Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Jebenhausen (Stadt Göppingen,
Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts den Freiherren
von Liebenstein gehörenden Jebenhausen bestand eine jüdische Gemeinde bis
1899. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhundert zurück. 1777 wurden
die ersten 20 Familien am Ort aufgenommen wurden.
Die höchste Zahl jüdischer
Einwohner wurde um 1845 mit 550 Personen erreicht (über 46 Prozent der
Gesamteinwohnerschaft). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die
Zahl durch Aus- und Abwanderung (insbesondere nach Göppingen
und Stuttgart) schnell zurück, sodass
1891 nur noch 52 und 1910 nur noch vier jüdische Einwohner in Jebenhausen gezählt
wurden.
Die jüdischen Familien betätigten sich vorzugsweise im Vieh- und
Pferdehandel (1863 noch 25 Viehhändler) sowie im Handel mit verschiedenen
Waren. Auch gab es in den 1830er- und 1840er-Jahren mehrere Fabriken
(Manufakturgeschäfte) in der Textilbranche.
Von 1778/79 bis 1868/74 war
Jebenhausen Sitz eines Rabbinats. Danach wurde es nach Göppingen verlegt.
Von den in Jebenhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sofie Bodenheimer geb.
Dettelbacher (1863), Johanna Frey (1872), Rosa Herzberger geb. Mannheimer
(1870), Pauline Israel geb. Gutmann (1852), Thekla Kahn geb. Rohrbacher (1868),
Betty Lauchheimer geb. Leiter (1883), Friederike Lehmann geb. Raff (1857),
Julius Raff (1868), Marta (Martha) Schwenzer geb. Oppenheimer (1879), Hedwig
Weil geb. Rosenthal (1881), Adolf Zürndorfer (1874).
Zur Geschichte des Betsaales/der Synagoge
Seit 1777 wurden die
Gottesdienste in einem einfachen Betsaal abgehalten. Dieser erwies sich
bald als zu klein. 1779 wird berichtet, dass inzwischen mehr Beter vor dem
Betraum stehen mussten, als innen Platz fanden.
1779 wurde eine erste Synagoge in der
Aichgasse erbaut. Bei der Finanzierung halfen auch andere Gemeinden mit. Die
beiden Vorsteher Abraham Sandel Lauchheimer und Beerle Weil hatten sich mit zwei
Sammelbüchern auf den Weg gemacht und kamen mit Spenden aus über 60 jüdischen
Gemeinden zurück. Die Zimmerleute Johannes Martin und Andreas Müller in Göppingen
fertigten die Pläne an und führten den Bau zusammen mit anderen Handwerkern
aus. Seit Herbst 1779 konnten die Gottesdienste in der Synagoge gefeiert werden.
Allerdings war diese erste Synagoge für die
um 1800 auf 40 jüdische Familien angewachsene Gemeinde schnell zu klein
geworden. Seit 1798 beschäftigten sich mehrere Gemeindeversammlungen mit dem
Bau eines größeren Gotteshauses. Im Juni 1800 konnte für 148 Gulden ein
geeignetes Grundstück am späteren Postplatz (Boller Straße 36, hier nach 1900
das Rathaus von Jebenhausen) zum Bau einer neuen Synagoge gekauft werden.
Da für den Neubau wiederum die bescheidenen Mittel der jüdischen Familien
nicht ausreichten, war erneut eine Kollekte nötig, die diesmal von Elias
Gutmann und Moses Faist Rosenheim durchgeführt wurde. Sie begaben sich von Frühjahr
1803 immer wieder auf Rundreisen zu jüdischen Gemeinden einer weiten Umgebung.
Da durch die Kollekte nur ein Teil der veranschlagten Gesamtkosten von 3130
Gulden erbracht werden konnten, mussten mehrere Darlehen aufgenommen werden.
1803 und 1804 wurde die Synagoge erbaut und wenige Tage vor den Hohen Feiertagen
im Herbst 1804 feierlich eingeweiht. Zeitgenossen rühmten die Synagoge als
einen sehr schönen und würdigen Bau. Die Inneneinrichtung im Betsaal selbst
bestand neben dem Toraschrein und einer tragbaren Kanzel zunächst aus den
damals üblichen beweglichen Betpulten (Ständer). 1841 sollten auf Anregung der
Israelitischen Oberkirchenbehörde statt der bisherigen Ständer einige Bänke
angeschafft werden. Damit wollte man "nicht nur Raum gewinnen, sondern auch
die Bildung eines Gesangs-Chores erleichtern". Dagegen wehrte sich jedoch
mit Erfolg eine Gruppe von Gemeindegliedern unter Anführung des Vorstehers
Hayum Bernheimer.
Eine umfassende Renovierung der Synagoge
wurde 1862 notwendig, die einen Gesamtaufwand von 7433 Gulden verursachte. Die
von Stadtbaumeister Schmohl aus Göppingen durchgeführten Baumaßnahmen
betrafen eine völlige Neugestaltung des Innen- und Außenbereiches. An Stelle
der bisherigen Pulte wurde ein neues Gestühl angefertigt, bestehend aus 38 Bänken
mit zusammen 248 Sitzplätzen, die teilweise Klappsitze waren. Rabbiner und
Vorbeter erhielten neue eichene Einzelsitze. Zur Innenausstattung trugen
zahlreiche Stiftungen von Gemeindegliedern und Vereinen bei. Zum wertvollsten
gehörten die von Gemeindevorsteher Daniel Rosenthal gestifteten fünf
Kronleuchter und zwei Kandelaber, die einen Wert von 600 Gulden hatten oder die
von Gemeindevorsteher Leopold Einstein gestifteten Vorhänge aus rotem Samt für
den Toraschrein und die Kanzeldecke im Wert von 200 Gulden. Am 20. Dezember 1862
konnte die Synagoge feierlich
eingeweiht werden. Rabbiner Herz hielt die Weiherede.
