Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 

     
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zurück zur Übersicht "Synagogen in Thüringen"
      

Bleicherode (Kreis Nordhausen) 
Jüdische Geschichte / Synagoge 

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
     
In Bleicherode bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. 
    
Bereits im Mittelalter lebten Juden in der Stadt. 1368 bis 1389 werden Juden "von Bleicherode" in Erfurt nachgewiesen. 1418 zahlten die Bleicheroder Juden 1 Gulden Bullengeld an das Reich. Aus den Jahren 1482 und 1488 wird von räuberischen Überfallen auf reisende Juden in Bleicherode berichtet. 1589 gab es fünf jüdische Familien in der Stadt. 1593 wurden die Juden ausgewiesen. Um 1620 gab es - offenbar nur für kurze Zeit - wieder Juden in der Stadt. 
  
1683 wird in den Besucherverzeichnissen der Leipziger Messen vom Jahr 1683 ein Jude aus Bleicherode genannt (Freudenthal: Die jüdischen Besucher der Leipziger Messen 1675-1699. MGWJ 1901).  
  
Mit dem Anschluss der Grafschaft Hohnstein an Preußen kam es nach 1700 zu einem Aufblühen des jüdischen Lebens in der Stadt. 1725 wurden 86, 1728 bereits 155 jüdische Einwohner gezählt. 1799 erhielt erstmals ein jüdischer Einwohner das Bürgerrecht.    
   
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1812 112 jüdische Einwohner, 1816 121, 1840 151, 1860 etwa 100, 1861 110, 1887 145, 1895 145, 1899 141 (von etwa 3.600 Einwohnern; in 33 Haushaltungen), 1900 147 (bei etwa 3.300 Einwohner), 1910 151. 
  
Besondere Verdienste erwarben sich jüdische Gewerbetreibenden beim Aufbau der Textilindustrie in der Stadt. Zu den jüdischen Webereien, Nähereien und Handelsvertretungen gehören Namen wie Schoenheim's Wwe., Philipp Schlesinger, Carl Helft, Carl Michaelis, Gebrüder Michaelis, Gebrüder Katz, Carl Beyth. Sehr erfolgreich als Arzt wirkte der früh verstorbene Dr. Wolf Fränkel (1807-1848), ein bekannter Orthopäde. Sein Grab ist auf dem jüdischen Friedhof. Viele jüdische Einwohner engagierten sich im Leben der Stadt und in den Vereinen. Sie stellten Schützenkönige und Vereinsrepräsentanten. Bis 1933 waren mehrere jüdische Unternehmer Mitglieder des Stadtparlaments, darunter um 1900 über längere Jahre Samuel Rothenberg; er wurde auf Grund zahlreicher Verdienste um die Stadt auch zum Ehrenbürger ernannt (siehe Bericht unten). Das einzige private Bankgeschäft wurde von der Familie Frühberg betrieben.       
  
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (bis um 1840 israelitische Elementarschule, danach Religionsschule, vgl. die Ausschreibungen der Stelle unten von 1841 und 1842) und ein Friedhof. Ein rituelles Bad konnte bisher nicht ermittelt werden. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Bis um 1840 (vermutlich bis Anfang 1841) wird ein Herr Gabriel als Lehrer genannt. Um 1855 war Lehrer M. H. Pinkus (Pincus), der seit 1842 in der Gemeinde wirkte (siehe Berichte unten). Weitere Lehrer waren: um 1885/1899 D. Samuel (unterrichtete an der Religionsschule um 1899 18 Kinder). Die Gemeinde Bleicherode gehörte dem 1898 gegründeten Synagogen-Gemeinde-Verband der Provinz Sachsen an.  
 
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1840/41 S. Frühberg, um 1870 Hermann Frühberg (seit 1862 auch Stadtverordnetenvorsteher), um 1887 S. Beyth, L. Hesse und M. Herzfeld, um 1889/1896 M. Herzfeld, B. Hesse und K. Helft, um 1899 M. Herzfeld, M. Schönheim und O. Schlesinger.
  
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Gefreiter Walter Hesse (geb. 11.8.1888 in Bleicherode, gest. 16.9.1914 in Gefangenschaft), Gefreiter Siegried Schönheim (geb. 15.8.1890 in Bleicherode, gef.. 6.9.1914) und Gefreiter Walter Schönheim (geb. 11.8.1898 in Bleicherode, gef. 2.6.1918). Außerdem sind gefallen: Erich Beyth (geb. 21.1.1888 in Bleicherode, vor 1914 in Düsseldorf wohnhaft, gef. 14.10.1918) und Paul Schönfeld (geb. 26.6.1892 in Bleicherode, vor 1914 in Göttingen wohnhaft, gef. 24.4.1915).    
 
Um 1924, als zur Gemeinde etwa 120 Personen gehörten (2,2 % von insgesamt etwa 5.400 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Otto Schlesinger, Hermann Rothenberg und Ernst Helft. Der Repräsentanz gehörten an: Julius Rothenberg, Josef Schwed, Max Dankwarth, Alfred Herzfeld, Oskar Schlesinger, Carl Michaelis, Kurt Schwabe, S. Lewitz, Fritz Wallach. Der genannte Hermann Rothenberg war Mitglied im Verbandsausschuss des Synagogen-Gemeinde-Verbandes der Provinz Sachsen. Als Lehrer, Kantor und Prediger war Leopold Stein angestellt. Er erteilte im Schuljahr 1935/25 acht Kindern den Religionsunterricht. An jüdischen Vereinen bestanden: die Chewra Kadischa (gegründet 1843; Wohltätigkeits- und Bestattungsverein, 1924/32 mit 40/42 Mitglieder unter dem Vorsitz von Joseph Schwed; Zweck und Arbeitsgebiete: Krankenpflege, Unterstützung Bedürftiger, Bestattungswesen), der Israelitische Frauenverein (gegründet 1916; 1924/32 mit 30/40 Mitgliedern unter dem Vorsitz von Ida Rothenberg, wohnt Burgstraße 7; Zweck und Arbeitsgebiete: Unterstützung Bedürftiger und Bestattung)) und die Wanderarmenfürsorgekasse (1899 als Armenkasse zur Bekämpfung des Wanderbettels genannt, 1924 unter Leitung von Otto Schlesinger).
   
1932 waren die Gemeindevorsteher: Otto Schlesinger (Hauptstraße 24, 1. Vors.), Oscar Schlesinger (Löwentorstraße, 2. Vors.) und Paul Rothenberg (Hauptstraße, 3. Vors.). Vorsitzender der Repräsentanz war Josef Schwed (Bahnhofstraße, 1. Vors.). Es gab einen Friedhofsausschuss in der Gemeinde unter Vorsitz von Josef Schwed sowie einen Synagogenausschuss unter Vorsitz von Otto Schlesinger. Als Lehrer war inzwischen Gustav Frühauf in der Gemeinde tätig (wohnte in der Löwentorstraße). Er erteilte an der Volksschule der Stadt sechs Kindern den Religionsunterricht.
  
Anfang der 1930er-Jahre waren die meisten jüdischen Geschäfte in der Bahnhofstraße (Nr. 22, 71, 78 und 79) und in der Hauptstraße (Nr. 52, 95, 98, 101 und 104). 
  
1933 lebten 107 jüdische Personen in Bleicherode. In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1937 wurden 77 jüdische Einwohner (in 29 Familien) gezählt. Bis 1939 konnten 86 der früheren jüdischen Einwohner emigrieren. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt (s.u.). Nach einer amtlichen Verlautbarung wurden 12 namentlich benannte jüdische Männer verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt, unter ihnen Walter Schlesinger, der Lehrer Gustav Frühauf, die beiden Textilfabrikaten Hermann Helft und Karl Michaels. Die "Arisierungen" der letzten jüdischen Geschäfte wurden bis März 1939 abgeschlossen. Im Zusammenhang damit gab es vier Suizide jüdischer Personen, darunter der Webereibesitzer Felix Rothenberg (geb. am 19. Oktober 1939, Hauptstraße 88). Anfang 1939 lebten noch 46 jüdische Personen in der Stadt, bei Kriegsbeginn (September 1939) waren es nach Geheimberichten des Bürgermeisters noch 30 Personen. Im September 1942 begannen die Deportation nach dem Osten.   
  
Von den in Bleicherode geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Grete Esther Baum geb. Oppenheim (1909), Alma Besthoff geb. Beyth (1895) Wilhelm Beyth (1891), Frieda Brinkmann geb. Michaelis (1886), Lina Burghardt (geb. Schönheim 1866), Martha Cahn geb. Herzfeld (1869), Harry Frankenheim (1880), Helene Frohsinn (1876), Gertrude Fromme geb. Michaelis (1878), Gustav Frühauf (1884) Ida Adele Frühauf geb. Blum (1894), Hedwig Frühberg geb. Wormser (1908), Berta Goldschmidt geb. Rosenstein (1873), Sophie Goldschmidt geb. Wolff (1859; Amalie Gottschalk geb. Helft (1866), Olga Gräfenberg geb. Helft (1867), Minna Grünfeld geb. Schönfeld (1887), Nathan Havelland (1873), Kuno Levi Helft (1873), Alfred Herzfeld (1873), Erich Herzfeld (1889), Hermann Herzfeld (1882), Mary Herzfeld (1902), Mathilde Kahn geb. Hesse (1857; für sie liegt ein "Stolperstein" in Eschwege), Hedwig Katz geb. Goldschmidt (1908), Selma Katz geb. Grünstein (1869), Margarete Katzenstein geb. Katz (1903), Margarete Kaufmann geb. Lebrecht (1877), Adeline Kirschberg geb. Jacob (1902), Else (Ilse) Lebrecht (1880), Samuel Lewitz (1871), Fritz Löwenthal (1896), Werner Michaelis (1880), David Rosenbaum (1861), Selma Rosenbaum geb. Arensberg (1873), Else Rothenberg geb. Hildesheimer (1890), Hans Rothenberg (1892), Inge Rothenberg (1924), Richard Ernst Rothenberg (1891), Richard Rothenberg (1891), Ernst Scheyer (1872), Ernst Schönheim (1894), Rudolf Schönheim (1892), Erich B. Schwabe (1921), Grete Schwabe (1884), Rosa Schwabe geb. Bloch (1893), Gerd Selig (1928), Antonie Spiegel geb. Schönheim (1872), Elly Stein geb. Strauss (1890), Leopold Stein (1880), Max Wels (1898).         
      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde    Ein Teil der Texte konnte noch nicht abgeschrieben werden - zum Lesen bitte Textabbildung anklicken.
      
