Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Karlsruhe (Stadtkreis)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt im 19./20. Jahrhundert 
   
Hier: Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben im 19./20. Jahrhundert (bis 1938)   

Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Karlsruhe wurden in jüdischen Periodika gefunden. 
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.     
Die Abschrift der Texte und die Ergänzung von Anmerkungen hat dankenswerter Weise Susanne Reber besorgt.   

   
   
Übersicht:  

bulletBerichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben 
-  Antijüdische Vorfälle (1843)  
-  Gedenkstunde in der Synagoge für die beim Theaterbrand verunglückten Menschen (1847)  
-  Über die Rettungstag von Moritz Reutlinger beim Theaterbrand (1847)   
-  Auch sechs jüdische Personen starben bei dem Theaterbrand im Februar 1847 (1847) 
-  Antijüdische Unruhen im Revolutionsjahr (1848) 
-  Der Großherzog übernimmt das Protektorat über den israelitischen Chorverein (1861)  
-  Rechenschaftsbericht des Israelitischen Frauenvereins (1868)  
-  Gedenkstunde für den verstorbenen Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1889)  
-  Vortrag von Rabbiner Dr. Mannheimer über Religionsphilosophie (1889) 
Vortrag von Dr. Löwenfeld aus Berlin im "Verein für jüdische Geschichte und Literatur" in Karlsruhe (1890) 
D
ie badischen Nationalliberalen sprechen sich bei einem Parteitag in Karlsruhe gegen den Antisemitismus aus (1890)  
-  Feier der Geburtstage des Großherzogs und des Kaisers in der Synagoge sowie Tod von Stiftsrabbiner Nathaniel Weill (1892) 
Antisemitische Versammlung in Karlsruhe mit Liebermann von Sonnenberg (1892)    )   
-  Trauerfeier in Erinnerung an den Theaterbrand 1847 (1897)  
Der antisemitische Redakteur Reuther wird in Karlsruhe von einem jüdischen Viehhändler tätlich angegriffen (1897)   
-  25-jähriges Bestehen des Vereins Chinuch Neorim (1902)  
-  50-jähriges Regierungs-Jubiläum des Großherzogs (1902)  
-  Jahresbericht des Israelitischen Frauenvereins (1904) 
Rechenschaftsbericht des Naphtalie Eppstein-Vereins (1904) 
-  100-jähriges Bestehen des Vereins "Malbisch Arumim" (1909)  
Vortrag von Oberregierungsrat Dr. Mayer (1919)   
Jüdische Häuser und die Synagoge werden durch Nationalsozialisten beschmiert (1926)   
Über die religiöse Sonntagsfeier in der Synagoge (1929)    
-  Purim-Feier des Vereins Chinuch Neorim (1929)  
-  Generalversammlung des Verbandes der Ostjuden (1931)  
-  Purim-Feier des Esra-Vereins (1934)  
-  Eine Gruppe der Agudas Jisroel Karlsruhe weiht ein neues Vereinszimmer ein (1937)   
bulletBerichte zu besonderen jüdischen Einrichtungen in Karlsruhe  
Das Israelitische Landesstift (Internat für jüdische Seminaristen am Lehrerseminar) 
-  Über das Israelitische Landesstift (1886)  
-  Bericht über das Israelitische Landesstift - zwei Jahre nach Eröffnung der Einrichtung (1888)     

      
      
      
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben    
Antijüdische Vorfälle (1843)    

Karlsruhe AZJ 25091843.jpg (55141 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. September 1843: "Karlsruhe, 18. September (Privatmitteilung). Die betrübenden Vorgänge allhier sind durch die öffentlichen Blätter zu viel besprochen worden, um noch in diesen genauer detailliert zu werden. Erbittern müssen sie ob ihrer vielfachen Schändlichkeit sehr. Ein Katholik, der früher Jude war, hat einen Ehrenhandel, in welchem ein Badenscher Offizier bleibt. Und in Folge dessen beschimpft man die achtbarsten Israeliten, stört ihre Ruhe, greift ihr Eigentum an, und die Behörde - sieht ruhig zu, Braucht es einen weitläufigen Kommentar hierzu? Wo soll man das rechte Verderbnis hier suchen?"      

    
Gedenkstunde in der Synagoge für die beim Theaterbrand verunglückten Menschen (1847)   
Anmerkung: beim Brand des Karlsruher Hoftheaters am 28. Februar 1847 starben 63 Theaterbesucher. Der 27-jährige (jüdische) Moritz Reutlinger hat bei dem Brand 36 Menschen das Leben gerettet. Die 63 Umgekommen wurden - ohne Ansehnung der christlichen oder der jüdischen Religion - in acht Särgen gemeinsam beigesetzt. Sowohl in den christlichen Kirchen, als auch in der Synagoge fanden Gedenkgottesdienste statt.    

Karlsruhe AZJ 29031847.jpg (61894 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. März 1847: "Karlsruhe. 13. März. Auch die hiesige Synagoge hat den durch den Theaterbrand Verunglückten ein Traueramt gewidmet. Das Ganze war eine aufrichtige Kundgebung der Trauer um die Verunglückten, unter denen sechs mosaischen Bekenntnisses gezählt wurden. Die Synagoge war schwarz behangen und angefüllt von gegen 2.000 Personen jeden Standes und Glaubens. Die höchsten Zivilbehörden, sowie die ganze Geistlichkeit war zugegen."      
    
Artikel in der Zeitschrift "Sulamith" Jahrgang 1848 S. 258:  "Bekanntlich hatten bei dem unglücklichen Theaterbrande im März 1847 in Karlsruhe auch mehrere Israeliten ihr Leben verloren - bei welchem Brande, beiläufig auch hier erwähnt, zwei Israeliten, Herr Reutlinger und Herr Hirsch, durch ihre große, mit Lebensgefahr verbundene Anstrengung zur Lebensrettung der Verunglückten, sich auszeichneten, und weshalb nachher 38 Personen dem Herrn Moritz Reutlinger für die ihnen durch denselben zuteilgewordene Rettung ihres Lebens ihren innigen Dank öffentlich abstatteten.
Die dortige Synagoge hatte nun bald nach dem Theaterbrande den dabei verunglückten ein Traueramt gewidmet. Das Ganze war eine aufrichtige Kundgebung der Trauer um die Verunglückten, unter denen sechs mosaischen Bekenntnisses gezählt wurden. Die Synagoge war schwarz behangen und angefüllt mit 2.000 Personen jeden Standes und Glaubens. Die höchsten Zivilbehörden, sowie die ganze Geistlichkeit waren zugegen.
Anmerkungen: - https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0660    
- https://www.geni.com/people/Moses-Reutlinger/6000000075904070909  
- https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/Drucke/content/pageview/1059212.       

         
Über die Rettungstat von Moritz Reutlinger beim Theaterbrand (1847)       

Karlsruhe AZJ 05041847.jpg (323982 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. April 1847: "Karlsruhe, 16. März. Das Gefühl, eines Menschen Leben gerettet zu haben, ist ein beglückendes, das Gefühl, sechsunddreißig Menschen dem Tode entrissen zu haben, ist ein zu erhebendes, als dass es nicht als das einzige erscheine, welches unbedingt beneidenswert ist. Vereinigt sich nun mit einer solchen Tat die edelste Einfachheit, die rührendste Unschuld, so ist die um so mehr hervorzuheben, je seltener es anzutreffen. Daher seien hier noch folgende Zeilen mitgeteilt, welche die Didaskalia vom 15. aus Karlsruhe enthielt.
'Jetzt, nachdem die schmerzlichsten Jammertöne, die gerechten Wehklagen über den unheilvollen Karlsruher Theaterbrand zu verstummen beginnen, sei es uns vergönnt, eines Mannes zu gedenken, durch dessen kühne Entschlossenheit und Geistesgegenwart, die eigne Lebensgefahr nicht achtend, eine Anzahl Menschen dem schrecklichen Untergang entrissen wurden. Nachdem es demselben durch große Körperkraft gelungen war, eine verschlossene Türe aufzusprengen, rettete er die von Todesangst erstarrten und vom Rauch schon fast erstickten Menschen, indem er sie nacheinander teils hinausschleppte, teils zur schleunigsten Flucht antrieb. Einem derselben, dem Hautboisten Günther, rettete er zweimal das Leben und dieser richtet an den wackern Mann eine Danksagung für sich und 35 mit ihm Geretteten, welche hier unten folgt. Herr Reutlinger ist ein unbemittelter Mann mosaischer Konfession; vielfache Geldbelohnungen waren ihm geboten worden, die er aber alle standhaft ausgeschlagen. Selbst das Geschenk eines neuen Kleides nahm er nur unter der Bedingung an, dass er den Betrag dafür binnen sechs Monaten zahlen dürfe.
Danksagung an Herrn Moritz Reutlinger dahier. Als bei dem schrecklichen Brande im Hoftheater die Zuschauer auf der dritten Galerie von den Flammen umringt und vom fürchterlichen Rauche fast erstickt, der gewöhnlichen Ausgangstüre der dritten Galerie zuströmten, da waren Sie es, Herr Reutlinger, der durch den Schrecken und die Todesangst hervorgerufenen Erstarrung durch den Hoffnungsruf: 'Hier ist noch eine andere Türe!' entrissen. Sie waren es, welcher die Tat den Worten folgen ließen, diese Türe sprengten und uns 36 unterzeichnete und wohl noch viele andere, dem Tode entrissen, dem so viele unserer Brüder und Schwestern an jenem Abend unterlagen. Mir, dem mitunterzeichneten Hautboisten Günther, haben Sie zweimal das Leben gerettet. Nachdem ich durch die von Ihnen erbrochene Türe entkommen war, fiel ich auf der Treppe besinnungslos nieder und wäre verloren gewesen, hätten Sie mich nicht auf ihren Schultern aus dem brennenden Hause getragen. Erlauben Sie, Herr Reutlinger, dass wir öffentlich unserm tiefgefühlten, innigen Dank hiermit aussprechen, und glauben Sie unserer Versicherung, dass unsre Dankbarkeit nur mit unserm Leben aufhören wird. (Folgen 36 Unterschriften.)'"
Anmerkungen: -  Didaskalia: https://de.wikipedia.org/wiki/Didaskalia  
-  Theaterbrand: https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:ereig-0234   https://was-mit-geschichte.de/2016/04/20/der-karlsruher-theaterbrand-von-1847/  http://www.fw-chronik.de/PDF-Rundbrief/FC-2017-03.pdf
Hautboist: Oboist https://de.wikipedia.org/wiki/Hautboist          
  

  
Auch sechs jüdische Personen starben beim Theaterbrand im Februar 1847 (1847)   

Altleiningen DtrZionsw 13041847.jpg (148311 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 13. April 1847: "Karlsruhe. Unter den 61 Opfern der unglücklichen Brand-Katastrophe befanden sich bekanntlich 6 Juden, nämlich: ein Schriftsetzer von hier, ein Commis, aus Mainz gebürtig, ein Schneider und drei Fremde aus Altleiningen, Landleute, die auf einige Tage in Geschäften hierherkamen und von denen besonders Einer, der Vater einer zahlreichen Familie, der seine Frau bei sich hatte, und diese an jenem verhängnisvollen Abend bat, ihn zu begleiten, was sie aber durchaus abschlug, die allgemeinste Teilnahme erregt hat. Außer der allgemeinen Feierlichkeit auf dem Friedhofe ward in der hiesigen Synagoge noch ein besonderer Trauergottesdienst für die verunglückten Glaubensbrüder abgehalten, bei welcher Gelegenheit die Synagoge mehr als überfüllt war, und die allgemeinste Teilnahme und Rührung sich während der ganzen Dauer der Feierlichkeit kundgab. Das mutvolle, gefahrverachtende Benehmen vieler hiesiger Israeliten während der Katastrophe ist in anderen Blättern bereits erwähnt, ebenso der Dank, den 36 Gerettete ihrem Retter, einem Israeliten öffentlich darbringen und hat es sich vom Neuen bewährt, dass Menschen und Bürgertugenden in uns und unserem Glaubensbrüdern so wach, so vorherrschend sind, wie unter andern Glaubensgenossen, dass der Jude darnach strebt, an Liebe und Mut den Edelsten, den Besten im Volke nachzueifern."     

