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Lörrach (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge bis 1940
Übersicht:
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zur neuen jüdischen Gemeinde (interner Link)
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Markgrafschaft Baden-Durlach gehörenden
Lörrach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die
Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden um 1660/70 Juden
genannt, danach wieder seit 1716 und nach 1736. 1738 waren es drei, 1778 acht jüdische
Familien.
Im 19. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner stark zu bis zur Höchstzahl von 248
Personen im Jahr 1875. Um 1900 waren noch 204 jüdische Einwohner in der
Stadt. Ursprünglich waren die Lörracher Juden vorwiegend mit dem
Viehhandel beschäftigt. Seit 1802 durften sie offene Läden führen.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.) sowie
seit 1818/19 ein Gemeindehaus,
das in den folgenden Jahrzehnten abwechselnd Herberge, Spital, Schulhaus und
Lehrerwohnung war. Das Gebäude ist erhalten (Teichstraße 15). Ein rituelles
Bad bestand schon seit dem 17. Jahrhundert. 1958 wurde ein aus dieser Zeit
stammendes Bad in einem Kellergewölbe in der Turmstraße wiederentdeckt
(ehemaliges Haus Schwald, 1958 abgebrochen, Keller mit Sandsteintrog des Bads
blieb erhalten, heute Lager des darüber befindlichen Schuhgeschäfts). Im
18./19. Jahrhundert befand sich das rituelle Bad am Gewerbekanal im Gebiet der
heutigen Tuchfabrik (nicht mehr erhalten). Gleichfalls hatte die Gemeinde seit
dem 17. Jahrhundert einen Friedhof (zunächst alter,
dann neuer
Friedhof). Seit 1827 gehörte die Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Sulzburg
(1887 Sitz des Rabbinates nach Freiburg
verlegt).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Markus Beck (geb.
17.6.1887 in Lörrach, gef. 13.11.1917), Arthur Bigar (geb. 4.8.1893 in Lörrach,
gef. 24.10.1917), Julius Bloch (geb. 17.1.1894 in Lörrach, gef. 5.9.1916),
Vizefeldwebel Albert Rieser (geb. 21.10.1894 in Bühl, gef. 22.9.1918),
Gefreiter Heinrich Weil (geb. 6.12.1893 in Lörrach, gef. 16.8.1917). Außerdem
ist gefallen: Vizefeldwebel Isaak Bloch (geb. 2.9.1884 in Lörrach, vor 1914 in
Freiburg wohnhaft, gef. 7.10.1914).
Bis in die 1930er-Jahre gehörten jüdischen Familien zahlreiche Geschäfte und
Unternehmen, darunter ein Warenhaus, eine Möbelhandlung, Textilhandlungen,
Eisenhandlungen, Wein- und Lebensmittelgroßhandlungen. Auch mehrere Handwerker
und Akademiker (Arzt, Zahnärztin) waren unter den jüdischen Einwohnern. Am
politischen und kulturellen Leben der Stadt nahmen jüdischen Bürger regen
Anteil.
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels-, Dienstleistungs- und
Gewerbebetrieben sind bekannt (Auswahl): Praktischer Arzt Dr. Dagobert Abel
(Haus Hebeleck), Metzgerei B. Beck (Teichstraße 9), Schuhgeschäft Alfred
Bodenheimer (Basler Straße 173/Teichstraße 1), Kleidergeschäft Abraham
Erreich (Turmstraße 35), Lederhandlung Guggenheimer (Grabenstraße 11),
Zahnärztin Dr. Amalie Joseph (Schützenstraße), Eisenhandlung Simon Joseph
(Schwarzwaldstraße 31), Weingroßhandlung und Brennerei Ludwig Kahn (Bergstraße
36, abgebrochen), Warenhaus Geschwister Knopf (Basler Straße 152),
Lebensmittelgroßhandlung Silas Mayer Söhne (Schwarzwaldstraße), Prakt. Arzt
Dr. Samuel Moos (Haagener Straße 6), Strumpf-Wühlbazar Nowytarger (Tumringer
Straße 16), Möbelhandlung E. Pistiner Nachf., Inh. W. Schärf (Am Bahnhof), Möbelhandlung
Gebr. Roll (Grabenstraße 4), Eisenhandlung Rosenthal & Jacobi (Luisenstraße
31, abgebrochen), Exporthandlung mit Armaturen David Schwab (Spitalstraße 54),
Buchdruckerei Hermann Selinger (Teichstraße), Textilhandlung August Weil (Tumringer
Straße 190), Ausverkaufsbazar Wolff (Tumringer Straße 26).
Um 1924, als 151 Gemeindeglieder gezählt wurden (0,9 % von insgesamt
16.011 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Simon Joseph, Isak
Beck und Bernhard Löb. Als Lehrer und Kantor war Siegfried Simon tätig. Damals
erhielten 26 jüdische Kinder der Gemeinde Religionsunterricht an den öffentlichen
Schulen der Stadt. An jüdischen Vereinen gab es u.a. den Israelitischen
Männerverein (gegründet 1850, 1924 26 Mitglieder unter Leitung von
Jakob Moses, 1932 Leitung Hugo Hirsch; Zweck und Arbeitsgebiete: Wohltätigkeit
und Bestattungswesen), den Israelitischen Frauenverein (gegründet um
1876, vgl. Artikel unten, 1924/32 20 Mitglieder unter Leitung der Frau von
Moritz Bloch; Zweck und Arbeitsgebiete: Wohltätigkeit und Bestattungswesen,
1932 46 Mitglieder), den Israelitischen Jugendbund (gegr. 1902) und die Armenkasse
und Wanderfürsorge (1924 unter Leitung von Simon Josef; 1932 Leitung Hugo
Hirsch, Zweck und Arbeitsgebiet: Wanderfürsorge). Zur jüdischen Gemeinde Lörrach
gehörten auch die in Schopfheim
(1924 26, 1932 26), Grenzach (1924 3, 1932
7) und Schönau (1924 2) lebenden jüdischen
Personen. 1932 waren die Gemeindevorsteher: A. Bodenheimer (1. Vors.), J.
Beck (2. Vors.), B. Löb (3. Vors.).
1933 wurden 162 jüdische Einwohner in Lörrach gezählt. Auf Grund der
in diesem Jahr einsetzenden Repressionen und der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts ist in den folgenden Jahren ein größerer Teil der jüdischen
Einwohner ausgewandert oder in andere Städte verzogen. Allerdings wurde die von
den Nationalsozialisten betriebene Judenhetze in Lörrach nicht vorbehaltlose
hingenommen. Die Lektüre Baseler Zeitungen ermöglichte eine objektive
Unterricht über die Ereignisse. Trotz wiederholter Aufforderungen zum
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Boykott der Juden gab es Beispiele
ungetrübter Freundschaft zwischen christlichen und jüdischen Lörracher
Familien. Ab 1936 begannen in verstärktem Maße die Auswanderung und die
Verkäufe jüdischer Firmen und Häuser. Der Novemberpogrom 1938
bereitete dem jüdischen Geschäftsleben ein vollständiges Ende. Die Synagoge
wurde zerstört (s.u.), die Friedhöfe geschändet und die jüdischen Männer für
einige Wochen im KZ Dachau festgehalten. Viele jüdische Kinder besuchten zu
dieser Zeit bereits schweizerische Schulen in Basel oder Riehen. Bis 1940 sind
etwa zwei Drittel der Lörracher Juden überwiegend nach den USA, der Schweiz,
Frankreich und Palästina emigriert. Am 22. Oktober 1940 wurden 50 jüdische
Personen aus Lörrach nach Gurs deportiert, darunter auch Zugezogene, die
versucht hatten, von Lörrach aus in die Schweiz zu entkommen.
Von den in Lörrach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Henriette Amend geb.
Lehmann (1869), Adele Beck (1884), Elise Beck geb. Heilbronner (1883), Isaak
Beck (1878), Ludwig Beck (1869), Nathan Beck (1912), Samuel Beck (1872), Walter
Beck (1912), Rosa Bensinger geb. Bloch (1859), Bernhard Bigar (1895), Anna
(Annie) Bloch (1898), Berta Bloch geb. Bloch (1865), Egon Bloch (1900), Emil
Bloch (1878), Ernst Bloch (1886), Hermann Bloch (1915), Ida Bloch (1886), Josef
Bloch (1886), Josef Bloch (1889), Karl Bloch (1896), Martha Bloch (1891),
Pauline Bloch geb. Strauss (1905), Salomon Bloch (1892), Selma Bloch (1896),
Sophie Bloch geb. Geismar (1891), Toni Bloch (1889), Friederike Bodenheimer geb.
Zwang (1856), Armand Brunschwig (1871), Berta Dornacher (1890), Else (Elsa)
Dornacher (1900), Juditha Dornacher (1870), Julius Dornacher (1885), Lina
Dornacher (1869), Julius Dreifuß (1876), Albert Eichengrün (1904), Lina
Epstein geb. Weil (1896), Zerline (Lina) Epstein geb. Weil (1896), Avraham
Erreich (1893), Blima Erreich (1890), Chaim Erreich (1890), Chaja Erreich
(1895), Ester Erreich (1863), Ester Erreich (1896), Jizchak Erreich (1896), Mose
Erreich (1860), Roselle (Rosa) Erreich (1912), Schlomo Erreich (1894), Gerd
Fleischmann (1925), Max Fleischmann (1891), Walter Grabowski (1891), Maria
Grunkin (1913), Ida Hackel geb. Erreich (1909), Emilie Heilbronner (1886), Marie
Hoff (1908), Arthur Joseph (1909), Recha Joseph (1878), Regina Joseph geb. Kahn
(1887), Ruth Joseph (1913), Simon Joseph (1875), Arthur Juliusberger (1877), Ida
Kackel (1904), Flora Kaufmann (1883), Sitta Krautmacher geb. Lorsch (1899), Ides
Krawiecki (1906), Bernhard Loeb (1878), Erna Loeb (1913), Gerda Loeb (1922),
Berta Nathan geb. Hess (1875), Jonas Olesheimer (1888), Robert Pollack (1913),
Minna (Mina, Dina) Roos geb. Moses (1891), Berta Schwab geb. Dornacher (1881),
Edmund Schwab (1879), Bernard Sigar (1894), Joseph Stern (1868), Toni Stern
(1937), Jeanne Veil (1876), Moritz Veil (1876), Albert Weil (1865), Emma Weil
geb. Weil (1880), Johanna Weil geb. Rothschild (1884), Judith Weil (1868),
Moritz Weil (1886), Pauline Weil (1872), Sofie Weil geb. Dornacher (1885), Ida
Weill geb. Marx (1879), Moritz Weill (1884), Sigmund Wertheim (1899), Elise
Willstädter geb. Maier (1856), Gustav Willstädter (1885),
Zur neuen jüdischen Gemeinde siehe folgende
Seite.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1847 / 1899 /
Suche nach einem Hilfsvorbeter 1924
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 3. Februar 1847 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Bei der israelitischen Gemeinde Lörrach ist die
Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein
Gehalt von 200 fl., nebst freier Wohnung, sowie der
Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist,
erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter höherer
Genehmigung zu besetzen.