Die Synagoge wird neu eingeweiht (1862)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Januar
1863: "In Jebenhausen wurde die Synagoge neu restauriert
und am 19. Dezember vorigen Jahres feierlich eingeweiht. Die Stuttgarter
Liturgie wurde zugleich dort eingeführt und ein Harmonium
aufgestellt, das den Gesang begleitet. Die christlichen Bezirks- und
Gemeindebeamten nahmen freundlichen Anteil an der Feier, die der
Ortsrabbiner leitete und der seiner Rede die schönen Worte Psalm 26,6
zugrunde legte." |
Veröffentlichung der Predigten von Rabbiner Herz zur
Einweihung der Synagoge (1863)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18.
August 1863: "Zwei Predigten bei der Synagogenweihe zu
Jebenhausen von Rabbiner Herz. An Psalm 26,8 knüpft der Redner in
der ersten Predigt, der eigentlichen Weihepredigten, die Mahnungen: 1) in
dem Gotteshause weihevoll und andächtig zu sein und sich zu verhalten; 2)
das Gotteshaus zu lieben und oft zu besuchen; 3) den Wandel im Leben nach
den im Gotteshause empfangenen Lehren einzurichten. In der zweiten, am
darauffolgenden Sabbat-Chanukka gehaltenen Predigt deutet der Sacharja
2,14 auf die drei Stätten, die außer dem Gotteshause dem Herrn geweiht
werden müssen, und versteht darunter das Herz, die Familie und den
Sabbat, letzteren als die rechte Heiligung für das ganze Leben. Die
Sprache des Redners ist warm und herzlich, einfach und fließend, wie ein
würdiger Seelensorger zu der ihm anvertrauten Gemeinde spricht und bei
ihr auf willi8ges Entgegenkommen rechnen darf." |
Nur wenige Jahrzehnte diente die Synagoge
Jebenhausens als Gotteshaus der örtlichen jüdischen Gemeinde Gemeinde. Im Laufe der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts verzogen fast alle der jüdischen Gemeindeglieder in die Städte,
insbesondere nach Göppingen. So musste bereits am 31. Dezember 1899 der letzte
Gottesdienst in der Synagoge gefeiert werden. Am 14. Januar 1900 erfolgte die Übergabe
des Vermögens der aufgelösten Gemeinde an die israelitische Kirchengemeinde Göppingen.
Dabei wurden unter anderem zehn Torarollen, der silberne Toraschmuck und weitere
kultische Einrichtungen übergeben. Das Gebäude der ehemaligen Synagoge wurde
zunächst noch als Lager einer jüdischen Firma verwendet, 1905 abgebrochen.
Das Synagogen-Gestühl ist zu verkaufen (1900)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
13. August 1900: "Synagogen-Gestühl.
Aus der Synagoge der aufgelösten Gemeinde Jebenhausen hat das
Unterzeichnete das gesamte Gestühl zu verkaufen: es besteht in:
1) 18 Stühle à 6 Plätze, ca 3,50 lang, mit Klapp-Sitzen und
Kästchen.
2) 8 Stühle à 5 Plätze ca. 2,80 lang, mit 3 ohne Kästchen;
3) 10 Stühle à 8 Plätzen 4,70 lang, feste Sitze und ohne
Kästchen;
4) 2 Stühle à 6 Plätzen 3,50 lang, feste Sitze und ohne
Kästchen;
5) 2 eichene Einzel-Stühle (Vorsteher usw.).
6) eichene Kanzel, mit 2 eichenen Treppen. Das Gestühl ist 1863 neu
angeschafft worden und sehr gut erhalten; Nr. 1-4 sind die Docken eichen,
sonst tannen. Es ist hier günstige Gelegenheit geboten, für Gemeinden,
die ein neues Gestühl anzuschaffen gewillt sind.
Zu weiteren Auskünften und Entgegennahme von Offerten ist gerne
bereit.
Das Israelitische Kirchen-Vorsteher-Amt Göppingen: I.A. Rabbiner
Straßburger. P
.S.: Ebenso sind abzugeben 5 Torarollen (nicht koscher) und
eine schöne Haftara." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September
1900: "Synagogengestühl.
Aus der Synagoge der aufgelösten Gemeinde Jebenhausen hat das
Unterzeichnete, das gesamte Gestühl zu verkaufen; es besteht in 40
Stühlen mit 240 Plätzen; die einzelnen Stühle haben je 5-8 Plätze und
sind 2,80 bis 4,70 Meter lang und durchschnittlich 1 m 12 cm hoch; das
Gestühl ist sehr gut erhalten, hat teilweise (48 Plätze)
Klappsitze und Bücherkästchen.
Aus gleichem Anlasse hat das Unterzeichnete einige Torarollen, sowie fünf
größere Leuchter abzugeben.
Da wir den Wunsch haben, diese Gegenstände ihrem bisherigen Zweck zu
erhalten, so werden die Preise demgemäss gestellt.
Israelitisches Kirchen-Vorsteher-Amt Göppingen." |
Aus
der Inneneinrichtung der Synagoge sind in der (alten) evangelischen Kirche (Boller
Straße 82) noch erhalten: zehn Bänke mit charakteristischen Läden, in denen
Gebetstücher und –bücher aufbewahrt wurden, sowie fünf Kronleuchter. 1905 hatte
die Gemeinde dies der evangelischen Kirche geschenkt. Diese Kirche dient
inzwischen als
Gedenkstätte mit
Museum für die jüdischen
Gemeinden Göppingen und Jebenhausen.
