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Thüringen"
Dreißigacker (Stadt
Meiningen, Kreis
Schmalkalden-Meiningen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Dreißigacker bestand eine jüdische Gemeinde im 18./19.
Jahrhundert.
In der Mitte des 17. Jahrhundert dürften die ersten jüdischen Familien
zugezogen sein (ältester Grabstein auf dem Friedhof von 1665). 1716 werden
jüdische Handelsleute aus Dreißigacker auf der Leipziger Messe genannt. Im
1735 wird von einem jüdischen Schulmeister Mattäi Levi berichtet, der zugleich
Vorbeter und Schächter war und die Kinder der jüdischen Familien
unterrichtete.
Eine besondere Rolle spielten in der Geschichte der Gemeinde die
Handelsleute der Familie Strupp. Diese konnte 1715 in Meiningen
das Handelsunternehmen I.M. Strupp begründen. Der Getreidehandel war
Schwerpunkt dieses Unternehmens; die Familie wohnte weiterhin in Dreißigacker,
da in Meiningen der Zuzug erst Mitte des 19. Jahrhunderts möglich war.
Auch eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Meininger und
Thüringer Wirtschaftslebens um 1900 entstammte der Familie Strupp: Bankier Dr. Gustav
Strupp, geb. 1851 in Dreißigacker (Grab siehe im Meininger
Friedhof), Mitglied im Landtag 1903-1918, gest. 1918 in Meiningen. Über Dr.
Gustav Strupp siehe einen informativen Wikipedia-Artikel.
An Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben
der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war. Bereits 1735 wird ein jüdischer Lehrer am Ort genannt (s.o.). 1843
war Abraham Lißner Lehrer in der jüdischen Gemeinde. Ein
jüdisches Schulhaus (vermutlich mit Lehrerwohnung) war im 19. Jahrhundert
vorhanden. 1847 wurden darin elf Kinder unterrichtet. Beim Brand 1867 wurden
Schule und Synagoge völlig zerstört.
1833 hatte die jüdische Gemeinde 56 Mitglieder, 1841 63. 1856 erhielten
die im Herzogtum lebenden Juden die bürgerliche Gleichberechtigung. Alsbald zogen viele der jüdischen Familien
aus Dreißigacker nach Meiningen. 1867
(damals wohnten nur noch vier jüdische Personen in Dreißigacker) wurde die
jüdische Gemeinde in Dreißigacker mit der im Jahre zuvor gegründeten Gemeinde
in Meiningen zu einer Gemeinde verbunden, wenig später aufgelöst.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte
Zahl der jüdischen Einwohner im Herzogtum Meiningen (1841)
Mitteilung in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1841: "Die
Zahl der jüdischen Einwohner des Herzogtums Meiningen beläuft sich dermalen
auf 1494, und es wohnen hiervon 19 in der Stadt
Meiningen, 548 in
Walldorf, 63 in Dreißigacker,
121 in Bauerbach, 114 in
Bibra, 100 in der Stadt
Hildburghausen, 51 in
Simmershausen, 153 in
Berkach, 185 in
Gleicherwiesen, 131 in
Marisfeld, 9 in
Liebenstein, 17 verstreut in
verschiedenen Ortschaften, 23 haben bereits das Staatsbürgerrecht, und zwar
nur im Hildburghausischen, 105 haben sich bürgerlichen Gewerben zugewendet." |
Aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Zahlreiche jüdische Familien wandern nach Nordamerika
aus (1854)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Juli 1854:
"Dreißigacker bei Meiningen, im Juli (1854). Das Judengesetz
von 1811 ist wieder die Richtschnur, nach welcher unsere Verhältnisse
behandelt werden. Man will den Handel der hiesigen Israeliten
einschränken dadurch, dass nur Ein Sohn aus einer jüdischen Familie die
Erlaubnis zum Handel erhält, die Freizügigkeit wird uns aber
vorenthalten und darum auf der anderen Seite der Zweck verfehlt, die
jüdischen Staatsuntertanen den Handwerken zuzuführen. Einige hiesige
jüdische Kaufleute, deren Geschäfte in dem eine halbe Stunde von hier
liegenden Meiningen bestehen, suchten
um die Erlaubnis nach, mit ihren Familien in Meiningen wohnen zu dürfen,
und erklärten, in keiner Weise auf den Genuss der Rechte eines
städtischen Bürgers Ansprüche zu machen, es dem Magistrate auch anheim stellen