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert,
unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen sich bei der
Bezirkssynagoge Sulzburg zu melden. Auch wird bemerkt, dass im Falle sich weder Schul- noch
Rabbinatskandidaten melden, andere inländische Subjekte, nach
erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner, zur Bewerbung zugelassen
werden." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1899: "Die
hiesige Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle ist per 1.
Dezember dieses Jahres zu besetzen. Gehalt Mark 900, nebst circa Mark 900
Nebeneinkünfte und Wohnungszuschuss. Verheiratete, musikalisch gebildete
Bewerber erhalten den Vorzug.
Lörrach, 17. September 1899.
Der Synagogenrat: Moritz Nordmann, Vorsteher." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1924: "Für
die hohen Feiertage suchen wir einen Hilfsvorbeter. Bewerbungen mit
Gehaltsansprüchen bei freier Reise, Kost und Logis sind umgehend zu
richten an den Synagogenrat Lörrach - Baden." |
Aus dem jüdischen Gemeinde und Vereinsleben
Antisemitische Veranstaltung in Lörrach (1890)
Anmerkung: es handelt sich um einen Auftritt des
Antisemiten Max Liebermann von Sonnenberg in Lörrach, zur Person siehe
Wikipedia-Artikel http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Liebermann_von_Sonnenberg
.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1890:
"Lörrach, 2. Mai (1890). Der bekannte Antisemit Herr Liebermann von
Sonnenberg wollte auch am hiesigen Orte Judenhetze betreiben und erschien
auf dem hiesigen Arbeiterfest. Zugleich war aber der Dr. Rüdt erschienen,
der durch eine wirkungsvolle Rede gegen den Antisemitismus von vornherein
das Unternehmen des Hetzapostels zu Fall brachte. Herr Liebermann von
Sonnenberg kam gar nicht zu Wort und die Versammlung wurde nach
halbstündiger Dauer schließlich polizeilich
aufgelöst." |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Mai 1890:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
Feier des israelitischen Frauenvereins zum
25jährigen Jubiläum von Frau Nordmann als Präsidentin (1906)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Februar 1906:
"Lörrach, 1. Februar. Zu Ehren ihrer Präsidentin, Frau David
Nordmann, versammelte sich gestern Nachmittag in dem Saale 'Eintracht' die
Damen des hiesigen israelitischen Frauenvereins, um das Jubiläum der
25jährigen Vorstandschaft mit einer kleinen festlichen Veranstaltung im
engeren Kreise zu begehen. Für ihr unentwegtes Ausharren an der Spitze
des Vereins, der vor ungefähr 30 Jahren in das Leben trat, wurde der
Jubilarin der gebührende allgemeine Dank von allen Seiten in herzlichen
Worten dargebracht. Die erste Huldigung mit einem in poetische Form
gekleideten Dank brachte die Jugend dar. Im Auftrage des Vorstandes
überreichte Herr Lehrer Abel eine in herzlichen Worten der Verehrung
abgefasste Urkunde, welche der israelitische Frauenverein der Jubilarin in
Anerkennung ihrer Verdienste für stete Hilfsbereitschaft und treue
Pflichterfüllung gestiftet hat. In einer besonderen Ansprache feierte
dann Herr Abel noch die Verdienste der Jubilarin um den Verein und
gedachte dabei auch der beiden anderen anwesenden Gründerinnen. Er pries
die nie ermüdende Weise, wie die Präsidentin den drei speziellen
Liebeswerken, welche sich der Verein unter den Religionsgenossen gesetzt,
ihre Tätigkeit gewidmet, und das gute Beispiel, mit dem sie in Ausübung
allgemeiner Menschenliebe den Mitgliedern vorangeschritten. Mit dem
Wunsche, dass der Jubilarin noch lange Jahre der Rüstigkeit, Gesundheit
und Frische beschieden sein möchten, schloss die gehaltvolle Rede. In
sinniger Form erfolgte durch zwei junge Mädchen die Überreichung des
Liebespreises von Rosen und Lorbeer. Aus Kindermunde erklang besonders
frisch und unerschrocken das Hoch auf die Frau Nordmann und den
Frauenverein. Nach der Feier vereinigten sich die Anwesenden zu einer
gemütlichen Kaffeestunde, während derer Herr Abel über die Zwecke und
Ziele eines israelitischen Frauenvereins sprach und zu reger Betätigung
in demselben aufforderte." |
Fünfjähriges Bestehen des Israelitischen Jugendbundes (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. Oktober
1906: "Lörrach. Der hiesige Israelitische Jugendbund, ein
'Verein für jüdische Geschichte und Literatur', der seit 1901 besteht
und von drei Tertianern begründet wurde, die im Religionsunterricht ein
reges Interesse für das Judentum empfangen hatten, kann nunmehr auf eine
fünfjährige gedeihliche Wirksamkeit zurückblicken. Anfänglich hatte er
mit großen Schwierigkeiten von Seiten der Gemeindemitglieder wie des
Synagogenrats zu kämpfen, aber er hat alle diese Schwierigkeiten
glücklich überwunden und seine Chanukkafeste erfreuen sich des
allgemeinen Besuchs seitens der Gemeindemitglieder. Die erste Aufgabe des
Vereins war, eine gute Bibliothek anzuleben. Sie besitzt bereits über
2.000 Bände jüdische Lektüre, die sehr fleißig benutzt werden. Um auch
die Erwachsenen für die Zwecke des Vereins zu interessieren, hat Herr
Lehrer Abel mehrere Vorträge gehalten. Der neue Synagogenrat gewährt dem
Verein jede Unterstützung, sodass seine Stellung in der Gemeinde
gefestigt ist. Der Verein zählt heute 20 aktive und 22 passive
Mitglieder; er besitzt eine stattliche Bibliothek und genießt das
Wohlwollen der Gemeinde in vollem Maße." |
Feier des Israelitischen
Frauenvereins zum 75. Geburtstag und zum 30-jährigen Jubiläum von Frau Nordmann als Präsidentin
(1911)
Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1911:
"Lörrach, 10. Februar (1911). Frau David Nordmann, hier, feierte
gestern in voller geistiger und körperlicher Frisch ihren 75. Geburtstag,
nachdem sie vor wenigen Tagen das 30jährige Jubiläum als Vorsteherin des
hiesigen jüdischen Frauenvereins begehen konnte. Aus diesem Anlass begab
sich im Auftrag Ihrer königlichen Hoheit der Großherzogin Luise der
Kreishauptmann Herr Geheimer Regierungsrat Dr. Belzer in die Wohnung der
Jubilarin, wo sich neben den Familienmitgliedern, die zum Teil aus weiter
Ferne zu dieser Familienfeier erschienen waren, auch der Vorstand der
jüdischen Gemeinde sowie eine größere Anzahl Bekannter eingefunden
hatten, und überreichte Frau Nordmann das Bildnis der Großherzogin in
goldenem Rahmen, zugleich ließ sie ihr die herzlichsten Glückwünsche
und ihre aufrichtige Anerkennung für ihre alle dem Israelitischen
Frauenverein während 30 Jahre gewidmete Wirksamkeit aussprechen. Der Herr
Amtsvorstand selbst gratulierte der Geehrten in warmen Worten und gab
seiner Freude Ausdruck, der Vermittler und Überbringer dieser ehrenvollen
Auszeichnung sein zu dürfen. Namens der Gefeierten und im Auftrage der
israelitischen Gemeinde dankte Herr Lehrer Abel in fein durchdachter Rede
für die gnädige Aufmerksamkeit und die schöne Ehrung, an der die ganze
jüdische Gemeinde ebenso Anteil nehmen dürfe, wie die Geehrte selbst. Am
Schluss seiner Rede hob es besonders hervor die hohe Bedeutung, die diese
Ehrung seitens Ihrer Königlichen Hoheit für alle Israeliten hat.
Hierdurch sei, wie es von allerhöchster Stelle stets geschieht, die
Gleichbewertung und Gleichberechtigung so offensichtlich zum Ausdruck
gebracht worden, wie es schöner und deutlicher nicht sein könnte. Für
dieses gütige Zeichen der Anerkennung zollte er innigen Dank. Damit war
die Feier in ihrem offiziellen Teil beendet. - Der Jubilarin seien auch an
dieser Stelle die besten Glück- und Segenswünsche dargebracht." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Februar 1911: "Lörrach, 10. Februar
(1911)
derselbe Bericht wie in der Zeitschrift "Der
Israelit". |
Feier zum 150. Geburtstag von Johann Peter Hebel mit Beteiligung der
israelitischen Gemeinde (1910)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Juni 1910:
"Lörrach, 22. Mai (1910). Zum 150. Geburtstage des alemannischen
Dichters Johann Peter Hebel ist demselben hier, am Orte seiner ehemaligen
Lehrtätigkeit, ein Denkmal gesetzt worden, welches heute in Gegenwart
Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin
enthüllt wurde. Zur Teilnahme an dieser Enthüllungsfeier waren unter
anderem auch offiziell geladen: als Vertreter der israelitischen Gemeinde
der Bezirksälteste und Vorsteher Herr Max Guggenheim und ferner in seiner
Eigenschaft als Religionslehrer Herr R. Abel. Ein gewiss anzuerkennender
Beweis für die gleiche Beachtung und gleiche Bewertung der israelitischen
Bürger seitens der Behörden." |
Gründung eines Südwestdeutschen Bezirksverbandes
der jüdischen Jugendvereine in Lörrach
sowie
10jähriges Stiftungsfest des Lörracher Israelitischen Jugendbundes (1912)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Januar
1912: "Lörrach (Baden). Der Plan zur Gründung eines
Südwestdeutschen Bezirksverbandes im Rahmen des Gesamtverbandes der
jüdischen Jugendvereine Deutschlands hatte am 1. Januar die Abgesandten
der in Betracht kommenden Jugendvereine vollzählig nach Lörrach
geführt, und einstimmig wurde, um das erfreuliche Ergebnis gleich vorweg
zu nehmen, der Bezirksverband nach mehrstündigen Beratungen konstituiert.