Fotos
Historische Fotos / Plan:
(Quelle: Stadtarchiv Göppingen; Foto des Grundsteines: Jüdische Gotteshäuser und
Friedhöfe in Württemberg. 1932. S. 80; die Fotos sind verschiedentlich in den
Publikationen des Stadtarchives, insbesondere dem Reprint des Buches von Aron
Tänzer, publiziert worden)
 |
Plan des
Synagogengrundstückes und der Umgebung: Schulhaus
der israelitischen
Gemeinde und der dazugehörige Garten |
|
Historische Ansichtskarte
von Jebenhausen
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) |
 |
 |
|
Die
Ansichtskarte von Jebenhausen mit einer Straßenpartie bei der Synagoge
wurde von Moritz Rosenthal am 25. Mai 1900 nach Schorndorf geschickt. Der
Inhalt ist persönlicher Art, u.a.: "Liebe Bertha. Erst heute
komme ich dazu, deine liebe Karte zu beantworten, denn an dem Tage, als
dieselbe kam, erkrankte ich nochmals an Darmentzündung, jetzt ist alles
vorbei. Heute schrieb ich auch an deine Lieben... auf baldiges Wiedersehen
in Schorndorf... dein Freund Moritz Rosenthal". |
|
|
|
 |
 |
 |
Die Synagoge in Jebenhausen
um 1900 |
Innenaufnahme:
Blick zum Toraschrein |
Grundstein der Synagoge Jebenhausen
von 1804, nach Abbruch in die
Synagoge
Göppingen verbracht |
|
|
|
|
|
 |
 |
 |
Toravorhang, gestiftet 1804 von Simon
Faist Rosenheim und seiner Frau |
Leuchter aus der Synagoge Jebenhausen,
jetzt in der (alten) evangelischen
Kirche |
Stickerei: Bord
eines Toravorhanges |
|
|
|
|
 |
|
|
Der Abbruch der Synagoge 1905 |
|
Fotos nach 1945/Gegenwart - erstellt bei der Jahrestagung der "Alemannia
Judaica" im Oktober 2012 :
Im Jüdischen
Museum in
Göppingen-Jebenhausen
(Fotos: Hahn) |
 |
 |
 |
|
Alte
evangelische Kirche in
Jebenhausen: jetzt jüdisches
Museum |
Begrüßung
durch Stadtarchiv Dr. Karl-Heinz Rueß |
|
|
|
|
|
 |
 |
 |
 |
Besichtigung
des jüdischen Museums mit Dr. Karl-Heinz Rueß |
|
|
|
|
 |
 |
 |
 |
Wirtshausschild
des
"König David" |
Leuchter
aus der Synagoge, die nach deren Abbruch 1905
in die Kirche kamen |
Erinnerungen
an
Rabbiner Dr. Aron Tänzer |
|
|
|
|
 |
 |
 |
|
Erinnerungen an
die 1938
zerstörte Göppinger Synagoge |
Erinnerungen an
Ereignisse
in der NS-Zeit |
Zur Beteiligung
jüdischer Kriegs-
teilnehmer im Ersten Weltkrieg |
|
|
|
|
|
Rundgang
durch
Jebenhausen |
 |
 |
 |
|
Am
Standort der 1905 abgebrochenen Synagoge |
|
|
|
|
|
 |
 |
 |
 |
Ehemaliges
Haus
des Rabbiners |
Blick auf die
Häuser am
früheren "Judenberg" |
Vor dem früheren
Armenhaus
der jüdischen Gemeinde |
Gang über den
früheren
"Judenberg" |
|
|
|
|
|
 |
 |
 |
|
Vor
dem Haus der Familie Lauchheimer, die letzte jüdische Familie
in Jebenhausen nach 1933 |
"Stolperstein"
für Betty
Lauchheimer geb. Leiter (1883) |
|
|
|
|
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Oktober 2010:
Vortrag von Inge Auerbacher in Jebenhausen |
Foto
links: Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Inge Auerbacher (auf der Bank) mit Eltern und Großeltern vor dem Haus der Großeltern Lauchheimer in
Jebenhausen.
Artikel in der "Südwestpresse" vom 10. Oktober 2010 (Artikel):
"Engagement gegen das Vergessen
Göppingen. Inge Auerbacher aus New York ist für zwei Wochen in Deutschland zu Besuch, um in Vorträgen über das Schicksal ihrer Familie zu berichten.
Die erste Veranstaltung findet morgen ab 19.30 Uhr im Jüdischen Museum in Jebenhausen statt. Dort lebten ihre Großeltern Lauchheimer. Das Haus steht noch am Vorderen Berg, seit 2007 erinnert ein "Stolperstein" im Gehweg davor, dass Inges Großmutter Betty Lauchheimer nach der Deportation in Riga ermordet worden ist.
Inge Auerbacher war als Kind mit ihren Eltern im KZ Theresienstadt inhaftiert, die Familie hatte das Glück zu überleben. Ihre Kindheit im KZ schilderte Inge Auerbacher später in dem Buch "Ich bin ein Stern", das in acht Sprachen übersetzt wurde. Für ihr Engagement für Toleranz und Menschenrechte hat Inge Auerbacher in den USA zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
Bei dem mit Bildern illustrierten Vortrag im Jüdischen Museum wird Inge Auerbacher über ihr Schicksal unter der Verfolgung im Nationalsozialismus berichten. Begleitet wird sie von ihrer Freundin Gardy-Käthe Ruder, eine Enkelin eines Opfers der NS-Euthanasie. Die Beschäftigung mit dem Schicksal der Großmutter veranlasste Gardy-Käthe Ruder, gegen Widerstände das Projekt "Stolpersteine" in Lahr sowie weitere Projekte, die sich mit der Integration von Randgruppen befassen, auf den Weg zu bringen.
