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Wetteraukreis"
Nieder-Mockstadt (Stadt
Florstadt, Wetteraukreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Jürgen
Reuß,
Stadtarchivbeauftragter der Stadt Florstadt und Mitglied des Arbeitskreises
Ortsgeschichte Florstadt;
Hinweis: Jürgen Reuß sucht Kontakte zu Nachfahren
jüdischer Familien aus Nieder-Mockstadt und weitere Informationen zur
jüdischen Geschichte ebd.:
Kontakt über juergen.reuss@wsk.de /
Telefon: 0-6181-9540513)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Nieder-Mockstadt bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. Eine selbständige jüdische Gemeinde am Ort wurde am Anfang des 19.
Jahrhunderts gegründet (um 1806).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1828 53 jüdische Einwohner, 1861 89 (12,7 % von insgesamt 700
Einwohnern), 1880 54 (6,8 % von 789), 1894 54 (in 11 Familien), 1897 40 (in 11
Familien), 1900 32 (4,6 % von 692), 1905 32, 1910 44
(5,8 % von 753). Bis 1849 gehörten auch die in Ranstadt lebenden jüdischen
Personen zur Gemeinde Nieder-Mockstadt (1830 21 jüdische Einwohner, 1905 18;
nach 1849 gehörte Ranstadt zu Ober-Mockstadt).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und ein
Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war - Ende des 19. Jahrhunderts gemeinsam mit
der Nachbargemeinde Staden - ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter tätig war (vgl. Ausschreibung der Stelle
unten). Um 1865 hatte Nieder-Mockstadt mit S. Strauß wohl noch einen eigenen
Lehrer (genannt bei einer Lehrerkonferenz in Nidda). Seit 1912 bestand ein "Lehrerverband" Nidda mit Geiß Nidda
und Nieder-Mockstadt. 1894/1898 gab es in Nieder-Mockstadt 12 schulpflichtige
Kinder, 1921 waren es 15 schulpflichtige
Kinder, 1924 noch 11, die Religionsunterricht erhielten. Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat
Oberhessen in Gießen.
Gemeindevorsteher waren um 1894/1897 S. Halberstadt, L. Halberstadt und J.
Kaufmann.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Salomon (Sally)
Goldschmidt (geb. 19.2.1887 in Nieder-Mockstadt, vor 1914 in Assenheim wohnhaft,
gef. 12.5.1915).
Um 1924, als zur Gemeinde noch 40 jüdische Personen gehörten (5,6 % von
etwa 707 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Julius Halberstadt, Löb
Halberstadt und Jonas Halberstadt. Den Religionsunterricht für die damals 10
schulpflichtigen Kinder der Gemeinde erteilte inzwischen Lehrer Markus aus
Assenheim. An jüdischen Vereinen gab es insbesondere den
Wohltätigkeitsverein Chewra Kadischa (gegründet 1919, 1924/32 unter
Leitung von Löb Halberstadt mit neun Mitgliedern, Zweck und Arbeitsgebiet:
Unterstützung Hilfsbedürftiger). 1932 waren die Gemeindevorsteher Löb
Halberstadt (1. Vors.), Julius Halberstadt (2. Vors.) und Leo Kaufmann (3.
Vors.). 1932 gab es am Ort noch zwei jüdische Viehhändler, drei Textilhändler,
je einen Kolonialwaren- und Eisenwarenhändler, einen Händler in Landesprodukten
sowie einen Bäcker und einen Metzger.
1933 lebten noch 35 jüdische Personen in Nieder-Mockstadt (4,8 % von
728 Einwohnern). In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (fünf Personen nach Palästina,
je eine Person nach den USA, nach Holland und Frankreich). Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört (s.u.). 1942
lebte nur noch Aron H. Hess in Nieder-Mockstadt, der im September dieses Jahres
nach Theresienstadt deportiert wurde. Er wurde vermutlich wenig später in
Auschwitz ermordet.
Von den in Nieder-Mockstadt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Berta Elias geb.
