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"Synagogen im Kreis Limburg-Weilburg"
Frickhofen und
Langendernbach (Gemeinde
Dornburg, Kreis Limburg-Weilburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Frickhofen und Langendernbach
bestanden zwei kleine, in enger Verbindung stehende jüdische Gemeinden bis 1938/42.
Die Ansiedlung jüdischer Familien geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück.
1636 gab es zwei jüdische Haushaltungen in Frickhofen. 1723 lebten je zwei jüdische
Familien in Frickhofen, Langendernbach und im benachbarten Ellar.
Die in diesen drei Orten lebenden jüdischen Familien (dazu kamen noch einzelne
in Hausen, Lahr und Waldernbach lebende jüdische Personen) bildeten nach 1717
eine Gemeinde mit Sitz in Ellar. Ab etwa 1800 bemühten sich die jüdischen
Familien in Frickhofen und Langendernbach um Bildung einer eigenen Gemeinde:
1807/08 lebten in diesen beiden Orten zusammen sechs jüdische Familien mit
zusammen 31 Personen. Die Bildung einer separaten Gemeinde in Frickhofen mit
Langendernbach mit eigenem Gottesdienst wurde jedoch behördlicherseits
abgelehnt, da die Gemeinde in Ellar ohne die Familien der Filialorte nicht
lebensfähig gewesen wäre. Erst 1913 erfolgte die Genehmigung zur
Bildung einer Gemeinde in Frickhofen und Langendernbach, die in der Folgezeit
von Hadamar aus mitbetreut worden ist.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: in Frickhofen 1843 47 jüdische
Einwohner, 1858 40 (in zehn Familien), 1871 28 (2,2 % von insgesamt 1.305
Einwohnern), 1885 28 (2,0 % von 1.395), 1895 50 (3,7 % von 1.369), 1905 46 (3,2
% von 1.448). In Langendernbach lebten 1843
4 jüdische Familien mit 33 Personen, 1870 19 Familien mit 70 Personen, 1904 55
jüdische Einwohner, 1932 28 jüdische Einwohner. Die jüdischen Familien in den
beiden Orten betrieben vor allem Viehhandel und lebten in sehr einfachen Verhältnissen.
Familie Stern in Langendernbach hatte einen Gemischtwarenladen.
An Einrichtungen bestanden in Frickhofen und Langendernbach bereits im
19. Jahrhundert jeweils ein Betraum (s.u.), teilweise auch eine Religionsschule
(im 19. Jahrhundert wurden die Kinder jedoch in Ellar unterrichtet, nach 1913
durch den Lehrer aus Hadamar), ein rituelles Bad und (seit 1913/16) einen
zwischen Frickhofen und Langendernbach angelegter Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise
ein jüdischer Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war. So wird 1823 ein jüdischer Lehrer in Frickhofen genannt. 1843 wird
als Lehrer aus Langendernbach (Teilnehmer bei einer Lehrerversammlung des
Rabbinatsbezirkes Diez in Limburg) Lehrer
Schloss erwähnt. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Weilburg
beziehungsweise - nachdem Mitte der 1920er-Jahre das Rabbinat Weilburg nicht
mehr besetzt wurde - zum Rabbinatsbezirk (Bad) Ems und Weilburg.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Max Heilbrunn
(geb. 26.11.1886 in Frickhofen, gef. 29.9.1914) und Leopold Hofmann (geb.
30.3.1895 in Frickhofen, gef. 9.10.1915) sowie Bernhard Rosenthal (geb. 7.9.1886
in Langendernbach, gef. 26.9.1914 und Meyer Weinberger (geb. 24.2.1874 in
Langendernbach, gef. 12.7.1918).
