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Zur Übersicht über die jüdischen
Friedhöfe im Oldenburger Land und in Ostfriesland
Leer (Kreisstadt,
Ostfriesland)
Jüdischer Friedhof
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Synagoge in Leer (interner
Link)
Zur Geschichte des Friedhofes
Die jüdische Gemeinde in Leer konnte nach Informationen aus dem Jahr 1822 im ersten
Drittel des 17. Jahrhunderts auf der "Galgenhöchte" zwischen Leer
und dem Dorf Leerort auf einem vom Landesherrn geschenkte Grundstück einen
Friedhof anlegen. 1692, 1736 und 1822 wurde das Gelände erweitert.
1896 war der Friedhof voll belegt. Die Gemeinde konnte ein neues
Grundstück hinzu erwerben; das erste Begräbnis fand auf der
Erweiterungsfläche 1898 statt.
Zu Schikanen bei der Beisetzung jüdischer Gemeindeglieder kam es in der NS-Zeit.
Als im November 1936 der Leichenzug des Kriegsbeschädigten Jakob Pels begann,
wurden im letzten Moment auf Anweisung der Stadt die Pferde, die den
Leichenwagen ziehen sollten, ausgespannt, und die Trauernden mussten den Wagen
selber auf dem 3-4 km langen Weg durch die Stadt zum jüdischen Friedhof ziehen.
Im Juni 1939 wurde der neuere Teil des jüdischen Friedhofes von der Stadt Leer
erworben.
Nach 1945: 1951 ging der Friedhof in den Besitz der JTC (Jewish Trust
Corporation) über, die den ältesten Teil 1953 der Stadt Leer überließ (!)
und das verbliebene Grundstück 1959 dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden
von Niedersachsen übergab. Auf diesem Friedhofsteil wurde zwischen 1946 und
1985 sechs jüdische Personen aus Leer, die nach 1945 zurückgekehrt waren,
bestattet. Auf dem 16,63 ar großen Friedhofsgrundstück sind 237 Grabsteine
erhalten.
1985 wurde ein Gedenkstein errichtet.
Aus der Geschichte des Friedhofes
Rigorose Friedhofsvorschriften im Blick auf
ausgetretene Gemeindeglieder (1897)
Anmerkung: in der jüdischen Gemeinde kam es in den
1890er-Jahren zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den orthodoxen
Gemeindemitgliedern und einer Gruppe, die Reformen befürwortete. Acht
Mitglieder erklärten vor dem Amtsgericht Leer ihren Austritt aus der Gemeinde
und gründeten eine eigene Gemeinde. Erst auf das engagierte Einschreiten des
Landrabbiners Löb kehrten die Ausgetretenen schließlich in die Hauptgemeinde
zurück.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1897:
"Leer, 29. Oktober (1897). Eine Entscheidung von
grundsätzlicher Wichtigkeit ist seitens des Oberverwaltungsgerichts
ergangen. Aus der hiesigen Synagogengemeinde waren mehrere Mitglieder
ausgetreten; um einem weiteren Austritt vorzubeugen, hat der Vorstand der
Synagogengemeinde eine neue Friedhofsordnung erlassen und genehmigt
erhalten, die den Ausgetretenen bei einem Todesfalle in ihrer Familie
große Schwierigkeiten bereitet und pekuniäre Opfer auferlegt. Der § 1
gestattet ihnen, sowie ihren Familienmitgliedern das Betreten des
Friedhofes nur mit Erlaubnis des Synagogenvorstandes; der § 2 verbietet