           
Antijüdische Unruhen im Revolutionsjahr (1848)    

Karlsruhe AZJ 03041848.jpg (51270 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. April 1848:  "Karlsruhe, 22. März. Gestern Abend zwischen 8 und 9 Uhr bildete sich vor dem Hause eines hiesigen israelitischen Kaufmanns unversehens eine Zusammenrottung, welche die Fenster einwarf und die Läden des unteren Stockwerks teilweise zertrümmerte. Die rasch herbeigeeilte Bürgerwehr verhinderte eine weitere Ausdehnung des Exzesses (Karlsruher Ztg.)
In Mannheim, wie wir aus einem Privatbriefe erfahren, durfte sich eine Zeit lang kein Jude auf der Straße sehen lassen, ohne insultiert zu werden. Doch geht dieser Zustand, dieses Fieber, jetzt zu Ende."    
Anmerkung: zum Revolutionsjahr 1848 vgl. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/vormaerz-und-revolution/revolution-1848.html und   https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Revolution_1848/1849        

      
Der Großherzog übernimmt das Protektorat über den israelitischen Chorverein (1861)     

Karlsruhe AZJ 23041861.jpg (60402 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. April 1861: "Karlsruhe, 5. April. Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben in diesen Tagen auf eine an Allerhöchst diesselben gerichtete untertänigste Bitte sich gnädigst bewogen gefunden, das hohe Protektorat über den hiesigen israelitischen Chorverein, den hauptsächlich zum Zwecke der Hebung des israelitischen Kultus dahier gegründet wurde, huldvollst anzunehmen. (B. Lz.)"   
Anmerkung: zu Großherzog Friedrich I. von Baden https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)  

   
Rechenschaftsbericht des Israelitischen Frauenvereins (1868)           

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Februar 1868: "Aus Karlsruhe. Das jüdische Vereinswesen erfreut sich hier einer sorgsamen Pflege und beabsichtige ich Ihnen über die verschiedenen Zweige desselben nähere Mitteilungen zu machen, aber auch Wünsche daran zu knüpfen, die hier und da laut werden und als berechtigt erscheinen. Für heute einige Notizen über den Frauen-Verein, der seinen Rechenschaftsbericht dieser Tage veröffentlichte. Zweck dieses Vereines ist Unterstützung erkrankter Frauen und der Wöchnerinnen. Er zählt gegenwärtig 229 Mitglieder und wird von einem Vorstande, bestehend aus 7 Frauen und 3 Herren, geleitet.
Die Einnahmen im Jahre 1867 betragen:
1) An monatlichen und jährlichen Beiträgen 672 fl. 27 kr.  2) An Zinsen aus Aktiv-Kapitalien 443 fl. 15 kr.  3) An diversen Schenkungen 921 fl. 3 kr.  
   Summe (der Einnahmen): 1207 fl. 45 kr.
Verausgabt wurden:  
1) An Kranke und Wöchnerinnen 604 fl. 55 kr.   2) Für Medikamente 139 fl. 4 kr.   3) Für wundärztliche Behandlung 20 fl. 11 kr.
4) Für Krankenwärterinnen 30 fl. 35 kr.  5) Für Bäder 183 fl. 45 kr.   6) Für Gehälter und verschiedene Ausgaben 148 fl. 26 kr.    
         Summe (der Ausgaben): 1126 fl. 56 kr.
Möchte sich auch ferner diesem Vereine eine rege Teilnahme der israelitischen Bevölkerung zuwenden, der eine so vielseitige und äußerst wohltuende Wirksamkeit entfaltet."       

    
Gedenkstunde für den verstorbenen Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1889)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar 1889: "Karlsruhe (Unlieb verspätet.) Auch hier hielt am 6. dieses Monats unser geliebter Rabbiner, Herr Dr. Schiffer - seine Licht leuchte -, im feierlich beleuchteten Gotteshause, bei sehr zahlreich versammelter Gemeinde nach vollendetem Minchah-Gebet eine dem Andenken des verstorbenen Rabbiners Samson Raphael Hirsch - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen - gewidmete Gedächtnisrede. Tief gerührt von dem Schmerze, den jede Gemeinde empfindet, wohin die Kunde von dem Ableben des trefflichen, mustergültigen Seelenhirten dringt, hob der Redner die Verdienste dieses obgleich so hochbetagten, doch noch immer zu früh dem Judentum entrissenen Mannes warm hervor.
Die rege, allgemeine Teilnahme seitens der ganzen Gemeinde und so vieler anderer Gemeinden sind ein beredtes Zeichen, das sich der Verblichene - seine Ruhe sei Wonne (= im Garten Eden) - ein ewiges Denkmal in jedem fürs Judentum warm schlagenden Herzen errichtet, ein Denkmal, von dem noch die späten Nachkommen mit Stolz reden werden, ein Denkmal, wie es sich in diesem Jahrhundert so leicht kein zweiter Rabbiner errichtet. M." 

Anmerkungen: Rabbiner Dr. Schiffer: Rabbiner Dr. phil. Sinai Schiffer:https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer  https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0617 
Minchah: https://de.wikipedia.org/wiki/Mincha
Rabb. S.R. Hirsch:  https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Raphael_Hirsch   http://www.judengasse.de/dhtml/P134.htm   https://www.deutsche-biographie.de/pnd118774522.html
Siehe auch: http://www.alemannia-judaica.de/frankfurt_synagoge_friedb.htm   
      

      
Vortrag von Rabbiner Dr. Mannheimer über Religionsphilosophie (1889)        

Anmerkung: es handelt sich um Rabbiner Dr. David Mannheimer, geb. 1863 in König, gest. 1919 in Bad Kissingen. Weitere Informationen siehe Seite zu Bad König und den Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/David_Mannheimer.      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Dezember 1889:  "Karlsruhe. Am verflossenen Schabbat hielt Herr Rabbiner Dr. Mannheimer im Chinuch Neorim-Verein (Verein für Jugendunterricht, auch Chewrat Chinuch Nearim) einen Vortrag über 'Religionsphilosophie'. Herr Dr. Mannheimer, der in wenigen Tagen unsere Stadt verlässt, um sein Amt als Rabbiner in Lauenburg anzutreten, hat sich in der kurzen Zeit seiner Wirksamkeit an hiesigem Orte sehr große Verdienste um die Hebung des religiösen Sinnes bei der Jugend und auch allgemeine Sympathien erwache, so führte er denn auch in seinem Vortrage vor einer zahlreichen Zuhörerschaft die Bedeutung der jüdischen Religionsphilosophie und ihre Entstehung in höchst populärer, verständlicher Weise aus und wies in letzteren Punkte besonders darauf hin, dass es eine irrige Auffassung ist, wenn man die beiden großen Epochen der jüdischen Religionsphilosophie und ihre Entstehung in höchst populärer, verständlicher Weise aus und wies im letzten Punkte besonders darauf hin, dass es eine irrige Auffassung sei, wenn man die beiden großen Epochen der jüdischen Religionsphilosophie als ineinandergreifend, die jüdisch-arabische Periode als eine Fortsetzung oder Wiederaufnahmen der jüdisch-alexandrinischen Periode betrachten wollte. Hier sei es die Liebe zur Philosophie, dort die Furcht vor der Philosophie gewesen, die zum philosophischen Streben entfachte, darum seien beide Perioden völlig zu trennen.
Wir zweifeln nicht daran, dass es einem solch gewandten Redner wie Herrn Rabb. Dr. Mannheimer gelingen wird, auch auf dem Felde seiner neuen Tätigkeit fruchtbar und erfolgreich zu wirken; mögen aber dort so allgemeine Sympathien ihm erblühen, wie in unserer Stadt und besonders in den Herzen der Jugend er sie erworben.  L.
Anmerkung:  Lauenburg/Pommern: https://de.wikipedia.org/wiki/Landkreis_Lauenburg_i._Pom und  https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/k-l/1164-lauenburg-hinterpommern .    

    
Vortrag von Dr. Löwenfeld aus Berlin im "Verein für jüdische Geschichte und Literatur" in Karlsruhe (1890)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. Oktober 1890:  "Im Verein für jüdische Geschichte und Literatur in Karlsruhe hat den ersten Vortrag am 20. dieses Monats Herr Dr. Löwenfeld aus Berlin über das Thema 'Aus der Geschichte der Juden im alten Rom' gehalten. Weitere Vorträge wurden übernommen von den Herrn: Rabbiner Dr. Cohn - Basel, Dr. H. Heinemann - Frankfurt, Professor Dr. Lefmann - Heidelberg, Stadt- und Konferenzrabbiner Dr. Schwarz - Karlsruhe, Professor Dr. Stein - Zürich und Rabbiner Treitel - Karlsruhe."    
Anmerkungen:  Dr. Löwenfeld: https://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Löwenfeld    
Rabbiner Dr. Cohn: https://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Cohn_(Rabbiner)  
Dr. Heinemann: https://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_Heinemann
Prof. Dr. Lefmann: https://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_Lefmann
Rabbiner Dr. Schwarz: https://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_Heinemann
Dr. Stein: https://www.alemannia-judaica.de/zuerich_personen.htm#Prof. Dr. Ludwig Stein wird zum ordentlichen Professor für Philosophie und Pädagogik ernannt (1889)   )
Rabbiner Treitel: (Rabbiner Dr. Leopold Treitel, 02.01.1845 – 04.03.1931), http://www.alemannia-judaica.de/laupheim_rabbiner_lehrer.htm#Zum Tod von Rabbiner Dr. Leopold Treitel (1931).                 

        
Die badischen Nationalliberalen sprechen sich bei einem Parteitag in Karlsruhe gegen den Antisemitismus aus (1890)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. November 1890: "Karlsruhe, 9. November (1890). Hier fand gestern ein Parteitag der badischen Nationalliberalen statt. Das wichtigste Moment der Versammlung besteht in der Erklärung, dass die badische nationalliberale Partei die Bekämpfung der Stöcker'schen Konservativen als eine Ehrensache ansehen müsse. Nicht einer von den 120 Delegierten sprach sich für ein weiteres Zusammengehen mit den Konservativen aus. Thorbeke (Mannheim) erklärte es für die Pflicht jeder liberalen Partei, gegen den Antisemitismus Front zu machen und forderte alle nationalliberalen Bezirksvereine auf, in Partei-Flugblättern die ländlichen Wähler vor den antisemitischen Agitatoren zu warnen, wie das bereits von Mannheim aus geschehen ist."                 

