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Westerburg mit
Pottum, Stahlhofen am Wiesensee, Weltersburg und Willmenrod
(VG Westerburg, Westerwaldkreis) sowie Neunkirchen (Westerwald) (VG Rennerod)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Westerburg lebten jüdische Personen bereits in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts. 1328 wird Symon von Westerburg als
Judenbürger in Frankfurt genannt. 1340 ließen Sannel (Samuel) und Gutheil von
Westerburg Darlehensgeschäfte in die Frankfurter Gerichtsbücher
eintragen.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert zurück
(1616 erste Nennung).
Mitte des 18. Jahrhunderts (1760) werden 60 jüdische Einwohner in der Stadt
gezählt. Einige der zugezogenen jüdischen Personen / Familien sollen aus
Österreich stammen (Familie Neuhaus), von wo sie zur Zeit der Kaiserin Maria
Theresia vertrieben wurden.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1807 95 (in 16 Familien), 1808 77, 1825 100, 1843 112, 1871 135
(etwa 9 % der Gesamtbevölkerung), 1895 86, 1905 und
1909 jeweils 91. Auch die im Nachbarort Willmenrod lebenden jüdischen Personen
gehörten zur Gemeinde Westerburg (1843 21, 1905 18 Personen). In der Folgezeit
gehörten auch die zeitweise in Neunkirchen, Pottum, Stahlhofen,
Weltersburg und nach
Auflösung der dortigen Gemeinde die in Rennerod lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde in
Westerburg. Seitdem sich jüdische Familien feste Familiennamen zulegen
mussten (um 1840), nannten sich vier Familien Ullmann, andere u.a. Fuld,
Goldschmidt, Neuhaus.
Bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts leben die meisten Familien
vom Viehhandel, vom Handel mit Ellenwaren oder waren Makler. Sie lebten damals
in durchweg armseligen Verhältnissen Seit Mitte des 19. Jahrhunderts besserten
sich die wirtschaftlichen Verhältnisse. Mehrere Läden und Gewerbebetriebe
konnten am Ort eröffnet werden, die für die wirtschaftliche Entwicklung der
Stadt von Bedeutung waren. Von den Gebrüdern Fuld wurde zeitweise eine
Zigarrenfabrik betrieben. Familie Neuhaus betrieb seit 1832 über 100 Jahre lang
ein Sattlergeschäft. Aus der Familien Ullmann entstammten zwei Ärzte: Dr.
Adolf Ullmann (geb. 1850, später Arzt in Frankfurt), und Dr. Siegfried Ullmann
(später Arzt in Berlin). Im Stadtrat saß über mehrere Jahrzehnte ein
jüdischer Vertreter (zuletzt Leopold Neuhaus).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule (um 1847/48 insgesamt 24 schulpflichtige Kinder,
davon je ein Kind aus Willmenrod, Weltersburg, Rennerod und Gemünden), ein rituelles Bad und einen
Friedhof
(beziehungsweise drei Friedhöfe aus unterschiedlichen Zeiten).
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungen der Stelle unten; an Namen jüdischer Lehrer aus dem 19.
Jahrhundert sind unter anderen J. Gabriel in den 1850er-Jahren und D.
Kaufmann
um 1880 sowie W. Frank um 1894 [genannt auf einer Lehrerkonferenz in Diez
1894] bekannt). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk
Weilburg (beziehungsweise nach Zusammenlegung der Rabbinate Ems und Weilburg: Rabbinat
Ems-Weilburg).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Jacob Fuld (geb.
30.6.1871 in Westerburg, gef. 23.2.1917),
Friedrich Ullmann (geb. 24.8.1884 in Westerburg, gef. 7.8.1916), Gustav Ullmann
(geb. 29.7.1888, gef. 20.12.1918) und Isidor Ullmann (geb. 31.10.1890 in
Westerburg, gef. 22.8.1914). Aus Neunkirchen (Westerwald) ist gefallen: Max
Wolf (geb. 3.12.1893 in Reichenborn, gef. 4.10.1915).
Um 1924, als noch 92
Gemeindeglieder gezählt wurden, waren die Gemeindevorsteher Josef Fuld,
Simon Ullmann und Leopold Neuhaus. Als Lehrer und Kantor war Willi Gabbe
angestellt. Er unterrichtete damals 8 Kinder in Religion. An jüdischen Vereinen
bestanden vor allem eine Männerchewra (Wohltätigkeits- und
Bestattungsverein) sowie der Israelitische Frauenverein (1924 unter
Leitung von Bina Ullmann und Jettchen Fuld). Zur jüdischen Gemeinde gehörten
(inzwischen) auch die in Gemünden und Willmenrod lebenden jüdischen Einwohner
(1924 4 beziehungsweise 6 Personen, 1932 werden nur noch die in Willmenrod
lebenden 4 Personen genannt). 1932 waren die Gemeindevorsteher weiterhin
Joseph Fuld (1. Vors.), Simon Ullmann (2. Vors.) und Leopold Neuhaus (3. Vors.)
Inzwischen war Lehrer, Kantor und Schochet Leo Fischer; er war auch für
Gemeinden in der Umgebung (u.a. Meudt) als
Lehrer zuständig. Im Schuljahr 1931/32
erteilte er den Religionsunterricht 9 Kindern aus der Gemeinde.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: über 100 Personen, dazu 4 in Willmenrod) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1936 wurden noch 90
jüdische Einwohner gezählt, 1940 24. In den Jahren 1941 und 1942 wurden die
letzten jüdischen Einwohner aus der Stadt deportiert.
