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Höchst
am Main (Stadt Frankfurt am Main)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In
Höchst am Main (von 1355 bis zur Eingemeindung nach Frankfurt 1928 selbständige
Stadt) lebten wenige jüdische Personen bereits im späten Mittelalter (15./16.
Jahrhundert nicht mehr als zwei jüdische Familien).
Die Entstehung der
neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert zurück. 1635
wird eine jüdische Familie in Höchst genannt (Familie des Jud Mosche, zwischen
1638 und 1642 in den Steuerlisten der Stadt erwähnt). 1648 werden als jüdische
Hausbesitzer Joseph Jud und Moschin Jud genannt, als Grundbesitzer Simon
Osterbach und Wolf Hochheimer. 1745 wurden 12 jüdische Einwohner gezählt;
um 1800 waren sechs Familien mit insgesamt 21 Personen in der Stadt (von
insgesamt über 800 Einwohnern). Bis zum
Anfang des 19. Jahrhunderts lebten die jüdischen Familien vom Handel mit Geld
und verschiedenen Waren, für die sie Handelserlaubnis hatten. Seit Ende des 18.
Jahrhunderts wurde auch der Handel mit Wein gestattet.
Im
Laufe des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Einwohner
langsam, gegen Ende des Jahrhunderts stärker zu: 1816: 36, 1843 59 (von
insgesamt 2.184 Einwohnern), 1890 99 (1,2 % von insgesamt 8.455 Einwohnern),
1895 128 (1,2 % von 10.781), 1899 160 (von 13.637), 1905 148 (0,9 % von 16.175),
1914 151 (0,9 % von 16.222).
An Einrichtungen der Gemeinde bestanden neben der Synagoge (s.u.)
eine Religionsschule und ein rituelles Bad (letzteres wurde erstmals 1798
eingerichtet im Untergeschoss des "Hinterturms" der Stadtmauer, siehe unten bei
der Synagoge). Die Toten der Gemeinde wurden in Bad
Soden beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Die jüdische Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk
Wiesbaden.
An jüdischen Vereinen gab es den Israelitischen
Frauenverein (gegründet 1861, Ziele: Krankenfürsorge, Erholungsfürsorge,
kulturelle Aufgaben, Hospizdienste; 1911 bis 1926 unter Leitung von Recha
Hirsch, danach Rosa Levi), die Israelitische Hilfskasse (gegründet
1924, Ziel: Unterstützung Hilfsbedürftiger), den Israelitischen Wohltätigkeitsverein
(gegründet 1889, Ziele: Unterstützung erkrankter Mitglieder, Wanderfürsorge),
den jüdischen Jugendverein (gegründet nach dem Ersten Weltkrieg) und die Chewra Kadischa (Ziele: Wohltätigkeit,
Bestattungswesen).
Anfang
des 20. Jahrhunderts nahm die Zahl jüdischer Einwohner weiterhin leicht zu. Die Höchstzahl
wurde 1932/33 mit 200 Personen erreicht.
Um 1925, als 184 jüdische
Gemeindeglieder gezählt wurden (0,6 % von 31.534 Einwohnern) waren die Vorsteher
der Gemeinde Max Ettinghausen, Emil Baum, J. Würzburger, Carl Hirsch und Gustav Gerson. Als Kantor und Religionslehrer war Kallmann Levi angestellt
(bis 1936 oder 1938), als Synagogendiener L. Abermann. Den Religionsunterricht besuchten
damals 12 jüdische Kinder (1932: 28 Kinder). Auch an den öffentlichen Schulen
wurde jüdischer Religionsunterricht erteilt. Zur Gemeinde in Höchst gehörten
die in Griesheim und Ried lebenden jüdischen Einwohnern (16 beziehungsweise 3
Personen). 1932 war 1. Vorsteher der Gemeinde Berthold Ettinghausen,
Schatzmeister war Gustav Gerson.
Nach
1933
ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder (1933: etwa 200 Personen, d.h. 0,6 %
der Gesamtbevölkerung von etwa 33.000 Personen) auf Grund der zunehmenden
Entrechtung, der Boykottmaßnahmen und der Repressalien weggezogen
beziehungsweise ausgewandert. 1936 stellt die jüdische Gemeinde mit Carl
Hartogsohn nochmals einen jüdischen Kantor und Lehrer an (siehe Berichte
unten). 1938 lebten noch etwa 70 jüdische Personen
in Höchst. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.).
Drei jüdische Geschäfte in der Königsteiner Straße und der Dalbergstraße
wurden demoliert und geplündert. Die meisten jüdischen Männer wurden verhaftet,
zunächst ins Polizeirevier (Bolongaropalast) gebracht, wenig später für
mehrere Wochen in das KZ Buchenwald
verschleppt. Diejenigen
der Höchster Juden, die nicht mehr in ein sicheres Land auswandern konnten,
wurden 1941/43 von Höchst oder einem anderen Ort aus deportiert und in einem
der Vernichtungslager ermordet.
In der Liste der in der NS-Zeit Umgekommenen werden genannt ("Juden
in Höchst" 1990 s. Lit. S. 72-75): Jettchen Abermann geb. Kahn (1875),
Rosa Adler geb. Blum (1867), Sally Adler (1902), Alma Adler geb. Baum (1903),
Claire Adler (1931), Bruno Asch (1890) Grete Asch geb. Hauschner (geb. ?), Ruth
Eva Asch (1928), Emil Baum (1871), Helene Baum geb. Levy (1881), Martha Baum
geb. Schwarzschild (1881), Salomon Baum (1875), Ernst de Beer (1882), Meta
Blumenthal geb. Zinsheimer (1896), Miriam Blumenthal (1923), Fritz Günther
Blumenthal (1925), Bernhard Cohen (1889), Theresia Cohen geb. Hertz (1897),
Helene Cohen (1921) Alice Cohen (1925), David Cohen (1894), Betti Cohen geb.
Vorchheimer (1905), Fritz Cohen (1928), David Cohen (1931), Bertha Ettinghausen
geb. Feitler (1861), Salomon Frank (1903), Else Frank geb. Levi (1908), Ruth
Frank (1934), Paul Pinchas Frank (1937), Mosche Menachem Frank (1942), Julius
Freudenthal (1900), Betti Freudenthal geb. Strauß (1901), Margot Freudenthal
(1928), Gustav Gerson (1881), Bertha Gerson geb. Simon (1881), Nathan Grünspahn
(1938), Esther Martha Grünspahn (1888), Leo Grünspahn (1928), Emanuel Hahn
(1928), Rosa Hahn geb. Liebmann (1877), Meta Hahn (1902), Julie Hamlet (1874),
Jenny Hammerschlag (1884), Franz Henle (1876), Therese Herger geb. Studinski
(1890), Henriette Herger (1923), Hugo Hirsch (1874), Karl Hirsch (1868), Lucia
Hirsch geb. Mayer (1892), Elias Kahn (1884), Hermann Kahn (1874), Jenny Kahn
geb. Marx (1879), Karl Kahn (1878), Ludwig Kahn (1891), Nannette Kahn geb. Linz
(1896), Selma Kasper geb. Strauss (1891), Hermann Kühn (1881), Klara Kühn geb. Katzenstein (1886), Emil Lehmann
(1872), Kallmann Levi (1878), Rosa Levi geb. Friesem (1884), Lotti Levi (1906),
Hugo Levi (1877), Amalie Levy geb. Adler (1880), Felix Lewin (1873), Sidonie
Lewin geb. Königsberger (1876), David Mannheimer (1870), Meta Mannheimer geb.
Dahlberg (1900), Hermine Mayer geb. Kauders (1864), Gertrud Mayer (1898), Julia
Mayer geb. Spiegel (1867), Hermann Marx (1890), Franz Michalsohn (1880),
Heinrich Michel (1871), Ludwig Nachmann (1886), Paula Ilse Nachmann geb. Strumpf
(1886), Hertha Nachmann (1922), Isidor Neger (1910), Wolf Neumann (1887), Amalie
Neumann geb. Fränkel (188), Herta Neumann (1920), Jettchen Neustädter geb.
Stern (1858), Siegmund Neustädter (1895), Jenny Neustädter geb. Adler (1893),
Ruth Neustädter (1923), Ilse Neustädter (1926), Albert Odenbach (1927), Georg
Odenbach (1898), Mina Odenbach geb. Mester (1898), Benno Reches (1910), Josef
Schain (1895), Julius Schwarzschild (1888), Rosa Schwarzschild geb. Michel
(1897), Mathilde Strauß geb. Halberstadt (1871), Siegfried Strauß (1903), Irma
Strauß geb. Isselbächer (19087), Erna Walega geb. Baum (1907), Moritz Weinreb
(1887), Lina Weinreb geb. Levy (1891), Ruth Weinreb (1925), Irma Wolff geb.
Hirsch (1902), Gerhard Julius Wolff (1930), Alfred Wormser
(1876).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Gemeindebeschreibungen
Allgemeine Gemeindebeschreibung (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. Dezember
1906: "Höchst am Main. Nach der letzten Volkszählung hat
unsere Stadt rund 16.000 Einwohner, darunter 154 Juden. Die jüdische
Gemeinde wurde vor etwa 100 Jahren durch einige Familien, die von
Heddernheim hierher zogen, gegründet. Im Jahre 1816 baute sie aus den
Steinen eines alten Festungsturmes, den ihr der damalige Herzog von Nassau
schenkte, eine Synagoge. Mit der Einwohnerzahl der Stadt wuchs auch die
Jüdische Gemeinde, die gegenwärtig aus 36 Familien besteht, und die alte
Synagoge reichte nicht mehr aus. Im vergangenen Jahre wurde dieselbe durch
einen Neubau ersetzt." |
Allgemeine
Gemeindebeschreibung (1936!)
Artikel
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt" Juni
1936: "Frankfurt a.M. - Höchst. Obwohl seit einigen Jahren
ein Stadtteil Frankfurts, wahrt es ein Eigenleben. 'Höchst am Main'
erhielt 12400 kurmainzisches Stadtrecht und blieb 400 Jahre ununterbrochen
bei Mainz, kam 1803 zu Nassau, 1866 zu Preußen. Wohl erst wenig vor 1800
wohnen Juden zahlreicher in Höchst; bald schenkt ihnen der Kurfürst von
Mainz einen Turm in der Stadtmauer. Dieser wird ihre erste Synagoge. Auf
ihrem Platze, am 'Höchster Markt', entsteht 1905 die neue Synagoge,
stattliches roter Bau mit 150 Plätzen. Gemeinsamer Friedhof mit den
Gemeinden Soden, Hofheim, Hattersheim und Okriftel in der Gemarkung Soden,
seit 1870. Alter Friedhof aus dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts bei
Niederhofheim. Die Gemeinde Frankfurt-Höchst mit Frankfurt-Griesheim und
Frankfurt-Nied gehört bemerkenswerterweise noch zum Rabbinatsbezirk
Wiesbaden. (Wir befinden uns also in jüdischer Beziehung wirklich schon
außerhalb Frankfurts!). Sie zählen um 1930 zusammen 200 Seelen; heute
viel weniger. - Sehenswert auch die Justinuskirche, Basilikabau,
entstanden zwischen 826 und 947, mit gotischem Chor: 1443; nicht weit
davon der Bolongaroplast, 1772 bis 1775 erbauter Spätbarockbau mit
großartigen Rokoko-Fresken in seinem Innern. - Unmittelbar nach dem
Durchschreiten der Hauptstraße zwischen den Bürohäusern der I.G. Farben
(der Besichtigung wert und zugänglich) wende man sich nach rechts
(Norden), schneide nordwestlich wandernd, mit immer schöner werdender
Aussicht auf den sich nordwärts türmenden Taunus, 2 Bahnlinien, die
Straße Sindlingen-Unterliederbach und den Pfingstborn, lasse Zeilsheim im
wesentlichen links liegen; man erreicht die Elisabethstraße und -
südwestlich - links nach 1 1/2 Stunden (Hofheim im Taunus)." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Lehrers und Vorbeters
(1868)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar 1868: "Die
Lehrer- und Vorbeterstelle bei hiesiger Kultusgemeinde mit Gulden 250
fixem Gehalt wird bis zum 1. April laufenden Jahres vakant. Hierauf
Reflektierende wollen Ihre Anträge an den Unterzeichneten franco
einsenden.
