Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 


zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zurück zur Übersicht "Synagogen in Hessen" 
Zur Übersicht "Synagogen im Kreis Marburg-Biedenkopf"   
    

Wetter (Kreis Marburg-Biedenkopf)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Zur jüdischen Geschichte in Wetter und die Aktivitäten um die ehemalige Synagoge Wetter 
siehe vor allem die Seiten des Träger- und Fördervereins ehemalige Synagoge Wetter e.V. unter 
www.synagoge-wetter.de 

  Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Zur Geschichte einzelner Personen aus der Gemeinde   
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen   
Links und Literatur   

      

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde   (english version
   
In Wetter bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 15./17./19. Jahrhunderts zurück. Bereits im Mittelalter werden Juden am Ort genannt (1324/25). Im 15./16. Jahrhundert werden mehrere jüdische Einwohner namentlich genannt (Jüdin Isentrud 1444, Jude Sibode 1470, Simon 1484 usw.)

Auch im 17. Jahrhundert lebten Juden am Ort. 1626 handelte einige von ihnen mit Häuten und rauen Fellen. 1644 gab es vier jüdische Familien in Wetter. In diesem Jahr wurde Meschulam Süßmann von Wetter - bei seiner Verheiratung - in Frankfurt am Main aufgenommen. Die Familie nahm den Familiennamen Wetter an. Im 18. Jahrhundert waren bis zu fünf jüdische Familien am Ort. Sie bildeten noch keine eigene Gemeinde, sondern gehörten zur Synagogengemeinde in Goßfelden. 1771 wird unter den jüdischen Familien die Familie des Michel Lehrberger genannt, Inhaber eines Warenhandels (Sohn Moses Lehrberger geb. 1820).    
 
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1827 16 jüdische Einwohner (1,2 % von insgesamt 1.367 Einwohnern), 1861 28 (2,5 % von 1.129), 1885 61 (5,2 % von 1.167), 1895 66 (5,7 % von 1.153), 1905 72 (6,0 % von 1.199). Die jüdischen Haushaltsvorsteher waren als Viehhändler, Produktenhändler oder Textilhändler tätig.  
 
Unter den im 19. Jahrhundert zugezogenen jüdischen Familien war die Familie Bachenheimer, die sephardischen Ursprungs war: Abraham Bachenheimer wird erstmals 1765 in Bad Vilbel genannt, später lebt er mit Familie in Rauischholzhausen. Sohn Markus Bachenheimer (geb. 1820) ließ sich in Wetter nieder. Sein Sohn Sussmann (Meschullam) Bachenheimer heiratete Hedwig Isenberg. Die beiden hatten elf Kinder.  
  
Um 1880 wurde eine selbständige jüdische Gemeinde in Wetter gegründet. An Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, vermutlich ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. 1904 wurde die Stelle gemeinsam für die jüdischen Gemeinden Wetter, Goßfelden und Oberasphe ausgeschrieben (siehe unten). Die Gemeinde gehörte zum Provinzialrabbinat in Marburg. 
    
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Joseph Katz (geb. 4.9.1891 in Katzbach, Hessen, gef. 19.12.1914), Siegfried Katz (geb. 17.11.1893 in Rauischholzhausen, gef. 22.8.1914) und Julius Lehrberger (geb. 28.6.1893 in Wetter, gef. 29.3.1916). Ihre Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal der Gemeinde, wurden zwar in der NS-Zeit entfernt, doch nach 1945 wieder angebracht.  
 
Um 1925, als zur Gemeinde 81 Personen gehörten (5,4 % von insgesamt 1.479 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Hermann Strauß und Liebmann Katz. Als Religionslehrer kam Lehrer Jonas Gans aus Marburg regelmäßig nach Wetter. Er unterrichtete an der Religionsschule der Gemeinde neun Kinder. Als Schochet war Hermann Strauß tätig. An jüdischen Vereinen gab es den Wohltätigkeitsverein Chewroh Kadischoh (1924/32 unter Leitung von Hermann Strauß). 1932 war Gemeindevorsteher weiterhin Hermann Strauß (1. Vors.); als Schriftführer wird Gustav Lehrberger genannt.     
 
