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Friedhöfe in der Region"
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Gunzenhausen (Kreis
Weißenburg-Gunzenhausen)
Jüdische Friedhöfe
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Synagoge in
Gunzenhausen (interner Link)
Zur Geschichte der Friedhöfe
Ein spätmittelalterlicher jüdischer Friedhof in Gunzenhausen ist seit 1460
nachzuweisen. Ab 1473 wurde er von den Juden aus der gesamten Markgrafschaft
belegt. Nach der Vertreibung der Juden aus der Stadt (vermutlich 1539) wurde der
Friedhof zerstört. Die Grabsteine wurden zum Bau von Gebäuden in der Stadt
verwendet. Die Lage dieses Friedhofes ist nicht
bekannt.
Seit Ende des 16. Jahrhunderts wurden die Toten der jüdischen Gemeinde in Bechhofen beigesetzt.
Erst
1875 wurde ein eigener Friedhof in Gunzenhausen angelegt und am 26. August 1875
durch den Ansbacher Distriktsrabbiner eingeweiht. Er wurde mit einer massiven
Bruchsteinmauer umgeben. Links neben dem Eingang wurde ein Taharahaus erstellt,
das nach 1945 zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Mauer und Taharahaus hatten die
Gemeinde 3.017 Gulden gekostet. Die erste Beisetzung war am 3. Oktober 1875
(Hugo Eichbaum). Auf dem Friedhof wurden auch die die Toten der jüdischen
Gemeinden Altenmuhr, Markt
Berolzheim, Heidenheim und Cronheim
beigesetzt.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Friedhof erweitert.
Erstmals wurde der Friedhof Ende 1929 geschändet:
Zur Schändung des jüdischen
Friedhofes vor Weihnachten 1929
Artikel in der jüdisch-liberalen Zeitung vom 1. Januar
1930:
"Nürnberg. Auf dem israelitischen Friedhof in Gunzenhausen bei
Ansbach wurde eine neue Friedhofsschändung entdeckt. Man fand 18
zertrümmerte Grabsteine. Die Täter konnten nicht gefasst werden. Auf
ihre Ergreifung ist eine Belohnung von 500 Mark ausgesetzt." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1930: dieselbe
Meldung wie oben. |
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Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
Januar 1930: "Wieder eine Friedhofschändung. Nürnberg, 29.
Dezember (1929). Wie aus Nürnberg gemeldet wird, wurde auf dem
Israelitischen Friedhof in Gunzenhausen bei Ansbach eine neue
Friedhofschändung entdeckt. Man fand 18 zertrümmerte Grabsteine. Die
Täter konnten noch nicht gefasst werden. Auf ihre Ergreifung ist eine
Belohnung von 500 Mark ausgesetzt." |
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Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
Februar 1930: "Bekanntlich wurden in der Weihnachtszeit auf dem israelitischen
Friedhof in Gunzenhausen 18 Grabsteine umgeworfen und zertrümmert. Die
Bekanntmachungen der Kultusgemeinde, des Ersten Bürgermeisters von
Gunzenhausen und der Regierung von Mittelfranken sind im folgenden
abgedruckt.
Bekanntmachung der Kultusgemeinde Gunzenhausen. Auf dem
israelitischen Friedhof wurden in einer der letzten Nächte von ruchloser
Hand 18 Grabdenkmäler umgeworfen und beschädigt. Die israelitische
Kultusgemeinde setzt hiermit eine Belohnung von insgesamt RM 500.-
(Fünfhundert RM) für den oder diejenigen aus, welche Angaben machen
können, die es ermöglichen, dass die Täter der gerichtlichen Bestrafung
zugeführt werden können.
Gunzenhausen, den 24. Dezember 1929. Die Verwaltung der israelitischen
Kultusgemeinde.
Bekanntmachung des 1. Bürgermeisters. Schandbuben blieb es
vorbehalten, unserer Stadt zu einer traurigen 'Berühmtheit' zu verhelfen!
In der Zeit vom 20. Dezember abends bis 23. Dezember morgens wurden im
israelitischen Friedhofe nicht weniger als 18 Grabsteine böswillig
umgeworfen und dadurch teilweise zertrümmert. Die Tat ist für jeden, der
nur noch einen Funken von Moral besitzt, gemein und niederträchtig.
Die israelitische Kultusgemeinde hat für die Ermittlung der Täter eine
Belohnung von RM 500.- ausgesetzt. Auch die Stadt Gunzenhausen als solche
hat ein sehr lebhaftes Interesse daran, die nichtswürdigen Täter
baldmöglichst festgestellt zu wissen. Wir bitten deshalb dringendst
jedermann, der Sachdienliches weiß, dies der Gendarmerie-Hauptstation
Gunzenhausen, welche zur Zeit mitdem Ermittlungsverfahren betraut ist,
mitzuteilen. Fall aus irgendwelchen Gründen dieser Weg nicht beschritten
werden will, ist auch der unterzeichnete Bürgermeister bereit, eventuell streng
vertrauliche Informationen entgegenzunehmen. Gunzenhausen, den 24.
