Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Dolgesheim (VG Rhein-Selz, Landkreis Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Der Judenpogrom in Dolgesheim in der Nacht vom 9. auf den 10. August 1930    
Sonstiges     
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen  
Links und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
   
In Dolgesheim bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis um 1930/33. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Bei der Volkszählung 1804 wurden 19 jüdische Einwohner in vier Familien am Ort erfasst. 
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1824 38 jüdische Einwohner, 1861 54 (6,9 % von insgesamt 786 Einwohnern), 1871 62, 1880 33 (4,7 % von 694), 1900 31 (4,1 % von 745), 1910 24 (3,4 % von 700), 1925 16 (2,5 % von 630). 
 
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine Religionsschule, möglicherweise ein rituelles Bad und einen Friedhof.    

Um 1930 lebten noch drei jüdische Familien am Ort, darunter die Familie von Nathan Frank, die im Leben des Ortes völlig integriert war (Frank war u.a. zweiter Vorsitzender des Turnvereines). Seit Begründung einer nationalsozialistischen Ortsgruppe im Frühjahr 1930 war Familie Frank Zielscheibe des nationalsozialistischen Terrors, der in der Nacht vom 9. auf den 10. August 1930 einen Höhepunkt erreichte (siehe Berichte unten). Auf Grund der Vorgänge wurden 29 Dorfbewohner wegen Landfriedensbruch vor Gericht gestellt. Familie Nathan Frank war auf der Flucht vor dem Terror nach Worms verzogen. 
  
Nach 1933 (11 jüdische Einwohner; 1,7 % von insgesamt 662) sind bis zu Beginn des Deportationen alle jüdischen Einwohner verzogen, teilweise ausgewandert: acht Personen wanderten 1937-38 in die USA aus. Die letzten drei verließen im September 1939 den Ort und verzogen nach Bretzenheim.  
   
Von den in Dolgesheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Julius Frank (1911, ermordet 1933!), Betty Gerson geb. Levy (1892), Pauline Levy geb. Hirsch (1866, vgl. Anzeige unten in der Zeitschrift "Der Aufbau"), Helene Ludwig geb. Dewald (1869), Henriette Emma Schriesheimer geb. Maas (1874).  
    
    
    
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1902 / 1904 - gemeinsam mit Hillesheim 

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November 1902
"Die israelitische Gemeinde Hillesheim - Dolgesheim sucht per 1. Januar 1903, eventuell auch etwas früher, einen 
Religionslehrer

zugleich Vorbeter und Schochet. Gehalt an Fixum: Mark 750, nebst Nebeneinkommen, bei freier Wohnung und Heizung. Ledige Bewerber wollen sich melden, bei 
Moritz Hirsch, 
Vorstand der israelitischen Gemeinde Hillesheim in Rheinhessen.
"    
    
Dolgesheim Israelit 25011904.jpg (69243 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Januar 1904: "Die israelitische Gemeinde 
Hillesheim - Dolgesheim 
sucht per 1. April dieses Jahres einen 
Religionslehrer
, der zugleich Vorbeter und Schochet (Gehalt bei freier Wohnung und Heizung Mark 700). Nebenverdienste: Schechita und dergleichen. Bewerber wollen sich wenden an der Vorstand 
Moritz Hirsch, Hillesheim-Dolgesheim
(Rheinhessen)."

   
   
Berichte über einzelne Personen aus der Gemeinde  
Über Moses Abraham aus Dolgesheim, der bei den Gefechten um Aschaffenburg zwischen den preußischen und den österreichischen (und hessischen) Truppen (1866) verletzt wurde.

Dolgesheim Israelit 05091866.jpg (39212 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1866: "Dolgesheim bei Mainz, den 27. August. Moses Abraham von hier, Musketier beim 1. Regiment, ist bei der Affäre von Aschaffenburg durch einen Schuss verwundet worden. Die Kugel drang durch die Rippen, ging von vorn herein und auf der anderen Seite wieder hinaus ohne jedoch edlere Teile zu verletzen; derselbe befindet sich bereits auf Besserung."