Zur Leitung desselben wurde der Frankfurter Montefiore-Verein bestimmt.
Als Vertreter des Verbands-Vorstandes wohnte Felix Meyer - Frankfurt den
Verhandlungen bei. Auf die Ziele und Zwecke der Bezirks-Verbände werden
wir demnächst an dieser Stelle näher eingehen. -
Am Tage vorher feierte der Lörracher Israelitische Jugendbund sein
10jähriges Stiftungsfest. Nicht nur die Gemeinde Lörrach selbst war
vollzählig vertreten, von nah und fern waren Vertreter befreundeter
Vereine und Korporationen herbeigeeilt, um den Ehrentag des wackeren
Brudervereines mitzufeiern. Auch die Schweiz hatte zahlreiche Freunde und
Anhänger der Jugendvereinsbewegung aus Basel, Zürich, Fribourg usw.
entsandt." |
Zusammenschluss der jüdischen Jugend zu einem erneuertem "Jüdischen
Jugendbund" (1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1931: "Lörrach,
14. Oktober (1931). Zwecks Zusammenschlusses der hiesigen jüdischen
Jugend fand hier auf Anregung des Herrn Lehrer Gabel eine Besprechung
statt. Nach einem Vortrag des Herrn Gabel, in welchem die Notwendigkeit
und Bedeutung eines solchen Zusammenschlusses eingehend begründet wurde,
beschloss man einstimmt, den in früheren Jahren hier bereits bestandenen
Jüdischen Jugendbund neu ins Leben zu rufen.
Es ist zu hoffen, dass durch die geplanten Vorträge und geselligen
Zusammenkünfte an den kommenden Winterabenden, durch Fahrten und
Wanderungen das religiöse Leben in unserer Stadt einen Aufschwung
erfahren wird." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum frühen Tod von Léon Nordmann (1872)
Nur erster Teil des Berichtes mit Hinweis auf die Familie Nordmann, die
aus Hegenheim nach Lörrach kam: aus dem Artikel in der "Allgemeinen
Zeitung des Judentums" vom 7. Juli 1872: "Meisenheim, in Juni
(1872). Ich erfülle die schmerzliche Freundespflicht, indem ich Ihren
Lesern den Heimgang eines jungen jüdischen Gelehrten berichte. Léon
Nordmann war in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre in Hegenheim
(Oberelsass) geboren. In Folge der Revolution von 1848 siedelten seine
Eltern nach Lörrach im badischen Oberlande über, woselbst der
sehr befähigte Knabe das Pädagogium besuchte. Später besuchte er das Lyzeum
zu Straßburg und betrieb seine talmudischen Studien bei dem dortigen
greisen Talmudgelehrten Rabbi Moses Uttenheim. Hierauf besuchte und
absolvierte er die damals noch in Metz befindliche Rabbinerschule, gab
sich jedoch mit dem erlangten Rabbinerdiplom nicht zufrieden, sondern
suchte seine Kenntnisse in den Hörsälen von Paris noch zu mehren.
Namentlich zog ihn der selige Munk an, zu dessen Lieblingsschülern er
gehörte. Trotzdem ihm mehrere Male bedeutende Rabbinate angeboten wurden,
schlug er dieselben doch immer aus, da er sich von Paris, der
Zentralstätte der französischen Wissenschaft, nicht zu trennen
vermochte..." |
Zum Tod des langjährigen Gemeindevorstehers Moritz Nordmann (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 30. November
1906: "Lörrach. Unsere Gemeinde hat ihren langjährigen
Vorsteher verloren, Herrn Moritz Nordmann, der sich in der ganzen
Bevölkerung größten Ansehens erfreute und sich um die jüdische
Gemeinde besonders verdient gemacht
hat." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom l7. Dezember
1906: "Lörrach, 18. November (1906). Ein großer Leichenzug
bewegte sich gestern Nachmittag von der Bergstraße aus dem jüdischen
Friedhofe zu. Es galt, dem an einem Herzschlag verschiedenen Rechtsagenten
Moritz Nordmann die letzte Ehre zu erweisen. Die große Trauerversammlung
war ein Beweis der allgemeinen Hochschätzung, die der Verstorbene sowohl
bei der jüdischen Gemeinde, wie auch in allen Kreisen der hiesigen
Einwohnerschaft genoss. Die Feuerwehr, welcher der Verstorbene angehörte,
war in zahlreicher Abordnung im Paradeanzug erschienen und eröffnete den
Leichenzug. Am Grabe angekommen, hielt der Bezirksrabbiner Dr. Levin -
Freiburg eine Grabrede, in der der der Verdienste, des Wirkens und
Schaffens des Toten in würdiger Weise gedachte Der Verstorbene wurde
schon in frühem Alter in den Synagogenrat gewählt und zum Vorsteher der
jüdischen Gemeinde berufen. In dieser Stellung hatte er reichlich
Gelegenheit, sein Wirken ersprießlich und gedeihlich zu entfalten. Sein
erstes war der Ausbau der Synagoge und die würdige Ausgestaltung
derselben, ein weiteres Werk des schaffensfreudigen Mannes war die Anlage
eines neuen jüdischen Friedhofes neben dem allgemeinen. Die Verwaltung
all der ihm übertragenen Ämter war eine mustergültige, und noch lange
wird dieses, sei vorbildliches Wirken die Grundlage für künftige
Geschlechter sein. Mitten in diesem Wirken überfiel ihn eine schleichende
Krankheit, der er zwar mit frischem Lebensmute wehrte, die ihn aber doch zwang,
alle sein Ämter niederzulegen, um seine Gesundheit zu erhalten. Er war ein
bescheidener Mann, der niemals auf diese Verdienste pochte, stets aber da
zu finden war, wo eine tüchtige Kraft vonnöten. Er wird in Frieden
ruhen." |
Zum Tod von Isaac Weil (1909)
Artikel aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1909:
"Lörrach (Baden), 10. Februar (1909). Ein außerordentlich großes
Leichengefolge, in dem wir zahlreiche christliche Mitbürger bemerkten,
gab am jüngsten Freitag Herrn Isaac Weil sen., der weit über das
Weichbild von Lörrach hinaus eines guten und klangvollen Namens sich
erfreute, das letzte Ehrengeleite. Dieses Leichenbegängnis war der
würdige Abschluss eines von Erfolg gekrönten, an Arbeit und Leistungen
reichen Lebens. Geboren in Altdorf in
Baden begann er seine geschäftliche Tätigkeit in Säckingen, von wo er
später nach Lörrach übersiedelte. Aus kleinen Anfängen heraus
wusste er durch seinen eisernen Fleiß, seine Energie und seine Umsicht,
gepaart mit strengster Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit, sein Geschäft
zur Blüte zu bringen. Nicht nur im Kreise der jüdischen Gemeinde und im
Bezirke, sondern auch im politischen Leben und in der Kommunal-Verwaltung
war der Verstorbene tätig, sein Verstand und seine Arbeitskraft ebneten
ihm überall die Wege. Wo es immer möglich war, stand der Verstorbene
seinen Nebenmenschen mit seinen reichen Erfahrungen, seinem Rat und seiner
Einsicht in uneigennützigster Weise zur Seite. Er hat sich dadurch in
manchem dankbaren Herzen ein treues Andenken gestiftet, das den Tod
überdauert. Herr Rabbiner Dr. Cohn - Basel hatte die Güte, in erhebenden
und der ganzen Trauerversammlung zu Herzen gehenden Worten dem
Verstorbenen im Trauerhause den wohl verdienten Nachruf zu widmen. Er
schloss mit der Aufforderung an die Kinder, durch treues Festhalten am
Heiligtum der Religion das Lebenswerk des Vaters zu vollenden." |
Anzeigen und Sonstiges
Großzügige Spenden von Markus Pflüger anlässlich
seiner goldenen Hochzeit - auch für die jüdische Gemeinde (1900)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Februar 1900: "Einen Beweis toleranter
Gesinnung gab der Abgeordnete Markus Pflüger in Lörrach
gelegentlich seiner goldenen Hochzeit, welche im Januar stattfand. Er
stiftete neben 10.000 Mark für das Lörracher Krankenhaus, 3.000 Mark
für seine, die protestantische Kirchengemeinde, welche etwas über die Hälfte
(2/3) der Lörracher Einwohner umfasst, aber auch 1.500 Mark für die
katholische Gemeinde und 500 Mark für die
israelitische." |
Dokumente zu einzelnen Gewerbebetrieben
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)
Nach der Emigration: Todesanzeigen in der amerikanisch-jüdischen Zeitschrift
"Der Aufbau"
Anmerkung: Beim "Aufbau" handelt es sich um eine deutsch-jüdische
Exilzeitung, die 1934 gegründet wurde und bis 2004 in New York erschien. Der
Aufbau entwickelte sich in der NS-Zeit rasch zur wichtigsten Informationsquelle
und Anlaufstelle für jüdische und andere deutschsprachige Flüchtlinge in den
USA. Vgl. Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Aufbau_(jüdische_Zeitung).
Der Aufbau kann online gelesen werden:
https://archive.org/details/aufbau.
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Traueranzeige
für Rosa Keller geb. Goldstein
früher Lörrach - Crailsheim
"Aufbau" vom 3. März 1944 |
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Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Im 17./18. Jahrhundert wurden die
Gottesdienste zunächst abwechselnd in Privathäusern gehalten. Später wurde
eine als Betsaal hergerichtete Wohnung gemietet. 1797 wurde ein
neuer Betsaal eingerichtet. Dieser war im Erdgeschoss des Hauses des Hofküfermeister
Johann Reinhard Herbster in der Wallbrunnstraße ungefähr gegenüber der
heutigen Post (Bahnübergang). Den Mietvertrag hatten am 1. April 1797 die
damaligen Vorsteher der Gemeinde Esajas Reutlinger und Simon Bloch
unterzeichnet. Die Räumlichkeiten der Gemeinde bestanden aus einer Stube und
einer Kammer, für die jährlich 40 Gulden zu bezahlen waren. Bis 1808
wurde dieser Betsaal genutzt.