Um 1924, als 26 jüdische Einwohner in Frickhofen sowie 31 in
Langendernbach gezählt wurden (1,6 % von 1.642), waren die Vorsteher der
Gemeinde Nathan Benjamin (Langendernbach), Aron Hofmann (Frickhofen) und Jakob Löwenstein
(Langendernbach). 1932 wird nach dem "Führer durch die jüdische
Gemeindeverwaltung" Frickhofen als Filiale zur Gemeinde Langendernbach
bezeichnet. Im Schuljahr 1931/32 gab es ein schulpflichtiges jüdisches Kind in
Frickhofen, das Religionsunterricht erhielt. Damals betreute Lehrer Karl (Carl)
Hartogsohn aus Hadamar
die Gemeinde (vgl. unten Bericht zum Festgottesdienst in der Synagoge Frickhofen
1932) und erteilte den Unterricht.
1933 wurden in Frickhofen noch 36 jüdische Einwohner gezählt
(2,1 % von 1.750), in Langendernbach 35. In den folgenden Jahren ist ein
Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen
beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde von
SA-Leuten die Synagoge in Frickhofen verwüstet (s.u.), jüdische Wohnungen überfallen,
jüdische Einwohner teilweise misshandelt: in Langendernbach kam es gleichfalls
zu Übergriffen. 1939 gab es immer noch 24 jüdische Einwohner in Frickhofen
(1,3 % von 1.805), darunter mehrere Kinder, die in einem "Judenhaus"
zusammengepfercht leben mussten. Die letzten 15 wurden im August 1942 aus
Frickhofen deportiert. In Langendernbach lebten bis November 1938
noch 18 jüdische Personen. Einigen gelang in der Folgezeit noch die Aus- oder
Abwanderung. 10 Personen wurden im August 1942 aus Langendernbach deportiert.
Von den in Frickhofen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Betty
Blumenthal (1857), Emilie Gottschalk geb. Hofmann (1900), Simon Heilbrunn
(1882), Therese Heyum geb. Kaiser (1906), Albert Hofmann (1888), Aron Hofmann
(1867), Dieter Hofmann (1932) Dina Hofmann geb. Tobias (1867), Ferdinand Hofmann
(1890), Jeanette (Johannette) Hofmann geb. Löwenstein (1865), Josef Hofmann
(1892), Liebmann Hofmann (1861), Rudolf Hofmann (1899), Salomon Hofmann (1863),
Selma Hofmann geb. Löwenberg (1908), Heinrich Kaiser (1875), Josef Kaiser
(1896(, Julius Kaiser (1904), Salomon Kaiser (1870), Siegbert Salomon Kaiser
(1903), Sophie Kaiser (1907), Paula Kaufmann geb. Hofmann (1902), Edith Liebmann
(1925), Rolf Günther Liebmann (1924), Lina Robens geb. Hofmann (1890), Mina
Rosenthal geb. Heilbron (1883), Frieda Schad geb. Kaiser (1879), Karola
Schnurmann (1907), Frida Schubach (1888), Irma Simon geb. Hofmann (1898),
Johanna Walther geb. Hofmann (1888), Erich Wolff (1898), Johanna Wolff (1903),
Josef Wolff (1931), Kurt Fritz Wolff (1932), Rolf Georg Wolff (1934), Siegfried
Alfred Wolff (1929), Thea Wolff (1936).
Von den in Langendernbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben
nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem
und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Plautina Anspach geb.
Rosenthal (1890), Betty Benjamin geb. Heymann (1897), Eugen Benjamin (1900),
Nathan Benjamin (1857), Pauline Benjamin geb. Grünebaum (1863), Siegfried
Benjamin (1893), Sophie Benjamin geb. Heymann (1903), David Löwenstein (1866),
Dina Löwenstein geb. Stern (1888), Jacob Löwenstein (1877), Josef Löwenstein
(1889), Salomon Löwenstein (1871), Lina Rosenthal geb. Ehrenfeld (1894), Max
Rosenthal (1874), Arthur Stern (1896), Lilly Stern (1898), Otto Stern (1895),
Sally Stern (1891), Toni Stern geb. Lindheim (1866), Alfred Weinberger (1914),
Clothilde Weinberger geb. Stern (1909), Hannchen Weinberger (1875), Irmgard
Weinberger (1918), Max Weinberger (1880), Norbert Weinberger (1920), Rosa
Weinberger (1886).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Spendenaufruf für eine - wenn auch selbst verschuldet - in Not geratene
jüdische Familie (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1901: "Eine
arme, mittellose israelitische Familie, deren Mann sich vom Viehhandel zu
ernähren sucht, wurde wegen Gewerbedefraudation (sc.