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer         

Ausschreibungen der Stelle des Lehrers, Vorsängers und des Schochet (1841 / 1842 / 1874 / 1876 / 1879 / 1903)
 

Anzeige in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 30. Oktober 1841: "Die hiesige israelitische Gemeinde beabsichtigt zum 1. April dieses Jahres, einen Religions- und Elementarlehrer zu engagieren, der zugleich das Vorsänger- und Schächteramt (letzteres kann ihm durch hiesige Subjekte sehr erleichtert werden) verbindet, und jährlich 18-24 deutsche Vorträge in der Synagoge halten kann. Talmudische Kenntnisse werden erfordert. Das Salär ist 200-250 Thaler nebst Akzidentien, für die 100 Thaler jährlich garantiert werden. Porto freie Anmeldungen bei dem
Vorsteher, S. Frühberg. Bleicherode. "  
    
Anzeige in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1842: "Die hiesige israelitische Gemeinde bedarf zur sofortigen Besetzung des Vorsänger- und Schächteramts (von dem früher damit zu verbinden gedachten im Elementarlehrer-Amte getrennt) einen dazu qualifizierten Mann; sichert demselben einen jährlichen Gehalt von 80 Thaler nebst den üblichen Akzidentien im Belaufe von mindestens 100 Thaler zu, und erwähnt zugleich zur Berücksichtigung, dass sich ein solcher durch Hebräisch und Religions-Unterricht außerdem noch circa 60 Thaler jährlich erwerben kann. Desfallsige Anmeldungen werden baldigst einen unterzeichneten Deputierten portofrei erbeten.
Bleicherode im Dezember 1841. Der Vorstand. Im Auftrage. Der Deputierte B. Schönfeld. " 
  
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Februar 1874: "Die Stelle eines Vorbeters, Religionslehrers und Schächters ist in hiesiger Gemeinde vakant und soll bis zum 1. August dieses Jahres besetzt werden. Fester Gehalt 300 Thaler, außerdem Schechita-Gebühren, welche circa 100 Thaler betragen und Nebeneinnahmen.
Qualifizierte Bewerber wollen ihre Zeugnisse an den unterzeichneten Vorstand bald franco einsenden.
Bleicherode, Provinz Sachsen, 5. Februar 1874.
Der Vorstand der Synagogengemeinde.
"    
    
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Oktober 1876: "Zum baldigen Antritt wird für die hiesige Synagogengemeinde ein Religionslehrer, Vorbeter und Schochet (Schächter) gesucht.
Außer einem festen Gehalt von 900 Mark gewährt die Stelle an Schechita und anderen Gebühren noch ein Einkommen von circa 600 Mark Geeignete Bewerber wollen sich sofort unter Beifügung ihrer Zeugnisse schriftlich an den unterzeichneten Vorsteher wenden.
Bleicherode, 1. September 1876. Philipp Schlesinger. "     
    
Anzeige in der "Algemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Mai 1879: "Zum baldigen Antritt sucht die hiesige Gemeinde einen tüchtigen verheirateten Religionslehrer Chasan (Vorbeter) und Schochet (Schächter). Außer tüchtigen Kenntnissen im Jüdischen muss derselbe auch mit den modernen Wissenschaften etwas vertraut sein, um an Festtagen und bei besonderen Gelegenheiten einen kurzen deutschen Vortrag halten zu können.
Die Stelle bringen 900 Mark festes Gehalt und für Schechita (Schächten) und andere Gebühren 600 Mark, zusammen 1500 Mark, auch würde die Gemeinde sich bereit finden, bei besonderer Zufriedenheit später das Gehalt etwas zu erhöhen.
Nur solche Gebühr Bewerber, welche obigen Ansprüchen genügen, wollen sich unter Einsendung ihrer Zeugnisse baldigst melden.
Der Vorstand der Synagogengemeinde zu Bleicherode."    
  
Anzeige in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 11. September 1903: "Wegen Erkrankung unseres Kultusbeamten suchen wir zum baldigsten Antritt als Stellvertreter einen seminaristisch gebildeten Herrn, der das Amt eines
Religionslehrers, Chasen und Schauchet
zu versehen hat. Gehalt pro Jahr 1500 M., Nebeneinnahmen 500 M. ohne Gewähr. Nur mit besten Zeugnissen versehene Bewerber, die stimmbegabt und musikalisch sind und einen deutschen religiösen Vortrag halten können, wollen sich sofort melden.
Bleicherode, den 1. September 1903.
Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde. Max Schönheim.
"   

     
Ausschreibung der Dienste eines Hilfsvorbeters zu den hohen Feiertagen (1902)    

Anzeige in Israelitisches Familienblatt" vom 28. August 1902: "Gesucht für die hohen Feiertage
ein musikalisch gebildeter Hilfsvorbeter mit klangvoller Stimme.
Meldungen nebst Gehaltsansprüchen und Empfehlungen an den
Vorstand der Synagogengemeinde Bleicherode."      

       
Silberne Hochzeit von Lehrer M.H. Pinkus und Frau (1855)         

Bleicherode AZJ 22011855.jpg (125480 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Januar 1855: "Bleicherode, im Dezember (1855). Unsere kleine Gemeinde beging am 17. dieses Monats, als dem zweiten Tag des Chanukkafestes, eine Feier, die in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdient. - Der seit dreizehn Jahren hier wirkende Religionslehrer und Vorbeter, Herr M. H. Pinkus, feierte an diesem Tage mit seiner Gattin das Fest der silbernen Hochzeit. Die Gemeinde ergriff diese Gelegenheit mit Freuden, um den in allen Schichten der Bevölkerung hiesiger Stadt gleich geachteten Herrn Pinkus eine Aufmerksamkeit erweisen zu können. Demzufolge hatten sich viele Mitglieder der Gemeinde vereinigt und ließen demselben am Vorabende durch eine Deputation das große, rühmlichst bekannte Philippson'sche Bibelwerk, äußerst elegant gebunden, überreichen. Die Schulkinder brachten außer Silberkranz und Strauß unter Vortrag eines dazu verfassten Gedichts, ein angemessenes Festgeschenk, denen noch viele Mitglieder der Gemeinde mit Geschenken folgten. Der Gemeindevorstand übergab ihm die definitive Anstellung. Herr Pinkus war freudig überrascht und dankte, sichtlich gerührt, in beredter Weise für die große Aufmerksamkeit bei einem Familienfeste. Auch Sonnabends darauf hielt Herr Pinkus in der Synagoge noch einen ergreifenden Vortrag über das Thema: Empfangene Wohltaten verpflichten zum Danke, und über den Text: Psalm 116, V. 12. - Möge der Himmel demselben noch lange Jahre die Kräfte verleihen, uns durch sein Wort wie bisher zu erbauen und die Jugend zum Segen und Heil heranzubilden."     

     
25-jähriges Amtsjubiläum von Lehrer M. H. Pincus (1867)     

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Januar 1867: "Dank.
Mehrmals schon hat mir meine Gemeinde große und reiche Liebesopfer gebracht, doch nichts gleicht der Fülle an Güte und Treue, an Liebe und Wertschätzung, womit sie mir gestern bei meinem 25 - fünfundzwanzigjährigen Amtsjubiläum in ihrer Mitte entgegengekommen ist und mir dasselbe zu einem wahrhaft hohen Feste gemacht, zu einem Feste, das eine Weihe über meine Vergangenheit, einen Segen für meine Zukunft ausgegossen. Mein ganzes Wesen ist ihr dafür in frommer, unauslöslicher Dankbarkeit geweiht, die ich dadurch zu betätigen hoffe, dass mein ferneres Leben in ihrer Mitte eine Anbetung, ein Preis Gottes, eine laute Verkündigung seines Namens und seiner Lehre sein soll zu blühendem Segen, zu fruchtreicher Ernte für ihre künftigen Geschlechter.
Dass ein solches Benehmen der Gemeinde ihrem Diener der Religion gegenüber der Gemeinde selbst als sicheres Zeichen der Eintracht, zur höchsten Ehre gereicht, braucht nicht erst erwähnt zu werden. - Zu dieser Ehrenhöhe hinauf führt meine Gemeinde unablässig ihr erster Vorsteher, der Kaufmann Herr Hermann Frühberg, der seit Jahren auch Stadtverordnetenvorsteher ist. - Diese umsichtige, erfahrene, kenntnisreiche Mann versteht es, wie in allen städtischen Angelegenheiten so auch in Sachen der Gemeinde auf alles Edle und Gute sein Augenmerk zu richten und es soweit als möglich ins Leben zu rufen. Wie fast sämtliche Bürger der Stadt kommen aber auch alle Glieder der Gemeinde ihm willig entgegen, so dass Allen in meiner Gemeinde das Verdienst gebührt, dessen sich brave, edle Herzen jemals rühmen dürfen.
Bei meinem Jubiläum sind mir wie von Vielen der Edelsten hiesiger Stadt, - von der christlichen Geistlichkeit beider Konfessionen, von sämtlichen Herren Schullehrern und ihren Gesangvereinen, ja selbst von den ersten Vertretern der städtischen Behörden und vielen würdigen Männern und Frauen, so auch von nah und fern viele ehrenreiche Beweise aufrichtiger Teilnahme und geschätzten Wohlwollens zugegangen, so dass es mir nicht möglich ist, allen diesen Lieben und Teuren, Edlen, Hohen und Würdigen, die mich mit ihren Kundgebungen unaussprechlich beglückt haben, einzeln dafür zu danken, wie ich es wohl gerne möchte. - Mit diesen Zeilen spreche ich daher ihnen Allen gleichmäßig meinen wärmsten, seelenvollsten Dank aus, verbunden mit dem brünstigen Flehen für ihr Heil und Wohlergehen in Allem, was das Herz erfreut, das Leben beglückt.
Für mich wird der gestrige Tag ein heiliger, denkwürdiger sein alle Tage meines Lebens. Immer wieder und wieder blicke ich wie gestern, in tiefer Demut zu Gott empor mit den Worten Jacobs: 'Ich bin zu gering für all die Gnaden und für all die Treue, die du erwiesen deinem Knecht' (1. Mose 32,11)
Bleicherode, den 9. Januar 1867. M. H. Pincus, Lehrer und Prediger."    

  
   
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben       

Anlässlich des Todes von König Friedrich Wilhelm III. (Preußen) finden Totenfeiern in jüdischen Gemeinden statt (1841)       

Mitteilung in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 30. Januar 1841: "Nachträglich bemerken wir, dass auch in Neu-Stettin in Hinterpommern und in Bleicherode eine rechte feierliche Totenfeier stattgefunden, an ersterem Orte hielt der Religionslehrer Herr Magnus, an letzterem, wo der Magistrat der Feier förmlich beiwohnte, der Religionslehrer Herr Gabriel eine Trauerpredigt."          