Höchst am Main, 2. Januar 1868. Joseph Wolff,
Vorsteher." |
Zum Tod von Lehrer Emanuel Wormser (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juli 1890:
"Höchst am Main, 8. Juli (1890). Am verflossenen Schabbat wurde
unsere Gemeinde während des Morgen-Gottesdienstes in große Aufregung
versetzt. Unser langjähriger Vorbeter, Lehrer Emanuel Wormser, wurde
während des Musaphgebetes von einem Schlaganfall betroffen, von welchem
er sich nicht wieder erholte, sondern nach Mincha (Mittagsgebet)
schon erlag. Wir verlieren in ihm eine Zierde unserer Gemeinde und Israel
einen gesetzestreuen Glaubensgenossen. Die Ausübung von Wohltätigkeit
und Erhaltung des Friedens war seine grüßte Freude. Stets suchte
er in seinen Vorträgen zur Gottesfurcht anzueifern. Die Beteiligung bei
seinem Leichenbegängnis zeugte von seiner Beliebtheit bei seinen
Bekannten.
Möge das Verdienst seiner guten Taten der trauernden Witwe und den
hinterbliebenen Kindern beistehen." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Juli 1890:
Ähnlicher Bericht wie im "Israelit" siehe oben. |
25-jähriges Ortsjubiläum von Lehrer
Kallmann (Kalmann) Levi (1929)
vgl. Seite
https://frankfurt.de/de-de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtgeschichte/stolpersteine/stolpersteine-in-hoechst/familien/levi-rosa-und-kalmann-und-frank-else.
Kallmann (Kalmann) Levi (geb. 1878) war Lehrer, Kantor in
(Frankfurt) - Höchst am Main und
stammte aus Hattenbach. Er war verheiratet
mit Rosa Levi aus Altena. Sie lebten von 1909 bis 19. November 1938 in der
Leverkuserstraße 9 in Höchst und hatten drei Töchter: Betty, geb. 18. Februar
1906, Else, geb. 1908 und Lotti, geb. 1919. Mit ihnen zusammen lebte auch der
Vater von Rosa Levi, Moses Friesem, der als Gemeindeältester der jüdischen
Gemeinde tätig war. Kalman Levi war Kantor und Schächter der Gemeinde sowie seit
1904 Religionslehrer am Gymnasium und Lyzeum. Rosa Levi leitete die
israelitische Frauenvereinigung. Die älteste Tochter Betty emigrierte mit ihrem
Mann 1936 nach Palästina. Nach den die Familie Levi schwer betreffenden
Ereignissen beim Novemberpogrom 1938 zog sie in die Frankfurter Innenstadt (Elkenbachstraße,
dann Königswarter Straße 13), wo Moses Friesem mit 84 Jahren starb. Die Tochter
Else, die mit dem Lehrer Salomon Frank verheiratet war (vgl.
Treuchtlingen) kam nach dem
Novemberpogrom mit Mann und ihren beiden Kindern Ruth und Paul (1942 ist noch
als drittes Kind Moses geboren) nach Frankfurt. Alle Familienmitglieder wurden
deportiert. Nur Lotti überlebte die Lagerzeit und emigrierte später mit ihrem
Mann nach Australien.
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 5. April 1929:
"Amtsjubiläum des Lehrers K. Levi, Höchst am Main.
Nachdem Samstag, den 20. April, ein Festabend sämtlicher Vereine der
Gemeinde zu einer glanzvollen und herzlichen Ehrung des verdienten Lehrers
K. Levi geworden war, der nunmehr seit 25 Jahren geistiger Führer der
Gemeinde in Freud und Leid ist, folgte Tags darauf, Sonntag, den 21.
April, die offizielle Feier der Gemeinde Höchst.
Um 10 Uhr vormittags hatte sich das würdige Gotteshaus der Gemeinde mit
Andächtigen, Verehrern und Freunden des Jubilars bis auf den letzten
Platz gefüllt. Der Vorsteher der Gemeinde, Herr Ettinghausen, dankte in
herzlicher Ansprache dem Gefeierten für sein selbstloses,
aufopferungsvolles, in jeder Hinsicht vorbildliches Wirken im Dienste der
Gemeinde und rühmte insbesondere das erfolgreiche Eintreten des Jubilars
für den Frieden und die Verständigung unter den Konfessionen. Sein
persönliches Geschick, Gegensätze zu überbrücken, habe sich dort wie
auch im innern Leben der Gemeinde vollauf bewährt. Mit dem Dank des
Vorstandes verband der Redner die besten Wünsche für das fernere Wirken
des verehrten Lehrers. Nun folgte die Festrede des Bezirksrabbiner Herrn
Dr. P. Lazarus, Wiesbaden: Kämpfen und Bauen seien Grundlage und Inhalt
für das Leben und die Arbeit des Jubilars gewesen. In den 11 Jahren
gemeinsamen Wirkens habe Redner den Jubilar kennen und schätzen gelernt;
er spricht ihm die Anerkennung der vorgesetzten Behörde und seinen
persönlichen Dank aus, der im feierlichen Priestersegen ausklingt.
Hierauf sprachen die Herren Oberkantor Nussbaum Wiesbaden für den Verein
Israelitischer Lehrer im ehemaligen Herzogtum Nassau (der eine
künstlerisch ausgestattete Adresse überreichen lässt), Lehrer Dr.
Eschwege - Frankfurt namens der Vereinigung jüdischer Lehrer in
Frankfurt, und ein Vertreter der christlichen Lehrerschaft von Höchst dem
Gefeierten Dank, Anerkennung und gute Wünsche für die Zukunft aus. Nach
dem Gemeindegesang 'En kelohenu' dankt Herr Levi tiefbewegt. Er gedenkt
der heimgegangenen Vorstandsmitglieder und schließt mit Gelöbnis, auch
fernerhin in demselben Geiste wie bisher der Gemeinde und dem Judentum zu
dienen. Sologesänge der Wiesbadener Herren Capell und Nussbaum bereichern
den Festakt in würdiger Weise. So ehrt eine Gemeinde, indem sie ihren
Beamten ehrt, sich selbst.
In der Wohnung des Jubilars fanden sich nach der offiziellen Feier
zahlreiche Deputationen und Einzelbesucher ein, die den Gefeierten mit
Glückwünschen und Geschenken förmlich überschütteten. Hunderte von
Telegrammen und Glückwunschschreiben zeugten von der hohen Achtung und
Liebe, deren sich Herr Levi in weitesten Kreisen auch außerhalb seiner
Gemeinde und seines Wohnortes erfreuen darf.
Möge es ihm noch viele Jahre vergönnt sein, in alter Kraft zu 'bauen und
mitzukämpfen' im Dienste Gottes, seiner Gemeinde, des Judentums und der
ganzen Menschheit. E.C."
|
|
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1929: "Jubiläum
in Höchst. Die Israelitische Kultusgemeinde feiert am Schabbat
Hagadol das 25-jährige Ortsjubiläum ihres Lehrers Herr K.
Levi." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 29. April 1929: "Fünfundzwanzigjähriges
Ortsjubiläum. Schabbos haggodaul, den 20. April dieses Jahres, feiert
Herr K. Levi sein 25-jähriges Jubiläum als Prediger, Lehrer und Kantor
der Israelitischen Kultusgemeinde Höchst am Main. In den 25 Jahren seiner
Wirksamkeit in Höchst am Main hat Herr Levi eine ganze Generation zum
Dienst am Judentum und an der Menschheit erzogen. Ein besonderes Verdienst
erwächst ihm aus der Gründung einer Kasse zur Hilfeleistung in
Krankheits- und Todesfällen. In seiner Gemeinde verehrt ihn alt und Jung,
und alle rüsten sich, den Ehrentag ihres Führers festlich zu begehen.
Auch seine Kollegen werden des Mannes, der seit Jahren dem Vorstand des
Vereins israelitischer Lehrer im ehemaligen Herzogtum Nassau angehört und
eine Zierde seines Standes ist, voll herzlicher Freude gedenken. Nicht
zuletzt beglückwünschen auch wir den trefflichen Mann und treuen Leser
unseres Blattes von Herzen und wünschen ihm eine weitere lange Reihe von
Jahren beglückender und erfolgreicher Arbeit." |
Carl Hartogsohn wurde zum Kantor und Lehrer gewählt
(1936)
(vgl. Anmerkung bei der nachfolgenden
Anzeige)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
23. Juli 1936: "Aus der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main -
Höchst. Die trotz der vor einer Reihe von Jahren bereits erfolgten
Eingemeindung selbstständig gebliebene Jüdische Gemeinde Höchst am
Main, die ihre Synagoge und ihre anderen Einrichtungen den
Anforderungen des überlieferten Judentums gemäß aufrechterhält, hat,
nach der Pensionierung ihres bisherigen verdienstvollen Beamten, Herrn
Lehrer Levy, nunmehr Herrn Kantor und Lehrer Carl Hartogsohn, der
seit fast drei Jahren in Groß-Gerau
(Hessen) amtiert, zu ihrem Beamten gewählt. Herr Hartogsohn wird noch vor
den Jomim Hanauroim (hohe Feiertage) sein neues Amt
antreten". |
Verlobungs- und Hochzeitsanzeige von Hede Rüb und Carl Hartogsohn (1936)
Anmerkung: Carl Hartogsohn aus Emden war der letzte jüdische
Lehrer in Höchst am Main; er und seine Frau Hede geb. Rüb wurden
nach der Deportation ermordet. Hede geb. Rueb war eine Tochter des jüdischen
Gemeindevorstehers David Rueb in Guntersblum.
David Rueb und Berta geb. Dornberger waren nach den Ereignissen beim
Novemberpogrom 1938 zu ihrer Tochter nach Höchst geflohen; sie wurden nach der
Deportation 1942 von Frankfurt gleichfalls ermordet. Vgl. Seite
des Kulturvereins Guntersblum zu David Rueb.
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1936:
"Statt Karten - Gott sei gepriesen -
Hede Rüb - Carl Hartogsohn
Kantor und Lehrer - Verlobte
Guntersblum (Rheinhessen) - Emden
(Ostfriesland) / Frankfurt-Höchst.
November 1936 - Kislew
(5)697." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. August 1937: "Gott
sei gepriesen.
Kantor und Lehrer Carl Hartogsohn - Hede Hartogsohn - Rüb.
Vermählte.
Frankfurt a.M. - Höchst - Guntersblum (Rhein). Elul (5)697 / August
1937.
Trauung und Empfang: Hotel Ulmann, Frankfurt am Main, Bethmannstraße 52.
29. August 1937, 14 Uhr. 1. Tag der Selichot". |
|
Foto
links: Lehrer Carl Hartogsohn unterrichtet in einem Privathaus in
Guntersblum zwei jüdische Mädchen; Aufnahme vom 26. April 1936 in
Guntersblum. Von links: Ann Hellmann, Carl Hartogsohn und Inge Seeman.
Quelle: Archiv
des United States Holocaust Memorial Museum. |
Lehrer Hartogsohn wirkt mit bei der Hundertjahrfeier
der Synagoge in Emden (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. September
1936- "Emden, 14. September
(1936). Bei der Hundertjahr-Feier der Synagoge in Emden war es allen
Anwesenden eine besondere Freude, 'einem jungen Emder', Herrn Lehrer
Hartogsohn aus Höchst am Main zu lauschen, der es ganz hervorragend
verstand, gesangliche Darbietungen vorzutragen, und somit zur
Verschönerung der Feier beitrug". |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Generalversammlung des israelitischen
Wohltätigkeitsvereins Chewra Kadischa (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1901:
"Höchst am Main, 20. Februar (1901). Am Dienstag, 29. vorigen
Monats, fand die Generalversammlung des israelitischen
Wohltätigkeitsvereins Chewra Kadischa hierselbst statt. Der
Vorsitzende, Herr Mühlenbesitzer Max Ettinghausen, eröffnete dieselbe
mit Worten der Begrüßung und des Dankes an die zahlreich anwesenden
Mitglieder, und erteilte zunächst dem Schriftführer, Herrn Lehrer
Ledermann, das Wort zur Ablage des Jahresberichts, dem wir Folgendes
entnehmen.