Von den in Westerburg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sofie (Sabine) Abraham geb. Fuld (1899),
Bertha Adler geb. Kallheim (1880), Irma Jenny Baer geb. Ullmann (1894), Jeanette
Blumenthal geb. Fuld (1852), Josefine Buxbaum geb. Kallheim (1884), Gerda Dua
geb. Kaiser (1903), Hannchen Fleischmann (1887), Alwin Fuld (1916), Jettchen Fuld geb. Levi (1874),
Rosalia (Rosa) Fuld geb. Gottlob (1881), Alice I. Gottschalk geb. Ullmann (1903),
Ernst Gottschalk (1908), Jochanan Gottschalk (1940), Emanuel Heilberg (1873),
Josef Heilberg (1907), Selma Heilberg (1911), Florentine (Flora) Herz geb. Ullmann
(1901), Irma Herz geb. Fuld (1903), Josef Herz (1894), Alfred Hirschfeld (1903),
Heinrich Hirschfeld (1872), Martha Hirschfeld (1906), Moritz Isenberg (1888),
Bertha Kahn geb. Stiefel (1878), Elise Kaiser geb. Sternberg (1866), Hedwig
Kallheim (1886), Berta Levy geb. Fuld (1901), Bertha Loeb geb. Rosenthal (1894),
Hilde
Loeb geb. Ullmann (1890), Amalie Marx geb. Sternberg (1869), Billa Neuhaus (1908),
Hilde Neuhaus (1906), Sybilla (Billa) Neuhaus (1898), Berta
Neumann geb. Hahn (1884), David Neumann (1873), Salomon Neumann (1877), Selma Neumann geb. Fleischmann (1885),
Cäcilie Oppenheimer geb. Frank (1887), Gisela Ingeborg Oster (1926), Rosa Oster
geb. Ullmann (1891), Emmi Rosa
Saretzki geb. Ullmann (1890), Nathan Saretzki (1887), Berta Schaumburger geb. Rosenthal (1866), Frieda
Schaumburger geb. Lilienthal (1903), Isidor Schaumburger (), Juliana
Schaumburger geb. Loeb (1858), Moritz Schaumburger
(1890), Rolf Simon Schaumburger (1936), Siegmund Schaumburger (1888), Brunhilde
Strauss (1928), Johanna Strauss geb. Michel (1888), Kurt Strauss (1923), Salomon Strauss (1885), Fanny Ullmann geb.
Kahn (1863), Ferdinand Ullmann (1857), Rosa Ullmann geb.
Schaumburger (1859), Simon Ullmann (1858), Tony Ullmann (1896), Berta
Weinsberger (1875), Sidonie (Toni) Weissbart
geb. Fuld (1908), Franziska (Fanny) Zirker geb. Ullmann (1866), .
Achtung: bei den unter "Westerburg" bei Yad Vashem aufgeführten
Namen handelt es derzeit (November 2007) sich bei ungefähr der Hälfte um
fehlerhafte Angaben auf Grund einer Verwechslung mit dem nationalsozialistischen
Durchgangslager Westerbork/Niederlande.
Hinweis: Nach Rolf Simon Schaumburger, der bei der Deportation erst 6
Jahre alt war, ist seit dem 9. November 2007 die Hauptschule in Westerburg
benannt.
Von den in Willmenrod geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945": Lilly Selma Sydonie Hony
geb. Rosenthal (1903), Sofie Mayer geb. Strauss (1881), Berta Rosenthal (1899), Felix Rosenthal
(1898), Ferdinand Rosenthal (1888),
Frieda Rosenthal geb. Strauss (1890), Siegmund Rosenthal (1867), Berta Stern
geb. Rosenthal (1900), Salomon Strauss
(1885), Siegmund Strauss (1881).
Zu den Mitgliedern der Familie Rosenthal siehe Literatur unten in der
Literaturliste.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1872 /
1877 / 1879 / 1882 / 1900 / 1907
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. September 1872:
"Die hiesige israelitische Religionslehrer-Stelle nebst Vorbeteramt
ist vakant und soll mit dem 1. März kommenden Jahres besetzt
werden.
Bewerber wollen sich gefälligst bei den Unterzeichneten melden.
Westerburg, 20. September 1872. Isaac Fuld, Vorsteher." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Januar 1877:
"Die hiesige israelitische Kantor- und Lehramtsstelle steht zum 15.
April 1877 zum Besetzen offen. Bewerber wollen sich gefälligst bei dem
Unterzeichneten anmelden. Unter Umständen kann auch sofortiger Eintritt
erfolgen.
Westerburg (Regierungsbezirk, Wiesbaden), 15. Januar 1877. Der
Kultus-Vorsteher Isaac Fuld." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1877:
"Die hiesige israelitische Lehr- und Kantor-Amtsstelle steht zum
sofortigen Besetzen offen, verbunden mit einem Fixum von 900 Mark,
einschließlich freier Wohnung und Garten nebst teilweiser Vergütung von
Brennmaterial. Tüchtige, geprüfte Bewerber wollen sich unter Einsendung
ihrer Qualifikations-Befähigung und Aufführungszeugnisse bei dem
Unterzeichneten anmelden.
Westerburg (Provinz Nassau), 1. Juni 1877. Isaac Fuld,
Vorsteher." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juli 1879:
"Annonce. Die hiesige Kantor- und Lehramtsstelle steht mit dem
1. Oktober laufenden Jahres zum Besetzen offen.
Das fixierte Einkommen besteht in 900 Mark, sowie freie Wohnung und Garten
neben der Synagoge, verbunden mit gutem Nebenverdienste, der sich auf die
Hälfte des fixierten Gehaltes beziffern dürfte.