  
  
Der Judenpogrom in Dolgesheim in der Nacht vom 9./10. August 1930 

Dolgesheim CV 22081930.jpg (193028 Byte)Artikel in der Zeitschrift des "Central-Vereins" vom  22. August 1930: "Das Drama von Dolgesheim. Heute noch ein Einzelfall - aber im 'Dritten Reich'...? Bericht unseres dorthin entsandten Sonderberichterstatters.
E.B. Dolgesheim, 18. August 1930. In dem rheinhessischen Bauerndorf Dolgesheim, einem friedlichen Orte bei Worms, in dem bisher stets ungetrübte Harmonie unter den Einwohnern aller Bekenntnisse herrschte, ist seit der Gründung einer nationalsozialistischen Gruppe im Frühjahr dieses Jahres eine Verhetzung und Erregung unter der Bevölkerung entstanden, die in den letzten Wochen zu wilden Ausschreibungen führte.
Ein von auswärts zugezogener Verwalter, mit einer Reihe von Vorstrafen belastet, verstand es, persönliche Differenzen und Vereinsgruppierungen, wie sie in jedem Dorf vorkommen, in das nationalsozialistische Fahrwasser zu leiten und alle Meinungsverschiedenheiten und die Verstimmung, zu der die heutige Wirtschaftslage Veranlassung gibt, zu äußerster Erbitterung und Angriffslust des von ihm gesammelten Bevölkerungsteils zu steigern. Ältere Leute, die dieses Treiben missbilligten, wurden auf der Straße bedroht, sodass sie fürchten mussten. Einem republikanisch gesinnten Landwirt wurden Heuhaufen angezündet. Die der Tat überführten Nationalsozialisten sehen der Aburteilung entgegen. Am stärksten konzentrierte sich das Vorgehen der 'Hitler-Gruppe' gegen den seit sechsunddreißig Jahren in Dolgesheim ansässigen angesehenen jüdischen Einwohner Nathan Frank, einen ruhigen älteren Mann. Er erregte ihren Hass, weil er wegen seiner Hilfsbereitschaft und seines tadellosen Handels und Wandels sich bei der übrigen Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut und in verschiedenen Vereinen Ehrenstellen bekleidet.
Seit Monaten konnte er nicht über die Straße gehen, ohne mit Zurufen, wie 'Juda verrecke' und 'Nieder mit den Landesverrätern' oder 'Nieder mit der Judentyrannei', behelligt zu werden. In den letzten Wochen steigerten sich die Angriffe zu Drohungen, wie 'Du musst doch noch verrecken', körperlichen Anrempelungen gegen seinen Sohn und seine Tochter sowie Steinwürfen gegen sein Haus. Der Terror wurde so stark, dass die Familie Frank stets für Gesundheit und Leben fürchten musste und sich gezwungen sah, eine Wohnung in Worms zu mieten. Bis zum Tage des Umzugs aber mussten Nacht für Nacht ein Dutzend und noch mehr Freunde zum Schutz im Hause mit wachen. 
In der Nacht vom 9. zum 10. August rotteten sich die Nationalsozialisten wieder einmal zusammen, schlugen die Fensterläden ein, gaben einen Schuss ab und belagerten das Haus, bis am nächsten Tag ein größeres Polizeiaufgebot von auswärts eintraf. Unter dessen Schutze musste die Familie dann in aller Eile ihre Möbel verladen und fliehen. 
Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Täter ein Verfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet. Die zuständige Behörde hat nach diesen Vorgängen die Ortsgruppe Dolgesheim der NSDAP aufgelöst, 'weil aus ihrem Verhalten hervorgeht, dass ihr Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft." 
    