    
Zu Fragen der Reform ist zu einiger Unruhe in der Gemeinde gekommen (1846)     

Artikel in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 7. September 1846:  "Aus Thüringen, 28. August (Privatmitteilung). Während einer Ferienreise verweilte ich vor Kurzem an einem Sabbat in dem freundlichen Städtchen Bleicherode und fand in der dortigen, sonst so friedlichen Gemeinde eine Aufregung, die mich wahrhaft betrügt. Möchte man doch bedenken, dass keine Reform nur irgendeinen Wert hat, wenn sie auf Kosten der Eintracht erzielt wird, überhaupt ruhiger und besonnener zu Werke gehen, dass nicht gehässige Parteisucht das religiöse Gefühl gänzlich zerstöre! Von dem vereinten Streben des wackeren Vorstehers, Herrn Frühberg, des würdigen Geistlichen, Herrn Pincus und der Bessergesinnten der Gemeinde lässt sich wohl eine baldige friedliche Ausgleichung der Streitpunkte ohne Einmischung der weltlichen Behörde mit Gewissheit erwarten, damit der nahende Versöhnungstag dieselbe wieder versöhnt und vereint finde.     …m"       
 
Artikel in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 30. November 1846:  "In Bleicherode, wo schon vor Jahren Herr Schwarzauer viel zur Hebung und Veredelung des religiösen Sinnes beigetragen und sich besonders um die Bildung junger Leute überaus verdient gemacht hat, - der Rabbiner Heidenheim ist sein Schüler, - geschieht in dieser Beziehung des Guten schon mehr; der dasiege Geistliche, Herr Pincus, spricht gediegen und herzlich. Auch ist dort zu unserer Freude der gestörte Friede wieder hergestellt."   

       
Prozess gegen den Antisemiten Eduard Meier aus Bleicherode (1885 in Nordhausen)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. April 1885: "Nordhausen, 16. April (1885). Gestern wurde vor der Strafkammer I des hiesigen königlichen Landgerichts ein Prozess entschieden, dessen Ausgang man schon seit länger als einem halben Jahre mit großer Spannung entgegensah. Es handelte sich um die Gefährdung des Landfriedens durch Verbreitung antisemitischer Flugschriften. Angeklagter war der Weber Eduard Meier aus Bleicherode, welchen die Anklage beschuldigt, Anfang Oktober in Bleicherode ein Lied verbreitet zu haben, das, die Melodie dem bekannten Angotliede entlehnend, folgenden von der königlichen Staatsanwaltschaft inkriminierten Schlussvers hatte: 'Drum auf, Ihr Deutschen Alle - Ermannt Euch, werdet wach! - Die Judenherrschaft falle! - Getilgt sei unsere Schmach! - Aller Juden - Handelsbuden - Machen wir der Erde gleich. - Jeder Schwindel, - Jed' Gesindel - Sei verbannt aus unserm Reich!' Die königliche Staatsanwaltschaft beantragte, nachdem in der Sache nicht weniger als 22 Zeugen vernommen waren, die Verurteilung des Angeklagten zu 1 Monat Gefängnisstraße und den auf viele hundert Mark sich belaufenden Kosten; der Gerichtshof jedoch stützte sich auf das Zeugnis des Bürgermeisters von Bleicherode, Major a.D. Francke, welcher den Angeklagten als einen durchaus zuverlässigen, in bestem Rufe stehenden Mann bezeichnete und konstatierte, dass auch bei der stärksten Verbreitung der Gedichte in Bleicherode nicht zu befürchten gewesen sei, dass der Aufforderung des Gerichtes, die Häuser der Juden der Erde gleich zu machen, Folge geleistet worden wäre, oder dass überhaupt Gewalttätigkeiten irgendwelcher Art gegen die Juden verübt worden wären. In Folge dessen erfolgte die Freisprechung des Mannes. (Nordd. Allg. Ztg.)   
(Wir nehmen an, dass die königliche Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil die Revision einlegen wird, und sind begierig, zu erfahren, ob das königliche Kammergericht hierselbe dieser Motivierung beitreten wird. Die Red. des B.T.)"       

    
Lehrer Albert Frühberg berichtet über die staatliche Haltung zur möglichen Trennung von (orthodoxen) Gruppen von der israelitischen Hauptgemeinde (1876)   

Artikel in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 7. September 1876: "Bleicherode, 27. August (Privatmitteilung). Anliegend übersende ich eine Abschrift des mir gewordenen hohen Ministerial-Reskripts mit der Bitte, dasselbe in die Zeitung des Judentums aufzunehmen, überzeugt, dass sie die Spalten ihres weit verbreiteten Blattes jeder Einsendung öffnen, die von allgemeinem Interesse ist.
Dieserhalb, den jetzigen traurigen Zustand unserer, früher so friedlichen Gemeinde und die Spaltung in derselben mit Stillschweigen übergehend, darf ich nicht unerwähnt lassen, dass die Zerwürfnisse, welche leider in den Gemeinden Israels nicht selten, hier umso mehr zu bedauern sind, weil sie nur durch einige Personen herbeigeführt worden, deren Beweggründe hinlänglich bekannt und zu unerfreulich sind, um hier erörtert zu werden.
Die Veröffentlichung dieses Ministerial-Reskripts dürfte ähnliche Vorfälle in anderen Gemeinden verhüten, da größtenteils die Widersacher jedes Fortschrittes und eines geregelten Gottesdienstes ihre Zuflucht zu Anklagen wegen verbotenen Neuerungen und diesseits der Elbe, in Berufung auf die Vorschriften des ehemaligen westfälischen Konsistoriums nehmen, um ihre Handlungsweise zu beschönigen.
Diese Anhaltepunkte sind nun glücklich beseitigt, indem die Einrichtung des Gottesdienstes dem Ermessen und den religiösen Gefühlen der Gemeinden lediglich anheim gegeben, das sogenannte 'westfälische Gesetz' aber, im preußischen Staat der herrschenden Gewissens und Glaubensfreiheit halber, seine Gültigkeit verloren hat. Albert Frühberg..."  
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken
.      

      
Auseinandersetzung zwischen zwei Kultusbeamten zur Schächter-Frage (1877)     

Anzeige in "Der Israelit" vom 2. Mai 1877: ""      
  
Anzeige in "Der Israelit" vom 16. Mai 1877: ""    

     
Gemeindebeschreibung 1899       

Übersicht in "Statistisches Jahrbuch" von 1899: "Regierungs-Bezirk Erfurt. Gesamteinwohnerzahl 446.655, darunter jüdische Seelen 1976.
Bleicherode 3.600 Einwohner. 141 Seelen (33 Haushaltungen) Vorsteher M. Herzfeld, M. Schönheim, O. Schlesinger. - D. Samuel (Lehrer, Kantor und Schächter). Religionsschule (18 Kinder). 30 % St. (gemeint: Prozentuales Verhältnis der Kultussteuer zur Staatssteuer). - Etat 4000 Mark. Amenkasse zur Bekämpfung des Wanderbettels."   

         
Gemeindevortrag von Prediger Meyer aus Eisenach in Bleicherode über die Alliance Israélite Universelle" (1909)        

Artikel in "Ost und West" vom März 1909: ""       

    
Verschiedene Mitteilungen aus der Gemeinde, u.a. Lehrer Stein wechselt in die städtische Mittelschule (1913)   

Artikel in "Der Gemeindebote" vom 13. Juni 1913: ""       

      
Ergebnis einer Gemeindekollekte (1914)    

Mitteilung in "Jüdische Rundschau" vom 16. Oktober 1914: "Aus Bleicherode: (Durch Erna Michaelis). Frau Clara Michaelis 1,44, Paul Rothenberg 1,19, Frau Alice Helft 2,15, Frieda Schönheim -,80, Frau S. Rothenberg 2,99, Frau Irma Dankwerth 2.-, Frau Agnes Rothenberg -,64, Frau Ernestine Beyth 1,-, Frau Martha Helft 5,41, Frau Fritz Michaelis 1,--, Frau Lehrer Stein 1,26, Erna Michaelis 4,-, Curt Schwabe -,16, Grete Beyth -,50, Erich Rothenberg 5,-, Frau Carl Michaelis -,75. ...  16 Büchsen 30,19.""       

     
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 

Zur Beisetzung von Sußmann Frühberg (1849)     

