtete auch am
Progymnasium. 1911 wurde der Unterricht von der alten jüdischen Schule in die
Privatwohnung von Lehrer Würzburger verlegt, da nur noch fünf Kinder
(konservativ) unterrichtet wurden.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Paul Wallach (geb.
16.3.1891 in Linz, gef. 18.11.1914).
Um 1925, als 62 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (ca. 1 % von
etwa 5.800 Einwohnern), gehörten dem Vorstand der jüdischen Gemeinde an:
Moritz Jonas, Eugen Hirsch, Dr. Sigmund Wolf; der Repräsentanz gehörten an:
Heribert Hirsch, Waldemar Hirsch, Robert Marx, Aron Marx, Hugo Levy, Jonas Levy,
Nathan David (Unkel). Als Kantor war David Würzburger tätig. Zuständiger
Rabbiner für die Gemeinde war der Kreuznacher Rabbiner Dr. Tawrogi. Den
Unterricht der damals drei schulpflichtigen jüdischen Kinder erteilte R.
Bachrach. An jüdischen Vereinen gab es den Jüdischen Frauenverein (Ziel:
Unterstützung Hilfsbedürftiger), den Literaturverein und die Armenkasse. Zur
jüdischen Gemeinde in Linz gehörten inzwischen auch die in Leubsdorf
(eine Familie, siehe unten Anzeigen der Metzgerei Hermann Faber),
Unkel
am Rhein (zehn Personen) und Rheinbreitbach
(vier Personen) lebenden jüdischen
Einwohner. 1932 waren im Vorstand der Gemeinde: Moritz Jonas, Dr. Sigmund Wolf
sowie Jonas Levy (Unkel). Die Vorsitzenden der aus sechs Mitgliedern bestehenden
Repräsentanz waren Heribert Hirsch, Aron Marx und Waldemar Hirsch. Als Lehrer
und Kantor kam D. Jena aus Neuwied nach Linz. Es gab im Schuljahr 1932/33 neun
schulpflichtige jüdische Kinder.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 64 Personen) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert, sodass 1938 nur noch etwa
34 jüdische Personen in Linz lebten. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die
Synagoge (s.u.) und sieben jüdische Wohnungen demoliert. Am 15. September 1941
mussten die letzten 19 jüdischen Einwohner in "Judenhäusern"
zusammen ziehen. Am 30. März 1942 wurden 12 davon in Vernichtungslager des
Ostens verschleppt, am 25. Juli 1942 wurden sieben in das KZ Theresienstadt
deportiert.
Von den in Linz geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; Achtung: es kann bei
Recherchen zu einzelnen Verwechslungen mit Linz an der Donau, Österreich geben): Elly Ahrend geb.
David (1888), Paula Berg geb. Dellheim (1891), Eva Bergheimer geb. David (1870),
Heinrich Beermann (), Johanna (Hanna) Beermann (1902), Rosalie Beermann geb. Lieser (1875),
Alfred Braun (), Ernestine Braun geb. Jacob
(1880), Hedwig David (1889), Adele Faber geb. Wolff (1885), Daniel Faber (1880),
Günter Faber (1925), Alma Feist geb. Mandel (1866), Alex Fernich (1883), Wilhelmina (Minna) Fernich geb. Marx (1890), Dora
(Dörte) Gräf
geb. Marx (1889), Berta Hirsch (1888), Lina Hirsch (1864), Max Hirsch (1866),
Rosa Hirsch geb. Meyer (1868), Thekla Isaacsohn geb. Mandel (1869), Paula Katz geb. Simon (1896),
Gertrud (Gerda) Levy geb. Hecht (1901), Bertha Lorch geb. Wallach (1863), Elisabeth Marx geb.
Feit (1890), Henriette Marx geb. Klaser (1858), Josef Marx (1888), Kurt Marx
(1925), Leo Marx (1895), Robert Marx (1883), Ruth Marx (1927), Selma Marx geb. Feit (1894), Thea Mendel geb. Meyer
(1866), Friedrich (Fritz) Meyer (1894), Jakob Meyer (1863), Sara Meyer (1873), Paula Moses geb. Wallach (geb. ?),
Johanna Neuburg geb. Hirsch (1883), Julius Neuburg (1878), Flora Philips geb.
Wallach (1896), Harry Samuel (1894), Hermann Samuel
(1894), Josephine Samuel (1870), Mayer Samuel (1868), Amalie Simon geb. Samuel
(1863), David Simon (1888), Simon Simon (1854), Regine Stern geb. Wallach (1893),
Friedel Vogel geb. Marx (1912), Arthur Wallach (1897), August Wallach (1861),
Benjamin Wallach (1867), Dina Wallach (1864),
Ernst Wallach (1889), Lina Wallach (1870), Therese Wallach (1895), Rosalie
Wiegand geb. Goldschmidt (1867).
Eine Gedenktafel mit Namen der aus Linz umgekommenen jüdischen Personen
befindet sich am Mahnmal an der Servitessenkirche.
Von den in Unkel geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sofie Heilbronn (1866),
Anita Hirsch geb. Mayer (1897), Leopold Meyer (1888), Henriette Wolff
(1875).
Von den in Rheinbreitbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Albert Abraham (1881), Ida
Abraham (1874), Joseph Abraham (1872), Bernhard Bär (1860), Dagobert van
Geldern (1875), Debora (Dora) van Geldern (1867), Emil van Geldern (1877), Otto
van Geldern (1871), Selma van Geldern (1869), Wilhelm Nikolaus van Geldern
(1879), Jenny (Henny) Moses (1886), Sophie Moses (1889), Helene Salm geb. Bär
(1857), Frieda Siegler geb. David (1885).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der Lehrer / Vorbeter und der Schulen
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1859 / 1861 / 1877 sowie 1911 (Synagogendiener/Hilfsvorbeter)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Januar 1859:
"Mitte April nächsthin wird die Stelle des Kantors, Religions- und
Elementarlehrers bei der hiesigen israelitischen Gemeinde vakant. Fester
Gehalt 190 Taler jährlich, neben freier Wohnung und Heizung; auch kann
ein tüchtiger Lehrer auf bedeutenden Privatunterricht rechnen.
Qualifizierte Bewerber wollen sch unter portofreier Einsendung ihrer
Zeugnisse schleunigst an den Unterzeichneten wenden. Linz am Rhein, im
Januar 1859. Meyer, Vorsteher." |
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Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. April 1861:
"Vakanz. Die Stelle eines Elementar-, Religionslehrers und
Kantors bei der hiesigen israelitischen Gemeinde wird für den 1.
September dieses Jahres zu besetzen gesucht. Fixer Gehalt 250 Thaler bei freier
Wohnung und Heizung und Neben-Akzidenzien. Qualifizierte
Reflektanten wollen sich portofrei werden an
den Vorstand der israelitischen Gemeinde zu Linz am Rhein. Linz, im April
1861." |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Mai 1877:
"Die infolge Ablebens des Lehrers Goldschmidt erledigte Stelle des
Elementar-Religionslehrers und Kantors bei der hiesigen Gemeinde ist
sofort wieder zu besetzen. Das feste Gehalt beträgt über 1.200 Mark.
Befähigte Bewerber, möglichst mit musikalischen Kenntnissen, wollen sich
unter Angabe ihrer persönlichen Verhältnisse und Einsendung ihrer
Zeugnisse an den Unterzeichneten wenden.