Steuerunterschlagung) von einem seiner hiesigen Glaubensgenossen zur
Anzeige gebracht, und mit 200 Mark, eventuell mit Gefängnisstrafe
verurteilt. Ersuche edle Glaubensgenossen, zur Tilgung der Strafe, eine
milde Gabe zukommen zu lassen. Die Geschäftsstelle dieses Blattes ist
gerne bereit, auch die geringste Gabe unter Nr. 3545
entgegenzunehmen.
Siegmund Heilbrun, Frickhofen.
Dass vorstehende Angaben wahrheitsgetreu angegeben sind,
bescheinigt
Frickhofen, Kreis Limburg a. Lahn, 19. April (1901).
Der Kultus-Vorsteher: Lieb. Hofmann." |
Bildung einer Ortsgruppe des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten für Hadamar,
Frickhofen und Langendernbach (1931)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 18. Februar 1931: "Hadamar.
(Jubiläum des jüdischen Frauenvereins.) Das vierzigjährige Bestehen
des Israelitischen Frauenvereins wurde von den Beteiligten durch eine
schlichte Feier begangen. Lehrer und Kantor Hartogsohn überbrachte die
Glückwünsche der Gemeinde und betonte das segensreiche Wirken des Vereins.
Eine gemütliche Zusammenkunft folgte der offiziellen Feier. - Hier
hat sich eine Ortsgruppe des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten gebildet,
nachdem Dr. Walter Stern aus Mainz dazu die Anregung gab. Der Vorstand der
auch die Frontkämpfer von Frickhofen und Langendernbach
umfassenden Ortsgruppe besteht aus dem Herren Adolf Neuhaus, Hermann Honi,
Emanuel LIebmann, Hadamar, und Rosenthal, Frickhofen". |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Goldene Hochzeit von Nathan Hofmann und Henriette geb.
Liebmann (1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 1. Dezember 1902: "Frickhofen (Westerwald), 28.
November (1902). (Goldene Hochzeit). Die Eheleute Herr Nathan
Hofmann und Frau Henriette geb. Liebmann, hierselbst, feierten
noch gesund und rüstig am 23. dieses Monats ihr 50-jähriges
Ehejubiläum.
Aus der Ehe des Paares gingen acht Kinder hervor und konnte sich dasselbe
einer blühenden Schar von 26 Enkeln und einem Urenkel erfreuen. Die
Festrede hielt Herr Bezirksrabbiner Dr. Landau -
Weilburg. Vom Kaiser und
dem Großherzog von Luxemburg wurde das Jubelpaar durch eine Geldspende
ausgezeichnet.
Für die Achtung, welche diese Familie in ihrem Orte genießt, spricht die
Tatsache, dass der Gesangverein des Ortes ihr am Festabend ein Ständchen
brachte, worauf vom Vorsitzenden eine herzliche Absprache gehalten
wurde." |
80. Geburtstag von Nathan Benjamin
(1937)
Anmerkung: es handelt sich um Nathan Benjamin, geboren 1. September
1857 in Langendernbach (nicht:
Langensassbach). Nathan Benjamin lebte in Langendernbach. Er wurde am 1.
September 1942 ab Frankfurt am Main in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo
er am 1. Oktober 1942 umgekommen ist.
Mitteilung in "Der Schild" vom 11. September 1937: "Hadamar.
Am 1. September feierte Herr Nathan Benjamin, Langendernbach, seinen 80.
Geburtstag. Er ist der Vater unseres Kameraden Siegfried Benjamin." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige für Johanna
Kaiser und Ludwig Henoch (1926)
Anzeige
in "Israelitisches Familienblatt" vom 2. Dezember 1926: "Statt Karten!
