Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Wiesbaden (Hessen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt im 19./20. Jahrhundert 
 
 Berichte zu den Rabbinern der Israelitischen Kultusgemeinde im 19./20. Jahrhundert 
Berichte zu den Rabbinern der "Altisraelitischen Kultusgemeinde" siehe Seite zur "Altisraelitischen Kultusgemeinde"   

Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Wiesbaden wurden in jüdischen Periodika gefunden. 
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.  
Die Texte wurden dankenswerterweise von Susanne Reber (Mannheim) abgeschrieben und mit Anmerkungen versehen.     
    

   
 
Übersicht:  

bulletÜbersicht über die Rabbiner in Wiesbaden im 19./20. Jahrhundert  
Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde 
Rabbiner der orthodoxen Partei / Israelitischen Religionsgesellschaft beziehungsweise ab 1879 der Altisraelitischen Kultusgemeinde in Wiesbaden  
bulletBerichte zu den Rabbinern der Israelitischen Kultusgemeinde 
-  Neue Rabbinatseinteilung sowie Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Rabbiner Dr. Höchstädter und Rabbiner Igstädter (Ickstädter) (1843) 
-  70. Geburtstag von Rabbiner Dr. Samuel Süskind (1882)  
-  Rabbiner Dr. Samuel Süskind darf in den Ruhestand mit fast vollem Gehalt (1883) 
-  Ausschreibung der Rabbiner-Stelle (1883)  
-  Rabbiner Dr. Michael Silberstein wird vor seinem Wechsel nach Wiesbaden in Mühringen verabschiedet (1884)  
-  Amtseinführung von Rabbiner Dr. Michael Silberstein (1884) 
-  Die Antrittspredigt von Rabbiner Dr. Michael Silberstein wird veröffentlicht (1884/85) 
-  80. Geburtstag von Rabbiner Dr. Samuel Süskind (1892 in Frankfurt)  
-  Bezirksrabbiner Dr. Michael Silberstein ist zur Enthüllung des Kaiser Friedrich-Denkmals geladen (1897) 
-  Rabbiner Dr. Michael Silberstein ist zur Einweihung des neuen Kurhauses eingeladen (1907) 
-  Abschiedsfeier für Rabbiner Dr. Michael Silberstein (1908)  
-  Abschiedspredigt von Rabbiner Dr. Michael Silberstein (1908)  
Wahl von Rabbiner Dr. Adolf Kober zum Stadt- und Bezirksrabbiner in Wiesbaden (1908)
-  Amtseinführung von Rabbiner Dr. Adolf Kober (1908)   
-  Zum Tod von Rabbiner Dr. Michael Silberstein (1910) 
bulletBerichte zu den Rabbinern der Altisraelitischen Kultusgemeinde siehe auf der Seite zur Altisraelitischen Kultusgemeinde  
bulletBerichte zu den Lehrern und weiteren Kultusbeamten der Israelitischen Kultusgemeinde  
Lehrer Emanuel Traub empfiehlt seine private Schülerpension (1877) 
Oberkantor und Lehrer Emanuel Traub und seine Frau feiern silberne Hochzeit (1890)  
-  Verschärfte Bestimmungen für das Schächten und ihre Auswirkungen für Wiesbaden und Biebrich (1890)   
-  25-jähriges Dienstjubiläum von Oberkantor Emanuel Traub (1895)  
Unter den Gefallenen des Ersten Weltkrieges ist auch Lehrer Benno Rosenstock in Wiesbaden (1914)   
bulletBerichte zu den Lehrern und weiteren Kultusbeamten der Altisraelitischen Kultusgemeinde siehe auf der Seite zur Altisraelitischen Kultusgemeinde 
bulletSonstiges   
Über einen 1761 in Wiesbaden gestorbenen Mohel und sein Mohel-Buch (Beitrag von 1911)   
Generalversammlung des Vereins israelitischer Lehrer im ehemaligen Herzogtum Nassau (1912) 

      
      
Übersicht über die Rabbiner in Wiesbaden im 19./20. Jahrhundert 
      
Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde      

bullet1769 bis 1790 Rabbiner Abraham Tendlau (gest. 1790 in Wiesbaden), war 1760 aus Tennenlohe (heute: Stadt Erlangen) nach Wiesbaden gekommen.   
bullet1790 bis 1829 Rabbiner Heyum Tendlau (gest. 1829 in Wiesbaden). 
bullet1832 bis 1838: Rabbiner Dr. Abraham Geiger (geb. 1810 in Frankfurt am Main, gest. 1874 in Berlin): studierte in Heidelberg, Bonn und Marburg; war seit 1832 Rabbiner in Wiesbaden; seit 1838 zweiter Rabbiner in Breslau, seit 1844 erster Rabbiner ebd.; 1863 Rabbiner in Frankfurt am Main, 1870 Rabbiner an der Neuen Synagoge in Berlin; maßgeblich tätig bei der Eröffnung der "Hochschule für die Wissenschaft des Judentums" 1872 in Berlin.  
bullet1843 bis 1844: Rabbiner Dr. Benjamin Höchstätter (geb. 1811 in Binswangen, gest. 1888 in Frankfurt am Main): studierte in München; 1833 Lehrer und Prediger in Heddernheim, 1838 Lehrer und Prediger in Wiesbaden, 1843 provisorisch zum Bezirksrabbiner für Wiesbaden eingesetzt; 1844 Lehrer und Rabbinatsverweser in Bad Schwalbach (Langenschwalbach), 1848 Bezirksrabbiner ebd.; 1851 Verlegung des Bezirksrabbinats nach Bad Ems; 1883 in den Ruhestand nach Frankfurt am Main.     
bullet1844 bis 1884: Rabbiner Dr. Samuel Süskind (geb. 1811 in Kirchheimbolanden, gest. 1894 in Frankfurt am Main): studierte in München; 1843 Bezirksrabbiner in Weilburg a. d. Lahn, 1844 Bezirksrabbiner in Wiesbaden. 
bullet1884 bis 1908: Rabbiner Dr. Michael Silberstein (geb. 1834 in Witzenhausen, gest. 1910 in Wiesbaden): studierte in Berlin, Kassel und Breslau: 1858 Leiter einer Religionsschule in Pleszew (Pleschen), Provinz Posen; 1860 Religionslehrer und Prediger bei der Kreissynagoge in Lyck, Ostpreußen; 1868 Bezirksrabbiner in Buttenhausen, 1874 Bezirksrabbiner in Mühringen, seit 1884 Bezirksrabbiner in Wiesbaden. 
bullet1908 bis 1918: Rabbiner Dr. Adolf Kober (geb. 1879 in Beuthen, Oberschlesien, gest. 1958 in New York): studierte in Breslau; 1906 bis 1908 Hilfsrabbiner und Religionslehrer in Köln; 1908 bis 1918 Bezirksrabbiner in Wiesbaden; 1918 bis 1939 Rabbiner der Synagogengemeinde in Köln;  1939 in die USA emigriert; gründete in New York eine Gemeinde für deutsche Emigranten. 
bullet1918 bis 1938: Rabbiner Dr. Paul Pinchas Lazarus (geb. 1888 in Duisburg-Hamborn, gest. 1951 in Haifa): studierte in Breslau, Marburg und Erlangen; 1914 zweiter Rabbiner in Essen, 1916 bis 1918 Feldrabbiner; 1918 bis 1938 Bezirks- und Stadtrabbiner in Wiesbaden; 1939 Emigration nach Haifa, Palästina, wo er Rabbiner einer Einwandergemeinde wurde. An Rabbiner Dr. Lazarus erinnert in Wiesbaden die "Paul-Lazarus-Straße".   
bullet1939: Rabbiner Dr. Bruno Finkelscherer (geb. 1906 in München, verschollen 1943 im KZ Auschwitz): studierte in Breslau; 1930 Rabbiner in Göttingen, 1933 Religionslehrer und Rabbinatsassistent in München, 1939 Rabbiner in Wiesbaden, 1940 bis 1942 Rabbiner in München, 1943 nach Auschwitz deportiert.
bullet1940 bis 1942: Rabbiner Hansjörg Hanff (geb. 1915 in Stettin, verschollen 1942 nach Deportation in Osteuropa): studierte in Berlin; 1939 bis 1940 Lehrer im jüdischen Waisenhaus Berlin-Pankow, 1940 Rabbinerexamen, anschließend Rabbiner in Wiesbaden; im Mai 1942 deportiert. 

