Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Gissigheim (Stadt Königheim, Main-Tauber-Kreis) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeiner Bericht 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer / Vorbeter   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Kennkarte aus der NS-Zeit   
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen   
Links und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde            
   
In Gissigheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1894. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./17. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1612 Juden aus Gissigheim genannt, die den Markt in Tauberbischofsheim besuchten. Namentlich wird 1615 "Jud Falkh" genannt, 1623 "Sarligmann, der lange Jude" 
   
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1825 98 jüdische Einwohner, höchste Zahl jüdischer Einwohner um 1865 mit 120 Personen; 1875 nur noch 36, 1900 noch vier. Die Zahl der jüdischen Einwohner ging nach 1850 durch eine starke Auswanderung nach Nordamerika, teilweise auch durch die Abwanderung in die Städte zurück. 

Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Landesprodukten und Waren aller Art. Einige von ihnen waren als Metzger tätig. Noch dem General- und Gewerbesteuerverzeichnis von 1841 werden als "Handelsmann" bezeichnet: Götz Rosenbusch, Nathan Rosenbusch, Abraham Lehmann, Löw Reis, Falkert Haas, Seligmann Stern, Maier Straus; elf als Makler: Seligmann Lacher, Hone Lehmann, Maier Lehmann, Michel Maimann, Abraham Schlanker, Lämlein Straus, Löwhirsch Straus, Joseph Straus, Hajum Schledorn, Abraham Zeitung, Isak Zeitung; drei waren Lumpensammler: Joseph Stern, Jakob Schledorn, Josel Stempel; vier Metzer: Abraham Reis, Hirsch Reis, Isak Reis, Abraham Spiegel; einer Glaser: Lazarus Lacher; dazu drei Ledige ohne Gewerbe: Hirsch Samuel, David Spiegel.   
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Schule und ein rituelles Bad. Dieses musste 1858 verlegt werden, da das bisherige Bad wegen Versiegung eines Baches untauglich wurde; danach befand sich das Bad in der Lochgasse (genauer Standort unbekannt). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein jüdischer Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Bereits 1716 wird ein Lehrer der Gemeinde (Judenschulmeister) genannt. Zum 19. Jahrhundert vergleiche unten die Ausschreibungen der Lehrerstelle von 1836 bis 1854. Die Toten der Gemeinde wurden bis 1875 in Külsheim, seitdem auf einem eigenen Friedhof beigesetzt. 
  
Im Ersten Weltkrieg starben aus den jüdischen Familien Max Lehmann und Benjamin Stern. Ihre Namen finden sich auf dem Gefallenendenkmal im Gemeindefriedhof (Gewann "Kirchberg").
  
Als letzte jüdische Einwohnerin starb 1927 Elise Strauß, die bis dahin einen kleinen Laden mit Stoffen und Kurzwaren innehatte.     
     
Von den in Gissigheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Karoline David geb. Spiegel (1859), Julie Mayer geb. Spiegel (1867), Helene Oppenheimer geb. Stern (1878), Jette Rothstein geb. Stern (1872), Heinrich Schleedorn (1864), Sigmund Stern (1879).       
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
    
Allgemeiner Bericht 
"Nachruf" auf den Niedergang der jüdischen Gemeinde Gissigheim (1894)  

Gissigheim Israelit 31121894.jpg (125574 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Dezember 1894: ""Eppingen, 24. Dezember. Die Gesetze über die bürgerliche Gleichstellung der Juden und die Freizügigkeit sind in Deutschland neuzeitliche Errungenschaften, für welche wir den leitenden hohen Regierungen und Volksvertretungen, die unser Recht anerkannten, zu stetem Dank verpflichtet sind. Doch stehen auch den dadurch erzielten Vorteilen in der freien Bewegung der gesellschaftlichen und beruflichen Verhältnisse, die wir als Lichtseiten bezeichnen, wenn auch nur wenige Schattenseiten gegenüber. Zu diesen gehören unstreitig auch in der vorderen Reihe die bedauernswerte Wahrnehmung von der Auflösung so vieler großen und mittelgroßen israelitischen Landgemeinden. So lese ich heute mit Wehmut, dass die israelitische Gemeinde Gissigheim, Amts Tauberbischofsheim, (mit nur noch einer Witwe und einer ledigen Person), durch allerhöchsten Erlass aufgelöst wurde. Als Einsender dieses im Jahre 1860 unmittelbar nach der Entlassung aus dem Schullehrerseminar den Dienst als Lehrer, Cantor und Schochet (Schächter) übernahm, wohnten 33 israelitische Familien in Gissigheim, die bekanntlich alle gute Jehudim waren. Es wurde da viel gelernt und zähle ich zwanzig Lehrer, von dieser Gemeinde entstammend, welche in allen Teilen Deutschlands ihre Tätigkeit entfalteten. Außer den übrigen Chawerot (Gemeindegliedern), von denen sich Niemand ausschloss, wurde während meines dortigen Aufenthalts auch ein Chai Adam Verein gegründet, welchem sich die meisten Baalei Habajit (Familienväter) anschlossen und den Weck hatte, an den Abenden, namentlich aber am Schabbat nachmittags mehrere Stunden Vorträge aus diesem sefär (Buch) zu hören, welche von dem seligen Kaufmann Maier Strauß er ruhe in Frieden und dem Einsender dieses Artikels abwechslungsweise gehalten werden. Auch der "Israelit", der Mai 1860 erstmals herausgegeben wurde, und auf welchen ich dem Wunsche meines vorgesetzten Herrn Bezirksrabbiners Löwenstein in Tauberbischofsheim (Mehora"r ["Unser Lehrer, unser Rabbiner Rabbi] Jaakow Löwenstein - er ruhe in Frieden) abonnierte, bildete eine angenehme Lektüre im Verein. Da die Gemeinde Gissigheim als solche nun zu Grabe getragen ist, erachte ich es für meine Pflicht, mit Gefühlen der Wehmut ihr diesen kurzen Nachruf zu widmen."   E.E.  

