Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Dreißigacker (Stadt Meiningen, Kreis Schmalkalden-Meiningen)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen    
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde     
   
In Dreißigacker bestand eine jüdische Gemeinde im 18./19. Jahrhundert. In der Mitte des 17. Jahrhundert dürften die ersten jüdischen Familien zugezogen sein (ältester Grabstein auf dem Friedhof von 1665). 1716 werden jüdische Handelsleute aus Dreißigacker auf der Leipziger Messe genannt. Im 1735 wird von einem jüdischen Schulmeister Mattäi Levi berichtet, der zugleich Vorbeter und Schächter war und die Kinder der jüdischen Familien unterrichtete. 
   
Eine besondere Rolle spielten in der Geschichte der Gemeinde die Handelsleute der Familie Strupp. Diese konnte 1715 in Meiningen das Handelsunternehmen I.M. Strupp begründen. Der Getreidehandel war Schwerpunkt dieses Unternehmens; die Familie wohnte weiterhin in Dreißigacker, da in Meiningen der Zuzug erst Mitte des 19. Jahrhunderts möglich war. 
Auch eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Meininger und Thüringer Wirtschaftslebens um 1900 entstammte der Familie Strupp: Bankier Dr. Gustav Strupp, geb. 1851 in Dreißigacker (Grab siehe im Meininger Friedhof), Mitglied im Landtag 1903-1918, gest. 1918 in Meiningen. Über Dr. Gustav Strupp siehe einen informativen Wikipedia-Artikel.    
  
An Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Bereits 1735 wird ein jüdischer Lehrer am Ort genannt (s.o.). 1843 war Abraham Lißner Lehrer in der jüdischen Gemeinde. Ein jüdisches Schulhaus (vermutlich mit Lehrerwohnung) war im 19. Jahrhundert vorhanden. 1847 wurden darin elf Kinder unterrichtet. Beim Brand 1867 wurden Schule und Synagoge völlig zerstört.  
   
1833 hatte die jüdische Gemeinde 56 Mitglieder, 1841 63. 1856 erhielten die im Herzogtum lebenden Juden die bürgerliche Gleichberechtigung. Alsbald zogen viele der jüdischen Familien aus Dreißigacker nach Meiningen. 1867 (damals wohnten nur noch vier jüdische Personen in Dreißigacker) wurde die jüdische Gemeinde in Dreißigacker mit der im Jahre zuvor gegründeten Gemeinde in Meiningen zu einer Gemeinde verbunden, wenig später aufgelöst.      
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
   
Allgemeine Berichte    
          
Zahl der jüdischen Einwohner im Herzogtum Meiningen (1841)
       

Mitteilung in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1841: "Die Zahl der jüdischen Einwohner des Herzogtums Meiningen beläuft sich dermalen auf 1494, und es wohnen hiervon 19 in der Stadt Meiningen, 548 in Walldorf, 63 in Dreißigacker, 121 in Bauerbach, 114 in Bibra, 100 in der Stadt Hildburghausen, 51 in Simmershausen, 153 in Berkach, 185 in Gleicherwiesen, 131 in Marisfeld, 9 in Liebenstein, 17 verstreut in verschiedenen Ortschaften, 23 haben bereits das Staatsbürgerrecht, und zwar nur im Hildburghausischen, 105 haben sich bürgerlichen Gewerben zugewendet."         

   
   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben 
Zahlreiche jüdische Familien wandern nach Nordamerika aus (1854)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Juli 1854: "Dreißigacker bei Meiningen, im Juli (1854). Das Judengesetz von 1811 ist wieder die Richtschnur, nach welcher unsere Verhältnisse behandelt werden. Man will den Handel der hiesigen Israeliten einschränken dadurch, dass nur Ein Sohn aus einer jüdischen Familie die Erlaubnis zum Handel erhält, die Freizügigkeit wird uns aber vorenthalten und darum auf der anderen Seite der Zweck verfehlt, die jüdischen Staatsuntertanen den Handwerken zuzuführen. Einige hiesige jüdische Kaufleute, deren Geschäfte in dem eine halbe Stunde von hier liegenden Meiningen bestehen, suchten um die Erlaubnis nach, mit ihren Familien in Meiningen wohnen zu dürfen, und erklärten, in keiner Weise auf den Genuss der Rechte eines städtischen Bürgers Ansprüche zu machen, es dem Magistrate auch anheim stellen zu wollen, ihnen die vielleicht zu gewährende Erlaubnis zu jeder Zeit wieder zurücknehmen zu können. Allein sie wurden abschlägig beschieden, weil - ihre Religion die mosaische ist. Unter solchen Umständen wird es auch nicht auffällig sein, wenn die Lust der Auswanderung nach Amerika die Gemüter ergreift. Walldorf, als die größte jüdische Gemeinde im Lande, liefert das bedeutende Kontingent zu Auswanderung. Ganze Familien schicken sich dort an, über dem Meere eine neue Heimat zu finden. Amerika wird der Jugend, möchte ich sagen, schon in der Wiege als das gelobte Land gepriesen, und sobald das Kind nur einige Jahre in die Schule geht, sucht man auch Gelegenheit, es mit der englischen Sprache bekannt zu machen."  