1933 lebten 83 jüdische Personen in Wetter (5,0 % von insgesamt 1.654 Einwohnern, in 17 Familien). Auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien, ist ein großer Teil von ihnen in der Folgezeit aus- oder abgewandert. Bis 1938/39 konnte sechs Familien emigrieren (darunter die Familien Bachenheimer und Plaut): eine nach Palästina, die anderen in die USA. Insgesamt 54 der 1933 in Wetter lebenden jüdischen Personen konnten vor Beginn der Deportationen auswandern. 28 Personen wurden über Marburg und Kassel deportiert.   
  
Von den in Wetter geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Hedwig Abt geb. Stern (1887), Salomon Arensberg (1862), Adolf Bachenheimer (1882), Hildegard (Hilde) Bachenheimer (1921), Moritz Bachenheimer (1888), Rosa Bachenheimer geb. Lehrberger (1893), Siegfried Bachenheimer (1900), Tobias Bachenheimer (1890), Elieser Baum (1863), Mathilde Baum geb. Winterberg (1870), Selma Baum (1897), Moses Block (1862), Ella Buchheim geb. Katz (1897), Inge Buchheim (1929), Joseph Buchheim (1890), Adolf Cahn (1901), Lina Cahn geb. Freudenthal (1873), Julius Dannenberg (1908), Karl Dannenberg (1877), Klara Dannenberg geb. Reinheimer (1876), Sally Dannenberg (1891), Carl Freudenthal (1875), Julius Freudenthal (1900), Berta Goldstein geb. Lehrberger (1897), Auguste Gonsenhäuser geb. Bachenheimer (1893), Henriette Haas geb. Hess (1888), Frieda Hess geb. Krämer (1873), Moses Hess (1875), David Hess (1869), Oskar Hess (1909), Erna Lehrberger (1902), Fanny Lehrberger geb. Freudenthal (1868), Moritz Lehrberger (1888), Moses Lehrberger (1864), Berta Reinheimer (1885), Rosa Rosenthal (1880), Berta Sichel geb. Lehrberger (1890), Moritz Sichel (1893), Rosa Sonnenberg geb. Dannenberg (1882), Olga Weissbacher geb. Bachenheimer (1898).  
Anmerkung: es kann zu einzelnen Verwechslungen mit jüdischen Personen aus Wetter (Ruhr) kommen; im Gedenkbuch wird Adolf Bachenheimer versehentlich Wetter (Ruhr) zugewiesen, die anderen Bachenheimers zum hessischen Wetter. 
    
Nach 1945 kehrte Fred Buchheim nach Wetter zurück (geb. 22.10.1922). Nach dem Novemberpogrom 1938 war er mit seinem Vater in Kirchhain in "Schutzhaft" genommen worden. Ihm gelang die Flucht in die Niederlande, von dort nach Großbritannien, wo er Soldat der britischen Armee wurde. In Wetter war er mit einer christlichen Frau verheiratet. Über mehrere Jahre war er nach 1945 stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Marburg. Fred Buchheim starb bereits 1968 und wurde als vorläufig letzter im jüdischen Friedhof in Wetter beigesetzt. Auch Leopold Wachenheimer kehrte nach Deutschland, jedoch nicht nach Wetter zurück, nachdem er 1936 nach Palästina emigriert war. Nach dem Tod seiner Frau zog er nach Lemgo, wo er am 12.6.1970 starb.  
    
    
    
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1904   

Wetter FrfIsrFambl 22011904.jpg (26454 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Januar 1904: "Vakanzen. Wetter - Goßfelden - Oberasphe. Religionslehrer und Schächter per sofort. Einkommen 1.050 Mark. Meldungen an das israelitische Vorsteheramt in Marburg." 

     
     
Zur Geschichte einzelner Personen aus der Gemeinde    
 
70. Geburtstag von Abraham Lehrberger (1928)  

Marburg Israelit 16081928.jpg (12192 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. August 1928: "Marburg, 8. August (1928). Im nahen Wetter beging gestern Herr Abraham Lehrberger seinen 70. Geburtstag."  

   
80. Geburtstag des Gemeindeältesten Herr Katz (aus Vetter [Lahn] = Wetter?)  

Wetter Israelit 18031937.jpg (71456 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. März 1937: "Vetter (= Wetter?) (Lahn), 14. März (1937). Der Gemeindeälteste, Herr Katz, beging seinen 80. Geburtstag. Auf Veranlassung des Kreisvorstehers Herrn Bankdirektor Rothschild wurde aus diesem Anlass ein Gottesdienst in der Gemeinde Wetter abgehalten, bei dem Herr Provinzialrabbiner Peritz aus Marburg die Festrede hielt und Herr Bankdirektor Rothschild als Kreisvorsteher den Dank des Kreises zum Ausdruck brachte. Wir wünschen dem Altersjubilar, der seit vielen Jahren den Vorbeterdienst in der Gemeinde ehrenamtlich versieht und auch sonst die Seele des Gemeindelebens ist, einen frohen Lebensabend in rüstiger Gesundheit. (Alles Gute) bis 120 Jahre."   