   
Die badischen Nationalliberalen sprechen sich bei einem Parteitag in Karlsruhe gegen den Antisemitismus aus (1890)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1892: "Karlsruhe in Baden. War auch nicht die ganze Synagoge, sondern nur der Toraschrein (Aron Hakodesch) der hiesigen israelitischen Religionsgesellschaft nach Angabe des großherzoglichen Oberrats dekoriert und wurden auch nicht drei Torarollen ausgehoben, so teilte dennoch die ganze Gemeinde die frohe, dankerfüllte Stimmung des ganzen Landes, denn von unserm Großherzog darf man mit Bestimmtheit im Sinne seiner sämtlichen Untertanen behaupten: 'Er darf unbesorgt sein Haupt jedem seiner Untertanen in den Schoß legen.'
Diesem allgemeinen Dankgefühle gab unser hochverehrter Rabbiner Herr Dr. Schiffer, nachdem in gehobener, andachtsvoller Stimmung, die für den großherzoglichen und kaiserlichen Geburtstag, bestimmten Psalmen von Gemeinde und Vorbeter feierlichst vorgetragen waren, in einer von Begeisterung für das großherzogliche Haus tief durchdrungenen und die ganze Gemeinde mit sich reißenden Rede vollen Ausdruck. Er wies darin nach, wie unser vielgeliebter, hochverehrter Großherzog mit Seiner Ihm ebenbürtig zur Seite stehenden Gemahlin, als würdige Enkelin der Königin Louise von Preußen, deren Namen sie auch mit Recht trägt, als Familien- wie als Landesoberhaupt und als Bundesfürst des deutschen Reiches gleich groß, gleich liebenswürdig dasteht. - Mit einem dieser Rede voll entsprechenden tiefsinnigen Gebete um das fernere Wohlergehen des Großherzoglichen Hauses schloss die Synagogenfeier. In gehobener Festesstimmung begab sich die Gemeinde über den überaus herrlich geschmückten Marktplatz durch die überall reichlich beflaggte Stadt nach Hause.
Aber wie nahe grenzen Freude und Schmerz! Noch durchzuckt alle Stadt- und Landbewohner das Gefühl des innigsten Dankes gegen die Vorsehung, die uns die Gnade erwiesen, einen so musterhaften Landesfürsten schon 40 Jahre zu besitzen und welche Gott im öffentlichen wie im Privatgebete bitten, Hochdenselben uns und der ganzen Menschheit noch recht, recht lange zu erhalten – mitten in diesem frohen, wohltuenden Empfindungen, mitten in die festlich geschmückten Straßen ging die Schreckenskunde für unsere, man darf getrost sagen, für die ganze Gemeinde. Der Stiftsrabbiner Nathaniel Weill ist nicht mehr, ein plötzlicher Tod hat nach kurzem Unwohlsein seinem tatenreichen Leben ein Ende gemacht! - Wenn er auch, wie Herr Dr. Schiffer in tief empfundender Rede bemerkte, eines sanften, schmerzlosen Todes nach einem göttlich vollbrachten Leben, geschmückt mit der Krone der Tora und mit der Krone eines guten Namens von der Erde geschieden, um vereint mit seiner ihm um einige Jahre vorangegangenen Gattin dort die Ernte seiner göttlichen Aussaat zu genießen haben wird, so haben wir ihn dennoch zu früh verloren. Er war eben durch seine gewissenhafte Pflichterfüllung und sein leutseliges, gewinnendes Benehmen, durch seine Liebenswürdigkeit gegen Jedermann, durch seine gemütlichen allsabbatlichen Vorträge zu eng mit seiner Gemeinde verbunden, als das nicht jeder die Trennung von ihm besonders schmerzlich fühlt und empfindet. Sein ganzes Leben entsprach seiner Abstammung von großen Ahnen.
Auch Herr Dr. Löwenstein, Rabbiner zu Mosbach,ein vieljähriger Schüler des Verblichenen, verlieh unter Tränen mit tiefempfundenen Worten seinem Schmerze Ausdruck und nannte ihn wie Elisa den Elia: 'Mein Vater, mein Vater, du Wagen Israels und sein Gespann' (2. Könige 2,12) und bedauerte am Schluss, wie unausfüllbar die durch den Tod dieses sanften, liebevollen Lehrers entstandene Lücke ist.
Am Schlusse des fast dreistündigen, ungemein zahlreichen Leichenbegräbnisses, an welchem sich die ganze Gemeinde, Christen nicht ausgeschlossen, beteiligte, sprach Herr Dr. Marx, Rabbiner in Darmstadt, im Trauerhause in gleichem Sinne. Schüler des Verstorbenen sind per Schnellzüge herbeigeeilt, um ihrem hochverehrten Lehrer das letzte Geleite zu geben. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkungen:  Großherzog Friedrich I. von Baden: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)  
Vorbeter = Kantor: https://de.wikipedia.org/wiki/Chasan_(Kantor)  
Louise von Preußen: https://de.wikipedia.org/wiki/Luise_von_Mecklenburg-Strelitz 
Rabbiner Dr. Löwenstein = Rabbiner Dr. Leopold Löwenstein https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Löwenstein 
Rabbiner Dr. Schiffer = Rabbiner Dr. Sinai Schiffer https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer und  https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0617
     

   
Antisemitische Versammlung in Karlsruhe mit Liebermann von Sonnenberg (1892)   
Anmerkung: zu Liebermann von Sonnenberg siehe Wikipedia-Artikel "Max Liebermann von Sonnenberg"      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Mai 1892: "Karlsruhe, 13. Mai (1892). Herr Liebermann von Sonnenberg hielt vorgestern in Bruchsal und gestern hier eine antisemitische Versammlung. Er suchte nachzuweisen, dass das deutsche Nationalgefühl durch die 'jüdische Nation' geschädigt würde, sprach gegen die Vermischung von Juden und Deutschen und behauptete, die Juden hätten alle Nationen, unter denen sie wohnen, zu Grunde gerichtet. Da nur Gesinnungsgenossen gegen Karten zugelassen waren, hatte der Redner mit seinen schlechten Witzen die Lacher auf seiner Seite. 
Die schon oft angeregte Frage der geordneten und sicheren Anstellung der israelitischen Religionsschullehrer und Vorsänger Badens, die bis jetzt zu keinem Ergebnis geführt hat, tritt durch das neue Volksschulgesetz in ein mehr Erfolg versprechendes Stadium. Es hat sich infolge dessen, wie der Neckarzeitung mitgeteilt wird, ein Komitee israelitischer Lehrer gebildet, das in Bezug auf die Gehaltsfrage und die Alterszulagen Vorschläge macht, über die in einer auf den 22. dieses Monats nach Karlsruhe einberufenen Hauptversammlung beraten und beschlossen werden soll."          

 
Trauerfeier in Erinnerung an den Theaterbrand 1847 (1897)   
(vgl. Berichte oben von 1847)   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. März 1897: "Aus Baden. Der schreckliche Theaterbrand in Karlsruhe am 28. Februar 1847 wurde durch eine Trauerfeier auf dem alten Friedhofe in Erinnerung gebracht. Sehr interessant ist eine Nummer des Karlsruher Tageblatt vom 7. März 1847, aus welchem in einer Danksagung der Mut eines Israeliten aus Karlsruhe gezeichnet ist. 
Danksagung - Herrn Moritz Reutlinger dahier. 
'Als bei dem schrecklichen Brande im Hoftheater die Zuschauer auf der dritten Galerie von den Flammen umringt und vom fürchterlichen Rauche fast erstickt, der gewöhnlichen Ausgangstüre der dritten Galerie zuströmten, da waren Sie es, Herr Reutlinger, der durch den Schrecken und die Todesangst hervorgerufenen Erstarrung durch den Hoffnungsruf: 'Hier ist noch eine andere Türe!' entrissen. Sie waren es, welcher die Tat den Worten folgen ließen, diese Türe sprengten und uns 36 Unterzeichnete und wohl noch viele andere, dem Tode entrissen, dem so viele unserer Brüder und Schwestern an jenem Abend unterlagen. Mir, dem mitunterzeichneten Hauboisten (https://de.wikipedia.org/wiki/Hautboist) Günther, haben Sie zweimal das Leben gerettet. Nachdem ich durch die von Ihnen erbrochene Türe entkommen war, fiel ich auf der Treppe besinnungslos nieder und wäre verloren gewesen, hätten Sie mich nicht auf ihren Schultern aus dem brennenden Hause getragen. Erlauben Sie, Herr Reutlinger, dass wir öffentlich unserm tiefgefühlten, innigen Dank hiermit aussprechen, und glauben Sie unserer Versicherung, dass unsre Dankbarkeit nur mit unserm Leben aufhören wird. (Folgen 36 Unterschriften.)'
Herr Reutlinger, Vater des jetzigen Möbelhändlers Reutlinger, ist noch am Leben, er wurde damals allgemein mit dem Ehrennamen 'Menschenretter' bezeichnet. Seine Tat wurde neuerdings vom Großherzog durch Verleihung eines Ordens anerkannt. Solche Taten verdienen im Gedächtnis der Nachwelt aufgefrischt zu werden.  W."             

  
Der antisemitische Redakteur Reuther wird in Karlsruhe von einem jüdischen Viehhändler tätlich angegriffen (1897)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Januar 1897:  "Ein jüdischer Viehhändler, namens Davidsohn, begegnete dem antisemitischen Redakteur Reuther in Karlsruhe auf der Straße und griff, gereizt durch den Anblick des bekannten Wühlers, ihn tätlich an. Hierfür wurde Davidsohn vom Schöffengericht in Karlsruhe unter Zubilligung mildernder Umstände zu 20 Mark Geldstrafe verurteilt. Dem Gerichtshof erschienen 'mildernde Umstände' gegenüber der fortgesetzten antisemitischen Hetzerei des Herrn Reuther am Platz."                   