Bleicherode AZJ 30041849.jpg (367842 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. April 1849: "Bleicherode, 19. April (1849). Ein Leichenbegängnis. In einer Zeit wie die unsere, wo alles darauf hinsteuert, in bürgerlicher und gesellschaftlicher Beziehung die konfessionellen Scheidewände zu durchbrechen und all die Vorurteile, die aus dem Mutterschoße finsterer Jahrhunderte hervorgegangen, in den Ozean der Vergessenheit zu versenken; - wo aber das Steuer oft auf Klippen und Sandbänke stößt, dass das Rudern erschwert und das schnelle Fahrzeug in seinem raschen Lauf aufgehalten. oder gar in den Abgrund geschleudert wird, - in einer solchen Zeit kann es dem beobachtenden Auge des aufmerksamen Menschenfreundes nur angenehm sein zu erfahren, wenn hie und da Christen und Juden einander die deutsche Bruderhand reichen, und sich gegenseitig mit Gesinnungen entgegenkommen, welche das untrügliche Zeichen anerkannter Gleichheit an sich tragen.    
Ein solches Zeichen hatten vorgestern bei einem jüdischen Leichenbegängnis fast sämtliche Einwohner hiesigen Orts mit tief innigen Gefühlen an ihre Brust geheftet. 
Erzählen wir daher zuerst den Trauerfall. 
Am letzten Tag des Pessachfestes starb in unserer Gemeinde der bestallte königliche Lotterie-Einnehmen Herr Süßmann Frühberg in seinem 64. Lebensjahres. Seit 40 war er Schofarbläser, seit 25 Jahren auch Mohel (Beschneider) und während eines Zeitraums von 15 Jahren war er Gemeindevorsteher, als welcher er bei den Gebrüdern Benedix zu Stockholm ein Legat von 250 Talern für die hiesige Talmud-Tora-Schule zu erwirken gewusst. Der Schützenkompanie und dem Club der hiesigen christlichen Honoratioren gehörte er als Mitglied an. Bei Allen, die ihn kannten, genoss er Achtung und Freundschaft als rechtschaffener, friedliebender, wohltätiger Mann. Als Beleg für seinen Wohltätigkeitssinn führen wir nur Folgendes an:  
In dem Jahre 1847, dem Jahre der Teuerung, hatte sich die hiesige arme Bevölkerung zu Diebstählen auf Feldern verleiten lassen. Da begegnete er einst mehreren solchen Dieben auf seinen Ländereien - er war auch Gutsbesitzer - Erbsen stehlen; anstatt aber die erschrockenen Diebe zu verscheuchen, rief er ihnen freundlich zu, einem Juden noch 2 1/2 Sgr. hinreichend, mit den Worten 'Kaufet euch Jeder ein Pfund Fleisch dazu!'   
Auch als Mohel (Beschneider) zeigte er sich außerordentlich wohltätig, wo er als Solcher von Mittellosen hier und in der Umgebung gerufen ward.  
Wie sehr wir diesen Verlust zu betrauern Ursache haben, ist leicht zu ermessen; wir aber schweigen davon.   
Sprechen wir vielmehr mit unserem Religionslehrer Herrn Michael Herz Pincus, der die Leichenrede gehalten, und um dem Monat Nissan sein Recht zu wahren, nachdem er die Verdienste des Verblichenen nur spärlich hervorgehoben, sagte er: 'Doch dürfen wir unserer Trauer keine Worte, unserer Wegmut keine Tränen geben, so lange eines Festes Schatten und seine Nachfeier uns heiligend umgeben.  Berichten wir nun von dem Leichenbegängnisse, und die Kundigen werden wohl verstehen, was hieraus zu lernen ist.  ........           Wird noch weiter abgeschrieben   
Bleicherode AZJ 30041849b.jpg (80962 Byte)den, durch welchen wir Alle geschaffen sind in Gottes Ebenbilde, wir Alle berufen zur Unsterblichkeit, zu ungetrübter himmlischer Glückseligkeit.'   
Nachdem die Leiche im Sarg nach hiesigem Gebrauche von Jehudim (frommen Juden) zurechtgelegt und der Sarg vernagelt war, geschah die Einsenkung ins Grab durch die christlichen Träger, worauf die ganze Kompanie folgende Verse sang:  
Wie sie so sanft ruhen, alle die Seligen, die tapfer kämpften den großen Lebenskampf, 
Wie sie so sanft ruhen, in den Gräbern, bis sie zum Lohne erweckt werden.  
O, wenn doch wir ruhen, wie all' die Seligen und hier bestehen den schweren Lebenskampf, 
Dann wirst Ewiger Du uns rufen aus unsern Gräbern zum großen Lohne.   
Wir enthalten uns aller ferneren Beleuchtung; nur wünschen wir, dass sich überall die christliche Bevölkerung so human gegen Juden bezeugen möchte als in unserem Orte. Dann wird unsere Emanzipation eine volle Wahrheit, und wir deutsche Juden werden 'Erlöste des Herrn' genannt werden!  
Viele Mitglieder der hiesigen israelitischen Gemeinde."  
  

   
Zum Tod des Arztes Dr. Moritz August Wessely (geb. 1800 in Bleicherode als Sohn des dortigen Arztes Naphataly Wessely, gest. 1850 in Nordhausen)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. April 1850:  "Nekrolog. Nordhausen, 10. März (1850). Die Allgemeine Zeitung des Judentums hat es sich stets zur Pflicht gemacht, über Leben, Wirken und Schicksale berühmter Zeitgenossen israelitischen Glaubens getreulich Bericht zu erstatten, und so erfüllen wir denn durch dies weitverbreitete Organ auch von hier aus die schmerzliche Pflicht, den Tod eines Mannes anzuzeigen, dessen Hinscheiden in engeren und weiteren Kreisen mit Recht als ein großer, unersetzlicher Verlust tief empfunden wird. Am 7. dieses Monats starb nach längerem Leiden der hiesige königlich preußische Sanitätsrat, herzoglich nassauische geheime Hofrat und praktische Arzt Dr. med. Moritz August Wessely, Großneffe unseres berühmten Hartwig Wessely im noch nicht vollendeten 50. Lebensjahre. Er war am 15. Oktober 1800 in Bleicherode geboren, woselbst sein Vater als ein verständiger, geschickter Arzt in hoher Achtung stand und sich einer ausgebreiteten Praxis erfreute. Unter seiner Aufsicht und unter der Leitung einer edeln, tugendhaften Mutter verstrichen unserem Wessely die ersten Jahre seiner Kindheit und seines Knabenalters, und schon früh entwickelte sich in seinem Feiste und seinem Herzen der Sinn für alles Gute und Schöne, sowie jenes innige, menschenfreundliche Gemüt, das er bis zum letzten Lebenshauche nicht verleugnete. Die Vorbereitung zu seinen Studien empfing er auf dem Gymnasium hiesiger Stadt, wo ihm im Hause seines Oheims, des Herrn Hofagenten S. Schönfeld, die liebevollste Pflege zuteil wurde, und er sich durch regen Fleiß und Wohlverhalten die Zufriedenheit seiner Lehrer zu erwerben wusste. Nach redlich vollendeter Schulzeit bestimmte er sich für den Beruf seines Vaters und bezog die Universität Göttingen, wo er unter Leitung des berühmten Himly den Grund zu seiner nachmaligen Tüchtigkeit im Gebiete der Augenheilkunde legte. Zur Vervollständigung seiner Studien, und um sich schon in seinen Jugendjahren einen höhern Grad praktischer Erfahrung anzueignen, ging er, durch die Munifizenz seiner Oheime, der Herren Gebrüder Benedicks in Stockholm, mit den erforderlichen Mitteln versehen, nach Paris, wo er während eines Aufenthaltes von fünf Jahren in dem Umgange mit den hervorragendsten Ärzten und in den großartigen öffentlichen Heilanstalten der berühmten Weltstadt zur Erweiterung seines medizinischen Wissens und Könnens die günstigste Gelegenheit fand. Ganz besonders aber war es der in der medizinischen Welt hochberühmte Baron Dupuytren, Direktor des Hôtel Dieu in Paris und erster Chirurg Frankreichs, dessen vertrauter Schüler und Freund unser Wessely wurde, und durch dessen Lehre und Vorbild er sich zu einem anerkannt tüchtigen und geschickten Operateur ausbildete. Die schmeichelhaftesten Lobeserhebungen, welche Dupuytren in seinen Briefen an Wessely's Eltern aussprach und die Glückwünsche, die er ihnen zu dem Besitze eines so talentvollen Sohnes zurief, waren ganz geeignet, das Herz der treuen Eltern mit gerechter Freude und frohen Hoffnungen zu erfüllen. Und sie wurden nicht getäuscht, diese Hoffnungen. Ausgestattet mit einem reichen Schatze wissenschaftlicher und praktischer Erfahrungen kehrte Wessely in seinen Geburtsort (sc. Bleicherode) zurück, wo er sich an der Seite seines Vaters durch glücklich ausgeführte Kuren Achtung und Vertrauen in der ganzen Umgegend erwarb. Nachdem er auch den vorschriftsmäßigen medizinischen Kursus in Berlin durchgemacht und glänzend überstanden hatte, vermählte er sich mit Fräulein Adelheid Franck aus Breslau, einer Dame von hoher Bildung, mit welcher er bis zu seinem Tode in einer durch gegenseitige Achtung, Liebe und Treue geglückten Ehe lebte. Nach seiner Verheiratung nahm er seinen Wohnsitz hier in Nordhausen. Hier erwarb er sich in einer Reihe von 16 Jahren durch seine ausgezeichnete praktische Befähigung am Krankenbette, durch die mit wahrer Humanität verbundene Entschiedenheit und Vertrauen erweckende Sicherheit, mit welcher er seine Patienten behandelte, durch seinen emsigen Fleiß, mit welchem er den Fortschritten und neuen Entdeckungen auf dem Gebiete seiner Wissenschaft folgte (Anm.: seine 4 bis 5000 Bände starke Bibliothek, in welcher die vorzüglichsten medizinischen und chirurgischen Werke älterer und neuerer Zeit nicht fehlen und zu deren Vervollständigung er kein Opfer scheute, ist eine kostbare Hinterlassenschaft), durch seine rastlose, unermüdliche Tätigkeit in seinem Berufe, noch mehr aber durch sein edles, wohltätiges Herz und seinen biedern Charakter die allgemeinste Anerkennung und wohlverdiente Auszeichnung sowohl in den Palästen der Hochgestellten       
Nordhausen AZJ 01041850a.jpg (247195 Byte)  und Reichen, als auch in den Hütten der Armen, denen er nicht nur als ärztlicher Beistand, sondern oft auch als Helfer in materieller Not erschien. Auch an hohen und höchsten Stellen blieben seine Leistungen auf dem Gebiete der praktischen Heilkunde nicht ohne Anerkennung. So wurde er von des Königs von Preußen Majestät zum Sanitätsrat und von Seiner Hoheit dem Herzoge von Nassau zum geheimen Hofrat ernannt. Seit vorigem Jahre war er auch Begründer und Hauptredakteur der hier erscheinenden 'Neuen Zeitung für Medizin und Medizinalreform'. So im fortwährenden, rastlosen Wirken für Wissenschaft und Menschenheil ereilte ihn der Tod zwar nach längerem Leiden, aber doch nach menschlicher Berechnung viel zu früh für seine Gattin und seine drei unmündigen Kinder, viel zu früh für seine zahlreichen Freunde und Verehrer, viel zu früh für die hiesige israelitische Gemeinde, welcher er eine Zierde war, für unsere Stadt und Umgegend, wie überhaupt für die leidende Menschheit. Er starb am 7. dieses Monats abends 9 Uhr in Folge einer Gehirnlähmung. Die Liebe und hohe Achtung, welche sich der Dahingeschiedene zu erfreuen hatte, zeigte sich in erhebender Weise bei seiner heute in früher Morgenstunde stattgehabten ehrenvollen Beerdigung. Ein überaus langer Zug, bestehend aus den Mitgliedern der israelitischen Gemeinde, und aus den angesehensten christlichen Einwohnern, worunter sich viele Gelehrte, Ärzte, Gerichtspersonen und mehrere evangelische Geistliche im Ornat befanden, folgte der irdischen Hülle des teueren Entschlafenen bis zum israelitischen Friedhof, wo der Prediger Cohn mit tief empfundenen Worten den großen Verlust beklagte, welchen die Gattin, Kinder und Angehörige, die Wissenschaft und die leidende Menschheit, durch den Tod dieses hochverdienten Mannes erlitten haben; wobei er zugleich tröstend hervorhob, wie ja das ganze Leben des Verstorbenen dem Dienste der Menschheit gewidmet, also im wahren Sinne des Worts ein immerwährender Gottesdienst gewesen sei, und dass nach einem so segensreichen Wirken der verklärte Geist gewiss die Palme des ewigen, seligen Friedens errungen habe. Wir schließen dieses Referat mit den Worten des Nachrufes, welchen ihm sein Mitarbeiter, Herr Dr. Bloedau in No. 20 seiner medizinischen Zeitung gewidmet hat: 'Ein liebvoller Familienvater, ein treuer, zu jeder Aufopferung fähiger und bereiter Freund, ein menschenfreundlicher, uneigennütziger, unermüdlicher Arzt, wird unser Wessely schmerzlich genug vermisst werden. Er war ebenso durch seine praktische Tätigkeit, zumal auch in operativer Hinsicht ausgezeichnet, wie durch seine gründliche und wissenschaftliche Bildung, die er rastlos weiterzuführen bemüht war. Wer unsern Verstorbenen näher gekannt hat, wird mit uns sein Andenken hoch und heilig halten.'"     
 
vgl. Artikel zu Moritz August Wessely in wikisource und der Deutschen Biographie (hier findet sich die Angabe von einem Übertritt zum Christentum Wesselys, was jedoch schwer zu der Anmerkung passt, dass er für die israelitische Gemeinde in Nordhausen "eine Zierde war".   

