Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 


Zurück zur Übersicht: "Jüdische Friedhöfe in der Region"   
Zurück zur Übersicht: "Jüdische Friedhöfe in Hessen"     
Zur Übersicht "Jüdische Friedhöfe im Werra-Meißner-Kreis"  
Zur Übersicht "Synagogen im Werra-Meißner-Kreis"                  
    

Jestädt (Gemeinde Meinhard, Werra-Meißner-Kreis) 
Jüdische Geschichte / Jüdischer Friedhof
  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinden in Jestädt und Eschwege           
   
Zur jüdischen Geschichte von Eschwege siehe Seite zur Synagoge in Eschwege (interner Link)  
    
In Jestädt gab es zeitweise eine kleine jüdische Gemeinde innerhalb des Zeitraumes vom 17. bis zu ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zuletzt als Filialgemeinde zu Gemeinde in Eschwege. Nach einem vorliegenden Bericht war sie sogar von gewisser Bedeutung, da hier einige angesehene jüdische Gelehrte lebten. Es dürfte auch ein Betraum beziehungsweise eine Synagoge vorhanden gewesen sein. Der genannte Bericht ist von 1861, als der letzte jüdische Einwohner Jestädts starb und auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt wurde. Der Inhalt des Berichtes ist, was die historisch-präzise Darstellung betrifft, mit gewisser Zurückhaltung zu beurteilen, wie aus den Angaben zum Alter des Friedhofes hervorgeht, die auch der Redaktion als unmöglich erschienen sind (daher die Anmerkungen der Redaktion der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"). 
   
Über Quellen nachgewiesen ist (nach Angaben von Karl Kollmann s.Lit.), dass 1731 drei jüdische Familien in Jestädt waren. Zwei davon hielten sich ohne Schutzbrief auf. Die dritte Familie, der 80-jährige Liebmann Joseph mit seiner Frau hatte einen Schutzbrief von 1702. Etwas später muss ein Buchmaler Isaak hier wohnhaft gewesen sein, dessen Arbeiten vor allem im norddeutschen Raum gelegt sind
.   
   
   
Zur Geschichte des Friedhofes           
    
Der jüdische Friedhof in Jestädt könnte einer der ältesten in Hessen sein. Er war Friedhof der in Jestädt bestehenden kleinen jüdischen Gemeinde (s.o.), wurde jedoch vermutlich bereits seit dem Ende des Mittelalters von der in Eschwege bestehenden jüdischen Gemeinde belegt. Das ursprüngliche Gelände des Friedhofes erstreckte sich nach einer Flurkarte von 1780 rechtwinklig an einem steilen Hang in den Wald hinein. Erhalten ist jedoch nur ein Teil dieses Friedhofsgeländes.    
    
Der Friedhof diente als zentrale Begräbnisstätte auch anderer umliegender jüdischer Gemeinden, so für Orte wie Abterode (bis 1660), Reichensachsen (bis um 1700) und Sontra (bis 1710), die später ihre eigenen Friedhöfe anlegten. Die ältesten erhaltenen Steine stammen aus der Zeit des 17. Jahrhunderts. Der Friedhof wurde bis zur Anlage des Eschweger Friedhofes 1857 benutzt; die letzte erhaltene Jahreszahl findet sich auf dem Grabstein von Salomon Kugelmann (gestorben 1855). Eine letzte Beisetzung war allerdings noch im April 1861, als der letzte jüdische Einwohner von Jestädt verstorben ist (siehe Bericht oben).  Es sind etwa 150 Grabsteine erhalten (1985)
.    
   