die Vornahme von Leichenreden und Leichenfeiern auf dem Friedhof, und § 3
bestimmt, dass die Leiche der genannten Personen nicht wie diejenige der
Mitgliedern, sondern außer der Reihe und an dem von der Gemeinde
bestimmten Platze beerdigt werden (also auch an der Mauer, wo man in
früheren Zeiten die Selbstmörder beerdigte). Ferner dürfen auf den
Gräbern der Ausgetretenen keine Leichensteine oder sonstige Erinnerungszeichen
angebracht und der Transport von Leichen darf nicht durch die
Beerdigungsbrüderschaft vorgenommen werden, sondern hat von
Gemeindemitgliedern gegen eine an die Gemeindekasse zu zahlende und je
nach den Vermögensverhältnissen festzusetzende Gebühr von 20 bis
50 Mark zu erfolgen. In § 6 wird die Benutzung des Leichenwagens und
sonstiger Utensilien der Synagogengemeinde auf schriftliches Ansuchen zur
Verfügung gestellt. Herr Eli de Vries und andere aus der Gemeinde
Ausgetretene beantragten beim Bezirks-Ausschuss, diese Friedhofsordnung
als nicht zu Recht bestehend aufzuheben, weil die ihnen dadurch in den Weg
gelegten Hemmnisse nicht dem Gesetze vom 28. Juli 1876, betreffend den
Austritt aus den jüdischen Synagogengemeinden, entsprechen. Der
Bezirksausschuss zu Aurich erkannte nach der Bitte des
Synagogenvorstandes, der geltend gemacht hatte, dass durch diese
Friedhofsordnung ein weiterer Austritt verhindert werden solle, auf
Abweisung der Klage. Die Abgewiesenen wandten sich nun an das
Oberverwaltungsgericht, das ebenfalls zu Ungunsten der Kläger entschied,
und zwar aus folgender Erwägung. Eine Feststellungsklage sei nur da
gegeben, wo sie durch das Gesetz vorgegeben sei, z.B. in
Schulangelegenheiten. Sie hätte nur dann ein Recht zur Klage wegen
erschwerter Benutzung des Friedhofes, wenn das Recht des Einzelnen bereits
tatsächlich verletzt sei, nicht aber, wenn nur befürchtet wird, dass es
in Zukunft verletzt werde, unter Hinweis auf den § 6 des Gesetzes vom 28.
Juli 1876, welcher lautet: 'Das Recht der Mitbenutzung des
Begräbnisplatzes der Synagogengemeinde und die Pflicht zur Teilnahme an
den Lasten, welche der Synagogengemeinde aus dem Begräbnisplatze
erwachsen, verbleiben dem Ausgetretenen so lange, als ihm nicht die
Berechtigung zusteht, einen anderen Begräbnisplatz zu benutzen. Erworbene
Privatrechte an Begräbnisstellen werden durch den Austritt nciht
berührt.'" |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15.
Oktober 1897: "Hannover, im Oktober (1897). Eine Entscheidung des
Oberlandesgerichtes, die vor Kurzem in einem Rechtsstreite ergangen, ist
von so weiter prinzipieller Bedeutung, dass eine Wiedergabe durchaus
angezeigt erscheint. Aus der Synagogengemeinde zu Leer (Ostfriesland)
waren mehrere Mitglieder ausgetreten, wie seinerzeit berichtet; um einem
weiteren Austritt vorzubeugen, hat die Synagogengemeinde eine neue, sehr
scharfe und tief einschneidende Friedhofsordnung erlassen und genehmigt
erhalten, die den Ausgetretenen bei einem in ihrer Familie eintretenden
Todesfalle große Schwierigkeiten bereitet und pekuniäre Opfer
auferlegt...
