Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Nordhausen (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Synagoge  

Übersicht:  

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bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeine Beiträge zur jüdischen Geschichte in Nordhausen  
Aus der Geschichte des Rabbinates in Nordhausen   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
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Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
     
In der ehemaligen freien Reichsstadt Nordhausen bestand eine jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter. Erstmals werden Juden in der Stadt 1290 genannt, doch dürfte die erste Ansiedlung von Juden in der Stadt schon längere Zeit zurückliegen. 1290 bestimmte Rudolf von Habsburg, dass die in Nordhausen wohnhaften Juden dem König Steuern in einer Höhe zu zahlen hätten, die von den Bürgern festgesetzt würde. Die jüdischen Familien bewohnten um 1300 einige ihnen gehörende Häuser in der (vermutlich erst nach 1324 sogenannten) "Jüdenstraße", doch lassen sich auch Juden in anderen Straßen der Stadt nachweisen. Spätestens nach 1324 lag in der "Jüdenstraße" auch die Synagoge (siehe unten). Ein jüdischer Friedhof lag außerhalb der Stadt am Frauenberg. Die Nordhausener Juden lebten überwiegend vom Geldverleih.  
    
Während der Judenverfolgung in der Pestzeit wurde die Gemeinde zerstört. Anfang Mai 1349 wurden die Juden - nach einer wohl legendenhaften Darstellung in einem alten Wormser Gebetbuch (s.u.) - auf ihrem Friedhof verbrannt. Unter den Märtyrern war auch der damalige Rabbiner Jakob. Der Besitz der ermordeten Juden wurde vom König dem Reichsvogt von Nordhausen - Graf Heinrich von Hohnstein und Sondershausen - sowie den Grafen Heinrich und Günther von Schwarzburg geschenkt. Von ihnen wiederum erwarb die Stadt das "Judengut" durch eine Zahlung von 400 Mark Silber. 
   
Nach der Judenverfolgung in der Pestzeit konnten seit 1350 wieder einzelne Juden in der Stadt zuziehen (u.a. aus Arnstadt, Erfurt, Frankfurt, Mühlhausen, Saalfeld, Mainz und anderen Städten). Nach 1360 gab es vermutlich vier jüdische Familien in der Stadt, Mitte des 15. Jahrhunderts etwa sechs Familien. Weiterhin lebten die jüdischen Familien vom Geldhandel, bis Mitte des 15. Jahrhunderts der Geldhandel der Juden vom Rat der Stadt untersagt wurde und die sie nun im Pferde-, Tuch- und Leinwandhandel aktiv wurden. Zu einer erneuten Judenverfolgung kam es beim Ausbruch einer Pestepidemie 1438/39. 1447 oder kurz danach vertrieb der Rat die Juden. Doch konnten sie nach kurzer Zeit (1450 oder spätestens 1454) wieder zurückkehren. Zur "endgültigen" Vertreibung der Juden aus der Stadt kam es 1559. Außer einer kurzfristigen Niederlassung im 17. Jahrhundert war bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine jüdische Ansiedlung in Nordhausen verboten.      
                   
  
Im 19. Jahrhundert entstand wieder eine jüdische Gemeinde. Seit 1808 - damals gehörte die Stadt vorübergehend zu dem vom französischen Kaiser Napoleon Bonaparte geschaffenen Königreich Westphalen - war der Zuzug in der Stadt wieder möglich; der erste in der Stadt aufgenommene Jude hieß Meyer Ilberg (bzw. Meyer Abraham). Im Laufe der nächsten 100 Jahre entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt:  1809 fünf jüdische Familien, 1817 14 Familien (mit 74 Personen), um 1825 etwa 100 jüdische Einwohner, um 1830 etwa 165 (in 30 Familien), 1895 489 (Höchstzahl, siehe unten den Artikel zum Volkszählungsergebnis von 1895, 1900 474, 1910 452 jüdische Einwohner. Eine Neugründung der jüdischen Gemeinde Nordhausen war 1813 erfolgt. Der erste Vorsteher der Synagogengemeinde war bis zu seinem Tod 1826 Meyer Abraham. Der Zuzug jüdischer Familien erfolgte vor allem aus den Landgemeinden Ellrich, Sülzhayn, Werna und Immenrode.   
  
