Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Neuwiller-lès-Saverne (Neuweiler, Dep. Bas-Rhin, Alsace / Unterelsass) 
Jüdische Geschichte  /  Synagogue / Synagoge
  
  

Übersicht:  

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Sonstiges    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

     

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde            
    
In Neuwiller bestand eine jüdische Gemeinde bis in die 1930er-Jahre. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurück. Doch gab es bereits im Mittelalter Juden in der Stadt (Stadtrechte seit 1327). 1322 lebte hier ein Jude Joseph, der damals von Ludwig dem Bayern verpfändet wurde. 1336 wird eine Schuld Ludemanns von Lichtenberg bei den Juden in Neuweiler erwähnt. Von der Verfolgung in der Pestzeit waren auch die Juden der Stadt betroffen; vermutlich wurde damals für längere Zeit das jüdische Leben in der Stadt vernichtet. 
  
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 15./16. Jahrhunderts zurück. Ein spätestens in dieser Zeit belegter Friedhof lag am Rande der Festung der Stadt. Von ihm sind noch Grabsteine (?, zumindest Namenssteine) erhalten, die in einer Mauer eingefügt wurden (chemin des Remparts).  
   
Im 17./18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner langsam zu. 1784 wurden 14 jüdische Familien mit zusammen 73 Personen gezählt.    
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1807 111 jüdische Einwohner, 1846 166, 1861 152, 1870 159, 1900 67, 1910 107.  

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule und ein rituelles Bad. Ein neuer jüdischer Friedhof wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Saverne (Zabern; vgl. Bericht zur Einweihung der Synagoge, die durch den Rabbiner aus Zabern vorgenommen wurde).    
 
1936 wurden noch 13 jüdische Einwohner in Neuwiller gezählt. Diejenigen, die in den folgenden Jahren Neuwiller nicht verlassen konnten, wurden unter der deutschen Besatzung 1940 nach Südfrankreich deportiert.   
  
Von den in Neuwiller geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Lucien Behr (1869), Blanche Hirtz (1931), Hortense Israel geb. Joseph (1890), Samuel Joseph (1858), Léon Joseph (1917), Hermann Kahn (1883), Leon Kahn (1912), Lucien Kahn (1912), Myria Kraemer (1890).
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1884 / 1904 

Neuweiler Elsass Israelit 11081884.jpg (46443 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. August 1884: "Die Stelle eines Religionslehrers, Kantors und Schächters in Neuwiller (Elsass) ist vakant. Fixer Gehalt 600 Mark. Der Dienst des Schächters bringt ca. 200 Mark und kann sich noch steigern. Bewerber wollen unter EInsendung ihrer Zeugnisse an den Unterzeichneten sich wenden. 
Marx Wolf, Vorsteher."      
     
Neuweiler Elsas FrfIsrFambl 12081904.jpg (36781 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. August 1904: "Chasan (Kantor)
sucht die Kultusgemeinde Neuweiler, Kreis Zabern im Elsass, wenn möglich per sofort. Ledige Bewerber bevorzugt. Reflektanten wollen sich an Herrn Samuel Josef, Neuweiler, wenden."      

  
Der Vorbeter stirbt an Suizid (1900)    

Neuweiler Elsass Israelit 08111900.jpg (31466 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November 1900: "Neuweiler (bei Buchsweiler), 4. November (1900). Der erst seit einigen Monaten hier amtierende Vorbeter machte gestern seinem Leben durch den Strick ein Ende. Er wurde an seiner Stubentür tot aufgefunden. Nähere Ursachen sind nicht bekannt. Man munkelt jedoch dabei, er sei geisteskrank gewesen. Q."      

   
    
Sonstiges        
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: 
Grabstein in New York für Mina Wright aus Newviller (1822-1873)   
   
Anmerkung: das Grab befinden sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn; die Geburtsnamen von Heymann und Mina Wright werden nicht mitgeteilt

Schaffhousen New York Salem 1673.jpg (107536 Byte)   Schaffhousen New York Salem 1673a.jpg (138247 Byte)   Grabstein für 
"Heymann Wright  
Born in Schaffhouse France  September 28th 1812  
Died February  21st 1874"  und 
"Mina Wright 
Born in Newviller  France  February 19th 1822  
Died September 27th 1873".      