Der Vorstand der
Synagogen-Gemeinde zu Linz am Rhein." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1911:
"Ein Synagogendiener und Hilfsvorbeter wird von einer
kleineren Gemeinde einer Stadt am Rhein im Nebenamte gesucht. Derselbe
erhält außer einem mäßigen Fixum mit Extra-Einnahmen freie Wohnung
(Haus mit kleinem Laden an der Hauptstraße), sodass Bewerber als
Handwerber oder Händler beliebiger Branche ein gutes Auskommen und
sichere Existenz finden kann. Vorgänger betrieb ein Zigarrengeschäft.
Näheres durch Daniel Wallach in Linz am Rhein." |
Über die erfolgreichen Bemühungen des jüdischen
Lehrers Moses Heilbronn, eine jüdische Elementarschule aufzubauen (1847)
Anmerkung: nachfolgender Artikel ist von einem christlichen Lehrer
der Stadt geschrieben und ist ein besonderes Zeugnis eines guten
christlich-jüdischen Miteinanders zwischen Lehrerkollegen der damaligen Zeit.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Juni 1847:
"Linz am Rhein, 23. Mai (1847). Einsender des Gegenwärtigen glaubt
die Leser dieser Zeitung nicht mit Unrecht auf das ruhmwürdige Streben in
der hiesigen israelitischen Gemeinde aufmerksam zu machen, das zwar nicht
dem reißenden Streben des Fortschrittes huldigt, dagegen in sich selbst
die vielbesprochene Emanzipationsfrage zum schönsten Bewusstsein erzieht.
Bekanntlich gehört der elementarische Unterricht des Judentums in
Rheinpreußen, wie in vielen Provinzen anderer Staaten, noch zu den wenig
berücksichtigten Elementen, obgleich nicht zu verkennen, dass der Weg zu
einer besseren Zukunft angebahnt ist. Auch hier gehörte der israelitische
Lehrer bis in die neueste Zeit zu den dienenden Subjekten, welche die
Gemeinde nach beliebiger Frist und ohne Weiteres entlassen konnte; und
dass auf solche Weise wenig Erhebliches geleistet worden ist, noch werden
konnte; liegt durch die unzweideutigsten Resultate vor.
Vor ungefähr zwei Jahren wurde der Unterricht indessen in die Hände
eines von der königlichen Regierung ernannten und die desfallsige
Prüfung bestandenen Lehrers, des Herrn Heilbronn gelegt, eines
Mannes, der durch feste elementarische Grundsätze, durch
wissenschaftliche Bildung, wie durch Charakter die Anerkennung eines jeden
Schulfreundes verdient. Es musste unter solchen Umständen daher
schmerzlich empfunden werden, als die Gemeinde in ihren alten Schlendrian
mit absoluter Stimmenmehrheit zurückzutreten suchte, und jeglichen Ausweg
versuchte, gleich dem Frosche in den Pfuhl zurückzuspringen. Alle Mitte
wurden angewendet, dem ohnehin schwächlichen und kränkischen Lehrer die
Tage zu verbittern - aber vergebens. An dem gesunden Sinne einzelner
Gemeindeglieder und der durchgreifenden, einsichtsvollen, hochwürdigen
Schulinspektion scheiterte das ganze Unternehmen, vielmehr fand der
Gekränkte tätigste Unterstützung an der weisen geistlichen und
weltlichen Behörde der Stadt. - Es war derselben die eifrige,
durchgreifende Reform des Schulmannes nicht entgangen, der unter
unsäglichen Beschwerden und Leiden eine neue Bahn für die Gemeinde
gebrochen; und die abgehaltenen halbjährlichen Schulprüfungen lieferten
die glänzendsten, ich möchte mit den Worten eines gereiften Schulmannes
sagen, überraschendsten Resultate. Trotzdem der Unterricht sich über
alle elementarischen Fächer, Rechnen, Lesen, Schreiben, Sprachlehre,
Geographie, wie hebräische Sprachlehre, Lesen, Schreiben,
Religionsunterricht erstreckt, hat die letzthin abgehaltene, für diese
Schule unvorbereitete Entlassungsprüfung den Beweis geliefert, dass die
Schule des Herrn Heilbronn in jeder Beziehung über sämtlichen der ganzen
Stadt Linz, die deren noch vier zählt, steht. - Dass bei solchem Streben
die königliche, hochlöbliche Regierung im vorigen Jahre ihm eine
Unterstützung |
zur Badekur zufließen ließ, und selbst der Herr Oberpräsident in
persönlicher Erkundigung bei dessen letzter Anwesenheit sich nur lobend
und ermunternd auszusprechen sich bewog, konnte dem Lehrer wie der
Gemeinde nur zur Ehre gereichen.
Seitdem diese Angelegenheit bereits früher in dem 'Altenkirchener
Intelligenzblatte' in der Kürze erörtert worden, rückt in mancher
Beziehung für den Lehrer eine bessere Zeit heran; ein Wunsch belegt
indessen uns noch, dass die Gemeinde, in Berücksichtigung der
Kränklichkeit des Herrn Heilbronn, denselben an Sabbaten des
Vorbeteramtes entbinden möchte. Möchte es nicht zu den frommen Wünschen
gehören, deren Erfüllung man der ferneren Zukunft vertraut. -
Schließlich erwähnen wir zugleich das zu lobenden Streben mehrerer
hiesiger jüdischen Handlungshäuser, welche während der ungemeinen Not
und mit großer Anstrengung dem Notstande entgegengetreten, da nur durch
sie der Preis des Roggenbrotes in hiesiger Stadt nicht die Höhe erreicht,
welche selbst die nächsten Nachbarstädte zahlen mussten! Ein
christlicher Freund Israels im Namen mehrerer." |
Regelung des jüdischen Religionsunterrichtes am Progymnasium in Linz in den
1870er-Jahren
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Januar 1874:
"Linz am Rhein, 9. Januar (1874). Am hiesigen Progymnasium,
welches teils aus Regierungs- , teils aus städtischen Mitteln unterhalten
wird, wurde bisher kein jüdischer Religionsunterricht erteilt. Auf
Betreiben des Vorstandes der hiesigen Synagogengemeinde bei dem
Provinzialschulkollegium in Koblenz wurde gestattet, dass der erwähnte
Unterricht vorläufig privatim in der Anstalt den jüdischen Schülern
erteilt werde, und wurde der Gymnasialverwaltungsrat von genannter
Behörde angewiesen, zu diesem Zwecke ein Klassenzimmer zur Verfügung zu
stellen. Zwischen dem Verwaltungsrate und dem hiesigen Vorstande wurden
nun bereits die Stunden des jüdischen Religionsunterrichts verabredet
respektive festgestellt, und was besonders zu bemerken ist, wird das
Honorar aus der Stadtkasse bezahlt." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1878:
"Aus Linz am Rhein schreibt uns Herr Lehrer Mandel: Das
hiesige Königliche Progymnasium, welches bis vor kurzem katholisches
Progymnasium genannt wurde und den katholischen Charakter faktisch noch
nicht verloren hat, obgleich es alljährlich erhebliche Zuschüsse aus der
Staatskasse erhält, zählt 80 Schüler, worunter 10 jüdischer
Konfession. Letztere erhalten seit Herbst 1875 im Klassenzimmer der
Sekunda wöchentlich 2 Stunden jüdischen Religionsunterricht, welcher