     
Assistenzarzt Dr. Gustav Fränkel aus Bleicherode wird mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet (1870)         

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Dezember 1870: ""  
  
Mitteilung in "Israelitische Wochenschrift" vom 21. Dezember 1870: ""      

     
Diamantene Hochzeit von M.S. Falkenstein und seiner Frau (1880)  

Bleicherode AZJ 08061880.jpg (76732 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Juni 1880: "In Bleicherode feierte, wie man uns schreibt, Herr M. S. Falkenstein mit seiner Gattin die diamantene Hochzeit. Das Jubelpaar, 85 respektive 80 Jahre alt, seit 1821 Bürger unserer Stadt, erfreut sich noch rüstiger Gesundheit. Sowohl die städtische Kommune als die jüdische Gemeinde weiß das verehrungswürdige Paar in seinen stets bewährten Tugenden zu schätzen. Bekleidete doch Herr Falkenstein 15 Jahre lang die Stelle eines ersten Vorstehers und hat er soeben zur Erbauung einer neuen Synagoge eine beträchtliche Summe gewidmet. Am 24. Mai fand die Feier der diamantenen Hochzeit statt und zwar nach den Wünschen des Jubelpaares, das jede Gemütsaufregung von sich fernhalten wollte, in aller Stille."    

     
Zum Tod des aus Bleicherode stammenden Gemeindeältesten Lazarus Schönheim (in Nordhausen 1882)        

Artikel in "Israelitische Wochenschrift" 1882 Nr. 13b: ""      
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September 1882: ""      

     
Fabrikant Samuel Rothenberg feiert sein 25-jähriges Jubiläum als Stadtverordneten-Vorsteher (1902)   

Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 30. Januar 1902: "Bleicherode. Ein seltenes Jubiläum feierte am 16. dieses Monats der Stadtverordneten-Vorsteher, Herr Fabrikant Samuel Rothenberg dahier, welcher nun seit 25 Jahren zum Wohle der hiesigen Stadt als Stadtverordneter wirkt. Die Ehrung des genannten Herrn durch die städtischen Körperschaften trug einen besonders herzlichen Charakter. Auf die Ansprache des Herrn Bürgermeisters Franke erwiderte der Jubilar in gleich herzlicher, warmer Weise. Wie wir hören, beabsichtigen die Stadtverordneten zu Ehren des Herrn Rothenberg, der sich um die Stadt große Verdienste erworben, ein Festessen zu veranstalten. Möge es dem verdienten Glaubensgenossen vergönnt sein, ncoh recht lange im gemeinnützigen Dienste seiner Vaterstadt und seiner Mitbürger zu wirken!"       

         
Stadtrat und Ehrenbürger Samuel Rothenberg wurde als Kreistagsabgeordneter wiedergewählt (1903)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Januar 1903: "Aus Bleicherode wird uns geschrieben: Herr Stadtrat Samuel Rothenberg, Seniorchef der Mechanischen Weberei Schönheims Witwe, der schon bisher das Amt eines Kreistagsabgeordneten bekleidete, ist in gleicher Eigenschaft auf sechs Jahre neu wiedergewählt worden. Als früherer langjähriger Stadtverordnetenvorsteher hat er sich sehr viele Verdienste um das Wohl der Stadt erworben und wurde seinerzeit zu ihrem Ehrenbürger ernannt, wobei ihm gleichzeitig der Rote Adlerorden 4. Klasse verliehen wurde."   

      
Zum Tod des aus Bleicherode stammenden Rabbiners Professor Heidenheim (gest. 1906 in Sondershausen)       

Artikel in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 12. Juni 1914: ""     

     
Wilhelm Beyth wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet (1914)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. November 1914: "Aus Bleicherode wird uns geschrieben: Wilhelm Beyth, der Sohn unseres Mitbürgers Fritz Beyth, hat wegen Tapferkeit vor dem Feinde und wegen seiner guten Leistungen für das Regiment, Brigade und Division am 8. vorigen Monats das Eiserne Kreuz erhalten. Herr Beyth trat am 1. August mit seinem Friedensdienstgrad als Offizierstellvertreter in das 1. Bataillon Grenadierregiment Nr. 110, Mannheim, ein, wurde am 4. September bereits zum Verpflegungsoffizier befördert und am 12. Oktober mit der Verpflegung für die Division betraut."       

      
Zum Soldatentod von Erich Rothenberg (1918)         

Aus einem Artikel in "Die jüdische Presse" vom 13. Mai 1918: ""       

        
Zum Tod von Nanni Strauß geb. Heidelberger, Schwiegermutter von Lehrer Stein (1923)        

Artikel in "Der Israelit" vom 15. März 1923: ""      

     
        
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Ein jüdischer Hauslehrer wird gesucht (1843)   

Anzeige in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 2. Oktober 1843: "Anzeige.
Ein von einer Königlich Preußischen Regierung geprüfter Elementar- und Religions-Lehrer jüdischen Glaubens, welcher wo möglich Klavierunterricht erteilen kann, findet zu Ostern 1844 eine vorteilhafte Hauslehrerstelle. Portofreie Anmeldungen, mit Beifügung der Atteste, sind bald einzureichen, bei
H. J. Herzfeld
in Bleicherode."   

        
Anzeigen des Tuch- und Modegeschäftes bzw. Tuch- und Manufakturgeschäftes K. Frankenheim (1848 / 1850)    

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Oktober 1847: ""   
  
Bleicherode AZJ 07081848.jpg (40344 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. August 1848: "Lehrlingsgesuch
In meinem Tuch- und Modegeschäft, kann ein Lehrling, welcher Schulkenntnisse besitzt, jetzt gleich oder zu Michaelis platziert werden. Hierauf Reflektierende wollen gefälligst sich franko bei mir melden. 
Bleicherode bei Nordhausen, den 30. Juli 1848. K. Frankenheim".   
 
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Juli 1850: "In meinem Tuch- und Manufakturgeschäft kann zu Michaelis dieses Jahres ein Lehrling gegen annehmbare Bedingungen platziert werden. Bleicherode, den 3. Juli 1850. K. Frankenheim."     

   
Anzeigen der Färberei und Druckerei S. Beyth (1849 / 1857)     

Bleicherode AZJ 30041849w.jpg (31450 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. April 1849: "In einer Färberei und Druckerei wird gegen annehmbare Bedingungen ein Lehrling mosaischen Glaubens gesucht. Näheres erfährt man gegen portofreie Anfragen bei S. Beyth in Bleicherode bei Nordhausen."        
 
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. April 1857: ""  
 

   
Anzeigen des Baumwollwaren-Fabrik-Geschäftes Carl Helft (1865 / 1868 / 1876, 75-jähriges Geschäftsjubiläum 1938)       

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Januar 1865: ""     
  
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. März 1868: ""     
  
Anzeige in "Der Israelit" vom 13. September 1876: "Eine Mamsell, die einen größeren Haushalt selbständig führen und perfekt kochen  kann, sucht zum baldigen Antritt  
Bleicherode   Frau Carl Helft."       
 
Mitteilung in "Israelitisches Familienblatt" vom 16. Juni 1938: "Bevorstehendes 75jähriges Geschäftsjubiläum: 
Bleicherode: Firma Carl Helft (Inhaber Hermann Helft) mechanische Weberei."  

         
Anzeige des Leinen- und Baumwollwaren-Fabrik-Geschäftes Philipp Schlesinger (1868)         

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Oktober 1868: ""      

     
Anzeige des Leinen- und Baumwollwaren-Fabrikgeschäftes J. Schönheim's Witwe (1872)     .

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. Juli 1872: ""       

    
Anzeige der Garnhandlung en gros und Leinenfabrikation Constant Herzfeld & Co. (1874)       

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. September 1874: "Ein Lehrling
findet Stellung. Wohnung und Kost im Hause.
Bleicherode. Constant Herzfeld & Co. 
Garnhandlung en gros und Leinenfabrikation."        

     
Anzeige des Putz-, Weißwaren- und Posamentengeschäftes Rosalie Beyth (1881)       

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. August 1881: "Für mein Putz-, Weißwaren- und Posamentengeschäft suche ein Lehrmädchen.  
Rosalie Beyth
, Bleicherode."      

     
Anzeige des Leinen- und Baumwollewaren-Fabrikationsgeschäftes Paul Beyth (1895)   

Anzeige in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 11. Oktober 1895: "Für mein Leinen- und Baumwolle-Waren-Fabrikationsgeschäft suche ich
einen Lehrling
(Israelit). Bleicherode am Harz. Paul Beyth."       

     
Anzeige von S. Kaufmann (1879)       

Anzeige in "Der Israelit" vom 31. Dezember 1879: "Wegen Auflösung einer Gemeinde sind zwei noch sehr gut erhaltene Torarollen preiswürdig zu verkaufen. Näheres bei S. Kaufmann zu Bleicherode."        

     
Anzeige von B. Schwabe (1885)      

Anzeige in "Der Israelit" vom 23. April 1885: "Ein tüchtiges israelitisches Mädchen, das in allen häuslichen Arbeiten erfahren und mit Kindern umzugehen versteht, sucht
B. Schwabe
, Bleicherode."      