  
Großbrand in Dreißigacker - auch die Synagoge wurde zerstört (1867)  

Dreissigacker Israelit 05061867.jpg (34695 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1867: "München, 23. Mai (1867). In Dreißigacker (Franken) ereignete sich ein bedauernswertes Brandunglück. Kleine Kinder spielten mit Zündhölzchen und warfen sie brennend weg. Unter 145 Wohngebäuden, die hierdurch niedergebrannt sein sollen, soll auch die Synagoge ein Raub der Flammen geworden sein."  

     
Die jüdischen Familien verlassen Dreißigacker (1878)   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Oktober 1878 innerhalb von Sätzen zu Walldorf: "Seit der Einführung der Freizügigkeit hat diese Gemeinde, sowie das nahe liegende Dreißigacker, einen großen Teil seiner Mitglieder verloren, welche sich größtenteils in Meiningen niedergelassen haben."   

   
   
Über einzelne Personen aus der jüdischen Gemeinde 
Der in Dreißigacker geborene Jerusalemer Einwohner Moses Sachs engagiert sich für die in Jerusalem lebenden jüdischen und christlichen Europäer (1837)     

Dreissigacker AZJ 20071837.jpg (71118 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Juli 1837: "(Aus Wien). Der im Semilasso B.4 und demzufolge in No. 6 Ihrer Zeitung erwähnte Rabbiner in Susa war auch hier. Es ist ein gewisser Sachs aus Meiningen in Deutschland, ehedem Bachur auf deutschen Jeschiwoth, später nach Jerusalem übersiedelt und daselbst ansässig, von wo er nach Deutschland zurückkehrte, um die Mildtätigkeit seiner Glaubensgenossen für die in Jerusalem anwesenden Israeliten, nebenher auch zur Förderung der Industrie unter denselben in Anspruch zu nehmen. Seine äußere und innere Persönlichkeit entspricht ganz der Schilderung des Fürsten Pückler-Muskau, dessen Empfehlungsschreiben ich auch bei ihm gesehen habe. Vom Herrn Freiherrn Sal. von Rothschild erhielt er hier die Zusicherung einer bedeutenden Unterstützung, wenn seine Pläne, die mehr Eifer als Klarheit der Gedanken verraten, sich realisieren sollten."     
   
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. September 1837: "Meiningen, 5. September (1837). Unser bekannter Reisender und Landsmann, Herr Moses Sachs aus Jerusalem, der Seiner Majestät dem Kaiser Ferdinand von Österreich und Seiner Durchlaucht dem Fürsten von Metternich bekannt geworden ist, und zu dem menschenfreundlichen Zwecke, den in Jerusalem wohnenden Europäern jüdischen und christlichen Glaubens nützlich zu werden, seit Jahr und Tag Europa durchreist, und auch nach seiner Heimat gekommen ist, erzählt unter Anderem: dass man die Hunderttausende, welche jährlich zur Unterstützung der Armen nach Jerusalem fließen, dort sehr ungleich und darum oft zwecklos vergeude. Er ist daher der Ansicht, man solle von Zeit zu Zeit durch einen zuverlässigen Mann aus Europa den Zustand der dortigen europäischen Bevölkerung untersuchen, und für eine zweckmäßigere Verwendung jener milden Gaben Sorge tragen lassen. Denn gerade die Bedürftigsten erhielten die geringsten Spenden, während andere sich durch große Gaben bereicherten. Er bedauert daher mit Recht die großen Summen, die, ohne der Not der wirklich Armen in Jerusalem, soweit es möglich sein würde, abzuhelfen, in anderen Händen hängen bleiben, als in solchen, die im Schweiße des Angesichts ihr Brot verdienen müssen. Möchte doch die Stimme dieses redlichen Mannes Gehör finden unter seinen Glaubensgenossen nicht bloß Europas, sondern allenthalben, wo sich Barmherzige finden, die an die traurige Lage ihrer Brüder im Oriente denken und ihnen fromme Gaben der Liebe senden. Möchten selbst die Regierungen dieser wichtigen Angelegenheit ihre Aufmerksamkeit zuwenden, und dies umso mehr, als die aus ihren Ländern dorthin strömenden Gelder wie ein Tropfen im Weltmeer spurlos verschwinden und unnütz vergeudet werden. Ein Freund des Rechts und der Wahrheit."   
   