Bewerber, welche seminaristisch ausgebildet, hauptsächlich musikalisch
gut geübt und mit guter Stimme begabt sind, wollen sich gefälligst bei
dem Unterzeichneten anmelden, wobei man erwartet, dass Bewerber sich mit
hinreichend genügenden Zeugnissen über Betragen und Qualifikation
auszuweisen imstande sind.
Westerburg, Regierungsbezirk Wiesbaden, 3. Juli 1879. Isaac Fuld,
Vorsteher." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Februar 1882:
"Annonce. Die hiesige, zum 1. April laufenden Jahres erledigte
Religionslehrer- und Kantorstelle soll alsdann wieder besetzt
werden.
Die Stelle ist mit einem jährlichen fixen Gehalte von 800 Mark, freier
Wohnung und Garten, auch mit ca. 150 Mark Nebeneinkommen verbunden.
Bewerber müssen seminaristische und auch musikalische Bildung besitzen,
und wollen sich mit entsprechenden Zeugnissen bei dem Unterzeichneten
melden. Russen und Polen werden nicht berücksichtigt.
Westerburg, den 29. Januar 1882. Der israelitische Kultusvorsteher Gerson
Ullmann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. August 1882:
"Die hiesige vakante israelitische Religionslehrer- und Kantorstelle
soll sofort wieder besetzt werden.
Die Stelle ist mit einem jährlichen fixen Gehalte von Mark 900, freier
Wohnung und einem Garten, sowie ca. mit 100 Mark Nebeneinkommen
verbunden.
Bewerber müssen seminaristische Bildung besitzen und wollen sich mit
entsprechenden Zeugnissen bei dem Unterzeichneten melden. Westerburg, 26.
Juli 1882. Der israelitische Kultusvorsteher Gerson Ullmann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Februar 1900:
"Die Religionslehrer- und Kantorstelle in Westerburg, Nassau,
ist möglichst bald zu besetzen. Das Gehalt beträgt bei freier Wohnung
900 Mark, sowie etwas Nebenverdienst. Schochet bevorzug.
Der Kultus-Vorstand: Simon Ullmann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Dezember 1907:
"Die Kantor- und Religionsschulestelle in hiesiger Gemeinde
ist sofort zu besetzen. Fixum Gehalt 1.100 Mark, 100 Mark Nebeneinkommen.
Unverheiratete Bewerber wollen sich an den unterzeichneten Kultusvorstand
melden.
Westerburg (Westerwald), den 22. November 1907.
Abraham Fuld. 2. Kultusvorstand." |
Über Lehrer Nathan Saretzki und seine Emmi Rosa geb.
Ullmann
Nathan
Saretzki ist 1887 als Sohn des Kantors Elias Saretzki in Hohensalza/Posen
(heute Inowroclaw in Polen) geboren. Nach dem Studium von Pädagogik und
Musik in Berlin und Frankfurt bekam er (vor 1914) die
Religionslehrerstelle in Westerburg, wurde jedoch wenig später als
Unteroffizier in den Ersten Weltkrieg eingezogen, wo er bei der
Marneschlacht 1914 schwer verwundet wurde und bis 1918 Kriegsgefangener in
Frankreich war. 1920 heiratete er Emmy Rosa geb. Ullmann aus Westerburg
(ihr Bruder Gustav Ullmann starb 1918 als Soldat und wurde im Friedhof
Westerburg beigesetzt). Saretzki war nach dem Ersten Weltkrieg Kantor in
Gleiwitz, seit 1922 Oberkantor an der Haupt- und Westendsynagoge in
Frankfurt und unterrichtete bis 1937 an verschiedenen Schule, zuletzt am
Philanthropin Frankfurt. Am 18. August 1942 wurden Nathan und Emmy Rosa
Saretzki sowie ihre Mutter Rosa Ullmann von Frankfurt nach Theresienstadt
deportiert, 1944 nach Auschwitz. Das Todesdatum des Ehepaares unbekannt;
Rosa Ullmann ist am 16. September 1943 in Theresienstadt gestorben. "Stolpersteine"
in Frankfurt: Lersnerstraße 34.
Quelle für das Foto und weitere Informationen.
Literatur: Edgar Sarton-Saretzki: "Auf Sie haben wir
gewartet". Hanau (CoCon Verlag) 1997. |
Über Lehrer Leo Fischer
Leo
Fischer war von 1930 bis 1933 der letzte jüdische
Religionslehrer in Westerburg. Er unterrichtete auch die Kinder in einigen
umliegenden Gemeinde, u.a. in Meudt. In
Westerburg rettete er im März 1933 zwei jüdischen Männern das Leben. Im
September 1933 emigrierte er nach Schweden, von wo aus er zwischen 1943
und 1945 in Zusammenarbeit mit dem Schweder Raoul Wallenberg viele
Menschenleben rettete. In Schweder arbeitete er als Religionslehrer,
später als Rabbiner. Nach seiner Pensionierung 1973 lebte er mit seiner
Frau in England (London). Er hat nach 1945 mehrfach Deutschland besucht. Das Foto links
zeigt ihn bei einer Gedenkfeier am 15. November 1987 in Meudt gemeinsam
mit Ludwig Falkenstein. Quelle. |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Bericht des Religionslehrers J. Gabriel über die Gemeinde (1857) - Gründung
eines Wohltätigkeitsvereins und Bericht zum "Friedhof" der Gemeinde
Artikel
in der Zeitschrift "Jeschurun vom September 1857: "Westerburg,
im Juni (1857). Unser kleines Ländchen Nassau, dessen Juden auswärts
hier und da als indifferent verschrien sein mögen, zählt dennoch auch
viele Gemeinden, die es mit dem Glauben ihrer Väter treu und redlich
meinen.