Der Verein zählte heute 28 Mitglieder. Die bisherigen Einnahmen betrugen
608 Mark, die Ausgaben 460 Mark und hat der Verein ein Vermögen von über
2.800 Mark. Der Präsident nahm nach der Decharge-Erteilung das Wort und
führte etwa Folgendes aus: So erfreulich die finanzielle Seite erscheine,
so könne er doch ein Wort des Vorwurfes speziell an die Mitglieder nicht unterdrücken:
dass nämlich die aktive Beteiligung an den Aufgaben des Vereins viel zu
wenig angestrebt wird. Das Motiv zur Gründung war in der damals kleinen
Gemeinde, eine Zentrale zu schaffen, die in Freude und Leid wahre
Wohltätigkeit üben solle, auch sollten die Mitglieder besonders bei
Trauerfällen und Jahrzeit auch am Werktage pünktlich zum Gottesdienste
erscheinen. Ein großer Teil der Mitglieder kommt diesen Verpflichtungen
leider nicht nach und daher sehe man im Werktaggottesdienst stets
dieselben Gesichter, ja, in der letzten Zeit mussten zur nötigen Zahl (Zehner-Minjan)
gerufen werden. Er ermahne ernst und eindringlich, doch mehr
Zusammengehörigkeit und Anhänglichkeit dem Vereine und der Gemeinde zu
widmen.
Die Worte unseres rührigen Präsidenten machten einen tiefen Eindruck auf
die Anwesenden; - möge er auch Erfolg zu verzeichnen haben.
Die Kultusgemeinde unserer hiesigen Industriestadt besteht zur Zeit aus 52
steuerzahlenden Mitgliedern, die sich zum großen Teil aus Akademikern,
Fabrikbesitzern und Kaufleuten zusammensetzen. Handwerker sind hier,
außer einem Bäcker und vier Metzgern, die leider alle nicht den Schabbat
einhalten. Trotzdem würde sicherlich ein religiöser Metzger gut
existieren können, indem hier auch stets eine größere Anzahl Abonnenten
vorhanden sind, die demselben gesichert wären.
Unsere Gemeinde-Institutionen stehen unter orthodoxer Aufsicht. Auch
existieren hier vorzügliche Mittelschule, an denen jüdischer
Religions-Unterricht erteilt wird. M." |
Purim-Feier des Jüdischen Jugendvereines (1928)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 2. März 1928: "Höchst am Main. Der
Jüdische Jugendverein veranstaltet am 10. März, abends 8.30 Uhr, eine
Purimfeier im oberen Saale der 'Schönen Aussicht'. Einem ernsten Teil
folgen lustige Darbietungen. Der Eintritt ist für Mitglieder aller
Verbandsvereine frei bei Vorzeigen der Mitgliedskarte. Nichtmitglieder
zahlen 1.80 Mark. Der Jüdische Jugendverein hofft mit seinen Mitgliedern
und Gästen einen frohen Abend zu verleben, der sich bis gegen Morgen
hinziehen soll." |
Gründungsversammlung eines jüdischen Landvereins
(1928)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 2. März 1928: "Höchst am Main.
Sonntag, 11. März (1928), nachmittags 3 Uhr, findet in Hofheim
am Main eine Gründungsversammlung statt. Ein Landverein soll
entstehen der die Interessen der jüdischen Frau im Sinne des jüdischen
Frauenbundes wahren und dessen Ideale pflegen
soll." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des 2. Gemeindevorstehers B. S. Ettinghausen
(1882)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1882: "Nekrolog.
Unsere Gemeinde wurde leider mit einem schweren Verluste heimgesucht. Das
teure Gemeindemitglied, unser 2. Vorsteher, Herr B. S. Ettinghausen,
seligen Andenkens, ist nicht mehr, denn der liebe Gott - Gebieter über
Leben und Tod - hat ihn zu sich in ein besseres Jenseits gerufen. Er war
ein treuer Gatte, ein braver Familienvater. Gott segnete seiner Hände
Arbeit und er spendete von diesem Segen jedem Hilfsbedürftigen ohne
Unterschied. Sein Haus war den Armen offen und er stand jedem mit Rat und
Tat bei. Alles, was er tat, geschah zur Ehre Gottes. Er war ein Wohltäter.
Als 2. Vorsteher erfüllte er gewissenhaft seine Pflicht und liebte sehr,
die Synagoge stets verschönert und in Ordnung zu sehen, wozu er es nie an
reichlichen Spenden fehlen ließ. Er hinterlässt überall und bei jedem,
der ihn gekannt, einen guten Namen. Seine Kinder erzog er alle in
Religion und hielt sie zu allem Guten an. Auch betete er häufig ind er
Synagoge vor, indem er mit einer schönen Stimme begabt war. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.
Höchst am Main, 22. Januar 1882.
E.W." |
Siegmund Ettinghausen wird zum Stadtverordneten
gewählt (1892)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1892: "Höchst
am Main, im Juni (1892). Bei den jüngsten Stadtratswahlen wurde Herr Siegmund
Ettinghausen in die Stadtverordnetenversammlung berufen. Die Gunst der
Behörden wendet sich auch den hier bestehenden jüdischen Institutionen
zu; so wird unsere Religionsschule nicht allein durch die unentgeltliche
Überlassung eines Lokals und die nötige Beheizung derselben bedacht,
sondern sogar noch materiell unterstützt. Es ist wohl am Platze dese so
überaus schönen Züge der hiesigen städtischen Verwaltung öffentlich
bekannt zu geben und damit den Wunsch zu verbinden, dass dieses friedliche
Verhältnis der Konfessionen zueinander in ungetrübter Weise fortbestehen
möge. S." |
Zum Tod des langjährigen Gemeindevorstehers Salmon
Strauss (1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 17. Februar 1898: "Höchst am Main, 13.
Februar (1898). Am vorigen Mittwoch verstarb hier plötzlich der
langjährige Vorsteher der hiesigen Kultusgemeinde, Herr Salomon
Strauß, im Alter von 72 Jahren. Der Dahingeschiedene war wirklich in
seiner Art ein seltener Mann, der sich durch seine hervorragende
Frömmigkeit, gepaart mit strengem Rechtlichkeitssinn und äußerster
geschäftlicher Pünktlichkeit einen guten Namen machte und sich dadurch
ein bleibendes Andenken bei der Mit- und Nachwelt sicherte. Schon in
früher Jugend pflegte der Verblichene sich durch die stets penible
Ausübung aller religiösen Obliegenheiten hervorzutun, seine Eltern über
das gewöhnliche Maß hinaus zu ehren, und sein Gebet mit großer Andacht
zu verrichten. Selbst in den Jahren, wo er als Soldat dem Vaterland
diente, unterließ er es nie des Morgens stets in Tallis und Tefillin zu
beten, eine Handlung, die ihm sogar die Anerkennung seines Hauptmannes
verschaffte. Der Heimgegangene versah seit Jahren hier an den hohen
Festtagen die Stelle als Baal-Tefilloh und Baal Tokea, rein nur aus Liebe
und Frömmigkeit, mit aller Hingebung in großer Andacht. In unserer
Gemeinde wusste er durch seine Friedensliebe die verschiedenen religiösen
Anschauungen im Sinne des reinen und unverfälschten Judentums unter eine
Fahne zu bringen. Salomon Strauß war aber auch ein großer Wohltäter,
ein Förderer von Wohltätigkeit und zwar in der ganzen Größe
dieser Tugenden. Er gab stets mit vollen Händen und dies in der Stille (er
gab im Verborgenen), so wie es die Frommen und Edlen zu tun pflegen.
Der Verewigte war noch einer von jenen, wie sie die gute alte Zeit in
größerer Anzahl besessen, und die leider in der Gegenwart immer seltener
werden. Sein Leichenbegängnis gestaltete sich auch zu einem sehr
imposanten, dem viele Freunde aus Nah und Fern beiwohnten, unter andern
Herr Rabbiner Dr. Kahn aus Wiesbaden, sowie noch viele angesehene Männer
aus Frankfurt am Main. Sch." |
Siegmund Ettinghausen legt sein Amt als Kultusvorsteher
nieder - Max Ettinghausen folgt nach (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 27. Oktober 1902: "Höchst am Main, im Oktober (1902). Im
vorigen Monat legte unser bisheriger, allverehrter Kultusvorsteher, Herr
Siegmund Ettinghausen, sein Amt als solcher nieder, da ihm wegen
anderer Ehrenämter als Mitglied des Stadtrats, des hiesigen
Vorschussvereins, wie vieler städtischer Kommissionen, eine allzu große
Arbeitslast erwuchs.
Unsere Gemeinde hat diesem treuen Mann, der sich für die
Öffentlichkeit einsetzt, mach' Gutes zu danken. Der orthodoxen
Richtung angehörend, war er stets darauf bedacht, unsere religiösen
Institutionen nach Können zu erhalten und zu fördern. So ist es seinem
Bemühen zuzuschreiben, dass die Schechitah unter streng-religiöse
Aufsicht gestellt, dem Gemeindebeamten übertragen und im städtischen
Schlachthofe durch Ortsstatut geregelt wurde. Die Stellung des Lehrers und
Kantors suchte er dadurch zu sichern, dass er ihn in eine Pensionskasse
einkaufen ließ.
Auf Vorschlag des Königlichen Landrats wurde an seine Stelle Herr Max
Ettinghausen mit überwiegender Stimmenmehrheit gewählt und hätte
die Sorge für das Gemeindewohl in keine besseren Hände übergehen
können; da auch er allen das Judentum berührenden Fragen reges Interesse
und ein warmes Herz entgegenbringt. Besonders freudig wird die Wahl von
den religiösen Mitgliedern unserer Gemeinde, die leider sehr in der
Minderheit sind, begrüßt.
Möge es ihm beschieden sein, dass er recht lange zum Wohle der Gemeinde
und zur Ehre des Judentums wirke." |
Zum Tod des Stadtverordneten Siegmund Ettinghausen
(1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 15. März 1907: "Höchst am Main. Im Alter von 61
Jahren verschied der Stadtverordnete Siegmund Ettinghausen, ein
sehr angesehener Mann. " |
Zum Tod des langjährigen Gemeindevorstehers Abraham
Moses (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1908: "Höchst
am Main, 31. Mai (1908). In diesen Omertagen hat unsere kleine
Gemeinde einen schweren Verlust erlitten durch das Ableben unseres
langjährigen Vorstehers Herrn Abraham Moses. Legte schon die
starke Beteiligung an dem Trauerzuge Zeugnis ab von der Beliebtheit des
Verstorbenen, so trat das in erhöhtem Maße zu Tag bei der Trauerfeier
auf dem Friedhof selbst. Herr Kantor Levy zeichnete in warm empfundenen,
schlichten Worten den Lebensgang des Mannes, der seine höchste
Befriedigung in der Erfüllung seiner religiösen und sozialen Pflichten
fand. Herr Ettinghausen sprach im Namen der Gemeinde und des Vorstandes in
bewegten und herzlichen Worten den Dank aus für die aufopfernde
Tätigkeit, die der Verstorbene in den mehr als 20 Jahren seiner
Zugehörigkeit zum Vorstand bewiesen habe. Seine Seele sei eingebunden
in den Bund des Lebens." |
Max Ettinghausen wird zum Stadtverordneten gewählt
(1909)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. November
1909: "Höchst am Main. Mühlenbesitzer Max Ettinghausen wurde
zum Stadtverordneten gewählt." |
Max Ettinghausen ist 25 Jahre Gemeindevorsteher (1927/28)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 21. November 1927: Höchst am Main. Der Sabbat
Lechlecho war für die Israelitische Kultusgemeinde Höchst am Main
ein stimmungsfroher und würdiger Festtag. Der 1. Vorsitzende der
Kultusgemeinde, Herr Max Ettinghausen, beging an diesem tage die
Feier seine 25.-jährigen Jubiläums als Vorstand der Kultusgemeinde. Zur
ihrer Freude sah die Gemeinde an diesem Sabbat ihren Bezirksrabbiner, Dr.
Paul Lazarus, Wiesbaden, bei sich. Am Freitagabend veranstaltete der
Jüdische Jugendverein eine Freitagabend-Feier, an der ca. 60 Personen -
jung und alt - teilnahmen. Bei festlich gedeckten Tischen und strahlenden
Sabbatlichtern herrschte eine wahre Freitagabendstimmung, der neben
anderen vor allem Rabbiner Dr. Lazarus in warmen Worten Ausdruck verlieh.