Der Abschnitt ist inhaltsgleich wie der oben zitierte Artikel aus dem
"Israelit"; zum weiteren Lesen bitte Textabbildung
anklicken. |
Verwüstung des Friedhofes durch eine Sturmflut
(1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Januar 1901: "Leer,
29. Januar (1901). Die hiesige Synagogen-Gemeinde ist von einem schweren
Schicksalsschlag heimgesucht worden. Der Friedhof (Beit HaKewarot)
ist in der Nacht vom Sonntag auf Montag zerstört worden, nciht etwa durch
Bubenhand, sondern durch eine Sturmflut. Der schön gepflegte Friedhof
bietet ein Bild der wüstesten Zerstörung, die Umzäunung ist durch die
Eisschollen zum Teil vernichtet, die schonen Grabsteine liegen umgerissen
oder abgebrochen am Boden. Es wird vieler Mühe und großer Opfer
bedürfen, dem Beit Chajim sein früheres Aussehen wieder zu
geben." |
Lage des Friedhofes
An der Groninger Straße
Plan
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Lage des jüdischen Friedhofes
in Leer auf dem dortigen Stadtplan: links anklicken
und unter
"Behörden und öffentliche Einrichtungen" weiterklicken zu
"Friedhof, jüd. Groninger Straße". |
Link zu den Google-Maps
(der Pfeil markiert die Lage des Friedhofes)
Größere Kartenansicht
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 4.8.2010)
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Das
Eingangstor |
Blick
vom Eingang auf den Friedhof
mit neueren Gräbern nach 1945 |
Mahnmal
für die Opfer der national-
sozialistischen Gewaltherrschaft |
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Das Foto
oben in hoher Auflösung |
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Grabstein
mit Gedenkinschriften für
Personen, die in der Shoa ermordet
wurden (aus der Familie de Vries) |
Grabstein
für Jacob Mergentheim
(1888-1920) |
Hohe
Grabsteine: links für Louis Pels
(1853-1933), rechts für Dina Wertheim
geb. Wertheim (1876-1918) |
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Kleiner
Grabstein Mitte für
Rebecka Mergentheim, rechts für
Ephraim Urbach (1831-1923) |
Grabsteine
aus den 1860er-Jahren;
in der Mitte Grabstein
mit Levitenkanne |
Grabstein
Mitte für Moses Koppel (1822 in
Norden - 1888 in Leer) und für Johanne
Koppel geb. Kaufmann (1837-1895) |
Das Foto
oben in hoher Auflösung |
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Der
beschädigte Grabstein links für
Siegmund Bachrach (1875-1896) |
Der Grabstein
links für "Jaakow Bar
Awraham" für deutscher Unterschrift:
"Gewidmet vom Synagogen-Gesangverein" |
Grabsteine
mit deutscher Rückseiten-
Inschrift, links für Frau M. David aus
Münster (gest. 1889 in Leer) |
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Das Foto
oben in hoher Auflösung |
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Als
aufgeschlagenes Buch gestalteter
Grabstein, gerne für einen Gelehrten
verwendet |
Grabstein
rechts für
Salomon H. Roseboom
(1839-1889) |
Grabstein
links der Mitte für Benjamin
Sew Bar Naftali HaCohen, gest. 1895, rechts
für Lea Tochter des Schmuel, Frau des
David Bar Jaakow |
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Das Foto
oben in hoher Auflösung |
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Grabstein
mit Inschrift links hebräisch aus Daniel 12,3: "Die Verständigen
werden
glänzen wie der Glanz des Himmels", und rechts in
deutsch "In der Wahrheit
heiligem Glanz / blüht der Tugend Sternenkranz" |
Grabstein
Mitte für Jenny de Vries geb.
Stein (1869 in Neustadtgödens - 1915 in
Leer) und Daniel de Vries (1855-1933) |
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Grabsteine vordere
Reihe v.r.n.l. für
David Hesse (1845-1910),
Louis Hammerschlag (1860-1910) und
Anna Hammerschlag (1908-1909) |
Grabstein rechts
für Jacob Urbach
(1865-1928), dahinter für Emma Roseboom
geb. Roseboom (1881-1928), links davon
für Adolf M. Roseboom (1881-1928) |
Grabstein links
für den Pferdehändler Jacob
Levie (1871 Haagesand - 1926 Leer) mit
Gedenkinschrift für Amalie Levie geb. van
der Walde (1888 Emden - 1943 Sobibor) |
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Grabsteine
Mitte für Marie S. Rosenberg
geb. Seligmann (gest. 1928) und
Ruben J. Rosenberg (gest. 1904) |
Grabstein
links für Jette Weinberg geb.
Josephs (1833 Jever - 1901 Leer), rechts
für Nathan Weinberg (1820 - 1907) |
Drei
Kindergrabsteine: in der Mitte
für Carl Mergentheim (1892-1899), rechts für
Chaim Bar Schmuel (gest.