Inge Auerbacher und Gardy-Käthe Ruder lernten sich 1999 in der ehemaligen Synagoge Kippenheim kennen. Die Dreharbeiten zum Film "The Olympic Doll" sind Grundlage von Ruders Publikation "Holocaust im Gedächtnis einer Puppe - unterwegs auf Lebensspuren von und mit Inge Auerbacher".
Brücken bauen über Generationen hinweg und einen Beitrag leisten zur Sensibilisierung gegenüber Unrecht und Gewalt sind erklärte Anliegen beider Frauen, die ihr Engagement gegen das Vergessen an diesem Abend vorstellen.
Die Veranstaltung wird von Bürgermeister Jürgen Lämmle mit einem Grußwort eröffnet." |
|
April 2016:
Im jüdischen Museum wird zum
25-Jahr-Jubiläum die Ausstellung erneuert |
Artikel von Karen Schnebeck in den
"Stuttgarter Nachrichten" vom 27. April 2016: "Jüdisches Museum in
Göppingen Neue Ausstellung zum 25-Jahr-Jubiläum .
Die Stadt investiert 280 000 Euro in die Erneuerung der Schau im Jüdischen
Museum. Die Stadträte sind von dem Konzept begeistert, das vor allem die
Bewohner der einst größten jüdischen Gemeinde Württembergs in den Fokus
rückt.
Göppingen - Es gebe viele neue Forschungsergebnisse und auch viele neue
Möglichkeiten, Wissen auf spannende Weise zu vermitteln, sagt der Göppinger
Stadtarchivar Karl-Heinz Rueß. Deshalb, und weil im Jüdischen Museum in
Jebenhausen ohnehin einiges renoviert werden muss, soll die Ausstellung im
Herbst kommenden Jahres für rund 280 000 Euro komplett überarbeitet werden –
pünktlich zum 25-jährigen Bestehen des Museums. Den Sozialausschuss des
Gemeinderats hat Rueß mit seinem Konzept bereits überzeugt, die endgültige
Zustimmung am 12. Mai scheint nur noch eine Formsache zu sein. Im Ausschuss
schwärmten die Stadträte von der 'Strahlkraft des Museums', die weit über
Göppingen hinausreiche (Christine Lipp-Wahl, Grüne). Es sei sehr gut, dass
das Museum nun auf den Stand der Zeit gebracht werde, sagte Heidrun
Schellong (SPD) und Rudolf Bauer (FWG) wünschte Rueß einen ebenso großen
Erfolg wie mit dem Umbau des Städtischen Museums im Storchen.
Viel zu sehen für Schulklassen. Einige Stadträte träumen bereits
davon, dass die neue Ausstellung im Verein mit dem geplanten Erinnerungsweg
zahlreiche Schulklassen in den Göppinger Stadtteil locken wird. Wenn erst
das geplante Märklin-Museum in der Stuttgarter Straße fertig sei, ergebe das
ein spannendes Programm für einen kompletten Wochenendausflug, frohlockte
etwa Felix Gerber (CDU). Dem Konzept zufolge wird es zusätzliche inhaltliche
Schwerpunkte sowie Film- und Tonbandaufnahmen geben, auch die Schicksale
einzelner Menschen bekommen einen größeren Raum. Einen wichtigen Teil der
neuen Schau soll die Zeit nach 1945 und die Aufarbeitung der Verbrechen der
Nazis in Göppingen ausmachen. Es wird um den Prozess gegen die Männer gehen,
die Göppingens Synagoge in Brand gesteckt haben und um Untersuchungen, wer
für die Deportation der Juden verantwortlich war.
Schicksale und Menschen, die Verfolgten halfen. Auch die Geschichte
des in Göppingen hoch angesehen Apothekers Victor Capesius wird erzählt. Er
hatte als SS-Führer die Lagerapotheke im KZ Dachau und dem KZ Auschwitz
geleitet und war an Kriegsverbrechen in Auschwitz beteiligt. Im Jahr 1965
wurde er im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess zu neun Jahren Zuchthaus
verurteilt. Als er nach Göppingen zurückkehrte wurde er von den Bürgern mit
großer Begeisterung empfangen. Unter der Rubrik 'Lebensschicksale' wird die
Ausstellung zeigen, wie der Antisemitismus in den 20er Jahren in Göppingen
und Jebenhausen immer mehr überhand nahm. Aber auch, wie sich Menschen der
Barbarei entgegenstellten. So wird die berühmte Schlacht am Walfischkeller
1922 thematisiert, bei der sich Nazis und Kommunisten mehrere heftige
Schlägereien lieferten. Es wird von dem Feuerwehrkommandanten Keuler
erzählt, der die brennende Synagoge löschen wollte, aber daran gehindert
wurde, und von Gebhard Müller, der nach dem Krieg Württembergs erster
Staatspräsident wurde. Auch er versuchte damals, die Synagoge zu retten und
sagte im Prozess gegen die Täter aus.
Abenteuerliche Flucht und Erinnerungen auf Tonband. Bilder zeigen die
abenteuerliche Flucht der Kinder der Familie Frankfurter. Ein Pfarrer und
eine Diakonisse fuhren sie mit dem Auto bis Genua, von dort ging es per
Schiff nach Palästina. Auf Tonbandaufnahmen erzählt Werner Ottenheimer von
seiner Flucht nach Kuba als junger Mann und wie er dort schließlich festsaß.