Dolgesheim Israelit 28081930.jpg (42369 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1930: "Worms. Wegen des nationalsozialistischen Terrors in dem rheinhessischen Orte Dolgesheim bei Worms, vor dem die jüdische Familie Frank flüchten musste, hat die Staatsanwaltschaft gegen die Täter ein Verfahren wegen Landfriedensbruches eingeleitet. Die zuständige Behörde hat nach diesen Vorgängen die Ortsgruppe Dolgesheim der NSDAP aufgelöst."
 
Dolgesheim CV 20031931.jpg (63326 Byte)Artikel in der Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 20. März 1931: "Das Drama von Dolgesheim vor Gericht. Vor dem erweiterten Bezirksschöffengericht in Mainz hatten sich vom 11. bis 16. März 29 Einwohner des rheinhessischen Dorfes Dolgesheim gegenüber der Anklage des Landfriedensbruches zu verantworten. Der Anklage lagen Vorfälle zugrunde, die sich in der Nacht vom 9. zum 10. August 1930 abspielten und über die wir in der Nr. 34 der 'C.V.-Zeitung' vom 22. August 1930 berichteten. Wir werden über die Verhandlung, die ein geradezu erschütterndes Bild von dem nationalsozialistischen Terror in Dolgesheim im Sommer vorigen Jahres gibt, in der nächsten Nummer ausführlich berichten."
  