Johanna Kaiser - Ludwig Henoch.
Verlobte.
Frickhofen Westerwald -
Reichenborn bei Weilburg.
Frickhofen, den 5. Dezember 1926." |
Zur Geschichte der Synagoge
Im 18. Jahrhundert besuchten die jüdischen Familien aus
Frickhofen und Langendernbach die Synagoge in Ellar.
Nach 1820 begannen die Familien allerdings sowohl in Frickhofen wie in Langendernbach, eigene Gottesdienste abzuhalten
(Frickhofen seit etwa 1820, Langendernbach seit 1826 oder 1833). Von der Behörde wurden diese separaten Gottesdienste
jedoch lange Zeit nicht genehmigt (als "Winkelgottesdienste"). 1834 wiesen die
Frickhofener Juden darauf hin, dass es "durch das Anschwellen des Elbbaches
in Ellar unmöglich sei, die Synagoge in Ellar zu besuchen." Der Behörde
wollte dies nicht einleuchten, die Gottesdienste in Frickhofen und
Langendernbach blieben verboten, zumal die Gemeinde Ellar alleine ohne die
Filialorte nicht lebensfähig gewesen wäre.
1844 war der Gemeindevorsteher von Ellar einverstanden, dass die
jüdischen Familien in Frickhofen und Langendernbach ihre eigenen Gottesdienste
abhielten. Den Familien in Frickhofen wurde eine Torarolle zur Verfügung
gestellt. Wieder schritt die Behörde ein und beschlagnahmte sogar die Torarolle
aus der Synagoge in Frickhofen. Wenig später hat ein 19-jähriger Mann aus
Frickhofen die Torarolle aus der Synagoge in Ellar entwendet und nach Frickhofen
gebracht. Hierfür erhielt er allerdings 5 Gulden Strafe oder 5 Tage Arrest.
In Langendernbach war zunächst ein Betsaal
im Haus des Löb Samuel eingerichtet. 1857 erwarb die Gemeinde ein Haus "an
der Ackerhohl" für die spätere Einrichtung als Synagoge. Spätestens seit
1868 wurden hier Gottesdienste abgehalten.
In Frickhofen fanden spätestens nach 1885 regelmäßig
Gottesdienste in einem Betsaal im Gebäude mit der heutigen Adresse
Egenolffstraße 17 statt. Nach der Darstellung bei Thea Altaras wurde 1891 dieses
Gebäude "von
Grund auf (einem Neubau gleich) renoviert". 1909 wird dieses Gebäude
jedoch bereits als "derart baufällig" beschrieben wird,
dass es von der Polizeibehörde geschlossen werden musste. 1909/10 wurde es
vermutlich umfassend renoviert. In der Synagoge gab es im Betsaal sechs
Bankreihen für die Männer; die Frauenplätze waren auf der Empore.
Die Synagoge in Frickhofen ist
baufällig - eine neue Lösung wird dringend gesucht (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1909: "Liebe
Glaubensgenossen! Nach Gutachten von hiesiger Polizeibehörde ist die
hiesige Synagoge derart baufällig, dass dieselbe geschlossen werden
musste und wir seit dem 1. Oktober vorigen Jahres ein kleines Zimmer gemietet
haben, wo wir den Gottesdienst abhalten und sieht sich infolgedessen die
hiesige jüdische Gemeinde gezwungen, um einen gänzlichen Verfall zu
verhüten, sehr wesentliche Ausbesserungen vorzunehmen. Woher aber die
Mittel hierfür beschaffen, da die paar hiesigen Familien die dazu
benötigenden sehr erheblich Kosten allein aufzubringen, leider nicht
imstande sind, da meistens die hiesigen Israeliten mittellos, sogar einige
davon arm sind. Ich richte daher im Namen der hiesigen kleinen jüdischen
Gemeinde an unsere Glaubensgenossen die dringende Bitte, unser Vorhaben
durch eine, wenn auch noch so kleine Beihilfe, die mit größtem Danke
angenommen wird. Liebe Schwestern, liebe Brüder, verehrte
Synagogengemeinden, sendet doch jeder eine, wenn auch die Gaben noch so
klein sind, denn ihr tut eine große Mizwe. Freundliche Gaben nimmt der
Unterzeichnete Kultus-Vorsteher in Empfang, über deren Empfang im
Israelit zur Zeit quittiert wird.