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es zahlreiche jüdische Geschäfte in der Rautenstraße und in der Töpferstraße. Jüdische Fabrikanten, Rechtsanwälte, Kaufleute, Ärzte und Künstler hatten bis nach 1930 einen großen Anteil an der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung Nordhausens. Dr. Oscar Cohn, an den heute die Oscar-Cohn-Straße erinnert, war von Beruf Rechtsanwalt und SPD-Reichstagsabgeordneter gewesen. 1915 hatte er im Reichstag gegen die Bewilligung der Kriegskredite gestimmt und kämpfte fortan entscheiden gegen den Aufstieg der Nationalsozialisten. Er starb 1934 im Schweizer Exil. 
  
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), ein jüdisches Gemeindehaus (1885 eingeweiht, siehe Bericht unten), eine jüdische Schule (Religionsschule) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde waren zwischen 1875 und 1925 ein Rabbiner, der auch als Lehrer und Prediger der Gemeinde tätig war. Ansonsten (zeitweise auch zusätzlich) war ein Lehrer am Ort, der auch als Vorbeter (Kantor) und Schochet tätig war.   
   
Folgende Rabbiner waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Nordhausen tätig: 
-  1856 bis 1875 Rabbiner Dr. Samuel Auerbach (geb. 1827 in Bonn als jüngster Sohn von Oberrabbiner Abraham Auerbach, gest. 1884 in Frankfurt am Main): lernte bei seinem ältesten Bruder Rabbiner Dr. Benjamin-Hirsch Auerbach in Darmstadt; anschließend Studium an der Universität Bonn; wurde 1856 Rabbiner in Nordhausen, seit 1876 Nachfolger Sel. Fromms als Rabbiner in Bad Homburg, wo er aber aus Gesundheitsgründen nur zwei Jahre tätig war (vgl. Texte auf der Seite zum Rabbinat in Bad Homburg; er war verheiratet mit Klara geb. Schwab. 
-  1875 bis 1883 Rabbiner Dr. David Leimdörfer (geb. 1851 in Hlinik, Ungarn, gest. 1922 in Hamburg): studierte nach dem Besuch mehrerer Jeschiwot in Wien; war seit 1875 Rabbiner, Prediger und Religionslehrer in Nordhausen und zugleich Rabbiner im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt; seit 1883/84 erster Prediger (seit 1907 mit dem Titel Rabbiner) am Israelitischen Tempelverein in Hamburg. 
-  1883 bis 1889 Rabbiner Dr. Siegmund Gelbhaus (geb. 1850 in Tysmenytsya, Galizien, gest. 1928 in Baden bei Wien): studierte in Berlin; ab 1877 Rabbiner in Karlstadt (Karlovac) Kroatien, ab 1883 Rabbiner in Nordhausen, ab 1884 auch in Immenrode als Landesrabbiner von Schwarzburg-Rudolstadt; ab 1889 Rabbiner und Prediger in Prag, ab 1893 in Wien. 
-  1889 bis 1909 Rabbiner Dr. Philipp Schönberger (geb. 1867 in Tardosked, Ungarn, gest. 1908 in Nordhausen): studierte in Berlin; seit 1880 Rabbiner in Dessau, danach Bezirksrabbiner in Belovar, Kroatien; 1888 Rabbiner in Pasewalk, 1889 bis 1908 Rabbiner in Nordhausen.  
-  1909 bis 1925 Rabbiner Dr. Alfred Levy (geb. 1880 in Wingersheim, gest. 1934 in Bonn): studierte in Breslau; 1909 bis 1925 Rabbiner in Nordhausen, 1926 bis 1934 Rabbiner in Bonn.  
-  1927 Rabbiner Dr. Gustav Pfingst (geb. 1900, gest. 1957 in Aberdeen, Schottland): studierte in Berlin, 1927 Rabbiner in Nordhausen, 1928 Rabbiner in Oppeln (Opole), Oberschlesien; 1934 bis 1937 nach einem Nervenzusammenbruch bei seinen Schwiegereltern in Nordhausen wohnhaft; Ende 1938 nach England emigriert; zuletzt als Rabbiner in Aberdeen tätig.     
-  1933 Rabbiner Dr. Heinrich Lemle (geb. 1909 in Augsburg, gest. 1978 in Rio de Janeiro): studierte in Breslau, Berlin und Würzburg, Nach Ablegung seines Rabbinerexamens war er kurze Zeit als Prediger in Nordhausen tätig, danach als Jugendrabbiner in Mannheim, 1934 bis 1938 in Frankfurt, Ende 1938 nach England emigriert, 1940 nach Brasilien, zuletzt Professor in Rio de Janeiro; in zahlreichen jüdischen Organisationen von großer Bedeutung. Vgl. http://www.judengasse.de/dhtml/P148.htm.   
   
