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Dolgesheim (VG
Rhein-Selz,
Landkreis Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Dolgesheim bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis um 1930/33. Ihre
Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Bei der Volkszählung
1804 wurden 19 jüdische Einwohner in vier Familien am Ort erfasst.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1824 38 jüdische Einwohner, 1861 54 (6,9 % von insgesamt 786
Einwohnern), 1871 62, 1880 33 (4,7 % von 694), 1900 31 (4,1 % von 745), 1910 24
(3,4 % von 700), 1925 16 (2,5 % von 630).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine
Religionsschule, möglicherweise ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Um 1930 lebten noch drei jüdische Familien am Ort, darunter die Familie
von Nathan Frank, die im Leben des Ortes völlig integriert war (Frank war u.a.
zweiter Vorsitzender des Turnvereines). Seit Begründung einer
nationalsozialistischen Ortsgruppe im Frühjahr 1930 war Familie Frank
Zielscheibe des nationalsozialistischen Terrors, der in der Nacht vom 9. auf den
10. August 1930 einen Höhepunkt erreichte (siehe Berichte unten). Auf Grund der
Vorgänge wurden 29 Dorfbewohner wegen Landfriedensbruch vor Gericht gestellt.
Familie Nathan Frank war auf der Flucht vor dem Terror nach Worms verzogen.
Nach 1933 (11 jüdische Einwohner; 1,7 % von insgesamt 662) sind bis zu Beginn des Deportationen
alle jüdischen Einwohner verzogen, teilweise ausgewandert: acht Personen
wanderten 1937-38 in die USA aus. Die letzten drei verließen im September 1939
den Ort und verzogen nach Bretzenheim.
Von den in Dolgesheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Julius Frank (1911, ermordet 1933!), Betty Gerson geb.
Levy (1892), Pauline Levy geb. Hirsch (1866, vgl. Anzeige unten in der
Zeitschrift "Der Aufbau"), Helene Ludwig geb. Dewald (1869),
Henriette Emma Schriesheimer geb. Maas (1874).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1902 / 1904 -
gemeinsam mit Hillesheim
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. November 1902:
"Die israelitische Gemeinde Hillesheim
- Dolgesheim sucht per 1. Januar 1903, eventuell auch etwas
früher, einen
Religionslehrer,
zugleich Vorbeter und Schochet. Gehalt an Fixum: Mark 750,
nebst Nebeneinkommen, bei freier Wohnung und Heizung. Ledige Bewerber
wollen sich melden, bei
Moritz Hirsch,
Vorstand der israelitischen Gemeinde Hillesheim in Rheinhessen." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Januar 1904: "Die
israelitische Gemeinde
Hillesheim - Dolgesheim
sucht per 1. April dieses
Jahres einen
Religionslehrer
, der zugleich Vorbeter und Schochet (Gehalt
bei freier Wohnung und Heizung Mark 700). Nebenverdienste: Schechita und
dergleichen. Bewerber wollen sich wenden an der Vorstand
Moritz Hirsch,
Hillesheim-Dolgesheim (Rheinhessen)." |
Berichte
über einzelne Personen aus der Gemeinde
Über Moses Abraham aus Dolgesheim, der bei den Gefechten um Aschaffenburg
zwischen den preußischen und den österreichischen (und hessischen) Truppen
(1866) verletzt wurde.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1866:
"Dolgesheim bei Mainz, den 27. August. Moses Abraham von hier,
Musketier beim 1. Regiment, ist bei der Affäre von Aschaffenburg durch
einen Schuss verwundet worden. Die Kugel drang durch die Rippen, ging von
vorn herein und auf der anderen Seite wieder hinaus ohne jedoch edlere
Teile zu verletzen; derselbe befindet sich bereits auf Besserung." |
Der Judenpogrom in Dolgesheim in der Nacht vom 9./10. August 1930
Artikel
in der Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 22. August
1930: "Das Drama von Dolgesheim. Heute noch ein Einzelfall - aber
im 'Dritten Reich'...? Bericht unseres dorthin entsandten
Sonderberichterstatters.
E.B. Dolgesheim, 18. August 1930. In dem rheinhessischen Bauerndorf
Dolgesheim, einem friedlichen Orte bei Worms, in dem bisher stets
ungetrübte Harmonie unter den Einwohnern aller Bekenntnisse herrschte,
ist seit der Gründung einer nationalsozialistischen Gruppe im Frühjahr
dieses Jahres eine Verhetzung und Erregung unter der Bevölkerung
entstanden, die in den letzten Wochen zu wilden Ausschreibungen führte.