Der Göppinger Stadtarchivar Rueß pflegte viele Jahre lang einen Austausch
mit Ottenheimer, dessen Familien seit Generationen in Jebenhausen gelebt
hatte. Er hat für Rueß eine Kassette mit der Geschichte seines Lebens
besprochen – im besten 30er Jahre Jebenhausener Schwäbisch.
Ein Spaziergang durch die Geschichte. Göppingen - Einst gab es in
Jebenhausen eine Synagoge, eine jüdische Schule, einen jüdischen Friedhof
und natürlich die Wohnhäuser der armen und reichen Juden. Heute ist die
Geschichte vieler dieser Gebäude und ihrer Bewohner nur noch Eingeweihten
bekannt. Der Verein Haus Lauchheimer will das ändern. Für rund 54 000 Euro
schafft er einen Erinnerungsweg, der Besuchern von der Geschichte der Juden
im Ort erzählt. Die Stadt bezuschusst das Projekt voraussichtlich mit 27 000
Euro. Im Herbst 2017 soll der Weg zusammen mit der neuen Ausstellung im
Museum fertig gestellt sein.
Kammersänger, Hitler-Attentäter, Nobel-Preisträger. Die Planungen für
den Erinnerungsweg sind schon weit gediehen: An neun Stationen werden mit
Infotexten auf Glasstelen wichtige Gebäude und ihre Bewohner der jüdischen
Gemeinde vorgestellt. Außerdem gibt es dort jeweils Hintergrundinformationen
zu Themen rund um das Judentum. Der Weg beginnt am Schloss, dort beginnt die
Geschichte der Juden in Jebenhausen: Die Ortsherren, die Freiherren von
Liebenstein, begannen im 18. Jahrhundert, Juden anzusiedeln – in Württemberg
war eine so große Ansiedlung damals beispiellos. Die Schutzbriefe, die den
rechtlosen Juden erlaubten, sich niederzulassen, wurden im Schloss
unterzeichnet.Die nächste Stele berichtet, wie aus der Dorfkirche in den
80er Jahren das jüdische Museum wurde. Eine Station ist neben dem
Feuerwehrmagazin. Dort befand sich bis 1905 die Synagoge. Als immer mehr
Juden wegzogen, wurde das Gebetshaus aufgegeben. Für viele neu wird auch die
Geschichte des Gasthofs König David an Station sieben sein, der heute nicht
mehr erhalten ist. Er war die erste koschere Gaststätte im Ort. Dort wurde
der Kammersänger Heinrich Sontheim geboren, dessen späteres Wohnhaus, die
Villa Wieseneck, ebenfalls auf dem Weg liegt. Noch weitere jüdische
Jebenhäuser werden erwähnt: Elsa Härlen, die mit dem Hitler-Attentäter Georg
Elser befreundet war und Pauline Koch, die Tochter eines Jebenhäuser
Bäcker-Paares. Sie hat den Ulmer Kaufmann Herrmann Einstein geheiratet. Ihr
Sohn Albert wurde 1879 in Ulm geboren."
Link zum Artikel |
|
März 2017:
Ein Erinnerungsweg Jüdisches Leben
soll angelegt werden |
Artikel von Margit Haas in der
"Südwestpresse" vom 28. März 2017: "Geschichte Lernweg soll an jüdische
Geschichte erinnern
Jebenhausen. Großformatige Glasstelen, wie sie bereits an die ehemalige
Synagoge in Baisingen bei Tübingen
erinnern oder über das Bundesarchiv zur Aufklärung von NS-Verbrechen in
Ludwigsburg informieren, werden im Laufe des Jahres auch in Jebenhausen
aufgestellt. Ein Jahr lang hatte eine Gruppe von zehn
Geschichtsinteressierten die inhaltliche Gestaltung der Tafel erarbeitet.
Gemeinsam werden sie den Lern- und Erinnerungsweg 'Jüdisches Leben in
Jebenhausen' bilden. Er entsteht auf Initiative des 'Vereins Haus
Lauchheimer – Erhalt und Förderung des jüdischen Kulturerbes Jebenhausen'
und wird von zahlreichen Gewerbetreibenden und privaten Spendern aus
Jebenhausen, der Stadt Göppingen – der Gemeinderat hatte einstimmig
beschlossen, einen Zuschuss zu gewähren – und dem Bezirksbeirat unterstützt.
Auch die Landeszentrale für politische Bildung beteiligt sich an dem Projekt
im Rahmen ihrer Gedenkstättenarbeit. 'Entlang der Gebäude der ehemaligen
jüdischen Siedlung in Jebenhausen sollen neun Informationstafeln aufgestellt
werden, die die jüdische Geschichte des Ortes und das damalige
christlich-jüdische Zusammenleben beschreiben', erläutert Vereinsvorsitzende
Christine Lipp-Wahl. 'Die jüdische Gemeinde in Jebenhausen verfügte über
wichtige Gemeindeeinrichtungen wie Synagoge, Tauchbad, Rabbinat, Schule,
koschere Gasthäuser und einen jüdischen Friedhof.' Die meisten Gebäude aus
dieser Zeit 'sind fast unverändert erhalten. Dies gilt auch für den
Friedhof', fährt sie fort. Nicht nur die Geschichte der Gebäude erfahren die
Besucher des Erinnerungsweges. 'Wir weisen auch auf besondere
Persönlichkeiten in Jebenhausen hin.' Zu ihnen zählen die
Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher, der Widerstandskämpfer Georg Elser
und der Tenor Heinrich Sontheim. Gleichzeitig informieren die Tafeln über
wichtige Elemente der jüdischen Religion wie den Schabbat, koscheres Essen,
die Thora und das Schulwesen sowie die jüdische Bestattungskultur. Die
Tafeln werden, ausgehend vom ehemaligen Liebensteinschen Schloss und dem
Jüdischen Museum, in der früheren evangelischen Kirche entlang der Boller
Straße und des Vorderen Berges bis zum Jüdischen Friedhof einen umfassenden
Einblick in das Leben einer jüdischen Landgemeinde geben und auch die
Reibungspunkte im Zusammenleben von Christen und Juden thematisieren. 'Der
Erinnerungsweg wird eine anschauliche Ergänzung zum Jüdischen Museum sein
und eine attraktive Verbindung zwischen Museum und Jüdischem Friedhof
bilden', ist Lipp-Wahl überzeugt. 'Wir wollen Geschichte erlebbar machen und
Interesse an der örtlichen Vergangenheit wecken.' Der Erinnerungs- und
Lernweg könne dazu beitragen, 'Vorurteile ab- und Toleranz aufzubauen'. In
jedem Falle sei er 'eine Aufwertung des Ortsbildes von Jebenhausen', ist die
Vereinsvorsitzende überzeugt.