Dezember 1929.
Die Ortspolizeibehörde gez. Dr. Münch, rechtskundiger 1.
Bürgermeister.
Bezirksamtliche Bekanntmachung. Nr. 724. Gunzenhausen, 21. Januar
1930.
Betreff: Beschädigungen im israelitischen Friedhof in Gunzenhausen.
Die Regierung von Mittelfranken, K.d.J., hat mit Entschließung vom
15.1.30 Nr. 2931 h1 mitgeteilt:
In einer der beiden letzten Nächte vor dem 23. Dezember 1929 wurden im
israelitischen Friedhof in Gunzenhausen etwa 18 Grabsteine umgeworfen.
Abgesehen von dem dadurch verursachten Schaden ist die in den letzten
Jahren im Landgerichtsbezirke Ansbach wiederholt erfolgte Schändung
israelitischer Friedhöfe und Gotteshäuser eine solche schmähliche
Handlungsweise, dass auch die Allgemeinheit an einer baldigen Aufklärung
dieser neuen Straftat interessiert ist. Für die Ermittlung oder sichere
Ermöglichung der Ergreifung der Täter wird deshalb seitens der Regierung
von Mittelfranken, Kammer des Innern, eine Belohnung von RM 100.-
ausgesetzt. Die Zuerkennung oder Verteilung dieses Betrages erfolgt und
Ausschluss des Rechtsweges durch die Regierung, K.d.J.,
Ansbach.
Bezirksamt, Dr. Schnetzer." |
Bis zur
NS-Zeit wurden etwa 400 bis 500 Beisetzungen vorgenommen. Auch nach 1933 wurde
der Friedhof wiederholt schwer geschändet, im Zusammenhang mit der Ereignissen
beim Novemberpogrom 1938 weitgehend zerstört. Bis 1945 wurden die meisten Grabsteine teilweise entwendet,
verkauft oder als Bau- und Pflastersteine missbraucht. Die Friedhofsfläche
wurde eingeebnet.
Nach dem Krieg wurden nur noch 41 Grabsteine gefunden und auf
den Friedhof zurückgebracht. Sie wurden wahllos aufgestellt.
1948 ist ein
Gedenkstein für die in der NS-Zeit umgekommenen Juden erstellt worden.
Lage des Friedhofes
Südöstlich des alten kommunalen Friedhofes an der
Leonhardsruhstraße
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Lage des jüdischen Friedhofes
in Gunzenhausen auf dem dortigen Stadtplan: links anklicken und
über das Verzeichnis der "Behörden und öffentl.
Einrichtungen" zu "Friedhof (ehem.), jüd.". |
Link zu den Google-Maps
(der grüne Pfeil markiert die Lage des Friedhofes)
Größere Kartenansicht
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmen vom März 2010; der Friedhof konnte am
Besuchstag nicht betreten werden; weitere Fotos werden bei Gelegenheit
eingestellt)
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Blick auf den Friedhof und
das
ehemalige Taharahaus |
Hinweistafel
am Eingang |
Blick vom Eingang
auf den Friedhof |
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Einige der erhaltenen
Grabsteine |
Blick auf das
Eingangstor mit Hinweistafel |
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Das ehemalige Taharahaus,
heute Wohnhaus |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2024:
Gedenktafel für die Familie Bermann am Friedhof
eingeweiht |
Artikel in den "Nürnberger Nachrichten" vom
25. Mai 2024: "Eine gutsituierte Familie. Neue Steintafel am jüdischen
Friedhof in Gunzenhausen erinnert an die Familie Bermann.
GUNZENHAUSEN - Einst waren sie eine angesehene Familie, ihr Schuh- und
Lederwarengeschäft florierte. Doch ab 1933 waren die Bermanns - wie alle
jüdischen Mitbürgern - auch in Gunzenhausen nicht mehr willkommen. Eine
Gedenktafel erinnert nun an ihr Schicksal. Die Schrecken des
Nationalsozialismus machten vor der Stadt Gunzenhausen nicht Halt. Das
Regime schlug auch in der mittelfränkischen Provinz mit Gewalt und
Rücksichtslosigkeit zu. Lebten 1933 noch 184 Juden in der Altmühlstadt,
verließen 1939 die letzten jüdischen Einwohner Gunzenhausen. Viele
überlebten den Holocaust nicht.
Das Taharahaus und der Friedhof: Wichtige Orte des Erinnerns. Der
Gunzenhäuser Stadtarchivar Werner Mühlhäußer forscht seit Jahrzehnten zur
Geschichte der jüdischen Kultusgemeinde von Gunzenhausen. Teile seiner
Erkenntnisse flossen in das international beachtete Projekt "Jüdisches Leben
in Gunzenhausen" (www.jl-gunzenhausen.de)
und in eine begehbare Ausstellung zur jüdischen Kultusgemeinde, welche
regelmäßig im Taharahaus besichtigt werden kann (Termine unter
www.gunzenhausen.info).