1900) |
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Grabstein
für Hanna Joel geb. Weinberg
(1848 Emden - 1908 Leer) |
Grabstein
für den Holocaustüberlebenden
Dieter Weinberg (1922-1946) |
Grabstein
für Heinz Menkel
(1923-1971) |
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Einzelne
Presseartikel zum Friedhof
Februar 2024:
Schändung des Friedhofes
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Artikel in ndr.de vom 2024: "Vandalismus
auf jüdischem Friedhof in Leer - Staatsschutz ermittelt.
Unbekannte haben auf einem jüdischen Friedhof in Leer drei Grabsteine
umgeworfen, eine Hinweistafel abmontiert und das Eingangstor beschädigt. Die
Tat löst Trauer und Wut aus.
Am Montag hatte der Landesverband der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen
die Straftat angezeigt. Nun ermittelt der Staatsschutz ermittelt wegen
Störung der Totenruhe, wie die Polizei mitteilte. Wer hinter der Tat steckt,
ist noch unklar. Zuvor hatten "Ostfriesen-Zeitung" und "Rheiderland Zeitung"
berichtet. Der Holocaust-Überlebende und Ehrenbürger der Stadt Leer Albrecht
Weinberg zeigt sich bestürzt. Er sei sehr traurig über die Tat, ließ er
ausrichten. Der 98-Jährige habe immer mit Stolz erzählt, dass es so etwas in
Leer nicht geben würde.
Jüdische Gemeinde Niedersachsen reagiert traurig und wütend. In den
vergangenen Jahren hatte es auf den mehr als 200 jüdischen Friedhöfen in
Niedersachsen immer mal wieder ähnliche Vorfälle gegeben. Zugenommen hätten
derartige Taten aber nicht, so Gideon Riethmüller aus dem Vorstand des
Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen. Auf den Vorfall in
Leer reagierte der Landesverband mit großer Wut und tiefer Trauer."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Jutta Ulferts: Der jüdische Friedhof in Leer. Ohne
Ort 1990 (Forschungsprojekt: Jüdische Friedhöfe in Ostfriesland,
Ms.). |
| Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in
Niedersachsen und Bremen (Hrsg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit
mit David Bankier und Daniel Fraenkel). Bd. II Göttingen 2005 S.
1502-1510 (Abschnitt zu Leer von Daniel Fraenkel: S. 942-957; mit weiteren Literaturangaben). |
| Reise
ins jüdische Ostfriesland. Hrsg. von der Ostfriesischen Landschaft -
Kulturagentur Georgswall 1-5 26603 Aurich. Tel.
04941-179957 E-Mail:
kultur[et]ostfriesischelandschaft.de. Erschienen im Juli 2013. 67 S.
Kostenlos beziehbar.
Internet: www.ostfriesischelandschaft.de
"Reise ins jüdische Ostfriesland" ist ein gemeinsames Projekt im Rahmen des dritten kulturtouristischen Themenjahres
"Land der Entdeckungen 2013". Am 9. November 2013 jährte sich zum 75. Mal die Pogromnacht von 1938 in Deutschland. Dies haben 17 Einrichtungen, davon neun Museen und fast alle ehemaligen Synagogengemeinden zum Anlass genommen, sich unter dem Titel
"Reise ins jüdische Ostfriesland" zusammenzuschließen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschwand die jüdische Kultur im Vergleich zum übrigen Deutschland hier bemerkenswert schnell aus dem bis dahin gemeinsamen Alltagsleben von Juden und Nichtjuden.
"Reise ins jüdische Ostfriesland" will an das einst lebendige jüdische Leben in der Region erinnern.
Die Projekte zeigen in beeindruckender Weise, wie ein Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Allen jedoch geht es insbesondere darum, dem vielfältigen jüdischen Leben in Ostfriesland bis zur Shoah und darüber hinaus wieder ein Gesicht zu geben. Denn Erinnerung ist ein Weg zur Heilung und damit zur Versöhnung. |
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