Frickhofen, Regierungsbezirk Wiesbaden. Liebmann Hofmann, Vorsteher.
Der Inhalt des vorstehenden Aufrufs ist richtig, dies bestätigt
Frickhofen, im März 1909 Egenolf, katholische
Pfarrer.
Die Angaben im vorstehenden Schriftstück beruhen auf Wahrheit und ist
sehr zu befürworten.
Frickhofen, im März 1909. Giesendorf, Bürgermeister." |
Einer der vermutlich letzten Höhepunkt im
gottesdienstlichen Leben der Gemeinde Frickhofen war ein Festgottesdienst, den
der jüdische Lehrer Karl (Carl) Hartogsohn aus Hadamar
hielt:
Festgottesdienst in der Synagoge Frickhofen zu Chanukka im Dezember 1932
Anmerkung: der Gottesdienst fand entweder am Freitagabend, 23. Dezember 1932
oder am Schabbat, 24. Dezember 1932 statt.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Januar 1933:
"Frickhofen (Westerwald), 5. Januar (1933). Nach längerer Zeit fand
in unserer zum Rabbinat Bad Ems gehörenden Gemeinde am Schabbat Chanukka
I ein Festgottesdienst unter Leitung des Herrn Kantors und Lehrers Karl
Hartogsohn statt, was uns allen ein großes Erlebnis war. Seine Krönung
fand der Gottesdienst in einer herzlichen Ansprache, die in allen Gemeindemitgliedern
die Überzeugung wachgerufen hat, dass es gerade jetzt notwendig sei, mehr
als je für unverfälschte Jüdischkeit zu tun." |
Bis 1933 fanden in der Synagoge in Frickhofen
regelmäßig Gottesdienste statt. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge in Frickhofen durch SA-Leute demoliert. Später
kam das Gebäude in Privatbesitz und wurde zu einem bis heute stehenden Wohnhaus
umgebaut.
Auch das Synagogengebäude in Langendernbach, das beim Novemberpogrom
1938 gleichfalls überfallen wurde (die rituellen Gegenstände wurden
verbrannt) ist zu einem Wohnhaus umgebaut worden, das
jedoch 1951 abgebrochen wurde.
Adresse/Standort der Beträume/Synagogen:
 | Frickhofen:
Egenolffstraße 21 |
 | Langendernbach: An
der Ackerhohl (zwischen der Bahnhofstraße und der Ackerstraße, mit Zugang von
der Ackerstraße) |
Erinnerungsarbeit vor Ort
Erinnerungsarbeit hat in den vergangenen Jahren vielfach stattgefunden, wie aus
dem Artikel von Hubert Hecker hervorgeht, veröffentlicht in www.kreuz.net
("Katholische Nachrichten", nicht mehr online;
zum
Artikel im Internetarchiv).
Woher kam der Haß? "Das ist nicht das Land, das meine Eltern getötet hat. Nicht die Deutschen haben uns drangsaliert. Es waren die Hitlerleute, die
Nazis."
Seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wohnten Juden in der Westerwälder Landgemeinde Frickhofen.
Frickhofen befindet sich rund 80 Kilometer nordwestlich von Frankfurt am Main.
Um 1820 lebten im Ort drei jüdische Viehhändlerfamilien. Ihre Kinder besuchten die gemeinsame Dorfschule.
Im Jahre 1841 wurden die Juden durch ein herzogliches Edikt den "christlichen Untertanen
gleichgestellt". Laut einer Statistik von 1843 betreiben im Herzogtum Nassau 80% der Juden einen Handel.