Ein von auswärts zugezogener Verwalter, mit einer Reihe von Vorstrafen
belastet, verstand es, persönliche Differenzen und Vereinsgruppierungen,
wie sie in jedem Dorf vorkommen, in das nationalsozialistische Fahrwasser
zu leiten und alle Meinungsverschiedenheiten und die Verstimmung, zu der
die heutige Wirtschaftslage Veranlassung gibt, zu äußerster Erbitterung
und Angriffslust des von ihm gesammelten Bevölkerungsteils zu steigern.
Ältere Leute, die dieses Treiben missbilligten, wurden auf der Straße
bedroht, sodass sie fürchten mussten. Einem republikanisch gesinnten
Landwirt wurden Heuhaufen angezündet. Die der Tat überführten
Nationalsozialisten sehen der Aburteilung entgegen. Am stärksten
konzentrierte sich das Vorgehen der 'Hitler-Gruppe' gegen den seit
sechsunddreißig Jahren in Dolgesheim ansässigen angesehenen jüdischen
Einwohner Nathan Frank, einen ruhigen älteren Mann. Er erregte ihren Hass,
weil er wegen seiner Hilfsbereitschaft und seines tadellosen Handels und
Wandels sich bei der übrigen Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut und
in verschiedenen Vereinen Ehrenstellen bekleidet.
Seit Monaten konnte er nicht über die Straße gehen, ohne mit Zurufen,
wie 'Juda verrecke' und 'Nieder mit den Landesverrätern' oder 'Nieder mit
der Judentyrannei', behelligt zu werden. In den letzten Wochen steigerten
sich die Angriffe zu Drohungen, wie 'Du musst doch noch verrecken',
körperlichen Anrempelungen gegen seinen Sohn und seine Tochter sowie
Steinwürfen gegen sein Haus. Der Terror wurde so stark, dass die Familie
Frank stets für Gesundheit und Leben fürchten musste und sich gezwungen
sah, eine Wohnung in Worms zu mieten. Bis zum Tage des Umzugs aber mussten
Nacht für Nacht ein Dutzend und noch mehr Freunde zum Schutz im Hause mit
wachen.
In der Nacht vom 9. zum 10. August rotteten sich die Nationalsozialisten
wieder einmal zusammen, schlugen die Fensterläden ein, gaben einen Schuss
ab und belagerten das Haus, bis am nächsten Tag ein größeres
Polizeiaufgebot von auswärts eintraf. Unter dessen Schutze musste die
Familie dann in aller Eile ihre Möbel verladen und fliehen.
Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Täter ein Verfahren wegen
Landfriedensbruch eingeleitet. Die zuständige Behörde hat nach diesen
Vorgängen die Ortsgruppe Dolgesheim der NSDAP aufgelöst, 'weil aus ihrem
Verhalten hervorgeht, dass ihr Zweck den Strafgesetzen
zuwiderläuft." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1930:
"Worms. Wegen des nationalsozialistischen Terrors in dem rheinhessischen
Orte Dolgesheim bei Worms, vor dem die jüdische Familie Frank flüchten
musste, hat die Staatsanwaltschaft gegen die Täter ein Verfahren wegen
Landfriedensbruches eingeleitet. Die zuständige Behörde hat nach diesen
Vorgängen die Ortsgruppe Dolgesheim der NSDAP aufgelöst." |
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Artikel
in der Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 20. März 1931:
"Das Drama von Dolgesheim vor Gericht. Vor dem erweiterten Bezirksschöffengericht
in Mainz hatten sich vom 11. bis 16. März 29 Einwohner des
rheinhessischen Dorfes Dolgesheim gegenüber der Anklage des Landfriedensbruches
zu verantworten. Der Anklage lagen Vorfälle zugrunde, die sich in der
Nacht vom 9. zum 10. August 1930 abspielten und über die wir in der Nr.
34 der 'C.V.-Zeitung' vom 22. August 1930 berichteten. Wir werden über
die Verhandlung, die ein geradezu erschütterndes Bild von dem
nationalsozialistischen Terror in Dolgesheim im Sommer vorigen Jahres
gibt, in der nächsten Nummer ausführlich berichten." |
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Artikel
in der Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 27. März 1931:
"Wildwest in Dolgesheim. Sonderbericht für die
'C.V.-Zeitung'. Vor dem erweiterten Bezirksschöffengericht in Mainz fand,
wie wir in der vorigen Nummer der 'C.V.-Zeitung' meldeten, vom 11. bis
16. März die Verhandlung gegen 29 Einwohner des rheinhessischen Dorfes
Dolgesheim wegen Landfriedensbruches statt. Über die geradezu unerhörten
Vorgänge, die dieser Anklage zugrunde lagen, gibt uns unser zu dieser
Verhandlung nach Mainz entsandte Sonderberichterstatter nachstehenden
Bericht.