Die hiesige Gemeinde, welche circa 30 Familien zählt, hat wohl hier und
da ein Gemeindeglied, welches sich von Allem, wo es heißt, fürs Gute in
die Schranken zu treten, zurückzuziehen sucht, aber im Allgemeinen
herrscht doch hier ein echt jüdischer Geist. - Schreiber dieses ließ im
Januar dieses Jahres eine Aufforderung zur Gründung eines Chewra
(Verein) für Wohltätigkeit ergehen, und mit warmem Eifer unterzeichnete
man die Statuten, kommt regelmäßig zu den mit der Chewra verbundenen
religiösen Vorträgen und erfüllt mit Pünktlichkeit alle
Verpflichtungen, die den Vereinsmitgliedern obliegen. Trotz der
Hindernisse, die dem Fortbestand der Chewra von einigen Mitgliedern der
Gemeinde entgegengesetzt werden, wird sich dieselbe mit Gottes Hilfe eines
langjährigen Dauer erfreuen.
Als man in diesen Tagen für eine bedrängte Familie kollektierte, war es
eine Freude, derselben eine annehmbare kleine Summe, durch die
Mildtätigkeit der hiesigen Gemeinde gesammelt, zustellen zu können.
ebenso beteiligte man sich hier und in der Umgegend im vorigen Jahr bei
der Sammlung für die notleidenden Glaubensgenossen in Jerusalem.
Wohl könnte manches reiche Gemeindeglied für gute und edle Zwecke mehr
stiften als dieses der Fall ist, wenn es bei ihnen nur nicht an gutem
Willen fehlte, und sie mehr Sinn fürs Gute hätten. -
Die hiesige Gemeinde, welche keinen eignen Begräbnisplatz
besitzt, beerdigt ihre Toten vielleicht seit undenklicher Zeit in einem
Wald. Der Totenacker ist weder begrenzt, noch umzäunt, noch ist er wie
angegeben Eigentum der Gemeinde (man zahlt einen jährlichen Pacht).
Hätte unter den vorliegenden Verhältnissen eine so zahlreiche, nicht
arme Gemeinde nicht schon längst Bedacht nehmen sollen, sich einen
Totenhof als Eigentum anzukaufen? Wir mögen nicht daran denken, dass
vielleicht bald die dort stehenden 150 Jahre alten Bäume gefällt werden,
wodurch sämtliche Gräber demoliert werden müssen. J. Gabriel,
Religionslehrer." |
Spendenaufruf für den Metzger Heinrich Schaumburger und seine Frau (Stahlhofen,
1877)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. August 1877: "Hilferuf!
Der Metzger Heinrich Schaumburger von Stahlhofen, Amts Rennerod,
welcher sich zu Anfang dieses Jahres in Witten mit Fräulein Sara
Perlstein verheiratet und dort ein Metzgergeschäft etabliert hatte,
musste dies Geschäft bald nach Einrichtung desselben wieder aufgeben, da
er als Rekrut seiner Militärpflicht noch nachzukommen hat und jetzt als
Soldat dient. In Folge dessen verzog seine Frau zu deren Schwiegereltern
in Stahlhofen, den Eheleuten Jonas Schaumburger. Da jedoch die Eheleute
Heinrich Schaumburger den durch die Neueinrichtung des Geschäfts
übernommenen Verbindlichkeiten im Betrag von 400 Talern nunmehr nicht
nachkommen konnten, wurde die Ausstattung der Frau Heinrich Schaumburger
von den Gläubigern in Pfand genommen, sodass die Frau ganz arm und von
allen Mitteln entblößt bei ihren ebenfalls sehr armen Schwiegereltern
ankam.
Die jungen Eheleute sind nun völlig unvermögend, die Ausstattung der
Frau wieder einzulösen und würde dieselbe ihre elterliche Mitgift
preisgeben müssen, wenn nicht der wohltätige Sinn ihrer wohlhabenden
Glaubensgenossen, an die zu wenden sie sich in ihrer traurigen Lage
entschlossen hat, ihr seine opferbereite Hilfe zuwenden wollte, deren sie
so sehr bedürftig ist und von deren günstigem Erfolg sie einen durchaus
würdigen Gebrauch machen wird.
Westerburg, 2. Juni 1877. (L.S.) K. Schmidt, Pfarrer.
Milde Gaben beliebe man einzusenden an den israelitischen Kultusvorsteher Isaac
Fuld in Westerburg. |
Spendenaufruf für die von einem Brandunglück betroffene Familie Moses Neuhaus
(1881)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juli 1881: "Aufruf!
Am 23. dieses Monats, des Nachmittags um 4 Uhr, brach im unteren
Stadtteile in dem Hause eines hiesigen Einwohners, welches von einem armen
Israeliten Moses Neuhaus mit Familie mitbewohnt wurde, im oberen
Dachstuhl Feuer aus, in kaum einer halben Stunde stand fast das ganze
Wohngebäude in hellen Flammen; mit der größten Gefahr wurden zwar ein
Teil der unversicherten Mobilien gerettet, welche aber größtenteils so
sehr beschädigt wurden, dass solche unbrauchbar geworden sind.
Die israelitische Familie befindet sich durch den Verlust ihres
unentbehrlichen Mobiliars in der größten Armut und Not.
Das unterzeichnete Komitee ersucht alle wohltätigen Glaubensgenossen,
dieser hartbedrängten armen Familie eine Unterstützung zufließen zu
lassen. Alle milden Gaben werden dankbar entgegengenommen.