- Am Sabbat Morgen wurde in den üblichen Morgengottesdienst die offizielle
Festfeier eingefügt. Rabbiner Dr. Lazarus verstand es, in packenden
Worten seine Zuhörer zu fesseln und in ihnen ein starkes Bekenntnis zum Judentum
mit seinen ideellen und religiösen Werten zu zu wecken. Er gedachte in
würdigen Worten der großen Verdienste des Jubilars. Ihm schloss sich als
zweiter Redner Herr Lehrer Levi, Höchst am Main an, der unter Anführung
und Auslegung einiger Sidrahstellen noch mit einzelnen Momenten die
abgelaufene Amtszeit des Herrn Ettinghausen zeichnete. Die dichtbesetzte
Synagoge war würdig geschmückt - die Kinder des Jubilars hatten der
Gemeinde ein herrliches Porauches gestiftet. - Am Abend begannt das Fest,
zu dem der Vorstand der Kultusgemeinde geladen hatte, mit einem
akademischen Teil, in dem namens der Behörde der Vorstand der
Israelitischen Kultusgemeinde, die Vorsitzenden der Männer-Chewrah und
des Israelitischen Frauenvereins, der Israelitischen Hilfskasse, des
Jüdischen Jugendvereins, der Ortsgruppe des Reichsbundes jüdischer
Frontsoldaten und die Vertreter der übrigen Kreisgemeinden in warmen
Worten die Verdienste ihres Gemeindevorsitzenden würdigten. - Gerührt
und bewegt dankte Herr Ettinghausen in schlichten und herzlichen Worten
für all das, was die Gemeinde an diesem seinem Ehrentage ihm an Verehrung
und Liebe entgegengebracht hat. - Ein gelungenes geselliges Programm, mit
Freude von Mitgliedern des Jüdischen Jugendvereins ausgeführt, verbunden
mit frohem Tanz, vereinte die festliche Versammlung, die nahezu 200
Personen zählte, bis in die frühen Morgenstunden. Ein Gemeindefest, wie
es nicht schöner gedacht werden kann, erfüllt von wahrer jüdischer
Gemeinschaft. Dr. S." |
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Artikel
im Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt vom Januar 1928 S.
147: "Höchst. Kürzlich feierte Herr Max Ettinghausen das
Jubiläum seiner 25-jährigen Tätigkeit als erster Vorsteher der israelitischen
Gemeinde Höchst." |
Zum Tod der Frau von David Mannheimer
(1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August 1929:
"Höchst am Main, 29. Juli (1929). Am Mittwoch, 16. Tammus (=
24. Juli 1929) wurde Frau David Mannheimer (eines Bruders des Herrn
Hauptlehrers Mannheimer in Dettelbach)
den Ihrigen durch einen sanften Tod nach langem, schwerem, aber
gottergeben ertragenen Leiden genommen. Die Heimgegangene war, wie Herr
Lehrer Kallmann Levi am Grab in warmen Worten ausführte, eine wahrhafte wackere
Frau, ihr ganzes Leben war Gottesdienst. Als Älteste von 5 Kindern
von Jugend auf verwaist, war sie ihren Geschwistern immer die treu
sorgende, mütterliche Freundin, ihrem Manne die beste Gattin, den Kindern
die liebevollste Mutter. Ihren baldigen Tod ahnend, doch nicht darüber
klagend, benutzte sie die letzte Kraft ihres Lebens, noch einmal die
Enkelkinder aufzusuchen und ihnen in ihre Kinderaugen zu sehen, was ihre
größte Freude der letzten Jahre war. Wie hat sie ihr Haus in bestem
jüdischen Geist verwaltet, wie hat sie jeden Schabbat und jeden Feiertag
in ihrem Hause zu gestalten verstanden! Als Erste betrat sie mit ihrem
Gatten, so lange sie nur gehen konnte, die Synagoge und als Letzte
ging sie nach Hause. Ihr Verdienst möge ihrer Familie und Gemeinde
beistehen." |
Zum Tod von Max Ettinghausen (1933)
Artikel
in Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Mai 1933: "Max
Ettinghausen - er ruhe in Frieden. Am vergangenen Sabbat, den
22. April, schied in Höchst der weit über den Kreis unserer Gemeinde
hinaus bekannte und allverehrte Max Ettinghausen, kurz vor Vollendung
seines 80. Lebensjahres von uns. Der Verstorbene, als Senior unserer
Gemeinde in Höchst geboren, entstammte einer angesehenen und dem Judentum
durch Tradition treu verbundenen Familie, die zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts (1807) aus Heddernheim nach Höchst eingewandert war. Der
Heimgegangene, der lebendigste Beziehungen zu allen nichtjüdischen
Kreisen von Höchst unterhielt, der 10 Jahre lang (1908 bis 1918)
Stadtverordneter hierselbst war, hat für unsere Kultusgemeinde und deren
Institutionen sich so viele unschätzbare Verdienste erworben, dass solche
einzeln zu benennen unmöglich ist. Von 1902-1930 leitete er als
Kultusvorsteher unsere Gemeinschaft. 1905 erstand, vor allem dank seiner
Tatkraft, der Neubau unseres schönen Gotteshauses. Er verstand es, immer
wieder den Zusammenhalt unter den Gemeindemitgliedern zu fördern und
jeden einzelnen seines Kreises für die Interessen der Gemeinschaft
anzuregen. An sich selbst stellte er die größten Anforderungen und
erübrigte neben seinem Beruf und der Tätigkeit in der Öffentlichkeit
unendlich viel Zeit für die Gemeindearbeit.
Die am vergangenen Dienstag auf unserem Friedhof in Bad Soden erfolgte
Beerdigung des Verblichenen zeugte von der unbegrenzten Verehrung seiner
Gemeinde sowohl als auch seiner zahlreichen Freunde in und außer Höchst.
Herr Bezirksrabbiner Dr. Lazarus zeichnete in anschaulicher und treffender
Weise den Verstorbenen als echten Sohn seiner nassauischen Heimat, als
bewussten und aufrechten Juden, als verantwortungstreuen Führer seiner
Gemeinde und zuletzt als ideales Oberhaupt seiner engeren und weiteren
Familie. Herr Lehrer Levi betrauerte in warmen Worten den selbstlosen väterlichen
Freund und Vorsteher. Namens des Vorstandes der Gemeinde sprach Herr Dr.
Spier, der mit dem Dank an den teuren Toten die Verpflichtung für die
lebende Generation verband, an der starken Persönlichkeit des
Heimgegangenen in solch ernster Zeit sich zu ermannen. Namens des
Israelitischen Männervereins sprach dessen Vorsitzender, Herr Hugo
Hirsch, herzliche Worte des Gedenkens. Endlich gedachte der Präsident der
Frankfurt-Loge, Herr J.B. Levy, des verblichenen Bruders und Freundes. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 5. Mai 1933:
Ähnlicher Text wie oben. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen der Dampfmühle Kriftel Ettinghausen (1899 /
1908)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1899: "Mazzenmehl.
Meinen werten Kunden und sonstigen Mazzen-Bäckereien zur Anzeige, dass
ich Anfangs Januar mit dem Fabrizieren des Mazzenmehles beginne und bitte,
mir die Aufträge rechtzeitig zugehen zu lassen.
B.S. Ettinghausen, Dampfmühle Kriftel in Höchst am
Main." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1900: "Mazzenmehl!
Da ich Ende Dezember mit der Fabrikation von Mazzenmehl beginne, bitte
meine Kunden um baldige Erteilung ihrer Aufträge.
Dampfwalzmühle Kriftel, B.S. Ettinghausen, Höchst am
Main." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 25. November 1901: "Mazzenmehl!
Da ich Ende Dezember mit der Fabrikation von Mazzenmehl beginne, bitte
meine Kunden um baldige Erteilung ihrer Aufträge.
Dampfwalzmühle Kriftel, B. S. Ettinghausen, Höchst am
Main." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Dezember 1903: "Mazzenmehl
aus feinstem ausländischen und Nassauer Rotweizen hergestellt, empfiehlt
vom 15. Dezember an lieferbar
B.S. Ettinghausen,
Dampfmühle, Höchst am Main." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1904: "Zum
Besuch der Bäcker-Kundschaft in Süddeutschland suche ich per 1. April
einen tüchtigen branchekundigen
Reisenden.
Samstags und Feiertage geschlossen. Offerten mit Beifügung der
Photographie sind erbeten.
B.S. Ettinghausen, Höchst am
Main." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit vom 25. Juni 1908: "Lehrling.
Israelit, aus achtbarer Familie, mit guter Schulbildung, für Comptoir und
Lager in einer Gemeindemühle per sofort oder 1. August
gesucht.
Samstags und Feiertags geschlossen. Selbstgeschriebene Offerten mit kurzer
Lebensbeschreibung erbittet
B.S. Ettinghausen, Dampfmühle Kriftel, Höchst am Main." |
Lehrlingssuche des Herren- und
Damenkonfektionsgeschäftes S. Saalfeld (1900)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juli 1900:
"Für mein Manufaktur-, Mode-, Herren- und Damenkonfektionsgeschäft
suche per sofort einen Lehrling.
Kost und Logis im Hause.
S. Saalfeld, Höchst am Main, Königsteinerstraße
18." |
Anzeige des Mode-Spezialhauses Gustav Carsch & Co.
(1906)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 4. Mai 1906:
"Knaben-Anzüge usw.
in größter Auswahl empfehlen
Gustav Carsch & Co.
Spezialhaus für Herren- und Knaben-Kleidung
fertig und nach Mass.
(Frankfurt) Liebfrauenstr. 8/10 und Neue Kräme 27.
In Höchst am Main: Königsteinerstraße 5." |
Hochzeitsanzeige von Max Safern und Sophie geb. Neger
(1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1925:
"Max Safern - Sophie Safern geb. Neger. Vermählte.
Karlsruhe in Baden - Höchst am
Main." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine
erste Synagoge beziehungsweise ein Betsaal wird 1778 genannt.
Dieser befand sich in einem kleinen Haus (Anbau zu einem 1525 erbauten
Fachwerkhaus) innerhalb der älteren, im 16. Jahrhundert aufgegebenen Stadtmauer
von 1355. Wie lange der Betsaal in diesem im Brandschadensplan 1778 genannten
"Judenhauß" bereits genutzt wurde, ist nicht bekannt. Anfang des
19. Jahrhunderts war dieses Haus für die Zwecke der jüdischen Gemeinde
"gar eng und klein", zumal auch die Juden aus Griesheim, Schwanheim,
Liederbach, Münster und Niederhofheim zum Gottesdienst nach Höchst kamen. Nach
der Einrichtung der zweiten Synagoge 1806 wurde das Haus des ersten Betsaales an
Privatleute verkauft, ist jedoch bis heute erhalten (Albanusstraße 4, früher
Untere Dreikönigsstraße) und wird
im Erdgeschoss als Gaststätte genutzt.
1806
konnte ein Betsaal (zweite Synagoge, "Judenschule") in einem umgebauten alten Turm
(bisheriger Hinterturm am Porzellanfabrikgarten, danach auch Badstubenturm
genannt) in der nördlichen Stadtmauer (Bachgasse)
eingeweiht werden. Diesen Turm hatte die nassauische Regierung der jüdischen
Gemeinde gegen Bezahlung eines jährlichen Grundzinses von 4 Gulden zur Verfügung
gestellt. Zum Umbau war er im Blick auf den neuen Zweck auf die Höhe der
Stadtmauer abgetragen worden. Die zweite Synagoge lag damit über dem 1798
eingerichteten rituellen Bad (Mikwe), das von dem hier vorbeifließenden Arm des
Liederbaches gespeist wurde. Im umgebauten Turmgebäude wurde im Obergeschoss ein
Bet- und Schulraum eingerichtet.
In der zweiten
Synagoge wurden nur zehn Jahre die Gottesdienste der Gemeinde abgehalten, dann
genehmigte die Regierung den Abriss des Turmes und den Neubau einer Synagoge aus
den Bruchsteinen des Turmes an derselben Stelle (dritte Synagoge). Beim
Neubau wurden vermutlich die bisher mächtigen Wandstärken der Außenmauern des
einstigen Wehrturmes verringert, damit man einen größeren Innenraum erhielt. Die
Grundmauern des Hinterturms blieben noch etwa 1,5 Meter hoch erhalten. Diese
dritte Synagoge wurde am 23. August 1816 eingeweiht. Eine Abbildung von
ihr ist erhalten (auf einer um 1875 entstandenen Gouache). Nachdem seit 1890
sich die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder stark vergrößerte, war um 1900
eine Erweiterung oder ein Neubau der Synagoge dringlich. Der Neubau wurde im Oktober
1904 von der Gemeindevertretung beschlossen:
Eine neue Synagoge soll gebaut werden
(1904)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 4. November
1904: "Höchst am Main, den 28. Oktober. Die hiesige jüdische
Gemeinde hat in einer gestern abgehaltenen Versammlung beschlossen, eine
neue Synagoge auf der Stelle der alten zu
erbauten." |
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Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. November 1904: "Höchst.