Bereits 1801 war der jüdischen Gemeinde der bisherige
Betsaal in der Wallbrunnstraße gekündigt worden. Daher wurde beschlossen, möglichst
bald eine Synagoge zu bauen. Die Gemeinde bat das Oberamt um Mithilfe bei
der Suche nach einem geeigneten Grundstück. Man betonte, mit dem Bau einer
Synagoge zur Verschönerung des Stadtbildes beitragen zu wollen. Ein erstes
Grundstück wurde mit einem Kraut- und Grasgarten zwischen Kanzleigarten und
Teichgasse ausfindig gemacht. Die Geistliche Verwaltung, der das Grundstück gehörte,
lehnte jedoch im September 1801 die Bitte um Verkauf ab. So wurden andere
Vorschläge durchdacht. Ein Grundstück in der Herrenstraße lag jedoch zu nahe
an der Stadtkirche, ein anderes – wiederum in der Teichstraße – erwies sich
als ungeeignet für den Synagogenbau, da man den Synagogenbau nicht nach Osten hätte
ausrichten können. Die Gemeinde beschloss angesichts dieser Schwierigkeiten,
auf das Angebot von Klein Leibel Bloch einzugehen, den hinter seinem Haus
befindlichen Garten als Synagogenbauplatz zu bestimmen. Auch dieses Grundstück
stieß an den Kanzleigarten, aber man wollte einen möglichst großen Abstand
zur Grundstücksgrenze einhalten. Im Sommer 1802 wurde der Bau genehmigt. Nach
Zeichnung der ersten Pläne durch Werkmeister Rebstock wurde freilich deutlich,
dass das Grundstück nicht ausreichend war, sodass man sich um den Erwerb eines
Nachbargrundstückes bemühen musste. Drei Jahre lang kam das Vorhaben nicht
voran. Erst als ein weiteres Grundstück zwischen Kanzleigarten und Teichstraße
erworben werden konnte, waren weitere Planungen möglich. Das Oberamt gab sein
Einverständnis und wollte, dass noch im Frühjahr 1806 mit dem Bau begonnen
werde. Nun sorgte die schwierige Finanzierung für einen weiteren Hinausschub
des Baubeginns. Zwar konnte die Gemeinde die Hälfte der geplanten Bausumme von
4.000 Gulden aufbringen, für die andere Hälfte brauchte man ein Darlehen. Von Herbst
1807 bis zum Frühjahr 1808 wurde die neue Synagoge schließlich erbaut. Das
genaue Datum ihrer Einweihung ist nicht bekannt.
Im Laufe der Jahre stellt sich immer wieder heraus, dass
der Bau der Synagoge in einem nicht direkt von der Straße zugänglichen Gebäude
von großem Nachteil war, da die Besitzverhältnisse um das Synagogengrundstück
kompliziert waren und es immer wieder Schwierigkeiten mit unverträglichen
Nachbarn gab, die sich nicht an getroffene Vereinbarungen hielten. So war der
Eingangsweg zur Synagoge, der zwar im Eigentum der jüdischen Gemeinde stand,
beiderseits von Privathäusern umgeben. Deren Besitzer nützten den Weg
ihrerseits regelmäßig als Lager- oder Abstellplatz, sodass die
Synagogenbesucher manchmal kaum in die Synagoge kamen.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das Gebäude in einen
schlechten Bauzustand geraten: eine gründliche Renovierung war nötig. Bis
dahin standen noch Betpulte in der Synagoge, die durch feste Bänke ersetzt
werden sollten. Die Anregung zu den Modernisierungsmaßnahmen kamen 1884 von den
Vereinen der jüdischen Gemeinde. Es brauchte freilich fünf Jahre, bis am 12.
Mai 1889 eine Gemeindeversammlung den Umbau beschließen konnte. Eine
Baukommission wurde gewählt, die zunächst den Neubau einer Synagoge überprüfte,
was dann jedoch nicht weiter verfolgt wurde. Eine weitere Gemeindeversammlung am
23. Januar 1898 befürwortete einen Umbau nach Plänen von
Stadtbaumeister Heßner. 5.000 Mark sollte der Umbau kosten. Zu den wichtigsten
Posten gehörten die neuen Bänke, der Fußboden, ein neuer Toraschrein, die
Gasbeleuchtung sowie Maler- und Glaserarbeiten. Am 29. Juli 1899 wurde die
renovierte Synagoge durch Bezirksrabbiner Dr. Lewin aus Freiburg unter Teilnahme
der gesamten Gemeinde feierlich eingeweiht. Beim Öffnen der Haupttüren sprach
der Rabbiner die Worte: "Das Gotteshaus sei gewidmet der Tora und dem
Zeugnis für Gott, das Gebet möge – stets durchleuchtet vom Lichte der
Gotteslehre – bekunden, dass Israel suchet den Herrn der Welten".
Kritisches zum Umbau der Synagoge (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. September 1901: "Lörrach,
17. September (1901). Ein eigenartiges Bild der religiösen Verhältnisse
in hiesiger Gemeinde, respektive der religiösen Richtung der
Gemeindeverwaltung zeigt folgender Vorgang: Durch Umbau der Synagoge war
eine Neueinteilung der Plätze in der Frauenabteilung nötig geworden.
Diese Einsteilung ist bis heute noch nicht ganz beendet und deshalb
benützte die Frau eines Gemeindemitgliedes am ersten tag Rosch Haschono
einen Platz, den sie nach der eingetretenen Veränderung mit Fug und Recht
als ihr Eigentum betrachten musste. Der Synagogenrat bestritt dieses Recht
und beugte einer weiteren Benutzung des Platzes dadurch vor, dass er am
Nachmittag desselben Tages - man höre und staune! - am ersten Tage Rosch
Haschono und Sabbat, einen Schreiner in das Gotteshaus bestellte und den fraglichen
Platz durch Bretter vernageln ließ. Kommentar
überflüssig!" |
Nach dem Ersten Weltkrieg war nochmals eine
Synagogenrenovation notwendig. Dabei wurden auch auswärts wohnende Lörracher
Juden um Spenden für die durchzuführenden Maßnahmen gebeten. im Mai 1922 fand
ein Synagogenkonzert statt, dessen Ertrag für die geplanten Arbeiten bestimmt
war. 1934 konnte das 125-jährige Jubiläum der Synagoge gefeiert werden.
Es bedeutete einen letzten besonderen Höhepunkt im Gemeindeleben nach der
nationalsozialistischen Machtergreifung.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde der Gemeindevorstand
der Jüdischen Gemeinde am 10. November morgens zwischen 4.30 und 5 Uhr durch
einen Gestapo-Offizier von der bevorstehenden Schändung der Synagoge heimlich
informiert. Dadurch war es möglich, die Torarollen und andere wertvolle Gegenstände
vor ihrer Zerstörung zu bewahren. Zwischen 9 und 10 Uhr rottete sich unter Führung
eines SS-Sturmbannführer und eines SA-Sturmbannführers eine Gruppe von
Parteiangehörigen, vor allem SA-Leute vor der Synagoge zusammen. Auch der
damalige Leiter des Städtischen Werkhofes mit Bediensteten war an der Aktion
beteiligt. Die insgesamt etwa 30 bis 40 Männer verschafften sich Eintritt in
die Synagoge dadurch, dass einer von ihnen mit einem Hammer die Haupttüre der
Synagoge einschlug. Gemeinsam wurde das Innere der Synagoge völlig zertrümmert.
Die Bänke wurden umgeworfen, der Kronleuchter zerstört, der Toraschrein zertrümmert
und die steinernen Gebotstafeln am Eingang zur Synagoge herausgerissen. Einige
Teppiche und Holzstücke wurden in Brand gesetzt. Die völlig verwüstete
Synagoge wurde wenig später abgebrochen.
Nach 1945 wurde das Grundstück mit einem Wohn- und Geschäftshaus neu
bebaut. Eine Gedenktafel wurde 1976
angebracht.
Fotos
Historische Fotos:
(Quelle: obere Reihe außer Foto rechts bei Hundsnurscher/Taddey s. Lit. Abb.
129-130; untere
Reihe Stadtarchiv Lörrach)
Die 1806/08
erbaute Synagoge |
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Der Eingang zur
Synagoge |
Innenaufnahme um 1920
(bei A. Bloch s. Lit. 2,128;
die
Vorlage zur Abb. oben ist nur eine Kopie) |
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Blick zum Toraschrein |
Bar Mizwa von Gerd Schwab in
der Synagoge
Lörrach 1938 (Quelle: United
States Holocaust
Memorial Museum, Washington) |
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Die in der Pogromnacht 1938
völlig demolierte Synagoge |
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Die Zerstörung der
Inneneinrichtung
der Synagoge 1938: beim Abschlagen
der Inschrift des
Toraschreines |
Außenansicht - alle Fenster
sind zerschlagen |
Blick zur demolierten
Frauenempore |
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Rechts: Oktober 1940 - die
Deportation der letzten jüdischen
Lörracher in das KZ Gurs |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) |
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Blick auf das neu bebaute, ehemalige
Synagogen- Grundstück mit
Gedenktafel |
Die Gedenktafel von 1976
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Fotos 2003:
Quelle Foto Jahrhundertplastik:
hier
anklicken;
andere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 27.10.2003 |
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Die "Jahrhundertplastik" in Lörrach, die
mit
ihrer Symbolik "IX und XI" auch an die
Pogromnacht im November
1938 erinnert |
Blick auf das
Synagogengrundstück
wie oben |
Die Gedenktafel von 1976 |
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Das Haus des
jüdischen Lehrers neben dem Synagogengrundstück |
Straßenschild |
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Fotos 2009
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 10.12.2009) |
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Das Haus des jüdischen
Lehrers,
links die Synagogengasse |
Die Gedenktafel
von 1976 |
Straßenschild
"Synagogengasse" |
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Die
"Jahrhundertplastik" |
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Die Symbolik
"IX und XI" |
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Hinweise auf Ereignisse
am
"9. November" |
Hinweistafel auf den
Künstler Bernd Göring |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
März 2010:
Die Geschichte Lörrachs in der NS-Zeit soll
aufgearbeitet werden. |
Artikel in der "Badischen Zeitung"
vom 3. März 2010 (Artikel):
"Rückhalt für Studie über Nazi-Zeit in Lörrach
SPD und Grüne erwarten von wissenschaftlicher Aufarbeitung neue Erkenntnisse über die Regionalgeschichte zwischen 1933 und 1945..." |
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Januar 2011:
In Lörrach sollen nach dem Willen der
Israelitischen Kultusgemeinde und der Stadt keine
"Stolpersteine" verlegt werden |
Artikel von Nikolaus Trenz in der "Badischen Zeitung" vom 12.