E.B. - r. Mainz, den 16. März 1931. Die Angeklagten waren zum Teil
Reichsbannerleute und politische Neutrale, denen ein Überfall auf
Nationalsozialisten, die gemeinsam des Angriffs und Beschädigung des
Hauses des jüdischen Kaufmanns Nathan Frank beschuldigt waren, zur Last
gelegt wurde. Die Strafen sind gering. Nur sechs Angeklagte wurden
verurteilt, teils wegen Körperverletzung, teils wegen Sachbeschädigung
und unbefugten Waffentragens. Mit Ausnahme einer Gefängnisstrafe von
einem Monat wurde nur auf Geldstrafen erkannt.
Die Beweisaufnahme. Eine Ortsgruppe der NSDAP wird gegründet.
Desto interessanter und erschütternder waren die Ergebnisse der
Beweisaufnahme, zu der über sechzig Zeugen geladen waren, über die
Zuspitzung der Verhältnisse in dieser Gemeinde, dessen Bewohner sich zu
zwei Dritteln aus Nationalsozialisten zusammensetzen. Bis zum Frühjahr
des Jahres 1930 herrschten laut Aussage des Bürgermeisters die
friedlichsten Beziehungen. Man wusste gar nicht, welcher Partei der
einzelne angehörte, und man fragte nicht nach dem Bekenntnis. Dies
änderte sich von dem Tage an, an dem eine nationalsozialistische
Ortsgruppe gegründet wurde. Man versuchte, das Dorf zu erobern. Einem
militärischen Fähnrich wurde die in SA eingekleidete Jugend unterstellt.
Er und andere 'Führer' (durchweg junge Leute in den zwanziger Jahren)
nahmen an regelmäßigen Führerzusammenkünften des Bezirks teil, in
denen die Befehle von oben ausgegeben wurden. Dass dieser Dolgesheimer
SA-Führer Dietrich von Seggern, trotz seiner Jugend über eine reichliche
Vorstrafenliste verfügte (das Gericht verlas Vorstrafen wegen:
Diebstahls, Betrugs, Urkundenfälschung in vier verschiedenen Fällen mit
Strafen von einem Monat, drei Wochen und sechs Wochen Gefängnis, sowie
Geldstrafen), hinderte seine Ernennung nicht. Daneben fungierte als
Ortsgruppenführer der Angeklagte Seemann; er trat nach Aussage eines
Gendarmeriewachtmeisters auf, als ob ihm das Dorf unterstellt sei. Der
Druck, der von der nationalsozialistischen Gruppe ausging, erzeugte
Gegendruck. Die Minderheit schloss sich in einer Ortsgruppe des
Reichsbanners zusammen. Zwischen beiden Gruppen gab es fortgesetzt
Reibereien, Beschimpfungen, Bedrohungen, Schlägereien. Einem Republikaner
wurden von zwei aus einer nationalsozialistischen Versammlung kommenden
Mitgliedern dieser Partei Heuhaufen auf dem Felde angezündet. Die
schwächeren Naturen, Juden wie Christen, ließen sich einschüchtern und
wagten der nationalsozialistischen Propaganda keinen Widerstand
entgegenzusetzen. Bezeichnend |
dafür
war die Zeugenaussage des Lehrers, der ängstlich bedacht war, nichts zu
äußern, was einer Seite missfallen könnte.
Das Schicksal der jüdischen Familie Nathan Frank.