seitens der Stadt mit 90 Reichsmark pro Jahr remuneriert wird. Bis zu
seinem im Mai dieses Jahres erfolgten Tode hat der Lehrer Goldschmidt
diesen Unterricht erteilt, und habe ich seit dem 1. Oktober dieses Jahres,
an welchem Tage ich die hiesige Lehrerstelle übernommen, diesen
Unterricht fortgesetzt, nachdem mir auf die Einsendung meines Befähigungszeugnisses
von dem Provinzschulkollegium zu Koblenz sofort die Genehmigung hierzu
erteilt worden war. Die bisher jährlich ausgegebenen Schulprogramme
enthalten einen ausführlichen Lehrplan über die jüdischen
Religionsfächer. Der jüdische Religionslehrer ist an der Ausstellung der
Zensuren beteiligt und genießt gleich den Gymnasiallehrern die
Vergünstigung, dass seine Söhne an dem Gymnasialunterricht unentgeltlich
teilnehmen können. Dieses Resultat ist erst nach 3 1/2 jährigen
Bestrebungen des Vorstandes der hiesigen Synagogengemeinde erreicht
worden. Derselbe petitionierte im März 1872 und wiederholt im darauf
folgenden September bei dem hiesigen Stadtverordnetenkollegium um
Gewährung einer Remuneration für den bei dem Progymnasium anzustellenden
jüdischen Religionslehrer. Diese Remuneration wurde in gleicher Höhe mit
der des evangelischen Religionslehrers bewilligt. Hierauf fußend,
richtete der hiesige Vorstand unterm 15. September desselben Jahres eine
Eingange an das Provinzialschulkollegium zu Koblenz, worin die Einführung
des jüdischen Religionsunterrichtes an dem hiesigen Progymnasium erbeten
und der Lehrer Goldschmidt zur Erteilung dieses Unterrichts vorgeschlagen
wurde. Genannte Behörde lehnte die Einführung des Religionsunterrichts
von Anstalts wegen ab, unter der Angabe, dass die Befähigung des Lehrers
Goldschmidt zur Erteilung des Religionsunterrichtes an einer höheren
Unterrichtsanstalt nicht nachgewiesen sei. Dagegen gestattete sie die
Erteilung eines privaten Religionsunterrichts für die jüdischen Schüler
in den Räumen der Anstalt durch Herrn Goldschmidt, erklärte, dass eine
Remunerierung des Unterrichts Privatsache sei und das Progymnasium nicht
berühre und wies den Vorstand an, sich an den Verwaltungsrat des
Progymnasiums zu wenden, welcher mit der Aufnahme einer entsprechenden
Verhandlung beauftragt sei. Die Verhandlung fand im Januar 1874 statt. In
derselben wurde die Erteilung des privaten Religionsunterrichts vereinbar;
doch konnte die Genehmigung zu jeder Zeit und ohne Weiteres zurückgezogen
werden; Remunerierung, Beschaffung des nötigen Brennmaterials und Ersatz
etwaiger entstehender Beschädigung an Gebäude und Utensilien seitens der
jüdischen Schüler, lagen dem Synagogenvorstand ob. Die Erteilung dieses
privaten Religionsunterrichts unterblieb jedoch, weil die Weisung zur
Erteilung dieses Unterrichts nicht erteilt worden ist. Später hatte der
Lehrer Goldschmidt durch eine Prüfung bei einem Rabbiner das
Befähigungszeugnis zur Erteilung dieses Unterrichts an den höheren
Schulen erhalten. Unter Anlage dieses Zeugnisses erneuerte der Vorstand
der Synagogengemeinde im Juni 1875 sein Gesuch, worauf unterm 4. August
desselben Jahres folgender Bescheid erging:
'Auf ihre Eingang vom 30. Juni dieses Jahres eröffnen wir Ihnen, dass vom
nächsten Semester ab für die israelitischen Schüler des dortigen
Progymnasiums in zwei Stunden wöchentlich ein eigener Religionsunterricht
von Anstalts wegen versuchsweise erteilt werden soll und die
Stadtverordnetenversammlung daselbst für den betreffenden Religionslehrer
eine Remuneration von 90 Mark jährlich bis auf Weiteres bewilligt hat.
Königliches Provinzialschulkollegium.'
Auf ihre Frage ad 4 in Nr. 48 dieser Zeitung bemerke ich, dass genannter
Unterricht regelmäßig und pünktlich von den Schülern besucht
wird." |
Zum Tod und zur Beisetzung des Lehrers Goldschmidt (Mai 1877)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Mai 1877:
"Von Linz am Rhein schreibt man der Kölner (?) Zeitung.: Ein
schönes Zeichen religiöser Duldsamkeit und friedlichen Zusammenlebens
der Konfessionen ist von hier zu melden. Am 10. dieses Monats wurde der
Lehrer der israelitischen Gemeinde Goldschmidt, der zugleich am
Religionslehrer am hiesigen Progymnasium war, zur letzten Ruhestätte
bestattet. Derselbe hatte seit 15 Jahren mit dem besten Erfolge in seiner Stellung
gewirkt und war bei seinen Mitbürgern beliebt und geehrt. Dem Leichenzuge
schloss sich eine große Menge von Bürgern an, unter diesen auch
angehörige der katholischen und evangelischen Geistlichkeit, der
Friedensrichter, der Direktor, die Lehrer des Progymnasiums mit ihren
Schülern. Die Grabrede hielt ein Kollege und Freund des Verstorbenen,
Lehrer Frank aus Köln. Der Gesangverein, dem auch der Bürgermeister der Stadt
angehört, sang zwei Lieder auf dem Grabe des biedern Lehrers, dessen
Andenken im Segen bleiben wird." |
Probleme mit dem biblischen
Geschichtsunterricht an den katholischen Volksschulen im Blick auf die jüdischen
Schülerinnen und Schüler - Beschwerde des jüdischen Lehrers Leopold Mandel
(1879)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitschrift des Judentums" vom 13. Januar 1879:
"Linz am Rhein, 30. Dezember (Privatmitteilung) (Vorbemerkung der
Redaktion. Das folgende Schreiben, an uns persönlich gerichtet, betrifft
so wichtige öffentliche Interessen, dass die Veröffentlichung uns durchaus
geboten erscheint. Wir geben es, nur diejenigen Stellen weglassend, welche
an uns sich wenden. Es versteht sich, dass der Angelegenheit weitere
Folge gegeben wird.)
Der hiesige Elementar- und Religionslehrer L. Mandel, welcher
zugleich den Religionsunterricht in unserer Spezialgemeinde
Unkel erteilt, machte vor einiger Zeit
dem Vorstand der Synagogengemeinde die Anzeige, dass die jüdischen Schüler
und Schülerinnen der Spezialgemeinde Unkel
in verschiedenen katholischen Volksschulen zu
Unkel,
Rheinbreitbach und
Erpel zur Teilnahme an dem biblischen
Geschichtsunterricht des alten Testaments, welcher nach dem Buche, betitelt
"Die biblische Geschichte des alten und neuen Testament für katholische
Volksschulen von Dr. J. Schuster" erteilt wird, sowie auch zur Anschaffung
des erwähnten Buches angehalten würden. Die seitens der Kinder namens ihrer
Eltern an das betreffende Lehrpersonal gerichteten Dispensations-Gesuche
seien erfolglos geblieben. Nach Einsicht der biblischen Geschichte von Dr.