  
25-jähriges Bestehen des Vereins Chinuch Neorim (1902)     
Hinweis: es sind noch nicht alle hebräischen Wendungen/Zitate übersetzt.      
      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Januar 1902: "Leitender Artikel. Ein Vereinsjubiläum in Karlsruhe*)
Vor nunmehr 25 Jahren wurde dahier von jungen, zum Teil sehr jungen Leuten, ein Verein ins Leben gerufen, der sich zur Aufgabe stellte, Tora zu lernen. Als erstes Buch wurde das von Rabbi Simcho Bamberger seligen Angedenkens verfasste Chinuch Neorim gelernt, und danach wurde der Verein auch benannt 'Chinuch neorim'. Aus bescheidenen Anfängen hervorgegangen, entwickelte sich der Verein zu herzerfreuender Blüte, so dass er heute die stattliche Anzahl von 110 Mitgliedern hat (desto mehr vermehrte es sich...nach 2. Mose 1,12). Den Aufgaben des Vereins würdig war auch das in diesen Tagen begangene Vereinsjubiläum. Am ersten Chanukkaabend wurde eine vom Verein mit Beiträgen von auswärtigen Mitgliedern für den Verein gestiftetes Sefer Tora (Torarolle) seiner Bestimmung übergeben, d.h. es wurde an diesem Abend das neue Sefer (Torarolle) feierlichst zu Ende geschrieben. Der eigentlich Chinuch Sefer Sauro (Einweihung der Torarolle) fand am Schabbes (Schabbat) statt. Aus der in einem Reschot mit der Synagoge befindlichen Schule der Religionsgesellscvhaft wurde das neue Sefer, mit einem herrlichen Mäntelchen bekleidet - Geschenk des derzeitigen Vorsitzenden, Herrn Jakob Ettlinger, zur Erinnerung an seinen seligen Vater, Herrn Maier A. Ettlinger – von 10 Torarollen abgeholt und durch Herrn Rabbiner Dr. Schiffer in die Synagoge gebracht, wobei die am Simchat Tora üblichen Umgänge vollzogen wurden. Herr Rabbiner Dr. Schiffer sprach, als er aufgerufen wurde, den Segensspruch (['Gelobt bist Du Ewiger unser G’tt, König der Welt,] der Güte ist und Gutes tut'). Nach dem Einheben hielt der Herr Rabbiner eine begeisterte und begeisternde Rede, worin er dem Vereine, insbesondere seiner Leitung, den Herren Jakob Ettlinger und Leopold Schwarz, reichliche Anerkennung zuteil werden ließ.
Der zweite Teil der Feier vollzog sich am Sonntagabend in den Sälen des Hotels 'Monopol', wo ein Sium über Masechat Megilla gemacht wurde. Herr Dr. Schiffer trug den letzten Abschnitt vor, uns dabei durch die sich daran schließenden Bemerkungen Gelegenheit gebend, sein gründliches (Hebräisch) zu bewundern. Hierauf sprach der beim Sium anwesende Herr Rabb. Dr. Bamberger aus Schildberg über eine Stelle in Megilla, wo die Schüler des Rabbi Nechemja an ihn die Frage richten, wodurch ihnen erwidert, das niemals abfällige Bemerkungen anderer ihn in seinem Streben nach dem Rechten beirrt hätten, dass er niemals durch die von anderen begangenen Fehler seine eigenen Vorzüge hervortreten ließ, dass er endlich mit seinem Vermögen freigiebig war. Wenn man dem Verein die Frage vorlege, wodurch es ihm geglückt sei, sich so herrlich zu entfalten und zu gestalten, so sei zu antworten mit den Worten jenes alten Rabbi, dass die geistig höher stehenden Vereinsmitglieder, die an Wissen Ärmeren niemals ihre geistige Überlegenheit hätten fühlen lassen, dass endlich der Verein jenen Mitgliedern, die nicht in der Lage waren, sich Lehrmittel zu beschaffen, diese bereitwilligst zur Verfügung zu stellen. Dies seien allerdings nur die äußeren Gründe. Was ist aber das Motiv hierzu, was ist die treibende Kraft, fragt Redner weiter. Nun, es ist das Streben, jene Leiter zu erklimmen, die, auf der Erde stehend, gen Himmel raget, an der nach der Auslegung des Midrasch je zwei Engel auf- und niedersteigen. Diese Engel sind nach einer Erklärung des Altonaer Raw die vier Dinge, die erforderlich sind, Vollkommenheit in der Tauro zu erreichen, zwei davon liegen im Menschen selbst, (Hebräisch) der Glaube an die Göttlichkeit der Tauro, (Hebräisch) der Wille, nach dieser Tauro zu leben.
Das sind die zwei Engel, die im Menschen sind, die nach oben steigen, den himmlischen Beistand ihm sichern (Hebräisch) und die beiden Engel (Hebräisch) die Tatkraft zur Erfüllung der Tauro und (Hebräisch) klares Verständnis für dieselbe, zu ihm herabgeleiten. Der Verein hat bewiesen, dass er (Hebräisch) und (Hebräisch) besitze, darum – so schloss Herr Rabb. Dr. Bamberger- möge auch (Hebräisch) und (Hebräisch) in hohem Maße den Verein und seine Vereinsmitglieder beglücken.
Nach diesen beifällig aufgenommenen Worten dankte das Vereinsmitglied Herr Beermann Herrn Rabbiner Dr. Schiffer für die umsichtige Leitung des Schiur und hat, dass der Herr Rabbiner auch fernerhin dem Verein sein Wohlwollen erhalte.
Man setzte sich hierauf zu Tisch, um die (Hebräisch) zu halten, welche durch reichliche (Hebräisch) sehr gehoben ward. Der Vorsitzende des Vereins, Herr Jakob Ettlinger, begrüßte die Erschienenen, insbesondere die auswärtigen Herren, mit einem herzlichen (Hebräisch), verbreitete sich dann über die Ziele des Vereins, welche in der Pflege der drei Säulen des Weltgebäudes bestehen, durch die Art und Weise, in der der Verein sein Jubiläum feiert, Sefertauroh—Einweihung und Sium zeige er deutlich, dass die Vereinsleitung ihre Aufgabe richtig erfasse. Er richte aber gerade an die Vereinsmitglieder den Appell, dass sie noch eifriger wie bisher die Aufgaben des Vereins pflegen sollten, es ist (Hebräisch) und deshalb habe sie auch Bestand. Tosender Beifall lohnte den Redner. Nach dieser Begrüßungsrede erhob sich Herr Dr. Schiffer, um zu einem Hoch auf das Wohlergehen des greisen Herrschers auf dem Throne Badens aufzufordern, weil es für uns Juden religiöse Pflicht sei,   
Karlsruhe Israelit 16011902b.jpg (344376 Byte) für das Wohl der Regierung und des Staatsoberhauptes zu beten. Die Juden in Baden tun dies um so lieber, als ja der edle Großherzog von Baden allen seinen Untertanen ohne Ausnahme die Wohltaten seiner Milde, Gerechtigkeit und Toleranz zugute kommen lasse. Herr Dr. Schiffer hielt nun die eigentliche Festrede. Er führte aus (Hebräisch) der Verein habe durch die beiden Akte, mit denen er die Feier seines Jubiläums begehe, bewiesen, dass er die Verbindlichkeit von (Hebräisch) und (Hebräisch) richtig erkenne, die eine ohne die andere sei unverständlich, führe dahin, wohin die Karäer gelangt sind, dass, wie es am Ende der Megilla heißt, (Hebräisch) man auch nicht eine einzige Mizwe erfüllen kann, wenn man sie nach dem nackten Wortlaut der Schrift üben will; wer z. B. das Tephillingebot erfüllt, in dem er die Tephilin 'auf die Hand' legt oder auf die Stirn 'zwischen den Augen' hat das Tephillingebot nie erfüllt. Redner führte aus, dass er sich das segensreiche Wirken des Vereins zu beobachten vorgenommen, aber das Chanuka-Fest, das wir eben feiern, ruft uns zu, dass es Pflicht sein (hebräisch und deutsch:), die Lichtflamme immer höher steigen zu lassen, mit dem Anzünden allein (Hebräisch) sei noch nicht genügend geleistet. Er wünschte dem Verein weiteres Gedeihen zum Segen des Judentums und schloss mit einem Hoch auf die derzeitige Vereinsleitung.
Hierauf ergriff Herr Stiftsrabbiner Blumgrund das Wort, um auch seinerseits seine Freude über das Gedeihen des Vereins zum Ausdruck zu bringen. Das gegenwärtige Fest führt uns die Heldengestalt Mattijahus vor, der in gefahrvoller Zeit für den Glauben eintrat, und der aus dieser schweren Zeit ein kleines Krüglein reinen Öls rettete, einen kleine Fonds glaubenstreuer Männer sicherte. Der Ruf 'Jeder, der sich für das Gesetz ereifert und den Bund aufrechterhält, folge mir!', 1. Makkabäer 2,27) den er seinen Brüdern zurief bewirkte solches Wunder! Und als der alte Priester aus Hasmonais Familie starb, traute er die Pflege und Warte diese eben geretteten Kleinodes der Jugend an. Man dürfe das Wirken des Vereins Chinuch Neorim nicht unterschätzen, seien es auch zum größten Teile junge Männer, die den Verein bilden, so seien dennoch jene Liebe und jenes Verständnis für unsere Ideale vorhanden, so dass man beruhigt ihnen die Pflege derselben anvertrauen dürfe. Der Name des gegenwärtigen Festes stamme von (Hebräisch) 'rüsten, weihen, erziehen'. 'Erziehen Sie, rüsten und weisen Sie sich, auch fernerhin für die heiligen Aufgaben des Judentums, pflanzen Sie dieselben ein in Ihr Heim, wenn Sie mit Gottes Hilfe ein solches gründen; rief der Herr Rabbiner den jungen Leuten zu. Endlich erinnerte er noch daran, dass Aron zugerufen wurde (Hebräisch) auch der Verein sich sagen müsse, dass seine Erfolge, die er erzielt,zum größten Teil demjenigen gelte, der die Lichtquelle der Torakenntnis ihnen zeige und deshalb bitte er, einzustimmen in einen Hochruf auf das Wohlergehen des Herrn Rabbiner Dr. Schiffer, welchem Wunsche von allen Teilnehmern gern entsprochen ward. 
Namens der Israelitischen Religionsgesellschaft brachte der Vorstand derselben, Herr Samuel Strauß, Grüße und Glückwünsche. Er sprach die Hoffnung aus, dass diese Vereinigung von jungen Männern, welche zum großen Teil den künftigen Bestand der Religionsgesellschaft bilden, mit Gottes Hilfe an sich erfüllt sehe, die Segnungen der Chanuka hatora, worin das Wirken des Vereins angedeutet sei in den Worten (Hebräisch), wenn wir das Wörtchen (Hebräisch) auflösen als die Anfangsbuchstaben der Worte (Hebräisch). Des Redners geist- und humorvolle Ausführungen fanden lebhaften Beifall. Den Höhepunkt erreichte die Freude jedoch als Herr Reallehrer Dr. Fink aus Frankfurt a. M. das Wort ergriff und in launiger, sinnreicher Rede ein Gleichnis mitteilte und von einem Maurermeister sprach, der im Arbeitskittel von den König gerufen wird, es aber ablehnt, zu erscheinen, das er nicht in salonfähiger Kostümierung sei. Erst auf den dringenden Befehl des Königs kommt er, weil der König, der heute ein Fest feiert, alle jene beisammen sehen will, die bei der Ausführung seines Palastes vor vielen Jahren mitgewirkt haben. Er – Redner – habe zu den Gründen des Vereins gehört und habe auch fünf Jahre in demselben gewirkt. Heute aber sei ein solch herrlicher Palast entstanden, als dessen Mitarbeiter er sich gar nicht mehr betrachtet habe, und nur auf die wiederholte, dringende Einladung des Vorstandes sei er gekommen, und er freue sich, dass er gekommen sei, um zu sehen, wie die bescheidenen Saatkörner, die er streuen half, solche herrliche Früchte gezeitigt haben. Sein Hoch galt Herrn Samuel Strauß, der den Verein seit seinem Bestehen jederzeit gefördert habe, insbesondere auch dadurch, dass er seit nunmehr 25 Jahren dem Verein zur Abhaltung der Schiurim eine Wohnung zur Verfügung stellt. 
Nachdem die eingelaufenen Begrüßungstelegramme verlesen waren, wurde das Tischgebet für 53 Mk. Versteigert und Herrn Dr. Schiffer übertragen. Nach dem Benschen wurden noch verschiedene musikalische und theatralische Vorträge aufgeführt. Erst in später Stunde verließen die Teilnehmer den Festakt mit dem Bewusstsein, einem wahren Freudenfest über die religiösen Gebote angewohnt zu haben.
Anmerkungen:  Jakob Ettlinger: https://www.geni.com/people/Jakob-Ettlinger/6000000040619589886  
Chinuch: Religiöse Erziehung  
Sefer Tora: Torarolle 
Sefer: Hebräisch für 'Buch' 
Rabbiner Dr. Schiffer:  Rabbiner Dr. phil. Sinai Schiffer https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer  
Leopold Schwarz: http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/3850.html 
Rabbiner Dr. Bamberger: http://www.steinheim-institut.de:50580/cgi-bin/bhr?id=1985 
Megilla: https://de.wikipedia.org/wiki/Megilla
Midrasch: https://de.wikipedia.org/wiki/Midrasch 
Altonaer Raw: https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger 
Schiur: https://de.wikipedia.org/wiki/Schi'ur 
Sefertauroh: Torarolle  
Großherzog von Baden: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog )
Karäer: https://de.wikipedia.org/wiki/Karäer 
Mizwe: Gebot  
Tephillin: https://de.wikipedia.org/wiki/Tefillin  
Stiftsrabbiner Blumgrund: Rabbiner Dr. phil. Bernhard Naftali Blumgrund, siehe S. 123 http://www.steinheim-institut.de/edocs/books/Biographisches_Handbuch_der_Rabbiner_Teil_2.pdf 
Mattijahu: https://de.wikipedia.org/wiki/Mattatias 
Hasmonai: https://www.genealogieonline.nl/de/stamboom-homs/I6000000002187597738.php 
Israelitische Religionsgesellschaft: https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)  
Benschen:  https://www.jewiki.net/wiki/Benschen         