  
Dokumentation des Friedhofes 

Hinweis: Nach dem Verzeichnis der durch die "Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen" bearbeiteten hessischen Friedhöfe ergibt sich für den Friedhof in Jestädt die Zahl von 170 vorhandenen Grabsteinen aus der festgestellten Belegzeit von 1642 bis 1855. Siehe landesgeschichtliches Informationssystem Hessen - Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen und Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde in Marburg: Dokumentation der jüdischen Friedhöfe in Hessen - Online zugänglich

       
       
Aus der Geschichte des Friedhofes 
Die Schließung des Jestädter Friedhofes und Anlage eines Friedhofe in Eschwege gegen den Widerstand einer kleinen Gruppe in der Eschweger jüdischen Gemeinde (1857) 

Eschwege AZJ 11051857af.jpg (208627 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Mai 1857: "Eschwege, 22. April (1857). Vorgestern fand hier die Einweihung eines neuen jüdischen Totenhofes, nahe bei hiesiger Stadt gelegen, statt. Ein derartiges Ereignis kommt gewiss sehr selten vor, aber umso ergreifender ist ein solcher Akt und umso tiefer ist der Eindruck auf das Gemüt, den eine solche religiöse Feier hinterlässt. In andachtsvollster Stimmung betrat zum ersten Male die hiesige zahlreiche Gemeinde den nun geheiligten Ort, der dermaleinst die letzte Ruhestätte für uns alle werden soll und vorgestern durch die Bestattung der Leiche eines Kindes seiner Bestimmung geweiht wurde. Tief ergreifend wirkte sichtbar die wohl gelungene Einweihungsrede unseres Rabbinen Goldmann auf das in großer Anzahl versammelt gewesene Publikum. 
Umso eindringlicher mussten die kräftigen Worte unseres Rabbinen wirken, das das herrlichste Frühlingswetter die feierliche Szene begünstigte und man von dem so schön auf einer kleinen Anhöhe gelegenen Platze eine freundliche Aussicht auf unser gepriesenes Werratal  genießt, in dem die Bäume jetzt im Frühlingsschmucke stehen und die jungen Saaten im frischesten Grüne prangen. 
Der bisherige Totenhof (sc. in Jestädt) soll, wie alte Denkmäler ausweisen, wohl an 1500 (korrekter: 500) Jahre als alte Ruhestätte unserer Vorfahren gedient haben. Wenn auch gewiss Rücksichten der Pietät für die fernere Beibehaltung jenes uralten Begräbnisplatzes gestimmt haben möchten und gar Manchem der Gedanke schmerzlich sein mag, nun nicht in der Nähe der ihm vorangegangenen Angehörigen dermaleinst zu ruhen, so können wir trotzdem mit Befriedigung den Fortschritt begrüßen, den wir durch die Erwerbung dieses nahe gelegenen Grundstückes zum Totenhofe gemacht haben. Jener alte Totenhof liegt, 1 1/2 Stunden von hier entfernt, an einem entlegenen Berge in rauer, unwirtlicher Gegend; nur auf holperigem Wege gelangte man dahin; ohne Aufsicht waren die Gräber Verletzungen ausgesetzt; beschwerlich und oft gefährlich war der Transport der Leichen nach jenem 'guten Orte' und nur mit Anstrengung konnte ein Andächtiger zum Grabe der Seinigen gelangen, um sein Gebet zu verrichten. Nicht war es den Leidtragenden vergönnt, dem teuren Dahingeschiedenen die letzte Scholle in das Grab nachzuwerfen, vielmehr musste in der Regel die Bestattung fremden Personen, die dafür bezahlt wurden, überlassen werden; nunmehr aber können Beerdigungen mit Würde, den Anforderungen der Zeit entsprechend, geschehen.  
Zwar hatte eine sehr kleine Partei unserer Gemeinde alle erschöpflichen Mittel versucht, die Benutzung des neuen Totenhofes zu vereiteln, hatte selbst durch alle Instanzen hindurch unter Anführung dieser und jener Gründe petiert, den alten Totenhof trotz aller Unannehmlichkeiten beizubehalten, jedoch vergebens - Dank der Einsicht unserer Behörden!  ...t." 