    
Über den aus Wetter stammenden Walter Bachenheimer und seine Erinnerungen an Wetter 
(Quelle: Volker Resing: Deutsche Juden in New York. Frankfurt on the Hudson  oder. Die Liebe für Amerika, die Sehnsucht für Europa. 2004.
Auszüge auf einer Seite des Bildungsservers Hessen). 

Walter Bachenheimer: Das Grenzegangsfest. 
Die U-Bahn mag er nicht. »Ach, das ist zu kompliziert«, sagt er. Welche Station die nächste zu seiner Wohnung in Riverdale/Bronx ist, weiß er nicht. Damit kennt er sich nicht aus. »Es ist bestimmt schon 25 Jahre her, dass ich das letzte Mal mit der Subway runter nach Manhattan gefahren bin«, meint Walter Bachenheimer. »Was soll ich da unten?« Seit 60 Jahren lebt er in New York. Den Weg nach Wetter in Hessen findet er noch immer spielend. Da zieht es ihn mehr hin. 
Seine Eltern hatten einen Hof mit einem florierenden Geschäft in dem Dorf. Der Vater ließ sich von einem Chauffeur fahren. Mehrere Mägde waren im Haus angestellt. »Klar war da mancher neidisch.« Es gibt ein Foto, als das erste Auto durch Wetter rollte, es gehörte den Bachenheimers. »Aber wir waren anerkannt.« Die Eltern seien sozialdemokratisch eingestellt gewesen, so nennt er das. »Die Bediensteten haben mit am Tisch gesessen.« Gewählt hätten die Eltern deutsch-national. Die Religion wurde bei Bachenheimers nicht so groß geschrieben. »Wir haben unser Judentum nicht verleugnet, aber auch nicht gepflegt.« Er musste zur Synagoge zur Vorbereitung auf die Bar Mizwa. Der Großvater hat darauf gedrängt. Aber der Enkel tat es sehr ungern. Zuhause wurde nicht koscher gekocht. Auch die Feiertage fanden nicht statt. »Ich glaube, wir waren die einzige Familie, die zu Jom Kippur nicht gefastet hat.« Walter Bachenheimer schüttelt den Kopf, als ob er sich selbst widersprechen will. Er erzählt gerne, aber er will nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht. »Ich bin nicht stolz darauf, aber so war es.« Die Dorfgemeinschaft war wichtiger als die religiöse. 
Alle sieben Jahre findet in Wetter das Grenzegangsfest statt. Traditionell marschieren die Dorfbewohner die historischen Grenzen der Gemeinde ab. »Wetter ist bekannt dafür«, sagt Walter Bachenheimer. Nur in wenigen Orten in Deutschland wird dieser mittelalterliche Brauch noch gepflegt. 1931 war sein Vater Vorsteher des Komitees des Grenzegangsfestes. Eine wichtige Position im Dorf. Walter Bachenheimer hat die Fotos von damals noch. »Ich werde zu den Festen von Wetter immer noch eingeladen.« Alle sieben Jahre. »Und immer wieder gibt es Streit darüber mit meiner Frau.« Sie will nicht, dass er fährt. Es liegt wieder eine Einladung auf dem Tisch. 70 Jahre, nachdem sein Vater Vorsitzender des Komitees war. Wahrscheinlich fährt er nicht. 
Walter Bachenheimer war in New York erfolgreich. Mit den Waren aus seiner Großbäckerei hat er eigene und andere Geschäfte beliefert. In der 181st Street in Washington Heights haben Koreaner seinen Laden übernommen, mit eigener Bäckerei. Den Walter kennen sie gut, der hat ihnen Backen beigebracht. Inzwischen ist er im Ruhestand und hat viel Zeit. Ein Ferienhaus wollte er kaufen. »Das wäre doch was«, sagte er zu seiner Frau. »Einen kleinen Bungalow in der schönen Landschaft Hessens.« Das kam für seine Frau nicht in Frage. In den Ferien fahren sie jetzt in die Catskill Mountains. Dort haben viele New Yorker ein Feriendomizil. 