Oppenheimer (1887), Bettchen Gerson geb. Kaufmann (1863), Malvine Goldschmidt
(1882), Elias Halberstadt (1877), Gustav Halberstadt (1882), Aaron H. Hess
(1896), Karoline Müller geb. Kaufmann (1906), Sara Münz geb. Halberstadt
(1888), Rosa Schnitzler geb. Goldschmidt (1878).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1892
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1893: "Die
vereinigten Gemeinden Nieder-Mockstadt und Staden in
Hessen suchen einen
geprüften Lehrer und Vorsänger. Gehalt 600-700 Mark nebst freier
Wohnung. Einkommen für Schächten ca. 200 Mark. Schriftliche Offerten an
den Vorstand in Nieder-Mockstadt (Wetterau)." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Adolf Korn (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. November 1903: "Junger
Bäcker, sucht Stellung. Näheres
Adolf Korn, Nieder-Mockstadt (Hessen)." |
Anzeigen der Brot- und Feinbäckerei E. Halberstadt
(1903 / 1905)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. Juli 1903: "Ein Junge,
der die Brot- und Feinbäckerei erlernen will, kann sofort eintreten.
Samstags und Feiertage streng geschlossen.
E. Halberstadt, Nieder-Mockstadt
(Hessen)." |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. Februar 1905:
"Suche auf Ostern oder sofort einen Lehrjungen.
Samstags und Feiertage geschlossen.
E. Halberstadt, Brot- und Feinbäckerei. Niedermockstadt in
Hessen." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betsaal vorhanden. Um 1836
wurde eine Synagoge im Gebäude Orlesstraße 1 eingerichtet. Beim Gebäude
handelte es sich um eine frühere Scheune, erbaut als hochgeschossigen Lehmbau,
verputzt mit Fachwerkkonstruktion und einem Krüppelwalmdach. Auffallend ist die
Höhe des Gebäudes, wodurch die Nachbarhäuser überragt wurden.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge durch SA-Leute zerstört. Das Gebäude blieb erhalten, kam
in den Besitz der Gemeinde und wurde zu einem bis heute bestehenden Gerätehaus der Feuerwehr
umgebaut.
In den 1990er-Jahren wurde eine Gedenktafel am Gebäude angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Orlesstraße
1
Fotos / Plan
(Quelle: Landesamt für Denkmalpflege in Hessen
s.u. Links)
Ansicht
des Synagogengebäudes
an der Orlesstraße |
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Aktuelle Fotos
werden noch erstellt; über Zusendungen freut sich der Webmaster von
"Alemannia Judaica";
Adresse siehe Eingangsseite. |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Mai
2016:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Nieder-Mockstadt
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Vorbericht / Artikel im "Kreis-Anzeiger" vom
28. April 2016: "Stolpersteine sollen an Familie Halberstadt erinnern..."
Link zum Artikel |
Artikel
im "Kreis-Anzeiger" vom 20. Mai 2016:
"Aus der Mitte der Dorfgemeinschaft gerissen
Acht Pflastersteine mit den Namen der Mitglieder der Familie Halberstadt hat
der Künstler Gunter Demnig am Donnerstag vor deren früherem Wohnhaus in der
Orlesstraße verlegt. Damit erinnert Florstadt an die Mitbürger, die während
des Nationalsozialismus aus dem Dorf fliehen mussten oder deportiert und
ermordet wurden. Nachkommen der Familienmitglieder, die fliehen konnten,
betonten, dass durch die Stolpersteine die Erinnerung an die früheren Bürger
wach gehalten wird.
NIEDER-MOCKSTADT - (ten). Acht Pflastersteine mit den Namen der
Mitglieder der Familie Halberstadt hat der Künstler Gunter Demnig am
Donnerstag vor deren früherem Wohnhaus in der Orlesstraße verlegt. Damit
erinnert Florstadt an die Mitbürger, die während des Nationalsozialismus aus
dem Dorf fliehen mussten oder deportiert und ermordet wurden. Nachkommen der
Familienmitglieder, die fliehen konnten, betonten, dass durch die
Stolpersteine die Erinnerung an die früheren Bürger wach gehalten wird.
Acht unscheinbare quadratische Steine mit Messingkappen durchbrechen den
Asphaltbelag des Gehwegs vor der Orlesstraße 12. In knappen Worten
skizzieren sie, wie dramatisch sich das Leben der früheren Bewohner des
Hauses innerhalb weniger Jahre durch die nationalsozialistische Diktatur
änderte. Sie wurden gezwungen, das Haus zu verkaufen, das sie 1909 gebaut
hatten und in dem zwei Familienmitglieder eine Kolonial- und eine
Eisenwarenhandlung betrieben. Die Käufer ließen die Familie darin mietfrei
wohnen, bis sie Nieder-Mockstadt verlassen musste, berichtete David Harel,
der Sohn von Jakob Julius Halberstadt. Seinem Vater gelang ebenso wie dessen
Zwillingsbruder Leopold Eliezer die Flucht nach Palästina. Auch die anderen
vier Geschwister Irma, Selma, Recha und Erwin konnten nach England fliehen.