Dolgesheim CV 27031931.jpg (209819 Byte)Artikel in der Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 27. März 1931: "Wildwest in Dolgesheim. Sonderbericht für die 'C.V.-Zeitung'. Vor dem erweiterten Bezirksschöffengericht in Mainz fand, wie wir in der vorigen Nummer der 'C.V.-Zeitung' meldeten, vom 11. bis 16. März die Verhandlung gegen 29 Einwohner des rheinhessischen Dorfes Dolgesheim wegen Landfriedensbruches statt. Über die geradezu unerhörten Vorgänge, die dieser Anklage zugrunde lagen, gibt uns unser zu dieser Verhandlung nach Mainz entsandte Sonderberichterstatter nachstehenden Bericht. 
E.B. - r. Mainz, den 16. März 1931. Die Angeklagten waren zum Teil Reichsbannerleute und politische Neutrale, denen ein Überfall auf Nationalsozialisten, die gemeinsam des Angriffs und Beschädigung des Hauses des jüdischen Kaufmanns Nathan Frank beschuldigt waren, zur Last gelegt wurde. Die Strafen sind gering. Nur sechs Angeklagte wurden verurteilt, teils wegen Körperverletzung, teils wegen Sachbeschädigung und unbefugten Waffentragens. Mit Ausnahme einer Gefängnisstrafe von einem Monat wurde nur auf Geldstrafen erkannt.
Die Beweisaufnahme. Eine Ortsgruppe der NSDAP wird gegründet.
Desto interessanter und erschütternder waren die Ergebnisse der Beweisaufnahme, zu der über sechzig Zeugen geladen waren, über die Zuspitzung der Verhältnisse in dieser Gemeinde, dessen Bewohner sich zu zwei Dritteln aus Nationalsozialisten zusammensetzen. Bis zum Frühjahr des Jahres 1930 herrschten laut Aussage des Bürgermeisters die friedlichsten Beziehungen. Man wusste gar nicht, welcher Partei der einzelne angehörte, und man fragte nicht nach dem Bekenntnis. Dies änderte sich von dem Tage an, an dem eine nationalsozialistische Ortsgruppe gegründet wurde. Man versuchte, das Dorf zu erobern. Einem militärischen Fähnrich wurde die in SA eingekleidete Jugend unterstellt. Er und andere 'Führer' (durchweg junge Leute in den zwanziger Jahren) nahmen an regelmäßigen Führerzusammenkünften des Bezirks teil, in denen die Befehle von oben ausgegeben wurden. Dass dieser Dolgesheimer SA-Führer Dietrich von Seggern, trotz seiner Jugend über eine reichliche Vorstrafenliste verfügte (das Gericht verlas Vorstrafen wegen: Diebstahls, Betrugs, Urkundenfälschung in vier verschiedenen Fällen mit Strafen von einem Monat, drei Wochen und sechs Wochen Gefängnis, sowie Geldstrafen), hinderte seine Ernennung nicht. Daneben fungierte als Ortsgruppenführer der Angeklagte Seemann; er trat nach Aussage eines Gendarmeriewachtmeisters auf, als ob ihm das Dorf unterstellt sei. Der Druck, der von der nationalsozialistischen Gruppe ausging, erzeugte Gegendruck. Die Minderheit schloss sich in einer Ortsgruppe des Reichsbanners zusammen. Zwischen beiden Gruppen gab es fortgesetzt Reibereien, Beschimpfungen, Bedrohungen, Schlägereien. Einem Republikaner wurden von zwei aus einer nationalsozialistischen Versammlung kommenden Mitgliedern dieser Partei Heuhaufen auf dem Felde angezündet. Die schwächeren Naturen, Juden wie Christen, ließen sich einschüchtern und wagten der nationalsozialistischen Propaganda keinen Widerstand entgegenzusetzen. Bezeichnend
Dolgesheim CV 27031931a.jpg (216944 Byte)dafür war die Zeugenaussage des Lehrers, der ängstlich bedacht war, nichts zu äußern, was einer Seite missfallen könnte. 
Das Schicksal der jüdischen Familie Nathan Frank.
Mit den übrigen selbstbewussten Nichtnationalsozialisten teilte die Familie Frank die Eigenschaft, aus ihrer republikanischen Überzeugung keinen Hehl zu machen und, nachdem das Reichsbanner gegründet war, trat Nathan Frank ihm bei. Darüber hinaus war er den Nationalsozialisten ein besonderer Dorn im Auge: Er, der Jude, war seit langen Jahren zweiter Vorsitzender des Turnvereins. Wie der Verteidiger des nationalsozialistischen Angeklagten Rechtsanwalt Jung wiederholt in den Gerichtssaal schmetterte: 'Wir Nationalsozialisten stehen auf dem Standpunkt, dass Angehörige des jüdischen Volkes nicht über Deutsche richten dürfen und als Fremdlinge in Deutschland keinen Einfluss ausüben dürfen', so handelte man im kleinen. Persönlicher Ehrgeiz des nationalsozialistischen Ortsgruppenführers Seemann, der im Turnverein nicht die Rolle spielen konnte, die er