Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Feldafing Friedhof 189a.jpg (62247 Byte)links: Davidstern und Symbol des abgeknickten jungen Baumes 
auf dem Grabstein von Gontarz Sala 
     
  

Feldafing (Kreis Starnberg) 
Jüdische Geschichte / DP-Lager / Jüdischer Friedhof 
(erstellt unter Mitarbeit von Otmar Frühauf, Breitenthal) 

Zur jüdischen Geschichte in Feldafing
  
In Feldafing gab es zu keiner Zeit - ausgenommen zwischen 1945 und 1953 die unten beschriebene DP-Gemeinde - eine jüdische Gemeinde.
  
Im 19./20. Jahrhundert lebten zeitweise wenige jüdische Personen am Ort. Das Gedenkbuch des Bundesarchives Berlin nennt zu jüdischen Opfern der NS-Zeit aus Feldafing:
 
Emma Betty Charlotte Bonn (geb. 5. Februar 1879 in New York als Tochter des Bankier Wilhelm Bonn und seiner Frau Emma geb. Heidelbach, siehe Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Bonn, lebte seit 1913 als Schriftstellerin in Feldafing. Sie war seit Jahren schwerkrank und seit 1929 bettlägerig. Am 30. Mai 1942 wurde sie von Feldafing über München in der Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 24. Juni 1942 umgekommen ist. Ihr literarisches Werk wurde u.a. von Thomas Mann geschätzt und gelobt. Sie schrieb unter anderem den biographischen Roman "Das Kind im Spiegel".
Siehe Seite in der Website der Gemeinde Feldafing über die "Villa Bonn" in Feldafing Dr.-Appelhans-Weg 2: https://www.feldafing.de/index.php/tourismus-in-feldafing/sehenswuerdigkeiten/roseninsel/32-tourismus/rundgang/zwischen-kirche-und-park/225-villa-bonn
Weitere Informationen mit Nennung von Werken der Schriftstellerin siehe http://altneu.han-solo.net/osfia/tng_wordpress/getperson.php?personID=I12704&tree=Hohenems
Dazu eine Seite des Kunst- und Museumsvereins Starnberger See e.V.: "Hörbuch "Das Kind im Spiegel' von Emma Bonn:  https://kmv-starnberger-see.de/portfolio/kmv-hoerbuch/
 
 
Dazu werden im Gedenkbuch des Bundesarchivs an Opfern genannt (weitere Informationen liegen nicht vor):   
-  Simon Jaskowitz (geb. 17. November 1923 in Minsk/Russland), wohnhaft in Feldafing, Todesdatum 1. Mai 1945.
Rosa Schochet (geb. 8. Juli 1875 in Wien).
 
 
 
Zur Geschichte des DP-Lagers und des Friedhofes       
   
Vom Mai 1945 bis März 1953 gab es auf dem Gelände der ehemaligen Reichsschule der NSDAP ein jüdisches Camp (DP-Camp Feldafing), in dem befreite KZ-Opfer lebten, die auf ihre Auswanderung nach Israel oder in andere Länder warteten. Es handelte sich mit gleichzeitig bis zu 6.000 Personen um das größte DP-Lager der amerikanischen Zone (November 1945 3.500 Bewohner, August 1946: 4.200, September 1947: 4.034, Oktober 1948: 2.887). Das Lager stand unter Selbstverwaltung und verfügte über eine Vielzahl kultureller Einrichtungen (Kindergarten, Volksschule, Berufsschule, Bibliothek, Theater), religiöser Einrichtungen (Synagoge, Religionsschule, Koschere Küche, Jeschiwa, rituelles Bad) und sogar über eigene Währung, dem Feldafinger Dollar.  
Informationen siehe http://www.after-the-shoah.org/feldafing-juedisches-dp-lager-jewish-dp-camp/
   