Walter Bachenheimer war häufig wieder in Deutschland. Das erste Mal als Soldat. In der Nähe von Bocholt ist er abgesprungen. »Fallschirmjäger war nicht mein Traum«, sagt er. Aber er wollte es allen zeigen, den Deutschen, den Amerikanern und seinem Klassenlehrer, der immer gesagt hatte, Juden seien feige. Als kleinen Jungen hat ihm die Propaganda zugesetzt. Er ging jeden Tag an den »Stürmer« -Kästen vorbei. Das zeigte Wirkung. »Ich habe irgendwann geglaubt, dass Juden schlechtere Menschen sind.« Walter Bachenheimer war ein fröhlicher Junge, spielte begeistert Fußball. Irgendwann durfte er nicht mehr mit zu den Spielen seiner Mannschaft, da hat er gemerkt, dass sich was verändert hat. »Sie haben dann auch Saujud gerufen«, berichtet er. »Man hat mir erzählt, dass, als ich ein kleiner Junge war, als meine Schwester geboren war, ich in die Wiege geguckt und gesagt habe: Sei du mal der Jud, ich will nicht mehr der Jud sein.« 
Nach der Flucht wurde er Soldat. Sein Vater war auch bei der Armee gewesen. In der deutschen. Im Ersten Weltkrieg hat er, wie viele Juden, für Deutschland gekämpft. »Wir waren Deutsche«, erzählt Walter Bachenheimer. Er sitzt in Riverdale auf dem Balkon, an einem heißen New Yorker Sommerabend. So warm wird es in Deutschland nie. »Wir sind es nicht mehr«, sagt er in seiner Muttersprache. »Wir sind US-Bürger.« Die Aussicht von dort oben ist beeindruckend. Von Bachenheimers Balkon sieht man in der Ferne das erleuchtete Empire State Building. Die so genannte Assimilation war vielen jüdischen Deutschen nicht nur alltägliche Tatsache, sondern auch besonderes Bestreben und Anliegen, in der Familie Bachenheimer besonders. »Es wurde großer Wert darauf gelegt, fehlerloses Deutsch zu sprechen.« Und darauf ist er noch heute stolz. Manchmal nur schleicht sich in sein Deutsch eine Färbung ein, eine hessische, keine amerikanische. Als GI sprang er aus dem Flugzeug, als Amerikaner. Auf Feindesland. Doch er war beliebt bei den Gegnern, denn er konnte sie verstehen, mit ihnen reden. In seiner Truppe waren drei deutsche Juden. Sie kämpften sich in Richtung Münster durch. Es gab noch kleinere Kämpfe, er spricht nicht gerne darüber. Er musste auch seine Waffe benutzen, gegen die Deutschen. »Warum war er bloß so ein Idiot, dieser Offizier?« Walter Bachenheimer schüttelt den Kopf. Er hat Schuldgefühle, ob er will oder nicht. Es waren vier oder fünf Wehrmachts-Soldaten. Er hatte sie mit seinen Leuten umstellt. Da zieht der deutsche Offizier seinen Revolver. »Dieser Idiot. Was sollte ich tun? Ich war schneller.« Amelsbüren ist ihm noch im Gedächtnis geblieben. In dem kleinen Dorf vor Münster hingen die weißen Fahnen schon aus den Fenstern. »Wir haben ein Fest gefeiert.« Der westfälische Korn hatte es ihm angetan. Er schwärmt noch heute davon. Seine Aufgabe war es, die Deutschen zu vernehmen. Erst in Münster, später in Essen. An die Krupp-Villa erinnert er sich noch, die am Ende des Krieges noch gefüllte Speisekammern hatte. Er war auch in Wetter, seinem Heimat-, Geburts- und Kindheitsort. Dort, wo er laufen, sprechen, das Fürchten gelernt hat. Er ist mit dem Jeep durch die Straßen gefahren. Die Kämpfe waren längst vorbei, aber er wollte es sehen, sein Wetter. Es zieht ihn dorthin, immer wieder. Da kann er nichts machen. Auch heute noch. Zumindest alle sieben Jahre. Wenn Grenzegangsfest ist. 

  
  
  
Zur Geschichte der Synagoge     
   
Bis 1880 wurden die Gottesdienste - gemeinsam mit den in Sterzhausen und Caldern lebenden Juden - in Goßfelden besucht. 
  