erstrebte, und mit einer Konkurrenzgründung Schiffbruch erlitt, tat das übrige. So setzte sich die von ihm gegründete nationalsozialistische Ortsgruppe in einer Zusammenkunft, wie ein früherer Nationalsozialist vor Gericht aussagte, das Ziel: 'Der Jud muss hinaus.' Die Mittel hierzu waren planmäßige Provokationen gegen Mitglieder der Familie Frank. Aus dem gegenüberliegenden Hof eines Nationalsozialisten wurden Steine und Kohlenstücke auf sein Anwesen geworfen. Vor seinem Hause sang man demonstrativ antisemitische Lieder. Auf der Straße riefen ihm die Nationalsozialisten ihren Kampfruf zu. Vor seinem Hause wurden Blumenkästen abgerissen und gestohlen. Durch das geschlossene Fenster des ersten Stockes folg ein Backstein, der, wenn er einen Menschen getroffen hätte, ihn tödlich hätte verletzen können. Waren nationalsozialistische Gruppen auf der Straße, so wagte das Ehepaar Frank sich nicht aus dem Hause; ihre Tochter musste ältere Leute um Begleitung bitten. Man rief Frank zu, er bekäme den Hals abgeschnitten, und verbreitete unwahre Gerüchte, er habe die nationalsozialistischen Brandstifter angezeigt, man müsse an ihm Rache nehmen. Selbst in einem schlesischen nationalsozialistischen Blatt fand sich unter wüsten Beschimpfungen diese Behauptung. Die Verhetzung im Dorfe war so weit gediehen, dass neunjährige Kinder von Nationalsozialisten den Fenstersims des Frank'schen Hauses erkletterten und den Ruh: 'Juda verrecke!' hineinriefen. 
Aus der Heimat verjagt. 
Diesem Druck fühlte sich Frank nicht mehr gewachsen. Er entschloss sich, woran er sonst nie gedacht hätte, wegzuziehen. Vom Bekannt werden dieses Entschlusses bis zu seinem Wegzug saßen Abend für Abend Freunde, politische und unpolitische bei ihm, um ihn zu schützen und ihn nicht allein zu lassen. Menschen, denen sein Schicksal nahe ging. An diesen letzten Tagen war ein Kommen und Gehen der Freunde. Zwei Tage vor der geplanten Abreise stieß in der Nacht eine größere Anzahl von Leuten, die zuvor im Frank'schen Hause waren, auf der Straße mit Nationalsozialisten zusammen. 
Aus der Erbitterung heraus, die seit Wochen zwischen beiden Parteien im Dorf herrscht, entstand eine kurze Schlägerei, bei der zwei Nationalsozialisten verletzt wurden. Darauf alarmierte von Seggern einen Teil seiner Leute und zog mit diesen vor das Haus Franks. Und nun erlebten dessen Insassen, die mit Ausnahme des Sohnes früh schlafen gegangen waren und von dem Vorfall keine Ahnung gehabt hatten, eine grauenvolle Nacht. Von Seggern   
Dolgesheim CV 27031931b.jpg (112211 Byte)schlug mit einer Hacke die Fensterläden ein, andere Nationalsozialisten umstellten das Haus. Alle schlechten Instinkte, durch planmäßige Hetze seit Gründung der nationalsozialistischen Ortsgruppe genährt, kamen zum Ausdruck: 'Die Burg wird ausgeräuchert!' 'Keine Ratte verlässt lebend die Burg!' 'Der erste, der herauskommt muss liegen!' 'Alle kriegt ihr den Hals abgeschnitten.' 'Der alte Spitzbube und der Junge, die gehören beide kastriert.' 'Die Dora (Frank) überlasst mir, die leg' ich um.' 'Geht nur an ihn, der hat für dreißigtausend Mark Höchster Wertpapiere.' Unter den Rufern tat sich besonders der Ortsgruppenführer Seemann hervor. Die in eine Dachkammer Geflüchteten zitterten bis zur Morgendämmerung um ihr Leben. Unter dem Schutz der dann eingetroffenen Gendarmerie verluden sie am nächsten Tag die Möbel und verzogen nach Worms.
Die Plädoyers
In seinem Plädoyer bezeichnete der Vertreter des Nebenklägers Frank, Rechtsanwalt Neumann, diese Zustände als eine Kulturschande. Dem Begriff des Deutschtums, wie es dokumentier wurde durch das Verhalten der nationalsozialistischen Angeklagten, die nicht einmal mehr zu ihren Taten standen und dem Auftreten des nationalsozialistischen Verteidigers, hielt Rechtsanwalt Neumann echtes Deutschtum entgegen. Auch der Verteidiger der Reichsbannerleute, Rechtsanwalt Tschornicki, stellte in eindringlicher Weise, frei von jeder politischen Tendenz, die Unmenschlichkeit im Verhalten der Nationalsozialisten dar. 
Das Gericht erklärte ausdrücklich, dass neben dem verurteilen Sturmtruppführer von Seggern auch der Ortsgruppenführer Seemann, wenn er auch juristisch nicht verurteilt werden könne, unverzeihlich gehandelt habe.  

