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Habitzheim (Gemeinde
Otzberg, Kreis Darmstadt-Dieburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english
version)
In Habitzheim bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück. 1604 gab es zwei jüdische Familien in
Habitzheim. 1770 wurden fünf jüdische Familien gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1828 wurden 57 jüdische Einwohner gezählt, 1861 78 (7,5 % von insgesamt
1.032 Einwohnern), 1880 59 (6,0 % von 986), 1900 (3,9 % von 918), 1910 28 (3,0 %
von 943). Es handelte sich insgesamt um acht bis zehn jüdische Familien am Ort.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörten auch die in Sembd lebenden
jüdischen Personen zur Gemeinde in Habitzheim. Verbreitete Familiennamen waren
in Habitzheim im 19. Jahrhundert u.a. Umstädter, Reinheimer, Strauss,
Seligmann.
Unter den Kriegsteilnehmern 1870/71 waren auch zwei jüdische Männer: J.
Reinheimer und W. Mayer. Ihre Namen stehen am dem Ehrenmal am Freiplatz (siehe
Fotos unten).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), Religionsschule und
ein rituelles Bad (im Gebäude der Synagoge). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19.
Jahrhundert ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. Nach einer Ausschreibung der Stelle von 1877 hatte man
allerdings bereits damals einen Lehrer gemeinsam mit der Nachbargemeinde Lengfeld.
Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof
in Dieburg beigesetzt. Die jüdische Gemeinde war dem orthodoxen
Bezirksrabbinat Darmstadt II zugeteilt.
Um 1924, als noch 22 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (2,3
% von insgesamt etwa 950 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde
Salomon Reinheimer, David Strauß und Abraham Reinheimer. Als Lehrer und
Schochet kam in die Gemeinde Lehrer Hermann Kahn aus Höchst im
Odenwald. Er
hatte noch fünf jüdische Kinder in Habitzheim in Religion zu unterrichten. 1932 war 1. Vorsitzender
David Strauß. Den jüdischen Familien gehörten mehrere für das
wirtschaftliche Leben am Ort wichtige Handlungen und Läden (zwei Familien
Reinheimer hatten Viehhandlungen, eine Familie Strauß ein großer Textilwaren-
und Landesproduktengeschäft).
1933 lebten noch 27 jüdische Personen in Habitzheim. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1942 waren noch
sechs ältere Mitglieder der Familien Reinheimer und Seligmann am Ort. Sie
wurden in diesem Jahr in das Ghetto Theresienstadt deportiert.
Von den in Habitzheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Abraham
Berkewitz (1875), Klara Dannenberg geb. Reinheimer (1876), Fanny (Frieda)
Lehmann geb. Reinheimer (1871), Frieda Lehmann geb. Reinheimer (1871), Abraham
Reinheimer (1874),Nerta (Beda) Reinheimer (1885), Ida Reinheimer geb.
Frankfurter (1876), Jacob Reinheimer (1876), Ludwig Reinheimer (1918), Bettina
(Bettchen) Seligmann (1875), Jakob Seligmann (1870), Johanna Seligmann (1866),
Johannette Seligmann (1896), Leopold Seligmann (1866), Settchen Seligmann
(1872), Bernhard Strauss (1878).
Seit dem 9. November 1988 erinnert an der Otzbergschule in Lengfeld ein Mahnmal
an die Ermordung der früheren jüdischen Einwohner der Teilorte von Otzberg.
Das Denkmal stellt eine aus einer mit Eisenplatten und Steinen gestaltete
Trümmerlandschaft dar, verbunden mit einer Glasplatte, auf der der Text der
Todesfuge von Paul Celan steht. Die Inschrift lautet: "Den Juden, die in
Lengfeld, Habitzheim und Ober-Klingen mit uns verfolgt und der Vernichtung
preisgegeben wurden, zum Gedächtnis - uns selber und künftigen Generationen
zur Mahnung. Die Liebe besiegt den Haß! Otzberg, am 50. Jahrestag der
sogenannten Reichskristallnacht."