    
Anzeige von J. S. Wallach (1901)        

Anzeige in "Der Israelit" vom 8. August 1901: "Suche per 1. Oktober ein
älteres Mädchen
oder Witwe
zur Führung des Haushalts und zur Pflege eines alten Ehepaares. Auf Wunsch Familienanschluss. Zeugnisse und Gehaltsansprüche zu senden an  
J. S. Wallach, Bleicherode am Harz."      

     
      
      
Zur Geschichte der Synagoge        
     
Zunächst war jeweils ein Betsaal (bereits im 16. Jahrhunderts, danach wieder im 18. Jahrhundert) vorhanden. 
     
Von 1725 bis 1882 war der Betsaal in einem Haus, das 1665 als sogenannter Ackerbürgerhof errichtet wurde und ab 1790/91 der Gräfin von Hagen gehörte ("Alte Kanzlei"). Der Betsaal und die jüdische Schule war in zwei Räumen an der Westseite des Obergeschosses. Der Zugang erfolgte über eine hölzerne Außentreppe an der Nordseite des Gebäudes (zugemauerte Türöffnung ist noch heute zu sehen). Dieses Gebäude ist erhalten; in den 1990er-Jahren wurde das Gebäude neu eingedeckt; 2006 erfolgte eine umfassende Renovierung durch das Engagement der gemeinnütziger Fördervereins "Alte Kanzlei e.V.". Im Gebäude befindet sich heute eine Ausstellung / Dokumentation zur jüdischen Geschichte in Bleicherode (50 Bildplatten á 50/100 cm).    
 
1880 konnte der Grundstein für eine neue Synagoge gelegt werden. Der Bau wurde aus Spenden finanziert (vgl. oben Bericht zum Tod von M. S. Falkenstein). Die Bauleitung hatte Baurat Edwin Oppler aus Hannover; er hatte kurz zuvor eine mit der Synagoge in Bleicherode fast identische Synagoge in Hameln erbaut. Maurermeister Schirmer aus Bleicherode führte die Arbeiten aus. Am 1. Juni 1882 konnte die Synagoge gemeinsam durch den aus Bleicherode stammenden Landrabbiner Professor Heidenheim und den Rabbiner Dr. Leimdörfer (Nordhausen) eingeweiht werden. Die Architektur war im Wesentlichen von neuromanischen Formen geprägt. Der Bau kostete insgesamt 45.000 Taler.  
 
Ankündigung der Einweihung der Synagoge - die Vertreter staatlicher, kommunaler und kirchlicher Behörden nehmen nicht an der Einweihung teil (1882)       

Artikel in "Israelitische Wochenschrift" 1882 Nr. 13: "Nordhausen, 26. Mai. In unserer Nachbargemeinde Bleicherode wird demnächst eine neue Synagoge durch unseren Rabbiner eingeweiht werden. Der Vorstand lud den Präsidenten der Provinz, den Landrat hier, den Bürgermeister, das Magistrats und Stadtverordneten-Kollegium und die christliche Geistlichkeit Bleicherodes ein. Auf diese Einladungen kamen von all den genannten Absagebriefe, Antworten, dass sie sich nicht beteiligen werden. - Als vor Kurzem ein begabter junger israelitischer Dichter Lichtenstein von hier (entweder von Nordhausen oder s.u. Sondershausen) in Bleicherode einen Vortrag über Berthold Auerbach zu Gunsten der russischen Juden ankündigte, da geruhte der Herr Bürgermeister, diesen Vortrag zu verbieten. - Anlässlich der gestern stattgehabten Seelenfeier hielt unserer Rabbiner eine Denkrede auf Jakob Nachod, die einen sichtlich tiefen Eindruck machte."      
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Juni 1882: "In Bleicherode (Thüringen) wird demnächst eine neue Synagoge eingeweiht. Der Vorstand richtete ein Einladungsschreiben an den Oberpräsidenten, den Landrat, den Bürgermeister, die Stadtverordneten, die katholischen und die protestantischen Geistlichen, und erhielt von allen diesen Instanzen die Antwort, dass sie sich nicht beteiligen werden. Nun, das wird dem neuen Gotteshause nichts von seiner Weihe nehmen. Noch mehr. Jüngst wollte ein junger Dichter, Herr Lichtenstein aus Sondershausen, einen Vortrag in diesem Bleicherode halten und zwar über Berthold Auerbach und zu Gunsten der russischen Flüchtlinge, und der Bürgermeister versagte die Erlaubnis! (Steht das in der gesetzlichen Macht des Bürgermeisters?). "  

Die Einweihung der Synagoge (1882)   

Artikel in "Israelitische Wochenschrift" 1882 Nr. 13: "Bleicherode, 1. Juni. Heute fand hier die Feier statt, welche die jüdische Gemeinde zur Einweihung ihres nach reichlichen Opfern, mühevoller Arbeit und beharrlichem Streben nun vollendeten neuen Tempels beging. Der erste, mehr wehmütige Teil der Feier, galt dem Lebewohl, welches die Gemeinde in letzter, festlicher Versammlung ihrem durch ein Jahrhundert hindurch lieb und wert gewordenen, aber auch gealterten und zu eng gewordenen bisherigen Gotteshause widmete.
Herr Lehrer Frank sprach das Abschiedsgebet in der alten Synagoge, aus welcher die Gemeinde ausziehe wie aus einem Vaterhause und doch auch wieder nicht so, denn der himmlische Vater ziehe mit seinen Kindern und heiße in dem neuen Tempel jeden willkommen, der wahre Frömmigkeit, nicht Heuchelei und Schein, im Herzen trage. Nicht ohne Betrübnis erfolgte dieser Wechsel. Mehr als 100 Jahre ist es her als, eine edel denkende Christin dieses ehrwürdige Haus der jüdischen Gemeinde zum Geschenke gemacht. Heute aber zeigen Mitlebende sich noch so fern von solchem Geiste erhabene Duldsamkeit, dass sie es über sich gewinnen, eine Nation, die nichts verschuldet hat, und ihre Pflichten stets mit Treue erfüllt, zu verfolgen bis aufs Blut.
Hierauf sprach der Rabbiner Herr Professor Heidenheim aus Sondershausen Worte des Abschieds an jener Stätte, die ihm, einem Kinde der Gemeinde Bleicherode, so teuer: wo er einst an der Seite an der Seite seiner entschlafenen geliebten Eltern Gebete zum Herrn gesendet, wo die geisterwärmenden und herzbelebenden Worte verehrter Lehrer zuerst in ihm die Begeisterung für seinen heiligen Beruf wach gerufen, und wo er seit 40 Jahren gewöhnt gewesen, zu der Gemeinde von Bleicherode zu sprechen.
Unterdessen hatte sich vor dem Hause der Festzug geordnet. Voran die Schülerinnen und Jungfrauen, dann das Festkomitee mit den Ehrengästen, darunter die an dem Bau beteiligt gewesenen Meister. Hierauf folgte eine junge Dame, die auf seidenem,           
bekränztem Kissen den Schlüssel zur neuen Synagoge trug,      .   
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Juni 1882: ""   

  
Publikation der Einweihungsrede von Rabbiner Dr. David Leimdörfer (Nordhausen, 1882)       

Mitteilung in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 26. Dezember 1882: ""      

       
Erinnerung an die Einweihung der Synagoge (1921)          

Aus einem Artikel in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 18. Februar 1921: ""      

        
Nur etwa 55 Jahre war die Synagoge in Bleicherode Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens in Bleicherode.     
  
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SA Leute und andere Nationalsozialisten niedergebrannt. Das Synagogengrundstück kam zum Preis von zwei Reichsmark pro Quadratmeter in den Besitz der Stadt. Die Synagogenruine stand noch bis in die 1950er-Jahre und wurde dann abgebrochen (nach anderen Angaben wurde die Synagogenruine bereits vor Kriegsende beseitigt). Das Grundstück der Synagoge wurde zur Rasenfläche. 
  
1986 wurde am Standort der zerstörten Synagoge ein Gedenkstein aufgestellt mit der Inschrift: "Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Bleicherode. Sie wurde in der Pogromnacht am 9. November 1938 von Faschisten niedergebrannt. 1988 wurde eine Gedenktafel der Evangelischen Kirchengemeinde am an der evangelischen Kirche angebracht mit der Inschrift: "In unserer Stadt gab es eine Gemeinschaft unserer älteren Geschwister im Glauben an Gott - Die Jüdische Gemeinde Bleicherode. Ihre Synagoge wurde am 9. November 1938 niedergebrannt. Die Menschen wurden verächtlich gemacht, gemieden, vertrieben. Viele wurden umgebracht. Und wir haben geschwiegen. Herr, hilft, dass wir nicht wieder schweigen, wenn neben uns Menschen verächtlich gemacht oder gemieden werden. Amen. 1988 - Fünfzig Jahre danach." Am 6. November 2008 wurde ein neuer Gedenkstein für die Synagoge am Synagogenstandort aufgestellt, u.a. mit der Aufschrift "Wehret den Anfängen". 
 
Auf dem Synagogengrundstück befinden sich inzwischen neben dem Gedenkstein zwei Steine der ehemaligen Synagoge, die vor einigen Jahren am Unteren Feuerteich aufgefunden wurden. Ein dritter aufgefundener Stein ist Bestandteil der Ausstellung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bleicherode in der Alten Kanzlei.       
  
  
Adresse/Standort der Synagoge   Betraum vor 1882 im Haus Hauptstraße 131; Synagoge 1882-1938: Obergebraer Straße / Ecke Gartenstraße    
  
Hinweis: gegenüber dem Synagogengrundstück befindet sich in der Obergebraer Straße 15 ein früher in jüdischem Besitz befindliches Haus, das heute unter Denkmalschutz steht. 
  
  
  
Fotos     
(Quelle: Historisches Foto und neuere Innenaufnahmen der "Alten Kanzlei" aus der Website des Fördervereins: http://alte-kanzlei-bleicherode.de/; neuere Außenaufnahmen: Hahn, Aufnahmedatum 29.4.2011; Abbildungen der neuen Synagoge: Museum Bleicherode; Modell der Synagoge: Stadtarchiv Bleicherode; Fotos der Gedenkstätte: Hahn, Aufnahmedatum 29.4.2011).     