    
Rabbiner der orthodoxen Partei / israelitischen Religionsgesellschaft beziehungsweise ab 1879 der Altisraelitischen Kultusgemeinde in Wiesbaden   

bullet1830 bis 1853: Rabbiner Samuel Ickstädter (geb. 1806 in Igstadt, gest. 1863 in Hamburg): war zunächst als Talmudlehrer in Wiesbaden tätig, bewarb sich um 1830 um das Wiesbadener Rabbinat; wird von der orthodoxen Partei als legitimer Rabbiner anstatt des gewählter Abraham Geiger angesehen; war in der Folgezeit die Wohnsitz in Wiesbaden zu Amtshandlungen befugt in den Gemeinden Bierstadt, Biebrich und Schierstein sowie in allen Gemeinden der Ämter Hochheim und Königstein sowie in Hattersheim; war halboffizieller orthodoxer Rabbiner für den Rabbinatsbezirk Wiesbaden; seine Wiesbadener Separatsynagoge wird im Februar 1852 gerichtlich verboten; seit 1853 Stiftsrabbiner an der Lob-Schaul-Klaus in Hamburg.  
bullet1869 bis 1925 / 1936: Rabbiner Dr. Leo Lipman Kahn (geb. 1842 in Sulzburg, gest. 1936 in Wiesbaden): studierte in Berlin und Würzburg; zunächst Rabbinatsassistent in Berlin; gründete 1869 die Altisraelitische Kultusgemeinde in Wiesbaden und war bis 1925 deren Rabbiner und Religionslehrer; blieb auch nach seinem Ruhestand 1925 in Wiesbaden. 
bullet1925 bis 1938: Rabbiner Dr. Jonas Ansbacher (geb. 1879 in Nürnberg, gest. 1967 in London): studierte in Erlangen, Zürich und Gießen: 1906 Rabbiner in Labischin, Posen, 1911 Rabbiner der orthodoxen Gemeinde Adass Jeschurun in Heilbronn, 1920/22 bis 1925 Rabbiner der orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft in Stuttgart, 1925 bis 1938 Rabbiner der Altisraelitischen Kultusgemeinde in Wiesbaden; nach dem Novemberpogrom 1938 im KZ Buchenwald interniert, 1939 nach England emigriert; 1941 bis 1955 Rabbiner in Hampstead, London.    

    
    
Berichte zu den Rabbinern der Israelitischen Kultusgemeinde  
Neue Rabbinatseinteilung sowie Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Rabbiner Dr. Höchstädter und Rabbiner Igstädter (1843)  
Anmerkung: 1843 wurde eine Einteilung in vier Rabbinatsbezirke vorgenommen: Wiesbaden, Diez, Weilburg und Langenschwalbach   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. August 1843: "Wiesbaden, im August (1843). Vor einigen Tagen hat unsere hohe Landesregierung die Rabbinats-Bezirks-Einteilung geordnet, und die Theologen für dieselben bestimmt. Nämlich: 1) die jüdischen Gemeinden in den Amtsbezirken Wiesbaden, Rüdesheim, Eltville, Hochheim, Höchst, Königstein und Idstein sind hinsichtlich der Konfirmation, Religions-Schul-Visitation und zur Hälfte auch der Kopulationen dem Dr. Höchstädter übertragen, hinsichtlich der anderen Hälfte der Kopulationen dem früheren Privatrabbiner Igstädter; 2) Diez, Limburg, Hadamar, Montabaur, Wallmerod, Selters und Hachenburg dem Dr. Wormser; 3) Weilburg, Runkel, Mennerod (gemeint: Rennerod), Herborn und Usingen dem Dr. Süßkind; 4) Langenschwalbach, Wehen, Nastätten, St. Goarshausen, Nassau und Braubach dem vormaligen Landrabbinen S. Wormser mit einem Substituten für die jährlichen Konfirmationen und Schulvisitationen".        

 
70. Geburtstag  von Rabbiner Dr. Samuel Süskind (1882)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Januar 1882: "Der 'Rheinische Kurier' schreibt aus Wiesbaden: Am verflossenen Dienstag, 20. des Monats, beging Herr Bezirksrabbiner Dr. Süskind seinen 70. Geburtstag. Die hiesige israelitische Kultusgemeinde nahm hiervon Veranlassung, demselben den Tribut ihrer Achtung und Wertschätzung darzubringen. Der Vorstand, Herr David Fay, überreichte ihm, wie wir höre, namens der Gemeinde, eine nicht unansehnliche Gratifikation und begleitete die Übergabe derselben mit einer sinnreichen Ansprache. Der Synagogen-Gesang-Verein überraschte ihn schon am Vorabende durch ein gelungenes Ständchen. Der Präsident desselben, Herr B. Straus, richtete Worte der Anerkennung und Liebe an den Jubilar, die von dem überraschten und sichtlich geehrten Herrn Rabbiner durch eine alle Anwesenden ergreifende Improvisation erwidert wurden und die Vereinsmitglieder am Schlusse zu einem lebhaften Hoch begeisterten. Viele Mitglieder der israelitischen Gemeinde fanden sich bei Herrn Süskind ein, sprachen ihm ihre Glückwünsche aus und überhäuften ihn mit den verschiedenartigsten Aufmerksamkeiten. Obgleich die Kunde von dem bevorstehenden 70. Geburtstage nur wenig in die Öffentlichkeit gedrungen war, so lief doch des Tages über von Nah und Fern, vom In- und Auslande eine große Anzahl von Telegrammen und Beglückwünschungsschreiben seiner Kollegen, Freunde und Verehrer ein, die beredtes Zeugnis ablegten von der allgemeinen Achtung, die er nach außen hin genießt und von dem bedeutenden Rufe, dessen er sich weithin erfreut."  
Anmerkung: - Rabbiner Dr. Süskind: https://www.bbkl.de/index.php/frontend/lexicon/S/Su/suesskind-samuel-71078  
        

   
Rabbiner Dr. Samuel Süskind darf in den Ruhestand mit fast vollem Gehalt (1883)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Juni 1883: "Bonn, 27. Mai (Notizen). Das 'Wiesbadener Tagblatt' berichtet: In einer vom Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde am Sonntagvormittag berufenen und zahlreich besuchten Gemeindeversammlung wurde beschlossen, den nun seit ca. 40 Jahren in hiesiger Gemeinde als Prediger und Seelsorger wirkenden, von königl. Regierung auch als Bezirksrabbiner angestellten, wegen seiner großen Gelehrsamkeit und vorzüglichen Rednergabe in weiten Kreisen bekannten Herrn Rabbiner Dr. S. Süskind vom Herbst laufenden Jahres ab mit fast vollem Gehalt in den wohlverdienten Ruhestand zu versetzen."
Anmerkung: - Wiesbadener Tagblatt: https://de.wikipedia.org/wiki/Wiesbadener_Tagblatt
          

  
Ausschreibung der Rabbiner-Stelle (1883)      

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. August 1883: "Die Rabbiner-Stelle in Wiesbaden, seit 40 Jahren von Herrn Rabbiner S. Süskind bekleidet, welcher am 1. April laufenden Jahres in den Ruhestand tritt, soll anderweitig besetzt werden. Dem neu anzustellenden Rabbiner wird, bei genügender Qualifikation von Königlicher Regierung auch das Bezirksrabbinat übertragen werden. Anfangsgehalt: Mk. 2.850, -, exklusive beträchtlicher Nebeneinkünfte und Pensionsberechtigung.
Akademisch gebildete Reflektanten belieben ihre Anmeldungen unter Beifügung ihrer Zeugnisse bis zum 20. August laufenden Jahres an den Unterzeichneten zu richten
Der Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde zu Wiesbaden.
Simon Hess."  
       