Besuch von General Eisenhower im Lager Feldafing (1945)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 28. September 1945: "General Eisenhower inspiziert die jüdischen Lager. 
General Dwight D. Eisenhower befindet sich laut Bericht des Nachrichtendienstes der amerikanischen Armee in der amerikanisch besetzten Zone Deutschlands auf einer Inspektionsreise durch die Lager für die 'displaced persons', in denen viele Juden einstweilen noch konzentriert sind. Er unternimmt diese Inspektion, wie der erwähnte Nachrichtendienst angibt, auf Ersuchen des Präsident Truman.  
In dem Bericht wird auch die interessante Tatsache enthüllt, dass General Eisenhower zusammen mit General Patton Ehrengäste beim Jom Kippur-Gottesdienst im Lager Feldafing, das 5000 Juden beherbergt, gewesen sind. Eisenhower hat den Internierten, wie der Bericht hervorhebt, selber erklärt, er besuche das Lager auf Anregung von Präsident Truman, um ein wahres Bild der Lebensbedingungen der Juden in Deutschland zu gewinnen. Der amerikanische Oberkommandierende versicherte gleichzeitig den Insassen, dass alles Erdenkliche geschehen werde, um ihnen jene Sicherheit zu geben, die die Juden nach so vielen Jahren härtester Prüfungen verdient hätten".        

 
Die zwischen 1945 und 1953 meist auf Grund der Folgen der KZ-Zeiten Verstorbenen wurden auf einem neben dem christlichen Friedhof angelegten jüdischen Friedhof beigesetzt. Besonders in der ersten Zeit des Lagers starben viele Personen (Mai/Juni 1945), auch auf Grund einer damals ausgebrochenen Typhus-Epidemie. Ein Denkmal mit der (nicht korrekten) Inschrift ist vorhanden: "Hier ruhen unzählige Opfer jüdischen Glaubens. Sie wurden in den Jahren 1933-1945 durch Nazischergen ermordet". 
 
Auf dem Friedhof sind nach den im Standesamt Feldafing vorhandenen Listen 112 Gräber vorhanden. Doch wurden nach neueren Forschungen der Historikerin Marita Krauss hier mindestens 158 Menschen beigesetzt. Bei 130 Gräber kann eine namentliche Zuordnung vorgenommen werden. Auf zwei Gräbern sind noch Namen erkennbar (siehe Fotos unten), wobei es sich um KZ-überlebende Frauen handelte, die bei einem Autounfall ums Leben kamen. Auffallend sind zwei Grabhäuschen; in einem könnte Rabbi Baruch Hakohen beigesetzt worden sein.   
 
Der Friedhof wurde am 1. Oktober 1950 vom Präsidenten des Landesentschädigungsamtes Philipp Auerbach als "KZ-Ehrenhain" eingeweiht.  
 
Das Friedhofsgrundstück ist von einer Mauer mit schmiedeeisernem Tor und von Hecken umgeben. Der Friedhof macht nur auf den ersten Blick einen gepflegten Eindruck. Zahlreiche ursprünglich stehende Grabsteinplatten liegen im Gras, einzelne Grabsteine sind nicht mehr am ursprünglichen Grabplatz. Viele Grabsteine sind stark verwittert und unlesbar geworden. 
  
Die Sanierung des Friedhofes wird 2024/25 auf Grund eines vom Landesamt für Denkmalschutz und Vertretern des Landesverbandes der bayerischen israelitischen Gemeinden erarbeiteten Sanierungskonzeptes vorgenommen. Die Sanierung wird mit Fördermitteln aus einem Denkmalschutzprogramm des Bundes sowie über Stiftungen und Zuschüssen von Seiten der Gemeinde Feldafing finanziert. Die Tafel des bisherigen Gedenksteines im Eingangsbereich wird durch eine neue ersetzt, wobei die bisherige Tafel eingelagert wird.   
  