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Leopold Bachmann (geb. 26.5.1884 in Gleicherwiesen, gef. 14.5.1916), Gefreiter Hans Heinemann (geb. 29.4.1896 in Nordhausen, gef. 4.6.1919), Nathan Lewin (geb. 14.7.1898 in Nordhausen, gef. Nov. 1919), Karl Plaut (geb. 9.7.1891 in Nordhausen, gef. 4.8.1915), Felix Scheyer (geb. 30.8.1885 in Berlin, gest. an der Kriegsverletzung 1.9.1919), Siegfried Stern (geb. 22.6.1894 in Beilstein, gef. 9.10.1917), Simon Walter (geb. 3.12.1888 in Kelbra, gef. 27.7.1915). Gefreiter Richard Warburg (geb. 24.4.1890 in Nordhausen, gef. 20.11.1917). Außerdem sind gefallen: Leutnant Erich Heilbrunn (geb. 22.7.1890 in Nordhausen, vor 1914 in Nürnberg wohnhaft, gef. 21.3.1918), Julius Heilbrunn (geb. 31.12.1888 in Nordhausen, vor 1914 in Pforzheim wohnhaft, gef. 14.6.1915), Felix Katz (geb. 5.1.1890 in Nordhausen, vor 1914 in Gladbeck wohnhaft, gef. 19.11.1916), Vizefeldwebel Ernst Kuhn (geb. 8.7.1893 in Nordhausen, vor 1914 in Andernach wohnhaft, gef. 4.4.1918), Unteroffizier Samuel Kurt Schlesinger (geb. 28.6.1886 in Nordhausen, vor 1914 in Saarbrücken wohnhaft, gef. 26.8.1914). 
     
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde etwa 450 Personen gehörten, waren die Gemeindevorsteher Sanitätsrat Dr. Carl Stern (Hallesche Straße, siehe Presseartikel unten von 1928 und 1931), Louis Jonemann, Hermann Collin, Louis Kleimenhagen, Eli Neufeld und Oscar Blumenthal. Mitglieder der Repräsentanz waren: Emil Hirsch (Hagenstraße, siehe Presseartikel von 1928 unten), Eduard Mautner, Georg Cohn, Sanitätsrat Dr. Frohnhausen, S. Blach, Walter Eisner, Heinrich Pinthus, J. Goldstein, W. Katz, Ludwig Herzfeld und Franz Oppenheimer. Der Vorstand hatte mehrere Kommissionen gebildet: die Armenkommission (Vorsitzender Sanitätsrat Dr. Stern), die Schulkommission (Vorsitzender Hermann Collin), die Kaschruthkommission (Vorsitzender W. Katz), die Finanzkommission (Vorsitzender Eduard Mautner), die Baukommission (Vorsitzender Louis Kleimenhagen), die Stellenverpachtungskommission (Vorsitzender Louis Kleimenhagen). Als Rabbiner, Prediger und Lehrer war der bereits genannte Dr. Alfred Levy tätig, dazu war S. Seelig als Schochet und Lehrer tätig. Die beiden Lehrer unterrichteten an der Religionsschule der Gemeinde 30 Kinder; den Religionsunterricht an den höheren Schulen erteilte Rabbiner Dr. Levy.  Als Gemeindediener wird L. Altmann genannt, als Friedhofswärter ein Herr Petri.
  