  
Rabbiner Dr. Michael Silberstein wird vor seinem Wechsel nach Wiesbaden in Mühringen verabschiedet (1884)     

Muehringen AZJ 20051884.jpg (67719 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Mai 1884: "Am 4. Mai fand in Mühringen eine solenne Abschiedsfeier für den zum Rabbiner nach Wiesbaden berufenen Dr. M. Silberstein daselbst statt, an der sich außer den Deputierten der israelitischen Bezirksgemeinden auch sehr viele christliche Notabilitäten (katholische Geistliche, Lehrer, Beamte, Ärzte und Private) und die bürgerlichen Kollegien beteiligten. Unter den vielen Rednern waren auch der Pfarrer Maier in Mühringen und Schulinspektor Dr. Menz von Bieringen (gemeint: Bieringen, heute Stadt Rottenburg am Neckar). Dem Scheidenden, der sich durch seine Leistungen auf der Kanzel wie durch seine Wirksamkeit für das religiöse Wohl der ihm unterstellten Gemeinden die vollste Sympathien derselben erworben und erhalten hat, wurde ein sehr wertvolles Geschenk überreicht."
Anmerkungen: - Solenn: festlich, feierlich
- Rabbiner Dr. Michael Silberstein: https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Silberstein          

 
Amtseinführung von Rabbiner Dr. Michael Silberstein (1884)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Juni 1884:  "Wiesbaden, 19. Mai. Der 'Rheinische Kurier' berichtet: Zu der auf Samstag den 17. des Monats festgesetzten Feier der Einführung des Herrn Dr. Silberstein in sein Amt als Bezirksrabbiner hatte sich die Synagoge mit Andächtigen dicht gefüllt. Kurz nach 9 Uhr betraten die Herren Landrat Graf von Matuschka, Herr Dr. Silberstein sowie die Herren Vorsteher der Gemeinde, die Synagoge. Nach dem Absingen eines Psalmes seitens des Gesangvereins ergriff der Herr Landrat das Wort, um im Auftrage Königlicher Regierung der Gemeinde ihren neuen Seelsorger vorzustellen, der gestern bereits von ihm als solcher auf treue Dienstführung verpflichtet worden sei. Indem er besonders darauf hinwies, dass diese Form der Vorstellung gewählt wurde, um der Gemeinde die Wichtigkeit und hohe Bedeutung dieses Aktes zu vergegenwärtigen, hofft er, dass die letztere ihrem Geistlichen mit Vertrauen und Wohlwollen entgegenkomme, forderte den Vorstand auf, denselben in seinem schwierigen Amte gewissenhaft zu unterstützen und beglückwünschte Herrn Dr. Silberstein zu seinem neuen Amte. - Letzterer begann hierauf seine neue Wirksamkeit, indem er die Kanzel betrat und mit hinreißender Beredsamkeit vorgetragenen Rede schilderte er die Aufgaben und Pflichten eines Seelsorgers und entwarf ein umfassendes Bild von dem schweren, aber auch schönen und edlen Berufe eines Seelenhirten, sowie von den Pflichten der Gemeindeglieder, welche ihn in seinem Amte durch vertrauensvolle Mitwirkung unterstützen müssen, da nur unter gegenseitiger eifriger Wirksamkeit ein blühendes Gemeindewesen gedeihen könne. - Es ist schwer, den Eindruck zu schildern, den der Herr Rabbiner, der eine bedeutende Rednergabe besitzt, wohl auf jeden einzelnen der Zuhörer hervorrief. Tief ergriffen lauschte jeder der herrlichen, einstündigen Predigt und wir können der Gemeinde zu einem so vorzüglichen Kanzelredner nur herzlichst Glück wünschen. Wie wir hören, wird Herr Dr. Silberstein, auf Wunsch vieler Gemeindemitglieder, die Predigt durch Druck vervielfältigen lassen. Zum Schluss trug der Synagogen-Gesangverein, der in anerkennenswerter Weise durch seinen schönen Gesang wesentlich zur Erhöhung der Feier beitrug, ein Quartett aus 'Elias' vor."  
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Silberstein:https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Silberstein
- Graf von Matuschka: https://de.wikipedia.org/wiki/Guido_von_Matuschka-Greiffenclau
- Synagogen-Gesangverein: Vgl. Artikel von 1913   
- Elias: https://de.wikipedia.org/wiki/Elias_(Mendelssohn)          

  
Die Antrittspredigt von Rabbiner Dr. Michael Silberstein wird veröffentlicht (1884/85)       

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. April 1885:  "Je weniger gegenwärtig die jüdische Homiletik in der Literatur eine gedeihliche Pflege findet, desto eher fühlen wir uns verpflichtet, die einzeln erschienenen Predigten an dieser Stelle aufzuführen. 'Das geistliche Amt – Ein Hirtenamt', Antrittspredigt des Dr. M. Silberstein als Stadt- und Bezirksrabbiner in Wiesbaden (Wiesbaden, Rodrian, 1884)."  
Anmerkung: - Homiletik: https://de.wikipedia.org/wiki/Homiletik  
       


80. Geburtstag von Rabbiner Dr. Samuel Süskind (1892 in Frankfurt)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Januar 1892: "Frankfurt a. M., 28. Dez. Herr Rabbiner S. Süskind aus Wiesbaden feierte jüngst hier seinen 80. Geburtstag. Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde sowie der des 'Synagogen-Gesangvereins' entsandten je 3 Mitglieder, welche dem Jubilar die Ehrengeschenke namens der Gemeinde, respektive der Vereinsmitglieder überreichten. Herr Vorsteher S. Heß hielt eine Ansprache, welche einen tiefen Eindruck sowohl auf den Jubilar als auch alle Anwesenden ausübte. Er hob unter anderem hervor, nachdem er seine Glückwünsche ausgesprochen hatte, dass sich die israelitische Kultusgemeinde, wenngleich der Jubilar nicht mehr in ihrer Mitte stehe und wirke, noch aufs Innigste mit ihm verbunden fühlte. Sein 40jähriges Wirken könne man nur vergleichen mit einer 40jährigen, glücklich durchlebten Ehegemeinschaft, in der man gemeinsam Leid und Freud getragen; ein Gut lerne man dann erst schätzen, wenn man es verloren habe. Er habe sich die Liebe und Wertschätzung seiner ehemaligen Gemeinde in hohem Maße erworben und sich ein bleibendes Andenken in den Herzen seiner früheren Gemeindeangehörigen gesetzt. - Aufs Tiefste bewegt, ergriff nun Herr Rabbiner Süskind das Wort. Waren die Anwesenden von der seltenen Geistes- und Körperfrische des 80jährigen Jubelgreises geradezu überrascht, so waren sie von dem Inhalte seiner im kräftigsten Tone vorgetragenen Rede tatsächlich zu Tränen gerührt. Zunächst sprach er seien Dank aus für die Beweise der Liebe und Freundschaft, die ihm teure Gemeinde entgegenbringe. Die ihm erwiesenen Ehren übersteigen seine kühnsten Erwartungen und erfüllten ihn mit Stolz. In allgemeinen Zügen schilderte er alsdann die Zustände, wie sie früher bestanden, als er vor etwa einem halben Jahrhundert seine Stelle angetreten, dass damals die Gemeinde kaum 30 Mitglieder zählte, und bei seinem Weggange auf mehrere Hundert angewachsen sei. Desweiteren brachte er Reminiszenzen aus der langen Zeit seiner hiesigen amtlichen Wirksamkeit, die für die Zuhörerschaft des Interessanten viel enthielten. Lobend hob er hervor, dass ihm stets das größte Vertrauen entgegengebracht worden sei. Gerne und willig haben seine frühesten Gemeindemitglieder, wovon heute vielleicht kein einziges mehr am Leben sei, die von ihm als zeitgemäß erachteten Reformen angenommen, was seinem Amtsvorgänger, dem israelitischen Rabbiner Dr. Geiger – später Rabbiner in Berlin – nicht gelingen wollte, und namentlich gereiche es ihm zur Befriedigung, dass der damals von ihm eingeführte Gottesdienst bis heute noch unverändert beibehalten worden sei. Zur Deputation des 'Synagogen-Gesangvereins' gewendet, bemerkte er, dass er es sich zur Ehre anrechne, Ehrenpräsident dieses Vereins zu sein, bei dessen Gründung er mitgewirkt und der stets eine erhebende und erfolgreiche Wirksamkeit entfaltet habe. Der Verein habe zur Hebung des Gottesdienstes wesentlich beigetragen, das Ansehen der Kultusgemeinde auch nach außen hin gefördert und sich auch in den Dienst der Kunst gestellt. Zum Schluss bat er Süskind die Herren, den Mitgliedern der Kultusgemeinde und des 'Synagogen-Gesangvereins' seinen Dank und seinen Gruß zu übermitteln. Der Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde hat sich selbst geehrt, indem er den Beweis lieferte, dass er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte, seinem einstigen würdigen Rabbiner auch durch ein äußerliches Zeichen seiner Dankbarkeit und Verehrung selbst da noch zu geben, wo er längst schon in dem wohlverdienten Ruhestand, räumlich von ihm getrennt, lebt. Dem Herrn Dr. Süskind ist aber dieser Ausdruck der Verehrung seitens des Vorstandes, dem sich auch noch ein sichtbares Dankeszeichen des 'Synagogen-Gesangvereins' würdig anreihte, eine erhebende Rückerinnerung an seine 40jährige Amtstätigkeit."   
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Geiger: https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Geiger    https://wiesbaden.deutscher-koordinierungsrat.de/gcjz-wiesbaden-Abraham-Geiger-Rabbiner-in-Wiesbaden-2012   https://www.lagis-hessen.de/pnd/11933304X  
Synagogen-Gesangverein: vgl. Artikel von 1913                