  
Hinweis auf Fotos aus dem DP-Camp Feldafing  
(Quelle: United States Holocaust Museum)   

Feldafing Lager 150.jpg (147318 Byte) Feldafing Lager 151.jpg (171943 Byte) Feldafing Lager 152.jpg (133536 Byte)
Eine der Baracken im 
DP-Camp Feldafing
Talmud-Tora-Schule unter
 Leitung von Rabbinern
Auf dem Weg zur Beisetzung 
eines Verstorbenen
     
Hinweis: das United States Holocaust Museum verfügt über eine größere Anzahl von Fotos aus Feldafing. Sie können eingesehen werden über die Eingabe des Suchbegriffs "Feldafing" auf der entsprechenden Seite mit Suchfunktion der Website.   
   
Vgl. Artikel von Katja Sebald in der "Süddeutschen Zeitung" vom 30. April 2020: "Lager für Displaced Persons in Feldafing: Aufbruch ins Leben
Tibor Diamantstein wurde bei Tutzing aus einem Todeszug befreit und als einer der ersten Bewohner ins DP-Lager nach Feldafing gebracht. Der renommierte Immunologe wollte nie als Holocaust-Überlebender definiert werden. Seine Tochter Eva erforschte die Geschichte des Ortes.

'Ich wollte den Deutschen zeigen, dass ich ein Mensch bin', antwortete Tibor Diamantstein kurz vor seinem Tod auf die Frage seiner Tochter, warum er in Deutschland geblieben war. Er hatte mehrere Konzentrationslager überlebt und wurde am 30. April 1945 von amerikanischen Soldaten bei Tutzing aus einem Häftlingszug befreit. Der damals 16-Jährige gehörte zu den ersten Bewohnern des Lagers Feldafing für sogenannte Displaced Persons (DP) - Menschen, die durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und den Krieg ihre Heimat verloren hatten. Im Jahr 2000 kam seine Tochter Eva Diamantstein als Stipendiatin ins Künstlerhaus Villa Waldberta nach Feldafing, um an ihrem Theaterstück 'Nachtmahl' zu arbeiten, einem Projekt über NS-Täterinnen. Sie blieb ein Jahr, recherchierte zur Geschichte des Ortes und suchte nach Zeitzeugen. Rückblickend sagt sie: 'Es war für mich, als ob sich ein Kreis schließt.'..."
Link zum Artikel (mit Fotos)   https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/feldafing-lager-displaced-persons-holocaust-1.4892740      
  
Artikel von Katja Sebald in der "Süddeutschen Zeitung" vom 1. Mai 2020: "Lager für Displaced Persons in Feldafing: Ignorierte Weltgeschichte
Von Ende April 1945 an kommen jüdische KZ-Häftlinge in Feldafing unter. Eisenhower und Ben-Gurion besuchen das Camp, der junge Leonard Bernstein dirigiert dort ein Konzert. Doch bisher hat es noch keine Gedenkfeier der Gemeinde gegeben.    

