Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Schorndorf (Rems-Murr-Kreis)
 Jüdische Geschichte 
  

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Schorndorf 
bulletBerichte aus der jüdischen Geschichte in Schorndorf   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Schorndorf          
     
In Schorndorf bestand zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Aus dem Mittelalter sind keine Spuren für eine jüdische Niederlassung zu ermitteln. Weder schriftliche Quellen noch mündliche Überlieferungen oder Flur- und Straßennamen geben einen Anhaltspunkt für eine mittelalterliche jüdische Ansiedlung. Da Schorndorf zum Herzogtum Württemberg gehörte, galten auch für die Zeit vom Ende des 15. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts die einschränkenden Bestimmungen, die Juden einen Aufenthalt grundsätzlich verbaten. Aus der Zeit um 1800 ist ein zum Christentum konvertierter Jude bekannt namens Christan Friedrich Michael Dessauer, Graveur ("Pitschierstecher") und Gold-/Silberarbeiter (geb. 1772 in Horkheim nach dem Seelenregister 1801 des Stadtarchives Schorndorf; geb. in Unterschwandorf nach dem Seelenregister von 1822 des Stadtarchives Schorndorf). Dessauer war blind und stand in öffentlichem Almosen.
 
Im 19./20. Jahrhundert kam es zur Niederlassung weniger jüdischer Familien/Personen. Nach den Ergebnissen der Volkszählungen entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1875 ein jüdischer Einwohner, 1880 3, 1885 1, 1890/95 0, 1900 2 (Ehepaar Fetterer), 1905 4 (Familie Fetterer), 1910 8 (vermutlich Familie Fetterer, Ehepaar Anspach und ?), 1925 4 jüdische Einwohner (Familie Anspach ohne den 1924 verstorbenen Julius Anspach). 
 
Bis in die Zeit nach 1933 waren unter den wenigen jüdischen Einwohnern vor allem die Mitglieder der Familie von Julius Anspach, der seit 1905 in Schorndorf war und ein kleines Warenhaus am oberen Marktplatz innehatte. Nach seinem Tod 1924 (Grab auf dem jüdischen Friedhof Ludwigsburg) führte seine Frau Selma Anspach das Warenhaus bis um 1936 weiter (weiteres zur Familie Anspach siehe unten).
 
Weitere jüdische Einwohner:
Die Familie Alexander Fetterer und seine Frau Anna geb. Valfer
, die um 1902/06 in Schorndorf lebte (vgl. Hildegard Kattermann: Geschichte und Schicksale der Lahrer Juden; Hg. Stadtverwaltung Lahr 1979²; zur Familie von Anna geb. Valfer https://www.geni.com/people/Anna-Valfer/2139070) und deren beide Kinder in Schorndorf geboren sind:
- Ernst Fetterer: geb. 1906 in Schorndorf, seit 1920 wohnt er in Lahr, 1924 in Kippenheim, später Pirmasens, Gengenbach, Stuttgart; 11. November 1938 bis 6. Januar 1939 im KZ Dachau; 1. Dezember 1941 von Stuttgart nach Riga deportiert, 1944 Stutthof Konzentrationslager, umgekommen.  
- Johanna (Hannchen) Levy geb. Fetterer: geb. 1902 in Schorndorf, später wohnhaft in Pirmasens, verheiratet mit F. Levy; 26. April 1942 ab Stuttgart deportiert in das Ghetto Izbica, umgekommen.
 
