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Framersheim (VG
Alzey-Land, Kreis
Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Framersheim bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Erstmals
werden 1672 Juden am Ort genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: um 1800 42 jüdische Einwohner, 1807 sechs jüdische Familien, 1817 12
Familien, 1824 68 jüdische Einwohner, 1828 80, 1861 105 (7,2 % von insgesamt
1.456 Einwohnern), 1880 72 (4,9 % von 1.455), 1900 58 (3,9 % von 1.493), 1910 45
(3,2 % von 1.424). Die jüdischen Familien
lebten vom Handel mit Vieh oder von der Landwirtschaft, einige waren Kaufleute.
Unter den über mehrere Generationen ansässigen jüdischen Familien war die
Familie Scheuer: 1808 hatte diesen Familiennamen Hirsch Liebmann angenommen.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19./Anfang 20.
Jahrhundert Jahrhundert zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter
und Schochet tätig war (vgl. unten: Ausschreibung der Stelle von 1902).
Spätestens in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Religionsunterricht von Lehrern anderer Gemeinden
erteilt. Die jüdische Gemeinde
gehörte zum Rabbinatsbezirk Alzey.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Richard Scheuer.
Um 1924, als noch 28 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (1,9 % von
insgesamt etwa 1.500 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Hermann
Scheuer, H. Schloß und Albert Koch. Damals erhielten von den vier schulpflichtigen
jüdischen Kindern 3 ihren Religionsunterricht an höheren Schulen, ein Kind
wurde durch den Alzeyer Rabbiner Dr. Lewit unterricht. 1928 waren die
Gemeindevorsteher Aron Scheuer und Salomon Schloß. Auch in den
1920er-Jahren gab es noch mehrere jüdische Viehhändler am Ort; andere jüdische
Einwohner waren als Kaufleute tätig. Mehrere Familien hatten eine kleine
Landwirtschaft.
Nach 1933 sind fast
alle jüdischen Gemeindeglieder (1933: 28 Personen, d.h. 1,9 % von insgesamt
1.440) auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien alsbald weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Seit 1932 war
jüdischer Gemeindevorsteher Edmund Scheuer. Er gehörte im Gemeinderat von
Framersheim der Deutschen Demokratischen Fraktion an und war Mitglied von
Kreisausschüssen. Nach dem Reichstagsbrand 1933 wurde er verhaftet und kam in
ein Konzentrationslager. Danach übernahm H. Schloß den Gemeindevorsitz. Fünf
der ausgewanderten Gemeindeglieder sind nach Südamerika, je eine Person nach
Palästina und Südafrika. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
zerstört (s.u.). 1939 wurde nur noch ein jüdischer Einwohner gezählt.
Von den in Framersheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Alice
Kahn geb. Koch (1898), Albert Koch (1854), Joseph Koch (1890), Ludwig Koch (1868),
Antonie Oppenheimer geb. Sandels (1899), Fritz Rotschild (1901), Edmund Scheuer
(1876), Irma Scheuer (1892), Jenny Scheuer (1886), Laura Scheuer (1894), Selma Scheuer (1887), Gerd
Salomon Schloss (1930), Karl Schloss (1876), Klara Schloss geb. Rosengarten (1904), Regina Schloss geb. Scheuer
(1851), Walter Schloss (1900), Bertha Spiegel geb. Scheuer (1883),
Flora Vogel geb. Koch (1870).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Lehrers, Vorbeters und
Schochet (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Juli 1902:
"Ein seminaristisch gebildeter Lehrer und Vorbeter, der
eventuell die Schechita mit versehen kann, per sofort zu einem Gehalte von
700-800 Mark mit entsprechenden Nebenverdiensten gesucht.
Framersheim bei Alzey. Der Vorstand der israelitischen Gemeinde: Isaac
Rüb." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod des langjährigen Gemeindevorsteher Isaak Koch (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Februar 1891:
"Framersheim, 22. Februar (1891). Einen unersetzlichen Verlust hat
unsere Gemeinde erlitten. Vorgestern verstarb nach kurzem Leiden Herr
Isaak Koch im Alter von 72 Jahren. In ihm verliert der hiesige Platz einen
seiner achtbarsten Mitbürger, die Armen einen Wohltäter und die
israelitische Gemeinde ihren eifrigsten Förderer. Der Verstorbene
bekleidete lange Jahre das Amt des ersten Vorstehers und hat ihm die
israelitische Gemeinde viele gute Einrichtungen zu verdanken. Kein
Bittender ging hilflos von seiner Schwelle. Welcher Hochachtung und Beliebtheit
der Verstorbene sich in unserer Gemeinde zu erfreuen hatte, davon legte
das heute stattgefundene Leichenbegängnis Zeugnis ab, wie ein solches
wohl hier noch selten gesehen ward. Eine unabsehbare Menge, ohne
Unterschied der Konfessionen, folgte dem Leichenzuge. Zu bemerken waren
der Bürgermeister, der Geistliche, die Gemeinderäte des Ortes und viele
Bürgermeister der Umgegend. Die Leichenrede hielt der Rabbiner von Alzey,
Herr Dr. Rothschild.
