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Friedhöfe in der Region"
Zur Übersicht: Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg
Creglingen (Main-Tauber-Kreis)
Jüdischer Friedhof
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Synagoge in
Creglingen (interner Link)
Zur Geschichte dieses Friedhofes
Nähere Angaben zur Chronologie des Friedhofes (von Myrah Adams): hier anklicken
Im 17. Jahrhundert wurde südöstlich der Stadt (im weiteren Verlauf der Torstraße;
unweit der Straße nach Standorf,
Flurstück 2302, Fläche 56,91 a) ein jüdischer Friedhof angelegt. Er diente
auch umliegenden Gemeinden als Begräbnisplatz (Archshofen,
Craintal, Waldmannshofen, Welbhausen). Der Friedhof wird im Volksmund "Judenbegräbnis" und
"Judenkirchhof" genannt, der Weg zu ihm "Judenbegräbnisweg".
Seit 1892 (das Folgende nach C. Heuwinkel, s. Lit. S. 40-41) ist der Friedhof von
einer mit zwei Eingängen versehenen Steinmauer umschlossen. Eine freie
Rasenfläche trennt ihn in einen älteren Nordteil und einen jüngeren Südteil,
der 1889 hinzukam. Der mit Bäumen bewachsene sogenannte "Alte
Friedhof" ist auffallend hügelig, mit aufgeschütteten Bodenschichten hat
man hier vermutlich auf einer ursprünglich begrenzten Fläche neue Grabstellen
geschaffen. Alle Grabsteine sind nach Osten ausgerichtet. Die aus Sandstein
gearbeiteten Grabsteine im älteren Bereich sind zum größten teil sehr
verwittert und schlecht lesbar. Der älteste - zur Zeit der ersten
Inventarisierung durch den jüdischen Lehrer Josef Pressburger noch erhaltene - Grabstein des Eisik
Jizchak ben Mosche stammt von 1696. Der Friedhof ist jedoch mit Sicherheit
älter; auch einige der erhaltenen, aber nicht mehr lesbaren Grabsteine. 1943 musste der Friedhof im Zwangsverkauf
der Stadt Creglingen übereignet werden, seine Rückgabe an die Israelitische
Religionsgemeinschaft Württembergs erfolgte mit Schenkungsvertrag vom April
2001.
Am 25. Mai 1998 wurde an der Friedhofsmauer eine den Opfern des Nationalsozialismus aus
Creglingen und Archshofen gewidmete Gedenktafel angebracht.
Aus der Geschichte des Friedhofes
Beitrag von Lehrer Josef Preßburger über den Friedhof
(1930)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 15. Oktober 1930: "Der jüdische
Friedhof in Creglingen. Von Oberlehrer Josef Preßburger, Creglingen.
Seit undenklichen Zeiten besitzt die hiesige Gemeinde einen im Südwesten
der Stadt auf einer Anhöhe am Rande eines Staatswaldes gelegenen
Friedhof. Der älteste entzifferte Grabstein trägt die Jahreszahl 5.
Tewes 5456, das ist 1696. 341 Grabsteine sind entziffert und fortlaufend
mit Nummern versehen: mehrere noch gut erhaltene Steine sind, die die
Schrift ziemlich notgelitten hat, noch nicht entziffert, könnten aber von
Personen, die größere Übung im Lesen und Entziffern von Grabschriften
haben, möglicherweise noch gelesen werden. Auf einem größeren Teil des
Friedhofes - sicher dem ältesten Teil - finden sich noch Steine, die in
die Erde ziemlich tief eingesunken sind und deren Schrift nahezu
vollständig verwischt ist. Unter den Grabsteinen befindet sich einer, der
den Namen Jakob ben Schimschon Halevi (Löwengardt) aus Hechingen
und das Sterbedatum Freitag, den 3. Kislew 5591 (1830) trägt. Außerdem
geht aus Grabsteinen hervor, dass Verstorbene aus den Gemeinden Archshofen,
Craintal, Welbhausen |
und
Allersheim hier beerdigt worden
sind.
Bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war der Friedhof mit
einem hölzernen Lattenzaun umgeben; die Unterhaltung und häufige
Erneuerung desselben erforderte aber alljährlich größere Aufwendungen.