Dr. Robert Hirsch (geb. 1857 in Tübingen): war 1881 bis 1883 stellvertretender Amtsrichter in Aalen und Schorndorf, danach in Backnang und Ulm; 1939 starb er in Stuttgart an Suizid (Grab Pragfriedhof, Israelitischer Teil). Zu seiner Familie siehe https://www.geni.com/people/Robert-Hirsch/6000000001694308779
 
1933 lebten noch fünf jüdische Einwohner (Familie Anspach). Am 1. April 1933 standen SA-Posten vor dem Kaufhaus der Familie Anspach auf dem Marktplatz. Die SA-Männer drohten den Kunden des Warenhauses Anspach sogar mit der Einlieferung ins Konzentrationslager, falls sie den Boykottaufruf missachten sollten. Kreispropagandaleiter Viktor Eisenbraun rief am selben Tag in der örtlichen Tagespresse zum Boykott gegen die Juden auf. Zwischen 1933 und 1937 verließen alle Mitglieder der Familie Anspach Schorndorf und emigrierten in die USA (siehe unten). Ihren Besitz und alles, was sich die Familie in den Jahren zuvor in Schorndorf aufgebaut hatte, mussten sie zwangsweise verkaufen
.
  
Von den in Schorndorf geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ernst Fetterer (1906), Johanna (Hannchen) Levy geb. Fetterer (1902).    
    
    
    
Berichte aus der jüdischen Geschichte in Schorndorf     
     
In jüdischen Periodica des 19./20. Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte in Schorndorf gefunden.    
    
 
Zur Geschichte der Familie Anspach
(aus: J. Hahn: Jüdisches Leben in Ludwigsburg S. 343-344; Blatt Familienregister Schwäbisch Gmünd http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446732-43)    
Isaak (genannt: Julius) Anspach ist am 19. Mai 1884 in Weiler bei Bad Kreuznach geboren als Sohn von Mich(a)el Anspach und der Babette geb. Stern (Grab im jüdischen Friedhof Weiler). Er kam 1905 nach Schorndorf und gründete hier ein kleines Warenhaus (Textilwarengeschäft) am oberen Marktplatz (Marktplatz 5). Julius Anspach war seit 21./22. April 1909 in (Hochberg/Stuttgart) verheiratet mit Selma geb. Neuburger, eine am 19. Dezember 1885 in Hochberg geborene Tochter des Siegmund Neuburger und der Adelheid geb. Kusiel. Das Ehepaar hatte drei Kinder:
- Helmut, geb. 6. März 1910 in Schorndorf; seit März 1931 (bis 1. Oktober 1936) Mitinhaber des elterlichen Geschäftes; war Mitglied und Förderer von Kultur- und Sportvereinen in Schorndorf; emigrierte im Februar 1937 allein nach Detroit/USA, wo er zunächst als Gelegenheitsarbeiter seinen Unterhalt verdienen musste; 1940 bis 1943 Angestellter in einem Warenhaus in Detroit; verheiratet seit 1940 mit Frieda geb. Frank aus Kirchberg/Hunsrück (zwei Kinder: Renié und Jeffrie); Frieda Anspach starb am 6. September 1995; Helmut Anspach wohnte 1997 noch teils in Southfield, MI/USA, teils in Boca Raton, FL/USA;
- Kurt, geb. 31. Oktober 1912 in Schorndorf; 1928 bis 1933 Lehrling, dann Angestellter bei der Gewerbebank Schorndorf (jetzt Volksbank); war Mitglied in Sport- und Kulturvereinen Schorndorfs; emigrierte im September 1933 allein nach Spanien, wo er in einem Filmvertrieb Arbeit fand; im September 1936 nach Österreich, Oktober 1938 nach den USA; 1938 bis 1943 als Buchhalter, dann als Verkäufer tätig; 1943 bis 1945 in der US Army (im Mai 1945 als Besatzungssoldat kurzzeitig wieder in Schorndorf); 1945 bis 1951 Reisevertreter für verschiedene Formen, dann Buchhalter und später Betriebsleiter eine Firma in Chicago; verheiratet seit 1939 mit Helen geb. Gordon aus Pittsburgh, PA/USA (zwei Kinder: Stefanie und Kennetz); das Ehepaar wohnte bis 1951 in Detroit, MI und später (noch 1997) in Homewood, IL/USA, einer Vorstadt von Chicago, IL/USA; 1985 war Kurt Anspach auf Einladung der Stadt zu Besuch in Schorndorf;  
- Lore Babette, geb. 2. Februar 1919 in Schorndorf; 1929 bis 1935 Besuch der Realschule Schorndorf; 1935 bis 1936 Besuch der Frauenklasse des Katharinenstifts Stuttgart; 1936 bis 1938 Ausbildung im Kindergärtnerinnen-Seminar Berlin; im Juli 1938 in die USA emigriert; hier zunächst als Haushaltshilfe tätig; Verheiratet seit 1940 mit Eric Otten (geb. 1914; früher: Erich Ottenheimer); zwei Kinder: Ronald (Ron) Otten (geb. 1942) und Linda Otten (geb. 1948); Familie Otten wohnte um 1960 in Chicago, IL/USA. Lore Babette Otten starb am 13. Februar 2002 in Sarasota, FL/USA. Vgl. https://www.geni.com/people/Lore-Otten/6000000003668350212
Familie Anspach war in Schorndorf mehrere Jahre die einzige jüdische Familie. Offiziell gehörte die Familie der kleinen israelitischen Gemeinde in Schwäbisch Gmünd an ("Filiale Schorndorf"), doch bestanden über die in Ludwigsburg lebenden Verwandten Josef Neuburger (Bruder von Selma Anspach) und Ludwig Stern (Vetter von Julius Anspach) enge Beziehungen zur dortigen Gemeinde. Als Julius Anspach bereits am 2. Juli 1924 in Schorndorf verstarb, wurde er am 4. Juli 1935 im neuen israelitischen Friedhof in Ludwigsburg beigesetzt (Grab N 13). Das Kaufhaus in Schorndorf führte seine Witwe bis um 1936 weiter, seit 1931 gemeinsam mit dem Sohn Helmut. Zum 1. Oktober 1936 wurde die Firma zwangsweise "arisiert" und an Georg Zollmann, Schorndorf verkauft. Ende Juni 1936 ist Selma Anspach nach Stuttgart verzogen (Rosenbergstraße 141). Von hier aus ist sie im Oktober 1939 zu den Kindern in die USA emigriert, wo sie selbst nicht mehr erwerbstätig war. Sie starb am 12. April 1963 in Chicago/USA.  
    