'Ich wurde in Bayern befreit, zwischen Tutzing und Feldafing', erinnert sich Ernest Landau. Der 1916 in Wien geborene Journalist hatte mehrere Konzentrationslager überlebt. 'Wir befanden uns gerade auf einem Transport, der irgendwo ins Tirolische gehen sollte, glaube ich, jedenfalls in die Berge, in eine sogenannte Werwolfstellung. Aber so weit kam es nicht. Es war der 1. Mai, der Abend des 1. Mai 1945, wir befanden uns zwischen Tutzing und Seeshaupt, auf der Bahnstrecke, in einem Zug, der aus lauter Güterwaggons bestand. Ungefähr hundert Menschen waren in jedem dieser Waggons eingepfercht.' Es war wohl nicht der 1. Mai, sondern der Abend des 30. Aprils 1945, als amerikanische Soldaten Ernest Landau und seine Mitgefangenen befreiten. Sie wollten die völlig entkräfteten, kranken oder schwer verletzten Menschen zunächst in Tutzing unterbringen, wurden dann aber auf die leer stehenden Gebäude der 'Reichsschule der NSDAP' in Feldafing aufmerksam gemacht. Dort richteten sie eines der ersten Lager für sogenannte Displaced Persons (DP) ein - Überlebende des Holocaust, die durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und den Krieg entwurzelt waren. Sie fanden noch die Kleidung der NS-Schüler in den Schränken. Erst 75 Jahre danach hätte es am Wochenende vom 8. bis zum 10. Mai die erste Gedenkveranstaltung zur Gründung des DP-Lagers geben sollen - das Programm fällt nun wegen der Corona-Pandemie aus. Federführend für die Organisation war ein Arbeitskreis um die Feldafinger Historikerin Eva-Maria Herbertz und die Künstlerin Claudia Sack. Herbertz hatte auch ein Projekt mit Schülern der Gymnasien in Tutzing und Starnberg angestoßen, das nun ebenfalls auf Eis liegt. Sack hatte über verschiedene Netzwerke Kontakt zu einigen der insgesamt 750 Menschen aufgenommen, die zwischen 1946 und 1951 im DP-Lager geboren wurden. Einige der ehemaligen 'Feldafing-Babys', die heute in den USA und in Israel leben, wollten mit ihren Familien kommen. 'Wir haben ungefähr 15 Gäste erwartet', sagte Sack..." 
Link zum Artikel (mit Fotos)    

   
   
   
Lage des Friedhofes      
  
Im Norden von Feldafing, unmittelbar beim allgemeinen Friedhof: am Ende der Friedenstraße links hinter dem Verwaltergebäude (hier auch Parkmöglichkeit) 
  
  
Link zu den Google-Maps 
(der Pfeil markiert die Lage des Friedhofes)     
  
Größere Kartenansicht   
   
   
   
Fotos 
(Fotos: Otmar Frühauf, Breitenthal, Fotos vom Juli 2010)     

Feldafing Friedhof 198.jpg (162773 Byte) Feldafing Friedhof 197.jpg (153443 Byte) Feldafing Friedhof 172.jpg (107434 Byte)
Aufgang zum Friedhof  Weg zum Mahnmal  Blick vom Friedhof auf Feldafing 
     
Feldafing Friedhof 196.jpg (144941 Byte) Feldafing Friedhof 195.jpg (137735 Byte) Feldafing Friedhof 175.jpg (124509 Byte)
Mahnmal mit alter Inschrift: "Die friede- und heimatlos - nun ruhen - in Abrams Schoß" und
 Inschriftentafel: "Hier ruhen unzählige Opfer Jüdischen Glaubens. 
Sie wurden in den Jahren 1933-1945 durch Nazischergen ermordet
". Die Inschrift ist
 missverständlich, da die auf dem Friedhof Beigesetzten erst 1945 und danach an den 
erlittenen furchtbaren Strapazen bzw. auf Grund der Haftfolgen gestorben sind. 
Blick vom Friedhof 
auf Feldafing 
  
 
       
Feldafing Friedhof 170.jpg (160652 Byte) Feldafing Friedhof 173.jpg (172375 Byte) Feldafing Friedhof 194.jpg (153351 Byte)
Teilansicht  Gräberfeld mit kleinen Grabplatten  Weg durch den Friedhof 
        
Feldafing Friedhof 193.jpg (155765 Byte) Feldafing Friedhof 176.jpg (136268 Byte) Feldafing Friedhof 178.jpg (160243 Byte)
Teilansicht     Umgestürzte Grabsteine 
      
Feldafing Friedhof 186.jpg (156841 Byte) Feldafing Friedhof 192.jpg (165309 Byte) Feldafing Friedhof 191.jpg (156818 Byte)
Teilansicht des sich in insgesamt schlechtem Zustand befindlichen Friedhofes 
     
Feldafing Friedhof 180.jpg (175519 Byte) Feldafing Friedhof 181.jpg (164169 Byte) Feldafing Friedhof 179.jpg (180226 Byte)
Einzelne Grabsteine; viele der ursprünglich stehenden Grabsteine liegen auf dem Boden, 
wodurch der Verwitterungsprozess noch beschleunigt wurde. 
           