Die hiesige israelitische Gemeinde hat in einer dieser Tage abgehaltenen
Versammlung beschlossen, an Stelle der alten eine neue, den heutigen
Verhältnissen entsprechende Synagoge zu erbauen." |
Der
Neubau sollte
an Stelle der bisherigen Synagoge entstehen. Der Gemeindevorsitzende stellte bei
der Stadt am 31. Januar 1905 den Bauantrag. Er ging alsbald ein, sodass am 16.
Mai 1905 die Grundsteinlegung stattfinden konnte. Die Gottesdienst wurden während
der Bauzeit im katholischen Vereinshaus abgehalten.
Grundsteinlegung der neuen Synagoge (1905)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Mai 1905: "In Höchst fand am 16. dieses Monats
die feierliche Grundsteinlegung der neuen Synagoge unter großer
Beteiligung statt. Der Architekt Münchhausen aus Köln, der Erbauer
vieler Synagogen, ist mit der Aufgabe betraut
worden." |
Die jüdische Gemeinde kann im katholischen
Vereinshaus Gottesdienste abhalten (1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Oktober 1905:
"In Höchst wurde, da die Synagoge sich im Umbau befindet, der
israelitischen Gemeinde des Saal des katholischen Vereinshauses zur
Verfügung gestellt und auch von ihr
benutzt." |
Nach
den Plänen des Architekten, Regierungsbaumeister S. Münchhausen aus Köln wurde die neue Synagoge in
romanischem Stil auf einem 300 qm großen Grundstück erbaut (vierte Synagoge).
Sie konnte am 14. Dezember 1905 durch
Rabbiner Dr. Horovitz aus Frankfurt feierlich eingeweiht werden. Über die
Feierlichkeiten liegen drei Presseberichte vor:
Die Einweihung der neuen Synagoge (1905)
Allgemeine Zeitung des Judentums vom 22. Dezember 1905.
In Höchst am Main wurde am 14. dieses Monats in der feierlichsten Weise die
neue Synagoge eingeweiht. Dieselbe ist im romanischen Stil nach den Plänen des
Baumeisters Münchhausen aus Köln erbaut. |
|
Allgemeine Zeitung des Judentums vom 29. Dezember 1905. Höchst am Main,
18. Dezember (1905). Am 14. dieses Monats fand in einem feierlichen
Gottesdienste in Anwesenheit von Vertretern der königlichen und städtischen
Behörden die Einweihung der hiesigen neuen Synagoge statt. Das nach den Plänen
des Baumeisters S. Münchhausen in Köln im romanischen Stile erbaute Gotteshaus
war mit Blumen reich geschmückt und bis auf den letzten Platz mit zahlreich
erschienenen Gästen gefüllt. Die Bewohner der umliegenden Straßen hatten ihre
Häuser reich beflaggt. Abends fand ein Festbankett statt. Die Teilnehmer gehörten
allen Konfessionen an, und gestaltete sich die Feier zu einem recht erhebenden
Fest. Herr Bürgermeister Palleske ergriff das Wort, wies in seiner Rede hin auf
das in Höchst bestehende gute Einvernehmen aller Konfessionen und brachte der
Kultusgemeinde als Festgabe das Versprechen der gesamten Bürgerschaft, treu zu
ihr zu stehen in der Betätigung wahrer Nächsten und Menschenliebe. Der Verlauf
der ganzen Feier war ein derartiger, dass alle Teilnehmer und vor allem die
ganze jüdische Gemeinde mit hoher Befriedigung auf den Tag ihrer
Synagogeneinweihung zurückblicken dürfen. |
|
Frankfurter Israelitisches Familienblatt
vom 22. Dezember 1905. Höchst am
Main. Am vergangenen Donnerstag wurde die feierliche Einweihung der neu erbauten
Synagoge vollzogen. Um 4 Uhr fanden sich die Gemeindemitglieder vor dem Hause
des Vorstehers Ettinghausen ein, um die Torarollen bei ihrer Überführung nach
der Synagoge ehrfurchtsvoll zu begleiten. Beim Eintritt in die heiligen Räume
begrüßte der Chor des Kantor Neumann - Frankfurt, eines Schülers der Opernsängerin
Bentfeld, den Zug. Es erfolgte sodann der Umzug der Torarollen und ihre
Einstellung in die heilige Lade unter Gesang der hierbei üblichen Psalmen. Die
Festpredigt hielt Rabbiner Dr. Horovitz- - Frankfurt. Nach ihr wurde die ewige
Lampe angezündet, und mit dem Abendgottesdienst, mit Kantor Ogutsch - Frankfurt
als Vorbeter, fand die religiöse Feier ihr Ende. Unter den Festgästen
bemerkten wir den Landrat von Achenbach, Bürgermeister Palleske, Direktor Dr.
Adler - Frankfurt, Rechtsanwalt Dr. Blau, Präsident der Israelitischen Gemeinde
in Frankfurt, u.a.; die Höchste Geistlichkeit, die selbstverständlich auch
eingeladen war, war nicht vertreten. - Des Abends fand ein Bankett statt.
(Hinweis:
bei
P. Arnsberg s. Lit. S. 557 wird auszugsweise ein Bericht aus dem "Kreisblatt
für den Kreis Höchst" vom 15. Dezember 1905 zitiert).
|
Architekt
Münchhausen erstellte einen schiefergedeckten Backsteinbau. Die Fenster- und Türumrahmungen,
Giebelabdeckung und u.a.m. waren aus Sandstein. Die Fassade mit den zwei Ecktürmchen
zeigte auf den Höchster Marktplatz. Im rückwärtigen Teil befanden sich die
Mikwe und ein Raum für den Vorbeter. In der Synagoge hatte es 84 Sitzplätze für
Männer und 54 für die Frauen auf der Empore.
Nur etwas
mehr als drei Jahrzehnte blieb die Synagoge Mittelpunkt des Gemeindelebens der jüdischen
Gemeinde in Höchst. Übergriffe gegen die Synagoge gab es bereits 1933,
als innerhalb kurzer Zeit zweimal die Fenster der Synagoge eingeworfen wurden.
Beim Novemberpogrom
1938 drangen am Morgen des 10. November SA-Leute aus Höchst in die Synagoge
ein, zerschlugen die Inneneinrichtung und legten Feuer. Ein jüdischer Mann, der
versuchte, Ritualien aus der Synagoge zu retten, wurde bespuckt und mit Steinen
beworfen. Mittags wurde eine nochmalige Brandstiftung durch Höchster Einwohner
vorgenommen, wodurch die Synagoge völlig ausbrannte. Die Feuerwehr verhinderte
das Übergreifen der Flammen auf die angrenzenden Häuser. Bald nach der Zerstörung
der Synagoge meldete die Stadt ihr Interesse am Erwerb des Grundstückes an. Es
kam im März 1939 zu einem
"Kaufvertrag" mit der Israelitischen Kultusgemeinde, nach dem diese
die Abbruchkosten der Synagoge zu übernehmen hatte und der Erlös aus dem
Verkauf des Grundstückes auf ein Sperrkonto der Devisenstelle zu überweisen
war. Daraufhin wurde das Grundstück mit einem Bauzaun umgeben, die Synagoge
wenig später abgebrochen. 1942
verkaufte die Stadt das Grundstück an das Deutsche Reich, das einen Luftschutzbunker
erbauen ließ, der heute noch steht. An ihm wurde am
24. Juni 1966 bzw. nach einer
Veränderung der Inschrift 1976 eine
Gedenktafel zur Erinnerung an die Synagoge angebracht. Die von Ernst
Slutzky gestaltete Kupfertafel trägt die Inschrift: "An dieser Stelle
stand die 1905 von der Höchster Jüdischen Gemeinde errichtete Synagoge. Sie
wurde am 9. November 1938 zerstört. Mit Hilfe der Stadt Frankfurt am Main wurde
zum Gedenken in der Gemeinde Neve-Efraim-Monosson/Israel eine neue Synagoge
erbaut" (der ursprüngliche Text von 1966 lautete: "Hier stand die
Synagoge der Jüdischen Gemeinde Höchst, 1938 durch die Nationalsozialisten
zerstört, wiedererrichtet mit Hilfe der Stadt Frankfurt a.M. in Neve Efraim
(Israel))". Hintergrund des Hinweises auf die Synagoge in Neve Efraim ist
eine Spende von 20.000.- DM, die die Stadt Frankfurt nach Neve Efraim überwies.
Mit dem Betrag konnte ein Teil der Baukosten der dortigen Synagoge finanziert
werden.
Vor dem Luftschutzbunker stand von April 1982 bis 2010 eine Nachbildung (Abguss)
der ursprünglich aus dem Jahr 1928 stammenden Antikriegs-Plastik "Der
Krieg" des Höchster Künstlers Richard Biringer. Das Original wurde in
der NS-Zeit entfernt und eingeschmolzen.
2008 wurde der Platz vor dem ehemaligen Synagogengrundstück Platz in "Ettinghausenplatz" umbenannt.
Im November
2010 wurden zwei "Medienviewer" ("Fernrohre in die Vergangenheit")
aufgestellt, mit denen Fotos der virtuellen Rekonstruktion der Synagoge
angeschaut werden können. Eine weitere Umgestaltung des Ettinghausenplatzes,
unter dessen Pflaster die Fundamente der Synagoge(n) sowie wichtige Baureste des
mittelalterlichen Höchst gefunden werden dürften, ist
seit Jahren geplant, wurde jedoch bislang nicht durchgeführt. Die Untersuchung
des Areals wird auf jeden Fall wichtige Ergebnisse zur Stadtentwicklung von
Höchst zutage fördern (Stand August 2018).
Adresse/Standort der Synagoge: Marktplatz
(= Höchster Markt; Ettinghausenplatz)
Fotos
(Quelle: Institut für Stadtgeschichte, Höchst;
Stadtarchiv Höchst; Foto in der zweiten Fotozeile von oben rechts: erhalten von
Gerhard Reininger, Frankfurt)
Pläne |
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Plan von 1905 der Ecke
Bachgasse/Schleifmühlenweg
zum Synagogenbauprojekt |
Seitenansicht aus den Plänen
zum Bau der Synagoge
1905 |
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Fotos:
Die Synagoge vor 1938 |
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Die Synagoge
am Marktplatz |
Aus einem Familienalbum
(Foto von 1937/38):
die Synagoge rechts im Hintergrund |
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Die zerstörte Synagoge |
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Die ausgebrannte Synagoge in
Höchst - Foto nach dem 10. November |
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Die 1976 angebrachte
Gedenktafel |
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Gedenktafel
am Synagogenstandort mit der Inschrift: "An dieser Stelle stand die
1905 von der Höchster jüdischen Gemeinde erreichte Synagoge. Sie wurde
am 9. November 1938 zerstört. Mit Hilfe der Stadt Frankfurt am Main wurde
zum Gedenken in der Gemeinde Neve-Efraim-Monosson Israel eine neue
Synagoge erbaut".
Anmerkung: die Synagoge wurde am 10. November 1938 zerstört; das
gespendete Geld für die Synagoge in Israel reichte nur für das Fundament
dieser Synagoge! |
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Virtuelle Rekonstruktion
der
Synagoge in Höchst
(© Marc Grellert, www.synagogen.info;
vgl. Artikel unten aus hr-online.de
vom 14.11.2010) |
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Außenansicht der Synagoge |
Blick von der Frauenempore |
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Im Betraum der
Männer mit Blick zum Toraschrein |
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Erinnerungsarbeit vor Ort -
neue Berichte
Pläne für die Zukunft des Synagogenplatzes
(September 2008)
September 2008:
Pläne für die Zukunft des
Synagogenplatzes |
Bericht von Karin Schäufler in der
"Frankfurter Rundschau" vom 27.9.2008 (www.fr-online.de)
Höchst. Ettinghausen, ein geschätzter Mitbürger
Ein Bunker mit Gedenktafel, eine Bronzeplastik und vier Bänke unter Platanen: So zeigt sich das kleine Areal am Höchster Markt zwischen Justinuskirchstraße, Schleifergasse und Kronengasse. Auf den ersten Blick wirkt alles recht beschaulich und übersichtlich - und irgendwie auch ziemlich düster. Ob's nur an der herbstlichen Witterung liegt? Oder gibt es hier Düsteres zu wittern? Möglicherweise auch ein Licht im Dunkel auf den zweiten Blick?