1725-1882: Alter Betsaal in der "Alten Kanzlei"

  
Historische Aufnahme  Bleicherode Alte Kanzlei 120.jpg (62735 Byte)  
  Historische Aufnahme
 der "Alten Kanzlei"  
 
Nach der Restaurierung    
Bleicherode Synagoge 141.jpg (152578 Byte) Bleicherode Synagoge 140.jpg (145794 Byte) Bleicherode Synagoge 142.jpg (143867 Byte)
  Die "Alte Kanzlei" präsentiert sich nach Abschluss der Renovierung als historisches Juwel der Stadt
        
Bleicherode Alte Kanzlei 123.jpg (31356 Byte) Bleicherode Alte Kanzlei 124.jpg (34967 Byte) Bleicherode Alte Kanzlei 125.jpg (29510 Byte)
In den Räumen der "Alten Kanzlei" befindet sich eine umfassende Dokumentation der jüdischen Geschichte in Bleicherode
      
Die Synagoge in Bleicherode
(1882-1938)
Bleicherode Synagoge 170.jpg (108361 Byte) Bleicherode Synagoge 171.jpg (67649 Byte)
  Links Ansicht von Westen mit dem Eingangsportal, rechts Ansicht von Süden.
     
Rechts: Abbildungen erhalten
von Eckhard Grunewald 
 
   Querschnitt der Synagoge mit Blick
zum Toraschrein (Architekt Edwin Oppler)
 Innenansicht der
Synagoge in Bleicherode
     
       Bleicherode Synagoge 180.jpg (68638 Byte)
    Historische Ansichtskarte mit Synagoge - gelaufen 1904  Modell der Synagoge in Bleicherode   
        
Gedenkstein und Steine der Synagoge        
 Bleicherode Synagoge 191.jpg (20926 Byte)    Bleicherode Synagoge 154.jpg (162155 Byte)       Bleicherode Synagoge 151.jpg (184108 Byte)  
  Aufstellung des neuen Gedenksteines 
im Jahr 2008 (Quelle des Fotos: 
Stadt Bleicherode)
 Gedenkstein von 1988 mit zwei am unteren Feuerteich gefundenen 
Steinen der Synagoge  
   
        
Bleicherode Synagoge 152.jpg (132583 Byte) Bleicherode Synagoge 153.jpg (161754 Byte) Bleicherode Synagoge 150.jpg (107649 Byte)
Gedenkstein von 1988  Hinweistafel zur Geschichte 
der Synagoge
  
    
Gegenüber des Synagogengrundstückes: ehemalige jüdische Fabrikantenvilla  
Bleicherode Ort 140.jpg (165302 Byte) Bleicherode Ort 141.jpg (167151 Byte)  
Die Fotos zeigen die Villa der Bankierfamilie Frühberg    
     
Gedenken an der evangelischen Kirche   
Bleicherode Ort 150.jpg (158711 Byte) Bleicherode Ort 151.jpg (138234 Byte) Bleicherode Ort 152.jpg (85726 Byte)
An der evangelischen Kirche in Stadtmitte erinnert seit 1988 eine Gedenktafel mit der Inschrift: "In unserer Stadt gab es eine Gemeinschaft unserer älteren Geschwister im Glauben an Gott. Die jüdische Gemeinde Bleicherode. Ihre Synagoge wurde am 9. November 1938 niedergebrannt. Die Menschen wurden verächtlich gemacht, gemieden, vertrieben. Viele wurden umgebracht und wir haben geschwiegen. Herr, hilf, dass wir nicht wieder schweigen, wenn neben uns Menschen verächtlich gemacht oder gemieden werden. Amen. 1988 - fünfzig Jahre danach".  
     

    
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

November 2015: Gedenken an den Jahrestag des Novemberpogroms 1938      
Artikel von S. Winter in der "Nordhäuser Neuen Presse" vom 22. November 2015: "Erinnern. '… und wir haben geschwiegen'
Die Glocken läuteten zum Gedenken der Opfer des nationalsozialistischen Wahnsinns vor 77 Jahren. Auch hier in Bleicherode brannte eine Synagoge, wurden Mitbürger aufgrund ihres Glaubens verfolgt, gedemütigt, misshandelt und umgebracht...
Die Glocken mahnen, damit so etwas nie wieder geschehen möge. Viele Bürger sind sich sicher, dass die Ereignisse der Reichspogromnacht eindeutig zu den negativen und verurteilungswürdigen Seiten unserer Geschichte zählen. Deshalb gingen mehrere Bleicheröder nach einer Andacht in der St. Marien-Kirche zum Gedenkstein am Standort der niedergebrannten Synagoge, um nach entsprechenden Gedenkminuten den Weg zur 'Alten Kanzlei' einzuschlagen. Dort konnten alle Interessierten historische Fotografien vom stattlichen jüdischen Gebetshaus in den Räumen betrachten, wo vor dem Bau der Synagoge der Gebetsraum der jüdischen Gemeinde beherbergt war. Heute wollen wir nicht mehr schweigen zu den Angriffen gegen Opfer fremder Regime, die Zuflucht bei uns suchen. Alle Probleme lassen sich hier und heute auf vernünftigem Weg lösen, wenn der entsprechende Wille dazu vorhanden ist. Lasst uns denselben Fehler wie unsere Vorfahren nicht wiederholen. Die Glocken können wecken, handeln müssen wir!
S. Winter "  
Link zum Artikel  
 
März 2024: Ein Modell der früheren Synagoge wird erstellt   
Artikel von Angelo Glashagel in Nordthüringen.de vom 15. März 2024: "Wiederauferstehung für die Bleicheröder Synagoge - Es war einmal ein Gotteshaus.
Auch im kleinen Bleicherode blühte einst das jüdische Leben inmitten der Gesellschaft. Ende des 19. Jahrhunderts lassen sich die Bleicheröder Juden eine prächtige Synagoge bauen. Gute 40 Jahre prägt sie das Ortsbild, ehe sie in der Pogromnacht angezündet und dem Erdboden gleich gemacht wird. Der Tempel soll nun im Modell wieder auferstehen...

Wenn man sich die wenigen verbliebenen Bilder der Bleicheröder Synagoge ansieht, könnte man der Meinung sein, auf ein Jahrhunderte altes Gebäude zu blicken - wuchtig sind die Türme, die Form gedrungen und kraftvoll. Tatsächlich wurde das Gotteshaus erst 1882 eröffnet und bewusst im Stile von Neogotik und Neoromanik gebaut. Über 140 Jahre wäre immer noch ein ansehnliches Alter, wenn der Tempel denn noch stehen würde. Wie auch im benachbarten Nordhausen wurde die Synagoge der Bleicheröder in der Pogromnacht 1938 von den Nationalsozialisten angezündet und brannte aus. Die Beseitigung der Trümmer muss die Gemeinde mit dem Verkauf des Grundstücks an die Stadt Bleicherode selber zahlen.
Juden gibt es in Bleicherode heute keine mehr. Was geblieben ist, sind die Erinnerungen der Alten, erzählt Kai Hartmann, die eigene Mutter habe noch in den Trümmern gespielt aber spätestens in seiner Generation sei die Existenz des Hauses und der Bleicheröder Juden, von dem 1988 eingeweihten Gedenkstein einmal abgesehen, kaum mehr präsent. Hartmann ist Holzbildhauer und wurde jüngst damit beauftragt, die alte Synagoge im Modell wieder auferstehen zu lassen. Keine alltägliche Arbeit für den Künstler, die akkurate Darstellung des Baus in seinen Details bringt ungewohnte Herausforderungen mit sich. Und sie fördert auch Details zu Tage, die ein neues Licht auf die alte Gemeinde und ihr Leben werfen, weiß Dr. Marie-Luis Zahradnik zu berichten.
Die jüdische Gemeinde in Bleicherode formt sich im Laufe des 16. Jahrhunderts, man hat es nicht weit, viele kommen aus Obergebra und Sollstedt in die aufstrebende Stadt. Im 19. Jahrhundert steigt die Zahl der Mitglieder auf über 160 Personen und im traditionellen Betraum in der Alten Kanzlei, kaum größer als Hartmanns Holzwerkstatt heute, wird es eng. Man hatte Fuß gefasst, schon 1728 wird am Vogelberg ein Friedhof eingerichtet, nun wird der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus immer größer. 'Das Anwachsen der Gemeinde machte seit längerer Zeit den Bau einer größeren Synagoge zum dringenden Bedürfnis. Der Wunsch jedoch, daß das neue Gotteshaus ein monumentaler und auch im Inneren in würdiger Weise ausgestatteter Bau werde', resümierte Michaelis Herzfeld, Bleicheröder Fabrikant und einer der führenden Köpfen der neuzeitlichen Gemeinde, anlässlich der Grundsteinlegung 1880.
Für den Bau kann man Edwin Oppler gewinnen, ein Stararchitekt seiner Zeit, erfahren auch im Bau jüdischer Tempel. Unter anderem deswegen nahm man lange an, die Bleicheröder Synagoge habe die gleichen Maße besessen wie ihr Schwesterbau in Hameln, berichtet Historikerin Zahradnik, beim genaueren hinsehen habe man aber einige Unterschiede erkannt. 'Die jüdische Gemeinde war trotz aller Wünsche nicht finanzstark genug, um den Bau aus Hameln kopieren zu können, man musste schon aufgrund der örtlichen Gegebenheiten neu und anders planen und das ging ins Geld. Interessant ist, wo gespart wurde. Statt den Bau an sich größer zu gestalten und sich dafür bei den Türmen etwas zurückzunehmen tat man genau das Gegenteil - die Türme sollten größer werden. Statt sieben Eingangsstufen gibt es hier nur drei, da spart man auch ein Geländer. Ähnliches passiert im Innenraum, Funktionalität bekommt Vorrang vor Schmuck'.
Gerade die Gestaltung des Innenraums gibt den Experten Einblicke in das Selbstverständnis der Gemeinde. Die überlieferte Orthodoxie hatten ihren Platz - Männer und Frauen etwa mussten getrennt voneinander sitzen, die Damen gelangten über Eingänge an den Türmen auf ihre Empore, die Herren nahmen unten Platz - aber in zentralen Elementen ging man neue Wege, die zum Teil an den evangelischen Ansatz der christlichen Nachbarn erinnerten. Das Allerheiligste findet sich im Bleicheröder Tempel nicht wie üblich in der Mitte des Raumes, Lesetisch, Kanzel und Toraschrein sind gemeinsam am Kopfende angeordnet. Der Fokus der Gemeinde habe weniger auf dem fernen und für viele nahezu unerreichbaren Jerusalem gelegen, sondern auf sich selbst und dem eigenen, geistigem Zentrum, erläutert Dr. Zahradnik, neues Denken, das in den europäischen Gemeinden des 19. Jahrhunderts noch nicht weit verbreitet ist. 'Der Bau einer Synagoge war von enormer Bedeutung für eine Gemeinde, den so ein Tempel hat nicht nur eine religiöse Funktion, wo eine Synagoge ist, da ist meist auch eine Schule und damit Lehre und Bildung.'
Der Bildung soll nun auch der Modellbau dienen. Die Synagoge en miniature ist mobil und wird nicht hinter den allzu oft verschlossenen Türen der Alten Kanzlei verschwinden, versprechen die Organisatoren des Projektes vom Verein 'Gegen Vergessen - Für Demokratie'. Vielmehr will man das kleine Gotteshaus in Bleicherode auf Reise schicken. Anlässlich der Jüdisch-Israelischen Kulturtage wird das fertige Modell erstmals am 24. März um 14 Uhr im Kulturhaus enthüllt, danach wird man das Holzkunstwerk auch in der St. Marien-Kirche und auf Wunsch auch in den Bleicheröder Schulen bestaunen und nutzen können.
Das nötige Kleingeld hat der Verein über das Bundesprogramm 'Demokratie Leben!' aufgebracht, neben dem Modell wird es dank der Unterstützung auch eine bebilderte Broschüre geben, welche die Forschungs- und Rechercheergebnisse zusammenfasst. Bevor das fertige Werk aber der Öffentlichkeit übergeben wird, fehlt noch ein kleines Finish: eine sogenannte 'Mesusa'. 'In dem Modell wird eine Erinnerung an das Projekt und seine Mitwirkenden eingefügt und 'versteckt'. Es ist nicht nur Brauchtum eines 'Bauherren' eine Erinnerungskapsel zur Grundsteinlegung zu setzen, sondern auch im Judentum gibt es diesen Brauch und der heißt 'Geniza', auf deutsch bedeutet das 'Lager' oder 'Versteck'. Eine 'Mesusa' ist eine kleine Kapsel, die z. B. an jüdischen Häusern angebracht wird, um Glück und Frieden zu erhalten, dies trifft auch für jeden zu, der daran vorbei geht und diese 'Kapsel' berührt. Das soll unser 'Geniza' werden, besonders in der Hoffnung, dass es dem Modell und seinem zukünftigen Betrachtenden Glück und Frieden bringe.', sagt Dr. Zahradnik. In dem kleinem Behältnis wird ein Zettel mit Unterschriften der Mitwirkenden aufbewahrt. Auf dem Zettel steht zudem ein entlehnter jüdischer Segenswunsch: 'Wir wünschen dem Modell und seiner Zukunft ein gutes Licht, in dem viele Menschen zu Hause sind, und das nicht müde wird, Liebe zu üben und Schuld zu verzeihen.'"
Link zum Artikel    
 