Darum lobte der Frankfurter Bankier Amschel Mayer Rothschild tausend Gulden als Lehrgeld aus, damit die
"israelitischen Jungen gewerbliche Berufe lernen". Aus Frickhofen meldeten sich Nathan Kaiser und Jacob Heilbrunn zum Wollweber- und Schreinerberuf. Aber nach der Lehrzeit kamen sie doch wieder zur Viehhändlerei.
Die Preußen brachten im Jahr 1866 liberale Religionsgesetze ins Land. In dieser Zeit trat ein gewisser Sußmann Kaiser aus der örtlichen Kultgemeinde aus. Da starb seine Frau und es stellte sich die Frage nach der Beerdigung.
Kaiser wurde mit der Alternative konfrontiert: dreißig Taler für die Beerdigung auf dem nächsten jüdischen Friedhof im Dorf Ellar oder fünf Taler Jahresbeitrag in der israelitischen Ortsgemeinde.
Kaiser entschied sich für die fünf Taler. Schon eine Woche nach der Beerdigung seiner Frau trat er aber erneut aus der Ortsgemeinde aus.
Gute Nachbarschaft. Um 1890 wurde in einer Doppelhaushälfte eine kleine Synagoge eingerichtet: sechs Bankreihen unten und die abgetrennte Frauenempore oben.
In dieser Zeit lebten sechs Viehhändlerfamilien im Ort. Zwei jüdische Soldaten fielen im Ersten Weltkrieg für Kaiser und Vaterland – vier jüdische Frickhöfer kehrten wieder heim.
Nach dem Krieg begann im Dorf ein reiches Vereinsleben. Juden wurden Mitglieder im Fußballverein und bei der Feuerwehr. Der Jude Erich Wolf leitete zwei Jahre den Turnverein.
Julius Kaiser war ein eifriger Benützer der katholischen Pfarrbücherei. Sein katholischer Freund Toni Schardt besuchte ihn gerne zum Laubhüttenfest.
Auf den Dorffesten waren die jungen Männer aus jüdischen Familien begehrte Tänzer für Charlston und Walzer.
Zur goldenen Hochzeit von Rebecca und Sigmund Heilbrunn sang der Männergesangverein.
Christen und Juden legten Wert auf gute Nachbarschaft, gegenseitige Hilfe im Alltag, gegenseitige Einladungen bei Familienfesten und Trauerfeiern.
Viele christliche Mädchen aus dem Dorf gingen bei reichen Frankfurter Juden als Hausmädchen
"in Stellung" – allerdings mit der elterlichen Warnung: Juden dürften nach Talmud-Lehre christliche Mädchen
"nehmen". Auch bei der Viehhändlerei gab es nicht nur Minne. Die Ferkel wirkten im Stall
"irgendwie kleiner" als auf dem Viehwagen gesehen. Und: "Gegen die Juden verlierst du jeden Rechtsstreit. Die haben ihre Rechtsanwälte in der
Stadt."
Die Nationalsozialisten kommen. Doch in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kommt das soziale und politische Gefüge in Frickhofen durcheinander.
1932 marschiert erstmals die nationalsozialistische "Schutz-Abteilung" durch den Ort.
Bei den letzten freien Wahlen im November 1932 bekommen die Nationalsozialisten 40% der Stimmen.
Im Jahr 1934 verbietet die Hitler-Partei dem örtlichen Metzgermeister, den jungen Siegfried Rosenthal als Lehrling einzustellen.
Rosenthal lernt daraufhin Bäcker in Kassel. Sein Bruder Feodor hat ihm die Lehrstelle besorgt.
Doch so richtig beginnen die Schikanen 1936 – nach den Olympischen Spielen in Berlin.
Die sechs jüdischen Viehhändler verlieren ihre Gewerbelizenz. Dennoch verkaufen ihnen die Bauern ihr Vieh weiterhin – heimlich und nachts von der Weide.