Link zum Artikel
siehe auch
www.haus-lauchheimer.de."
|
|
Oktober 2017: Erinnerungsweg
Jüdisches Leben eingeweiht |
Artikel von Peter Buyer in der
"Südwestpresse" vom 16. Oktober 2017: "GÖPPINGEN. Erinnerungsweg jüdischen Lebens eingeweiht
In Jebenhausen hat Inge Auerbacher den Erinnerungsweg jüdischen Lebens eingeweiht. Auch ein Stolperstein erinnert an Max Lauchheimer, den Großvater der KZ-Überlebenden.
Dort oben am Fenster hat er gestanden, die Straße noch einmal hinauf- und hinuntergeschaut. Opa hat sein Jebenhausen geliebt. Dann ist er
gestorben.' 1939 war das, im Mai. Max Lauchheimer hatte sich nicht mehr von seiner Haft im KZ Dachau erholt. Er war der letzte Jude, der auf dem jüdischen Friedhof in Jebenhausen beerdigt wurde.
'Auf dem Friedhof geht alles zu Ende', sagt Inge Auerbacher, deren Opa Max Lauchheimer war.
'Aber ich will nicht, dass es zu Ende geht, ich will, dass es weitergeht.'
Die 82-jährige Auerbacher hat einige Jahre ihrer Kindheit in Jebenhausen im Haus ihrer Großeltern verbracht, darunter auch glückliche Tage. Bis die große Katastrophe auch ihre Familie einholt: Oma Betty Lauchheimer wird 1941 ins lettische Riga deportiert und dort ermordet. Die kleine Inge Auerbacher, sie ist sieben Jahre alt, verfrachten die Nazis im August 1942 mit ihren Eltern ins KZ Theresienstadt im heutigen Tschechien. Sie überleben, gehen 1946 nach New York.
Jetzt ist Auerbacher wieder in Jebenhausen, steht vor dem ehemaligen Haus ihres Großvaters an der Kreuzung Vorderer Berg/Herdweg und enthüllt zur Einweihung des Erinnerungsweges jüdischen Lebens in Jebenhausen eine Stele. Darauf wird an das
'Haus Lauchheimer' erinnert. Über 100 Jahre lang hatte die Familie Lauchheimer dort am Vorderen Judenberg 23 gewohnt. Jetzt ist es nur noch der Vordere Berg 23, aber das Haus ist noch da.
Der Verein Haus Lauchheimer, der sich seit Jahren um die Geschichte der Juden in Jebenhausen, einst eine der größten jüdischen Gemeinden im Königreich Württemberg, kümmert, hat den Erinnerungsweg gemacht.
'Wir wollen erinnern, aufklären, der Geschichtsklitterung vorbeugen und neugierig machen auf das jüdische Leben im
Ort', sagt Vorstandsmitglied Ilona Abel-Utz. 'Und zwar dort, wo das jüdische Leben
stattfand.' Und das fand auch im und vor dem Haus von Viehhändler und Metzger Max Lauchheimer statt.
Als Inge Auerbacher den grünen Stoff von der Stele gezogen hat, küsst sie ihre eigenen Finger und berührt damit die beiden Schwarz-Weiß-Fotos auf der Stele. Auf dem einen sitzt sie als kleines Kind zwischen ihren Großeltern auf einer Bank vor dem Haus. Auch ihre später in Polen getötete Cousine Lore ist auf dem Bild zu sehen.
'Danke für die Ehrung meiner lieben Großeltern', sagt Auerbacher. Deswegen bin ich aus New York gekommen, ich wollte dabei
sein'. Auerbacher geht es auch und vor allem um das Weiterleben. Sie berichtet von ihrem Reihenhäuschen in New York und ihren Nachbarn. Eine streng muslimische Familie wohne gleich nebenan, Hindus und Christen auch. Und es klappt,
'denn es gibt nicht ‚die Anderen‘, wir können nur zusammen leben'. Damit das auch in Jebenhausen funktioniert, bittet sie alle Anwesenden, sich an den Händen zu nehmen und ein fröhliches
'Schalom' zu wünschen. Einige schauen etwas irritiert, dann rufen alle 'Schalom' in das abendliche Jebenhausen. Auerbacher lächelt und erinnert sich, dass sie nicht nur in New York zu Hause ist:
'Ich bin ein Jebenhauser Mädel.' Dann entdeckt sie Martin Bender. Der hat vor einigen Jahren das alte Haus Lauchheimer gekauft, renoviert und wohnt jetzt dort, wo früher Inge Auerbacher ein- und ausging.