Ihre Eltern Berta und Gerson wurden jedoch 1942 in Izbica ermordet. 'Wir
trauern um sie und den Verlust, den wir selbst uns durch ihre Vertreibung
aus unserer Mitte zugefügt haben', erklärte Hartmut Schmidt, Vorsitzender
der Frankfurter Initiative Stolpersteine. Denn die jüdischen Mitbürger seien
Teil der Dorfgemeinschaft gewesen. Elias Halberstadt hatte eine Bäckerei in
Nieder-Mockstadt, die Orlesstraße war Zentrum des jüdischen Gemeindelebens.
Dort befand sich die Synagoge, die nach der Pogromnacht als Feuerwehrhaus
genutzt wurde. Neben dem Wohnhaus der Halberstadts war unter einem kleinen
Nebenhaus die Mikwe angelegt worden. Harel, der sich die Erinnerung an die
Geschichte seiner Familie und die jüdische Kultur in Deutschland zum Ziel
gesetzt hat, dankte für das große Interesse. Am Vorabend waren 80 Besucher
zu einer Informationsveranstaltung gekommen. 'Vor zwei Monaten waren wir in
Hamburg', berichtete er von der Verlegung des Stolpersteins zur Erinnerung
an eine Tante. 'Da waren wir sechs Leute, das war ein ganz anderer Anblick.'
Regelmäßig hat er in den vergangenen Jahren Nieder-Mockstadt besucht. 'Wenn
die Synagoge als Bürgerhaus wieder hergerichtet ist, werde ich
wiederkommen', versprach er. Bewegt berichtete er, wie er mit seinem Vater
vor einigen Jahren die Schlüssel bekam und in dem Gebäude beten konnte. Das
sei das erste Mal seit 1938 gewesen, dass wieder jemand in der früheren
Synagoge gebetet habe. 'Wenn wir das Geld und die politischen Entscheidungen
haben, wollen wir versuchen, nach den Skizzen von Julius Halberstadt
möglichst viel von diesem Gebäude zu rekonstruieren', erklärte Bürgermeister
Herbert Unger. Allerdings könne Florstadt die Mittel nicht alleine
aufbringen. 'Da sind wir auf das Land Hessen angewiesen.' Unger dankte dem
Arbeitskreis 'Jüdisches Leben', der sich in Florstadt der Erforschung und
Erinnerung an die Geschichte der verfolgten früheren Mitbürger widmet. Harel
beendete seine kurze Ansprache mit dem Kaddisch, dem traditionellen
jüdischen Gebet für die Toten. Auch Hazzan Leah Frey-Rabbine sprach ein
Gedenkgebet. Sie gedachte der sechs Millionen europäischen Juden, die unter
anderem in den Vernichtungslagern 'ermordet, hingeschlachtet oder verbrannt
und vernichtet wurden'. Rafael Halberstadt, der Sohn von Leopold Eliezer
Halberstadt, der wieder in Deutschland lebt, lobte, wie sich Florstadt für
seine jüdische Geschichte engagiert. 'Dadurch gibt es die Möglichkeit, einen
Bezug dazu zu bekommen.' Er freute sich, dass die Verlegung der
Stolpersteine möglich geworden ist und von Paten unterstützt wird. Als er
vor einigen Jahren das Thema angesprochen habe, seien die spontanen
Reaktionen eher ablehnend gewesen."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 139. |
 | Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 190-191. |
 | dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 154. |
 | Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 319. |
 | Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 271. |
 | Susanne Gerschlauer: Synagogen. In: Kirchen und
Synagogen in den Dörfern der Wetterau. Reihe Wetterauer Geschichtsblätter.
Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Band 53. Im Auftrag des Friedberger
Geschichtsvereins hrsg. von Michael Keller. Friedberg 2004 S. 289-326. |
 | dies.: Katalog der Synagogen. In: ebd. S. 555-580. |

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Nieder-Mockstadt
Hesse. Numbering 89 (13 % of the total) in 1861, the community declined to
35 in 1933. Most Jewish families were surnamed Halberstadt and evidently
originated there. All but one of the Jews left after Kristallnacht (9-10
November 1938), when the synagogue's interior was destroyed.

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