Fotos des Mahnmals
siehe auf Seite zu Lengfeld.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1877 -
gemeinsam mit Lengfeld
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Oktober 1877: "Die
israelitische Gemeinde Lengfeld, verbunden mit Habitzheim, Kreis
Dieburg, sucht bis zum 1. November dieses Jahres einen Religionslehrer und
Vorbeter, ledigen Standes, mit einem Gehalt von Mark 600 nebst freier
Wohnung und Heizung. Bewerber wollen sich an den Vorstand der
israelitischen Gemeinde Lengfeld wenden." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Streit in der Synagoge in Habitzheim 1872 und die
problematische Berichterstattung dazu
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1872:
"König im Odenwald. Die in Darmstadt erscheinenden
'Hessischen Volksblätter' (Landeszeitung) bringen in ihrer Nr. 198 unter
'Stadt und Land' die Sitzung des Bezirksstrafgerichts vom 21. August und
finden wir darin einen Passus, der ganz dazu angetan ist, uns auf eine
nicht angenehme Weise zu frappieren. Es wird da nämlich mitgeteilt, dass in
der Synagoge zu Habitzheim am Schlusse des Gottesdienstes eine
Beleidigung und zugleich eine Schlägerei zwischen zweien, das Gotteshaus
besucht habenden, stattgefunden hätte. Der Beschuldigte, der zwar
leugnet, aber nach Allem überführt erscheint, hatte sich sonach der
Körperverletzung und der Beleidigung schuldig gefunden, die dadurch
erschwert erschien, dass sie an einem zum Gottesdienst bestimmten Orte
vorfiel, während mildernd in Betracht gezogen wurde, dass der als
zänkischer Jude bekannte Ankläger den Beschuldigten gereizt hatte. -
Wir
können nicht umhin, unsere Verwunderung über den Ausdruck 'zänkischer
Jude' auszusprechen, die um so mehr ihr Berechtigung findet, als wir in
einem Staate leben, in welchem alle Konfessionen gleichgestellt sind, in
welchem Jeder gleiche Pflichten, aber auch gleiche Rechte hat, in welchem
der Jude und der Christ dieselben Ansprüche auf Gerechtigkeit und auf
Gesetz haben. Wenn der vorliegende Fall unter denselben Umständen in
einer Kirche vorgefallen wäre, würde es dann auch geheißen haben: 'dass
der als zänkischer Christ usw.?' Wir glauben diese Frage im Sinne aller
redlich Denkenden mit einem gewissenhaften 'nein' beantworten zu dürfen
und hoffen auch im Sinne der Leser dieser Blätter gehandelt zu haben, den
betreffenden Fall der Öffentlichkeit zu übergeben. Halten wir es doch
für unsere Pflicht, alles Derartige, was uns an unserer Ehre angreift,
mit Entrüstung von uns zu weisen, glauben wir uns doch verpflichtet, mit
aller Kraft und mit allem Feuer unserer Beredsamkeit für unser Interesse
und für unsere Rechte einzustehen." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Josuel Seligmann sucht eine Stelle als Vorbeter für die
hohen Feiertage (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. August 1900:
"Suche in kleiner Landgemeinde als Vorbeter auf die hohen Feiertage
Stelle.
Josuel Seligmann, Habitzheim im Odenwald." |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Habitzheim geboren sind |
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KK
(Frankfurt 1939) für Abraham Bergewitz (geb.
17. Februar 1875 in Habitzheim), wohnhaft in
Frankfurt, am 15. September 1942 deportiert ab
Frankfurt in das Ghetto Theresienstadt, wo er am
3. Dezember 1942 umgekommen ist |
KK (Konstanz
1940) für
Adelheid Levi geb. Stern
(geb. 8. Oktober 1854 in Habitzheim)
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KK
(Nürnberg 1939) für
Johanna Magsamer geb. Strauß
(geb. 26. Januar 1875 in Habitzheim)
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KK (Pforzheim
1939) für
Kätchen Maier geb. Reinheimer
(geb. 27. März 1873 in Habitzheim), Hausfrau
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KK (Dieburg 1939)
für Abraham Reinheimer
(geb. 12. November 1874 in Habitzheim), wohnhaft
in Habitzheim, am 27. September 1942 deportiert
ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, wo er
am 29. März 1943 umgekommen ist |
KK (Frankfurt
1940) für Jakob Reinheimer (geb.