Januar 2011 (Artikel):
"Gedenken - Keine Stolpersteine für Lörrach.
In Lörrach wird es wohl keine Stolpersteine geben. Die Israelitische Kultusgemeinde ist dagegen, die Stadt schließt sich dieser Auffassung an..."
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Januar 2011:
Das Hans-Thoma-Gymnasium setzt sich für die
Verlegung von "Stolpersteinen" in der Stadt ein |
Artikel in der "Badischen Zeitung"
vom 13. Januar 2011 (Artikel):
"Hans-Thoma-Gymnasium will runden Tisch zu Stolpersteinen
Bernnat: 'Miteinander reden'.
LÖRRACH (ktz). Am Hans-Thoma-Gymnasium (HTG) will man die ablehnende Haltung im Rathaus und bei der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Lörrach nicht ohne Weiteres hinnehmen..." |
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Hinweis: TV-Beitrag
zur Diskussion um die "Stolpersteine" in Freiburg bei
TV-Suedbaden.de. |
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April 2011:
Neue
Gedenkstele |
Artikel
in der "Badischen Zeitung" vom 7. April 2011 (Artikel): "Namen gegen das Vergessen
Stele erinnert an die Deportation von Lörracher Juden / Standort markiert jüdisches Leben..." |
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Mai 2011:
Der aus Lörrach stammende Rabbiner Max Selinger
besucht die Heimat seiner Kindheit |
Artikel von Claudia Gabler in der "Badischen Zeitung" vom 19.
Mai 2011 (Artikel):
"Er kommt zurück ohne Zorn
Rabbiner Max Selinger besucht seine Heimatstadt Lörrach gern – trotz allem Leid, das er erfuhr..." |
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Oktober 2011 bis
Januar 2012: Ausstellung
"Vor aller Augen" |
"Vor aller Augen" - Die Deportation der Juden und
die Versteigerung ihres Eigentums.
Fotografien aus Lörrach Oktober / November 1940.
25. Oktober 2011 - 8. Januar 2012 täglich 10 - 20
Uhr.
Eine Ausstellung der Stiftung Topographie des Terrors und des Stadtarchivs
Lörrach.
Völlig neu bearbeitete Übernahme der Präsentation
"Vor aller Augen" - Deportation der Lörracher Juden des
Stadtarchivs Lörrach. 2010.
Zur Ausstellung liegt eine illustrierte Begleitpublikation vor:
Andreas Nachama und Klaus Hesse (Hrsg.) "Vor aller Augen" -
Die Deportation der Juden und die Versteigerung ihres Eigentums.
Fotografien aus Lörrach 1940. Berlin 2011. Henrich & Henrich
Mit Unterstützung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien sowie des Regierenden Bürgermeisters von Berlin
Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten.
Stiftung Topographie des Terrors. www.topographie.de |
Die in der Sonderausstellung gezeigten Bildserien mit insgesamt 42 Fotografien
der Deportation von Juden in Lörrach am 22. Oktober 1940 sowie der
Versteigerung von Hausrat aus ihren Wohnungen, wenige Wochen nach diesem
öffentlichen Verbrechen, stellen eine erschütternde visuelle
Dokumentation dar. Für beide Serien sind die originalen Negative des
Fotografen, eines Kriminalpolizeibeamten, erhalten. Wegen der nur
spärlichen schriftlichen Überlieferung zum Geschehen kommt den visuellen
Quellen besondere Bedeutung zu, obwohl sie aus der Perspektive der Täter
und in deren Auftrag entstanden. Sie belegen organisatorische Details
dieses Verbrechen wie die Sammlung und den Transport der Opfer. Und sie
vermögen in großer Unmittelbarkeit atmosphärische Aspekte des
Geschehens, die Facetten der Sozialgeschichte dieses einen unter so vielen
NS-Verbrechen beleuchten, zu belegen. Haben sie doch im Bild aufbewahrt,
wer auf Seiten der Täter beteiligt war, aber auch, dass dieses Verbrechen
teilweise öffentlich, vor den Augen vieler Zuschauer stattfand. Die Fotos
der Versteigerungen belegen zudem den starken Publikumsandrang zu den
Auktionen des Eigentums der Deportierten und damit die ungeheuerliche
Indifferenz erschreckend vieler Deutscher gegenüber dem Schicksal der
Juden."
Den Flyer zur
Ausstellung als pdf-Datei. Weitere Informationen
auf der Seite des Museums am Burghof in Lörrach |
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Mai 2012:
Anregung zur Verlegung von
"Stolpersteinen" für nicht-jüdische Opfer in Lörrach |
Artikel in der "Badischen Zeitung"
vom 22. Mai 2012: "Grüne fordern 'Stolpersteine' als Reaktion auf
Studie. Fraktion möchte Vorbehalte der Israelitischen Kultusgemeinde
respektieren und an nichtjüdische Opfer erinnern..."
Link
zum Artikel mit Kommentar
zum Artikel |
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November 2013:
Christlich-jüdische
Gedenkstunde zum 75. Jahrestag des Novemberpogroms 1938 sowie
Überlegungen zur Erinnerungskultur in der Stadt |
Sachor – Gedenken ist eine Pflicht (veröffentlicht am Do, 31. Oktober 2013 auf badische-zeitung.de) |
Erinnerung an das dunkelste Kapitel (veröffentlicht am Mo, 11. November 2013 auf badische-zeitung.de) |
Gedenken ja – aber in welcher Form? (veröffentlicht am Mi, 04. Dezember 2013 auf badische-zeitung.de) |
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November 2017:
Gedenkstunde zum Jahrestag des Novemberpogroms
1938 |
Artikel in "Die Oberbadische" vom
2. November 2017: "Lörrach. Pogromnacht: Spurensuche und Mahnwache
Lörrach. 'Spurensuche – Pogromnacht in Lörrach' lautet der Titel der nächsten öffentlichen Stadtführung in Lörrach mit Gästeführer Alfred Drändle am Donnerstag, 9. November, um 17 Uhr. Treffpunkt ist an der Touristinformation Lörrach, Untere Wallbrunnstraße.
Die Führung beginnt mit einem Besuch der neuen Synagoge. Auf der Suche nach Spuren und Hinweisen, die an jüdische Mitbürger und Einrichtungen erinnern, führt dieser Rundgang durch die Lörracher Innenstadt. Dabei werden vor allem die alte und neue Synagoge und das Schicksal der Familie Weil im Mittelpunkt stehen.
Preise: Erwachsene fünf Euro, Schüler/Studenten drei Euro, Familienkarte zwölf Euro (zwei Erwachsene und maximal drei Kinder).
Mahnwache Zum Gedenken an die Zerstörung der alten Synagoge lädt die Stadt in Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde zur Mahnwache um 19 Uhr in der Synagogengasse mit anschließendem Konzert im Davidsaal der neuen Synagoge ein. Alle Bürger sind dabei willkommen."
Link
zum Artikel |
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Januar 2019:
Die Israelitische Kultusgemeinde
spricht sich für die Verlegung von "Stolpersteinen" aus
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Artikel von Sabine Ehrentreich in der
"Badischen Zeitung" vom 8. Januar 2019: "Lörrach. Israelitische
Kultusgemeinde spricht sich nun doch für Stolpersteine aus.
Lörrach. Es ist eine Wende in der Diskussion: Im Jahr 2012 nahm man in
Lörrach noch Abstand, weil aus der Gemeinde Ablehnung kam – nun gibt es wohl
andere Voraussetzungen.
Die Israelitische Kultusgemeinde hat sich in ihrer Gemeindeversammlung dafür
ausgesprochen, dass in der Stadt so genannte Stolpersteine für Lörracher
Opfer des Nationalsozialismus verlegt werden. Das bedeutet eine Wende: Als
das Thema 2012 schon einmal angeregt wurde, initiiert vor allem von den
Grünen, waren aus der Gemeinde noch ablehnende Signale gekommen. Daraufhin
war das Thema in Lörrach nicht weiterverfolgt worden. Die Grünen hatten
damals angeregt, die Quadrate im Boden wenigstens für die nichtjüdischen
Opfer zu verlegen. Auch virtuelle Stolpersteine mit Informationen im Netz
waren damals von Grünen und SPD angeregt worden. Realisiert wurde das bisher
nicht. Nun aber sind die Vorzeichen andere.
Vorteile liegen laut Flomenmann auf der Hand. In der
Gemeindeversammlung seien jetzt Vor- und Nachteile diskutiert worden, sagt
Rabbiner Moshe Flomenmann auf Nachfrage der Badischen Zeitung. Die Ablehnung
wird meist damit begründet, dass diese Steine im Wortsinn mit Füßen getreten
werden oder dass sie schon Opfer von Vandalismus wurden. Doch die Vorteile,
sagt Flomenmann, lägen auf der Hand. Die Gedenktafeln erinnern an konkrete
Lebensorte und machen die ganze Dimension der Verfolgung deutlich.
Allerdings sei man dafür, das Gedenken nicht auf diese europaweit
verbreiteten Stolpersteine zu verengen, sondern sie in andere Formen der
Erinnerungskultur einzubinden, wie sie in Lörrach derzeit diskutiert werden.
Flomenmann selbst war nie ein Gegner der Stolpersteine. Nun freue er sich
über das zustimmende Votum, sagt er. Das sei "eine gute Wende" und ein
'neuer Impuls'. Er hofft nun, dass sich Schulklassen und Bürger in den
Prozess einbringen. Die virtuellen Stolpersteine allein, die
Einzelschicksale im Internet darstellen, hätte er nicht befürwortet, aber
eine Ergänzung könne das sein.