Feldafing Friedhof 177.jpg (136257 Byte) Feldafing Friedhof 174.jpg (129135 Byte)  Feldafing Friedhof 199.jpg (134202 Byte)
Einzelner Grabstein  Teilansicht   "Verschwundene" Grabsteinplatte 
     
Feldafing Friedhof 171.jpg (164742 Byte) Feldafing Friedhof 184.jpg (154031 Byte) Feldafing Friedhof 183.jpg (147885 Byte)
Teilansicht   Grabmal für den Rabbiner (Gaon) Baruch Bar David HaKohen Kaplan
mit "segnenden Händen" der Kohanim  
  
     
Feldafing Friedhof 182.jpg (163794 Byte) Feldafing Friedhof 185.jpg (177597 Byte) Feldafing Friedhof 188.jpg (145786 Byte)
 Einzelne Grabsteine   Grabstein für Renia Fizhman
(1922 - 4.10.1945)  
    
     
Feldafing Friedhof 187.jpg (163424 Byte) Feldafing Friedhof 189.jpg (124427 Byte) Feldafing Friedhof 190.jpg (142387 Byte)
   Grabstein für Gontarz Sala 
(1926 - 4.10.1945)  
  
      

    
  
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

Juli 2020: Über den jüdischen Friedhof in Feldafing       
Artikel von Katja Sebald in der "Süddeutschen Zeitung" vom 15. Juli 2020: "Gedenken: Das vergessene Massengrab auf dem jüdischen Friedhof von Feldafing
Am Rande der Begräbnisstätte, die jetzt unter Denkmalschutz gestellt worden ist, sind Zwangsarbeiter bestattet worden. Wie sie ums Leben kamen, ist bislang unbekannt.

Kann ein Friedhof ein schöner Ort sein? Der jüdische Friedhof in Feldafing war bis vor kurzem ein wunderschöner, ein beinahe verwunschener Ort der Stille - obwohl er unauflöslich mit der NS-Geschichte des Orts verbunden ist: Er entstand in den Jahren zwischen 1945 und 1949, als sich auf dem Gelände der ehemaligen Reichsschule der NSDAP in Feldafing ein Camp für jüdische Displaced Persons (DPs) befand, also für durch den Holocaust entwurzelte Menschen. Auf dem Friedhof wurden weit mehr als hundert Menschen jüdischen Glaubens bestattet. Die meisten von ihnen waren ehemalige KZ-Häftlinge, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit an den Folgen des ihnen zugefügten Leids starben. Zeitweise lebten mehr als 6000 jüdische DPs in Feldafing. Die Überlebenden haben auf einem Mahnmal einen Fluch hinterlassen..."     
Link zum Artikel 
 