1932 waren die Gemeindevorsteher: Dr. Gutmann (Bahnhofstraße 7, 1. Vors.), Hermann Collin (Wilhelm-Nebelung-Straße 9, 2. Vors.) und Louis Kleimenhagen (Rautenstraße 7, 3. Vors.). Vorsteher der Repräsentanz waren Eduard Mautner (Hallesche Straße 36, 1. Vors.) und Georg Cohn (Bahnhofsstraße 4, 2. Vors.). Als Lehrer und Kantor war Samuel Selig tätig (wohnt Pferdemarkt 10). An der Religionsschule der Gemeinde erhielten im Schuljahr 1931/32 33 Kinder Religionsunterricht.     
    
An jüdischen Vereinen gab es insbesondere: der Wohltätigkeitsverein Chewra Gemilus Chassidim (bzw. Chewra Kadischa; gegr. 1861; 1924 unter Leitung von Emil Hirsch, 1932 unter Leitung von H. Hecht mit 80 Mitgliedern; Arbeitsgebiete: Krankenpflege und Bestattung), der Israelitische Frauenverein (gegründet 1848; 1924 unter Leitung der Frau von Jos. Warburg, 1932 unter Leitung von Lora Herzfeld, Bäckerstraße 23, mit 114 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet: Krankenpflege, Arbeitsnachweis, Erholungsfürsorge), eine Ortsgruppe des Centralvereins (1924 unter Vorsitz von Rechtsanwalt Dr. Stern mit 85 Mitgliedern), eine Ortsgruppe des Hilfsvereins (1924 unter Leitung von Willy Eisner mit 70 Mitgliedern), ein Synagogengesangverein (1924 unter Leitung von Heinrich Pinthus mit 30 Mitgliedern), eine Zionistische Ortsgruppe (1924 unter Leitung von Frau E. Pinthus mit 25 Mitgliedern), eine Deutsch-jüdische Jugendgruppe (1924 unter Leitung von Kurt Kleimenhagen mit 35 Mitgliedern), ein Verein zur Abwehr des Antisemitismus (1924 unter Leitung von Herrn Häberlein mit 160 Mitgliedern), die Jacob-Plaut-Loge U.O.B.B. (1924 unter dem Präsidenten Heinrich Pinthus mit 75 Mitgliedern, 1932 unter dem Präsidenten Rechtsanwalt Dr. Frohnhausen) und ein Verein Wanderfürsorge (1932 unter Vors. von D. Vogel; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Durchreisender). Es bestand eine Jüdische Lesehalle (Gemeindebibliothek im Gemeindehaus bei der Synagoge, um die sich als Bibliothekar Dr. A. Levy bemühte.        
    
1933 lebten 438 jüdische Personen in Nordhausen. In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (1934 wurden noch 303 jüdische Einwohner gezählt, 1937 durch Zuzug von kleineren Gemeinden 386). Ende Oktober 1938 wurden 43 sogenannte "Ostjuden", Mitglieder der Familien Joschkowitz, Gottlieb und Nebenschoss nach Polen abgeschoben. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet und angezündet. Jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden überfallen, zertrümmert und geplündert. Über 100 Männer, Frauen und Kinder wurden in das Gefängnis und in den Siechenhof getrieben. 67 Männer wurden am 10. November 1938 in das KZ Buchenwald verbracht. Hier musste Kantor Kurt Singer ansehen, wie sein Vater grausam misshandelt wurde. Er beging darauf Selbstmord. Neben Kurt und Eduard Singer starben noch Hermann Bacharach, Ernst Plaut, Isidor Lewin und Rudolf Gerson in den folgenden Wochen im KZ Buchenwald. Bis zum Beginn der Deportationen konnten insgesamt etwa 180 jüdische Einwohner noch rechtzeitig emigrieren, insbesondere nach Palästina und in die USA. Anfang 1942 lebten insgesamt 72 jüdische Einwohner zwangsweise in sogenannten "Judenhäusern": in der Arnoldstraße 5 und 17, Sandstraße 12, Töpferstraße 25, Karolingerstraße 31, Vor dem Kogel 12 und 26, Rautenstraße 16 und Markt 4. Zwischen April 1942 und März 1943 wurden bei drei Transporten fast alle der jüdischen Einwohner deportiert; nur die in sogenannter "Mischehe" lebenden Juden konnten in der Stadt bleiben.  
    