Thema für den Gemeinderat. Für Sonja Raupp, stellvertretende Leiterin
des Fachbereichs Kultur und Tourismus, wirft das Votum der Israelitischen
Kultusgemeinde 'ein neues Licht auf das Thema'. Das werde nun einfließen in
die Diskussion über die Erinnerungskultur in Lörrach, die seit einigen
Monaten laufe und in die auch eine Bürgergruppe eingebunden sei, die sich
mit den Stolpersteinen befasse. Auch Moshe Flomenmann gehört zum Kreis
derer, die sich mit der Erinnerungskultur beschäftigen. Auf jeden Fall seien
die Stolpersteine ein Thema für den Gemeinderat, so Sonja Raupp. Dass die
Israelitische Kultusgemeinde die Gedenkform nun befürwortet, findet
Grünen-Stadtrat Gerd Wernthaler 'eine tolle Sache'. Er hatte sich bereits
vor Jahren sehr für das Projekt eingesetzt. Nun müsse man genau schauen, wie
das umgesetzt werden könne. Auch er denkt daran, Schulen einzubinden, aber
er hält auch Patenschaften für denkbar. In jedem Fall sei das Verlegen der
Quadrate ein Prozess – sie kämen nach und nach und könnten auch ergänzende
Forschungen zu einzelnen Schicksalen anregen."
Link zum Artikel |
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Januar 2019:
Informationsabend zum Thema
"Stolpersteine" |
Artikel in "Die Oberbadische" vom 29. Januar
2019: "Lörrach: Infos zu den 'Stolpersteinen'
Lörrach - Am Mittwoch, 6. Februar, findet um 19 Uhr in der Käppelestraße 17
eine Info-Veranstaltung zum Thema 'Stolpersteine' statt. Impulse geben Moshe
Flomenmann, Landesrabbiner von Baden, Markus Moehring, Leiter des
Dreiländermuseums, und Markus Hofmann, Initiative Stolpersteine. Ziel sei
es, eine lebendige Erinnerungskultur in Lörrach zu fördern und Zeichen zu
setzen: durch Begegnungen zwischen Generationen und Religionsgemeinschaften.
Seit 1996 sei das europäische Kunstprojekt 'Stolpersteine' eine im Alltag
erlebbare Form des Erinnerns, die auf überprüfbaren Fakten basiere. In 20
Jahren habe Gunter Demnig rund 70.000 Stolpersteine in 1265 Gemeinden sowie
in 23 weiteren Ländern verlegt, so die Veranstalter. Die Entscheidung der
Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach vom 20. Dezember 2018, sich an diesem
größten KulturDenkmal Europas zu beteiligen und die Verlegung von
Stolpersteinen zu unterstützen, ermögliche es nach rund zehn Jahren
Diskussion nun auch in Lörrach, Stolpersteine zu verlegen. Angedacht sei, im
Zentrum Stolpersteine zu platzieren, um heute den vertriebenen und
ermordeten Bürgern 'unserer Stadt in Würde zu gedenken:' jüdische und
nicht-jüdischen Menschen, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten
verfolgt und ermordet wurden. Infos erteilt Markus Hofmann, Mail:
hofmann@stolpersteine-in-loerrach.de."
Link zum Artikel |
vgl. Artikel von Dora Schöls im "Südkurier"
vom 8. Februar 2019: "Stolpersteine sind für Lörrach umstritten. Bei
einer ersten Vorstellung des Konzepts für Stolpersteine wird emotional und
kontrovers diskutiert..."
Link zum Artikel |
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Februar 2019:
Rundgang mit der "Arbeitsgruppe
für Erinnerungskultur" auf den Spuren der jüdischen Geschichte
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Artikel von Regina Ounas-Kräusel in "Die
Oberbadische" vom 11. Februar 2019: "Lörrach Geschichte erlebbar machen
Lörrach - Die Arbeitsgruppe für Erinnerungskultur beschäftigte sich am
Freitag bei ihrem Treffen im Dreiländermuseum mit dem Nationalsozialismus
und dem Leben der Juden in Lörrach. Der kommissarische Leiter des
Stadtarchivs Jürgen Schaser und der Lokalhistoriker Ulrich Tromm stellten
ihre Recherchen für einen Rundweg über das Leben der Juden in Lörrach vor.
Die Stadtverwaltung will ein Erinnerungskonzept entwickeln, das die
vielfältige Geschichte Lörrachs erlebbar macht. Auf dem Rundweg zum Leben
der Juden soll der Standort der alten Synagoge an der Synagogengasse beim
Marktplatz eine zentrale Rolle spielen. Das Gotteshaus wurde in der
Reichspogromnacht 1938 zerstört. An der neuen Synagoge in der Rainstraße
soll die Neugründung der jüdischen Gemeinde in Lörrach thematisiert werden.
Außerdem soll der Rundweg an jüdische Geschäfte erinnern, die bis zur
Vertreibung ihrer Besitzer zu Lörrach gehörten, zum Beispiel an die
Metzgerei Beck und das Schuhhaus Bodenheimer (Teichstraße), das Kaufhaus
Knopf (Basler Straße), das Textilhaus Erreich (Turmstraße) und das Möbelhaus
Pistiner. Auch der alte jüdische Friedhof
soll Teil des Rundwegs werden. Die Recherchen für den Rundweg sind noch
nicht abgeschlossen. Doch Schaser und Tromm berichteten von weiteren Orten,
an denen es Spuren jüdischen Lebens gibt. Im Haus Turmstraße 15 würden
Mauern im Keller auf ein jüdisches Ritualbad hindeuten. Die Adresse
Grabenstraße 15 tauche auffallend oft in Anfragen zum Schicksal ehemaliger
jüdischer Bürger auf, berichteten sie. Tromm hatte außerdem in Karteikarten
von der Rettungsaktion '300 Kinder' der Schweizer Behörden Namen aus der
Grabenstraße 15 entdeckt. Um mehr über die Schicksale früherer jüdischer
Bürger zu erfahren, knüpfen die Geschichtsforscher auch Kontakte zu deren
Nachfahren. So erfuhr Tromm vom schweren Schicksal des letzten
Gemeindevorstehers durch eine Nachfahrin, die nach Lörrach kam. Er musste
die letzten Geschäfte der Gemeinde im Sinne der Nationalsozialisten
abwickeln. Museumsleiter Markus Moehring schlug vor, auch den Engelplatz
einzubeziehen, weil auf dem Viehmarkt einst Juden als Viehhändler tätig
waren. Sonja Raupp vom Fachbereich Kultur und Tourismus der Stadt wollte den
Alltag der Juden und die Neugründung der jüdischen Gemeinde stärker
thematisieren.
Markus Hofmann von der Initiative 'Stolpersteine' empfahl, die heutige
jüdische Gemeinde in die Gestaltung des Rundwegs einzubeziehen. Peter Jensch
wollte nachforschen, wer die Gebäude vertriebener jüdischer Eigentümer
übernommen hat. Tromm warnte allerdings davor, in solchen Fällen Bewertungen
vorzunehmen. Private Restitutionsverfahren seien sehr kompliziert."
Link zum Artikel
Weiterer Artikel von Regine Ounas Kräusel in der "Weiler Zeitung" vom 11.
Februar 2019: "Eile und Polarisierung vermeiden..."
Link zum Artikel |
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September 2019:
Im Herbst 2020 könnten in Lörrach
die ersten "Stolpersteine" verlegt werden
Vgl. bereits Artikel in der "Badischen Zeitung" vom 10. Juli 2019: "Bei
den Stolpersteinen ist ein nächsten Schritt erreicht..."
Link zum Artikel
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Artikel von Joshua Kocher in der "Badischen
Zeitung" vom 22. September 2019: "Erinnerung. Im Herbst 2020 könnten in
Lörrach erste Stolpersteine verlegt werden
Lörrach. Wie soll Lörrach künftig mit seiner Vergangenheit umgehen? Eine
Arbeitsgemeinschaft hat erste Vorschläge veröffentlicht. Es könnte einen
Rundweg und einen zentralen Gedenkort geben – und Stolpersteine.
Ein Rundweg mit zwölf Stationen, ein zentraler Gedenkort, Stolpersteine und
ein Buch über die Zeit des Nationalsozialismus: Die Arbeitsgemeinschaft
Erinnerungskultur hat am Donnerstag im Hauptausschuss ihre Vorstellungen zur
künftigen Erinnerungskultur in Lörrach vorgestellt. Einen großen Teil nimmt
die Zeit des Nationalsozialismus ein, es sollen aber auch weitere Epochen
der Stadtgeschichte beleuchtet werden.
Als zentrale Erinnerungsform an Momente und Menschen der Lörracher
Geschichte hätten sich thematische Rundwege herauskristallisiert, schreibt
Lars Frick, Fachbereichsleiter Kultur und Tourismus, in der
Beschlussvorlage. Die Rundwege sollen zehn bis zwölf Stationen mit
Übersichtstafeln haben. Dabei soll es unter anderem um Lörrach als
politisches Zentrum der Region gehen, aber auch um Industriekultur,
jüdisches Leben oder um Künstlerinnen und Künstler. Einen Großteil der
Beschlussvorlage nimmt jedoch das Gedenken an die Opfer des
Nationalsozialismus (NS) ein.
'Die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus in Lörrach ist auf einem
guten Weg, aber sie ist noch längst nicht abgeschlossen', schreibt Frick.
Der Freiburger Historiker Robert Neisen hat sich zwar intensiv mit der
NS-Geschichte in der Stadt auseinandergesetzt – seine Forschungsergebnisse
sollen im 200-seitigen Lörracher Heft veröffentlicht werden. Dennoch sollen
weitere Forschungen angestrebt und die Zusammenarbeit mit den Schulen
intensiviert werden. Auch zur NS-Zeit soll es einen beschilderten Rundweg zu
wichtigen Erinnerungsorten geben. Solche wären unter anderem das ehemalige
Bezirksgefängnis in der Bahnhofstraße, das Hebeldenkmal, der Neue
Marktplatz, die Villa Aichele und das ehemalige Kaufhaus Knopf.