    
Die Beisetzung des letzten jüdischen Einwohners von Jestädt auf dem Friedhof der Gemeinde (1861)  

Jestaedt AZJ 14051861.jpg (173026 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Mai 1861: "Eschwege, 28. April (1861). Vor einigen Tagen wurde der letzte israelitische Einwohner unserer einzigen Filial-Gemeinde Jestädt zur Erde bestattet, ein armer Greis von 73 Jahren, der kinderlos gestorben. Unser früherer Totenhof ist in der Nähe dieses Dorfes, etwas über 1/2 Meile von unserer Stadt entfernt. Obzwar dieser Totenhof seit der Eröffnung des neuen hiesigen nicht mehr benutzt worden ist, so geschah die Beerdigung jenes frommen Greises ausnahmsweise noch auf dem alten, und fast die ganze hiesige Gemeinde war hinausgefahren, um noch einmal eine Beerdigung auf jenem uralten, ehrwürdigen Platze beizuwohnen, der viele hunderte von Denksteinen aufweist. Der älteste noch lesbare Grabstein  zeigt ein Alter von ungefähr 1300 Jahren (Anmerkung der Redaktion: dies ist jedenfalls ein Irrtum - es wäre uns lieb, darüber nähern Aufschluss zu erhalten), es mögen aber deren noch weit ältere auf dem vielleicht Jahrtausende (Anmerkung der Redaktion: Jahrtausende! Wann soll denn diese Gemeinde entstanden sein? Etwa während des babylonischen Exils?) alten 'guten Orte' sich befinden, deren verwitterte Inschriften indessen nicht mehr zu entziffern sind. 
Die Jestädter Filial-Gemeinde ist somit ausgestorben und nur noch der Name dieses Dorfes: Jestädt = Judenstädt, erinnert daran, dass dermaleinst eine sehr zahlreiche jüdische Gemeinde daselbst Jahrhunderte hindurch gewohnt hat. Es sollen darunter große Gelehrte gelebt haben. - Wie Alles im Leben einem fortdauernden Wechsel, einem Werden und Vergehen unterworfen ist, so auch hier: die sonst so große Gemeinde Jestädt ist ausgestorben, - die hiesige Gemeinde (sc. Eschwege) aber erblüht zu immer größerer Zahl ihrer Glieder, zu immer größerer Wohlfahrt und - mit Stolz dürfen wir es sagen - zu immer größerem Ruhm unserer Nation. Noch vor 25 Jahren zählte man hier 24 Familien, gegenwärtig deren ungefähr 90, unter denen sich kaum eine arme befindet. Wie seither, blühen hier Fleiß und Sparsamkeit, Religiosität und Wohltätigkeitssinn, Industrie und Handel, vor Allem aber: Einigkeit, und diese echt jüdische Tugend möge auch ferner blühen!  J.J.P."  

  
  
  
Die Lage des Friedhofes     
   
Nördlich von Jestädt: auf der Motzenroder Straße Jestädt verlassen; der Friedhof liegt nach etwa 500 Metern rechts der Straße und zieht sich parallel dem Talverlauf bzw. der Waldgrenze entlang. 
  
Plan zur Lage des Friedhofes über Link (weiter zu "Stadtpläne" - Meinhard: "Motzenroder Straße" oder "Pletsch-Mühle" eingeben).   

Historischer Plan von 1780
(Quelle: Kollmann / Wiegand s.Lit. S. 23)  
Jestaedt Friedhof Pl 170.jpg (119244 Byte)  
    Der Plan zeigt rechtwinklig zueinander liegende Teile des Friedhofes, eines mit 
"Alter Juden-Todtenhoff", das andere mit "Juden Todten Hoff" bezeichnet. 
Vom alten Teil haben sich keine Spuren erhalten.  

    
   
Fotos 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 8.4.2009) 

Jestaedt Friedhof 170.jpg (123663 Byte) Jestaedt Friedhof 171.jpg (63197 Byte) Jestaedt Friedhof 172.jpg (79005 Byte)
Das Eingangstor   Hinweistafel zum Besuch des Friedhofes  Weitere Hinweistafel  
     
Jestaedt Friedhof 173.jpg (136433 Byte) Jestaedt Friedhof 181.jpg (138553 Byte) Jestaedt Friedhof 182.jpg (130055 Byte)
Teilansichten des Friedhofes 
     
Jestaedt Friedhof 176.jpg (126127 Byte) Jestaedt Friedhof 177.jpg (131317 Byte) Jestaedt Friedhof 178.jpg (133530 Byte)
    Grabstein, auf dem noch die "segnenden Hände" 
der Kohanim zu erkennen sind
  