Westerburg, den 26. Juni 1881. Das Komitee: Gerson Ullmann,
israelitischer Kultusvorsteher. Wengenroth, Bürgermeister. D.
Kaufmann, Lehrer.
Wir sind gern bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiterzubefördern.
Die Expedition des 'Israelit'." |
Spendenaufruf für verarmte Familie (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1901: "Herzliche
Bitte.
Eine arme israelitische Familie dahier ist in Folge schwerer Erkrankung
des Mannes nicht nur in große Not geraten, sondern ist auch durch
Kündigung ihrer Mietswohnung wegen Verkaufs des Hauses obdachlos
geworden, weil es hier an Mietswohnungen für geringe Leute fehlt. Ich
habe selbst mich vergeblich um eine Wohnung für die Familie bemüht. Im
Vertrauen auf die Hilfe ihrer Glaubensgenossen hat es daher die Frau
gewagt, ein gerade feilstehendes Wohnhäuschen für 500 Mark zu kaufen.
Aus eigenem Vermögen vermag die Familie den Kaufpreis nicht zu bezahlen,.
Da hier also tatsächlich eine große Not vorhanden ist und ich den Mann
von seiner Kindheit auf als einen braven und fleißigen Menschen kenne, so
wende ich mich an die Leser dieser Zeitung mit der herzlichen Bitte,
sich der armen Familie anzunehmen und ihr zur Erwerbung des Häuschens
durch freundliche, milde Gaben zu helfen, zu deren Empfang ich gerne
bereit bin und worüber ich in dieser Zeitung quittieren
werde.
Westerburg (Westerwald), 21. Mai 1901. K. Schmidt, Pfarrer." |
Spendenaufruf für arme jüdische Familie (1908)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. März 1908: "Herzliche
Bitte!
Eine hiesige arme israelitische Familie ist in große
unverschuldete Not geraten. Im verflossenen Herbste ist der Ernährer
plötzlich gestorben mit Hinterlassung einer Witwe und 2 noch unerzogenen
Kindern. Vermögen ist nicht vorhanden. Nun verlangt die Baupolizei
umfangreiche, dringliche Reparaturen an dem Häuschen (neuer Schornstein,
neue Wand etc.). Falls diese Reparaturen nicht baldigst ausgeführt
werden, droht hohe Strafe. Wer hilft der armen Familie ihr Häuschen
wieder in Stand setzen?
Gaben nimmt entgegen
Pfarrer Haas, Westerburg im
Westerwald.
Quittung erfolgt in diesem Blatt." |
Quittung über eingegangene Spenden (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni
1891: |
Berichte zu einzelnen Personen der Gemeinde
Zum Tod des durch einen Blitzschlag getöteten Corsmann
Ullmann (1881)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juli 1881: "Westerburg,
22. Juli. Geleitet von einer unabsehbaren Menschenmenge wurde heute unser
Mitbürger, Herr Corsmann Ullmann, zu Grabe getragen. Von nah und fern
waren sie herbeigeeilt, Glaubensgenossen und Andersgläubige, um
Demjenigen die letzte Ehre zu erweisen, dessen tragisches Ende überall
die größte Teilnahme erregt hat. derselbe war nämlich am verflossenen
Mittwoch (= 20. Juli 1881) in dem eine Stunde von hier entfernten
Oellingen, wo er in einem Hause vor dem Gewitter Schutz gesucht hatte, von
einem Blitzschlag getötet worden. Unsere Gemeinde verliert an dem
Dahingeschiedenen einen ihrer beliebtesten und würdigsten Vertreter.
Friede seiner Asche!" |
Zum Tod des Gemeindevorstehers Louis Ullmann (1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Februar 1895: "Westerburg,
17. Februar (1895). Unsere Gemeinde hat abermals einen herben, fast
unersetzlichen Verlust zu beklagen. Herr Louis Ullmann I., unser
friedliebender, pflichttreuer und Gottesfürchtiger, erster Vorsteher ist
nicht mehr. In der Nacht vom 13. auf den 14. dieses Monats ist er - leider
so früh - in seinem 42. Lebensjahre, nach einer sechswöchentlichen,
tückischen Krankheit vom Schauplatze seiner irdischen, segensreichen Wirksamkeit
durch einen sanften Tod abgerufen worden. Der Verstorbene war ein
allgemein beliebter, in hohem Grade mildtätiger Mensch, ein
mustergültiger Gatte und Vater, ein pietätvoller Sohn, ein liebender
Bruder und ein treuer Ratgeber und Freund seinen zahlreichen,
hochachtbaren und ebenfalls wohltätigen Verwandten. Aber nicht nur diese,
sondern auch Alle, welche mit ihm zu verkehren die Ehre hatten, namentlich
seine vielen Freunde, beweinen sein Hinscheiden. Dass unsere Stadt
anerkennt in ihm einen ihrer achtbarsten Bürger verloren zu haben,
beweist die überaus rege Beteiligung bei seinem Leichenbegängnisse.
Trotz des hohen Schnees, ungeachtet der Nähe des Sabbats folgten seiner
Bahre über 500 Personen und zwar aus allen Konfessionen. Auch die
Honoratioren unserer Stadt, der Herr Landrat, der Herr Bürgermeister, der
Herr Pfarrer etc. gaben ihm das Geleite zur ewigen Ruhestätte. Einen
solchen Kondukt dürfte Westerburg wohl noch niemals gesehen haben.