Schuster wolle er - Lehrer Mandel - auf einige Stellen und Punkte dieses
Buches, die der jüdischen Religions- und Geschichtslehrer widersprechen
aufmerksam machen.
a) die Lektionen des alten Testaments sind mit bildlichen Darstellungen der
christlichen Religionslehre versehen.
b) Seite 3 spricht vom Kampfe des Teufels mit den guten Engeln.
c) Seite 7: 'Abel war ein Vorbild es von seinen Brüdern, den Juden,
unschuldig getöteten Jesus. Kain war ein Vorbild der über die Erde
zerstreut den Juden.
d) Seite 18 und 21 werden wiederholt die bekannten Stellen, die nach dem
hebräischen Texte, sowie nach der Vulgata und Septuaginta lauten müssen:
'Durch deine Nachkommen sollen alle Völker der Erde gesegnet werden', mit
folgender Übersetzung wiedergegeben: 'Durch Einen Deiner Nachkommen sollen
alle Völker der Erde gesegnet werden'.
Indem Lehrer Mandel diese Stellen vom Standpunkte der jüdischen Lehre und
Geschichte beleuchtete, führte er aus, dass aus denselben schon zur Genüge
hervorgehe, wie die biblische Geschichte des Dr. Schuster als Lehrbuch für
jüdische Schüler ungeeignet sei, und dass die Teilnahme an dem betreffenden
Unterricht für die jüdischen Kinder nachteilige Wirkung haben können. Lehrer
Mandel bat deshalb den Vorstand, um die Dispensation der jüdischen Kinder
von dem betreffenden biblischen Geschichtsunterricht bei den zuständigen
Behörden einzukommen.
Als bald nach Empfang dieses Schreibens richtete der Vorstand an den Herrn
Landrat des Kreises Neuwied eine Eingabe, in welcher derselbe, unter
Einsendung jenes Berichtes, das wohlbegründete Gesuch des Lehrers am. Um
Dispensation der jüdischen Kinder in Erpel,
Unkel und
Rheinbreitbach von der
Teilnahme an dem christlichen biblischen Geschichtsunterricht zu dem
seinigen machte. Zugleich aber legte er gegen die obige Stelle, welche
Christus mit Abel und die Juden mit Kain vergleicht, Verwahrung ein und wies
darauf ihn, dass diese Stelle, indem sie die katholische Jugend anleite, in
den Bekennern des jüdischen Glaubens nirgends Ruhe findende Brudermörder zu
erblicken, Verachtung Andersgläubiger, insbesondere der jetzigen Juden
lehre, und den konventionellen Frieden untergrabe. Unter Bezugnahme auf die
neuerliche Verfügungen des Kultusministers, der zufolge kein Schullesebuch
Stellen enthalten dürfe, welche eine Konfession zu beleidigen geeignet
seien, unterbreitete der Vorstand der Königlichen Regierung die Erwägung, ob
die erwähnte Stelle der schusterischen biblischen Geschichte: 'Abel … Juden)
in einem Schulbuche am rechten Ort sei..." |
Bei Interesse zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken
|
Zum Tod und der Beisetzung von Lehrer Leopold Mandel (1889)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. November 1889:
"Linz am Rhein, 6. November (1889). Heute wurde die Leiche des
plötzlich verstorbenen Lehrers und Kantors der hiesigen
Synagogen-Gemeinde, Herrn Leopold Mandel, zu Grabe geleitet. Seine
Gemeinde, die in ihm einen edlen, hoch geschätzten Lehrer, einen
geliebten, hochgeachteten Kultusbeamten verloren, folgte seiner Bahre. Die
Gymnasiasten unter Führung ihrer Lehrer (der Verewigte hatte den
Religionsunterricht am Gymnasium zu erteilen) und seine Schüler zogen
voran. Viele Kollegen und Freunde von nah und fern waren gekommen, um dem
geliebten Toten die letzte Ehre zu erweisen. Herr Rabbiner Dr. Cohn aus
Bonn hielt auf dem Friedhofe die ergreifende Trauerrede. Da blieb kein
Auge tränenleer. Herr Lehrer Friedberg aus Koblenz sprach trauernde
Abschiedsworte namens der Kollegen. - 12 Jahre hat der Verblichene in
seinem Amte hier gewirkt und weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus
sich Liebe, Vertrauen und Achtung zu verschaffen gewusst. Ein edler,
lauterer Charakter, ein treuer Freund und Berater, ein liebevoller,
munterer Gesellschafter, ein erfahrener Schulmann, ein hoch gelehrter
jüdischer Theologe, - so lebte er, von Vielen geliebt, von Allen
geachtet, von Niemanden gering geschätzt. Nicht Sonnenschein nur fiel auf
seinen Lebenswege, sondern auch düstere Schatten. Nicht Blumen nur hat
das Geschick ihm gespendet, auch Dornen, viele Dornen hat er gefunden.
Aber er hatte sich den Frieden und die Heiterkeit seines Gemütes bewahrt,
die im Verkehre mit ihm so wohltuend wirkten. Er war ein Greis mit einem
Jünglingsherzen. - Wenn der Wert eines Menschen nach der Summe der
Achtung bemessen werden soll, die ihm entgegengebracht wird, so muss man
vom seligen Lehrer Mandel sagen: Er war ein Mann, ein ganzer Mann an Herz
und Geist. Friede seiner Asche! Sein Andenken sei zum Segen. (Neuwieder
Zeitung)." |
Lehrer David Würzburger empfiehlt Linz für einen Sommeraufenthalt (1893)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni 1893:
"Gesunden und angenehmen Aufenthalt während der Sommermonate finden
Erwachsene und Schüler (letztere eventuell auch Beaufsichtigung) bei
Lehrer Würzburger, Linz am Rhein." |
Spendenaufruf des Lehrers David Würzburger (1897)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1897: "Aufruf!
Wenn dein Bruder verarmt und seine Hand sinkt bei dir, dann stütze ihn -
Fremdling oder Ansässiger - er lebe mit dir!
Eine fürchterliche Feuersbrunst hat das Städtchen Robrin in Russland
heimgesucht. Unter der Folge der Brandkatastrophe hat unter vielen,
insbesondere eine hoch achtbare, aus neun Personen bestehende jüdische
Familie, zu leiden. Dieselbe hat all ihr Hab und Gut verloren und, fern
von der Stadt, in einem auf einer Grube notdürftig aufgeführten Zimmer
kauernd. Weib und Kinder aller Lebensmittel baar, ohne Luft und Licht.
Wenn sie schon im Sommer keinen Schutz vor Regen und Sturm finden, wie
erst soll es den Unglücklichen im strengen Winter ergeben?
Edle Brüder und Schwestern, die Ihr sicher unter Euren Dächern weilet,
und deren Herz warm für Eure Mitmenschen schlägt, an Euch ergeht unsere
innige und flehentliche Bitte: helfet neun Menschenleben retten! Gottes
Segen wird mit Euch sein und der Lohn wird im neuen Jahr tausendfältig
Euch zuteil werden. Gütige Gaben werden von den Unterzeichneten dankend
entgegengenommen, weiterbefördert und darüber in den jüdischen
Blättern quittiert. M. Rosenwald, emeritierten Lehrer, Iserlohn. Würzburger,
Lehrer in Linz am Rhein.
Auch die Geschäftsstelle dieses Blattes ist gerne bereit, Gaben unter Nr.