    
    
Sonstiges 
Anzeigen in der deutsch-amerikanisch-jüdischen Zeitschrift "Der Aufbau" 1945 
(aus der Sammlung von Paul Theobald, Frankenthal)     

  Dolgesheim Aufbau 12101945.jpg (47092 Byte) Dolgesheim Aufbau 14121945.jpg (48559 Byte)   
Anzeige im "Aufbau" vom 12. Oktober 1945 für 
Pauline Levy geb. Hirsch
(früher Dolgesheim), 
die in Theresienstadt umgekommen ist.  
Anzeige im "Aufbau" vom 14. Dezember 1945 für 
Caroline Levi geb. Loeb
(früher Dolgesheim), 
gest. 1945 in den USA  
 

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge    
    
Zunächst war vermutlich ein Betraum vorhanden. 1852 konnte die Gemeinde eine Synagoge in der Schollergasse 3 erbauten. Sie wurde um 1930/33 aufgegeben, als auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen Einwohner keine regelmäßigen Gottesdienst mehr gefeiert werden konnte. Das Synagogengebäude wurde verkauft und wird bis heute als Lagerhaus verwendet.    
     
     
Adresse/Standort der SynagogeSchollergasse 3. 
    
    

Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 30.3.2005; Foto mit *: M. Ohmsen, Juli 2011, vgl. Fotoseite von M. Ohmsen zu Dolgesheim

Dolgesheim Synagoge 200.jpg (45583 Byte) Dolgesheim Synagoge 110.jpg (76820 Byte)
Die ehemalige 
Synagoge
Gebäude Schollergasse 3, links angebaut 
das ehemalige Synagogengebäude+
Dolgesheim Synagoge 111.jpg (182203 Byte) Dolgesheim Synagoge 201.jpg (41275 Byte)
Die ehemalige Synagoge*
(Foto in hoher Auflösung
Blick wie oben, 
kleinerer Ausschnitt

   
     

Links und Literatur

Links:  

Website der Gemeinde Dolgesheim 
Informationen zum jüdischen Friedhof in Dolgesheim (interner Link)    

Literatur:  

Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bd. II S. 141-142.
"...und dies ist die Pforte des Himmels" Synagogen - Rheinland-Pfalz. Saarland. Hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz mit dem Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes und dem Synagogue Memorial Jerusalem. 2005. S. 140-141 (mit weiterer Lit.) 
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 161. 
Wolfgang Kemp: Julius Frank, jüdischer Reichsbannermann aus Worms - eines der ersten Opfer des NS-Terrors. In: Die Zeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz. Band 1: "Eine nationalsozialistische Revolution ist eine gründliche Angelegenheit". Hrsg. von Hans-Georg Meyer und Hans Berkessel. Mainz 2000.    
Dolgesheim Lit 100.jpg (38926 Byte)Winfried Seibert: Dolgesheimer Mord. Der Tod des Juden Julius Frank im Frühjahr 1933. 2002². 
Hans-Dieter Graf / Gabriele Hannah: Mrs. Abe Maas - Die Frau an der Seite des "Prince of Tampa Merchants". In: Heimatjahrbuch Mainz-Bingen 2013 (Hinweis: Prince of Tampa Merchants = Abraham [Abe] Maas aus Dolgesheim und Mrs. Abe Maas = Philabena Wolf geb. in Mommenheim, später nach Guntersblum verzogen).  
Hans-Dieter Graf / Gabriele Hannah: Volksnahe Unternehmer mit Herz. Bena und Abe Maas gründeten in Florida großes Kaufhaus. Vor 150 Jahren in Mommenheim geboren. In: Rhein Main Presse (Rheinhessen) vom 9. März 2013 S. 6.   Artikel online eingestellt (pdf-Datei) 
Anmerkung: Abe Maas ist in Dolgesheim geboren.     

     
       


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Dolgesheim Hesse. The community, numbering 54 (6,9 % in of the total) in 1861, dwindled to 11 in 1933. By September 1939 Nazi violence had forced all Jews to leave.  
  
   

                   
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Stand: 13. Juli 2017