Gott, der diese tiefe Wunde geschlagen, sandte aber zugleich heilenden
Balsam. Denn so groß die Lücke ist, welche der Tod hier gerissen, sie
wird nahezu ausgefüllt, durch die ehrenwerten Verwandten der Witwe, in
Frankfurt, Wiesbaden, Worms, Schwalbach, Breslau usw., welche ihr
hilfreich zur Seite stehen werden.
Dein Andenken, treuer Freund, wir nie unserem Gedächtnisse entschwinden.
Schlafe sanft, ruhe in Frieden." |
70. Geburtstag des langjährigen Gemeindevorstehers Simon
Ullmann (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März 1928: "Westerburg
im Westerwald, 10. März (1928). Am 23. März feiert der allgemein beliebte
und geachtete Herr Simon Ullmann, seinen 70. Geburtstag. Herr Ullmann war
jahrzehntelang erster Vorsteher der hiesigen israelitischen Gemeinde und
ist heute noch zweiter Vorsteher derselben. Fast ebenso lange fungierte er
als Stadtverordnete. (Alles Gute) bis 100 Jahre." |
70. Geburtstag des aus Westerburg
stammenden Lehrers Markus Kahn (1931 in
Hechtsheim)
Anmerkung: Markus Kahn ist am 18.
Januar 1861 in Westerburg geboren, besuchte 1874 bis 1876 die
Präparandenschule in Höchberg,
dann bis 1879 das israelitische Lehrerseminar in
Würzburg. Nach Abschluss der Ausbildung war er von 1879 bis 1882 Lehrer in
Schornsheim (mit
Niedersaulheim und Udenheim), 1882
Lehrer in Flonheim, anschließend Lehrer in
Rimbach, dann
Külsheim; von 1899 bis 1911 Lehrer in
Bernkastel, und von 1911 bis 1931 Lehrer
in Hechtsheim.
Artikel
im "Mitteilungsblatt des Landesverbandes der Israelitischen
Religionsgemeinden in Hessen" Nr. 1 1931: "Hechtsheim
(in Rheinhessen). Am 18. Januar 1931 kann Herr Lehrer M. Kahn, der seit 20
Jahren in der hiesigen Gemeinde als Lehrer, Vorbeter und Schochet tätig ist,
seinen 70. Geburtstag feiern. Herr Kahn ist am 18. Januar 1861 in
Westerburg, Provinz Hessen Nassau, geboren, fand als dreizehnjähriger
Jüngling Aufnahme in der israelitischen Präparandenschule zu
Höchberg bei Würzburg und
trat nach zweieinhalbjähriger Vorbildung in dieser Präparandie in das
Israelitische Lehrerseminar in Würzburg
ein. Als er im Jahre 1879 diese Lehrerbildungsanstalt verließ, fand er
sofort Anstellung in der damals starken israelitischen Gemeinde
Schornsheim, Rabbinatsbezirk Alzey.
Von hier aus erteilte er auch den Religionsunterricht in Nieder-Saulheim
und Udenheim. Nach drei Jahren
siedelte er nach Flonheim bei Alzey über
und fand dann eine umfangreiche Tätigkeit in
Rimbach im Odenwald. Nach sechsjähriger Tätigkeit in dieser Gemeinde
fand er eine Anstellung in Külsheim,
Rabbinat Mosbach in Baden. Nach einer weiteren Amtstätigkeit von
zwölfeinhalb Jahren in Bernkastel an
der Mosel wurde Herr Kahn, wie oben erwähnt nach
Hechtsheim berufen. Neben seinen
Hechtsheimer Obliegenheiten versieht Herr Kahn auch die Unterrichts- und
Schächter-Tätigkeit in Ebersheim-Harxheim,
Hahnheim,
Bodenheim,
Undenheim und
Schornsheim. Seit über 50 Jahren ist
so Herr Lehrer Kahn im Dienste jüdische Gemeinden tätig, hat hunderte von
jüdischen Kindern in den Lehren des Judentums unterwiesen, hat manche
Gemeinde als Sch'liach Zibbur (Vorbeter) im Gebet vereint und als
gewissenhafter Schächter der Erfüllung dieser heiligen Aufgabe gedient. Er
hat sich in seinen alten Tagen auch noch unserem Landesverband der
israelitischen Religionsgemeinen Hessens zur Verfügung gestellt und hat die
beschwerlichsten Wege in Nachbargemeinden zwecks Ausübung seiner
Berufstätigkeit nicht gescheut. Wir sprechen Herrn Kahn unsere Glückwünsche
zu seinem Jubeltage aus und wünschen ihm in Gesundheit und weiterer rüstiger
Schaffenskraft: ad meoh weesrimm schonoh." (= alles Gute bis 120
Jahre). |
Zur Geschichte des
Betsaals / der Synagoge
Eine Synagoge
beziehungsweise eine Betstube in einem der jüdischen Häuser war sicher
bereits seit dem 18. Jahrhundert vorhanden. Anfang des 19. Jahrhunderts
hatte der Vorsteher Raphael Mordge in seinem Haus ein Zimmer der Gemeinde
kostenlos zur Verfügung gestellt. Bis 1819 konnten in dieser - im
Oberflecken gelegenen - Betstube Gottesdienste abgehalten werden. Dann wurde das
Haus mit der Betstube durch einen Großbrand zerstört, bei dem damals in
Westerburg 160 Gebäude vernichtet wurden.
Eine neue Synagoge, die gleichfalls im Oberflecken (Ecke Wilhelmstraße /
Schaumgasse) erbaut wurde, ist spätestens 1824 eingeweiht worden. In ihr
gab es 53 Plätze für Männer, 34 für Frauen. Die Synagoge konnte mit Hilfe
einer Kollekte erbaut werden, die hauptsächlich in Frankfurt am Main durchgeführt
wurde. Die damals 6 jüdischen Familien in der Stadt hätten einen solchen Bau
nicht finanzieren können. 1844 wurde die Synagoge renoviert.
Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich die Synagoge in baufälligem
Zustand. Die Gemeinde entschloss sich zu einem Neubau an derselben Stelle wie
die bisherige Synagoge. Im Juni (oder Anfang Juli) 1910 wurde die neue
Synagoge unter großer Anteilnahme der gesamten Bevölkerung durch
Bezirksrabbiner Dr. Landau aus Weilburg
eingeweiht. Das "Frankfurter Israelitische Familienblatt" berichtete
darüber.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Juli 1910:
"Westerburg. Die Einweihung unserer neuen Synagoge
wurde getragen von dem harmonischem Einvernehmen zwischen der hiesigen
christlichen und jüdischen Bevölkerung. Die gesamt christliche
Bevölkerung - einschließlich der Honoratioren - nahm freudigen Anteil an
dem Feste der jüdischen Gemeinde, Vereine mit ihren Fahnen waren im
Festzuge, und der Landrat hielt eine Rede, die ein Ehrenzeugnis war für
das Ansehen der hiesigen Juden. Die offizielle Einweihung vollzog
Bezirksrabbiner Dr. Landau - Weilburg." |
Nur 28 Jahre war die neue Synagoge Mittelpunkt des jüdischen
Lebens in Westerburg. Beim Novemberpogrom 1938 wurden Fenster und die
Inneneinrichtung des Gebäudes völlig zerstört. Anfang 1939 musste die
jüdische Gemeinde das Gebäude auf ihre Kosten wieder instandsetzen, um dann am
25. März 1939 gezwungen zu werden, das Gebäude für 175 RM an die Stadt zu
verkaufen. Nach 1945 ging das Gebäude in Privatbesitz über und wurde zu einem
Wohnhaus umgebaut. Bis heute erinnern verschiedene Rundbogen und Rundfenster an
die Vergangenheit des Gebäudes.
Im März 2019 wurde an der ehemaligen Synagoge eine Gedenkstele
aufgestellt, die an die Geschichte des Gebäudes und das Schicksal der früheren
jüdischen Einwohner erinnert.
Adresse/Standort der Synagoge: In der
Westerburger Oberstadt: Wilhelmstraße 4 /
Ecke Schaumgasse
Fotos
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juli 2010: Die
Synagoge wurde vor 100 Jahren eingeweiht - Veranstaltungen zu diesem
Gedenken |
Artikel von Ulrike Preis im "AK-Kurier" vom 29. Juni 2010 (Artikel): "Westerburger Synagoge feiert 100-Jähriges.
Am 8. Juli vor 100 Jahren wurde die Westerburger Synagoge eingeweiht. Das besondere Jubiläum soll nun auf den Tag genau - am Donnerstag, 8. Juli - mit einer Gedenkfeier in der Schlosskirche begangen werden.
Westerburg. Die Geschichtswerkstatt des Westerwald-Vereins e.V. Westerburg veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Stadt Westerburg anlässlich der 100-jährigen Wiederkehr der Einweihung der Synagoge der ehemaligen Jüdischen Kultusgemeinde Westerburg am Donnerstag, 8. Juli, eine Gedenkstunde in der Schlosskirche Westerburg..." |
Hinweis: Die Gedenkrede zum Gedenktag
hielt Burkhard Peschke, siehe Lit. unten. |
|
März 2019:
Aufstellung einer Gedenkstele an
der ehemaligen Synagoge |
Pressemitteilung der Stadt Westerburg vom
März 2019: "An der alten Synagoge in Westerburg wurde eine Stele
aufgestellt
Informationen über die Geschichte der jüdischen Mitbürger der Stadt.
An der ehemaligen Synagoge in der Westerburger Oberstadt (Ecke Wilhelmstraße
/ Schaumgasse) steht nun eine Stele, die an die Geschichte dieses
historischen Gebäudes und das Schicksal der jüdischen Mitbürger erinnert.
Zur offiziellen Vorstellung dieser Stele konnte Stadtbürgermeister Ralf
Seekatz neben den beiden Stadtbeigeordneten Gabi Frenz-Ferger und Angelika
Fischer-Munsch auch Westerburgs Stadtarchivar Rüdiger Klees begrüßen.
Willkommen hieß er auch die ehemalige Stadtarchivarin Maria Meurer,
Stadtführer Dieter Kaiser von der Geschichtswerkstatt sowie weitere
Mitglieder der Geschichtswerkstatt. Sein besonderer Gruß galt den jungen
Mitgliedern der Projektgruppe 'Schule ohne Rassismus' der Berufsbildenden
Schule Westerburg, die zusammen mit Fachlehrer Björn Bergmann gekommen
waren. 'Ich freue mich, dass nach einer gewissen Vorbereitungszeit nun die
Stele aufgestellt werden konnte', äußerte sich der Stadtbürgermeister. 'Der
Hauseigentümer hat auch zugestimmt, wofür ich mich herzlich bedanke', so
Seekatz.