   
50-jähriges Regierungs-Jubiläum des Großherzogs (1902)      
  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1902: "Das 50jährige Regierungs-Jubiläum des Großherzogs von Baden
Von Rabb. Dr. M. L. Bamberger, Karlsruhe.
Unsere herrliche Stadt hat sich in ein festliches Gewand gehüllt, um die Feier des Regierungsjubiläums des geliebten und geehrten Landesfürsten würdig zu begehen. Wahrhaft märchenhafter Zauber zeigt sich dem Beobachter auf den Straßen und an den Häusern, überall Zeichen der Liebe und Treue, alles wetteifert, um das Herz des Landesvaters zu erfreuen. Nicht zuletzt sind die Israeliten der Hauptstadt wie jene des ganzen Badener Landes geschäftig, um dem Fürsten zu huldigen, der es sich zur Aufgabe gestellt hat, 'ein freies Staatsleben im Innern, ruhend auf der sicheren Grundlage geistiger Bildung und sittlich religiösen Ernstes' zu schaffen, der an sein Volk die Mahnung richtete, 'alle Trennungen zu vergessen, welche die jüngste Zeit (1860) hervorgerufen hat, damit unter den verschiedenen Konfessionen und ihren Angehörigen Eintracht und Duldung herrsche.' Dem Fürsten, der ebenso wie sein unvergesslicher Schwager, der höchstselige Kaiser Friedrich, es deutlich aussprach, was er von der 'Schmach des Jahrhunderts' denke und wie sehr er diese verurteile. Badens Großherzog bat, seitdem er mit kräftiger Hand und mildem Sinn die Zügel der Regierung führt, alle seine Untertanen zu glücklichen, zufriedenen Staatsbürgern zu machen sich bestrebt; für das Wohl wie für das Weh aller seiner Landeskinder; ohne Unterschied des Glaubens und des Standes hat er Interesse bekundet und bekundet dies bis auf den heutigen Tag. Es ist deshalb auch nicht zu verwundern, dass das ganze Badener Volk mit treuer Liebe zu seinem Fürsten steht, dass alle Einwohner des Großherzogtums in diesen Tagen des Jubiläums aufrichtige Gebete zum himmlischen Allvater senden, dass Er ihren geliebten Landesvater noch viele Jahre in Gesundheit und Frische erhalten möge.
Über die verschiedenen Festlichkeiten, welche in Karlsruhe veranstaltet wurden, brauche ich nicht weiter zu berichten, da ihre verehrten Leser dies bereits aus den Tageszeitungen erfahren. Nur über das, was von jüdischer Seite geschehen, sollen diese Zeilen Ihnen Einsicht geben.
Um auch für späteste Zeiten eine Erinnerung an das fünfzigjährige Regierungsjubiläum Großherzog Friedrichs zu schaffen, ist von den badischen Israeliten eine Landesstiftung ins Dasein gerufen worden, welche den Zweck haben wird, für jüdische Lehrlinge ein Heim zu gründen, in welchem die Lehrlinge nicht allein körperliche Verpflegung, sondern auch sittlich-moralische Festigung und Stärkung geboten werden soll, ein Heim, in welchem dieselben als Ersatz für in der Fremde ihnen fehlende religiöse Erziehung des Elternhauses geeigneten Ersatz finden.
Selbstredend haben unsere Glaubensgenossen auch an der dem Großherzog zu überreichenden Jubiläumsspende mit reichen Beiträgen sich beteiligt.
In sämtlichen Synagogen des Landes wurden am Sonntag, den 27. dieses) Monats Festgottesdienste abgehalten. Das Programm war vom Oberrat der Israeliten sämtlichen Gemeinden des Landes zugeschickt, jene Gemeinden, die keinen Rabbinatssitz bilden, erhielten von den betreffenden Bezirksrabbinern eine Festpredigt, welche bei der Feier verlesen wurde.
Hier in Karlsruhe fanden in beiden Synagogen gleichfalls am Sonntagvormittag Festgottesdienste statt, bei welchem sehr zahlreiche Andächtige und Vertreter der Presse sich einfanden. In der Religionsgesellschaft sprach Herr Rabbiner Dr. Schiffer über den Text Micha 6,8: 'Er hat dir verkündet, Mensch, was gut ist und was der Ewige von dir fordert, dass du Gerechtigkeit übest, Milde liebest und demütig wandelst mit deinem Gotte.' In glänzender Weise führte Redner aus, dass es nicht die Aufgabe einer religiösen Belehrung gewidmeten Vortrages sein könne, die Herrschertugenden des geliebten Fürsten zu schildern; seine sittliche Größe und Charakterfestigkeit müsse vielmehr zur Nacheiferung vorgeführt werden, in ihm könne man eine ideale Gestalt erblicken, welche die Forderungen des Propheten Micha im Leben verwirklichen gestrebt. Ein ergreifendes Gebet schloss sich beim geöffneten Toraschreine der Predigt an.
In der Synagoge der anderen Gemeinde hat – wie wir hören – gleichfalls mit großer Wärme und Begeisterung Herr Rabbiner Dr. Appel über den Vers Psalm 21,7 gesprochen ausführend, dass die segensreiche Tätigkeit des Fürsten für das Großherzogtums Wohlfahrt eine dauernde sei, daran die Bitte knüpfend, dass der Himmel auch fernerhin den Großherzog mit des Segens Fülle beglücken möge. 
Beide Synagogen sind innen und außen mit frischem Grün und duftenden Blumen sowie mit Fahnen in den Landes- und Reichsfarben reich geschmückt. Ebenso erstrahlten, sie auch während der Rundfahrt des Fürsten durch die Stadt in feenhaftem Lichtscheine.
Am Montag empfing Seine Königliche Hoheit der Großherzog eine Deputation der Israeliten Badens bestehend aus den Herren Geheimer Regierungsrat Dr. Meyer hier, Rabbiner Dr. Steckelmacher – Mannheim  und Professor Dr. Kohn - Freiburg, welche eine Adresse           
Karlsruhe Israelit 30041902b.jpg (49387 Byte)überreichten. Seitens der israelitischen Religionsgesellschaft überreichte der Vorstand derselben, Herr Samuel Strauß und Herr Bankier Meier Strauß, gleichfalls eine Adresse.
Wie Sie sehen, sind alle badischen Israeliten einig, wenn es gilt, ihrem Großherzog zu huldigen und ihn zu erfreuen. Wenn auch sonst, in Folge der hierzulande bestehenden religiösen Neuerungen leider eine Trennung der Israeliten besteht, sind sie doch vereinigt in der Liebe zum Großherzog, in der Treue zum Herrscherhaus und dem Wunsche, dass der edle Fürst noch viele Jahre zum Heile Badens und ganz Deutschlands wirken möge. Amen." 
Anmerkungen:  Großherzog von Baden: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog  
Kaiser Friedrich: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_III._(Deutsches_Reich) 
'Schmach des Jahrhunderts': https://de.wikipedia.org/wiki/Schmach_für_Deutschland
Oberrat der Israeliten: https://de.wikipedia.org/wiki/Oberrat_der_Israeliten_Badens 
Religionsgesellschaft: https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe) 
Rabbiner Dr. Schiffer = Rabbiner Dr. phil. Sinai Schiffer https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
Rabbiner Appel = Rabbiner Dr. phil Meier Appel https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel
Rabbiner Dr. Steckelmacher: https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_Steckelmacher  
 

    
Jahresbericht des Israelitischen Frauenvereins für 1903 (1904)     
   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1904:  "Karlsruhe, 26. Januar. Der aus 438 Mitgliedern bestehende hiesige israelitische Frauenverein hatte nach dem soeben erschienenen gedruckten Jahresberichte für das Jahr 1903 eine Gesamteinnahme von 9.324, 63 Mark, darunter an monatlichen und jährlichen Beiträgen 2.524,62 Mk. Zinsen aus dem jährlichen Vereinsvermögen und der Regine Nathan Levi’schen Stiftung 1.629, 20 Mk, Geschenke und Legate 1.746,50 Mk. Verausgabt wurden für Wochengelder an Kranke 607 Mk. Wöchnerinnen 336 Mk. , Rekonvaleszenten 314,12 Mk., für Bäder und Badereisen (Badekuren) 1.109,34 Mk., Medikamente 1.640, 14 Mk. Verpflegungen 55 Mk. Verpflichtungen an Todestagen 131,10 Mark etc. Das Vereinsvermögen besteht an Kapitalien aus 41.385, 72 Mk., ferner aus der Regine Levi-Stiftung im Betrage von 5.142,85 Mk. Der Vorstand besteht aus den Frauen Bertha Gutmann, Jenny Wormser, Therese Ettlinger, Dr. Appel, Justine Levinger, Medizinalrat Seligmann und den Herren Stadtrat Fritz Homburger, Rudolf Hermann und prakt. Arzt Dr. Richard Seeligmann. Der Verein enthält Mitglieder der isr.(aelitischen) Gemeinde und der israelitischen Religionsgesellschaft."       

   
Rechenschaftsbericht des Naphtalie Eppstein-Vereins (1904)   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1904: "Karlsruhe, 8. Juni (1904). Der Rechenschaftsbericht des Naphtalie Eppstein-Vereins zur Unterstützung hilfsbedürftiger israelitischer Lehrer und Lehrer-Witwen für das Jahr 1903 bedauert in seinem Vorworte das Fehlen eines Mannes, der uns allen lieb und teuer war in der Liste der Vorstandsmitglieder, des Herrn Bankier Samuel Straus, der sich als Rechner des Vereins lange Jahre hindurch betätigt hat. Derselbe ist dem Verein durch einen plötzlichen Tod entrissen worden. Dem selbstlosen, edlen Manne wird ein treues Gedenken bewahrt werden. An seine Stelle ist als neuer Rechner, Herr Bankier Siegfried Stern, getreten. Es konnten an Unterstützungen 1.460 Mark gegeben werden. Das Vereinsvermögen besteht aus 26.680,99 Mark und hat sich seit vorigem Jahre um 1.087,52 Mark vermehrt."    

 
100-jähriges Bestehen des Vereins "Malbisch Arumim" (1909)   
   

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. Dezember 1909: "Karlsruhe. Am 26. des Monats feiert der Verein 'Malbisch Arumin' sein 100jähriges Bestehen.
Der Verein, der mit 13 Mitgliedern gegründet wurde, besteht heute aus 53 Mitgliedern, von denen das Vorstandsmitglied J. Weinheimer ihm bereits seit 40 Jahren angehört. Der Zweck, den der Verein verfolgt, ist, arme Familien durch Kleidungsstücke und Barmittel zu unterstützen und bei Todesfällen die üblichen Gebetsverrichtungen zu vollziehen.
Zur Feier des 100jährigen Bestehens sind größere Einladungen ergangen. Auch ist eine Stammtafel angefertigt worden, in der die Mitglieder, die dem Verein schon beim 100jährigen Stiftungsfeste angehört haben, bezeichnet sind."      