zu wollen, ihnen die vielleicht zu gewährende Erlaubnis zu jeder Zeit
wieder zurücknehmen zu können. Allein sie wurden abschlägig beschieden,
weil - ihre Religion die mosaische ist. Unter solchen Umständen wird es
auch nicht auffällig sein, wenn die Lust der Auswanderung nach Amerika
die Gemüter ergreift. Walldorf,
als die größte jüdische Gemeinde im Lande, liefert das bedeutende
Kontingent zu Auswanderung. Ganze Familien schicken sich dort an, über
dem Meere eine neue Heimat zu finden. Amerika wird der Jugend, möchte ich
sagen, schon in der Wiege als das gelobte Land gepriesen, und sobald das
Kind nur einige Jahre in die Schule geht, sucht man auch Gelegenheit, es
mit der englischen Sprache bekannt zu machen." |
Großbrand in Dreißigacker - auch die Synagoge wurde
zerstört (1867)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1867:
"München, 23. Mai (1867). In Dreißigacker (Franken) ereignete sich
ein bedauernswertes Brandunglück. Kleine Kinder spielten mit
Zündhölzchen und warfen sie brennend weg. Unter 145 Wohngebäuden, die
hierdurch niedergebrannt sein sollen, soll auch die Synagoge ein Raub der
Flammen geworden sein." |
Die jüdischen Familien verlassen Dreißigacker (1878)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Oktober 1878 innerhalb
von Sätzen zu Walldorf:
"Seit der Einführung der Freizügigkeit hat diese Gemeinde, sowie
das nahe liegende Dreißigacker, einen großen Teil seiner
Mitglieder verloren, welche sich größtenteils in Meiningen
niedergelassen haben." |
Über einzelne
Personen aus der jüdischen Gemeinde
Der in Dreißigacker geborene Jerusalemer Einwohner
Moses Sachs engagiert sich für die in Jerusalem lebenden jüdischen und
christlichen Europäer (1837)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Juli 1837:
"(Aus Wien). Der im Semilasso B.4 und demzufolge in No. 6 Ihrer
Zeitung erwähnte Rabbiner in Susa war auch hier. Es ist ein gewisser
Sachs aus Meiningen in Deutschland, ehedem Bachur auf deutschen Jeschiwoth,
später nach Jerusalem übersiedelt und daselbst ansässig, von wo er nach
Deutschland zurückkehrte, um die Mildtätigkeit seiner Glaubensgenossen
für die in Jerusalem anwesenden Israeliten, nebenher auch zur Förderung
der Industrie unter denselben in Anspruch zu nehmen. Seine äußere und
innere Persönlichkeit entspricht ganz der Schilderung des Fürsten
Pückler-Muskau, dessen Empfehlungsschreiben ich auch bei ihm gesehen
habe. Vom Herrn Freiherrn Sal. von Rothschild erhielt er hier die
Zusicherung einer bedeutenden Unterstützung, wenn seine Pläne, die mehr
Eifer als Klarheit der Gedanken verraten, sich realisieren
sollten." |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23.
September 1837: "Meiningen, 5. September (1837). Unser bekannter
Reisender und Landsmann, Herr Moses Sachs aus Jerusalem, der
Seiner Majestät dem Kaiser Ferdinand von Österreich und Seiner
Durchlaucht dem Fürsten von Metternich bekannt geworden ist, und
zu dem menschenfreundlichen Zwecke, den in Jerusalem wohnenden Europäern
jüdischen und christlichen Glaubens nützlich zu werden, seit Jahr und
Tag Europa durchreist, und auch nach seiner Heimat gekommen ist, erzählt
unter Anderem: dass man die Hunderttausende, welche jährlich zur
Unterstützung der Armen nach Jerusalem fließen, dort sehr ungleich und
darum oft zwecklos vergeude. Er ist daher der Ansicht, man solle von Zeit
zu Zeit durch einen zuverlässigen Mann aus Europa den Zustand der
dortigen europäischen Bevölkerung untersuchen, und für eine zweckmäßigere
Verwendung jener milden Gaben Sorge tragen lassen. Denn gerade die
Bedürftigsten erhielten die geringsten Spenden, während andere sich
durch große Gaben bereicherten. Er bedauert daher mit Recht die großen
Summen, die, ohne der Not der wirklich Armen in Jerusalem, soweit es
möglich sein würde, abzuhelfen, in anderen Händen hängen bleiben, als
in solchen, die im Schweiße des Angesichts ihr Brot verdienen müssen.