         
Jestaedt Friedhof 180.jpg (119027 Byte) Jestaedt Friedhof 175.jpg (116896 Byte) Jestaedt Friedhof 185.jpg (121355 Byte)
Grabsteine für eine am 1. Nissan 5480 
(= 9. April 1720) beigesetzte Frau  
   Josef Jizchak wurde am Mittwoch, 
8. Shevat 5475 (= 24. Januar 1714) beigesetzt    
     
Jestaedt Friedhof 183.jpg (142826 Byte) Jestaedt Friedhof 184.jpg (126585 Byte) Jestaedt Friedhof 174.jpg (118891 Byte)
Grabsteinfragmente Verschiedene Steine wurden vor einigen Jahren liegend auf Betonsockeln befestigt - 
eine Maßnahme, die jedoch nur die schnellere Zerstörung des Grabsteines zur Folge hat
   
     
Jestaedt Friedhof 186.jpg (133583 Byte) Jestaedt Friedhof 188.jpg (133999 Byte) Jestaedt Friedhof 189.jpg (139721 Byte)
  Teilansichten des Friedhofes  
     
Jestaedt Friedhof 190.jpg (129779 Byte) Jestaedt Friedhof 191.jpg (141646 Byte) Jestaedt Friedhof 192.jpg (97683 Byte)
  Teilansicht "Segnende Hände" der Kohanim
     
Jestaedt Friedhof 193.jpg (127567 Byte) Jestaedt Friedhof 198.jpg (145122 Byte) Jestaedt Friedhof 199.jpg (130049 Byte)
Teilansicht  
Grabsteine aus 
der Zeit um 1760  
Grabstein mit Levitenkanne; links davon eventuell 
auch Schächtmesser erkennbar
     
Jestaedt Friedhof 196.jpg (115645 Byte) Jestaedt Friedhof 194.jpg (120310 Byte) Jestaedt Friedhof 197.jpg (124769 Byte)
Eigenartig verwitterter 
Grabstein
     Einer der letzten auf dem Friedhof Beigesetzten:
 Salomon Kugelmann, geb. 14.7.1799 in Abterode
gest. 11.4.1855 in Eschwege 
        

    
     

Links und Literatur

Links:

Website der Gemeinde Meinhard    
Zur Seite über die Synagoge in Eschwege (interner Link) 

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Eschwege 
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Eschwege sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,149   Gräberverzeichnis des alten jüdischen Friedhofs der Synagogengemeinde Eschwege in Jestädt  1645 - 1859: enthält Abriss zur Geschichte des jüdischen Friedhofs in Jestädt (erstellt 1937), hebräische Grabinschriften; darin auch hebräische Widmung von Lehrer Horowitz an Julius Löwenthal   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3752669       
HHStAW 365,148   Familienregister der Juden von Eschwege mit Angabe von Geburts- und Sterbedaten   1754 - 1905   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2573916       
HHStAW 365,145   Geburtsregister der Juden von Eschwege  1825 - 1936  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3500073               
HHStAW 365,147   Trauregister der Juden von Eschwege  1825 - 1938     https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3031380      
HHStAW 365,146   Sterberegister der Juden von Eschwege  1825 - 1939   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2083511      

Literatur:  

Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 1 S. 413.
Michael Brocke/Christiane E. Müller: Haus des Lebens. Jüdische Friedhof in Deutschland. Leipzig 2001. S. 163-164.  
Eva Grulms/Bernd Kleibl: Jüdische Friedhöfe in Nordhessen. Bestand und Sicherung. Kassel 1984.
Spuren Lit 010.jpg (37810 Byte)Karl Kollmann / Thomas Wiegand: Spuren einer Minderheit. Jüdische Friedhöfe und Synagogen im Werra-Meissner-Kreis. Hrsg. von der Historischen Gesellschaft des Werralandes. Kassel 1996. S. 94-95 u.ö.  

   
     

                   
vorheriger Friedhof     zum ersten Friedhof    nächster Friedhof   

                   

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 07. Mai 2016