Um 1880 entschlossen sich die in Wetter lebenden jüdischen Familien, deren Zahl seit Mitte des 19. Jahrhunderts relativ stark zugenommen hatten, in Wetter in einem Betsaal im Haus von Levi Hess (Auf dem Wasserloch 45) ihre Gottesdienste alleine abzuhalten und eine Synagogengemeinde zu bilden. 1890 gehörten über 60 Personen zur jüdischen Gemeinde in Wetter. Man plante den Bau einer Synagoge. Levi Hess stellte 1886 einen Bauplatz für einen Synagogenneubau in unmittelbarer Nähe seines Wohnhauses zur Verfügung.
 
Der Synagogenbau konnte 1896/97 verwirklicht werden: am 10. September 1897 fand die feierliche Einweihung der neu erbauten Synagoge durch Provinzialrabbiner Dr. Munk aus Marburg statt.  

Die Oberhessische Presse (Artikel vom 11.9.1992: "Heute vor 95 Jahren: Wetter weihte neue Synagoge ein") berichtete über die Einweihung: "Kurz nach drei Uhr nachmittags bewegte sich ein Festzug durch Wetter hin zur neuen Synagoge. Vor dem Gebäude machte der Zug halt, worauf die Schlüsselträgerin den Schlüssel an den Landrat überreichte. Dieser übergab die Schlüssel mit einer Ansprache an den Provinzialrabbiner Dr. Munk, der die Synagoge nach einer weiteren Ansprache öffnete. Mit Gesang, predigt und Gebet fand die Feier ihren Abschluss."

Bei der Synagoge handelte es sich um einen zweigeschossigen Fachwerkbau mit Mauerwerksausfachung auf einem etwa 10 mal 8 m messenden Grundriss. Das Gebäude ist bis zur Spitze des Dachreiters etwa 13,50 m hoch. Im Erdgeschoss befand sich ursprünglich auch die Lehrerwohnung, darüber das Schulzimmer.   
  
Über 40 Jahre war die Synagoge das Zentrum des jüdischen Gemeindelebens in Wetter. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Innere der Synagoge verwüstet und zerstört. Die Inneneinrichtung wurde vor der Synagoge verbrannt. Auf Grund der engen Bebauung wurde das Gebäude selbst nicht angezündet. Das Synagogengebäude wurde zwangsversteigert und während der Zeit des Zweiten Weltkrieges als Scheune und Abstellraum zweckentfremdet. Ende Januar 1945 entstanden durch eine Fliederbombe schwere Schäden, die jedoch repariert wurden.      
 
Nach 1945 wurde die ehemalige Synagoge weiterhin als Abstellraum verwendet. 1954 wurde sie nach Klärung des Restitutionsverfahrens an den nach Wetter zurückgekehrten Fred Buchheim zurückerstattet. Er verkaufte das Gebäude zwei Jahre später. Der Zustand des Gebäudes verschlechterte sich im Laufe der Jahre so, dass die ehemalige Synagoge in den frühen 1990er-Jahren aus Sicherheitsgründen nicht mehr betreten werden konnte. In den 1980er-Jahren war immerhin das Dach renoviert worden. Im Jahr 2000 erwarb die Stadt Wetter im Rahmen der Altstadtsanierung das Gebäude und sorgte bis 2005 für eine umfassende Sanierung der ehemaligen Synagoge. Der 2005 gegründete "Träger- und Förderverein ehemalige Synagoge Wetter e.V." hat sich zur Aufgabe gestellt, mit einem Jahresprogramm für die Nutzung des Gebäudes als Gedenkstätte, Lernort und Stätte kultureller Begegnungen einzusetzen.  
 
Über die aktuelle Arbeit und Veranstaltungen siehe die Website des Fördervereines.   
   
   
Fotos
(neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 25.3.2008)  

Rathaus in Wetter mit der 1992
 angebrachten Gedenktafel
Wetter Gedenktafel 102.jpg (96443 Byte) Wetter Gedenktafel 100.jpg (114808 Byte)
   "Die Stadt Wetter gedenkt der Menschen, die unter der menschenverachtenden Gewaltherrschaft des 
Nationalsozialistischen Regimes wegen ihrer Volkszugehörigkeit, ihres Glaubens, ihrer Überzeugung oder ihres 
Widerstandes verfolgt, gefoltert, verschleppt und ermordet wurden. 
Die Opfer mahnen uns: 'Wehret den Anfängen!'"
         