Die Wahrnehmung des Platzes ändert sich, wenn man erfährt, wie sehr dessen Gestaltung Waltraud Beck, Mitbegründerin der seit 20 Jahren bestehenden Initiative "Juden in Höchst",
beschäftigt..." |
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Mai 2010:
Zum Stand der Pläne für die Neugestaltung des
Synagogenplatzes |
Artikel (öp) in der "Frankfurter Neuen
Presse" vom 4. Mai 2010 (Artikel):
"Synagoge soll wieder sichtbar werden.
Höchst. Auch wenn die Initiative zum Gedenken an den Novemberpogrom 1938 noch etwas Geduld aufbringen muss – bevor der Ettinghausenplatz neu gestaltet wird, ist Waltraud Beck mit dem Ergebnis des jüngsten Treffens mit Vertretern der beteiligten Ämter
zufrieden..." |
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Oktober 2010:
Zeitzeugengespräche auf dem Weg zur virtuellen
Rekonstruktion der Höchster Synagoge |
Artikel von Boris Schöppner in der "Frankfurter Neuen Presse"
vom 16. Oktober 2010 (Artikel):
"Erinnerung an die Synagoge.
Höchst. Auf die moderne Technik kann sich Marc Grellert bei der virtuellen Rekonstruktion der ehemaligen Höchster Synagoge nicht alleine verlassen. Der Architekt hatte seinen Computer zwar mit den Daten gefüttert, die sich aus den erhaltenen Grundrissen und Schnitten sowie alten Schwarzweißfotos ergaben, doch für den letzten Schliff des virtuellen Modells fehlten noch einige Angaben. Als
'Detektiv- und Puzzlearbeit' beschreibt der Architekt, der in Darmstadt arbeitet und in Frankfurt wohnt, die Recherchetätigkeit.
Wie war die Decke der Synagoge gestaltet? Wie sah der Fußboden aus? Welche Farbe hatten die Wände? Die Suche nach Antworten auf diese Fragen führte Marc Grellert bis in die USA..."
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Oktober 2010:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Höchst |
Artikel in der "Frankfurter Neuen
Presse" vom 23. Oktober 2010 (Artikel):
"Stolpersteine werden verlegt
Frankfurt. Der Künstler Gunter Demnig verlegt wieder 'Stolpersteine', diesmal in Höchst. Damit erinnert er an Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus umkamen..."
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Dazu Bericht von Elisabeth Hofmann-Mathes in
der "Frankfurter Neuen Presse" vom 3. November 2010: "Stolpersteine
und Denkanstöße".
- Link
zum Artikel. |
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November 2010:
Die ehemalige Synagoge wird durch ein Fernrohr
sichtbar |
Artikel in der "Frankfurter Neuen
Presse" vom 5. November 2010 (Artikel):
"Fernrohr in die Vergangenheit macht Synagoge sichtbar
Höchst. Das Fernrohr in die Vergangenheit, das einen Eindruck davon vermittelt, wie einst die Höchster Synagoge aussah, wird am Mittwoch, 10. November, um 13.30 Uhr am Ettinghausen-Platz eingeweiht. Dabei sein werden Kulturdezernent Felix Semmelroth und der Architekt Marc Grellert, der das jüdische Gotteshaus virtuell rekonstruiert hat (das Kreisblatt berichtete)..." |
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November 2010:
Über die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge
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Artikel aus hr-online.de vom 14. November
2010 (Artikel,
dazu die oben eingestellten Abbildungen von Marc Grellert):
"Faszinierende Technik. Blick in die Vergangenheit
Virtuelle Außenansicht der 1938 zerstörten Synagoge in Frankfurt
Höchst. Wer glaubt, auf diesem Bild eine echte, wahrhaftig greifbare Synagoge zu sehen, der irrt. Tatsächlich handelt es sich um die virtuelle Wiederauferstehung der Höchster Synagoge. "Fernrohre in die Vergangenheit" ermöglichen einzigartige Blicke..."
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Artikel in der "Frankfurter
Rundschau" vom 10. November 2010 "Virtuelle
Synagoge". |
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Weiterer Artikel aus
frankfurt-live.com vom 12. November 2010 (Artikel):
"Erinnerung an die ehemalige Synagoge in Höchst. Einweihung der
Installation 'Fernrohre in die Vergangenheit" |
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Artikel in der "Frankfurter Neuen
Presse" vom 18. November 2010 (Artikel):
"Klarer Blick auf Synagoge
Höchst. Wer sehen will, wie die 1938 von den Nazis zerstörte Synagoge ausgesehen hat, kann am ehemaligen Standort wieder einen plastischen Eindruck davon bekommen. Die
'Fernrohre in die Vergangenheit' wurden repariert.
Wie berichtet hatten nur wenige Tage nach der feierlichen Enthüllung Unbekannte die Okulare beschädigt. Der Staatsschutz hat die Ermittlung übernommen..."
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Juli 2014:
In Höchst, Sindlingen und Griesheim werden
weitere "Stolpersteine" verlegt |
Artikel im "Höchster Kreisblatt"
vom 3. Juli 2014: "Stolpersteine mahnen an die Opfer der Nazi-Zeit.
In den kommenden Tagen werden in Höchst, Sindlingen und Griesheim wieder Stolpersteine für Menschen verlegt, die unter den Nazis verfolgt wurden und ums Leben kamen.
Frankfurter Westen. Die AG Geschichte und Erinnerung, eine Arbeitsgemeinschaft verschiedener Gruppen wie dem Bund für Volksbildung, dem Bildungsschuppen, dem Filmforum Höchst sowie Vertretern von Kirchengemeinden und Parteien aus dem Frankfurter Westen, recherchiert regelmäßig die Schicksale von Nazi-Opfern aus dem Frankfurter Westen, um zur Mahnung sogenannte Stolpersteine in den Bürgersteigen vor den früheren Wohnhäusern dieser Menschen zu verlegen. Die Idee geht auf den Künstler Günter Demnig zurück, der es als gesamteuropäisches Kunstprojekt sieht und an die Verfolgung von Juden, politisch Andersdenkenden, Zigeunern, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und Euthanasie-Opfer erinnern will..."
Link
zum Artikel |
Siehe Übersicht über die in Höchst
bisher verlegten "Stolpersteine" siehe Gesamtliste -
geordnet nach Stadtteilen in www.stolpersteine-frankfurt.de |
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Juli 2017:
Die Neugestaltung des
Ettinghausenplatzes kommt nicht voran |
Artikel von Holger Vonhof im "Höchster
Kreisblatt" vom 21. Juli 2017: "Ettinghausenplatz wird nicht umgestaltet
Würdeloser Umgang mit der Geschichte
Ettinghausenplatz? Die meisten Höchster kennen nicht einmal den Namen der
Fläche zwischen Marktplatz und Bunker. Das nicht sehr ansehnliche Areal soll
umgestaltet werden – nur weiß noch keiner, wann.
Höchst. Die 'AG Geschichte und Erinnerung', eine Höchster
Arbeitsgemeinschaft, die sich mit der Verfolgung der Juden in der Nazizeit
beschäftigt, ist nicht glücklich, dass die 'Fernrohre in die Vergangenheit'
immer wieder unter Sperrmüll verschwinden. Die beiden 'Fernrohre' auf dem
Ettinghausenplatz zeigen Ansichten der früheren Höchster Synagoge, die bis
zur Reichspogromnacht an dieser Stelle stand und nach ihrer Zerstörung durch
die Nazis mit einem Luftschutzbunker überbaut wurde.
Gesichtslose Fläche. Der Platz ist eigentlich nur eine gesichtslose
gepflasterte Fläche mit Sitzbänken. Zwei Bäume sind unlängst gefällt worden,
weil sie nicht mehr standsicher waren. Zwei weitere stehen noch. Die Platane
und der Bergahorn sind jedoch wegen ihres schlechten Gesundheitszustands
auch nicht mehr zu halten. Fallen sollen sie im kommenden Winter oder
spätestens 2019. Nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung steht
der Ettinghausenplatz auf der Liste des Investitionsprogramms 'Schöneres
Frankfurt'. Weil die Stadt keine Leute hat – das gibt sie in ihrer jüngsten
Stellungnahme zum Thema offen zu –, könne jedoch derzeit mit den Planungen
zur Umgestaltung des Platzes nicht begonnen werden. 'Sobald sich Kapazitäten
für die Bearbeitung ergeben, wird der Magistrat unaufgefordert auf den
Ortsbeirat zukommen', heißt es weiter. Das bedeutet im Klartext nichts
anderes als 'Ortsbeirat, geh’ uns nicht auf die Nerven'.
1905 eingeweiht. Denn: Bevor der Platz umgestaltet werden kann, muss
er aufgegraben werden. Wenn er wiederum aufgegraben wird, stößt man auf
Geschichte. Wegen des früheren Synagogen-Standorts ist mit archäologischen
Funden zu rechnen. Schon vor der 1938 zerstörten Synagoge, die im 14.
Dezember 1905 eingeweiht worden war, hatte am selben Standort ein
Vorgängerbau der jüdischen Gemeinde Höchst gestanden. Max Ettinghausen, nach
dessen Familie der Platz benannt ist, war Kultusvorsteher der Gemeinde und
hatte am 16. Mai 1905 selbst den Grundstein für die 33 Jahre später in der
Reichspogromnacht zerstörte Synagoge gelegt. Die brennende Synagoge musste
er nicht mehr erleben: Er starb 1933. Nach seinem Tod wurde sein Neffe
Berthold Gemeindevorsteher. Die Familie Ettinghausen war angesehen in
Höchst: Als zu Beginn des Ersten Weltkrieges die Mehlpreise in den Himmel
schossen, stellte Getreidehändler Max Ettinghausen sein gesamtes Mehllager
mit 20 000 Pfund den Armen zum verbilligten Preis zur Verfügung. Am 24.
April 1933 hieß es im Höchster Kreisblatt: 'Im hohen Alter von nahezu 80
Jahren starb (...) der in weitem Umkreis unserer Stadt wohlbekannte und
wohlgelittene Kaufmann und Getreidehändler Herr Max Ettinghausen. Als
geborener Alt-Höchster und dank seines geraden und freundlichen Wesens, wie
auch seiner gründlichen Kenntnisse von Land und Leuten wurde er vielfach zu
gemeinnützigen Kooperationen und Ehrenämtern herangezogen (...). Sein
Andenken wird nicht so bald verblassen.' In der Nacht des Synagogenbrandes
konnte nur eine einzige Torarolle gerettet werden, die Berthold Ettinghausen
mit in die USA nahm. Sie befindet sich in Boston."
Link zum Artikel |
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August 2017:
Schülerprojekt zur Geschichte der
Synagoge |
Artikel von Holger Vonhof im "Höchster
Kreisblatt" vom 31. August 2017: "Historisches Projekt im Stadtteil
'Heute stecken wir die Juddekerch an'
Das neue Schuljahr 2017/18 ist für die Leibnizschule ein Jubiläumsjahr: Seit
175 Jahren lernen Kinder in Höchst an dieser Schule beziehungsweise an
Einrichtungen, die als Vorgängerschulen gelten. Die Leibnizschule begreift
ihr Jubiläum auch als Aufforderung, sich intensiv mit der Geschichte zu
befassen.
Höchst. 'Gerechte Vergeltung' titelt das Höchster Kreisblatt nach dem
Judenpogrom vom 10. November 1938, zu dem auch die Höchster Synagoge in
Flammen aufging. Von einem 'spontanen Ausbruch der Volkswut gegen die Juden'
ist die Rede – gesteuerte Lügen der Nazi-Diktatur. Das seit 1849 bestehende
Höchster Kreisblatt war nach der Machtergreifung der Nazis gleichgeschaltet
worden, das heißt: Die Inhalte bestimmten Verantwortliche der Nazi-Partei.
Angebliche 'Volkswut'. In Zeiten von 'Fake News', also gezielten
Falschmeldungen zu doktrinären Zwecken, kann das ein Thema sein, wenn sich
Neuntklässler der Leibnizschule jetzt mit der Pogromnacht und der
Nazi-Diktatur beschäftigen. Gestern besichtigten Schüler im Innenhof des
Höchster Gymnasiums die Schautafeln einer Ausstellung, die 2013 zum 75.
Jahrestag des Gewaltausbruchs konzipiert worden war. Sie konnten nachlesen,
wie die angeblich 'spontane Volkswut' von der Nazi-Partei inszeniert worden
war und was sich im Einzelnen in Höchst abgespielt hat. Denn auf Anweisung
aus Berlin klingelte am Morgen des 10. November 1938 der SA-Führer Karl
Kreuz bei seiner Gefolgschaft und verkündete: 'Heute stecken wir die
Juddekerch an.' Gemeint war die Synagoge am heutigen Ettinghausenplatz.