    
Vortrag von Oberregierungsrat Dr. Mayer (1919)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. März 1919: "Karlsruhe in Baden, 28. Februar. Der vom hiesigen Verein für jüdische Geschichte und Literatur vor kurzem im 'Friedrichshof' veranstaltete Vortrag von Geheimem Oberregierungsrat Dr. Mayer über das Thema 'Die Judenheit als Volk und als Religionsgemeinschaft' hatte einen sehr zahlreichen Zuhörerkreis zusammengeführt. Der Vortrag war geeignet, im Anschluss an die ihm in der letzten Zeit hier vorausgegangenen, das Bild der durch den Weltkrieg auch für das Judentum gezeitigten, äußeren politischen und inneren seelischen Wandlungen noch zu vertiefen. Im Hinblick auf die namentlich im Gefolge der zionistischen Bewegung entstandenen Trennungen und inneren Kämpfe ließ der Redner seinen Ausführungen die Mahnung zur Wahrung einer einheitlichen Front vorangehen und warnte vor Vergeudung der geistigen Kräfte in so ernster Zeit. Im Verhältnis zu den sie umgebenden Staaten der antiken Welt habe die jüdische Nation schon im frühen Altertum einzigartige und kulturell hochstehende Gesetze geschaffen, so namentlich auf dem Gebiete des Sklaven- und Fremdenrechts. Der Sklave war im jüdischen Staat durch Gesetz vor jeder Gewalttätigkeit geschützt. Der Fremde sollte sogar wie der Einheimische behandelt werden: 'Du sollst ihn lieben wie dich selbst', heißt es in der Bibel. Beides hatte seine Grundlage in der Lehre des Judentums von der Gotteskindschaft aller Menschen. Schon vor dem Untergang des jüdischen Staates fand – wohl aus wirtschaftlichen Gründen – eine starke Auswanderung, namentlich nach den Ländern des Mittelmeeres, statt. Abgesehen hiervon würde der jüdische Staat wahrscheinlich auch ohne die 70 n. Chr. erfolgte Zerstörung durch die Römer infolge der Völkerwanderung und späteren Ereignisse verschwunden sein. Das jüdische Volk wollte jedoch nicht untergehen und hat sich deshalb, trotz der Zerstreuung über alle Länder, erhalten. Auch gab es die Hoffnung auf die Wiedererstehung des palästinensischen Staates nicht auf, jedoch bestand sie bis in die neuere Zeit nur als religiöser Glaube, nicht als politisches Ziel. Dann kam, vor einem Jahrhundert, die Emanzipation, das Heraustreten aus dem Ghetto des Mittelalters. Sei fiel, nicht zum Vorteil einer allmählichen Entwicklung in eine Zeit                 
Karlsruhe AZJ 14031919ma.jpg (241893 Byte)des geistigen und wirtschaftlichen Sturmes und Dranges, der Aufhebung auch sonstiger zahlreicher Beschränkungen des Kultur- und Geisteslebens und des Beginnes gewaltiger Wandlungen auf allen Gebieten. Alsbald entstanden im Anschluss an diese in der Umwelt sich vollziehenden Neuerungen gottesdienstliche Reformbestrebungen im Judentum; der alten orthodoxen begann eine neuere Richtung sich gegenüberzustellen, wobei auf die Pflege der hebräischen Sprache geringerer Wert gelegt wurde. Weiterhin wurde von vielen, namentlich in höhere äußere Lebensstellung Gelangten, das Erbteil des Judentums als eine drückende und hemmende Last empfunden. Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts setzte als Folgewirkung der Gründerzeit die antisemitische Bewegung ein, gegen die zunächst eine äußere Abwehrorganisation geschaffen wurde. Zwei Jahrzehnte später setzte aber auch eine Eigenbewegung im Judentum ein, der von dem Österreicher Theodor Herzl ins Leben gerufener Zionismus, der den Gedanken des palästinensischen Staates als jüdische Heimstätte erneuerte. Er fand gleichen Widerstand sowohl bei der orthodoxen wie der reformierten Richtung, namentlich in Deutschland, bis nunmehr der Weltkrieg nach der Besetzung von Palästina durch die Engländer die Verwirklichung des Gedankens in greifbare Nähe rückte. Es würde jedoch – wie der Vortragende auch kürzlich in der Zeit des Wahlkampfes den Deutschnationalen hier zugerufen hatte – einen Verlust für Deutschland bedeuten, wenn im Anschluss an die Begründung des palästinensischen Staates ein großer Teil der deutschen Juden abwandern würde. Wenn übrigens der neue Staat auch nicht so bald ein jüdisches Kulturzentrum würde, könnte er schon als Agrikulturzentrum der Juden vortreffliche Dienste leisten.
Im Übrigen anerkennt der Vortragende, dass für das jüdische Leben und Denken die Erfüllung der zionistischen Idee eine seelische Bereicherung bedeutet. Darin liege für den deutschen Juden kein Dualismus. Der Primat, der für den Juden - ebenso wie für den Katholiken und den Protestanten – selbstverständlich immer auf der Seite der Religion liegt, komme in politischer Beziehung nach wie vor dem deutschen Vaterlande zu. Glaube und Religionsfreiheit müssten immer und überall obenan stehen, wie dies z. B. Bei den französischen Hugenotten der Fall war, die ihre Heimat nach der Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. verließen und in dem toleranteren Preußen und den Niederlanden eine neue gesicherte Heimstätte fanden. Dem Gedanken eines jüdischen Kongresses in Deutschland im Rahmen eines Weltkongresses steht der Vortragende freundlich gegenüber. Zu welcher der heutigen Richtungen im Judentum der einzelne sich aber auch bekenne, stets möge er dessen gedenk bleiben, dass er auf heiligem Boden stehe, wo Zank und Streit Sünde sei. Das gemeinsame Ziel bleibe die Wohlfahrt des gesamten Judentums als Volk wie als Religionsgemeinschaft. - Die in schlichter Sachlichkeit und aus warmer Überzeugung zur Versöhnung mahnenden Ausführungen von Geheimrat Dr. Mayer fanden starken und dankbaren Widerhall. In einem kurzen Schlusswort erwähnte er noch die innerhalb der jetzigen allgemeinen staatsrechtlichen Umbildungen entstandene Absicht der Umwandlung der Religionsgemeinden in Volksgemeinden. Gegen eine solche Politisierung der bisherigen Kultusgemeinden seien ernste Bedenken zu erheben, da das Ausscheiden aus einer religiösen Gemeinschaft vor allem Gewissenssache sei und bleiben müsse, während die Loslösung von einer politischen Gemeinschaft ohne weiteres erfolgen könne. Wohl aber sei zu wünschen, dass die religiösen Gemeinden wieder mehr als bisher wahrhaft volkstümliche Gemeinden würden, in denen unter Anteilnahme, vor allem auch der Frauen und der Jugend das religiöse Leben einer neuen Blüte entgegen geführt werden könne.
Anmerkungen:  Emanzipation: http://www.alemannia-judaica.de/giessen_synagoge.htm
Reformbestrebungen: https://de.wikipedia.org/wiki/Liberales_Judentum 
Antisemitismus: https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitenliga
Zionismus: https://wikipedia.org/wiki/Zionismus  
Theodor Herzl: https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Herzl  
Deutschnationale: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschnationale_Volkspartei  
Edikt von Nantes: https://de.wikipedia.org/wiki/Edikt_von_Nantes    

 
Jüdische Häuser und die Synagoge werden durch Nationalsozialisten beschmiert (1926)    

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 19. Februar 1926:  "Karlsruhe. (Völkische Bubenstreiche) In einer der letzten Nächte wurde in der Mittelstadt von Völkischen ein systematischer Besudelungsfeldzug vorgenommen. An zahlreichen Häuserfassaden wurden große Hakenkreuze mit Teerfarbe angebracht und in der Kronenstraße überstiegen die Täter das fast zwei Meter hohe Eisengitter der Synagoge und besudelten die Vorhalle, die Wände und den Boden und verschonten auch nicht das Ehrenmal für die im Felde Gefallenen. Sämtliche Blätter, auch die rechtseingestellten, verurteilen diesen groben Unfug scharf und geben ihrer Verwunderung darüber Ausdruck, dass der Polizeibericht bisher auffallenderweise nicht mit einem Worte von diesem nächtlichen Treiben der Völkischen Notiz nimmt."
Anmerkung:  Völkische: https://de.wikipedia.org/wiki/Völkische_Bewegung          

       
Über die religiöse Sonntagsfeier in der Synagoge (1929)        

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 4. Januar 1929: "Nach München – Karlsruhe! - Religiöse Sonntagsfeier in der Synagoge
Erst kürzlich – in unserer Nr. 49 vom 7. September 1928 – berichteten wir über synagogale Sonntagsfeiern in München und heute sind wir in der Lage, einen ähnlichen Bericht aus einer anderen süddeutschen Hauptstadt, aus Karlsruhe, zu veröffentlichen. Das 'Israelitische Gemeindeblatt für Baden', Abteilung Karlsruhe bringt in seiner Januar-Nummer den nachstehend abgedruckten Bericht. Haben wir neulich hier gefragt, warum in München möglich ist, was in Berlin 'nicht geht', so stellen wir heute die weitere Frage, ob die Juden Berlins es sich leisten können, bei der Ausgestaltung ihres religiösen Lebens so hinter andern großen Gemeinden zurückzubleiben und ob sie nicht eine gewisse Beschämung ob ihres Nachzüglertums empfinden. In allen andern Angelegenheiten hat man ja sonst gerade in Berlin den Wunsch zur Befriedigung vorhandener Bedürfnisse alle Mittel anzuwenden und darin nach Möglichkeit der sogenannten 'Provinz' voranzugehen. Die Schriftleitung.

Vor einigen Monaten konnte man in der jüdischen Presse lesen, dass in der Repräsentantenversammlung der Berliner Gemeinde ein erbitterter Streit entbrannt war, der wieder einmal die Leidenschaft der innerjüdischen Parteien aufwühlte und das traurige Bild der Zerrissenheit und feindlichen Spaltung innerhalb des deutschen Judentums in betrüblicher Weise beleuchtete. Es war von Seiten der liberalen Fraktion angeregt worden, man möge durch Einführung von synagogalen Feierstunden, für deren Abhaltung der Sonntag gewählt werden sollte, den Versuch einer neuen Befruchtung des religiösen Lebens unternehmen Diese Anregung rief die Vertreter aller Parteien auf den Plan, und nachdem sich die Gemüter ob dieses unerhörten Eingriffes gewaltig erhitzt hatten, verfiel der Antrag schließlich mit knapper Mehrheit der Ablehnung.  -        
Karlsruhe Juedlib Ztg 04011929a.jpg (332494 Byte)Die Berliner können von unserem badischen 'Musterländle' wieder einmal lernen: Ohne jede Aufregung ohne irgendeine Debatte haben wir den Versuch gewagt, der der Reichshauptstadt so erhebliches Kopfzerbrechen verursachte, und das Wagnis, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen will, wurde ein großer und unumstrittener Erfolg.
Schon bald nach dem Herr Stadtrabbiner Dr. Schiff seine Tätigkeit hier aufgenommen hatte, erschien ihm neben der Abhaltung von Vorträgen und Vortragsreden die Einführung besonderer Veranstaltungen in der Synagoge als ein erwünschtes und geeignetes Mittel, die Gemeindemitglieder zu erhöhter Teilnahme am religiösen Leben heranzuziehen. In Form einer 'Geistigen Stunde' wurde wiederholt der Versuch unternommen, außerhalb des eigentlichen Gottesdienstes, dessen Besuch ja wohl nicht nur hier im Argen liegt, einen großen Teil der Gemeinde zur Erbauung und Belehrung im Gotteshause zu vereinen. Der Erfolg dieser Neuerung ermutigte zu einem weiteren Schritt: Zum ersten Male wurde ein jüdisches Fest, unser unvergänglich schönes Chanukah, zum Anlass und Inhalt einer abendlichen Feierstunde in der Synagoge ausersehen, zu welcher Synagogenrat und Stadtrabbinat auf Sonntag, den 9. Dezember, einluden.
Wer mit skeptischen Zweifeln solchen Unterfangen gegenüberstand, wurde schon beim Betreten der Synagoge eines Besseren belehrt. Der Besuch übertraf alle Erwartungen, und das Gotteshaus bot ganz das Bild, wie wir es sonst leider nur an unseren höchsten Feiertagen sehen. Es war aber nicht nur eine große Schar, die sich da zusammengefunden hatte, es war auch eine im wahrsten Sinne andächtige Menge, welche diese Feier vereinte. Manchem Gottesdienste möchte man hier die Würde und mustergültige Ruhe wünschen, die sich hier ganz von selbst einstellte. Damit ist aber eigentlich zugleich auch der Erfolg dieser Feierstunde gekennzeichnet: Sie nahm den Besucher schon mit den ersten Orgelklängen in ihren Bann und vertiefte den nachhaltigen Eindruck in ihrem ganzen Ablauf. Den Mittelpunkt bildete eine dem Charakter des Tages angepasste Ansprache des Herrn Stadtrabbiners Dr. Schiff, welcher zuvor durch eine Vorlesung aus dem Werke des jüdischen Historikers Flavius Josephus die Erschienenen mit der geschichtlichen Grundlage des Chanukah-Festes vertraut gemacht hatte. In knappen, aber darum umso wirkungsvolleren Umrissen legte der Redner, aus der geschichtlichen Vergangenheit schöpfend den Sinn durch dieses Festes unserer Gegenwart sowie seine Bedeutung für die Zukunft unserer Gegenwart sowie seine Bedeutung für die Zukunft unserer Gemeinschaft dar und verstand es, damit der Feier die geistige Weihe zu geben. Diese Weihestimmung wurde gehoben durch den Vortrag zweier Sprechchöre, eines hebräischen der Mädchen (Jesaja 40) und eines deutschen Sprechchores der Knaben (aus dem 1. Makkabäerbuch). Auch damit ging man bewusst neue Wege; wenigstens glaube ich nicht, dass bisher schon versucht worden war, den Sprechchor, ein Erzeugnis unserer modernen Jugendbewegung, auch für die Synagoge nutzbar zu machen. Das Experiment ermutigt durchaus zu weiteren Versuchen, denn, wenn auch bei diesem ersten Schritte keine vollendete Leistung erwartet werden konnte, so zeigte sich doch, dass diese Sprechchöre auch im Gotteshause ihre eindringliche Wirkung nicht verfehlen.
Wirkungsvoll, wie immer, gestaltete sich auch das Entzünden der Chanukah-Lichter, bei welchem Herr Oberkantor Metzger neue Proben seiner vollendeten Gesangskunst gab und dem sich als Gemeindegesang die uralte und doch ewig junge Weise des 'Mos Zur' anschloss. Der geschmackvoll ausgewählte musikalische Teil der Feier brachte noch das Arioso von Händel, von Herrn Rudi Mayer mit klangschöner Stimme und edlem Vortrag gesungen, sowie Orgelvorträge unseres langjährigen verdienten Organisten, Herrn Dirigenten Munz. (Improvisation über 'Mos Zur' und 'Aus Judas Maccabäus' von Händel).
Mit aufrichtiger Befriedigung können die Veranstalter dieser Feier und vor allem ihr geistiger Urheber, Herr Stadtrabbiner Dr. Schiff, auf den Verlauf des Abends zurückblicken. Sie dürfen für sich das Verdienst in Anspruch nehmen, mit neuen Mitteln und auf neuen Wegen der Gemeinde eine Stunde ungetrübter Weihe und Erbauung geschenkt zu haben. Wer aber etwa meinen sollte, dass durch derartige 'moderne' Neuerungen vielleicht die Gefühle irgendeines religiös eingestellten Menschen verletzt werden könnten, dem sei zum Schluss noch das Urteil eines Besuchers verraten, der ganz auf dem Boden des gesetzestreuen Judentums steht und der gegenüber dem Schreiber dieser Zeilen die Meinung aussprach: Eine schönere und würdigere Chanukah-Feier könne er sich gar nicht denken. - Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag! H. St., Karlsruhe."  
Anmerkungen: - Stadtrabbiner Dr. Schiff: Dr. phil. Hugo Schiff https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Schiff_(Rabbiner)  
- Flavius Josephus: https://de.wikipedia.org/wiki/Flavius_Josephus
- Oberkantor Metzger: Oberkantor Simon Metzger https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick114/metzger.de
- Chanukah: https://de.wikipedia.org/wiki/Chanukka
- Mos Zur: https://de.wikipedia.org/wiki/Maos_Zur
- Arioso: 'Dank sei Dir, Herr' aus Cantata con stromenti
- Dirigent Munz: Theodor Munz https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/135286956/Munz+Theodor
       