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge         
    
Eine ältere Synagoge unbekannten Baujahres (vermutlich aus dem 18. Jahrhundert) war vorhanden. Sie wurde 1843 noch einmal renoviert und erweitert.  Zum Zeitpunkt der Einweihung der neuen Synagoge erschien sie der Gemeinde allerdings wie eine "Nothütte" aus vergangener Zeit (siehe Bericht unten).
       
Eine neue Synagoge konnte am 22. September 1875 eingeweiht werden. Architekt Louis Furst hatte die Pläne gezeichnet.     
         
Die Einweihung der Synagoge im September 1875    

Neuweiler Elsass Israelit 13101875.jpg (167987 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Oktober 1875: "Neuweiler (Elsass), 22. September (1875). Heute feierte die hiesige israelitische Gemeinde ein schönes und höchst gelungenes Fest. Die neue, in maurischem Baustile erbaute Synagoge sollte eingeweiht werden. Von nah und fern strömten, trotz des Regens, zahlreiche Festgäste herbei. Um 10 Uhr versammelten sich dieselben im Gemeindehause. Der Gemeinderat, den Herrn Bürgermeister an der Spitze, der Herr Kreisdirektor nebst anderen höheren Beamten des Kreises hatten sich zur Feier eingefunden. Gegen 11 Uhr setzte sich der Festzug, unter dem Klange einer heiteren Musik in Bewegung. Vor der alten Synagoge, die wirklich eine Nothütte gewesen war, hielt man stille, um die Gesetzrollen (Torarollen) herauszuholen und dem alten Gotteshause Valet zu sagen. Hierauf begab man sich, unter Begleitung einer zahlreichen Volksmenge, worunter viele Christen, in die herrlich geschmückt neue Synagoge, wo die Lichter bereits auf dem siebenarmigen Leuchter neben der heiligen Lade und dem prachtvollen Kronleuchter mitten im Betsaale brannten. Nach einem feierlichen Gesange wurden die Gesetzrollen in das Heiligtum gebracht, um dort verwahrt zu werden. Hierauf trat Herr Rabbiner Dreyfus aus Zabern vor und hielt in fließender Sprache eine gehaltvolle Rede. Anknüpfend an eine Stelle des Propheten Jesaja, in welcher zum Danke gegen Gott aufgefordert wird, sprach er zuerst seinen und der ganzen israelitischen Gemeinde Dank aus für das neue Gotteshaus. Aber auch die Wohltäter und Förderer des Werkes und insbesondere die hohe Regierung, die, beiläufig gesagt, einen Beitrag von 9.000 Franken, worunter 1.000 von der Kaiserin Augusta gegeben hatte, sollten in dieser festlichen Stunde nicht vergessen  
Neuweiler Elsass Israelit 13101875a.jpg (221386 Byte)werden. Wenn, fuhr der Redner fort, man einen Vergleich zieht zwischen dem alten Gotteshause und dem neuen, so muss man unwillkürlich an den früheren Zustand der Israeliten und an den jetzigen denken. Früher war das Volk Israel verspottet und verachtet und seufzte unter schwerem Drucke, jetzt hingegen genießt es alle Wohltaten, die anderen Staatsbürger zuteil werden. Früher waren auch die heiligen Lehren der Israeliten nicht genugsam bekannt und doch ist die Summa derselben: Liebe Gott von Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst! Die israelitische Religion ist nicht fanatisch; sie lehrt Duldsamkeit und will mit anderen Konfessionen in Frieden leben. Deutschland gebührt der Ruhm, diese Grundsätze der Toleranz am ersten aufgestellt zu haben; dort stand vor hundert Jahren ein zweiter Moses auf. Moses Mendelssohn, der Rabbi aus Dessau, der in seinen geistvollen Schriften das Prinzip der Aufklärung und der Duldsamkeit verteidigte. Als die große Staatsumwälzung der französischen Revolution ausbrach, da drangen diese Ideen unter alle Völker Europas und errangen den Israeliten ihre bisher so bekümmerten bürgerlichen Rechte. Das Alles, dieser Rückblick auf die Vergangenheit stimmt zum Danke, aber diesen Dank wird die Gemeinde am besten beweisen durch Liebe und Achtung gegen Andersgläubige und durch Eintracht und Frieden in der eigenen Gemeinde, dann wird dies Haus auch das werden, was seine Überschrift anzeigt, nämlich ein Bethaus für alle Völker.  
Nach dem Schlussgebet und dem Halleluja-Gesang verließ die Versammlung das neue Gotteshaus, dessen Eingang mit Tannenbäumen geschmückt war, die der Herr Oberförster mit der größten Bereitwilligkeit hatte aufstellen lassen. Ein Festmahl vereinigte die Israeliten im Hause des Herr Kaffeewirtes Wolf, der um die Gründung des neuen Bethauses die größte Verdienste hat; die Christen hingegen begaben sich in das Gasthaus von Herrn Metra, wo sie bis abends fröhlich beisammen waren.  
Ein schönes Beispiel von Duldsamkeit hat die Gemeinde Neuweiler gegeben. Drei Konfessionen wohnen da im Frieden nebeneinander, das war der wohltuende Eindruck des Festes. Warum ist es nicht überall so? (Straßburger Bote)."  
      