Von den in Nordhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sophie Else Abraham geb. Goldstein (188), Margarete Marianne Albrecht geb. Schiff (1878), Anna Altmann geb. Birnbaum (1857), Cäcilie (Cilly) Altmann (1882), Martha Anger geb. Stern (1898), Jenny Aronson geb. Prager (1865), Agnes Bach geb. Hahn (1854), Arthur Bach (1875), Else Bach (1884), Hermann Bacharach (1859), Emilie B. Ballin geb. Mayer (1883), Grete Ballin geb. Winter (1905), Ruth Sophie Ballin (1932),  Sophie Ballin geb. Winter (1903), Ernestine Erna Klara Barr geb. Kamphrat (1910), Ernst Barr (1904), Ursula Barr (1937), Erna Baruch Twelkemeyer geb. Herrmann (1906), Hedwig Beer geb. Crohn (1880), Max Beer (1882), Martha Behrendt geb. Lehmann (1870), Margarete Berg geb. Bergmann (1887), Frieda Bernstein geb. Rothschild (1882), Isidor Bernstein (1878), Michaelis Max Michael Bernstein (1863), Rosa Bernstein (1861), Rosa Bernstein (1861) Elise (Liese) Birnbach geb. Goldschmidt (1894), Hermann Birnbach (1891), Inge Ruth Birnbach (1825), Manfred Birnbach (1826), Rosa Blau (1872), Ernst Blaut (1881), Curt Blumenthal (1882), Dora Blumenthal geb. Pinthus (1879), Oskar Michael Blumenthal (1873), Rosa Bock geb. Burchhardt (1877), Gertrud Breslauer geb. Goldschmidt (1890), Lina Caspary geb. Schlesinger (1882), Hedwig Cohen geb. Levi (1883), Else Cohn geb. Windesheimer (1879), Georg Cohn (1862), Karl Cohn (1858), Ludwig Cohn (1860), Minna Cohn geb. Herz (1875), Adolf Collin (1884), Gertrud Dalberg (1890), Fanny Dessauer (1860), Salomon (Salo) Eichner (1902), Sara Eichner geb. Eichner (1907), Emma Eisner geb. Paderstein (1888), Franz Eisner (1897) Rudolf Eisner (1892), Joseph (Josef) Emanuel (1868), Emma Epstein geb. Falkenstein (1863), Oskar Ludwig Epstein (1899), Emilie (Emmy) Erlich geb. Plaut (1875), Elsa (Else) Falkenthin geb. Lichtenstein (1894), Herbert Hellmuth Falkenthin (1923), Johanna Fichtmann geb. Burchhardt (1873), Oskar Fichtmann (1873), Selma Fichtmann (1887), Margarete Friede (1887), Marie (Maria) Friedmann geb. Rotschild (1876), Albert Frohnhausen (1899), Edgar Frohnhausen (1894), Kurt Frohnhausen (1897), Melanie Frohnhausen geb. Lewin (1899), Paul Frohnhausen (1877); Rosalie Frohnhausen geb. Goldstein (1873), Rudolf Gerson (1890), Marianne Goldner geb. Heilbrun (1903), Else Goldschmidt (1888), Hans Goldschmidt (1880), Harry Goldschmidt (1880), Hildegard (Hilde) Goldstein geb. Steinitz (1893), Isidor Goldstein (1874), Joachim Goldstein (1935), Dora Gottlieb geb. Seinfeld (1905), Dorian Gottlieb (1931), Sulamith Gottlieb (1936), Wolf Gottlieb (1902), Max Grünfeld (1882)  Alfred Hamburger (1869), Lucie Hartstein geb. Goldschmidt (1878), Anna Dina