5538 anzunehmen und weiterzubefördern." |
Aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Der Vorstand der Gemeinde wehrt sich gegen ein
antijüdisches katholisches Schulbuch (1880)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14.
Dezember 1880: "Aus Bayern, im November (1880). Die Leser dieser
Zeitung werden sich erinnern, wie der Vorstand der Synagogengemeinde zu
Linz am Rhein bei dem preußischen Kultusministerium (unter Dr. Falk)
gegen eine, die Juden brandmarkende Phrase der 'Biblischen Geschichte für
katholische Schulen von Dr. Schuster' vorstellig geworden und nur um die
Beseitigung dieser Phrase ersuchte, aber abschlägig beschieden worden;
man wird sich dessen erinnern, dass Treitschke in seinen bekannten
Artikeln das Vorgehen des gedachten Vorstandes als eine Anmaßung und
unerhörte Selbstüberhebung bezeichnete. Nun, das bayerische
Kultusministerium hat jetzt, wie die ultramontane 'Schlesische
Volkszeitung' berichtet, das Schuster'sche Lehrbuch für alle Schulen des
Königreichs Bayern verboten und nur für die falz ausnahmsweise bis zum
Verbrauch der noch vorhandenen Exemplare auf zwei Jahre gestattet. Wir
bilden uns nicht ein, dass dies auf Grund jener Phrase geschehen, sondern
wegen der Qualitäten dieses Lehrbuches überhaupt, die den Gebrauch
desselben gemeinschädlich machen. Hätte des preußische
Kultusministerium damals den gerechtfertigten Gesuchen des jüdischen
Vorstandes genügt, welch' kulturkämpfliches Geschrei wurden die
ultramontanen erhoben haben. Das Verbot des ganzen Buches in Bayern lässt
man sich stillschweigend gefallen." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod des Gemeindevorstehers Eugen Hirsch (1901)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom
11. Februar 1901: "Linz am Rhein (Todesfall). Nach kurzer
schwerer Krankheit ist der Vorsteher hiesiger Gemeinde, Herr Eugen Hirsch,
verstorben. In langjähriger, arbeitsfreudiger Hingabe hat der
Verblichene, wie es vom Vorstand und den Repräsentanten in einem
warmherzigen Nachruf anerkannt wird, die kulturellen und wirtschaftlichen
Interessen der Gemeinde vertreten. Als hilfsbereiten Freund und Ratgeber
ehrte und achtete man in Eugen Hirsch den treuen Sachverwalter der
Gemeinde, dessen Andenken von allen in dankbarer Erinnerung bewahrt
bleiben wird." |
Zum Tod von Fabrikant und Gemeindevorstehers Daniel
Wallach (1915)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Januar 1915: "Die jüdische Gemeinde in Linz am Rhein hat
durch den plötzlichen Heimgang ihres Vorstehers, des Fabrikanten
Daniel Wallach, einen schmerzlichen Verlust erlitten. Er hat sich
stets mit Unermüdlichkeit und Opfersinn der Gemeindeinteressen
angenommen." |
Im Ersten Weltkrieg hatte die Familie Marx sechs Söhne
im Feld (1924)
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 24. April 1924: "1000 Mark
Belohnung setzte
im 'Münchener Beobachter' der bekannte deutschvölkische Führer Dietrich
Eckardt für den aus, der ihm eine jüdische Mutter benennen würde,
die drei Söhne auch nur drei Wochen im Schützengraben aufzuweisen
hätte. Durch diese höhnische Auslobung wollte Eckardt 'beweisen', dass
die jüdischen Soldaten im großen Kriege ihre Pflicht schmählich
vernachlässigt hätten und sich, wie er und seine Freunde tagtäglich
verbreiten, in der Etappe statt im Schützengraben breit machten.
Eckardt erlebte einen bösen Reinfall!
Rabbiner Dr. Freund in Hannover benannte zwanzig Mütter seiner
Gemeinde, die den Anforderungen entsprachen. Und als Eckardt sich die
1000.- Mark zu zahlen weigerte, verurteilte ihn das Landgericht München
zur Zahlung. Die Beweisaufnahme ergab, dass in Hannover allein 20
jüdische Familien vorhanden waren, die drei Söhne und mehr drei Wochen
gleichzeitig im Felde hatten und aus anderen Orten Deutschlands wurde eine
lange Liste von jüdischen Familien vorgelegt, welche gleichzeitig
sieben, ja sogar acht Söhne vor dem Feinde hatten.
Die Liste begann: Frau Therese Kraemer in Crailsheim
hatte acht Söhne im Felde.
Frau David Hirschberg in Zwesten,
Post Borken, hatte sieben Söhne im Felde.
Familie L. Caminer in Charlottenburg, Kurfürstendamm 61, hatte sieben
Söhne im Felde.
Frau Delphine Loeb in Worms,
Karmeliterstraße 2, hatte sechs Söhne im Felde.
Familie Samuel Wolf in Aurich hatte sechs
Söhne im Felde.
Familie Arnold Visser in Emden,
Etzardstraße 4, hatte sechs Söhne im Felde.
Familie Meyer in Steinfurt hatte sechs Söhne im Felde.
Familie Marx in Linz am Rhein hatte sechs Söhne im Felde.
Simon Freising aus Sülzburg hatte
fünf Söhne im Felde." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Deutsch-Holländischen Dampf-Kaffee-Brennerei
von L. Wallach (1886)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. April 1886:
"Pessach.
Empfehle prima gebrannte Java-Kaffee's, gewissenhaft nach
Vorschrift gebrannt, zu den Preisen von: Mark 1.-, 1.20, 1.40, 1.60, 1.80,
2.- pro Pfund, franko unter Nachnahme in Postcolli's von 9 Pfund.
Wiederverkäufer erhalten Rabatt. Deutsch-Holländische
Dampf-Kaffee-Brennerei
von L. Wallach in Linz am Rhein." |
Lehrlingssuche der Zigarren-Fabrik Carl Meyer
junior (1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Mai 1890: "Lehrlings-Gesuch.
Suche einen braven, jungen Mann mit guter Schulbildung als Lehrling. Kost
und Logis frei im Hause. Lehrzeit 3 Jahre.
Carl Meyer junior. Zigarrenfabrik, Linz am
Rhein." |
Anzeige von Josef Wallach (1894)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 29. Oktober 1894):
"Ein israelitisches Mädchen aus guter Familie zur Stütze der
Hausfrau sucht zum sofortigen Eintritt
Josef Wallach jun.,
Linz am Rhein." |
Anzeigen der Metzgerei von Hermann Faber in Leubsdorf (1887 / 1890 /
1905)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Dezember 1887: "Koscher.
Die Metzgerei von Hermann Faber in Leubsdorf bei Linz am
Rhein empfiehlt ihre nachstehenden Fabrikate in nur feiner Ware und zu
äußerst billigen Preisen:
Koscher. Kochwurst à Pfund, roh gewogen Mark -.50. Cervelatwurst
à Pfund, gewogen trocken -.80. Rauchfleisch à Pfund, gewogen
trocken -.80. Pöckelfleisch à Pfd. dto. -.70. Geräucherte
Zungen à Pfund dto. 1.40.
Bestellungen nach Auswärts finden prompte
Erledigung." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Oktober 1890: "Koscher.