Wie sollten aber die nötigen Geldmittel beschafft werden! In dieser
Notlage griff das damalige Kirchenvorsteheramt zu einem altbewährten und
häufig angewandten Mittel, indem es - ganz wie im bürgerlichen Leben -
einen neuen Verein ins Dasein rief: am Fasttage: Zaum Gedalia des Jahres
1879 wurde ein Friedhofverein (Chevroh Erez Hachajim) gegründet
und den Gemeindemitgliedern empfohlen, beim Aufrufen zur Tora diesem
Verein Spenden zuzuwenden. Ich erwähne hier rühmend, dass diese
Neugründung die Hoffnungen, die das Vorsteheramt auf sie gesetzt hat,
besser erfüllt hat, als viele weltliche Vereine, die so zahlreich aus der
Erde schießen. In wenigen Jahren wurden auf diesem Wege durch
Synagogenspenden hier und in Archshofen einige tausend Mark
zusammengebracht. Aber ein noch weiteres Mittel wurde zur Vermehrung des
Fonds angewendet: im Jahre 1879 versandten die Kirchenvorsteherämter
Creglingen und Archshofen an mehrere Familien, deren Eltern oder sonstigen
Verwandten auf dem hiesigen Friedhof beerdigt liegen, ein Zirkular, in dem
die Notwendigkeit der Erstellung einer würdigen Umzäunung in zu Herzen
gehenden Worten geschildert und der zu erwartende Kostenaufwand mit 15.000
Mark angegeben war. Die Namen der damaligen Kirchenvorsteher, die den
Aufruf unterzeichnet und versandt hatten, verdienen der Vergessenheit
entrissen zu werden: es waren aus Creglingen die Vorsteher J.
Preßburger, Pf. B. Amson, L. Oberndörfer, aus Archshofen:
Stein, Rosenheimer und David Kaufmann. Im Lauf mehrerer
Jahre gingen größere und kleinere Spenden zahlreich ein. Die Namen
einiger der edlen Spenden seien hier genannt: Löb und Josef
Heidenheimer in Würzburg, David Lehmann in Hamburg, Jakob
Stern in Galveston, S. Oberndörfer in Mannheim, Samson und
Isak Heidenheimer in Galveston, Calmann Heidenheimer in New
York, L. Blumenfeld in London, Gabriel und Josef Amson
in Paris usw. Um die Sammlung hat sich ganz besonders das hiesige
Vorsteheramtsmitglied Lazarus Oberndörfer Verdienste erworben. Nachdem
ein größerer Betrag beisammen war, konnte am 1. Oktober 1889 die
Sammlung geschlossen werden.
Nachdem auf diese Weise etwa 7.000 Mark zusammengebracht waren, konnte dem
Bauprojekt |
näher
getreten werden. Oberamtsbaumeister Vorlaufer in Mergentheim fertigte im
Jahre 1884 einen Plan, in dem eine Umzäunung des Friedhofes durch ein
eisernes Gitter mit zwei Eingangstoren vorgesehen war. Bevor jedoch das
Vorsteheramt an die Ausführung des Planes ging, holte es das Gutachten
des von hier gebürtigen Architekten Braunwald, Stadtrat in
Stuttgart, ein. Diesem Manne sind wir größtem Danke verpflichtet. Unter
dem 13. September 1885 schrieb Architekt Braunwald an das hiesige
Vorsteheramt.
'Ich glaube, dass die Einfriedigung, so wie sie Vorlaufer projektiert hat,
der Sache, der sie dienen soll, nicht entsprechend ist. Ich bin nämlich
der Ansicht, dass ein so schwacher, durchsichtiger eiserner Zaun auf einer
so niederen Fußmauer eher für die Umzäunung eines schön gelegenen
Gartens als für die Einfriedigung eines Gottesackers passend ist, mit
einem Worte, dass durch diesen Abschluss die Ruhe und Stille eines
Friedhofes nicht genügend gewahrt wird: es sieht vielmehr aus, als ob man
absichtlich rings um die Ruhestätte der Toten herum alles offen gelassen,
damit der Lärm und das Getriebe der Lebenden den Toten nicht vorenthalten
bleibe. Tatschlich habe ich auch überall, wo ich noch war, nirgends einen
Friedhof getroffen, der mit einem so durchsichtigen Zaun umgeben war, wie
in dem vorliegenden Projekt, sondern überall sind die Friedhöfe entweder
mit dich geschlossenen Mauern, oder, wenn die Mittel nicht reichen, mit
einfachen Bretterzäunen umgeben.'