  
Bezirksrabbiner Dr. Michael Silberstein ist zur Enthüllung des Kaiser Friedrich-Denkmals geladen (1897)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Oktober 1897: "Zu den aus Anlass der Enthüllung des Kaiser-Friedrich-Denkmals in Wiesbaden veranstalteten Feierlichkeiten ist auch Herr Bezirksrabbiner Dr. Silberstein in Wiesbaden mit einer Einladung beehrt worden.
Anmerkungen: - Kaiser Friedrich: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_III._(Deutsches_Reich)    
- Rabbiner Dr. Silberstein: https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Silberstein         

    
Rabbiner Dr. Michael Silberstein ist zur Einweihung des neuen Kurhauses eingeladen (1907)         

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. Mai 1907:  "Wiesbaden. Zu den aus Anlass der Einweihung des neuen Kurhauses veranlassten Festlichkeiten empfing neben den Spitzen der Behörden als Ehrengast der Stadt Wiesbaden auch Herrn Bezirksrabbiner Dr. Silberstein eine Einladung. Er erhielt seinen Platz neben den Spitzen der evangelischen und katholischen Geistlichkeit.
Anmerkungen: - Kurhaus Wiesbaden: https://kurhaus.wiesbaden.de/index.php 
- Rabbiner Dr. Silberstein: https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Silberstein           


Abschiedsfeier für Rabbiner Dr. Michael Silberstein (1908)       

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. September 1908: "Wiesbaden. Am 13. des Monats weilten hier die Herren Rabb. Dr. Landau Weilburg und Dr. WeingartenEms zu einer Abschiedsfeier des am 1. Oktober in den Ruhestand tretenden greisen Rabbiners und Gelehrten Herrn Dr. Silberstein. Herr Dr. Landau feierte seinen Kollegen als Gelehrten und Verfasser religiös-pädagogischer Schriften und Herr Dr. Weingarten hob in seiner Ansprache die Kollegialität seines Freundes hervor. Beiden dankte Herr Dr. Silberstein und versprach weiterhin Freundschaft seinen Amtsgenossen zu bewahren.
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Landau:  Emil Elias Landau (1842 in Klasno-Wielitzka, Galizien – 1924 in Weilburg)  
- Rabbiner Dr. Weingarten: https://de.wikipedia.org/wiki/Laser_Weingarten
- Rabbiner Dr. Silberstein: https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Silberstein        

 
Abschiedspredigt von Rabbiner Dr. Michael Silberstein (1908)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Oktober 1908: "Wiesbaden, 2. Oktober. Am zweiten Neujahrstage hielt der Stadt- und Bezirksrabbiner Dr. M. Silberstein hier, da er mit diesem Tage aus seinem Amt schied, das er im Allgemeinen fast 50 Jahre, davon 25 Jahre in der hiesigen 'israelitischen Kultusgemeinde', verwaltet, seine Abschiedspredigt, nach der ihm von den Mitgliedern des Vorstandes, wie auch aus der Mitte der Gemeinde zahlreiche Aufmerksamkeiten erwiesen wurden. Schon gelegentlich seines 70. Geburtstages, 1904, wurde der Jubilar von der Gemeinde in ehrendster Weise gefeiert und von dieser durch mancherlei Beweise der Verehrung erfreut. Die Gemeinde selbst widmete ihm damals einen großen silbernen Tafelaufsatz und die ihm unterstellten jüdischen Religionslehrer ein Gedenkblatt mit ihren Fotografien. Der bis zuletzt in voller geistiger und körperlicher Frische seines Amtes Waltende ist in Witzenhausen (Hessen) geboren. Seine akademischen Studien absolvierte er an der Berliner Universität (1855 bis 1858). Seine akademische Laufbahn begann er in Altpreußen, wo er von 1858 bis 1858 wirkte, von da bis 1884 amtierte er in Württemberg, von wo er, ohne dass eine Bewerbung seinerseits erfolgte – er war insbesondere durch seine (1882) am Grabe Berthold Auerbachs, zu dem er freundschaftliche Beziehungen hatte, gehaltene Rede weiteren Kreisen bekannt geworden – hierher berufen wurde. Hier, wie auch in seinen früheren Wirkungsstätten, entfaltete er eine erfolgreiche literarische Tätigkeit. Hier hat er auch auf humanistischem Gebiet segensreich gewirkt, wovon insbesondere der 'Waisen-Unterstützungsfonds' zeugt. Seiner Anregung verdankt auch die Gemeindebibliothek ihre Begründung, die zu den ansehnlichsten dieser Art zählt. Vor zwei Jahren wurde Dr. Silberstein durch Verleihung des Roten Adlerordens ausgezeichnet. Möge ihm die wohlverdiente Muße noch lange beschieden sein." 
Anmerkungen:    - Neujahrstage: https://de.wikipedia.org/wiki/Rosch_ha-Schana
- Altpreußen: https://de.wikipedia.org/wiki/Altpreu%C3%9Fen
- Berthold Auerbach: https://de.wikipedia.org/wiki/Berthold_Auerbach   https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0763
https://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/landeskunde-landesgeschichte/module/epochen/deutsch/dichter/bertholdauerbach
- Roter Adlerorden: https://de.wikipedia.org/wiki/Roter_Adlerorden     

    
Wahl von Rabbiner Dr. Adolf Kober zum Stadt- und Bezirksrabbiner in Wiesbaden (1908)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. Juni 1908:  "Wiesbaden. Dr. Adolf Kober aus Breslau, bisher stellvertretender Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Köln, wurde zum hiesigen Stadt- und Bezirksrabbiner gewählt."          
Anmerkung: - Rabbiner Dr. Adolf Kohler:  https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Kober        