Hasnes geb. Cohn (1877), Emma Hecht (1884), Gertrud (Gertrude) Hecht geb. Simon (1899), Hedwig Hecht (1877), Hermann Hecht (1890), Gertrude Heidungsfeld geb. Hirsch (1876), Kurt Heilbronn (1913), Berta Heilbrun geb. Speyer-Ofenberg (1879), Erna Heilbrun geb. Heilbrunn (1897), Ingeborg (Ilse) Heilbrun (1925), Kurt Heilbrun (1913), Leon Heilbrun (1883), Margarete Heilbrun (1881), Wilhelm Heilbrun (1877), Josef Hein (1871), Ephraim Hellmann (1927), Hermann Hellmann (1897), Klara Hellmann geb. Fingerhut (1891), Harry (Harri) Herrmann (1877), Rosa (Rosel) Herrmann geb. Moses (1890), Lore (Lora) Herzfeld geb. Rotschild (1874), Esther Rebecka Hillesum geb. Auerbach (1864), Cäcilie Hirsch geb. Sonnenfeld (1848), Sally Holländer (1875), Margarete Jacobi geb. Machol (1870), Fanny Jolles geb. Levy (1873), Johanna Jonas geb. Heilbrun (1882), Bertha Joschkowitz geb. Fingerhut (1887), Leo Joschkowitz (1887), Leo Joschkowitz (1923), Marie Margarete Josephsohn geb. Plaut (1879), Hugo Katz (1880), Theodor Katz (1882), Selma Katzenstein geb. Kahn (1879), Klara Kern (1920), Bertha (Berta) Kleimenhagen geb. Heidungsfeld (1864), Carola Kleimenhagen geb. Zlotznitzki (1905), Ellen Kleimenhagen (1930), Ernst Kleimenhagen (1898), Eva Mirjam Kleimenhagen (1936), Kurt Kleimenhagen (1895), Louis Kleimenhagen (), Martha Klein geb. Goldschmidt (1884), Auguste Kratzer (1917), Jenny Krause (1896), May Krause (1886), Margarete Lesser (1894), Sofia Sophie Lesser geb. Bär (1870), Rosa (Rosel) Levistein geb. Rindsberg (1886), Siegmund Levistein (1878), Ursula Levistein (1922), Theodor Lewin (1868), Grete (Gretel) Lewinsohn geb. Schönberger (1887), Rosa Lewy geb. Bergmann (1870), Rosemarie Lichtenstein (), Leo Liebenthal geb. Löwenstein (1870), Rudolf Liebmann (1878), Franziska Löwenbach geb. Stern (1878), Maria (Marie) Lomnitz geb. Schönbech (1876), Rosa (Roeschen) Lowitz (1858), Käthe Maier geb. Collin (1886), Berta Marburg (1892), Martha Marcus geb. Oppenheimer (1867), Bertha Marcuse geb. Stein (1872), Kurt Bendix Marcuse (1901), Rosa Mellies geb. Katz (1886), Fanny Messing (1900), Gerda Messing (1926), Amanda Meyer (1874), Ida Meyer (1872), Margarete Meyer geb. Kaufmann (1896), Margarethe Meyer geb. Simon (1893), Martha Meyer (1874), Hermine Mondschein (1898), Leo Moses geb. Plaut (1868), Margarete Münsch geb. Frohnhausen (1902), Charlotte Münz (1924), Wilhelm Münz (1881), Hildegard (Hilde) Nebenschoss (1929), Ita (Ida) Nebenschoss geb. Gottlieb (1897), Nathan Nebenschoss (1897), Ruth Nebenschoss (1924), Selma Nelson geb. Lowitz (1862), Frieda Nessel geb. Sperber (1889), Helene Nessel (1916), Johanna Neufeld geb. Rosenthal (1870), Hedwig Oppé