Architekt Braunwald unterbreitete dem hiesigen Vorsteheramt folgende drei
Pläne: die Einfriedigung des Friedhofes entweder durch eine gehobelte
Bretterwand oder durch eine Backsteinmauer oder schließlich durch eine
Mauer aus festen, harten Steinen auszuführen. Das Vorsteheramt beschloss,
den dritten Plan zur Ausführung zu bringen. Sämtliche Gesamt- und Einzelpläne
sowie die Kostenvoranschläge fertigte in liebenswürdigster und uneigennützigster
Weise Architekt Braunwald. Leider starb Braunwald, bevor die Mauer
fertiggestellt war. Die Leitung und Aufsicht beim Bau der Mauer lag in den
Händen des Oberamtsbaumeisters Kaufmann in Weikersheim. Die Grab-
und Maurerarbeit war mit 6386 Mark, die Schlosserarbeit (zwei Tore) mit
640 Mark errechnet. Die Mauerer- und Grabarbeit wurde von Maurermeister Joh.
Gernhard, hier, die Schlosserarbeit von Schmiedmeister Marquard
ausgeführt. Die Gesamtkosten beliebten sich auf 8460 Mark. Die Mauer hat
eine Gesamtlänge von 293 Meter. So wurde ein allen Ansprüchen
entsprechendes Werk geschaffen, das ein ehrendes Zeugnis für den
Opfersinn der hiesigen Gemeindemitglieder sowie der weiteren Spender
ablegt.
Donnerstag, den 21. Adar 5650 (1890), wurde die erste Entschlafene auf dem
neue, nun mitumfriedigten Teil des Friedhofes beerdigt und dabei von
Oberlehrer Preßburger der neue Friedhof in Anwesenheit der hiesigen
und der Archshöfer Gemeindemitglieder in ernster Weise seiner heiligen
Bestimmung übergeben. Seit 1890 wurden auf diesem neuen Teil des
Friedhofes 91 Entschlafene zur ewigen Ruhe
gebettet." |
Lage des Friedhofes
|
Lage des jüdischen Friedhofes Creglingen
(durch
Pfeil markiert)
(Topographische Karte aus den 1970er-Jahren) |
Link zu den Google-Maps
(der Pfeil markiert die Lage des Friedhofes)
Größere Kartenansicht
Fotos
Historisches
(Historisches Foto aus: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe 1932)
|
|
Teilansicht des Friedhofes 1932 |
Amateurgemälde von Creglingen mit
Darstellung eines
jüdischen Begräbnisses
(Quelle: Jüdisches
Museum Creglingen) |
|
Neuere Fotos
(Quelle: schwarz-weiße
Fotos von J. Hahn, entstanden Mitte der 1980er-Jahre; farbige Fotos -
ausgenommen das Foto von der Besuchergruppe 1987 - von Martin Heuwinkel,
Christof Maihöfer, Anita Bone-Czerniejewski aus den Jahren 2001/03, übersandt
von Myrah Adams)
Presseartikel aus jüngerer Zeit
Juni 2016:
Eine Inschriftenplatte kehrt zum Friedhof
zurück |
Artikel von Hans-Peter Kuhnhäuser in den
"Fränkischen Nachrichten" vom 11. Juni 2016: "Jüdischer Friedhof Creglingen: Grabstein von Ferdinand Löwenthal ist wieder vollständig / Landesrabbiner und Bürgermeister bitten um Spenden.
Zufallsfund ist wieder am richtigen Platz
Creglingen. Der Fund war "reiner Zufall", erinnert sich Ulrich Schönberger. Kürzlich suchte er im ehemaligen Bauhof nach Brauchbarem für den Gewerbeverein.
'Da habe ich die Inschriftenplatte gefunden.'
Wie die Platte da hingelangte, ist unklar. Allerdings soll sich diese Tafel noch bis Ende der 1980er Jahre am Grabstein von Ferdinand Löwenthal befunden haben, erklärte Albert Krämer im Gespräch mit unserer Zeitung. Anzunehmen ist deshalb, dass sie sich wohl infolge von Jahrzehnte langen Witterungseinflüssen vom Grabstein gelöst hatte und wahrscheinlich von einem Bauhof-Mitarbeiter in der Scheune gelagert wurde. Danach geriet sie aus unbekannten Gründen in Vergessenheit, bis Ulrich Schönberger sie fand.