'Du sollst glücklich werden in dem Haus', sagt Auerbacher und nimmt Bender in den Arm. Bender nickt. Direkt vor seiner Haustür erinnern jetzt zwei
'Stolpersteine' an die ehemaligen Bewohner. Der für Betty Lauchheimer liegt dort seit 2007. Und seit Freitag auch einer für Max Lauchheimer, der nach seiner KZ-Haft auch an gebrochenem Herzen starb.
Öffentliche Führung am kommenden Sonntag: Erinnerungsweg: Auf neun Stelen wird über das jüdische Leben in Jebenhausen berichtet. Die erste steht am Schloss, dann folgt der Weg der Boller Straße und führt über den Vorderen Berg bis zum jüdischen Friedhof. Am Sonntag, 22. Oktober, um 15 Uhr gibt es eine öffentliche Führung, Start ist um 15 Uhr beim Parkplatz des Staufers-Marktes in der Boller Straße."
Link
zum Artikel |
|
Februar 2019:
Neueröffnung des Museums mit neuem
Ausstellungskonzept |
Artikel von Hans Mayer in der "Jüdischen
Allgemeinen" vom 7. Februar 2019: "Göppingen. Erinnerung an Vergessenes.
Das Jüdische Museum eröffnet mit einem neuen Ausstellungskonzept
Nach einer größeren konzeptionellen Umgestaltung hat das Jüdische Museum
Göppingen am 23. Januar mit einem Festakt seine neue Dauerausstellung
eröffnet. Jiddische Lieder, gesungen von Dorothea Baltzer und auf dem
Klavier begleitet von Hanno Bötsch, gaben der Veranstaltung den feierlichen
Rahmen. Nach der Begrüßung durch den Göppinger Oberbürgermeister Guido Till
erinnerte Jehuda Puschkin, Rabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft
Württemberg (IRGW), in seinem kurzen Grußwort an die reichen Wurzeln des
jüdischen Lebens im Neckar- und Filstal Württembergs. Dieses Museum, betonte
er, sei etwas Besonderes für die Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit
im Südwesten der Bundesrepublik.
Das Jüdische Museum Göppingen wurde 1992 als eines der ersten Jüdischen
Museen in der Bundesrepublik eröffnet. Sibylle Thelen von der Landeszentrale
für politische Bildung Baden-Württemberg rief in ihrer Rede in Erinnerung,
dass in den 80er-Jahren Gedenkstätten 'oftmals gegen massive Widerstände vor
Ort' durchgesetzt werden mussten. Hier hingegen habe 'die Stadt
entscheidende Impulse gesetzt'. Seinen Platz hatte es in der profanierten
evangelischen Kirche von Jebenhausen gefunden, einem Ortsteil von Göppingen,
in dem sich im 18. Jahrhundert die ersten Juden nach den Vertreibungen im
späten Mittelalter wieder angesiedelt hatten.
1777 hatten die Freiherren von Liebenstein einen Schutzbrief für Juden
ausgestellt, und binnen weniger Jahrzehnte war die jüdische Gemeinde auf
mehr als 500 Mitglieder angewachsen. Sie war damit eine der größten
jüdischen Gemeinden Württembergs. Mit der Industrialisierung zog es viele
Juden in die wachsende Industriestadt Göppingen. 1874 wurde dann der
Rabbinatssitz dorthin verlegt, und 1881 erfolgte die Einweihung der
Synagoge. Die Synagoge in Jebenhausen wurde im Jahr 1900 verkauft. Mit dem
Nationalsozialismus wurde die Geschichte der Göppinger jüdischen Gemeinde
ausgelöscht. 92 Göppinger Juden wurden ermordet, 233 konnten sich durch
Auswanderung retten.
Gedenkbuch Den Ermordeten ist im Museum ein Gedenkbuch jeweils mit
Bild und Kurzbiografie gewidmet. Heute gibt es keine jüdische Gemeinde mehr
in Göppingen. Die Erinnerung an die Göppinger Juden und ihren Beitrag zur
wirtschaftlichen Entwicklung des Ortes aber blieb und wird im heutigen
Jüdischen Museum dokumentiert.
Dank des frühen Interesses des Stadtarchivleiters Karl-Heinz Rueß, dem
richtigen Mann für die Aufgabe, wie Sibylle Thelen ausdrücklich hervorhob,
und dank der Unterstützung ehemaliger Göppinger Juden verfügt das Museum
heute über eine ansehnliche Sammlung an Ausstellungsstücken, darunter ein
Kidduschbecher von 1870 oder ein Schächtmesser mit Lederscheide. Die
außergewöhnlichsten Exponate sind jedoch die Bänke und der Deckenleuchter
aus der ehemaligen Synagoge. Beides wurde der evangelischen Gemeinde 1906
von Jebenhausener Juden nach der Auflösung ihrer Gemeinde geschenkt und
zeugt von dem guten Verhältnis zur christlichen Gemeinde.
Erfolgsgeschichte Mit mehr als 70.000 Besuchern in 25 Jahren war die
bisherige Dauerausstellung eine lokale Erfolgsgeschichte. Es sei jetzt aber
an der Zeit, sagte Archivleiter Rueß, 'die Ausstellung auf den aktuellen
inhaltlichen Stand zu bringen'. Zudem seien bauliche Instandsetzungen nötig
geworden. Die Stadt Göppingen stellte für die Gestaltungsmaßnahmen 305.000
Euro zur Verfügung. Auch die museale Didaktik änderte sich hin zu
biografischen Erzählungen und Lebensschicksalen, um auf diese Weise das
Leben der Juden in Göppingen für die Museumsbesucher lebendiger und
erfahrbarer zu machen.