geb. Friedländer (1861), Franz Oppenheimer (1873), Max Pelz (1894), Klara Pelz geb. Baruch (1895), Edith Pestachowski geb. Heinemann (1892), Franz Philipp (1908), Karl Wolfgang Philipp (1904), William Philippsborn (1878), Paula (Pauline) Pintus geb. Hirsch (1866), Anna Plaut (1880), Goldine Paul geb. Hammerschlag (1866), Harry Plaut (1877), Martha Plaut geb. Levy (1886), Nathan Pohly (1874), Selma Pohly geb. Simon (1875), Hedwig Poppelauer geb. Goldschmidt (1874), Walter Richter (1883), Ida Rosenstrauch (1892), Meta Salomon geb. Friedländer (1870), Erna Sander (1885), Anna (Anny) Sax (1920), Schiff (), Serla Schiff geb. Blumenfeld (1887), Paula (Pauline) Schimmelburg geb. Frohnhausen (1866), Anna Schindel geb. Schiff (1893), Eugen Schlesinger (1878), Ida Schlesinger geb. Rosenthal(1879), Lilly Schlesinger (1893), Richard Schlesinger (1877), Anna Chana Schindel geb. Schiff (1893), Eugen Schlesinger (1878), Ida Schlesinger geb. Rosenthal (1879), Lilly Schlesinger (1893), Richard Schlesinger (1877), Helene Schlochauer geb. Lowitz (1869), Marta Schloß geb. Goldschmidt (1897), Julius Schön (1880), Jenny Schönfeld geb. Cahn (1869), Ida Seelig geb. Warenheim (1870), Heinz Simon (1931), Bertha Beta Singer geb. Kahn (1882), Eduard Singer (1879), Elsbeth (Else) Singer geb. Chocky (1880), Kurt Singer (1911), Elise Sommerguth (1874), Hedwig Sommerguth (1865), Amalia Spatz geb. Münz (1883), Berta Spatz (1909), Daniel Spatz (1880), Fritz Spatz (1916), Golda Spatz geb. Klausner (), Manfred Michael Spatz (1908), Heinrich (Heinz) Speyer-Ofenberg (1913), Siegmund (Sigismund) Spund (1900), Dora Spunt (), Elias Spunt (), Frieda Spunt (), Max Spunt (), Anni Stamm geb. Collin (1891), Karoline (Kätchen) Steinberg geb. Bacharach (1890), Emil Stern (1879), Emma Stern geb. Rosenberg (1870), Hermann Stern (1896), Margarete Stern (), Margarete Stern geb. Friedmann (1896), Ruth Stern (1926), Theodor Stern (1870), Arnold Strauss (1886), John Strauss (1884), Rosalie Strauss geb. Cramer (1858), Merri Mary Swarsenski geb. Strauss (1884), Luise Taub (1873), Else Verständig geb. Aschendorff (1911), Hersch Verständig (1873), Josef Verständig (1896), Max Verständig (1904), Moritz Heinz Verständig (1936), Regina Verständig geb. Briefwechsler (1874), Friedrich Salomo Wallach (1866), Arthur Warburg (1890), Elsbeth Warburg (1897), Henny Warburg (1891), Hedwig Weinberg geb. Heilbrunn (1885), Paul Wolfen (1892), Erika Rebekka Wolff (1923), Ludwig Wolff (1887), Martha Wolff geb. Strauss (1891), Ruth Wolff (1928), Selma Wolff geb. Götz (1888), Theodor Wolff (1888), Rosa Wolkowitz (1928), Zilla Ziering geb. Spatz (1911), Hedwig Zinkl geb. Schönbeck (1889).           
      