           
Die ehemalige Synagoge vor 
der Restaurierung 
(Fotos Altaras s.Lit. 1988 S. 107)
Wetter Synagoge 050.jpg (56818 Byte) Wetter Synagoge 051.jpg (81862 Byte)
  Die beiden Fotos wurden im August 1984 erstellt  
     
Die ehemalige Synagoge
 nach Abschluss der Restaurierung 
Wetter Synagoge 210.jpg (56033 Byte) Wetter Synagoge 211.jpg (74308 Byte)
    Hinweis zur ehemaligen Synagoge   Blick zur Synagoge
     
Wetter Synagoge 215.jpg (88159 Byte) Wetter Synagoge 216.jpg (85150 Byte) Wetter Synagoge 217.jpg (82324 Byte)
     Das Gebäude von der Ostseite 
 
Wetter Synagoge 219.jpg (92094 Byte) Wetter Synagoge 218.jpg (92226 Byte) Wetter Synagoge 227.jpg (97985 Byte)
 Blick auf den Eingangsbereich der ehemaligen Synagoge an der Westseite  
 
Wetter Synagoge 228.jpg (90324 Byte) Wetter Synagoge 221.jpg (104604 Byte) Wetter Synagoge 225.jpg (93967 Byte)
 Der Eingang zur 
ehemaligen Synagoge  
 Hinweistafel: "Ehemalige Synagoge Wetter: 12.09.1897 geweiht. 10.11.1938 zerstört."    Erinnerung an die Verleihung des 
Hessischen Denkmalschutzpreises 2006  
     
Wetter Synagoge 226.jpg (97935 Byte) Wetter Synagoge 224.jpg (63908 Byte) Wetter Synagoge 231.jpg (52862 Byte)
     Erklärung zu den 2007/08 
notwendigen Restaurierungsarbeiten
 Blick in das Innere 
von der Eingangstür  
        

    
    
 
Einzelne Berichte 

April 2012: Ausstellung in der ehemaligen Synagoge   
Artikel im "Gießener Anzeiger" vom 12. April 2012: "Einladung zum Verweilen. Katharina Volk-Nitz mit 'Lauten und leisen Klängen' in ehemaliger Synagoge..."  Link: Einladung zum Verweilen (Gießener Anzeiger, 12.04.2012) 
 
 

   

  
Links und Literatur

Links:  

Website der Stadt Wetter 
Website des Träger- und Fördervereins ehemalige Synagoge Wetter e.V.  

Quellen

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Goßfelden mit Orten der Umgebung  
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Goßfelden sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,356   Sterberegister der Juden von Goßfelden  1824 - 1883; enthält auch Angaben zu Verstorbenen aus Caldern, Sarnau, Sterzhausen und Wetter   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732257      
HHStAW 365,355   Trau- und Geburtsregister der Juden von Goßfelden  1825 - 1882; enthält jüdisches Trauregister  1830 - 1874 und jüdisches Geburtsregister 1824 - 1882; enthält auch Angaben zu Personen aus Caldern, Sarnau, Sterzhausen und Wetter    https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4250809       

Literatur: 

Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bd. 2 S. 363-364. 

Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 107-108.  
dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 90 (keine weiteren Informationen). 
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 164. 
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 463. 
Barbara Händler-Lachmann / Ulrich Schütt: "unbekannt verzogen" oder "weggemacht". Schicksale der Juden im alten Landkreis Marburg 1933-1945. Marburg 1992. 
Barbara Händler-Lachmann / Harald Händler /Ulrich Schütt: 'Purim, Purim, ihr liebe Leut, wißt ihr was Purim bedeut?' - Jüdisches Leben im Landkreis Marburg im 20. Jahrhundert. Marburg 1995.  

Die ehemaligen Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Hrsg. von Kreisausschuss des Landeskreises Marburg-Biedenkopf 1999. S. 125-127. 

Maria Wüllenkemper: Die ehemalige Synagoge in Wetter. In: Denkmalpflege und Kulturgeschichte 1.2007 S. 26-29.

           


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Wetter Hesse-Nassau. Affiliated with the rabbinate of Marburg, the community built a synagogue in 1897 and numbered 83 (5 % of the total population) in 1933, excluding members in Gossfelden and Sterzhausen. The synagogue's interior was destroyed on Kristallnacht (9-10 November 1938) and most Jews left (43 emigrating) before 1939; 11 perished in the Holocaust.  
    

  

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge    

                    

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 10. Mai 2016