Nachdem die SA die Synagoge verwüstet und darin Feuer gelegt hatte,
zündelten nämlich gegen Mittag einige 'zivile' Bürger und die Hitlerjugend
nach; die Feuerwehr beschränkte sich darauf, das Übergreifen der Flammen auf
umstehende Gebäude zu verhindern. Wer waren die Menschen, die das damals
taten? Was veranlasste sie zu ihren Gräueltaten? Und wer waren die Menschen,
die verfolgt und ermordet wurden? Damit wollen sich die Leibnizschüler nun
unter anderem befassen. Der Kurs Gesellschaftswissenschaften will in
Archiven – unter anderem im Frankfurter Stadtarchiv und im Hessischen
Staatsarchiv in Wiesbaden – nachforschen; der Kunstkurs will die Ergebnisse
gestalterisch umsetzen. 'Wir möchten, dass sich die Kinder hineinversetzen
in die Verfolgung und den Verrat an den Juden', sagt Annegret Schirrmacher,
Sprecherin der Leibnizschule. Dabei geht es auch um Fragen wie: Was packe
ich in meinen Koffer, wenn ich fliehen muss? 'Es ist der Schritt zu heute',
sagt Schirrmacher: 'Derzeit sind 28 Millionen Kinder weltweit auf der
Flucht. Auch wir haben hier am Leibniz Kinder, die geflohen sind, etwa aus
Afghanistan. Es geht auch darum, wie wir damit umgehen.'
Gespräche mit Zeitzeugen. Drei von vier 9. Klassen der Leibnizschule
waren gerade in Berlin, haben das Holocaust-Mahnmal besucht, aber auch
Stätten der deutsch-deutschen Teilung. Kinder, die lange nach der
Wiedervereinigung geboren wurden, stehen zum Teil bewegt, zum Teil auch
staunend vor den Stätten der Geschichte. 'Vor der Mauer fragte einer: Wie,
die war nur so dünn?', berichtet Schirrmacher. Es geht auch darum,
ehemaligen jüdischen Lehrern und Schülern an der Leibnizschule nachzuspüren.
Unterstützung gibt es dabei von Helga Krohn und Waltraud Beck von der AG
'Geschichte und Erinnerung', die auch die Pogrom-Schautafeln konzipiert hat.
Unterstützt wird das umfangreiche Jahresprojekt vom Programm für kulturelle
Bildung 'kunstvoll' des Kulturfonds Rhein-Main, dem Pädagogischen Zentrum
des Fritz-Bauer-Instituts, dem Jüdischen Museum und Leonore Poth als
künstlerische Begleitung. Am 13. September begeben sich die Schüler auf
Spurensuche im Stadtteil, Ende des Monats folgen Zeitzeugen-Gespräche mit
der KZ-Überlebenden Eva Szepesi und Otto Schiff, einem Hinterbliebenen der
jüdischen Familie, die in Höchst das Kaufhaus Schiff betrieben hat."
Link zum Artikel |
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November 2017:
Eine Broschüre zu einem "Rundgang zu
Stolpersteinen und anderen Orten des Gedenkens" ist
erschienen |
Artikel von Ilse Romahn in
frankfurt-live.com vom 20. November 2017: "Broschüre zu einem 'Rundgang zu Stolpersteinen und anderen Orten des
Gedenkens'
Die 'AG Geschichte und Erinnerung' recherchiert und dokumentiert seit mehr als 30 Jahren die Schicksale von Opfern des NS-Regimes. Seit 2006 wurden in Höchst und anderen westlichen Vororten 101 Stolpersteine verlegt und an wenigen Stellen auch Gedenktafeln angebracht, um die Erinnerung an die Opfer wach zu halten und die Würde der betroffenen Menschen zu bewahren.
Nun hat die AG eine Broschüre zu einem 'Rundgang zu Stolpersteinen und anderen Orten des
Gedenkens' zusammengestellt.
Der Rundgang ist ca. 2,8 km lang, beginnt und endet am Bahnhof-Höchst, Stationen sind u.a. in der Leverkuserstraße, Königsteiner Straße, Bolongarostraße, Hostatostraße und am Ettinghausenplatz (dem Platz der ehemaligen Synagoge).
Alle Stationen und die Lebenssituationen der Menschen, für die Stolpersteine oder Gedenktafeln zu finden sind, werden beschrieben. Orientieren kann man sich anhand des sehr übersichtlichen Lageplans in der Mitte des Heftes.
Die Broschüre ist erhältlich im Tabakladen Krämer (Tourismusbüro) in der Albanusstrasse 22 zum Preis von 3 €. Schulen können die Broschüre im Klassensatz kostenlos beziehen."
Link
zum Artikel |
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August 2018:
Der Standort der alten Synagoge
konnte lokalisiert werden |
Artikel von Wolfgang Metternicht im
"Höchster Kreisblatt" vom August 2018: "Gotteshaus Standort der Synagoge
von 1816 lokalisiert.
Höchster Geschichtsforscher Dr. Wolfgang Metternich hat den Standort der
alten Höchster Synagoge ausfindig gemacht. Das Bauwerk galt als verschollen;
bislang war nicht einmal ein Bild davon bekannt. Das ist jetzt anders – als
Gastautor berichtet er von seiner Suche.
Höchst. Das Ende der letzten Synagoge von Höchst ist leider nur zu
gut bekannt. Am 9. November 1938, dem Tag der beschönigend so genannten
'Reichskristallnacht', die in Wahrheit ein brutaler Angriff der SA und auch
mancher Höchster Bürger auf das Zentrum der jüdischen Gemeinde in Höchst
war, wurde die Synagoge durch den braunen Mob zunächst verwüstet und
geplündert und am folgenden Tag Feuer gelegt. Das durch den Brand
beschädigte Gebäude musste danach durch Zwangsverkauf an die Stadt Frankfurt
veräußert werden und wurde 1939 abgerissen. Der größte Teil des Grundstücks
wurde nicht mehr überbaut, auch nicht im Jahr 1942, als der noch bestehende
Bunker an der Südostseite des Höchster Marktes errichtet wurde. Lediglich
dessen Westfront steht über der Ostwand der Synagoge, die allerdings den
wichtigsten Teil des Gotteshauses, die Thoranische enthielt.
Reste unterm Pflaster. Die Fundamente der 1905 erbauten Synagoge,
zwischen Bunker und Höchster Markt, liegen, zusammen mit weiteren wichtigen
Bauresten des mittelalterlichen Höchst, noch immer unter dem Pflaster des
Ettinghausen-Platzes und harren einer gründlichen archäologischen
Untersuchung. Erste Bestrebungen für eine solche Maßnahme sind im Gange.
Eine gründliche Untersuchung des Areals verspricht reiche Ergebnisse zur
Stadtentwicklung von Höchst, darunter zur Geschichte eines Bauwerkes, das
bislang als verschollen galt und von dem weder ein Foto noch eine Ansicht
existierte. Es handelt sich um die zweite, im Jahr 1816 errichtete und
vollständig ausgestattete Synagoge von Höchst. Diese wurde nun auf einer
Gouache, einem Bild, in den reichhaltigen historischen Beständen des
Höchster Geschichtsvereins wiederentdeckt.
Wann unter den meist katholischen Einwohnern von Höchst zum ersten Mal Juden
lebten, ist nicht bekannt. Erstmals wird die Familie des 'Jud Mosche'
zwischen 1638 und 1642 in den Steuerlisten genannt. Eine Gemeinde ist zu
diesem Zeitpunkt noch auszuschließen, aber nach 1700 vermehrte sich die Zahl
der Familien jüdischen Glaubens. Ein erster Versammlungsraum oder auch
Bethaus wird im Brandschadensplan von 1778 als 'Judenhauß' genannt. Es steht
noch heute, lag damals in der unteren Dreikönigsstraße und hat heute die
Adresse Albanusstraße 4. Es war eine bescheidene Liegenschaft und hatte
wahrscheinlich noch nicht den Charakter einer richtigen Synagoge. In dieser
brauchte man zur Abhaltung des Gottesdienst zehn volljährige männliche
Gemeindemitglieder, die damals in Höchst noch nicht nachzuweisen sind. Aber
schon 1803 gab es in Höchst sechs jüdische Familien mit 21 Mitgliedern.
Bereits 1798 hatte die kleine Gemeinschaft mit der Eisgrube beim Zufluss des
Liederbachs in die Stadt, direkt an einem Turm der Stadtmauer, der als
'Hinterturm' bekannt war, eine Liegenschaft im alten 'Porzellanfabrikgarten'
erworben. Dort richtete sie eine Mikwe, ein Frauenbad, ein. Das weist auf
die Größe einer Gemeinde hin, die in der Lage war, einen Gottesdienst
abzuhalten, aber wo?
Das Haus in der Dreikönigstraße war, insbesondere nach der Judenbefreiung im
neuen Herzogtum Nassau, sicher bald für die wachsende Gemeinde zu klein.
Neue Möglichkeiten taten sich nach der Auflassung der Stadtmauer als
Stadtbefestigung auf. In den Jahren 1805/06 wurde der Hinterturm am
Porzellanfabrikgarten von der nassauischen Regierung gegen einen jährlichen
Grundzins von vier Gulden der jüdischen Gemeinde zum Bau eine 'Judenschule'
überlassen. Diese Judenschule kann schon mit der zweiten Synagoge von Höchst
gleichgesetzt werden, da die Bezeichnungen Bethaus, Judenhaus, Judenschule
und Synagoge vielfach synonym gebraucht wurden. Der Hinterturm wurde nach
der Übergabe zunächst bis auf die Höhe der Stadtmauer abgetragen und mit
einem neuen Dach versehen. Er wurde seither auch Badstubenturm genannt, hat
aber mit der heutigen Badstubengasse bei der Justinuskirche nichts zu tun.
Diese hieß bis 1928 Klostergasse. Das Innere wurde im Obergeschoss als Bet-
und Schulraum umgebaut, die Mikwe lag im Untergeschoss und hatte sicher
einen Frischwasserzufluss vom vorbei fließenden Arm des Liederbachs.
Neu aufgebaut. Im Jahr 1816 wurde diese zweite Synagoge im Hinterturm
bis auf die Fundamente abgebrochen und auf diesen, bei gleichen äußeren
Abmessungen, neu aufgebaut. Sie wurde am 23. August 1816 eingeweiht.
Wahrscheinlich verringerte man bei dieser Baumaßnahme die mächtigen
Wandstärken der Außenmauern des einstigen Wehrturmes und erhielt auf diese
Weise einen größeren Innenraum. Ein Aquarell von etwa 1875, das die
Schleifmühle, den östlichen Teil des Porzellanfabrik-Gartens und den
späteren Marktplatz zeigt, vermittelt auch eine gute Ansicht der Synagoge
von 1816 auf den Grundmauern des alten Hinterturmes auf dem heutigen
Ettinghausen-Platz. Die Synagoge war auf den noch etwa 1,5 Meter hoch
aufragenden Grundmauern des Hinterturms neu aufgebaut worden und lag im
Südostbereich des 1798 erworbenen Grundstücks. Der nördlich und westlich des
alten Turmes liegenden Bereich des Grundstücks ist mit niedrigen Bäumen
bepflanzt, die es erlauben, dieses Areal eine Obstgarten zu nennen. In dem
Untergeschoss lag ohne Zweifel weiterhin die Mikwe. Anbauten im Hof- oder
Gartenbereich, welche ein neues Frauenbad hätten aufnehmen können, gibt es
nicht. Das obere Geschoss, in dem sich offensichtlich ein hoher Raum
befunden haben muss, zeigt auf der Nordostseite zwei hohe Sprossenfenster
mit Mittelteilung und je zehn Feldern. Der hohe Raum im Obergeschoss
erschließt sich auch aus der Information, dass der Hinterturm 1806 bis auf
die Höhe der Stadtmauer abgebrochen wurde.
Nimmt man über dem alten Turmsockel von etwa 1,5 Metern eine Höhe der
Stadtmauer von weiteren 5 bis 6 Metern an, so war es beim Neubau nun
möglich, einen Raum von wenigstens 5 Metern Innenhöhe zu schaffen, der auch
eine kleine Empore enthalten konnte. Auf der Nordwestseite kann man zwei
übereinander liegende kleine Sprossenfenster erkennen, hinter denen sich
wohl eine Treppe verbarg. Diese erschloss sicher nicht nur den Dachboden,
sondern auch die notwendige Empore im Innenraum, welche beim Gottesdienst
den Frauen vorbehalten war.