Möchte doch die Stimme dieses redlichen Mannes Gehör finden unter seinen
Glaubensgenossen nicht bloß Europas, sondern allenthalben, wo sich
Barmherzige finden, die an die traurige Lage ihrer Brüder im Oriente
denken und ihnen fromme Gaben der Liebe senden. Möchten selbst die
Regierungen dieser wichtigen Angelegenheit ihre Aufmerksamkeit zuwenden,
und dies umso mehr, als die aus ihren Ländern dorthin strömenden Gelder
wie ein Tropfen im Weltmeer spurlos verschwinden und unnütz vergeudet
werden. Ein Freund des Rechts und der Wahrheit." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5.
Oktober 1837: "Meiningen, 9. September (1837). Obgleich bereits in
No. 74 ein eingesandter Artikel über den folgenden Gegenstand gegeben
worden, so finde ich dennoch wegen der Wichtigkeit desselben, hier noch
folgende Mitteilung der Dorfzeitung No. 152, einen Platz. - Hier
hält sich gegenwärtig ein Einwohner Jerusalems auf, gebürtig aus Dreißigacker,
der bisher in der Absicht Deutschland und Europa durchreiste, um mittelst
einer Subskriptionsversicherung einige erprobte Jugendbildner, sowie
einige geschickte Handwerker und praktische Ökonomen nach dem heiligen
Lande überzusiedeln, welche die dortigen verwahrlosten Europäer
kultivieren sollen. Die zu diesem Zwecke zu errichtende Anstalt würde
alle die bedeutenden Unterstützungen, die bisher jährlich aus Europa
dorthin flossen und oft zwecklos verschwendet wurden, für die Zukunft
entbehrlich machen. Es ist derselbe Rabbiner und Talmudist, den der
berühmte Weitgänger, Fürst Pückler-Muskau, zu Susa in Afrika antraf,
und über den er sich im 4. Band seines 'Semilasso in Afrika' vorteilhaft
äußert, sowie auch bereits die Allgemeine Zeitung des Judentums No. 6
und 37. desselben Erwähnung tut. Es wäre zu wünschen, Herr Herr M.
Sachs, trotz seiner vielfachen in Holland und Deutschland bestandenen
Abenteuer, seinen menschenfreundlichen Zweck erreichte." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge war zunächst im Herrenhaus des
herzoglichen Domänengutes in der Straße "Am Schloßberg"
eingerichtet. 1819 wurden die dafür genutzten Räume der jüdischen
Gemeinde durch die herzogliche Kammer gekündigt. Daraufhin wurden die
Gottesdienste in einem jüdischen Privathaus abgehalten.
1822 errichtete die jüdische Gemeinde eine Synagoge. Sie wurde beim
großen Brand von Dreißigacker am 13. Mai 1867, dem 145 Wohnhäuser zum
Opfer fiel, zerstört. Dadurch ist der genaue Standort unbekannt. Auch die
jüdische Schule wurde beim Brand 1867 völlig zerstört.
Ein Neuaufbau der Synagoge und des jüdischen Schulhauses erfolgte nicht, zumal
die jüdischen Familien zu dieser Zeit bereits überwiegend den Ort verlassen
und sich großenteils in Meiningen angesiedelt
hatten.
Adresse/Standort der Synagoge: unbekannt
Fotos
Es sind - außer
den Bildern zum Friedhof - noch
keine Fotos zur jüdischen Geschichte in
Dreißigacker vorhanden. Über
Hinweise oder Zusendungen freut sich der Webmaster
- Adresse siehe Eingangsseite. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Hans Nothnagel: Die fast vergessene jüdische Gemeinde in
Meiningen. In: Hans Nothnagel (Hg.) Juden in Südthüringen -
geschützt und gejagt. Bd. 3: Juden in der ehemaligen Residenzstadt
Meiningen und deren Umfeld. S. 13-68. |
| Israel Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit
in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes
Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de)
2007. Zum Download
der Dokumentation (interner Link). Zu Dreißigacker S. 92-95. |
n.e.
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