Versende von jetzt ab wieder in nur feiner Ware: Kochwurst à Mark
-.60. Cervelatwurst per Pfund à Mark 1.-. Rauchfleisch per
Pfd. à Mark 1.-. Hermann Faber, Metzgerei in Leubsdorf bei Linz am
Rhein." |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. Oktober
1905: "Gegründet 1870. Hermann Faber, Leubsdorf. Streng Koschere
Wurstfabrik. - bei Linz am Rhein.
Günstiges Angebot für Wiederverkäufer! Empfehle meine bereits
allerseits anerkannten Fleisch- und Wurstwaren zu nachstehenden ganz
besonders billigen Preisen. Kochwurst, als Spezialität worauf
besonders aufmerksam mache per Stück Mark 0.60. Cervelatwurst
à Pfund Mark 0.90. Rauchfleisch, knochenfrei à Pfund Mark
1.10". |
Hochzeitsanzeige von Albert Baer
und Thea geb. Faber (1937)
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 22. Juli 1937: "Statt
Karten!
Albert Baer - Thea Baer geb. Faber
Vermählte
Rheinbrohl am Rhein -
Leubsdorf bei Linz am Rhein 28. Juli 1937." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Mina Reinach
aus Linz (1827-1903) und Marx Reinach aus Sinsheim (1827-1887)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn;
der Geburtsname von Mina Reinach wird nicht mitgeteilt.
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Grabstein für Mina Reinach
(Reiner)
A Loving Wife and an Affectionate Mother
Born in Linz, Prussia Feb. 9th 1827
Died July 6th 1903" und für
"Marx Reinach (Reiner)
A Faithful Husband and a Devoted Father
Born in Sinsheim, Baden December
24th 1827
Died October 3rd 1887". |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgende Kennkarte ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
für August Wallach,
geb. in Linz |
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Kennkarte (Mainz) für
August Abraham Wallach (geb. 25. September 1861 in Linz am
Rhein,
später wohnhaft in Mainz), Kaufmann, deportiert am 27. September 1942 ab
Darmstadt
in das Ghetto Theresienstadt, umgekommen in Januar 1943 ebd. |
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Zur Geschichte der Synagoge
Aus mittelalterlichen Zeiten erfährt man noch von keiner Synagoge in Linz.
Eine erste Synagoge wird im 17. Jahrhundert eingerichtet worden sein. In
einem Bericht des jüdischen Gemeindevorstehers von 1824 an die Königliche
Regierung in Koblenz steht: "Die in Linz bestehende Synagoge ist mehr denn
200 Jahre alt und war nie einer Obersynagoge unterworfen". Der Standort
dieser ersten Synagoge, vermutlich nur ein Betraum in einem der von jüdischen
Familien bewohnten Häuser, ist nicht mehr bekannt. 1763 oder kurz danach wurde ein neuer
Betsaal eingerichtet durch Jakob Calmann Cohen. Dieser hatte das Eckhaus Neupfortenstraße/Himmelzeihgasse
erworben und im Obergeschoss einen Betsaal eingerichtet. Der Raum war etwa
30 qm groß, man erreichte ihn "über eine halsbrecherische Treppe, in
einer engen Strasse ohne Lichteinfall". Hier kamen die Linzer
Juden bis zum Bau der Synagoge 1850/51 zu Gebet und Gottesdienste
zusammen.
1841 beantragte die jüdische Gemeinde bei der Königlichen Regierung
in Koblenz den Kauf des Hauses mit dem Betsaal, um an seiner Stelle eine
Synagoge zu errichten. Der Kauf wurde im November 1841 genehmigt. Im Mai 1846
wurde eine Kollekte in den jüdischen Gemeinde der Rheinprovinz durchgeführt.
Schließlich konnte unter der Bauaufsicht von Bauinspektor Nebel 1850/51
die Synagoge erbaut werden. Die feierliche Einweihung war am 30./31. Mai
sowie am 1. Juni 1851, worüber ein Bericht in der Allgemeinen Zeitung des
Judentums (Ausgabe vom 30. Juni 1851) erschien:
"Linz
am Rhein, 2. Juni (1851). In den Tagen vom 30. und 31. Mai und 1. Juni
dieses Jahres war unser freundliches Städtchen in Folge der Einweihung der
neuen Synagoge freudig belebt. Von den Schiffsmasten und Brücken, von Türmen
und den am Rhein gelegenen Besitzungen der hiesigen Israeliten sowohl als von
ihren Wohnhäuser in der Stadt grüßten Flaggen, Blumen und Laubgewinde
freundlich die in großer Zahl zur Teilnahme ankommenden fernen
Glaubensgenossen, sie auf das gastfreundlichste einladend und ihnen nach alter
Sitte herzliches Willkommen verheißend, zugleich aber auch die Freude wegen der
Einweihung ihres Gotteshauses bekundend, welches, im würdigen Stile erbaut,
eine ebenso würdige Ausschmückung erhielt. Die Festreden hielt der Rabbiner
Ben Israel aus Koblenz." |
Über 85 Jahre war die Synagoge religiöses Zentrum der
jüdischen Gemeinde.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge demoliert
und geschändet. Die Inneneinrichtung wurde verwüstet. Da das Gebäude zwischen
alten Fachwerkhäusern steht, wurde es nicht angezündet. Nach 1945 wurde das
Gebäude als Lagerraum zweckentfremdet, bis es Mitte der 1980er-Jahre zu einem
Wohnhaus umgebaut wurde. Seit 1992 ist eine Gedenktafel am Gebäude angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Auf dem Berg
Fotos
Historische Fotos
sind nicht bekannt, über Hinweise freut sich der Webmaster;
Adresse siehe Eingangsseite |
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Die ehemalige Synagoge
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.8.2006) |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge mit der Gedenktafel: "Zur Mahnung - zum
Gedenken. Dieses Haus wurde 1851 als Synagoge der jüdischen
Gemeinde Linz
erbaut. Am 10. November 1938 verwüsteten die Nationalsozialisten dieses
Gotteshaus. 1942 endete mit der Deportation der
jüdischen Bürger auch in
Linz alles jüdische Leben. Die Bürger der Stadt Linz.
Deutsch-Israelitisches Freundeskreis e.V. Linz". |
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Die ehemalige jüdische
Schule
(Neustraße 20; Foto Gisela Görgens,
Aufnahmedatum: 27.11.2008) |
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Mitte des Fotos: Eingang zum
ehemaligen Schulhaus |
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Die Gedenktafel an der
Servitessenkirche
(Fotos: wie bei Schule) |
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Text: "Zum
Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger, die Opfer der
nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft wurden - Namenliste siehe
Vergrößerung rechts - Die Bürger der Stadt Linz.
Dr. Sigmund-Wolf-Platz. 1904-1933 verdienstvoller Bürger, Arzt und
Stadtverordneter jüdischen
Glaubens, 1938 als Opfer des Novemberpogroms
in die USA emigriert." |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2010:
Gedenken am Jahrestag des Novemberpogroms 1938 -
Berichte aus Bad Honnef, Linz, Unkel und Königswinter-Oberpleis |
Artikel in der "Kölnischen Rundschau" vom 11. November 2010 (Artikel):
"'Ein Meer aus Kerzenlichtern'.
Von Königswinter bis Linz fanden Gedenkveranstaltungen an die Reichspogromnacht 1938 statt. An der Synagogengedenktafel an der unteren Kirchstraße in Bad Honnef erinnerte Bürgermeisterin Wally Feiden mahnend an die Geschichte.