Hintergrund. Der Projektgruppe 'Schule ohne Rassismus' ist es
wichtig, dass die Geschichte am Leben erhalten bleibt. Vielfältige
Informationen über das Schicksal der Westerburger Juden erhielten die
Schüler von der ehemaligen Stadtarchivarin Maria Meurer, die sich schon seit
vielen Jahren mit diesem Thema beschäftigt und einige Bücher geschrieben
hat. Am 12. Juni 2018, dem Anne-Frank-Tag, unternahmen etwa 100 Schüler der
BBS Westerburg einen Spaziergang durch Westerburg. Sie wollten vor Ort
sehen, wo zuletzt jüdisches Leben stattgefunden hat. Eine ihrer vielen
Stationen war die ehemalige Synagoge. Ihre Idee war es, dort Stolpersteine
aufzustellen. Der Bürgermeister informierte die Jugendlichen darüber, dass
auf Vorschlag der Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat und in Abstimmung mit
der evangelischen Kirche anstelle von Stolpersteinen eine Stele mit den
Namen der jüdischen Mitbürger zur Erinnerung errichtet werden sollte. Diese
Idee fanden die Schüler ebenfalls gut. 'Diese Stele ist eine sinnvolle
Alternative', hob Seekatz hervor und betonte, dass mit der Gedenktafel in
der Kirchgasse, einer weiteren in der Trauerhalle und nun dieser Stele eine
gute Erinnerungsarbeit geleistet wurde. Den Text für die Stele erarbeiteten
die Schüler, denen Seekatz für dieses Engagement seinen besonderen Dank
aussprach. Dank galt auch Stadtarchivar Rüdiger Klees und Dieter Kaiser, die
ebenfalls an der Textgestaltung mitwirkten und Maria Meurer, die für die
Vollständigkeit der Namen gesorgt hatte. 'Bei künftigen Stadtführungen oder
-rundgängen wird diese Stele dann sicherlich sehr oft Beachtung finden', so
Seekatz. Weitere Stelen für Stadtführungen werden am Burgmannenhaus, vor der
Freilichtbühne und am ehemaligen Stadttor in der Straße am Gemündener Tor
aufgestellt.
Die ehemalige Synagoge von Westerburg. Die Stele an der ehemaligen
Synagoge informiert in chronologischer Auflistung über die Hintergründe. Bis
zum Jahre 1819 befanden sich die Betstuben der jüdischen Gemeinde in den
Privaträumen der Gemeindemitglieder. Etwa um das Jahr 1824 fand die
Einweihung der Synagoge am Ecke Wilhelmstraße/Schaumgasse statt. Finanzielle
Unterstützung erhielten die sechs Westerburger jüdischen Familien durch eine
Kollekte der jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Die Synagoge bot Platz für 53
Männer und 34 Frauen. Im Jahre 1844 erfolgte eine Renovierung des Gebäudes.
Am 8. Juli 1910 fand die Einweihung des Neubaus durch Bezirksrabbiner Dr.
Landau aus Weilburg mit großer Anteilnahme der gesamten Bevölkerung statt.
Bis 1938 diente die Synagoge als Mittelpunkt des jüdischen Lebens in
Westerburg. Am 10. November 1938, der Reichspogromnacht, wurden Fenster und
Inneneinrichtung völlig zerstört und sämtliche Kultgegenstände verbrannt.
Anfang 1939 begann die Instandsetzung und Behebung der Schäden der
Pogromnacht auf Kosten der jüdischen Gemeinde mit anschließendem
Zwangsverkauf an die Stadt Westerburg für 175 Reichsmark. Heute befindet
sich das Wohnhaus in Privatbesitz."
Link zur Pressemitteilung |
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 880. |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 360-363. |
| Karl Greiff: Westerburg - Stadt seit 1292. Hg. von
der Stadt Westerburg 1999. |
| ders.: Die jüdische Gemeinde Westerburg von 1818-1942 nach
den Eintragungen im Personenstands- und Standesamtsregister.
unveröffentlicht Westerburg. |
| Joachim
Jösch / Uli Jungbluth u.a. (Hrsg.): Juden im Westerwald.
Leben, Leiden und Gedenken. Ein Wegweiser zur Spurensuche. Montabaur
1998. |
| Juden im Westerwald - Texte und Quellen - zusammengestellt
vom Arbeitskreis 'Heimatgeschichte' der Kreis - VHS Westerwald. Von
Hermann-Josef Hucke, Klaus Dahlem, Dieter Schmidt.
Montabaur 1988. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 69-72 (mit weiteren Literaturangaben). |
|
Burkhard
Peschke: Gedenkrede zur Einweihung der Synagoge in Westerburg vor 100
Jahren am 8. Juli 1910. Geschehen - Erinnern - Gedenken. Westerburg, 8. Juli
2010.
Eingestellt als pdf-Datei. |
| Beitrag zu Willmenrod: Martina Hartmann-Menz:
Die Kaufmannsfamilie Rosenthal aus Hadamar.
Dokumentation 2017. Eingestellt
als pdf-Datei (Beitrag wurde als Grundlage erstellt für die in 2017 zu
verlegenden "Stolpersteine" für vier Mitglieder der Familie
Rosenthal in Hadamar; Siegmund Rosenthal war Kultusvorsteher der jüdischen
Gemeinde Hadamar; er ist 1867 in Willmenrod geboren und war seit 1895 mit
der aus Villmar stammenden Johanna geb. Eisenthal verheiratet; das Ehepaar
lebte zunächst in Willmenrod, wo die drei Töchter Selma Sidonie, Bertha
und Lilly Selma Sydonie 1897, 1899 und 1903 geboren sind). ). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Westerburg Hesse-Nassau.
The community grew from 60 in 1760 to 135 (9 % of the total) in 1871. It was
affiliated with the Bad Ems rabbinate. Jews prospered in the 19th century,
opening stores and a cigar factory which the Nazis later "Aryanized".
On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue's interior was
destroyed. By 1939 most of the 85 Jews registered there in 1933 had left, 26
perished in the Holocaust.
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