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Oktober 1837: "Meiningen, 9. September (1837). Obgleich bereits in No. 74 ein eingesandter Artikel über den folgenden Gegenstand gegeben worden, so finde ich dennoch wegen der Wichtigkeit desselben, hier noch folgende Mitteilung der Dorfzeitung No. 152, einen Platz. - Hier hält sich gegenwärtig ein Einwohner Jerusalems auf, gebürtig aus Dreißigacker, der bisher in der Absicht Deutschland und Europa durchreiste, um mittelst einer Subskriptionsversicherung einige erprobte Jugendbildner, sowie einige geschickte Handwerker und praktische Ökonomen nach dem heiligen Lande überzusiedeln, welche die dortigen verwahrlosten Europäer kultivieren sollen. Die zu diesem Zwecke zu errichtende Anstalt würde alle die bedeutenden Unterstützungen, die bisher jährlich aus Europa dorthin flossen und oft zwecklos verschwendet wurden, für die Zukunft entbehrlich machen. Es ist derselbe Rabbiner und Talmudist, den der berühmte Weitgänger, Fürst Pückler-Muskau, zu Susa in Afrika antraf, und über den er sich im 4. Band seines 'Semilasso in Afrika' vorteilhaft äußert, sowie auch bereits die Allgemeine Zeitung des Judentums No. 6 und 37. desselben Erwähnung tut. Es wäre zu wünschen, Herr Herr M. Sachs, trotz seiner vielfachen in Holland und Deutschland bestandenen Abenteuer, seinen menschenfreundlichen Zweck erreichte."   

   
  
   
Zur Geschichte der Synagoge             
    
Eine Synagoge war zunächst im Herrenhaus des herzoglichen Domänengutes in der Straße "Am Schloßberg" eingerichtet. 1819 wurden die dafür genutzten Räume der jüdischen Gemeinde durch die herzogliche Kammer gekündigt. Daraufhin wurden die Gottesdienste in einem jüdischen Privathaus abgehalten. 
  
1822 errichtete die jüdische Gemeinde eine Synagoge. Sie wurde beim großen Brand von Dreißigacker am 13. Mai 1867, dem 145 Wohnhäuser zum Opfer fiel, zerstört. Dadurch ist der genaue Standort unbekannt. Auch die jüdische Schule wurde beim Brand 1867 völlig zerstört. 
 
Ein Neuaufbau der Synagoge und des jüdischen Schulhauses erfolgte nicht, zumal die jüdischen Familien zu dieser Zeit bereits überwiegend den Ort verlassen und sich großenteils in Meiningen angesiedelt hatten.       
   
   
Adresse/Standort der Synagoge       unbekannt   
    
   
Fotos  

Es sind - außer den Bildern zum Friedhof - noch keine Fotos zur jüdischen Geschichte in 
Dreißigacker vorhanden. Über Hinweise oder Zusendungen freut sich der Webmaster 
- Adresse siehe Eingangsseite
 
     

    
    
Links und Literatur  

Links:  

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Website der Stadt Meiningen   

Literatur:    

bulletHans Nothnagel: Die fast vergessene jüdische Gemeinde in Meiningen. In: Hans Nothnagel (Hg.) Juden in Südthüringen - geschützt und gejagt. Bd. 3: Juden in der ehemaligen Residenzstadt Meiningen und deren Umfeld. S. 13-68.  
bulletIsrael Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de) 2007. Zum Download der Dokumentation (interner Link). Zu Dreißigacker S. 92-95.   

      
n.e.
   
 

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020