    
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer / Vorbeter   
Ausschreibung der Stelle des Lehrers (1836 / 1838 / 1841/ 1845 / 1847 / 1849 / 1852 / 1854)
      

Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" von 1836 S. 832  (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Erledigte Stelle. Bei der israelitischen Gemeinde zu Gissigheim ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 100 Gulden nebst freier Wohnung, sowie der Vorsängerdienst verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter höherer Genehmigung zu besetzen. 
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert, unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunden und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei der Bezirks-Synagoge allda zu melden. 
Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach erstandener Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zur Bewerbung zugelassen werden. 
Merchingen, den 18. Januar 1836. 
Großherzogliche Bezirks-Synagoge."     
 
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" von 1838 S. 342 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Merchingen (Erledigte israelitische Schulstelle). Bei der israelitischen Gemeinde zu Gissigheim ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 100 Gulden nebst freier Kost und Wohnung sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter höherer Genehmigung zu besetzen. 
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert, unter Vorlage der Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei der Bezirks-Synagoge allda zu melden. 
Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach erstandener Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zur Bewerbung zugelassen werden.
Merchingen, den 23. April 1838. Großherzogliche Bezirks-Synagoge."    
 
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" von 1841 S. 1114 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Merchingen (Bekanntmachung). Bei der israelitischen Gemeinde zu Gissigheim ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 125 Gulden nebst freier Wohnung sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter höherer Genehmigung zu besetzen. 
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert, unter Vorlage der Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei der Bezirks-Synagoge allda zu melden. 
Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach erstandener Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zur Bewerbung zugelassen werden.
Merchingen, den 25. November 1841. Großherzogliche Bezirks-Synagoge."     
   
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 19. März 1845 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Vakante Schulstellen.
[Bekanntmachung.]. Bei der israelitischen Gemeinde zu Gissigheim wird bis zum Monat Mai dieses Jahres die Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 135 fl., nebst freier Wohnung, sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter höherer Genehmigung zu besetzen.  
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert, unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen sich anher zu melden.  
Auch wird bemerkt, dass im Falle sich weder Schul- noch Rabbinatskandidaten melden, andere inländische Subjekte, nach erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner, zur Bewerbung zugelassen werden.
Merchingen, den 11. März 1845. Großherzogliche Bezirks-Synagoge."   
 
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 13. März 1847 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Vakante Schulstellen.
[Bekanntmachung.]. Bei der israelitischen Gemeinde Gissigheim ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 135 fl., nebst freier Wohnung, sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter höherer Genehmigung zu besetzen.  
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert, unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen sich bei der Bezirkssynagoge Merchingen zu melden.  
Auch wird bemerkt, dass im Falle sich weder Schul- noch Rabbinatskandidaten melden, andere inländische Subjekte, nach erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner, zur Bewerbung zugelassen werden."   
 
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 25. Juli 1849 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Die mit einem festen Gehalte von 135 fl. und einem jährlichen Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule besuchende Kind und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen Gefällen, verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Gissigheim, Synagogenbezirks Merchingen, ist zu besetzen.   
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren Gesuchen, unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen, mittelst des betreffenden Bezirksrabbinats, bei der Bezirkssynagoge Merchingen sich zu melden. 
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- oder Rabbinatskandidaten, können auch andere inländische befähigte Subjekte nach erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden."    
 
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 15. Mai 1852 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Vakante Schulstellen. Die mit einem festen Gehalte von 135 fl. und einem jährlichen Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule besuchende Kind und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen Gefällen, verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Gissigheim, Synagogenbezirks Tauberbischofsheim, ist zu besetzen.   
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren Gesuchen, unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen, mittelst des betreffenden Bezirksrabbinats, bei der Bezirkssynagoge Tauberbischofsheim sich zu melden. 
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- oder Rabbinatskandidaten, können auch andere inländische befähigte Subjekte nach erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden."    
 