Diese in ihrer Lage und ihrer Gestalt bislang völlig unbekannte Synagoge
diente der weiterhin schnell wachsenden jüdischen Gemeinde bis 1905 als
Gemeindezentrum, Schul- und Gotteshaus. Nachdem schon 1904 ein Antrag für
den Neubau einer Synagoge eingereicht worden war, wurde sie um die
Jahreswende 1904/05 abgerissen und schon am 16. Mai 1905 der Grundstein zur
neuen, der letzten Synagoge von Höchst gelegt. Die Einweihung fand bereits
am 18. Dezember des gleichen Jahres statt. Bürgermeister Viktor Palleske
überbrachte 'der Kultusgemeinde als Festgabe das Versprechen der gesamten
Bürgerschaft, treu zu ihr zu stehen in der Bestätigung wahrer Nächsten- und
Menschenliebe'. Dieses vollmundige Versprechen sollte allerdings seine
Bewährungsprobe nicht überstehen. Mit ihrer Synagoge ging 1938 auch die
jüdische Gemeinde in die Vertreibung und in den Tod. Es ist an der Zeit,
sich nicht nur an Gedenktagen der jüdischen Mitbürger zu erinnern. Die
Zeugnisse ihrer Existenz liegen unter dem Ettinghausen-Platz und verdienen
es, wie an anderen Orten, wieder ans Licht geholt zu werden."
Link zum Artikel |
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März 2020:
Archäologische Grabungen auf dem
Ettinghausen-Platz beginnen |
Artikel von Holger Vonhof in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 10. März 2020: "Höchst. Archäologische
Grabungen – Überreste von Synagoge unter der Erde?
Die Grabungen auf dem Ettinghausen-Platz in Frankfurt-Höchst werden von
Fachleuten mit Spannung erwartet.
Frankfurt - Mit einiger Zeitverzögerung sollen jetzt die archäologischen
Grabungen am Ettinghausen-Platz in Höchst beginnen: Die Sondierungen, die
ursprünglich schon im Juli vergangenen Jahres hätten stattfinden sollen,
werden voraussichtlich am nächsten Montag, 16. März, beginnen. Die aus der
Grabung gewonnenen Erkenntnisse sollen - so weit möglich und sinnvoll - in
die künftige Gestaltung des kleinen Platzes einfließen, der seit Jahren ein
reichlich desolates Bild bietet. Benannt ist der Platz nach einer Familie,
die maßgeblich die jüdische Gemeinde Höchst beeinflusst hat und die im
Sozial-, Wirtschafts- und Vereinsleben sowie in der Kommunalpolitik der
früher selbstständigen Stadt Höchst aktiv war. Der Ettinghausen-Platz gehört
zu den ältesten historisch und archäologisch relevanten Flächen der Höchster
Altstadt. Unter dem Pflaster des Platzes werden Überreste der im
Novemberpogrom 1938 zerstörten Höchster Synagoge vermutet. Außerdem befanden
sich dort, nahe der früheren Stadtmauer, die Abfallgruben der 1746
gegründeten Höchster Porzellan-Manufaktur.
Frankfurt-Höchst: Bronzetafeln sollen erinnern. Am Luftschutzbunker,
den die Nazis an dem kleinen Platz errichtet haben, hängt eine Bronzetafel
zum Gedenken; zwei 'Fernrohre in die Vergangenheit' lassen - wie Fernrohre
an einem Aussichtspunkt - die Synagoge in ihrer Außen- und Innenansicht
wieder aufleben. Aber seit die morschen Platanen auf diesem Platz gefällt
wurden, sieht das Areal am Höchster Markt zwischen Justinuskirchstraße,
Schleifergasse und Kronengasse noch trostloser aus als zuvor. Die im
vergangenen Jahr bereits abgebauten Bänke wurden nach Bürgerprotesten
vorübergehend wieder aufgestellt, nachdem sich die archäologischen Grabungen
verzögerten - Grund waren nach Darstellung der Stadt 'unvorhergesehene
vergaberechtliche Hindernisse bei der Beauftragung einer Fachfirma'. Im
vergangenen Jahr wurde dann als Termin für den Grabungsbeginn der März 2020
genannt.
Frankfurt-Höchst: Ettinghausen-Platz wird neugestaltet. Im Zuge des
Programms 'Schöneres Frankfurt' ist eine Neugestaltung der Fläche geplant,
um dem geschichtsträchtigen Ort ein angemessenes Erscheinungsbild zu geben.
In diese Gestaltung sollen bei der Grabung gewonnene Erkenntnisse
eingearbeitet werden. Darauf hat unter anderem die AG 'Geschichte und
Erinnerung', die jedes Jahr auf dem Ettinghausen-Platz ein Gedenken an das
Novemberpogrom organisiert, seit langem hingearbeitet. Doch nun sind erst
einmal die Archäologen am Zug: Interessierte sollen die Möglichkeit
erhalten, an einer geführten Besichtigung der Grabung teilzunehmen. Termine
sollen noch bekannt gegeben werden."
Link zum Artikel |
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Mai 2020:
Bei den Grabungen werden die Reste
der Höchster Synagoge gefunden |
Artikel von Holger Vonhof in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 6. Mai 2020: "Archäologen begeistert.
Sensationsfund in Frankfurt: Von den Nazis zerstörte Synagoge entdeckt
Archäologen haben bei Grabungen in Frankfurt die Überreste einer Synagoge
entdeckt. Sie wurde von den Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht
kurz vor dem Zweiten Weltkrieg zerstört.
Archäologen machen bei Grabungen in Frankfurt einen Sensationsfund.
Sie bringen eine Synagoge zum Vorschein, die von den Nazis in der
Reichspogromnacht kurz vor dem Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.
Die Jüdische Gemeinde erhofft sich eine Diskussion über den Umgang der Stadt
Frankfurt mit dem jüdischen Erbe.
Frankfurt – 'Mein Metier ist: Schau'n merr mal', sagt Andrea Hampel, die
Leiterin des städtischen Denkmalamts. Auch wenn die Archäologin eher
zurückhaltend ist, da noch nicht alle Erkenntnisse gewonnen sind, weil
vieles noch in der Erde schlummert, so kann sie schon jetzt über den
Ettinghausenplatz in Frankfurt sagen: 'Für die archäologische Denkmalpflege
ist das ein ganz besonderer Ort.'
Seit 7. April wird auf dem kleinen Platz in Höchst gegraben, der zwischen
dem Markt und dem unter Denkmalschutz stehenden Luftschutzbunker an der
Schleifergasse liegt, und der nach einer jüdischen Familie benannt ist, die
vor der Eingemeindung Höchsts durch politisches und soziales Engagement
hervortrat. Max Ettinghausen war Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Höchst,
die 1905 an dieser Stelle ihre vierte Synagoge einweihen konnte - die in der
Reichspogromnacht am Morgen des 10. November 1938 von einem braunen Mob
angezündet wurde.
Frankfurt: Überreste der Synagoge unter dem Pflaster – Vor dem Zweiten
Weltkrieg von den Nazis zerstört. Die Grundrisse dieser Synagoge zu
finden, war ein Ziel der Grabungen, und die Archäologen sind quasi direkt
unter dem Kopfsteinpflaster auf die aus Backstein gemauerten
Entlastungsbögen des Fundaments gestoßen. 'Die Nazis haben die Synagoge nur
oberirdisch abgebrochen, nach dem Motto: Was man nicht sieht, ist auch nicht
da', sagt Grabungsleiterin Elke Sichert. Bis zu drei Meter tief hat sie sich
mit ihrem Team in den Untergrund vorgearbeitet, derzeit noch im Areal direkt
vor der Fassade des 1939 errichteten Bunkers. Die Überreste des Portals der
Synagoge liegen noch im Boden - und mit ihnen vielleicht auch eine Kassette
mit Münzen und Dokumenten, die bei der Grundsteinlegung dort vergraben
wurde, wie Waltraud Beck von der Höchster Arbeitsgemeinschaft 'Geschichte
und Erinnerung' hofft. Die AG hat fast zwei Jahrzehnte dafür gestritten,
dass dort Relikte gesichert werden; 2010 gelang es ihr zumindest, dass der
kleine Platz seinen heutigen Namen bekam.
Fund bei Grabungen in Frankfurt: Spuren aus mehreren Jahrhunderten.
Aber in der Erde liegt noch mehr: Zwischen dem Bunker und einer Zehntscheune
ist die alte Höchster Stadtmauer zu sehen, zwischen 1355 und 1432 erbaut.
Hier wurde der Liederbach umgeleitet, um den Stadtgraben zu fluten; der Name
Schleifergasse erinnert daran, dass es dort wohl Mühlen gegeben haben muss.
Ein früherer Stadtturm wurde 1798 von der Jüdischen Gemeinde Höchst
erworben. Weil er fortan als 'Badstubenturm' in den Quellen auftaucht, wird
davon ausgegangen, dass dort eine Mikwe, ein jüdisches Ritualbad, seinen
Platz hatte. Und weil man schon damals offenbar den Müll nur vor die Tür
warf, werden auf dem Platz auch Abraumhalden der Höchster
Porzellan-Manufaktur erwartet, die bei ihrer Gründung 1746 nur einen
Steinwurf entfernt ihren Sitz hatte. Grabungsleiterin Elke Sichert ist
gespannt, was sie noch erwartet. Gefunden hat sie zuletzt eine
Bodenverfärbung, die auf einen Brunnen hindeutet, sowie eine dunkle
Erdstruktur mit Zacken. 'Das sieht wie ein Toblerone aus', sagt sie und geht
davon aus, dass hier eine Tragschicht im Boden liegt, die von längst
zersetzten Balken gehalten wurde.
Synagoge bei Grabungen in Frankfurt zum Vorschein gebracht: Jüdische
Gemeinde erhofft sich Diskussion. Marc Grünbaum, Mitglied des Vorstands
der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, erhofft sich eine Diskussion darüber,
wie grundsätzlich in der Stadt mit dem jüdischen Erbe umgegangen werde:
Dieselbe Situation mit teilweise mit einem Bunker überbauten Resten gebe es
an der Friedberger Anlage. Bürgermeister Uwe Becker, zugleich
Religionsdezernent, versprach 'einen würdigen Umgang mit den Funden'. Die
gewonnenen Erkenntnisse sollen in die Gestaltung des Platzes einfließen.
Allerdings wird noch mindestens acht Wochen weiter gegraben. Finanziert
werden die Grabungen über das Programm 'Schöneres Frankfurt'. Was bis jetzt
gefunden wurde, können Interessierte am Montag, 11. Mai, nach Anmeldung
besichtigen - in Gruppen von maximal 20 Personen. Eine namentliche Anmeldung
ist unter
denkmalamt@stadt-frankfurt.de oder der Telefonnummer 069/2123-6199
erforderlich. Anmeldeschluss ist Freitag, 8. Mai, 12 Uhr."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
 | Paul Arnsberg: Die Geschichte der Frankfurter Juden
seit der Französischen Revolution. Band 2. Struktur und Aktivitäten der
Frankfurter Juden. Darmstadt 1983. Zu Höchst: S. 547-562. |
 | Rudolf Schäfer: Die Juden in Höchst am Main. Frankfurt
a.M. Höchst 1982 (Höchster Geschichtshefte 36-37). |
 | Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 196-197. |
 | Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 108-120. |
 | Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. |
 | Waltraud Beck, Josef Fenzl und Helga Krohn:
Die vergessenen Nachbarn. Juden in Frankfurter Vororten. Juden in Höchst, Hrsg.
vom Jüdischen Museum, Frankfurt 1990. |

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Hoechst am Main
Hesse-Nassau. Although Jews lived there from 1635, no synagogue was opened until
1806. The community's growth reflected the town's own development after a large
chemical factory (the predecessor of I.G. Farben) was built in 1863. Wealthy
merchants and professionals, the Jews dedicated a large Romanesque synagogue in
1905 and numbered 184 (under 1 % of the total) in 1925. Bruno Asch, who served
as burgomaster (1923-25), may have been the only Jew to attain that office
during the Weimar Republic. When Hoechst became part of Frankfurt (1928),, the
community retained its independence. Nazis burned the synagogue on Kristallnacht
(9-10 November 1938), and the few remaining Jewish stores were looted. Most Jews
of Hoechst did not leave Germany and perished in the Holocaust.

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