Mai 2024: Initiative zur Neugestaltung des Synagogengrundstückes bis spätestens 2028  
Artikel in der "Nordhäuser Neuen Presse" vom 21. Mai 2024: "SYNAGOGENGRUNDSTÜCK IN BLEICHERODE. Ein Gedenkort im Wandel der Zeit
Dr. Marie-Luis Zahradnik leitet ein Projekt in Bleicherode, das darauf abzielt, das ehemalige Synagogengrundstück neu zu gestalten und die Erinnerung an dessen jüdische Geschichte zu beleben.

Dieses Vorhaben, unterstützt von lokalen Partnern und der Hochschule Nordhausen, verbindet moderne Gedenkkultur mit Bürgerwissenschaft, um das Andenken an die zerstörte Synagoge lebendig zu halten. Viele Juden siedelten sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts im wirtschaftlich aufstrebenden Bleicherode an. Um 1880, zur Zeit des Baubeginns der Synagoge, zählte die stetig wachsende jüdische Gemeinde 169 Mitglieder. Der Architekt und Königliche Baurat Edwin Oppler aus Hannover, der eine ähnliche Synagoge bereits in Hameln hatte erbauen lassen, wurde für das Bauvorhaben engagiert. Die Gemeinde wollte aber vom Hamelner Modell abweichen, da dieses für sie zu teuer war. So wurde die Synagoge etwas kürzer mit weniger Material und in der Innengestaltung schlichter gebaut. Nach nur zwei Jahren Bauzeit wurde die neue Synagoge am 1. Juni 1882 mit einem großen Programm eingeweiht. Ihre Größe und Baulichkeit prägte das Stadtbild mit und zeigte, dass das jüdische Leben seinen religiösen und kulturellen Platz hatte. In Folge der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 wurde der in Teilen von Politik und Gesellschaft zuvor schon vorhandene Antisemitismus systematisch und mit Brutalität und Gewalt vorangetrieben. In der 'Reichskristallnacht' fiel auch die Bleicheröder Synagoge einem Brandanschlag zum Opfer, sodass sie als Ort jüdischen Glaubens aus dem Stadtbild Bleicherodes für immer verschwand. Im Gedenken an die Zerstörung der Synagoge im nationalsozialistischen Terror wurde 1988 ein Gedenkstein an den Ort gesetzt. Dieser wurde 2005 durch einen neuen ersetzt. Jährlich wird am 9. November an die Opfer der Pogromnacht von 1938 erinnert. Zu diesem Anlass wird der Gedenkort zum Mittelpunkt der Andacht und des Trauermarschs mit Teilnehmenden aus Politik und Gesellschaft gemacht. Mit dem Setzen des Gedenksteins mit neuer zeitgemäßer Inschrift signalisierte die Stadt, dass ihr Bewusstsein für die Historie reflektiert und sich kritisch mit ihr auseinandersetzt. Dem schließt sich nun das Vorhaben der Partner Stadt Bleicherode, Wohnungsbaugenossenschaft eG Südharz (WBG) und Hochschule Nordhausen an. Den Impuls dafür gaben konstruktive Gespräche zwischen Forschung, Einwohnern, evangelischer Kirche und der Stadt Bleicherode. Beflügelt wurde dies durch die neuen Erkenntnisse aus der Forschung zur Geschichte und zum Bau der Synagoge, die bereits am 24. März 2024 in einem eintägigen und gut besuchten Programm in Bleicherode vorgestellt wurden. Mit der Forschung zur einstigen Synagoge in Bleicherode ergab sich auch ein Fund vor Ort. Dieses soll nun in würdiger Gestaltung wieder sichtbar gemacht werden, denn es ist im Moment das einzig sichtbare Zeugnis des jüdischen Gotteshauses, das das Grundstück als ein Synagogengrundstück historisch aufwertet und eine neue Aufmerksamkeit dem historischen Ort zukommen lässt. In Anbetracht dessen besteht die Überlegung, das Grundstück auf weitere Überreste näher zu untersuchen, diese gegebenenfalls sichtbar zu machen und dem Areal ein neues Gesicht zu geben, welches auf die kommunale und zugleich jüdische Gedenk- und Erinnerungskultur Rücksicht nimmt. Die neue Gestaltung des Areals für ein zeitgemäßes Gedenken kann mit einem Citizen Science-Projekt verknüpft werden, um mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen den Platz mit neuen Elementen aufzubauen. Eine Zusammenarbeit mit Handwerkern vor Ort und Kirchen ist dabei unterstützend. Das Vorhaben wird durch unterschiedliche Hilfen mitgetragen: Die Hochschule Nordhausen beabsichtigt, sich um die Akquise von Drittmitteln für dieses Projekt zu bemühen und ein Netzwerk mit den verschiedenen Institutionen aufzubauen. Initiatorin, Verantwortliche und Ansprechpartnerin für dieses Projekt ist Dr. Marie-Luis Zahradnik. Die Partnerin und Eigentümerin des Grundstückes, die Wohnungsbaugenossenschaft (WBG Südharz) unterstützt die abgestimmten Schritte und sieht dabei auch die Einwohnerinnen und Einwohner, die den Gedenkort mitgestalten, pflegen und weiterhin begehen können. Die Stadt Bleicherode ist Partnerin und Mentorin zwischen dem Vorhaben und den Einwohnern, denn der stetige Austausch und die Abstimmung mit allen Beteiligen sind für das Gelingen und Mittragen des Vorhabens und dessen Ergebnis maßgeblich. Ein Wunsch aller Mitwirkenden ist, das Vorhaben mit dem 90-jährigen Gedenken an die Zerstörung der Synagoge der Öffentlichkeit präsentieren zu können und einen Impuls zu setzen, das Erinnern und Gedenken nicht verblassen zu lassen, sondern dem Wandel der Zeit anzupassen, damit die Vergangenheit nah am Menschen dranbleibt."  
Link zum Artikel   

         

     
Links und Literatur

Links:   

bulletWebsite der Stadt Bleicherode  
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Bleicherode (interner Link)     
bullet

Website "Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen" zu Bleicherode https://www.juedisches-leben-thueringen.de/pogrome-1938/bleicherode    

Literatur:  

bulletGermania Judaica III,1 S. 132. 
bulletIsrael Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen (www.lzt.thueringen.de) 2007. Zum Download der Dokumentation (interner Link). Zu Bleicherode S. 78-84.  
bulletZeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Berlin 1992. S. 261-262.  
bulletHans-Peter Schwarz (Hrsg.): Die Architektur der Synagoge. Frankfurt / Stuttgart 1988 S. 248-250.  
bulletHeimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt 2003. S. 180-181. 
bulletPeter Kuhlbrodt: Verzeichnis der Nordhäuser jüdischen Familien zur Zeit des Neuanfanges im Jahre 1808, 1922 und 1829. Beitrag von 2006 - online zugänglich. Hierin findet sich eine Zusammenstellung der in Bleicherode 1808 lebenden jüdischen Familien.  

           
            


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Bleicherode  Saxony. Jews were living in Bleicherode in 290. The community was spared the Black Death persecutions of 1348-49, but in 1593 all the Jews were expelled from the city. A new Jewish settlement started around 1700, numbering 177 individuals in 1746. The community maintained a cemetery (1728) and a synagogue (1882). The Jews played an important role in the weaving industry and several Jews were elected members of the city council. When the Nazis came to power in 1933, the community numbered about 100, but soon many, the affluent Jews in particular, moved away, following the extensive 'Aryanization' of the larger Jewish businesses. Hans Beyth (1901-1947), a native of Bleicherode, was among the main organizers of Youth Aliya from Germany. In 1937, 77 Jews (29 families) were still living in the town. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was destroyed, the cemetery was desecrated. By 1939, 18 families and nine individuals had emigrated. The remaining 11 Jewish families were deported to the east, one person committing suicide beforehand. One Jew survived because of his non-Jewish wife. 
      
       

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge    

    

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020