   
Purim-Feier des Vereins Chinuch Neorim (1929)         

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1929: "Karlsruhe, 18. März. Am Sonntag, den 17. des Monats, hatte der Chinuch Neorim seine Mitglieder und Gönner zu einer wohlgelungenen Purim-Feier in das Künstlerhaus eingeladen. Das bewährte Vorstandsmitgliedglied, Herr Ludwig Pfeuffer, hatte ein ganz besonders anziehendes Programm zusammengestellt, was überaus großen Andrang bewies. Ein gutes Jugendorchester erfreute die Besucher durch lustige Musik und lösten sich alsdann in bunter Folge humoristische Tanzgruppen von Bachurim mit Gesängen und Parodien ab. Hervorzuheben ist ein Reigen der Kleine. Als Ansager wirkte Herr Hermann Brand vom Landestheater in bekannt bewährter Weise und studierte derselbe auch den Jungen ein von ihm selbst verfasstes, neuzeitliches Purim-Theaterstück ein, das von vornherein einen Hauptanziehungspunkt bildete. Die Besucher belohnten die Mitwirkenden daher auch mit nicht endenwollendem Beifall und wurden die Gäste zum Schlusse noch durch die Gewinne einer reichhaltigen Tombola erfreut.
Anmerkungen:  - Purim-Feier: https://de.wikipedia.org/wiki/Purim
- Bachurim: unverheiratet jüdischer junger Mann, meistens ein Studierender der Tora
- Hermann Brand: https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0364
- Landestheater: https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0364 
     

  
Generalversammlung des Verbandes der Ostjuden (1931)         

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1931: "Karlsruhe in Baden, 7. Dezember. Am 31. Dezember fand im Saale des Hotels Grüner Hof zu Karlsruhe die ordentliche Generalversammlung des Verbandes der Ostjuden, Ortsgruppe Karlsruhe, statt. - Herr A. Herschlikowitz eröffnete die sehr gut besuchte Versammlung und erstattete Bericht über die bisher geleitete Arbeit der Karlsruher Ortsgruppe. Alsdann gab er das Wort Herrn J. Lupolianski zu einem Referat über: 'Jüdische Wohltätigkeit in der Vergangenheit und Gegenwart'. Redner wies nach, wie selbst bei den klassischen Völkern, den Griechen und Römern, das Unterstützen von Armen nicht nur nicht geübt, sondern sogar verachtet und geringgeschätzt wurde. Ganz anders aber denkt das Judentum über den Armen und Bedürftigen, was das (Hebräisch)-Gesetz beweist. Im Mittelalter, da durch die vielen Verfolgungen und Bedrückungen eine große Anzahl Juden mittellos wandernd umherzogen, fanden sie, wohin sie auch kamen, bei ihren Brüdern ein offenes Haus und eine geöffnete Hand. Viele spanische Juden, deren Tisch immer gedeckt war, für jeden, der hungrig und durstig zu ihnen kam, ließen ihren Sarg aus den Brettern eben dieses Tisches zimmern, um anzudeuten, dass der Mensch nach dem Tode nichts als seine guten Taten mitnehme. So zeigt sich, führte der Redner aus, dass in allen Zeiten und Ländern Wohltätigkeit-Üben des Juden vornehmste Pflicht war. Er richtete dann den warmen Appell an alle Versammelten, in der jetzt herrschenden Not dieser Pflicht eingedenk zu sein und alle Kräfte aufzubieten, und die Wohltätigkeitsarbeit zu fördern und zu stützen. Die schönen und warmen Worte des Redners wurden mit großem Beifall aufgenommen. Es wurden folgende Herren in den Vorstan gewählt: H. Leiner, J. Lupolianski, S. Horowitz, A. Bock, J. Herzig, Majer Weiß, J. Psisucha, A. Herschlikowitz und E. Groß. - Herr Groß dankte dem scheidenden Vorstand für seine bisher geleistete Arbeit und schloss die Versammlung."
Anmerkungen: - Grüner Hof: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/B64EELSP4GJC5PIAGW3SRBNHZ6R3IHLF
- H. Leiner: Wahrscheinlich http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/2402/suche/L.html
- J. Lupolianski: Jakob und Josef Lupolianski http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/2602/seite/3/suche/L.html
- S. Horowitz: Samuel Horowitz  http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/1833/suche/H.html
- Majer Weiß:http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/4607/suche/W.html
- J. Psisucha: Wahrscheinlich Josef Przysucha http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/3396/suche/P.html
- A. Herschlikowitz: http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/1600/suche/H.html         

   
Purimfeier des Esra-Vereins (1934)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. März 1934: "Karlsruhe, 11. März. Am 3. März dieses Jahres veranstaltete der 'Esra' Karlsruhe im Munz’schen Konservatorium eine gelungene Purimfeier. Obgleich der 'Esra' hier zum ersten Male mit einer großangelegten Veranstaltung vor die Öffentlichkeit trat, war der Saal vollständig überfüllt Nach einigen einleitenden Worten, die vor allem die Wichtigkeit der Arbeit für Talmud Tauroh Limmud-Amt des Esra und Keren Hajischuw, denen auch der reichliche Reinerlös zufloss, hervorgehoben, nahm das etwa 3 ½stündige, abwechslungsreiche Programm seinen Anfang. Einige nette Theaterstücke, dazwischen Musik, Tanz der Kleinen, Couplets, hebräische und jiddische Lieder, letztere gesungen von Herrn Kantor Glußmann, dessen klangvoller Bariton besonders gut gefiel, ernteten begeisterten Beifall. Mit einem technisch schwierigen Stück, das der kleine Geigenkünstler Jacubowitz sehr schön spielte, endete der erste Teil der Veranstaltung. In der Pause wurde der Tombola, deren Erträge ebenfalls oben genannten Institutionen zufloss, eifrig zugesprochen. Dann folgten noch ein satirisches Stückchen: 'Handarbeitsabend bei Frau Kohn', das einige örtliche Verhältnisse unter die Lupe nahm, sowie ein sehr feines Purimstück, von einigen kleinen Jungen gespielt, das besonders mit Beifall bedacht wurde, sodass das zahlreich erschienene Publikum mit dem befriedigenden Bewusstsein nach Hause ging, einige vergnügte Stunden erlebt und dazu ein gutes Werk unterstützt zu haben."  
Anmerkungen:  - Purimfeier: https://de.wikipedia.org/wiki/Purim    https://de.chabad.org/library/article_cdo/aid/474612/jewish/Was-ist-Purim.htm
- Munz’sches Konservatorium: https://ka.stadtwiki.net/Munz%27sches_Konservatorium
     

 
Eine Gruppe der Agudas Jisroel Karlsruhe weiht ein neues Vereinszimmer ein (1937)         

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1937:  "Esra Pirche Agudas Jisroel Karlsruhe
Am Schabbat Hagadol hat die hiesige Gruppe der Esra Pirche Agudas Jisroel , die von ihr in den Räumen der Israelitischen Religionsgesellschaft neu hergerichteten Vereinszimmer eingeweiht. Die Namen, die die Jugend diesen Räumen gegeben, lassen den Ernst ihres Strebens erkennen. Das Hauptzimmer nannten sie 'Rabb. Dr. Sinai-Schiffer-Zimmer', in pietätvoller Erinnerung an den früheren langjährigen Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft. Ein weiteres erhielt den Namen 'Chofez-Chajim-Zimmer' als Zeichen der inneren Verbundenheit mit diesem Großen - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen - in dem seinen Namen tragenden Kibbuz der Agudas Jisroel (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Chafetz_Chaim_(Kibbuz). Ein weiteres verewigt in seinem Namen das Andenken an die Gründer der Beth-Jakow-Bewegung 'Leo Deutschländer und Sara Schenirer-Zimmer'. Das vierte nannten sie 'Erez-Israel-Zimmer'. Nach eigenen Entwürfen hat die Jugend diesen mit Zeichnungen und Bildern geschmückt. Besonders eindrucksvoll sind zwei Wandbänder. Sie tragen die Inschriften ('Einer dem andern stehen sie bei, und zum Bruder spricht jeder: sei stark!' Jesaja 41,6  - 'Das Land Israel ohne Tora ist wie ein Körper ohne Seele'). Bei der Einweihungsfeier, die von jüdischen Gesängen umrahmt war, wies Herr Rabbiner Dr. Michalski darauf hin, dass diese Wandsprüche die Namen der Zimmer eine hohe moralische Verpflichtung für die Jugend enthielten. Es sei eine ernste Mahnung, wie sie auch aus den Schlussworten der (Hebräisch) über die Einweihungstage des Stiftzeltes, zu Israel sprach, Herr Lehrer Rabinowitz knüpfte an diese Anführungen an. Der Führer, Meier Ettlinger, dankte allen, die sich um die Herrichtung der Räume gemüht. Im Auftrage des Vorstandes der Israelitischen Religionsgesellschaft übergab Herr Schwarz der Jugend das Benutzungsrecht der Räume und verband damit den Wunsch einer würdigen, der Tora und Gottesfurcht geweihten Bestimmung."
Anmerkungen: - Schabbat Hagagol  https://de.wikipedia.org/wiki/Schabbat_ha-Gadol  
- Rabbiner Dr. Sinai Schiffer:https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
- Chofez Chajim: https://de.wikipedia.org/wiki/Israel_Meir_Kagan
- Leo Deutschländer: 1888 in Berlin – 1935 in Wien, Pädagoge, der sich vor dem 1. Weltkrieg, um die jüdische Bildung in Litauen verdient gemacht hat
https://www.encyclopedia.com/religion/encyclopedias-almanacs-transcripts-and-maps/deutschlaender-leo   
- Sara Schenirer: Polnische Pädagogin, die sich für die Bildung von Mädchen einsetzte: https://en.wikipedia.org/wiki/Sarah_Schenirer  
- Lehrer Rabinowitz: Isaak Rabinowitz, Religionslehrer und Buchhändler, Karl-Friedrich-Straße 16   Israelitische Religionsgesellschaft: https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)  
         

     
     
     
Berichte zu besonderen jüdischen Einrichtungen in Karlsruhe  
  
Das israelitische Landesstift       
Über das Israelitische Landesstift (Internat für jüdische Seminaristen am Lehrerseminar) (1886)       