9. Juli 1876 in Habitzheim), Kaufmann, wohnhaft
in Frankfurt, am 15. September 1942 deportiert ab
Frankfurt in das Ghetto Theresienstadt, am 15. Mai
1944 in das Vernichtungslager Auschwitz, ermordet |
KK (Dieburg
1939) für Ludwig Joachim Reinheimer
(geb. 26. Mai 1918 in Habitzheim), Pferdepfleger,
wohnhaft in Habitzheim, am 25. März 1942
deportiert ab Mainz - Darmstadt in das
Ghetto Piaski, umgekommen |
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KK (Dieburg 1939)
für Bettchen Seligmann (geb.
9. Juni 1875 in Habitzheim), wohnhaft in Habitzheim,
am 27. September 1942 deportiert ab Darmstadt
in das Ghetto Theresienstadt, wo sie am
2. März 1943 umgekommen ist |
KK
(Frankfurt 1939) für Jakob Seligmann (geb.
9. Juli 1870 in Habitzheim), kfm. Angestellter,
wohnhaft in Frankfurt, am 20. Oktober 1941
deportiert ab Frankfurt in das Ghetto Litzmannstadt
(Lodz), umgekommen |
KK (Dieburg 1939)
für Johanna (Hannchen) Seligmann
(geb. 19. Februar 1866 in Habitzheim), wohnhaft
in Habitzheim, am 27. September 1942 deportiert
ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, wo sie
am 7. Oktober 1942 umgekommen sit |
KK
(Frankfurt 1939) für Johannette (Jenny)
Seligmann (geb. 29. Juli 18896 in Habitzheim),
Kontoristin, wohnhaft in Habitzheim und Frankfurt,
am 22. November 1941 deportiert ab Frankfurt
nach Kowno (Kauen), Fort IX, umgekommen |
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KK (Dieburg
1939) für Leopold Seligmann (geb.
23. April 1868 in Habitzheim), Musiker, wohnhaft
in Habitzheim und Dieburg, am 27. September 1942
deportiert ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt,
wo er am 11. Januar 1943 umgekommen ist |
KK (Dieburg 1939)
für Settchen Seligmann (geb.
9. November 1872 in Habitzheim, wohnhaft in
Habitzheim, am 27. September 1942 deportiert
ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, wo sie
am 16. Oktober 1942 umgekommen ist |
KK
(Frankfurt 1939) für
Sigismund Seligmann
(geb. 18. August 1898 in Habitzheim),
Hausdiener
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betsaal vorhanden. 1827
wurde eine Synagoge in einem Fachwerkhaus eingerichtet. Sie war über 100 Jahre
Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens am Ort.
Nach 1933 fanden nur noch gelegentlich
Gottesdienste in Habitzheim statt, zeitweise mit Beteiligung von Juden aus Lengfeld
und Ober-Klingen, um den Minjan zu
erreichen. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung
der Synagoge einschließlich der Ritualien zerstört. Das Gebäude blieb erhalten und wurde später als
Kindergarten mit Spielplatz verwendet. 1972 wurde das Gebäude abgebrochen und
auf dem Grundstück ein Parkplatz angelegt.
Eine Gedenktafel für die ehemalige Synagoge wurde am 9. November 2008 am
Kindergarten angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Krötengasse 19/21
Fotos
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 306-307. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 127. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 111. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 42-43. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 168-169. |
| Habitzheimer Geschichte(n). Band 2. Verwehte
Spuren?. Veröffentlichung des Häzemer Dorf und Kultusvereins
e.V. 110 S. Preis 7,50 €. 2010.
Weitere Informationen auf der Website
des Häzemer Dorf- und Kulturvereins e.V.
Vgl. Buchvorstellung: »Verwehte Spuren?« in Habitzheim (veröffentlicht am 26.11.2010
auf echo-online.de) |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Habitzheim
Hesse. Established around 1800, the community numbered 78 (7 % of the total) in
1861 but declined. Twelve Jews emigrated between 1933 and 1939; seven others
were deported in 1942.
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