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 16. September 1854 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Vakante Schulstellen. Die mit einem festen Gehalte von 135 fl. und einem jährlichen Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule besuchende Kind und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen Gefällen, verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Gissigheim ist zu besetzen.   
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren Gesuchen, unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen, mittelst des betreffenden Bezirksrabbinats, bei der Bezirkssynagoge Tauberbischofsheim sich zu melden. 
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- oder Rabbinatskandidaten, können auch andere inländische befähigte Subjekte nach erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden." 

     
     
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde    
            
Zum Tod von Kaufmann Mayer Strauß (1882)  
Anmerkung: Kaufmann Mayer Strauß gründete nach dem Artikel gemeinsam mit Lehrer Elias Eichstetter (ab 1873 Lehrer in Eppingen) einen Chai-Adam-Verein in Gissigheim.   

Eppingen Israelit 26041882.jpg (91892 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. April 1882: "Eppingen (Baden), 22. März. Wenn es Pflicht ist, dem Gerechten einen, seines tatreichen Lebens würdigen Nachruf zu widmen, so veranlasst den Einsender Dieses das am Freitag, dem 26. Adar eingetretene Ableben eines echten Jehudi, eines wackeren Biedermannes, des Kaufmann Mayer Strauß – er ruhe in Frieden –, in letzter Zeit in Mannheim wohnhaft, durch eine kurze Lebenszeichnung desselben, dieser aus der Tiefe des Herzens kommende Pflicht Ausdruck zu verleihen. Chawer Maier Sohn des Ascher, in Gissigheim in Baden geboren, wurde, da er ein geistig begabter Knabe war, von seinen frommen Eltern nach Merchingen zum dortigen Rabbiner zum 'Lernen' geschickt. Nachdem er einige Jahre hier verbracht, ging er mit dem Chawer ausgerüstet in die damals bestandene kleine Jeschiwa (Talmudhochschule) in Mannheim, wo er mit dem besten Erfolge den talmudischen Studien mehrere Jahre mit regem Eifer oblag.
Obschon Kaufmann, widmete er während der ganzen Zeit seines Lebens die freie Zeit, zu welcher namentlich die Abendstunden sowie Schabbat und Feiertage gehörten, zum Tora-Lernen, hielt während eines Menschenalters religiöse Sabbat-Vorträge und gründete mit dem Einsender dieses in Gissigheim einen Chai-Adam-Verein, bei dem sich fast alle Haushaltsvorstände aktiv beteiligten. Überhaupt, er übte Gutes, wo er nur konnte. Elias Eichstetter, Lehrer".  

 
Über den Agenten Elias Lehmann aus Gissigheim (1894)  

Gissigheim Israelit 18021894.jpg (135961 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1894: "Nürnberg, 7. Februar (1894). Eine im gewissen Sinne interessante Verhandlung fand gestern statt. Der Agent Elias Lehmann aus Gissigheim in Baden, zur Zeit in Pfersee wohnhaft, war der Übertretung des § 56a, Abs. 2 der Gewerbeordnung, durch welchen der Handel im Umherziehen mit Losen, Wertpapieren etc. verboten wird, angeklagt. Lehmann hatte mit Ratenbriefen der Frankfurter Sparbank hausiert. Zu seiner Verteidigung führt er an, dass er keine Ahnung von dem Inslebentreten der neuen Gewerbeordnung gehabt habe, da er, während dieselbe beraten und Gesetz wurde, wiederrechtlich seiner Freiheit beraubt gewesen sein. Man habe ihn nämlich als geisteskrank 834 Tage unter den grässlichsten Misshandlungen in die Irrenanstalt zu Heidelberg gesperrt, ihn auch später in Haft genommen, da er, weil er nicht zu seinem Recht gelangen konnte, sich Beleidigungen der Ministerialräte Jagemann und Seifried in Karlsruhe und angeblich auch des Großherzogs von Baden schuldig gemacht habe. Auch habe man, weil er sich nicht nach Amerika schaffen ließ, beabsichtigt, ihn in die Unheilbarenanstalt zu Pforzheim zu sperren, was jedoch durch den Gemeindevorstand seiner Heimatgemeinde und einen Arzt verhindert worden sei. Der Ursprung der ganzen Verfolgungen sei eine Art Tisza-Eszlar-Affäre, indem er beschuldigt wurde, dass er einen 46-jährigen Mann habe beschneiden wollen! In Folge dieser unverschuldeten Freiheitsberaubung habe er von der neuen Gesetzesbestimmung keine Kenntnis gehabt, weshalb er Freisprechung beantragte. Die Erzählung des Angeklagten, der sich würdig und mit Gewandtheit verteidigte, macht auf die Schöffen sichtlichen Eindruck. Als geisteskrank betrachteten sie den Mann gewiss nicht. Der Gericht verurteilte ihn zu der niedrigsten Strafe, eine Mark Geldstrafe."   