       
Fotos
(Fotos außer obere Reihe: Hahn, Aufnahmen vom August 2003 [Ludwigsburg] bzw. August 2019 [Schorndorf])  

 Haus Oberer Marktplatz 5 in Schorndorf -
ehem. Textilwarengeschäft Anspach
   1905 eröffnete Julius Anspach hier ein kleines Warenhaus / Textilwarengeschäft
Quelle: Wikimedia Commons, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Oberer_Marktplatz_3-5-7_Schorndorf.jpg 
      
Grab von Julius Anspach in Ludwigsburg Ludwigsburg Friedhof n150.jpg (92292 Byte) 
  Julius Anspach starb am 2. Juli 1924 in Schorndorf und wurde im neuen israelitischen Friedhof in Ludwigsburg beigesetzt. 
     
Denkmal im alten
Stadtfriedhof in Schorndorf
  Inschrift der Gedenkplatte: "Zum Gedenken an die Schorndorfer Bürgerinnen und Bürger, die durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verfolgt und ermordet wurden". Das Denkmal wurde 1989 von dem Künstler Reinhard Scherer (geb. 1948) gestaltet. 
     
Hinweis auf "Stolpersteine"
in Schorndorf
 
 In Schorndorf wurden in den vergangenen Jahren mehrere "Stolpersteine" verlegt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Gedenksteine für jüdische Personen, sondern um solche für Angehörige der Sinti- und Roma-Familie Guttenberger/Eckstein (siehe Fotos oben vor dem Haus Römmelgasse 11), die 1943 nach Auschwitz deportiert wurde, sowie um Gedenksteine für Opfer der "Euthanasie"-Aktion, vgl. Liste https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Schorndorf  

   

     
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Stadt Schorndorf    

Literatur:  

bulletBroschüre Schorndorf 1933-1945. Erinnern. Gedenken. Mahnen. Eingestellt als pdf-Datei.  

  
   

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 15. Oktober 2013