Möge ihm Jenseits der Lohn beschieden sein, dessen er sich auf Erden
verdient gemacht hat. Seinen trauernden Angehörigen wünschen wir indes,
dass ihnen Gott reichen Trost spenden möge. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Über die Schauspielerin Sybille Schloss (1910-2007; Vater
aus Framersheim)
(Hinweis erhalten von Renate Rosenau, Alzey)
Sybille Schloss ist 1910 in München
geboren. Ihr Vater Karl Schloss stammte aus Framersheim; die
(nicht-jüdische) Mutter war Rosa Eva Michel geb. Storck. Sybille Schloss
lebte mit ihren Eltern 1914 bis 1927 in Alzey, wo ihr Vater die
Zigarrenfabrik der Familie übernahm. Ihre Karriere als Schauspielerin
begann bei den Münchener Kammerspielen; 1933 trat sie in der von Erika
Mann gegründeten "Pfeffermühle" auf. Nach 1933 trat sie mit
der "Pfeffermühle" in Zürich auf. Sie emigrierte nach New
York, wo sie an ihre Karriere nicht mehr anknüpfen konnte. Nach dem Tod
der Eltern im KZ (Karl Schloß in Auschwitz-Birkenau, Rosel im KZ
Ravensbrück) und nach ihrer Scheidung arbeitete sie u.a. in einer
Buchhandlung. Sie starb am 13. Dezember 2007 in New York.
Literatur: Annelore Schlösser: Aufstieg und Fall einer
jüdischen Familie aus Framersheim. In: Heimatjahrbuch Landkreis
Alzey-Worms. 2006.
dies.: Erinnerungen an eine ungewöhnliche Frau. Heimatjahrbuch
Alzey-Worms. 2009 |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Framersheim geboren sind |
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KK (Mainz 1939) für
Paula Bach geb. Schoß
(geb. 30. August 1881 in Framersheim)
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KK (Mainz
1939) für Ludwig Koch III
(geb. 3. April 1868 in Framersheim), Kaufmann,
am 2. September 1942 ab Darmstadt deportiert
in das Ghetto Theresienstadt, wo er am 11.
Mai 1944 umgekommen ist |
KK (Mainz 1939)
für Albert Koch
(geb. 26. Oktober 1854 in Framersheim),
am 27. September 1942 ab Darmstadt deportiert
in das Ghetto Theresienstadt, wo er am
17. Oktober 1943 umgekommen ist |
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KK (Mainz
193) für Edmund Scheuer (geb.
2. Oktober 1876 in Framersheim),
später wohnhaft in Mainz, am 27. September
1942 ab Darmstadt
deportiert in das
Ghetto Theresienstadt,
am 28. Oktober 1944 in das Vernichtungslager
Auschwitz, ermordet |
KK (Mainz 1939) für Karl
Schloss
(geb. 24. August 1872 in Framersheim),
Kaufmann
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Zur Geschichte der Synagoge
Über die Geschichte der Synagoge ist wenig bekannt. Erstmals
genannt wird sie 1835 anlässlich einer Inspektionsreise des
Kreisrates. 1839 wurde eine neue Synagogenordnung verabschiedet (nach
Beitrag von D. Hoffman s.Lit.). Veranlasst wurde diese durch "das
ordnungswidrige und den Gottesdienst störende Betragen einzelner Israeliten in
der Synagoge zu Framersheim". In acht Artikel wurde in dieser
Synagogenordnung umschrieben, wie sich zukünftig die Gemeindeglieder in der
Synagoge zu verhalten hatten. Artikel 1 bezog sich auf die angemessene Kleidung,
Artikel 2 auf die Verpflichtung für alle über 18-jährigen Männer, "an
jedem Sabbat oder Festtage in der Synagoge zu erscheinen". Nach Artikel 3
war das Hin- und Herlaufen in der Synagoge bei der Verlesung der Tora verboten,
nach Artikel 4 alles sonst Störende; Artikel 5 untersagte den noch nicht
schulpflichtigen Kindern den Besuch der Gottesdienstes, wofür nach Artikel 6
die "Eltern oder Vormünder" verantwortlich waren; Artikel 7 wies auf
das Strafverfahren bei Störungen hin und Artikel 8 legte das Verfahren für die
öffentliche Verkündigung der Synagogenordnung fest.
Über 100 Jahre war die Framersheimer Synagoge Mittelpunkt des jüdischen Lebens
am Ort.
Auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen Einwohner wurde sie nach 1933
allerdings nicht mehr regelmäßig benutzt, dennoch ist sie im Dezember 1935
nochmals instandgesetzt worden.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Synagoge verwüstet und niedergebrannt. Das Grundstück wurde mit einem Wohnhaus
bebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: Grundstück
Bahnhofstraße 5 (zwischen Nr. 3 und Nr. 7).
Fotos
Ehemaliges
Synagogengrundstück
(Quelle: Beitrag von Dieter Hofmann
im Heimatbuch 2008 S. 114) |
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An dieser Stelle in der
Bahnhofstraße (heute zwischen Nr. 3 und Nr. 7)
stand die Framersheimer
Synagoge |
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Erinnerung auf
Gefallenendenkmal
der Gemeinde
(Foto vom Mai 2013: Michael Ohmsen;
Fotoseiten
von M. Ohmsen zu Framersheim) |
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Auf
dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen des
Ersten Weltkrieges steht auch der Name des jüdischen Gefallenen Richard
Scheuer. |
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Andernorts
entdeckt
- in einem jüdischen Friedhof in
Ingelheim
(Foto: Stefan Haas) |
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Grabstein
für Heinrich Koch (geb. 4.6.1852 in
Framersheim, gest. 18.12.1912 in
Nieder-Ingelheim) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 187-188. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 283. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 152 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Dieter Hoffman: Der äußere Anstand in Gefahr. Die
Framersheimer Synagogenordnung von 1839. In: Heimatjahrbuch Landkreis
Alzey-Worms 2008. S. 113-115. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Framersheim Hesse.
Established around 1750, the community numbered 105 (7 % of the total) in 1861.
Only 13 remained on Kristallnacht (9-10 November 1938), when Jewish
property (including the synagogue) was destroyed. By 1940 seven of these Jews
had emigrated.
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