Juli 2024: Der jüdische Friedhof in Feldafing wird restauriert - neue Erkenntnisse zur Geschichte des Friedhofes   
Artikel von Sylvia Böhm-Haimerl in der "Süddeutschen Zeitung" vom 9. Juli 2024: "NS-Opfer am Starnberger See. 'Es ist wichtig, dass die Leute ein Gesicht bekommen'.  
Der jüdische Friedhof in Feldafing ist lange nicht so gepflegt worden, wie es die religiöse Tradition vorsieht. Das soll sich nun ändern. Grundlage dafür bilden Forschungen der Historikerin Marita Krauss.
Der denkmalgeschützte jüdische Friedhof in Feldafing liegt am Hang mit Blick bis zu den Alpen. Es ist ruhig hier, nur das Brummen der Insekten ist zu hören, die die Wiesenblumen umschwärmen. Doch die Idylle trügt: Die Namen auf den Gräbern und Gedenksteinen sind nicht mehr zu lesen. Zahlreiche Grabsteine sind umgefallen oder zerbrochen, die Gedenksteine vom Gras überwuchert.
Knapp 80 Jahre, nachdem die ersten Gräber auf dem Areal entstanden sind, soll der jüdische Friedhof nun saniert werden. Nach Angaben der Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge (SPD) und Michael Kießling (CSU) wurden 46 886 Euro an Fördermitteln aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes zugesagt. Weitere 40 Prozent der auf insgesamt 100 000 Euro kalkulierten Kosten werden von Stiftungen übernommen, zehn Prozent trägt die Gemeinde. 'Wir haben immer versucht, den Friedhof in Ordnung zu halten, aber wir wussten nicht, wie der Friedhof zu pflegen ist', erklärt Bürgermeister Bernhard Sontheim.
Die Aussagen zur richtigen Pflege von jüdischen Grabstätten seien äußerst widersprüchlich. Man habe nichts falsch machen wollen. Daher ist der Rathauschef erleichtert, dass jetzt Fachleute vom Landesamt für Denkmalschutz sowie von der jüdischen Glaubensgemeinschaft für das Sanierungskonzept verantwortlich sind. Da die Gelder zwar zugesagt, aber noch nicht ausbezahlt sind, will sich Sontheim für eine vorzeitige Genehmigung der Pläne einsetzen. Dann könnten die Arbeiten noch in diesem Jahr beginnen, sodass die Gräber zum 80-jährigen Bestehen im kommenden Jahr fertig restauriert wären. 'Dieser Schritt, dass der Friedhof saniert wird, ist großartig', betont die Geschichtsprofessorin Marita Krauss. Sie hat die Sanierung im Rahmen ihrer Forschungen zur Nazi-Vergangenheit der Gemeinde Feldafing angestoßen. 'Es ist wichtig, dass die Leute ein Gesicht bekommen.' Nun gebe man den Toten Namen und würdige die Gräber. Auslöser für ihre Forschungen zum jüdischen Friedhof war für die Historikerin der Besuch von Nachkommen der DP-Camp-Bewohner im Jahr 2022. Das Camp war 1945 auf dem Gelände der ehemaligen Reichsschule der NSDAP in Feldafing als Unterkunft für Displaced Persons (DP), also vorrangig KZ-Überlebende, errichtet worden.
Die Nachkommen aus den USA seien ratlos gewesen, wo die Gräber ihrer Angehörigen liegen. Krauss hat nachgeforscht und herausgefunden, dass hier anstatt der 112 im Standesamt aufgelisteten Verstorbenen 158 Menschen begraben wurden. 'Es sind viele Leute hier beerdigt, die nicht auf den Listen auftauchen.' Unterdessen konnte Krauss die Namen von 130 Personen zuordnen. Auf zwei Grabsteinen sind die Namen noch erkennbar. Es handelt sich um zwei Frauen, die das KZ überlebt haben und sich im DP-Camp von ihrem schlimmen Schicksal erholen sollten. Welch eine grausame Ironie, dass sie, als sie endlich Frieden gefunden hatten, bei einem Autounfall ums Leben kamen. Überhaupt ist die Anzahl der Verstorbenen im ersten Jahr im Camp sehr hoch. Schon im Mai 1945 sind innerhalb von einem Monat 63 Tote begraben worden – so viele wie nie zuvor in Feldafing. Das liegt laut Krauss wohl daran, dass die KZ-Überlebenden sehr erschöpft waren und deshalb viele Krankheiten bekamen. Zudem war das Camp mit teilweise bis zu 6000 Personen überfüllt – durchschnittlich lebten dort 3500 Menschen – und Krankheiten konnten sich schnell verbreiten. So brach etwa eine Typhus-Epidemie aus und alle Feldafinger mussten geimpft werden. Insbesondere die Feldsteine auf der Rasenfläche sind unlesbar geworden. Auf zwei Steinen wurden Marmortafeln mit Davidstern und Namen angebracht. Doch ist laut Krauss nicht sicher, ob diese Personen tatsächlich in den Gräbern liegen. Restauratoren, die auf Schriftbilder spezialisiert sind, werden nun die hebräischen Buchstaben auf den Grabsteinen erneuern. 'Damit man die Namen wieder erkennen kann', erklärt die Historikerin. Ein ungelöstes Rätsel sind zwei Grabhäuschen – denn diese sind auf einem jüdischen Friedhof untypisch. Wer in den Gräbern liegt, ist im Standesamt nicht verzeichnet. In der damaligen Lagerzeitung hat Krauss aber entdeckt, dass in einem der Häuschen Rabbi Baruch Hakohen begraben liegt. Nun sollen die überdachten Gräber vorsichtig im Beisein eines Rabbis mit einer Kamera befahren werden. Nach Angaben der Historikerin sind auch nicht-jüdische Camp-Bewohner auf dem Friedhof beerdigt worden. Diese Personen hatte man später in den Gemeindefriedhof umgebettet, aber die Gräber nach 15 Jahren wieder aufgelöst. Für diese Toten soll es ebenfalls eine Gedenktafel geben. 'An die muss man sich auch erinnern, weil sie das gleiche Schicksal hatten', ist Krauss überzeugt.
Der Friedhof soll eingezäunt werden. Auch die Tafel am Gedenkstein im Eingangsbereich wird erneuert, denn der dortige Text ist falsch. 'Hier ruhen unzählige Opfer jüdischen Glaubens. Sie wurden in den Jahren von 1933 bis 1945 durch Nazischergen ermordet', ist darauf zu lesen. Doch der Feldafinger Friedhof ist erst 1945 entstanden und es wurden ausschließlich Bewohner des DP-Camps beerdigt. Wie Krauss vermutet, könnten eventuell auch ein paar Personen begraben sein, die in dem Zug mit den KZ-Überlebenden gestorben waren, der Anfang Mai 1945 zwischen Tutzing und Seeshaupt ankam. Das will die Historikerin ebenfalls untersuchen. Die Tafel mit dem falschen Text soll nun eingelagert werden, denn auch sie gehöre schließlich zur Geschichte, betont die Historikerin. Das Buch zur Feldafinger NS-Vergangenheit soll im Herbst 2024 unter dem Titel 'Traum und Albtraum des Feldafinger Nationalsozialismus' erscheinen und der Bevölkerung vorgestellt werden." 
Link zum Artikel     