Schnell war dem Finder, den anderen Vertretern der Stiftung des Jüdischen Museums Creglingens und Bürgermeister Uwe Hehn klar, was mit dieser Platte geschehe sollte: "Wieder dahin, wo sie war und hingehört, nämlich an den Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in
Creglingen', machte der Bürgermeister am Donnerstag bei der aus diesem Anlass organisierten Feierstunde deutlich.
Dazu war aus Stuttgart der Landesrabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW), Netanel Wurmser, angereist. Mit dabei waren zudem Dr. Christoph Bittel und Martin Heuwinkel, Ingrid Thomé-Reinhard und Ulrich Schönberger von der Stiftung Jüdisches Museum Creglingen sowie Albert Krämer und Stadträtin Anita
Bone-Czerniejewski.
Albert Krämer machte einige Angaben zur Person des am 24. Dezember 1866 in Archshofen geborenen Ferdinand Löwenthal, der als drittes von fünf Kindern des Ehepaares Anselm Löwenthal und seiner aus Dittigheim stammenden Frau Johanna, geborene Steinhardt, in Archshofen aufwuchs. Dort lebten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrere Löwenthal-Familien.
1882 zogen vier von ihnen mit insgesamt 25 Personen nach Rothenburg, Ferdinand Löwenthal aber blieb in seiner Heimatgemeinde. Am 1. Juli 1901 heiratete er Betty Staudecker aus dem badischen Merchingen, die Trauung in Würzburg vollzog ein Rabbiner namens Bamberger.
'Ferdinand Löwenthal war ein angesehener Bürger und das einzige Mitglied jüdischen Glaubens im 1868 gegründeten Männer-Gesangverein', verdeutlichte Krämer. Auf einem Foto von 1902, das anlässlich der Fahnenweihe entstand, ist Ferdinand Löwenthal zu sehen. Gestorben ist er am 27. Dezember 1932 im Alter von 66 Jahren, kurz nachdem er sich in Bad Mergentheim einer Operation unterziehen musste. Der Landesrabbiner, Ulrich Schönberger und Martin Heuwinkel legten dann gemeinsam Hand an und befestigten die Inschriftenplatte wieder am Grabstein. Netanel Wurmser las aus dem 119. Psalm und sprach das Erinnerungsgebet für die Verstorbenen. Weiter machte Wurmser darauf aufmerksam, dass die hebräische Inschrift auf einen
'gradlinigen Menschen' hinweise, der ein 'koscheres Leben' geführt habe.
Da der Friedhof im Besitz der IRGW ist - für die Pflege ist die Stadt zuständig, die Kosten trägt das Land - nutzten die Anwesenden die Gelegenheit für einen Rundgang. An zahlreichen der aus Sandstein gefertigten Grabsteine nagt der Zahn der Zeit, doch bei einigen könnte eine fachgerechte Restaurierung den weiteren Zerfall aufhalten. Wie so häufig ist auch der Erhalt der Gräber eine Geldfrage, insofern
'sind Spenden immer willkommen', waren sich Uwe Hehn und der Landesrabbiner einig. Angesprochen wurde auch der Archshöfer Thora-Vorhang, der in der Stuttgarter Synagoge ausgestellt ist. Die Mitglieder der Stiftung würden diesen gerne bei einer Sonderausstellung im Museum zeigen.
'Da spricht nichts dagegen', sagte Wurmser, der sich selbst die Frage stellte, wie der Vorhang nach Stuttgart gekommen ist.
'Ich weiß es nicht.' Gleichwohl sei es ein schönes Zeichen, dass nicht alles zerstört wurde."
Link
zum Artikel (mit Foto) |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Claudia Heuwinkel: Jüdisches Creglingen. Ein
Gang durch die Stadt. 2001. |
| S. Michal Antmann: Der jüdische Friedhof von
Creglingen. Grunddokumentation im Auftrag der Stadt Creglingen. 1998. |
| Eva
Maria Kraiss/Marion Reuter: Bet Hachajim. Haus des Lebens.
Jüdische Friedhofe in Württembergisch Franken. Künzelsau 2003. ISBN
3-89929-009-7.
(Kommentar des Webmasters: Außerordentlich schöner und
informativer Bild- und Textband mit hervorragenden Fotos der Friedhöfe in
Berlichingen, Braunsbach, Crailsheim, Creglingen, Dünsbach, Hohebach,
Krautheim, Laibach, Michelbach an der Lücke, Niederstetten, Öhringen,
Steinbach, Weikersheim) |
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