 
Amtseinführung von Rabbiner Dr. Adolf Kober (1908)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1908: "Wiesbaden, 9. Oktober. Der neugewählte Rabbiner unserer Gemeinde, Dr. Adolf Kober, wurde gelegentlich des gestrigen Gottesdienstes in der Synagoge von Polizeipräsident von Schenck in sein Amt eingeführt, nachdem er vorgestern bereits durch diesen als Bezirksrabbiner vereidigt worden ist. Die Polizeipräsident wies in einer kurzen Ansprache darauf hin, wie die Gemeinde und jedes einzelne Glied Dr. Kober als Kultusdiener und Lehrer zu achten und zu ehren, ihm zu helfen habe, in seinem Amte mit Rat und Tat und dem Rabbiner selbst legte er ans Herz, das Vertrauen, das ihm die Gemeinde durch seine Berufung erwiesen, zu rechtfertigen, indem er mit Freude und Gewissenhaftigkeit seines Amtes walte. Wenn er das tue, so könne er auch des Schutzes und Beistandes der staatlichen Behörden gewiss sein. So, schloss der Polizeipräsident, möge er allezeit sein Amt führen zur eigenen Befriedigung und zum Segen der Gemeinde. Ein Segenswort für die Letzteren war es auch, mit dem Dr. Kober seine Antrittspredigt begann, die allgemeinen Beifall gefunden hat. Der Gottesdienst wurde durch den 'Synagogen-Gesangverein' verherrlicht, der unter anderem vor Beginn der Predigt die Beethoven’sche Hymne 'Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre' sang. - Die Städtische Schuldeputation hat an den scheidenden Bezirksrabbiner Dr. Silberstein das folgende Schreiben gerichtet: 'Wiesbaden, 2. Oktober 1908. Die Schuldeputation hat in der gestrigen Sitzung mit Bedauern von ihrem Ausscheiden Kenntnis genommen und mich beauftragt, Ihnen innigen Dank für Ihre Teilnahme an den im Interesse unserer Volks- und Mittelschulen gepflogenen Beratungen und zugleich die herzlichsten Glück- und Segenswünsche zu Ihrem fünfzigjährigen Dienstjubiläum und zu der nunmehr für Sie anbrechenden wohlverdienten Ruhezeit auszusprechen. Möge Ihr Lebensabend recht heiter sein!'"  
Anmerkungen: -  Polizeipräsident von Schenck: https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_von_Schenck    https://www.lagis-hessen.de/pnd/1170603378 
Synagogen-Gesangverein: vgl. Artikel von 1913  Gesangsstück:    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Himmel_rühmen
            

    
Zum Tod von Rabbiner Dr. Michael Silberstein (1910)      

Wiesbaden AZJ 28101910.jpg (370786 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Oktober 1910: "Wiesbaden, 20. Oktober. Am Abend des Versöhnungstages entschlief in Folge einer Arterienverkalkung im 76. Jahr seines Lebens der seit nunmehr seit zwei Jahren emeritierte Stadt- und Bezirksrabbiner Dr. Michael Silberstein. Als Sohn eines Lehrers am 1. November 1834 in Witzenhausen Bezirk Eschwege, geboren, wurde er Verewigte zunächst zum Kaufmannsstande bestimmt. Sein ideales Streben aber ließ ihn in dem Berufe nicht die wahre Befriedigung finden, sodass es ihm gestatte wurde, im Jahre 1850 die eben erst begründete Bildungsanstalt für jüdische Lehrer in Hannover zu besuchen, welche er nach dreijährigem Besuche mit einem geradezu glänzenden Zeugnis verließ. Sein rastloser Bildungsdrang führte ihn nach zwei Jahren schon nach Berlin, wo er bis zum Jahre 1858 theologischen und philosophischen Studien oblag. Die Veitel Ephraimsche Stiftung war die Stätte, an der er sich zum Rabbiner heranbildete und die Universität der Born seiner profanen Bildung. Sein Vorbild und Lehrer war der Altmeister Dr. Michael Sachs seligen Andenkens, dessen Bild in seinem Arbeitszimmer an hervorragender Stelle zu sehen ist, und der Oberrabbiner Aub. Leopold Ranke weckte und förderte seinen Sinn für Geschichte. Als der Verblichene im Jahr 1858 seine Studien mit gutem Erfolge beendet hatte, nahm er seine erste Stellung als Lehrer in Pleschen an, wurde aber schon nach kaum anderthalb Jahren als Rabbiner nach Lyck (Ostpreußen) berufen. Hier wusste er durch sein mannhaftes Auftreten in der Öffentlichkeit unserer Glaubensgenossenschaft Anerkennung und Beachtung zu verschaffen . Nach achtjähriger segensreicher Wirksamkeit siedelte er dann 1868 nach Württemberg über. Im Jahre 1874 wurde er nach Mühringen im Schwarzwald versetzt, wo er bis 1885 wirkte. 1869 berief die württembergische Regierung eine Delegiertenversammlung zwecks Beratung eines Verfassungsentwurfes für die israelitische Glaubensgemeinschaft. Silberstein als geistliches Mitglied dieser Kommission, trat damals mit einem längeren Exposé vor das Plenum und hatte die Genugtuung, dass seine Vorschläge fast sämtlich angenommen wurden. Die Hochachtung und Wertschätzung, die sich der Verblichene durch sein mannhaftes würdiges Auftreten sowohl wie durch den Glanz seiner Beredsamkeit erwarb, erreichte durch seine Rede am Grabe Berthold Auerbachs (vgl. Nordstetten) ihren Höhepunkt. Damals wurde Dr. Silberstein in der breitesten Öffentlichkeit bekannt, und als der Rabbinatssitz in Wiesbaden vakant wurde, berief man den gefeierten Mann in unsere Bäderstadt. Hier wirkte er in einer ununterbrochenen fast 25jährigen Tätigkeit für das Wohl der Juden Wiesbadens, derer seines Bezirks wie auch der jüdischen und außerjüdischen Allgemeinheit. Wiesbaden hat sich in den letzten Jahren zur Großstadt entwickelt und die jüdische Gemeinde ist auf dem besten Weg, eine Großgemeinde zu werden. Wenn die Institutionen mit der Entwicklung gleichen Schritt gehalten haben, so ist die ein Hauptverdienst des Entschlafenen. Ihm ist zu danken: Die Gründung des Israelitischen Unterstützungsvereins, des Israelitischen Waisenfonds, der Gemeindebibliothek usw. Besondere Fürsorge widmete er den Bestrebungen der Alliance und des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes. Hier hat er vor einigen Jahren eine größerer Stiftung zwecks Unterstützung jüdischer Studierender, die Dr. Michael und Rebekka Silberstein-Stiftung errichtet und sich dadurch unsterblich gemacht. Die Haupttätigkeit des Entschlafenen war der jüdischen Schule und deren Lehrer gewidmet. Hier zeigte er so recht sein Können und sein Herz. Auch als geistreicher Schriftsteller ist der Entschlafene weit bekannt geworden.Seine Schriften beziehen sich auf das Gesamtgebiet des jüdischen Wissens, Lebens und Unterrichtes. In seinen Bestrebungen wurde Dr. Silberstein durch seine Gemahlin wacker unterstützt und gefördert. Sie ist im Tode um kaum fünf Wochen vorausgegangen. Die beiden Gatten führten eine geradezu ideale Ehe in ihrem gemeinsamen Schaffen und Streben. Der hohen Bedeutung Dr. Silbersteins entsprach seine Wertschätzung, welche gelegentlich seines 70. Geburtstages so recht zum Ausdruck kam. Vorstände, Korporationen sowie auch viele Private wetteiferten damals in Darbringung von Ovationen. Seine Majestät verlieh ihm den Roten Adlerorden IV. Klasse. Die am Sonntag, 16. Oktober, stattgehabte Beerdigung gab abermals den Beweis, der großen Wertschätzung für den Verblichenen. Die Kultusgemeinde ließ es sich nicht nehmen, die Leiche ihres Seelsorgers nochmals an die Stätte seiner Wirksamkeit zu führen. Eine stattliche Versammlung, bei der auch die staatlichen und kommunalen Behörden vollständig vertreten
Anmerkungen: - Versöhnungstag: https://de.wikipedia.org/wiki/Jom_Kippur
- Veitel Ephraimsche Stiftung: https://ephraim-veitel-stiftung.de/
- Dr. Michael Sachs: https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Sachs_(Rabbiner)  
- Oberrabbiner Aub: https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Aub   vgl. Artikel von 1866  vgl. Artikel von 1880   
- Leopold Ranke: https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_von_Ranke  
- Pleschen: https://de.wikipedia.org/wiki/Kreis_Pleschen
- Lyck: https://de.wikipedia.org/wiki/Kreis_Lyck
- Berthold Auerbach: https://de.wikipedia.org/wiki/Berthold_Auerbach   https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0763  
https://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/landeskunde-landesgeschichte/module/epochen/deutsch/dichter/bertholdauerbach  
- Alliance: https://de.wikipedia.org/wiki/Alliance_Isra%C3%A9lite_Universelle  
- Deutsch-israelitischer Gemeindebund: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Israelitischer_Gemeindebund 
- Israelitischer Unterstützungsverein: vgl. Artikel von 1886  
Israelitischer Waisenfonds: vgl. Artikel von 1889   
- Roter Adlerorden:  https://de.wikipedia.org/wiki/Roter_Adlerorden  
- Stätte seiner Wirksamkeit: https://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/planen/staedtebauliche-projekte/realisierte-projekte/geschichte.php   https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Synagoge_(Wiesbaden)    http://www.ca-wallau.com/synagoge-wiesbaden.htm 
                  