Neuweiler Elsass Israelit 02011876s.jpg (45543 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar 1876: "Aus dem Elsass, 22. Dezember (1875). Neulich wurde eine neue und recht schöne Synagoge in Neuweiler im Elsass eingeweiht. Der Bürgermeister, der Stadtrat und viele andere städtische Beamte waren bei der Zeremonie zugegen. Die deutsche Regierung hat an 8.000 Francs zum Baufond gegeben und auch von der Kaiserin Augusta ist eine Schenkung von 1.000 Francs gemacht worden."      

Bereits in den 1930er-Jahren konnten keine Gottesdienste mehr in der Synagoge abgehalten werden, da der Minjan nicht mehr zustande kam. Die Synagoge wurde aufgegeben.  
    
Nach 1945 blieb das Gebäude zwar erhalten, wurde jedoch - auch äußerlich - stark umgebaut und als Lager verwendet.   
    
    
Adressen/Standorte der Synagogen 
    
Alte Synagoge des 18. Jahrhunderts in der rue du Général Leclerc (1952 abgebrochen); 
neue Synagoge von 1875 in der 5 faubourg de Maréchal-Clarke    
    
    
Fotos   

Die Synagoge in 
Neuwiller les Saverne 
Neuwiller les Saverne Synagogue 125.jpg (30326 Byte) Neuweiler Synagoge 202.jpg (21111 Byte)  Neuweiler Synagoge 203.jpg (23598 Byte) Neuweiler Synagoge 203a.jpg (62591 Byte)
  Die Fotos dürften Ende des 
19. Jahrhunderts entstanden sein. 
 Historische Ansichtskarte mit Hauptstraße,
 Katholische Kirche und Synagoge  
     
Das Gebäude der ehemaligen 
Synagoge in Neuwiller
(Quelle: Rothé/Warschawski S. 100)   
Neuwiller les Saverne Synagogue 120.jpg (103395 Byte)  
       
     
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge
 im Dezember 2016 
(Fotos: Christopher Schadt, Karlsruhe)  
Neuwiller DSC_3782.jpg (152729 Byte) Neuwiller DSC_3786.jpg (181363 Byte)
  Blick auf die ehemalige Synagoge im Gegenlicht   Blick auf die Synagoge mit Eingangsportal 
  Das Foto in hoher Auflösung   Das Foto in hoher Auflösung   
     
  Neuwiller DSC_3787.jpg (849175 Byte) 
  Das zerrissene Blatt ist die einzige Information zur Synagoge; es weist darauf hin, dass es verboten ist, das Gelände zu betreten.  

   
    

Links und Literatur   

Links: 

bulletWebsite der politischen Gemeinde Neuwiller    
bulletFranzösische Informationsseite zur Synagoge in Neuwiller   
bulletWebsite des Ministere de la culture mit Informationsseite zur Synagoge in Neuwiller  
bulletZur Seite über die jüdischen Friedhöfe in Neuwiller (interner Link)       

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,2 S. 585.  
bulletAlsace Lit 010.jpg (67412 Byte)Michel Rothé / Max Warschawski: Les Synagogues d'Alsace et leur Histoire. Ed. 'Chalom Bisamme' Jerusalem 1992. S.100.   
bulletNeuwiller-lès-Saverne au fil du temps... Reihe: Les Editions de Provence - Forcalquier 2011. Abschnitt zur jüdischen Geschichte (eingestellt als pdf-Datei).   

    
   n.e.        

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 15. Oktober 2013