SIEBENGEBIRGE - Von Königswinter bis Linz fanden am Dienstag Gedenkveranstaltungen an die Reichspogromnacht 1938 statt, als in der Nacht vom 9. auf den 10. November die Nationalsozialisten Einrichtungen jüdischer Bürger im gesamten Deutschen Reich zerstörten..." |
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März 2024:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Link
Anmerkung: bereits 2022 und 2023 wurden insgesamt 29 "Stolpersteine" in Linz
verlegt. |
Artikel in "Blick Aktuell" vom März 2024: "Gedenken
an die Opfer des Nationalsozialismus fand viel Anklang - 13 neue
Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig für Linz
Linz. 'Wir wurden als Zweitklässler von unserem jungen Lehrer dazu
angehalten, Nazilieder zu singen, wenn wir mit der Klasse an der jüdisch
betriebenen Metzgerei vorbeigingen.', erinnert sich ein ehemaliger
Leubsdorfer, der nun im Seniorenzentrum Antonius wohnt und zur Verlegung der
Stolpersteine mit vor die Tür kam. Und das Thema Nationalsozialismus ist
wieder allzu brisant. Man müsse sich mit allen Mitteln für die Demokratie
einsetzen, mahnt Stadtbürgermeister Hans Georg Faust. In Linz am Rhein
wurden im Februar 2022 und 2023 insgesamt 29 Stolpersteine für jüdische
Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Nun sind nochmals zwölf Stolpersteine
dazugekommen sowie ein Stolperstein für ein sogenanntes Aktion T4-Opfer,
damals als 'Euthanasie' bezeichnet. Damit wurde die Ermordung von zwar nicht
jüdischen, aber beeinträchtigten Menschen bezeichnet.
Friedrich Levy wurde aufgrund seiner geistigen Behinderung von den Nazis
1940 ermordet. Ihm wurde vor dem damaligen Pflegeheim und heutigen
Seniorenzentrum Antonius ein Stolperstein gesetzt. Und wieder hat es sich
der 76jährige und sehr agile Künstler und Erfinder der Stolpersteine, Gunter
Demnig, nicht nehmen lassen, sie persönlich auf Knien anzubringen.
Stolpersteine werden zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus
verlegt. 'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist',
heißt es im Talmud. Demnig erinnert mit seinem Projekt 'Stolpersteine' an
die Verfolgten der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten
Wohnort Gedenktafeln aus Messing einlässt. Jeder Stein steht für einen
Namen, einen Menschen, ein Schicksal. Wer sich herunterbeugt, um die Namen
zu lesen, verbeugt sich gleichsam vor den Opfern. 'Man hätte eine Nadel
fallen hören, als ich das Holocaust-Thema heute Morgen im Unterricht
angesprochen habe.', erzählte Susanne Fauck, Religionslehrerin an der
Robert-Koch-Schule in Linz. Und so war eine betroffene Stille auch bei der
Verlegung der neuen Stolpersteine in Linz trotz verschiedener Schulklassen
und weiteren Gästen wahrzunehmen.
Einst gab es eine lebendige jüdische Gemeinde mit über 100 Mitgliedern in
Linz. Unter ihnen waren angesehene Ärzte und Großhändler wie die
Kolonialwaren-Großhandlung Levy Wallach, die zu Beginn der 1930er Jahre 17
Verkaufsstellen in u. a. Horhausen, Oberlahr, Brohl, Leutesdorf und
Hönningen zählte. Ab 1933 gab es infolge des Boykotts jüdischer Betriebe
einen rapiden Umsatzrückgang. Mit weiteren NS-Verordnungen führte dies 1938
zum Untergang des Unternehmens. Ernst Wallach, Geschäftsführer der Firma,
war zu diesem Zeitpunkt bereits im Konzentrationslager Buchenwald
inhaftiert, 1941 wurde er, der noch im Ersten Weltkrieg als Soldat für
Deutschland gekämpft hatte, ermordet, so die Recherchen der Stadt-Archivarin
Andrea Rönz. 'Kauft nicht bei den Juden!', habe man damals die Menschen
verunsichert und diskriminiert, sollten sie sich doch judenfreundlich
zeigen, erklärte Faust den zwei anwesenden achten Klassen des
Martinus-Gymnasiums und der Robert-Koch-Schule mit ihren Lehrern Tanja
Malottke (Geschichte) und Susanne Fauck (Religion) sowie etlichen weiteren
Zuhörern.
Ernst Wallach wurde ebenso wie seiner Stiefmutter Berta Wallach mit ihren
Töchtern Hedwig und Lilli ein Stolperstein gesetzt. Heute ist das alte Haus
im Besitz der Firma Scherer und die anwesende Geschäftsführerin Stephanie
Scherer-Peschel war sehr betroffen im Gedenken an die ehemaligen Besitzer.
'Wenn man sich vorstellt, unter welchen Umständen sie hier ihre letzten
Jahre verbracht haben, wird einem Angst und Bange.', so Scherer-Peschel. Das
denkt auch Maximilian Warmth, 13, vom MGL, beim Betrachten der fünf Steine
für die Familien Simon und Samuel vor deren Haus auf dem Schulweg vieler
Gymnasiasten. 'Wir haben in Geschichte einen Film über den Holocaust
angeschaut. Es ist so krass, dass man hier direkt vor einem Haus steht, wo
Leute rausgerissen wurden - Nachbarn, die man nie mehr wieder gesehen hat.',
macht Maximilian sich bewusst. 'Die Schüler gehen anschließend mit anderen
Augen durch die Stadt.', weiß Lehrerin Malottke noch von der letzten
Verlegung der Stolpersteine 2023. In Gedenken aller Opfer und für den
Frieden in der Welt setzte Stadtratsmitglied Ruth Zimmermann abschließend
zum Lied 'Hevenu Shalom alechem' an."
Link zum Artikel |
Artikel von Carin Demnig von Weger im
"General-Anzeiger" vom 25. März 2024: "13 neue Stolpersteine für Linz.
'Es wird einem angst und bange'.
Linz · Der Künstler Gunter Demnig hat neue Stolpersteine im Gedenken an
Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Die Schicksale der Opfer sind
erschütternd - und Mahnung zugleich.
Das war schon beeindruckend. 'Man hätte eine Nadel fallen hören können, als
ich das Thema heute Morgen im Unterricht angesprochen habe', erzählte
Susanne Fauck, Religionslehrerin an der Robert-Koch-Schule in Linz. Und so
war eine betroffene Stille auch bei der Verlegung der neuen Stolpersteine in
Linz wahrzunehmen.
In Linz am Rhein wurden im Februar 2022 und 2023 insgesamt 29 Stolpersteine
für jüdische Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Nun sind nochmals zwölf
Stolpersteine dazugekommen sowie ein Stolperstein für ein Opfer der
Euthanasie-Aktion 'T4'. Damit wurde die Ermordung behinderter Menschen
bezeichnet. Und wieder hat es sich der 76-jährige Künstler und Erfinder der
Stolpersteine, Gunter Demnig, nicht nehmen lassen, sie persönlich auf Knien
anzubringen. Dabei wollte er doch mal kürzertreten und nicht überall
persönlich dabei sein. Aber ein Rückzug ist schwierig bei so einem
Herzensprojekt.