 
Wiesbaden FrfIsrFambl 28101910.jpg (17111 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. Oktober 1910:  "Wiesbaden. Im 76. Lebensjahre verschied hier der Stadt- und Bezirksrabbiner Dr. Michael Silberstein."       

    
    
    
Berichte zu den Lehrern und weiteren Kultusbeamten der Israelitischen Kultusgemeinde      
Lehrer Emanuel Traub empfiehlt seine private Schülerpension (1877)    

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. September 1877:  "Knaben, die eine der hiesigen höheren Lehranstalten als höhere Bürgerschule, Realgymnasium, Gelehrtengymnasium etc. besuchen wollen, finden bei dem Unterzeichneten liebevolle Aufnahme, Kost, Verpflegung und Beaufsichtigung der Schularbeiten gegen billiges Honorar
Em. Traub,
Lehrer der israelitischen Kultusgemeinde in Wiesbaden."      

   
Oberkantor und Lehrer Emanuel Traub und seine Frau feiern silberne Hochzeit (1890)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Juli 1890: "In Wiesbaden feierte am 14. Juni der Kantor der israelitischen Gemeinde, Herr Traub, das Fest der silbernen Hochzeit. Dem Jubilar war erst unlängst vom Vorstand der Kultusgemeinde in Anbetracht seiner zwanzigjährigen erfolgreichen Tätigkeit als Religionslehrer und Kantor der Titel Oberkantor verliehen worden."         


Verschärfte Bestimmungen für das Schächten und ihre Auswirkungen für Wiesbaden und Biebrich (1890)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Oktober 1890: "Wiesbaden, 14. Oktober. Bekanntlich hat die Königliche Regierung für den Umfang des Regierungsbezirks Wiesbaden - 'zwecks Vermeidung ungebührlicher Tierquälerei beim Schächten' – unter den 30. Oktober des Jahres die Polizeiverordnung erlassen, wonach, 'um denjenigen Personen, welche das Schächtereigewerbe betreiben, sowie denjenigen, welche die Approbation eines Rabbiners zum Schächten glaubhaft nachweisen', das Schächten gestattet ist.
Gestützt auf diese Verordnung, hatte der Rabbiner der Reformgemeinde dahier, Herr Dr. Silberstein, der zugleich Bezirksrabbiner ist, Herrn Jaffa - Schächter und Fleischbeschauer - der orthodoxen Gemeinde, denunziert, als derselbe in der Gemeinde Biebrich schächtete, ohne vom Ersteren dazu autorisiert zu sein. Unstreitbar war dabei Herr Dr. Silberstein von der seltsamen Ansicht ausgegangen, dass der Ausdruck 'ein Rabbiner' in genannter Verordnung nur auf ihn selbst sich beziehen könne, als ob außer ihm kein Rabbiner weiter existiere, denn, dass Herr Jaffa von mehreren Rabbinern – mindestens jedoch von einem – Kabala (Erlaubnis) besitze, musste dem Herrn Bezirksrabbiner bekannt sein. Heute hatte nun das Schöffengericht Urteil zu sprechen. Nachdem der als Zeuge geladene Rabbiner der altisraelitischen Kultusgemeinde, Herr Dr. Kahn, die Erklärung abgegeben, dass er bereits vor 15 Jahren dem Angeklagten die Approbation zum Schächten erteilt habe, ferner, dass weder er selbst als Rabbiner der autonomen, ebenso wie die Reformgemeinde, mit den Rechten einer Synagogengemeinde versehenen altisraelischen Gemeinde, noch auch Herr Dr. Silberstein irgendeiner kirchlichen Oberaufsicht unterworfen sei, wurde auf sofortigen Antrag des Herrn Amtsanwalts selbst, nach kurzer Beratung, der Angeklagte freigesprochen. Bemerkenswert scheint noch, dass die Richter ein Lächeln nicht unterdrücken konnten, als der Angeklagte seine Verwunderung darüber aussprach, dass Herr Dr. Silberstein gerade den Fall in Biebrich zur Anzeige gebracht habe, da ja dessen eigene Gemeinde in Wiesbaden selbst fast ausnahmslos nicht durch die ihm, sondern durch die dem Herrn Dr. Kahn unterstellten Schächter ihren Fleischbedarf decke." 
Anmerkung: - Rabbiner Dr. Kahn vgl. Artikel von 1909 zu Kahns 40-jährigem Amtsjubiläum
    

 
25-jähriges Dienstjubiläum von Oberkantor Emanuel Traub (1895)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Mai 1895:  "Wiesbaden, 17. Mai. Vorgestern feierte Herr Oberkantor Emanuel Traub sein 25jähriges Dienstjubiläum als Kantor und Lehrer des israelitischen Bühl, Baden und ein herzliches Glückwunschschreiben des Sängerchors des hiesigen Lehrervereins. Um 11 Uhr begab sich eine Deputation des Vorstandes der israelitischen Kultusgemeinde zu dem Jubilar, um ihn zu seinem Ehrentage zu beglückwünschen. Herr Bezirksrabbiner Dr. Silberstein hielt in bekannter, formvollendeter Weise eine Ansprache, in welcher er die Mühen und Kämpfe eines Religionslehrers und Kultusbeamten schilderte und sodann die Treue und Gewissenhaftigkeit, mit welcher Lehrer Traub seinem Lehrerberuf obliegen und den Zauber seiner schönen Stimme, womit er die Herzen der Andächtigen beim Gottesdienst erbaut habe, hervorhob. Der 1. Vorsitzende des Gemeindevorstandes, Herr Stadtverordneter Simon Heß, begrüßte hierauf den Jubilar namens des Vorstandes. Hierauf überreichte Herr Vorsteher Bernhard Liebmann mit Worten des Glückwunsches das Ehrengeschenk des Vorstandes namens der Gemeinde, bestehend aus einem Geldbetrage in prächtigem Etui mit Widmung. Eine Deputation, bestehend aus den Herren Saly Baer und S. Morgenthau, welch Letzterer in herzlichsten Worten die Glückwünsche des 'Synagogen-Gesangvereins' aussprach, überreichte das Diplom für die Ehrenmitgliedschaft. Hieran schloss sich eine Deputation der Herren Moritz Baum, Saly Hamburger, Louis Rosenthal und Benedikt Straus. Der Letztere beglückwünschte den Jubilar namens einer großen Zahl von Gemeindemitgliedern und überreichte ihm ein kostbares Ehrengeschenk. Herr Traub ergriff hierauf das Wort, um einen kurzen Rückblick auf die zurückgelegten 25 Jahre seiner hiesigen Tätigkeit zu werfen. Als er vor 25 Jahren hierher gekommen, habe er mit jugendlicher Kraft seine Tätigkeit begonnen, heute beginne der Schnee des Alters sich auf sein Haupt niederzusenken, aber so lange Gott ihm Kraft und Gesundheit verleihe, werde er bestrebt sein, sein Amt mit Eifer und Gewissenhaftigkeit auszuführen. Wir schließen mit dem Wunsche, das dies noch recht viele Jahre der Fall sein möge."  
Anmerkung: - Synagogen-Gesangverein: vgl. Artikel von 1913          