"Erst greifen sie nach dem Knoblauch", den Juden also – sagt der alte Salomon Kaiser –
"dann holen sie den Weihrauch", also die Katholiken. Tatsächlich beginnt die Hitlerpartei ab 1937 einen verschärften Kampf gegen die Katholiken.
Die Nationalsozialisten verbieten im Ort die katholischen Vereine: Katholischen Jungmänner-Bund und Pfadfinder, Marien- und Frauenverein.
Hitlerleute reißen die Fronleichnamsfahnen aus den Hausfenstern katholischer Familien. Der Kaplan wird bespitzelt. Vier katholische Jugendliche bekommen je einen Monat Lagerhaft wegen Unbotmäßigkeit gegenüber Parteieinrichtungen.
Mit der Heugabel herausgestochen. Am 9. November 1938 geht es den ungefähr zwanzig jüdischen Dorfbewohnern an den Kragen.
Der Innenraum der kleinen Frickhöfer Synagoge wird verwüstet. SA-Horden überfallen die Häuser der jüdischen Familien und werfen Geschirr und Einmachgläser auf die Straße.
Der Jude Rudolf Hofmann versteckt sich unterm Heu in einer Scheune und wird mit Heugabeln herausgestochen.
Drei jüdische Männer kommen für zwei Monate ins Konzentrationslager Buchenwald. Fünf jüdische Kinder werden ausgeschult.
Zwei Familien beantragen in den USA Asyl. Aber die restriktive Quote von 10.000 Flüchtlingen ist schon Ende Januar 1939 voll – erzählt der Frickhöfer Harry Abraham später.
Im April 1939 gelingt es fünf Personen – darunter Siegfried Rosenthal –, über Genua nach Schanghai auszureisen.
Die 15 verbliebenen Juden werden enteignet und in einem "Judenhaus" zusammengepfercht.
Sie überleben nur, weil ihre christlichen Nachbarn sie heimlich mit Milch und Brot versorgen, ihre Schuhe und Kleider reparieren oder mit Schulheften und Zeitungen versorgen.
Für die angekündigte "Ausreise nach Polen" stellen die Dorfbewohner den bedrängten Juden Winterkleidung bereit.
Im August 1942 werden 15 Personen mit dreifacher Kleidung und schmalem Gepäck zum Bahnhof abgeführt.
Ein Lehrer und eine Nachbarin fahren ihnen nach Frankfurt nach und berichten im Ort,
dass die Frickhöfer Juden in einer Halle kampieren und auf den Abtransport warten.
Nach dem Krieg konnte der Tod von 11 Personen in den Konzentrationslagern von Theresienstadt, Treblinka,
Sobibor, Majdanek und Auschwitz nachgewiesen werden. Die übrigen mussten für
"tot erklärt" werden.
Ein Überlebender kehrt heim. Ein entkommener Frickhöfer Jude, Siegfried Rosenthal, ließ sich im Jahr 1948 in Haifa im neu entstandenen Staat Israel nieder.
1967 kommt er zum erstenmal in seinen Geburtsort zurück. Er nimmt regelmäßig an den Klassentreffen seiner alten Volksschulklasse teil.
Nach seiner Pensionierung im Jahre 1982 verbringt er jedes Jahr zwei Sommermonate in seiner deutschen Heimat – Heimat? Das Land, das seine Eltern umgebracht hat?
"Nein" – antwortet Rosenthal: "Das ist nicht das Land, das meine Eltern getötet hat. Nicht die Deutschen haben uns drangsaliert. Es waren die Hitlerleute, die
Nazis" – sagt er. Den Umgang mit den ehemaligen SA-Leuten und der Nazi-Kneipe meidet er.
"Deutsch ist meine Muttersprache, Deutschland ist meine erste Heimat, Israel meine
zweite", bekennt er.
65 Jahre nach der Pogromnacht. 65 Jahre nach der nationalsozialistischen Pogromnacht von 1938 organisiert der Autor dieser Zeilen ein Treffen.