     

Kennkarte aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarten für den in Gissigheim 
geborenen Meier Reis
 
 Gissigheim KK MZ Reis Meier.jpg (81135 Byte)   
  Kennkarte (ausgestellt in Main 1939) für Meier Reis (geb. 9. Juni 1861 in Gissigheim)     

     
     
     
Zur Geschichte des Betsaales/der Synagoge              
    
Eine "Judenschule", vermutlich ein Betsaal in einem Privathaus, wird bereits 1617 genannt. Ein Judenschulmeister wird Anfang des 18. Jahrhunderts erwähnt. 1716 ist die "Judenschaft in Streit und Zwietracht wegen Haltung ihres Rabbiners oder Schulmeisters. Die einen nahmen einen Schulmeister auf ihre Kosten den andern zum Trutz, wodurch die andern bemüßigt, auch einen zu ihrem Ruin zu nehmen. Durch zweifache Besoldung verderben sie sich. Die Herrschaft befiehlt, dass die die beiden Rabbiner abschaffen und einen andern annehmen, sein Besoldung ist 60 Reichstaler; falle er ein Vorsänger sein kann, erhält er mehr".  
       
Von ca. 1675 bis 1726 besuchten auch die Juden aus dem Nachbarort Königheim die Synagoge in Gissigheim. Als sie danach wieder eigene Gottesdienste in Königheim feierten, holten sie hierzu immer wieder den Vorsänger aus Gissigheim nach Königheim, da sie keinen eigenen Vorsänger anstellen konnten.  
   
Aus den Rechnungsbelegen der Ortsherrschaft aus dem Jahr 1780 erfährt man, dass in diesem Jahr die Judenschaft fünf Gulden für die Benutzung ihrer Synagoge zu zahlen hatte. Damals lebte 21 jüdische Familien am Ort. Über den Standort dieser Synagoge ist nichts bekannt. Möglicherweise war es auch damals noch ein Betsaal in einem jüdischen Privathaus.  
      
1837 wurde eine neue Synagoge erbaut, die bis 1894 als Gotteshaus diente (Standort Schlossstrasse 27, Hintergebäude). Nach Schließung der Synagoge besuchten die noch verbliebenen jüdischen Bewohner die Königheimer Synagoge. Das Gebäude wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. Über dem Eingang ist eine hebräische Inschrift (Psalm 118,20 mit hebräischer Jahreszahl für 1837) erhalten.
   
   
   
Fotos 
Historische Fotos: 

Historische Fotos sind nicht bekannt, eventuelle Hinweise bitte an den 
Webmaster von "Alemannia Judaica": Adresse siehe Eingangsseite


Fotos nach 1945/Gegenwart:

Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn)
Gissigheim Synagoge 001.jpg (61874 Byte) Gissigheim Synagoge 003.jpg (63434 Byte)
       Das Gebäude der ehemaligen 
Synagoge in Gissigheim
Seitenansicht 
  
     
Gissigheim Synagoge 004.jpg (78516 Byte) Gissigheim Synagoge 002.jpg (75903 Byte) Gissigheim Synagoge 005.jpg (101974 Byte)
Erdgeschossbereich der 
ehemaligen Synagoge 
Eingang zur 
ehemaligen Synagoge 
Inschrift aus Psalm 118,20 und 
hebräischer Jahreszahl für 1837
     
Fotos 2003:
(Fotos: Hahn, 
Aufnahmedatum 22.9.2003)
Gissigheim Synagoge 152.jpg (55796 Byte) Gissigheim Synagoge 151.jpg (58694 Byte)
   Die Nordseite des Gebäudes der 
ehemaligen Synagoge
Eingangsbereich 
   
        
Gissigheim Synagoge 153.jpg (46057 Byte) Gissigheim Synagoge 150.jpg (58818 Byte) Gissigheim Synagoge 154.jpg (42211 Byte)
Die Südseite 
des Gebäudes 
Inschrift aus Psalm 118,20 und 
hebräischer Jahreszahl für 1837 
Das Vordergebäude 
an der Schlossstraße 

    
    

Links und Literatur  

Links:  

Website der Gemeinde Königheim 

Literatur:

Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden. 1968. S. 110. 
Franz Gehrig: Gissigheim. Ortschronik aus dem badischen Frankenland. Hg. von der Gemeinde Gissigheim. Gissigheim 1969. S. 249-252. 
synagogenbuch-1.jpg (32869 Byte)Joachim Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007.   

   
     

                   
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Stand: 13. Februar 2016