Mit dem Taharahaus und dem angrenzenden jüdischen Friedhof verfügt
Gunzenhausen über zwei wichtige Orte der Erinnerung. Regelmäßig besuchen
Nachkommen ehemaliger jüdischer Bürgerinnen und Bürger Gunzenhausen.
Gemeinsam mit Vertretern der Stadt, unter anderem im Rahmen der
Deutsch-Jüdischen Dialoggruppe Gunzenhausen, arbeiten sie an einer Zukunft,
in der sich Vergangenheit nicht wiederholen darf. So auch der Amerikaner
Leigh Firn, ein Nachkomme der Familie Bermann. Er ließ vor kurzem im
jüdischen Friedhof eine Gedenktafel anbringen, auf der die Namen seiner
Vorfahren zu lesen sind, darauf weist nun die Stadt Gunzenhausen in einer
Pressemitteilung hin. Leigh Firn ist ein Enkel Sophia Bermanns, die 1942 ins
Ghetto Piaski deportiert und später vermutlich ermordet wurde. Ursprünglich
stammen die Bermanns aus Markt Berolzheim, erst in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts verlegten die Tuch-, Schnitt- und Lederwarenhändler Nehemia
und Karolina Bermann ihren Lebensmittelpunkt nach Gunzenhausen. Sohn
Bernhard baute später ein Wohnhaus in der Auergasse 3, das gleichzeitig als
Geschäftseinheit diente. Bis zum Abbruch im Jahr 1880 befand sich am
gleichen Ort übrigens die zweite Synagoge Gunzenhausens.
Zwei Töchtern gelang die Flucht in die USA. Unter Führung des Sohns
wuchs das Familienunternehmen und bereits 1902 wurde im Anwesen Marktplatz
22 die Eröffnung des "Schuhwaren-Hauses" gefeiert. Zehn Jahre später wurde
der Laden in die Gerberstraße 8 verlegt, dazu die bisherige Bäckerei zu
einem "großen, modernen Laden" umgebaut, wie es in einem zeitgenössischen
Pressebericht nachzulesen ist. Bis zur Vertreibung durch die Nazis im Jahr
1935 lebten und arbeiteten die Bermanns in Gunzenhausen, ihr Schuh- und
Lederwarengeschäft war weit über die Grenzen der Altmühlstadt hinaus
bekannt. Zwischen 1879 und 1893 bekamen Bernhard Bermann und seine Ehefrau
Johanna acht Kinder. Während der jüngste Sohn Josef bereits 1890 im Alter
von nur sechs Monaten starb, wurde der älteste Sohn David 1902 während einer
Geschäftsreise, ermordet. Der zweitälteste Sohn Viktor fiel im Ersten
Weltkrieg. Die Spuren von Sohn Sigmund und der beiden Töchter Ida und Sophia
verlieren sich im jüdischen Ghetto Piaski, möglicherweise wurden die drei
Geschwister ins Vernichtungslager Belzec gebracht. Den beiden Töchtern Lina
und Klara gelang die Flucht in die USA.
Der amerikanische Staatsbürger Leigh Firn ist ein Enkel von Sophia Bermann.
Die Gunzenhäuserin heiratete 1906 den Viehhändler Leopold Firnbacher und
lebte mit ihm bis zur Zwangsumsiedlung nach München in Regensburg. Die vor
kurzem im jüdischen Friedhof angebrachten Gedenktafel erinnert an das
Ehepaar Bernhard und Johanna sowie an deren Kinder. Die beiden geflohenen
Töchter Lina und Klara finden sich auch darauf.
Die Gunzenhäuser Steinmetzwerkstatt Roll hat die Tafel angefertigt, die
Anbringung wurde durch den Friedhofsreferenten beim bayerischen
Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde in München genehmigt.
Künftig wird Stadtführerin Elke Hartung die Lebensgeschichte der Familie
Bermanns im Rahmen von Führungen zur jüdischen Kultusgemeinde nacherzählen.
Die Erinnerung an die jüdische Familie Bermann wird am Leben gehalten und
als Warnung an die Nachfolgegenerationen weitererzählt."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens
in Bayern. 1988 S. 161. |
| Michael Trüger: Der jüdische Friedhof in
Gunzenhausen.
In: Der Landesverband der Israelit. Kultusgemeinden in Bayern. 11. Jahrgang
Nr. 72 vom März 1997 S. 17-18. |
| Michael Schneeberger: Die Juden von
Gunzenhausen. In: Jüdisches Leben in Bayern. 19. Jahrgang Nr. 94 vom April 2004
S. 22-30. |
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