Kommission soll Gedenkort ausfindig machen. Außerdem solle ein
zentraler Gedenkort aufgebaut werden. Wo, ist noch unklar. Zur Wahl könnten
zum Beispiel der Neue Markt, der Soldatenfriedenhof oder der Aichele-Park
stehen. Eine Findungskommission soll Ort, Form, Auftragnehmer, Kostenrahmen
und künftigen Umgang klären. Im Herbst 2020 sollen zudem die ersten
Stolpersteine in der Stadt verlegt werden. Organisieren und steuern soll das
Projekt die Verwaltung. Um zu bestimmen, welchen Personen ein solcher
Gedenkstein gewidmet wird, soll ein Beirat eingerichtet werden. Im
Hauptausschuss wurde dieses Konzept fast durchweg außerordentlich gut
aufgenommen. Die Stadträte empfahlen dem Gemeinderat den Beschluss am
kommenden Donnerstag. Ein paar Fragen warfen die Gemeinderäte aber auf.
Tanja Reinhardt-Albiez (Grüne) fragte, was mit aus der Zeit gefallenen
Denkmälern (Hindenburg und 'Türkenlouis' auf dem Tüllinger) geschehe. Ulrich
Lusche (CDU) kritisierte, dass die Stolpersteine nur von einem Künstler
angefertigt werden dürfen. Günter Schlecht (SPD) forderte, der Umgang mit
NS-Ehrenbürgern und belasteten Straßennamen müsse geregelt werden. Außerdem
kritisierte er die Idee der Stolpersteine scharf. Es sei keine
verantwortungsvolle Gedenkform, da die Opfer mit Füßen getreten und dem
Straßenschmutz ausgesetzt würden. Jörg Müller (Freie Wähler) befürchtete,
dass die Stolpersteine zu Pilgerstätten für muslimische Einwanderer mit
antijüdischen Tendenzen werden könnten.
werden."
Link zum Artikel
Weiterer Artikel zur Thematik in der "Weiler Zeitung"/"Markgräfler Tagblatt"
vom 18. September 2019: "Lörrach. 'Welche Erinnerung wollen wir?*..."
Link zum Artikel |
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Februar 2020:
Im Herbst sollen die ersten
Stolpersteine verlegt werden - Ausschreibung zur Verlegung der Stolpersteine
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Artikel in Regiotrends.de vom 10. Februar
2020: "Ausschreibung zur Verlegung von Stolpersteinen in Lörrach -
Vorschläge aus der Bürgerschaft erbeten
Der Gemeinderat der Stadt Lörrach hat in seiner Sitzung vom 26. September
2019 beschlossen, ein Beiratsverfahren zur Verlegung von Stolpersteinen
durchzuführen. Mit der Durchführung des Verfahrens wurde die Stadtverwaltung
beauftragt. Hierzu wurde ein Beirat zum Gedenken an die Opfer des
Nationalsozialismus in Lörrach (im Folgenden Beirat) eingerichtet, der sich
laut Gemeinderatsbeschluss aus Vertretern der Verwaltung, der
Gemeinderatsfraktionen und der Zivilgesellschaft zusammen.
Die erste Sitzung des Beirats fand am 17. Januar 2020 auf Einladung des
Fachbereichs Kultur und Tourismus statt. Teilgenommen haben: Hubert Bernnat
(Fraktion SPD), Axel Hüttner (Pfarrer a.D., Grenzach-Wyhlen), Hannah Wind
und Roger Huber (Schülerinnen und Schüler), Andreas Lauble (Stadtarchiv),
Lars Frick (Fachbereich Kultur und Tourismus). Verhindert waren die
Vertreterinnen und Vertreter der anderen Fraktionen. Der Beirat hat in
seiner ersten Sitzung das Prozedere sowie die Kriterien zur Antragstellung
festgelegt. Der Ablauf sieht vor, dass ab sofort Anträge von Initiativen zur
Verlegung von Stolpersteinen eingereicht werden können. Die vollständigen
Anträge sollen bis zum 28. Februar an den Fachbereich Kultur und Tourismus
adressiert und dann durch die Mitarbeiter des Stadtarchivs geprüft werden.
Im Frühsommer wird der Beirat in einer zweiten Sitzung über die konkreten
Vorschläge zur Verlegung von ersten Stolpersteinen in Lörrach entscheiden.
Der Fokus der Beurteilung liegt auf einer würdigen und feierlichen
Zeremonie, zu der möglichst auch Angehörige eingeladen werden können. Auch
wurde festgelegt, dass es in diesem Jahr bei einer überschaubaren Anzahl von
Verlegungen bleiben soll. Die konkrete Zahl wird sich erst aus den
Ergebnissen der Prüfung ergeben. Vollständig ausrecherchierte Anträge, die
in diesem Jahr nicht realisiert werden können, werden für eine Verlegung in
den kommenden Jahren berücksichtigt. Das Projekt 'Stolpersteine in Lörrach'
soll in jedem Fall ein auf Dauer angelegtes Projekt sein. Es geht nicht
darum in kurzer Zeit möglichst viele Stolpersteine zu verlegen. Vielmehr
soll mit den regelmäßigen Verlegungen das Gedenken an die Opfer des
Nationalsozialismus in Lörrach immer wieder thematisiert werden. Bürgerinnen
und Bürger, die konstruktive Vorschläge zur Verlegung von Stolpersteinen
haben, können sich gerne an den städtischen Fachbereich Kultur und Tourismus
wenden. Dort erhalten sie die Ausschreibung, die zugrundeliegenden Kriterien
und Informationen zum weiteren Ablauf. Die Informationen zur Ausschreibung
sind zudem unter www.loerrach.de/stolpersteine einsehbar.
Verlegung von Stolpersteinen in Lörrach 2020 - Ausschreibung
Der Beirat zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Lörrach ist
durch den Gemeinderat beauftragt worden die Verlegung von Stolpersteinen in
Lörrach zu begleiten, zu koordinieren und eine Auswahl der zu verlegenden
Stolpersteine festzusetzen. Hierzu erbittet der Beirat Vorschläge aus der
Bürgerschaft, an welchen Orten für welche Personen, die unmittelbar durch
die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes in Lörrach zu Opfern
geworden sind, Stolpersteine verlegt werden sollen. Die Vorschläge sollen
folgende Angaben inklusive ausreichender Dokumentation (Kopie der Quelle und
Quellenverweis) beinhalten:
- vollständige Namen und Adressen der betroffenen Personen
- Lebensdaten der betroffenen Personen (Geburts- und Sterbejahr, Geburtsort
und Hauptwohnsitz zum Zeitpunkt der Tat)
- Art des Verbrechens beziehungsweise Todesursache (ermordet, deportiert,
Tod im Konzentrationslager o.ä.) und vorgebliche Begründung des Verbrechens
(Religion, Politik, Krankheit o.ä.)
- Lebenslauf beziehungsweise kurzer Lebensbericht (circa 1 Din-A 4 Seite)
- Fotos, Bildmaterial, Zeugnisse, sonstige Belegdokumente (in Kopie mit
Quellenangabe)
- Nachweis über mögliche Nachfahren und bestehende Kontakte zu diesen
- Angaben zur Finanzierung des jeweiligen Stolpersteins (Kosten: 120 Euro
pro Stolperstein)
Es werden zudem nur Vorschläge umgesetzt, die den hier aufgeführten
Kriterien zur Verlegung von Stolpersteinen in Lörrach entsprechen, die der
Gemeinderat am 26. September 2019 verabschiedet hat.
Kriterien zur Verlegung von Stolpersteinen in Lörrach
1. Stolpersteine in Lörrach werden für Menschen verlegt, deren
Lebensmittelpunkt Lörrach war, die unter dem nationalsozialistischen
Herrschaftssystems sehr unmittelbar gelitten haben und deren Lebens- und
Leidensweg ausreichend gut dokumentiert ist.
2. Stolpersteine in Lörrach werden nicht verlegt, wenn direkte Nachfahren
der Opfer sich explizit gegen eine Verlegung aussprechen.
3. Stolpersteine werden nicht verlegt oder nachträglich entfernt, wenn
ausreichend dokumentiert ist, dass die gewürdigten Personen in ihrem Leben
und Wirken den Grundsätzen der Lörracher Erinnerungskultur widersprochen
haben bzw. dass sie nicht nur Opfer sondern auch Täter waren.
4. Stolpersteine in Lörrach werden nach einer ausreichenden Prüfung der
historischen Dokumente verlegt, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die
unter 1 genannten Kriterien erfüllt sind. Diese historischen Dokumente und
Quellen sind durch bürgerschaftliche Initiativgruppen zu recherchieren und
in aufbereiteter Form dem Stadtarchiv vorzulegen. Die Prüfung erfolgt durch
Mitarbeiter*innen des Stadtarchivs oder durch Historiker*innen, die vom
Stadtarchiv beauftragt werden.
5. In Lörrach verlegte Stolpersteine enthalten kein Vokabular, das sich
eindeutig auf die Ideologie des Nationalsozialismus bezieht und welches aus
heutiger Sicht nur mit Erklärungen verständlich wird. Begrifflichkeiten wie
'Volksschädling', 'Rassenschande' oder ähnliche bedürfen einer ausführlichen
historischen Erklärung, die aber auf dem kleinen Format eines Stolpersteins
nicht umgesetzt werden kann.
6. Die geprüften Empfehlungen werden durch den Beirat zum Gedenken an die
Opfer des Nationalsozialismus begutachtet und genehmigt. Nur in strittigen
Fällen übergibt der Beirat dem Gemeinderat die Entscheidung mit einer
begründeten Beschlussempfehlung.
Die Vorschläge können bis spätestens 28. Februar 2020 an folgende Stelle
gerichtet werden:
Stadt Lörrach – Fachbereich Kultur und Tourismus - Lars Frick - Basler
Straße 170 79539 Lörrach E-Mail:
l.frick@loerrach.de"
Link zum Artikel |
|
Juni/September 2020:
Im September werden die ersten
"Stolpersteine" verlegt |
Pressemitteilung der Stadt Lörrach vom 23.
Juni 2020 (auszugsweise zitiert aus Regiotrends.de): "Erste Stolpersteine
in Lörrach werden verlegt (24. September) - Opfer des Nationalsozialismus
soll gedacht werden
Die Stadt Lörrach wird gemeinsam mit dem Künstler Gunter Demnig am
Donnerstag, 24. September, die ersten Stolpersteine in Lörrach verlegen. Am
Vorabend wird der Künstler persönlich das europaweite Gedenkprojekt
'Stolpersteine' vorstellen und sich anschließend Zeit nehmen, um Fragen zu
beantworten...