    
     

Links und Literatur

Links:   

bulletWebsite der Gemeinde Feldafing  mit Seite zur "Reichsschule der NSDAP" und zum "Lager für DP's" sowie  Seite zum jüdischen Friedhof   
bulletSeite zum jüdischen Friedhof Feldafing in der Dokumentation des Hauses der Bayerischen Geschichte   

Literatur:  

bulletIsrael Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. 1988 S. 296-297. 
bullet Bundeszentrale für politische Bildung (Hg. von Ulrike Puvogel/Martin Stankowski): Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. 1995 S. 131.  
bulletSimon Schochet [geb. 1926 in Lodz, lebte später als Historiker in Brooklyn Heights, N.Y.],: Feldafing. Vancouver, November House, 1983. 175 S. [Augenzeugenbericht eines der frühesten Lagerbewohner aus den Jahren 1945-46]. -
bulletErnest Landau: Die ersten Tage in Freiheit. In: Michael Brenner, Nach dem Holocaust. Juden in Deutschland 1945-1950. München 1995. S. 117-28. - [Augenzeugenbericht].
bulletHinweis: im Herbst 2024 erscheint eine Publikation unter dem Titel "Traum und Albtraum des Feldafinger Nationalsozialismus".    

   
    

                   
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Stand: 30. Juni 2020