Karlsruhe AZJ 23111886.jpg (382589 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. November 1886: "Bei diesem Anlasse möchte ich auch noch auf eine in den jüngsten Tagen ins Leben gerufene, neue, höchst zweckmäßige Anstalt hier hinweisen, nämlich die Errichtung eines Internats für israelitische Zöglinge des Lehrerseminars, in welchem dieselben eine anständige Verpflegung, Wohnung und Überwachung finden sollen und so insbesondere mehr wie bisher auf den zeitraubenden, ihr Ehrgefühl verletzenden, sogenannten Wandertisch angewiesen sein werden. Über die vorbereitenden Schritte zum Zwecke der Anstaltsgründung und über die stattgehabte Eröffnung der Anstalt können Sie das Nähere aus der hier folgenden Veröffentlichung erleben. Karlsruhe, 4. Nov.
(Israelitisches Landesstift) Seit alter Zeit waren die israelitischen Zöglinge des hiesigen Lehrerseminars, da sie das mit diesem verbundene Internat nicht benützen konnten, genötigt, für Beschaffung von Wohnung und Beköstigung selbst Sorge zu tragen. Von Hause aus meist unbemittelt, mussten sie möglichst billige, wenn auch teilweise recht ungeeignete Zimmer zu mieten und den nötigen Unterhalt im Wege der Mildtätigkeit - mittels des sogenannten Wandertisches – zu erlangen suchen. Vor zwei Jahren nun stellte ein in England lebender Badener, welcher sich zurzeit an dem hiesigen Seminar für das Lehrfach ausgebildet und das Demütigende und Beschämende des 'Herumessens' an sich selbst bitter empfunden hatte, dem Großherzoglichen Oberrat der Israeliten die Summe von 2.000 M. als erste Grundlage für einen weiteren Fonds zur Gewährung freier Beköstigung an minderbemittelte israelitische Seminaristen zur Verfügung. Im vorigen Jahre ließ er weitere 2.000 M. folgen und ein anderer in England lebender Badener, welcher hiervon Kunde erhalten, sandte sofort ebenfalls 2.000 M. Nachdem so in kurzer Zeit ein Grundstock von 6.000 M. angesammelt war, wandte sich der Großherzogliche Oberrat unter Hinweis auf die edlen Vorbilder an die israelitischen Gemeinden des Landes, indem er dieselben mit Genehmigung der zuständigen Ministerien zur Sammlung freiwilliger Beiträge für den gleichen Zweck aufforderte.
Das Ergebnis war ein recht günstiges, indem auf diese Weise die Summe von 15.000 M. aufgebracht wurde, wovon die Israeliten der Residenz allein über 5.000, diejenigen in Mannheim  gegen 3.000 spendeten. Im Besitz dieser Mittel bemühte sich der Großherzogliche Oberrat, da es bisher auch an einer geeigneten Überwachung der in der Stadt zerstreut wohnenden israelitischen Seminaristen gefehlt hatte, ein vollständiges Internat für dieselben einzurichten, und es gelang auch hierfür bald eine passende Wohnung in günstiger Lage hiesiger Stadt (Zirkel Nr. 14) mietweise zu erwerben. Als Leiter der neu errichtenden Anstalt wurde Rabbiner Dr. Treitel, hier der bisherige Religionslehrer der israelitischen Seminarzöglinge, gewonnen.
Mit dem heutigen Tage ist nunmehr dieses Internat unter dem Namen 'Israelitisches Landesstift' ins Leben getreten, nachdem gestern Abend eine einfache, aber würdige und erhebende Einweihungsfeier stattgefunden hatte. An derselben beteiligten sich Mitglieder des Oberrats und des hiesigen Synagogenrats, der Großherzogliche Seminardirektor Leutz, Bezirksrabbiner Dr. Sondheimer von Heidelberg, Stadt- und Konferenzrabbiner Dr. Schwarz von hier und eine größere Anzahl sonstiger geladener Personen. Nach Vortrag eines Psalms durch den Chor der Zöglinge, hielt Oberrat Willstätter in markigen und von jugendlichem Feuer durchglühten Worten die Eröffnungsrede an deren Schlusse er die neue Anstalt ihrem Vorstande überantwortete und die Mitglieder des für dieselbe bestellten Verwaltungsrates in ihr Amt einführte. Direktor Dr. Treitel verbreitete sich hierauf in lichtvoller Ausführung über die Grundsätze, nach welchen er die ihm unterstellte Anstalt zu leiten gedenke und über die Aufgabe dieser letzteren als eines sich enge an die staatliche Lehrerbildungsanstalt anlehnenden Unternehmens. Nach Beendigung des eigentlichen Festaktes wurde ein Rundgang durch die Räume des Internats unternommen, deren Einteilung und innere Einrichtung allgemein befriedigte. Die ganze Wohnung besteht aus acht Zimmern, von welchen vier für die Familie des Direktors vorbehalten sind, eines als Konferenzzimmer dient und drei (zwei Schlafsäle, ein Ess- und Arbeitszimmer) zur Unterbringung der Zöglinge verwendet werden. Die Verköstigung wird von dem Direktor gegeben, die Internatsordnung enthält im Wesentlichen die für das Großherzogliche Lehrerseminar I. hier geltenden Bestimmungen.
Möge die neue Anstalt, welche einem längst gefühlten Bedürfnisse entspricht, indem sie die israelitischen Seminarzöglinge der zeitraubenden und ihr Ehrgefühl verletzenden Inanspruchnahme der Privatwohltätigkeit enthebt, allezeit zum Segen wirken!
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Treitel: Rabbiner Dr. phil Leopold Treitel https://en.wikipedia.org/wiki/Leopold_Treitel 
- Oberrat Willstätter: https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0652
- Konferenzrabbiner Dr. Schwarz: Rabbiner Dr. phil Adolf Schwarz https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0340 
- Lehrerbildungsanstalt: https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:ins-1557          

  
Bericht über das "Israelitische Landesstift" - zwei Jahre nach Eröffnung der Einrichtung (1888)     

Karlsruhe AZJ 04101888.jpg (287020 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Oktober 1888:  "Karlsruhe, 26. Sept. (Privatmitteilung)
Das 'Israelitische Landesstift' hat seinen Verwaltungsbericht über die ersten beiden Jahre seines Bestehens ausgegeben. Die Geschichte dieser neuen Veranstaltung ist interessant genug, um uns zu veranlassen, die betreffenden Stellen des Berichtes hier wiederzugeben.
Seit alter Zeit waren die israelitischen Zöglinge des allgemeinen Lehrerseminars zu Karlsruhe, da sie das mit diesem verbundene Internat nicht benützen konnten, genötigt, für Beschaffung von Wohnung und Beköstigung selbst Sorge zu tragen. Von Hause aus meist unbemittelt, mussten sie möglichst billige, wenn auch teilweise recht ungeeignete Zimmer mieten und den nötigen Unterhalt im Wege der Mildtätigkeit – mittelst de sogenannten Wandertisches – zu erlangen suchten. Vor zwei Jahren nun stellte ein in England lebender Badenser, welcher sich seiner Zeit an dem hiesigen Seminar für das Lehrfach ausgebildet und das Demütigende und Beschämende des 'Herumessens' an sich selbst bitter empfunden hatte, dem Großherzoglichen Oberrate der Israeliten die Summe von 2.000 Mark als erste Grundlage für einen Fonds zur Gewährung freier Verköstigung an minderbemittelte israelitische Seminaristen zur Verfügung. Im vorigen Jahre ließ er weitere 2.000 Mark folgen und ein anderer in England wohnender Badenser, welcher hiervon Kunde erhalten, sandte sofort ebenfalls 2.000 Mark. Nachdem so in kurzer Zeit ein Grundstock von 6.000 Mark angesammelt, wandte sich der Großherzogliche Oberrat unter Hinweis auf diese edlen Vorbilder an die israelitischen Gemeinden des Landes, indem er dieselben mit Genehmigung der zuständigen Ministerien zur Sammlung freiwilliger Beiträge für den gleichen Zweck aufforderte. Das Ergebnis war im Ganzen ein günstiges, indem auf diese Weise die Summe von 15.000 M. aufgebracht wurde, wovon die Israeliten der Residenz, obgleich sie bisher die Last des Wandertisches der israelitischen Seminaristen ausschließlich zu tragen hatten, allein über 5.000, diejenigen in Mannheim gegen 3.000, diejenigen in Heidelberg über 1.100 Mark spendeten. Im Besitze dieser Mittel bemühte sich der Großherzogliche Oberrat, da es bisher auch an einer geeigneten Überwachung der in der Stadt zerstreut wohnenden Seminaristen gefehlt hatte, ein vollständiges Internat für dieselben einzurichten, und es gelang auch, hierfür bald eine passende Wohnung in günstiger Lage hiesiger Stadt (Zirkel Nr. 14) mietweise zu erwerben. Als Leiter der neu zu errichtenden Anstalt wurde Rabbiner Dr. Treitel hier, der bisherige Religionslehrer der israelitischen Seminarzöglinge gewonnen.
Mit dem 1. November 1886 ist nunmehr dieses Internat unter dem Namen 'Israelitisches Landesstift' ins Leben getreten, nachdem am Abend vorher eine einfache, aber würdige und erhebende Einweihungsfeier stattgefunden hatte, bei welcher Herr Oberrat Willstätter eine sehr beredte Ansprache hielt. - Das Internat befasst jetzt acht Zöglinge und würde eine größere Anzahl aufgenommen werden, wenn die bis jetzt vorhandenen Geldmittel dazu ausreichten.
Da Herr Treitel anderweitig zu sehr in Anspruch genommen war, wurde eine eigene Lehrkraft für das Amt des Internatsvorstandes und Religionslehrers am Seminar in der Person des Lehrers und Predigers Daniel Einstein angestellt.
Den Unterricht in den Religionsfächern erhalten die          
Karlsruhe AZJ 04101888b.jpg (93931 Byte)Zöglinge in 6 Stunden wöchentlich. Derselbe erstreckt sich auf Übersetzen und Erklären des Pentateuchs und ausgewählter Psalmen, sowie geeigneter Stellen des Raschikommentars zum Pentateuch, ferner auf hebräische Sprachlehre, biblische und nachbiblische Geschichte und systematische Religionslehre. Außerdem erteilte Herr Stiftsrabbiner Weil hier in wöchentlich 2 Stunden Unterricht in der Mischnah und im Schulchan-Aruch.
In der Versehung des Kantorats erforderlichen Kenntnissen und praktischen Fertigkeiten unterrichteten Herr Oberkantor Rubin 1 Stunde und Herr Kantor Reichenberger 2 Stunden wöchentlich.
Die Einnahmen betrugen 28.974 M., die Ausgaben 5.000 M., sodass am 1. Januar 1888 ein Restvermögen von 23.693 M. Verblieb. Zur Deckung der Ausgaben musste ein Teil der gesammelten Kapitalien in Anspruch genommen werden und um so nachdrücklicher wendet sich der Verwaltungsrat an alle Israeliten Badens, für diese wohltätige Anstalt, durch welche ein tüchtiger Lehrerstand ermöglicht wird, mit gewohnter Opferwilligkeit beizutragen. Wir hoffen, dass dieser Aufruf seine Wirkung nicht verfehlen wird und dass besonders die Gemeinden einen regelmäßigen Beitrag auf ihren Etat nehmen werden." 
Anmerkungen: - Oberrat Willstätter: Rabbiner Benjamin Willstätter https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0652
- Rabbiner Dr. Treitel: Rabbiner Dr. phil. Leopold Treitel https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/1012367827/Treitel+Leopold+Jakob+Jehuda
- Daniel Einstein: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-einstein/DE-2086/lido/57c6a294205994.38066637
- Pentateuch: Fünf Bücher Mose https://de.wikipedia.org/wiki/Tora
- Raschi: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/64590/
- Mischnah:https://de.wikipedia.org/wiki/Mischna
- Schulchan-Aruch:https://de.wikipedia.org/wiki/Schulchan_Aruch 
- Oberkantor Rubin: Oberkantor Samuel Rubin (1846 .1909) war ein Schüler von Kantor Salomon Sulzer https://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_Sulzer      

       
       
        

        

        

        

 

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Stand: 30. Juni 2020