In Lörrach hatte sich ursprünglich die Israelitische Kultusgemeinde (IKG)
gegen Stolpersteine für jüdische Opfer ausgesprochen. Daher wurde für die
jüdischen Opfer in der Teichstraße eine Gedenkstele errichtet. Auch folgte
der Lörracher Gemeinderat dieser Haltung und sprach sich generell gegen
Stolpersteine aus. Seit 2018 gab es eine neue Initiative zur Verlegung von
Stolpersteinen und auch in der jüdischen Gemeinde kam es zu einem Umdenken,
sodass auf Antrag der Verwaltung der Gemeinderat im September 2019 der
Verlegung von Stolpersteinen grundsätzlich zugestimmt hat. Unter
Federführung des städtischen Fachbereichs Kultur und Tourismus hat sich seit
Januar 2020 ein Beirat zusammengefunden, der über die Aktivitäten zum
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus entscheidet. Dieser Beirat hat
sich für die Verlegung von ausgewählten Stolpersteinen an wenigen Orten
ausgesprochen. Eine möglichst große Ausgewogenheit zwischen den
verschiedenen Opfergruppierungen war dem Beirat wichtig. Das Verlegen von
Stolpersteinen soll auch in Lörrach als ein dynamischer Prozess angegangen
werden, der die Stadt in den kommenden Jahren begleiten wird. Daher werden
auch weiterhin Anträge auf Verlegung von Stolpersteinen vom Fachbereich
Kultur und Tourismus entgegengenommen. Dem Beirat wurden Anfang des Jahres
zwei umfängliche Anträge mit insgesamt 19 Opferpersonen an sechs
unterschiedlichen Orten eingereicht. Diese Anträge wurden im Stadtarchiv auf
Vollständigkeit geprüft. Schließlich hat der Beirat für dieses Jahr acht
Personen ausgesucht, die an drei verschiedenen innerstädtischen Orten gelebt
haben. Darunter befindet sich auch die Familie Denz, deren Schicksal als
Zeugen Jehovas schon durch verschiedene Veröffentlichungen dokumentiert ist.
Beide Anträge auf Verlegung konnten durch die Entscheidung des Beirats
berücksichtigt werden. Für dieses Jahr wurde gemeinsam mit dem Künstler
Gunter Demnig die Verlegung der ersten acht Stolpersteine in Lörrach für den
24. September vereinbart. Die Verwaltung ist aktuell in ersten Gesprächen
mit den Eigentümerinnen und Eigentümern der Gebäude, vor denen Stolpersteine
verlegt werden sollen. Sobald die weiteren organisatorischen Schritte
geklärt sind, können auch diese Namen und Orte öffentlich gemacht werden.
Oberbürgermeister Jörg Lutz betont, dass die Stolpersteine ein Signal in
zwei Richtungen darstellen: 'Für mich ist die Verlegung erster Stolpersteine
in Lörrach ein überaus wichtiges Signal an die Nachfahren der Opfer. Wir
zeigen ihnen deutlich: eure Vorfahren sind nicht vergessen und wir werden
nie vergessen, was ihnen angetan wurde. Aber es ist auch ein Signal an
diejenigen Menschen, die heute versuchen den Nationalsozialismus zu
relativieren. Dem treten wir als Stadtgesellschaft in aller Entschiedenheit
entgegen.' Am Vorabend der Verlegung, am Mittwoch, 23. September, wird es im
Hebelsaal des Dreiländermuseums einen Vortrag von Gunter Demnig zum Projekt
'Stolpersteine' geben. Der Künstler berichtet persönlich über den bisherigen
Verlauf des Projektes, über seine Beweggründe und über seine Erfahrungen aus
gut 20 Jahren Stolpersteinen."
Link zum Artikel |
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Juli 2024:
Weitere Stolpersteine werden verlegt |
Artikel von Regine Ounas-Kräusel in der
"Weiler Zeitung" am 2. Juli 2024: "Lörracher Erinnerungskultur. Sieben
Stolpersteine für die Familie Bodenheimer verlegt
Vor dem Haus Tumringer Straße 260 wird an die NS-Vergangenheit von Lörrach
erinnert. Die Familie Bodenheimer wurde im Nationalsozialismus unterdrückt
und verfolgt, weil sie jüdisch war, überlebte aber.
Ulrich Tromm und Jürgen Krause von der Stolperstein-Initiative Lörrach
skizzierten während der Gedenkveranstaltung das Schicksal der Familie
Bodenheimer: Alfred Bodenheimer lebte mit seiner Frau Martha und seinen
Kindern Siegbert und Ingeborg bis zur Flucht im Jahr 1939 im Haus an der
Tumringer Straße 260, damals Adolf-Hitler-Straße 260. Er betrieb in bester
Innenstadtlage im Haus 'Drei König' ein Schuhgeschäft. In der jüdischen
Gemeinde genoss er hohes Ansehen und wurde daher im Jahr 1930 zum
Gemeindevorsteher gewählt. Doch unter der Nazidiktatur lief sein
Schuhgeschäft schon bis zur endgültigen Schließung 1938 immer schlechter:
wegen Boykotthetze der Nazis, wegen zahlungsunwilliger Kunden, weil die
Schuhfirma Salamander ihm die Vertriebserlaubnis entzog. Nach der
Reichspogromnacht im November 1938 wurde Alfred Bodenheimer, wie alle
jüdischem Männer, im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Danach
organisierte die Familie ihre Flucht. Alfred Bodenheimer baute sich mit
seiner Familie in den USA ein neues Leben auf. Im Haus an der Tumringer
Straße, damals Adolf-Hitler-Straße, blieben seine Mutter Friedericke
Bodenheimer, seine Schwiegermutter Babette Model und seine Schwester
Clementine Mayer zurück. Sie wurden, wie alle Juden aus Baden und Saarpfalz
am 22. Oktober ins französische Langer Gurs verschleppt, kamen aber nach
wenigen Monaten wieder frei. Eine Geschichte, die ein anderes Mal erzählt
werden müsse, so Tromm. Friedericke Bodenheimer und Clementine Mayer lebten
in Frankreich weiter. Babette Model emigrierte nach Kuba und schließlich
nach New York zur Familie.
Angehörige aus den USA. Zur Verlegung der Stolpersteine waren die
Enkel Andrew Bodenheimer, Brenda Bodenheimer Zlatin und Carol Bodenheimer
Alberts mit ihren Familien aus den USA angereist, auch Nachfahren aus Berlin
waren da. Der Landtagsabgeordnete Jonas Hoffmann hieß sie im Namen der
Stolperstein-Initiative willkommen. Auch heute müsse man wachsam sein, denn
noch immer gebe es die Erzählung, die Juden seien schuld, etwa an der
Coronapandemie oder am aktuellen Israel-Palästina-Konflikt. 'Es war
schreiendes Unrecht, was der Familie Bodenheimer passiert ist', sagte OB
Jörg Lutz. In Lörrach dürfe es nie wieder offenen oder versteckten
Antisemitismus geben, stellte er klar. Das gelte für die Stadtgesellschaft
und insbesondere für den Gemeinderat. Der jüdischen Gemeinde und ihrem
Rabbiner Moshe Flomenmann sicherte er Solidarität zu.
Gegen Menschenhass. Rabbiner Flomenmann sagte, genauso wichtig wie
das Gedenken sei es, heute lebende jüdische Gemeinden zu unterstützen. Er
rief die Zuhörer auf, sich mit Zivilcourage gegen Antisemitismus und
Menschenhass zu stellen. Bewegt lauschten die Zuhörer, als er für die
Familie Bodenheimer und alle in der Nazidiktatur Verfolgten betete, und als
Urenkel Mikhael Zlatin die Namen seiner verfolgten Vorfahren verlas. Zwei
Mitarbeiter des Werkhofs verlegten schließlich, musikalisch vom Lörracher
Duo Robbenwolf begleitet, die sieben Stolpersteine. Die Besucher drückten
ihre Anteilnahme aus, indem sie weiße Rosen ablegten."
Link zum Artikel vgl.
Artikel in der Website des Verlagshauses Jaumann de vom 26.6.2024 |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 181-184. |
| Julius Wilhelm:
Der Lörracher Judenfriedhof von 1670. 1932. |
| Gerhard Moehring: Der Lörracher
Judenfriedhof, in: Unser Lörrach (1970) S. 65-70. |
| Flora Selinger: Marie Beck –
ein Lörracher Schicksal, in: Unser Lörrach (1975) S. 163-174. |
| Alfred Bloch: Die
Geschichte der Lörracher Juden, in: Unser Lörrach (1979) S. 22-57 (1.Teil
1650-1756), (1980) S. 85-178 (2.Teil 1756-1848), (1981) S. 95-159 (3.Teil
1848-1922). |
| Julia Güttes: Die Judenemanzipation in Baden und die Folgen für die Lörracher
Judengemeinde. Schriftenreihe Museum am Burghof. 1984. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 367-370. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
|
Klaus
Hesse, Andreas Nachama (Hrsg.): 'Vor aller Augen'. Die
Deportation der Juden und die Versteigerung ihres Eigentums. Fotografien aus
Lörrach 1940. Englisch: 'In Plain sight'. The Deportation of the Jews and
the auctioning of their Property. Photos from Loerrach 1940: Verlag Hentrich
& Hentrich. Sprache: Deutsch, Englisch. 112 Seiten, Hardcover. 50
Abbildungen. ISBN: 978-3-95565-297-5 Erschienen: 2018. 25,00 €.
Weitere Informationen |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Loerrach
Baden. Jews first settled after the Thirty Years War (1618-48), enjoying freedom
of trade and worship. There were non present in the late 17th century. A
permament Jewish settlement developed during the 18th century with the arrival
of Swiss refugees. In 1808 a synagogue was erected, with the community
continuing to maintain a conservative posture in the era of religious reform.
The Jewish population grew to 248 in 1875 (total 8,455). Thereafter it declined
steadily with the exodus of the young. The Zionist became active in the 1920s.
In 1933, 162 Jews remained, operating numerous business establishments.
Emigration was stepped up as the process of "Aryanization" took hold.
About two-thirds left by 1940. Community life was nonetheless maintained. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), the synagogue was burned, the two Jewish
cemeteries were desecrated, and Jewish men were detained at the Dachau
concentration camp. On 22 October 1940, 50 Jews were deported to the Gurs
concentration camp; another 18 local Jews were sent to the camps from other
places. In all, 30 were murdered in Auschwitz, while 19 survived the Holocaust.
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