Beispielhaft ist hier die Visualisierung des Lebens von Aaron Tänzer. Dieser
war nicht nur Rabbiner, sondern auch Wissenschaftler, Heimatforscher und
Patriot, der als 'nicht arisch' 1933 aus dem 'Kriegerverein' ausgeschlossen
wurde, was er sarkastisch mit 'Vaterlands Dank' kommentierte. Auch die
stillen Helfer während der Nazizeit kommen zu Wort. Die Darstellung der
religiösen Bräuche und Traditionen mit ihren beispielhaft ausgestellten
Kultgegenständen blieb weitgehend in der früheren Form erhalten. Neu ist
hier ein Aufrissmodell der Göppinger Synagoge, die 1938 zerstört wurde.
In der alten Dauerausstellung war die Zeit nach 1945 nicht berücksichtigt
worden. Dem wird nun in der Neukonzeption Rechnung getragen. Ein eigenes
Kapitel ist der juristischen Aufarbeitung der nationalsozialistischen
Verbrechen gewidmet, darunter der Auschwitz-Prozess, in dem der Göppinger
Auschwitz-Apotheker Victor Capesius auf der Anklagebank saß. Ergänzend wurde
auch die Geschichte der Erinnerungskultur aufgenommen, beginnend mit der
Errichtung eines Denkmals 1954 in der jüdischen Abteilung des Friedhofs,
damals finanziert von der IRGW selbst, und der von der Stadt Göppingen
aufgestellten Gedenktafel am Synagogenplatz 1967.
Stolpersteine In den 80er-Jahren hatte der damalige Oberbürgermeister
dann verstärkt den Kontakt zu ehemaligen jüdischen Göppinger Bürgern
gesucht. Daraus haben sich bleibende Beziehungen entwickelt. Immer wieder
besuchten die Überlebenden und ihre Nachfahren in den vergangenen Jahren die
Stadt, oftmals im Zusammenhang mit der Verlegung von Stolpersteinen. Thomas
Thiemeyer, Professor für Museumswissenschaften an der
Eberhard-Karls-Universität Tübingen, betonte in seinem Vortrag 'Zur
Erforschung und Vermittlung jüdischer Geschichte', dass neue Ansätze
erforderlich seien, 'um die Geschichte über das Verhältnis von Juden,
Christen und eben auch Muslimen in Deutschland weiterhin zu vermitteln, und
deshalb müssen sich Bildungsinstitutionen wie Museen aktuell neu erfinden'.
Vor allem soziale Medien veränderten das gesamte Alltagshandeln der
Menschen, 'das Smartphones und Tablets inzwischen ganz selbstverständlich
bestimmen', sagte Thiemeyer. Viele Museen müssen sich aktuell auch deshalb
neu aufstellen. Dem trägt das Jüdische Museum mit seiner Neukonzeption nun
Rechnung. Ein viereinhalb Minuten langer Animationsfilm (deutsch und
englisch) führt in die Geschichte der Jebenhäuser Juden in der Zeit zwischen
1777 und 1900 ein. VHS-Kassetten und Diaprojektionen wurden durch
Hörstationen und Touchscreens ersetzt. Das Museum bietet in der neuen
Dauerausstellung Recherchestationen zum jüdischen Glauben oder zu den
Wohnorten und Geschäften jüdischer Bürger in Göppingen. Hörstationen
erklären den Ablauf eines jüdischen Gottesdienstes oder die Architektur der
Synagoge. Historische Filme zeigen Ausschnitte aus dem Leben der jüdischen
Familie Rohrbacher und ihrer Auswanderung nach Palästina. Zudem werden
Aufnahmen eines Gesprächs zwischen Schülern und der KZ-Überlebenden Inge
Auerbach aus dem Jahr 2017 gezeigt.
Begleitprogramm Das Begleitprogramm mit Vorträgen, Diskussionen,
Filmen und Lesungen – über 200 Veranstaltungen haben bis dato stattgefunden
− wird fortgeführt und weiter ausgebaut. Eine Publikationsreihe mit
allgemeinen Darstellungen zur jüdischen Lokalgeschichte und zahlreichen
Einzeluntersuchungen vermittelt vertiefende Einblicke und Einsichten. Seit
2017 gibt es aufgrund einer bürgerschaftlichen Initiative auch einen mit
Informationsstelen markierten Rundweg durch die ehemalige jüdische Siedlung
Jebenhausen. Mitte dieses Jahres soll ein überarbeiteter Museumsführer in
deutscher und englischer Sprache vorliegen."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur (Auswahl):
 | Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern.
1966. S. 82-84. |
 | Aaron Tänzer: Geschichte der
Juden in Jebenhausen und Göppingen. Berlin/Stuttgart/Leipzig 1927. Reprint und
zusätzliche Beiträge von Karl-Heinz Rueß über "Die Israelitische
Gemeinde Göppingen 1927-1945" und "Dr. Aron Tänzer - Leben und
Werk des Rabbiners" Weißenhorn 1988. |
 | Dieter Kauß: Juden in Jebenhausen und Göppingen 1777 bis
1945. (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Göppingen Band 16).
Göppingen 1981. |
 | Georg Munz/Walter Lang: Die Jebenhäuser Judengemeinde und ihre
Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Göppingen, in:
Geschichte regional. Quellen
und Texte aus dem Kreis Göppingen 2 (1982) S. 134-153. |
 | Stefan Rohrbacher: From Wuerttemberg to America: a 19th-century village on its way
to the New World. 1989. |
 | ders.: Die jüdische Landgemeinde im Umbruch der Zeit. 2000. |
 | Naftali Bar-Giora Bamberger: Die jüdischen Friedhöfe
Jebenhausen und Göppingen. 1990. |
 | Jüdisches Museum Göppingen in der
Alten Kirche Jebenhausen. (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Göppingen
Band 29). Weißenhorn 1992. |

vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|