Stolpersteine zur Erinnerung. Einst gab es eine lebendige jüdische
Gemeinde mit über 100 Mitgliedern in Linz. Unter ihnen waren angesehene
Ärzte und Großhändler wie die Kolonialwaren-Großhandlung Levy Wallach, die
zu Beginn der 1930er Jahre 17 Verkaufsstellen unter anderem in Horhausen,
Oberlahr, Brohl, Leutesdorf und Hönningen zählte. Ab 1933 gab es infolge des
Boykotts jüdischer Betriebe einen rapiden Umsatzrückgang. Mit weiteren
NS-Verordnungen führte dies 1938 zum Untergang des Unternehmens. Ernst
Wallach, Geschäftsführer der Firma, war zu diesem Zeitpunkt bereits im
Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert, 1941 wurde er, der noch im Ersten
Weltkrieg als Soldat für Deutschland gekämpft hatte, ermordet, so die
Recherchen der Stadt-Archivarin Andrea Rönz. Mit Hetzparolen wie 'Kauft
nicht bei den Juden!', habe man damals die Menschen verunsichert und
diskriminiert, sollten sie sich doch judenfreundlich zeigen, erklärte
Stadtbürgermeister Hans Georg Faust schülergerecht den anwesenden achten
Klassen des Martinus-Gymnasiums und der Robert-Koch-Schule mit ihren Lehrern
Tanja Malottke (Geschichte) und Susanne Fauck (Religion) sowie etlichen
weiteren Beigeordneten und Gästen.
'Es wird einem angst und bange'. Ernst Wallach wurde ebenso wie seiner
Stiefmutter Bertha Wallach mit ihren Töchtern Hedwig und Lilli ein
Stolperstein gesetzt. Heute ist das alte Haus im Besitz der Firma Scherer.
Die anwesende Geschäftsführerin Stephanie Scherer-Peschel war sehr betroffen
im Gedenken an die ehemaligen Besitzer. 'Wenn man sich vorstellt, unter
welchen Umständen sie hier ihre letzten Jahre verbracht haben, wird einem
angst und bange', so Scherer-Peschel. Das denkt auch Maximilian Warmth, 13,
vom MGL, beim Betrachten der fünf Steine für die Familien Simon und Samuel
vor deren Haus auf dem Schulweg vieler Gymnasiasten. 'Wir haben in
Geschichte einen Film über den Holocaust angeschaut. Es ist so krass, dass
man hier direkt vor einem Haus steht, wo Leute rausgerissen wurden,
Nachbarn, die man nie mehr wieder gesehen hat', macht Maximilian sich
bewusst. 'Die Schüler gehen anschließend mit anderen Augen durch die Stadt',
weiß Lehrerin Malottke noch von der letzten Verlegung der Stolpersteine
2023. Angehörige der Familien hatte Rönz nicht mehr ausfindig machen können.
Das Linzer Urgestein Karl-Heinz Wölbert erinnert sich aber sehr gut an die
Erzählungen seiner Mutter, die mit der Heddy (Hedwig Wallach) und den
Marx-Kindern gespielt habe. 'Auf einmal waren sie weg – und kamen nie
wieder', habe die Mutter oft erzählt. Bertha Wallach, nach dem Tod ihres
Mannes Joseph Gesellschafterin der Firma Levy Wallach, war mit ihrer Tochter
Hedwig die Flucht in die USA geglückt, Lilli Wallach floh schon 1933 über
England und lebte später auch in den USA. 'Nachfahren der Familie Marx haben
wir noch ab und zu in Linz gesehen.', erinnerte sich Wölbert bezüglich der
Spielgefährten der Mutter. Metzger und Viehhändler Joseph Marx lebte mit
seiner Frau Selma und seinem Sohn Kurt Marx in einem Wohnhaus, das 1938 im
Zuge des Novemberpogroms verwüstet und zu einem der beiden 'Judenhäuser'
wurde, wo alle in Linz verbliebenen 19 Juden eingepfercht und vorinterniert
wurden. Auch die drei Mitglieder der Familie Marx wurden Richtung Osten
deportiert und dort ermordet. Steine zu ihrem Gedenken wurden bereits
gefertigt, werden aber erst später verlegt.
Ein Lied für die Opfer. Friedrich Levy wurde aufgrund seiner
geistigen Behinderung von den Nazis 1940 ermordet. Ihm wurde vor dem
damaligen Pflegeheim und heutigen Seniorenzentrum Antonius ein Stolperstein
gesetzt. Senioren kamen heraus und setzten sich zu den Schülern auf die
Stufen vor der Gedenktafel. 'Erst seit etwa vier Jahren kommen immer mehr
sogenannte 'Euthanasie'-Opfer dazu.', erzählte Demnig. Kliniken weigerten
sich oft, Informationen herauszugeben. Angehörige möchten nicht, dass die
Behinderung womöglich in Gedanken auf sie übertragen würde, oftmals herrsche
Schweigen, weiß Demnig. In Gedenken aller Opfer und für den Frieden in der
Welt setzte Stadtratsmitglied Ruth Zimmermann abschließend zum Lied 'Hevenu
Shalom alechem' an. Zu Deutsch: 'Friede sei mit dir.'"
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 491-492; III,1 S. 755-756.
|
| Anton und Anita Rings: Die ehemalige jüdische
Gemeinde in Linz am Rhein. Erinnerung und Gedenken. Stadt Linz am Rhein.
1989. Vgl.
gerichtliche Auseinandersetzung um diese Publikation |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 235-236 (mit weiteren Literaturangaben). |
| Peter
Adams (Hg.): Die schöne Jüdin. Roman aus dem kurkölnischen Linz
von Pater Petrus Sinzig. Bei der schönen Jüdin handelt es sich um einen
Roman, den der Linzer Franziskaner-Pater Petrus Sinzig 1927 veröffentlichte.
Der historische Roman, der in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Linz am
Rhein, zur Zeit des Reformationsstreits spielt, erzählt die Geschichte von
der Liebe des Christen Jost Kastenholz zur schönen Jüdin Rachel. Die
Geschichte dieses Romans ist so interessant, dass sie bereits in den 1950er
Jahren als Bühnenstück in Linz uraufgeführt wurde. Daneben spielt das,
ebenfalls von einem bekannten Sohn der Stadt Linz, Tilmann Joel, gestiftete
Marienaltarbild eine wichtige Rolle.
Nähere Informationen: www.die-schoene-juedin.de/ |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Linz
Rhineland. Jews are first mentioned in 1218-1222. The community was destroyed in
the Black Death persecutions of 1348-49. Small number of Jews were present in
the 15th and 16th centuries and a permanent community was formed in the late
16th century. In late 1819, Jews were attacked in the Hep! Hep! riots. A Jewish
elementary school was started in 1844; a new synagogue was consecrated in 1851;
and a cemetery was opened in 1854. The Jewish population reached a peak of 130
in the last quarter of the 19th century (4 % of the total). In the aftermath of
Worldwar I, a number of antisemitic incidents occurred and in the postwar
economic crisis, a number of Jewish businesses closed down. In June 1933, about
four months after the Nazi rise to power, there were 64 Jews in Linz. Under Nazi
persecution, most left in 1933-38. On Kristallnacht (9-10 November 1938),
the synagogue and seven Jewish homes were wrecked and Jewish men arrested. The
last 19 were moved to "Jewish houses" on 15 September 1941; 12 were
deported to the east on 30 March 1942 and seven to the Theresienstadt ghetto on
25 July. At least 23 perished in the Holocaust.
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|