Eine Broschüre wird geschrieben, eine Tafel am Rathaus angebracht. Aus Israel, Südafrika und den USA kommen die ehemaligen deutsch-jüdischen Mitbürger des Ortes oder die Kinder der inzwischen Verstorbenen.
Im Pfarrzentrum ist eine kleine Ausstellung aufgebaut. Mehr als achtzig alte und junge Ortsbewohner sind neugierig auf die Ehemaligen und ihre Reaktionen. Sogar der alte Wirt aus der Nazi-Kneipe ist gekommen.
Siegfried Rosenthal ergreift das Wort und erzählt von nationalsozialistischen Schikanen und Nazi-Schlägern – und immer wieder von guten Menschen und hilfreichen Nachbarn.
Zuletzt spricht der Organisator des Treffens: "300 Jahre haben in diesem Ort Christen und Juden in guter Nachbarschaft und dörflicher Gemeinschaft zusammengelebt.
Die böse Saat von Hass und Hetze auf die Juden kam von außen in den Ort und hat auch hier
hässliche Früchte getragen.
Die nationalsozialistische Partei und ihre heidnisch-rassistische Ideologie haben in nur zehn Jahren die Gemeinde gespalten, den Frieden zerstört, die jüdischen Mitbürger verfolgt, vertrieben oder vernichtet.
Seien wir wachsam auf gottlose Eiferer, vernunftlose Hetzer und totalitäre
Tendenzen."
Der Autor ist Lokalhistoriker in der Region Unterer Westerwald. |
|
Vgl. Artikel von Hubert Hecker:
Novemberpogrom 1938 in Frickhofen und Langendernbach. In der Website des
Kultur- und Geschichtsvereins Frickhofen e.V.
https://www.geschichtsverein-frickhofen.de/Fri_Archiv_Pogrom1938.htm |
Fotos
(Quelle: sw-Fotos um 1985: Altaras Teil I S. 92;
historisches Foto nach dem Novemberpogrom 1938 sowie die weiteren Farbfotos zum
"Judenhaus" aus dem oben
zitierten Artikel in www.kreuz.net, Fotos von
2009: Hahn, Aufnahmedatum 23.08.2009)
|
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Fotos aus Frickhofen
(Quelle: Kultur- und Geschichtsverein
Frickhofen e.V.) |
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Nach dem Novemberpogrom
1938; der Zugang zur
ehemaligen Synagoge ist "polizeilich
gesperrt"
rechts: eingeworfene Fensterscheiben |
"Judenhaus",
in dem bis zur Deportation
1942 die letzten jüdischen Einwohner
zusammengepfercht waren |
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Gebäude der ehemaligen
Synagoge
in Frickhofen um 1985 |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge in Frickhofen um 1985. |
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Das Gebäudes
der ehemaligen Synagoge
im Sommer 2009 |
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Zur Lage der
ehemaligen Synagoge
in Langendernbach |
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Die ehemalige
Synagoge befand sich im Bereich zwischen Bahnhofstraße und Ackerstraße,
das heißt im Bereich der auf der rechten Fotoseite zurückgesetzten
Häuserreihe |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 193-194 (zu Frickhofen). Bd. I S.
471 (zu Langendernbach). |
 | Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 92 (Frickhofen). 96 (Langendernbach). |
 | dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 82. |
 | Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 130. |
 | Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 550 (nur zu Frickhofen). |
 | Peter-Josef Mink: Das Leben der Juden in
Langendernbach: von den Anfängen bis zur Zeit des Nationalsozialismus.
Limburg: Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. 2003. 78
Seiten. |
 | ders.: Die jüdische Gemeinde Ellar.
Kissel-Verlag. Beselich-Heckholzhausen 2007. |

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Frickhofen
Hesse-Nassau. Numbering 47 in 1843, the Jews had a synagogue but were forbidden
to establish an independent community until 1913. Their number declined (to 36
in 1933) and on Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue's
interior was vandalized. By 1940 most Jews had left; 12 perished in the Holocaust.

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