Mit den übrigen selbstbewussten Nichtnationalsozialisten teilte die
Familie Frank die Eigenschaft, aus ihrer republikanischen Überzeugung
keinen Hehl zu machen und, nachdem das Reichsbanner gegründet war, trat
Nathan Frank ihm bei. Darüber hinaus war er den Nationalsozialisten ein
besonderer Dorn im Auge: Er, der Jude, war seit langen Jahren zweiter
Vorsitzender des Turnvereins. Wie der Verteidiger des
nationalsozialistischen Angeklagten Rechtsanwalt Jung wiederholt in den
Gerichtssaal schmetterte: 'Wir Nationalsozialisten stehen auf dem
Standpunkt, dass Angehörige des jüdischen Volkes nicht über Deutsche
richten dürfen und als Fremdlinge in Deutschland keinen Einfluss ausüben
dürfen', so handelte man im kleinen. Persönlicher Ehrgeiz des
nationalsozialistischen Ortsgruppenführers Seemann, der im Turnverein
nicht die Rolle spielen konnte, die er erstrebte, und mit einer
Konkurrenzgründung Schiffbruch erlitt, tat das übrige. So setzte sich
die von ihm gegründete nationalsozialistische Ortsgruppe in einer
Zusammenkunft, wie ein früherer Nationalsozialist vor Gericht aussagte,
das Ziel: 'Der Jud muss hinaus.' Die Mittel hierzu waren planmäßige
Provokationen gegen Mitglieder der Familie Frank. Aus dem
gegenüberliegenden Hof eines Nationalsozialisten wurden Steine und
Kohlenstücke auf sein Anwesen geworfen. Vor seinem Hause sang man
demonstrativ antisemitische Lieder. Auf der Straße riefen ihm die
Nationalsozialisten ihren Kampfruf zu. Vor seinem Hause wurden
Blumenkästen abgerissen und gestohlen. Durch das geschlossene Fenster des
ersten Stockes folg ein Backstein, der, wenn er einen Menschen getroffen
hätte, ihn tödlich hätte verletzen können. Waren
nationalsozialistische Gruppen auf der Straße, so wagte das Ehepaar Frank
sich nicht aus dem Hause; ihre Tochter musste ältere Leute um Begleitung
bitten. Man rief Frank zu, er bekäme den Hals abgeschnitten, und
verbreitete unwahre Gerüchte, er habe die nationalsozialistischen
Brandstifter angezeigt, man müsse an ihm Rache nehmen. Selbst in einem
schlesischen nationalsozialistischen Blatt fand sich unter wüsten
Beschimpfungen diese Behauptung. Die Verhetzung im Dorfe war so weit
gediehen, dass neunjährige Kinder von Nationalsozialisten den Fenstersims
des Frank'schen Hauses erkletterten und den Ruh: 'Juda verrecke!'
hineinriefen.
Aus der Heimat verjagt.
Diesem Druck fühlte sich Frank nicht mehr gewachsen. Er entschloss sich,
woran er sonst nie gedacht hätte, wegzuziehen. Vom Bekannt werden dieses
Entschlusses bis zu seinem Wegzug saßen Abend für Abend Freunde,
politische und unpolitische bei ihm, um ihn zu schützen und ihn nicht
allein zu lassen. Menschen, denen sein Schicksal nahe ging. An diesen
letzten Tagen war ein Kommen und Gehen der Freunde. Zwei Tage vor der
geplanten Abreise stieß in der Nacht eine größere Anzahl von Leuten,
die zuvor im Frank'schen Hause waren, auf der Straße mit
Nationalsozialisten zusammen.
Aus der Erbitterung heraus, die seit Wochen zwischen beiden Parteien im
Dorf herrscht, entstand eine kurze Schlägerei, bei der zwei
Nationalsozialisten verletzt wurden. Darauf alarmierte von Seggern einen
Teil seiner Leute und zog mit diesen vor das Haus Franks. Und nun erlebten
dessen Insassen, die mit Ausnahme des Sohnes früh schlafen gegangen waren
und von dem Vorfall keine Ahnung gehabt hatten, eine grauenvolle Nacht.
Von Seggern |
schlug
mit einer Hacke die Fensterläden ein, andere Nationalsozialisten
umstellten das Haus. Alle schlechten Instinkte, durch planmäßige Hetze
seit Gründung der nationalsozialistischen Ortsgruppe genährt, kamen zum
Ausdruck: 'Die Burg wird ausgeräuchert!' 'Keine Ratte verlässt lebend
die Burg!' 'Der erste, der herauskommt muss liegen!' 'Alle kriegt ihr den
Hals abgeschnitten.' 'Der alte Spitzbube und der Junge, die gehören beide
kastriert.' 'Die Dora (Frank) überlasst mir, die leg' ich um.' 'Geht nur
an ihn, der hat für dreißigtausend Mark Höchster Wertpapiere.' Unter
den Rufern tat sich besonders der Ortsgruppenführer Seemann hervor. Die
in eine Dachkammer Geflüchteten zitterten bis zur Morgendämmerung um ihr
Leben. Unter dem Schutz der dann eingetroffenen Gendarmerie verluden sie
am nächsten Tag die Möbel und verzogen nach Worms.