       
Unter den Gefallenen des Ersten Weltkrieges ist auch Lehrer Benno Rosenstock in Wiesbaden (1914)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1914: "Von jüdischen Beamten, die in den Krieg gezogen, sind auf dem Felde der Ehre gefallen: Lehrer Max Strauß von der Israelitischen Religionsgesellschaft in München (aus Hofheim stammend); Lehrer H. Isenberg von Andernach am Rhein; Lehrer Benno Rosenstock, Lehrer und Kantor in Wiesbaden; Lehrer Ludwig Neumann an der städtischen Gemeindeschule in Frankfurt am Main; Lehrer John Horwitz in Koesfeld, Westfalen. Der Sekretär der Berliner jüdischen Reformgemeinde, Lehrer H. Blumenthal, wurde in den Kämpfen an der Ostgrenze leicht verwundet."           

   
   
   
Sonstiges  
Über einen 1761 in Wiesbaden gestorbenen Mohel und sein Mohel-Buch (Beitrag von 1911)        

Wiesbaden FrfIsrFambl 21041911.jpg (508331 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21. April 1911: "Das Register eines Mohels aus der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts
Von Dr. J. M. Salkind

Als ich vor einiger Zeit auf dem Bücherkarren eines Antiquars herumstöberte – eine Schwäche, die allen Buchfreunden eigen ist , stieß ich auf ein Bändchen, das zwei Handschriften enthielt: Glossen und Novellen zum Talmud und Schulchan Aruch und schien kaum 30 Jahre alt zu sein. Nach der Handschrift zu urteilen hatte das Manuskript einen litauischen Talmud-Chochom zu seinem Verfasser. Man konnte auch leicht merken, dass es nicht zu gleicher Zeit mit dem anderen Manuskript gebunden war. Das Bändchen hatte auf seinem Rücken den Eindruck 'J. Hiffelsheimer', was der Name seines ursprünglichen Eigentümers zu sein scheint. Diesen Namen merkte ich auch auf einem Blatt des Bändchens, obwohl er von einem späteren Besitzer, einem bekannten Bibliophilen in London, der verarmte und seine wertvolle Bibliothek zu verkaufen gezwungen war, ausgefraßt war. Den Wohnort des J. Hiffelsheimer konnte ich nicht mehr entziffern.
Das andre Manuskript zu dessen Beschreibung diese Zeilen dienen sollen, ist auf ganz altem Papier und in der Handschrift der Juden in Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert geschrieben. Bietet sein Inhalt kein Interesse für den Talmudisten,wie es bei dem ersten Manuskript der Fall ist, so hat es doch gewissermaßen ein historisches Interesse, das für die Genealogie der jüdischen Familien in der Umgebung von Frankfurt a. M. sehr wichtig sein kann. Es sind nämlich die Eintragungen eines Mohels, der in Wiesbaden gelebt zu haben scheint und die Mitzwath Miloh zu seinem Lieblingsgebot gemacht hatte.
Wer der Mohel war, konnte ich unmöglich ermitteln. Sein Name scheint Chajim gewesen zu sein, was daraus zu ersehen ist, dass er nach jeder 68. Beschneidung – der Zahlenwert seines Namens Chajim – Gott dankt für die Gnade, die Er ihm erwiesen hat. Er war im Jahre 1684 (5744) in einem Dorfe (Ikla) in der Nähe von Bamberg oder Ansbach geboren und scheint später in Mannheim und Wiesbaden gelebt zu haben. Er heiratete zweimal und scheint im Jahre 1761 (5521) in Wiesbaden gestorben zu sein. Der Beginn seiner Tätigkeit fällt in das Jahr 1718 (5478), wo er die erste Operation mit Hilfe des Mohels Rabbi Jösli aus Ikla unternimmt und schließt im Jahre 1761. Im zweiten Jahre seiner Praxis sehen wir ihn schon so geübt in seinem Berufe, dass er einen andren, Rabbi Simon aus Heizfeld (= Heidingsfeld), in denselben einweiht. Die Zwischenräume zwischen einer Brith-Miloh und der anderen sind in den ersten Jahren seiner Praxis noch recht groß, er scheint aber bald sich einen solchen Ruf als Mohel erworben zu haben, dass er weit und breit von den vornehmen Leuten gesucht wird. Sein Tätigkeitsgebiet erstreckt sich über Wiesbaden, Mannheim, Heidelberg, Worms, Bamberg, Limburg an der Lahn (die er mit Lohn punktiert), Bingen, Biebrich und die sie umgebenden Dörfer, in denen kleine jüdische Gemeinde vorhanden waren. Am meisten kommt jedoch Wiesbaden in Betracht. Seine Tätigkeit schließt am 20. Ab 5521, bei welcher Gelegenheit Rabbi Abraham, der Sohn des damaligen Frankfurter Rabbiners Rabbi Hirsch, der in Wiesbaden zur Kur war, als Sandek fungierte.
Das Manuskript enthält 46 Seiten, auf denen 140 Brith-Milohs verzeichnet sind. Die Eintragungen sind stereotypisch nach der benannten Formel: 'Gam malti ufor ati etc.'
Als Einleitung haben sie ein Dankgebet in dem bekannten Stil jener Zeit, das auch in veränderter Form nach der 68. und 136. Beschneidung zu finden ist. Da dieses jedoch am Schlusse fehlt, so darf man annehmen, dass der Schreiber kurz nach der letzten von ihm vorgenommenen Operation verschieden war. In den letzten Eintragungen kommen bereits häufig Familiennamen vor, ein Zeichen der heranbrechenden neuen Zeit.
Dieses Mohelregister hat auch einiges Interessantes für die Moralitätsstatistik. Unter den 140 Fälle befindet sich auch die Eintragung der Brith-Miloh eines illegitimen Knabens, der 1746 in Schierstein bei Wiesbaden geboren wurde. 'Seine Mutter, die verheiratete R. R. erklärte, dass sein Vater R. N. , der Wormser Bass-Sänger sei.' Der Schreiber bemerkt, dass er gezwungen war (al pi hahechrach), den Knaben zu beschneiden, er schließt jedoch die Eintragung mit der gewöhnlichen Formel: 'Jigdal letauroh ulchupoh ulmaassim tauwim. Amen.'
Von den 46 Seiten des Registers gehören vier einer Familien-Megillah, die der Schreiber nach der in den hinterlassenen Schriften seines Vaters gefundenen Aufzeichnung abgefasst hatte. Er begründet die Abfassung der Megillah durch ein Zitat aus dem Sohar in Schemoth, nachdem jeder verpflichtet sei, die Wunder, die Gott ihm erweist, öffentlich bekannt zu machen. Dies beweist, nebenbei bemerkt, dass der Schreiber mehr als ein gewöhnlicher Lamdon, und dass man zu jener Zeit auch in Frankfurt und seiner Umgebung im Sohar zuhause gewesen war. Es handelt sich darum, dass der Schreiber, als er sechs Jahre alt war, eines Morgens erwachte und dass er die Tür verriegelt fand, so öffnete er das Fenster, durch welches er hinausgehen wollte, ohne daran zu denken, dass es achtzehn Ellen vom Boden hoch war (das Haus, in dem er wohnte, hieß 'der Turm') und dass sich unten ein Zaun mit Stacheln und scharfen Spitzen befand. Er fiel auf das Steinpflaster, er blieb aber unversehrt und stand bald auf, als ob nichts geschehen wäre. Die erschreckten Eltern eilten herbei und bestrichen seinen Körper mit dem Blut eines Ziegenbockes, was sich aber als überflüssig erwies, da er während des Falls in einer solchen Position blieb, dass er auch nicht die geringste Fraktion erlitt. Sein Vater führte hierauf ein Familienpurim ein, das für alle seine Nachkommen obligatorisch gemacht ist. Am 8. Tamus sollten sie fasten und am neunten sich, wie am Purim, belustigen und ein Festmahl veranstalten, zu dem Talmidei chachomim geladen sein sollen und den Armen Geschenke schicken.
Diese Familienmegillahs und Purims sind in der jüdischen Geschichte wohl bekannt und waren sowohl in Europa als in Afrika recht populär. Sie hatten ihren Ursprung im Mittelalter und reichen bis in die neueste Zeit. Die 'Jewreiskaja Starina' veröffentlichte unlängst eine derartige Megillah, die ein russischer Jude, der von den polnischen Insurgenten im Jahre 1863 auf eine höchst merkwürdige Weise vom Tode gerettet wurde, niedergeschrieben und seinen Kindern hinterlassen hatte. Die im Manuskript enthaltene Megillah hat jedoch ein besonderes Interesse für den Historiker, durch die Bekanntmachung eines Umstandes, der, wie ich glaube, nicht allgemein bekannt ist. Der Schreiber erzählt nämlich, dass die Regierung (haseroroh), als sie von seiner sonderbaren Errettung erfahren hatte, sofort schickte, um die damals in solchen Fällen übliche Steuer 'Frasch' einzufordern, die darin bestand, dass man dem Betreffenden entweder ein Stück Fleisch ausschnitt oder Geld im Werte desselben nahm. Die Existenz einer derartigen Steuer scheint mehr für China zu passen als für ein deutsches Land am Ende es siebzehnten Jahrhunderts, so schwarz auch die Zustände damals ausgesehen haben und so groß auch der Judenhass damals war. Es ist jedoch klar, dass wir es hier mit einer Tatsache zu tun haben." 
Anmerkungen: - Mohel: https://de.wikipedia.org/wiki/Mohel 
- Talmud: https://de.wikipedia.org/wiki/Talmud 
- Schulchan Aruch: https://de.wikipedia.org/wiki/Schulchan_Aruch 
- Talmud-Chochom: https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/talmid-chacham/  
- Mitzwath Miloh: Gebot, einen jüdischen männlichen Säugling am achten Tag zu beschneiden
- Brith-Miloh: https://de.wikipedia.org/wiki/Brit_Mila 
- Ab: https://de.wikipedia.org/wiki/Aw_(Monat)  
- Sandek: https://de.wikipedia.org/wiki/Sandak 
- Megillah: https://de.wikipedia.org/wiki/Megilla_(Mischna)  
- Sohar: https://de.wikipedia.org/wiki/Zohar 
- Schemoth: https://de.wikipedia.org/wiki/Schemot_(Sidra)   
- Lamdon: Talmudkundig
- Achtzehn Ellen: Ca. 9 Meter https://de.wikipedia.org/wiki/Elle_(Einheit)  
- Fraktion: Gemeint ist Fraktur
- Purim: https://de.wikipedia.org/wiki/Purim
- Tamus: https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/tamus/
- Talmidei chachomim: Pluralform Toragelehrten https://en.wikipedia.org/wiki/Talmid_Chakham
- Jewreiskaja Starina: https://de.wikipedia.org/wiki/Jewreiskaja_starina
- Insurgent: https://de.wikipedia.org/wiki/Insurgent  
        

   
Generalversammlung der Vereins israelitischer Lehrer im ehemaligen Herzogtum Nassau (1912)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Januar 1912: "Wiesbaden, 28. Dezember. Der Verein israelitischer Lehrer im ehemaligen Herzogtum Nassau hielt am 22. des vorigen Monats hier seine Generalversammlung ab. Der Vorsitzende, Lehrer Nußbaum – Wiesbaden bedauerte, dass das preußische Schulgesetz von 1906 an den nassauischen Grenzen Halt gemacht habe. Der Verein stehe durchaus auf dem Boden der paritätischen Volksschuhe, die auch jüdische Lehrkräfte beschäftige, er trete für die jüdische Volksschule ein, solange Nassau die paritätische Volksschule fehle. Rabbiner Dr. Kober – Wiesbaden betonte, dass es nicht im Sinne des Gesetzgebers gelegen habe, bei der nassauischen Simultanschule die jüdischen Religionslehrer von der Lehrtätigkeit auszuschließen . Zur Verhandlung stand das Thema: Die Fürsorge für die jüdische schulentlassene Jugend. Aus den Leitsätzen des Referenten Lehrer Thalheimer - Wallau seiner folgende Punkte erwähnt: Da die Vergangenheit lehrt, dass ein planmäßiger Fortbildungsunterricht der jüdischen Religion auf dem Lande nicht durchführbar ist, sollen anstatt dessen anziehende Vorträge, in der Regel während der Wintermonate, stattfinden. Hierfür ist die Beteiligung der entsprechenden jüdischen Vereine und Verbände in den Großstädten, mit ihrer Intelligenz und Kapitalkraft erforderlich. Bei diesen Vorträgen sollen biblische, nachbiblische und kulturgeschichtliche Stoffe einschließlich der jüdischen Feste mit Hilfe der Errungenschaften der Neuzeit auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft, wie Lichtbilder, Kinematograph, Tonbild, Grammophon und dergleichen mehr, erläutert und die ethischen Begriffe aus diesen Stoffgebieten herausgeschält werden. Die Schaffung einer guten Bücherei ist zur Fortbildung auf dem sittlich-religiösen Gebiete für die schulentwachsene Jugend unerlässliche Bedingung. Auf sozialpädagogischem Gebiete vermag der jüdische Lehrer auf dem Lande auf die schulentlassene Jugend durch Erweckung von Lust und Liebe an den Bodenkultur und Heimarbeit segensreich zu wirken. Durch solche eine sittlich-religiöse und sozialpädagogische Fortbildung der schulentlassenen Jugend auf dem Lande wird in derselben eine Lebensanschauung erzeugt, die vorzugsweise in einer edlen Gesinnung und Liebe zur Heimat beredten Ausdruck findet, Vorurteile mildert und Gegensätze ausgleicht. Der Co-Referent, Lehrer Capell – Wiesbaden, führte in seinen Leitsätzen unter anderem aus: Die Jugendgruppen oder -vereine erstrecken ihre Wirksamkeit auf die männliche und weibliche Jugend bis zum 30. Lebensjahre. Durch Vorträge und Kurse, Freitagabendveranstaltungen und Unterhaltungsabende wie auch durch turnerische, sportliche und gesangliche Betätigung gebe man der Jugend hier Gelegenheit ihre Anlagen und Fähigkeiten zur Geltung zu bringen, eine wirtschaftlich sichergestellte Zukunft, wenn auch in bescheidenem Rahmen, gewähren, wie Handwerk und Bodenkultur. Auch die weibliche Jugend sei bereit, einen Beruf zu ergreifen, der geeignet ist, möglicherweise ihr Unabhängigkeit zu verschaffen. In der Diskussion wurde noch festgestellt, dass der Abschluss aller sozialpolitischen Tätigkeit der Jugend die Gründung einer Bodenerwerbsgenossenschaft sein müsse, damit auch Lust und Liebe zur Bodenkultur unter den Volksgenossen geweckt werde. Nur hierdurch werde der Jude bodenständig und überwinde die Antipathie der christlichen Landbevölkerung."
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Kober: https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Kober  https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/kober-adolf.php 
- Simultanschule: https://de.wikipedia.org/wiki/Simultanschule
- Lichtbild: https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtbild
- Kinematograph:https://de.wikipedia.org/wiki/Kinematograph
- Tonbild: https://de.wikipedia.org/wiki/Tonbild
- Grammophon: https://de.wikipedia.org/wiki/Grammophon
- Lehrer Capell: https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/capell-familie.php   
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Stand: 30. Juni 2020