Die Plädoyers
In seinem Plädoyer bezeichnete der Vertreter des Nebenklägers Frank,
Rechtsanwalt Neumann, diese Zustände als eine Kulturschande. Dem Begriff
des Deutschtums, wie es dokumentier wurde durch das Verhalten der
nationalsozialistischen Angeklagten, die nicht einmal mehr zu ihren Taten
standen und dem Auftreten des nationalsozialistischen Verteidigers, hielt
Rechtsanwalt Neumann echtes Deutschtum entgegen. Auch der Verteidiger der
Reichsbannerleute, Rechtsanwalt Tschornicki, stellte in eindringlicher
Weise, frei von jeder politischen Tendenz, die Unmenschlichkeit im
Verhalten der Nationalsozialisten dar.
Das Gericht erklärte ausdrücklich, dass neben dem verurteilen
Sturmtruppführer von Seggern auch der Ortsgruppenführer Seemann, wenn er
auch juristisch nicht verurteilt werden könne, unverzeihlich gehandelt
habe. |
Sonstiges
Anzeigen in der deutsch-amerikanisch-jüdischen
Zeitschrift "Der Aufbau" 1945
(aus der Sammlung von Paul Theobald, Frankenthal)
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|
Anzeige im
"Aufbau" vom 12. Oktober 1945 für
Pauline Levy geb. Hirsch (früher Dolgesheim),
die in Theresienstadt umgekommen ist. |
Anzeige im
"Aufbau" vom 14. Dezember 1945 für
Caroline Levi geb. Loeb (früher Dolgesheim),
gest. 1945 in den USA |
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betraum vorhanden. 1852 konnte die Gemeinde eine
Synagoge in der Schollergasse 3 erbauten. Sie wurde um 1930/33 aufgegeben, als
auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen Einwohner keine
regelmäßigen Gottesdienst mehr gefeiert werden konnte. Das Synagogengebäude
wurde verkauft und wird bis heute als Lagerhaus verwendet.
Adresse/Standort der Synagoge: Schollergasse 3.
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 30.3.2005; Foto mit *: M.
Ohmsen, Juli 2011, vgl. Fotoseite
von M. Ohmsen zu Dolgesheim)
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Die ehemalige
Synagoge |
Gebäude Schollergasse 3,
links angebaut
das ehemalige Synagogengebäude+ |
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Die ehemalige Synagoge*
(Foto in hoher Auflösung) |
Blick wie oben,
kleinerer Ausschnitt |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen.
Bd. II S. 141-142. |
 | "...und dies ist die Pforte des Himmels" Synagogen -
Rheinland-Pfalz. Saarland. Hg. vom Landesamt für Denkmalpflege
Rheinland-Pfalz mit dem Staatlichen Konservatoramt des Saarlandes und dem
Synagogue Memorial Jerusalem. 2005. S. 140-141 (mit weiterer Lit.) |
 | Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 161. |
 | Wolfgang Kemp: Julius Frank, jüdischer
Reichsbannermann aus Worms - eines der ersten Opfer des NS-Terrors. In: Die
Zeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz. Band 1: "Eine
nationalsozialistische Revolution ist eine gründliche Angelegenheit".
Hrsg. von Hans-Georg Meyer und Hans Berkessel. Mainz
2000. |
 | Winfried Seibert: Dolgesheimer Mord. Der Tod des
Juden Julius Frank im Frühjahr 1933. 2002². |
 | Hans-Dieter Graf / Gabriele Hannah: Mrs. Abe
Maas - Die Frau an der Seite des "Prince of Tampa Merchants". In: Heimatjahrbuch Mainz-Bingen 2013 (Hinweis: Prince of Tampa
Merchants = Abraham [Abe] Maas aus Dolgesheim und Mrs. Abe Maas = Philabena
Wolf geb. in Mommenheim, später nach
Guntersblum verzogen). |
 | Hans-Dieter Graf / Gabriele Hannah: Volksnahe
Unternehmer mit Herz. Bena und Abe Maas gründeten in Florida großes
Kaufhaus. Vor 150 Jahren in Mommenheim
geboren. In: Rhein Main Presse (Rheinhessen) vom 9. März 2013 S.
6. Artikel
online eingestellt (pdf-Datei)
Anmerkung: Abe Maas ist in Dolgesheim geboren. |

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Dolgesheim Hesse. The community,
numbering 54 (6,9 % in of the total) in 1861, dwindled to 11 in 1933. By
September 1939 Nazi violence had forced all Jews to leave.

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