  
2004 wurden erstmals zur Erinnerung an jüdische (und einzelne nichtjüdische) Einwohner der Stadt "Stolpersteine" in Nordhausen verlegt, die nach den Deportationen in der NS-Zeit umgekommen sind. Bis März 2018 wurden 29 "Stolpersteine" verlegt.  
Für einige der in Nordhausen geborenen jüdischen Personen wurden an anderen Orten "Stolpersteine" verlegt. So liegt seit 2012 in Osnabrück (Hasestr. 31) ein Stolperstein für Emil Stern (geb. 1879 in Nordhausen; Link). In Berlin-Charlottenburg wurde am 7. September 2017 je ein Stolperstein verlegt für den späteren Amtsgerichtsrat Arthur Bach (geb. 1875 in Nordhausen) und seine Frau Rosalie-Gertrud Bach verh. Heidemann geb. Lewisohn: Link.   
   
   
Hinweis: zu dem am nördlichen Stadtrand von Nordhausen im August angelegten KZ Mittelbau - Dora (Außenstelle des KZ Buchenwald) siehe den 
Wikipedia-Artikel KZ Mittelbau - Dora
    
Gegenwart: In Nordhausen besteht wieder eine kleine jüdische Gemeinde (Zweigstelle der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, www.jlgt.org), zu der um 2000 etwa 35 Mitglieder gehörten, 2018 noch 21. Es gibt wöchentliche Gottesdienste in einem Betraum (Begegnungszentrum im Thomas-Mann-Haus).       
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
   
Allgemeine Beiträge zur jüdischen Geschichte in Nordhausen   

Über die Judenverbrennung in der Pestzeit 1349 (Artikel von 1873)   
Nachstehend wird die ausführliche, wohl legendenhafte Darstellung der Verbrennung der Juden in Nordhausen wiedergeben, die in einem alten Wormser Gebetbuch so überliefert ist. 

Nordhausen AZJ 18021873.jpg (56678 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Februar 1873: "Die Verbrennung der Juden zu Nordhausen am 5. Mai 1349. Als im Jahre 1349 eine Pest, der schwarze Tod genannt, die Länder verheerte, glaubte man allgemein, dass die Juden durch Vergiftung der Brunnen diese Krankheit verursacht hätten. Sie wurden gefänglich eingezogen, gefoltert und verbrannt; im mildesten Falle ihrer Habe beraubt und verjagt. Auch in Nordhausen fand 1349 auf Anregung des Markgrafen Friedrich von Meißen eine solche Verfolgung statt (Förstemann's Chronik p. 423). Eine bisher unbekannte Sage, wie die Juden hierbei zu Tode kamen, hat uns Professor Franz Delitzsch in dem diesjährigen Kalender fürs deutsche Reich nach einem alten Notizenbuch aus der Bibliothek des Dr. Carmely in Frankfurt am    
Nordhausen AZJ 18021873a.jpg (357093 Byte)Main berichtet. Ein gewisser Eliezer ben-Samuel hat den Bericht in dieses Notizenbuch aufgenommen, so wie er ihn in eine alte Wormser Tefillah eingeschrieben fand. Bald nach Eingang der Aufforderung des Markgrafen von Meißen traf der Vogt Schnetze in Nordhausen ein, und trat auf dem Rathause, welches damals auf dem Kornmarkte stand, vor dem versammelten Rate als Ankläger der Juden auf. Der Rat glaubte, sich der Aufforderung des Markgrafen nicht widersetzen zu dürfen: der Rabbiner der jüdischen Gemeinde, Rabbi Jakob, und die Gemeindevorsteher, wurden auf das Rathaus zitiert, und es wurde ihnen hier eröffnet, dass sie der Brunnenvergiftung angeklagt seien. Die Vorgeladenen riefen Gott zum Zeugen an, dass die Beschuldigung unwahr sei, aber als sie der Vogt von Salza wie gemeine Verbrecher anschnaubte, und ihnen die vielen Geständnisse anderwärts Gefolterter herzählte, verstummten sie. Ohne weitere Untersuchung verkündete ihnen der Rat, dass sie ihre Frevel am 5. Mai mit der Feuertode zu büßen haben würden. So blieb ihnen nichts übrig, als sich auf den unvermeidlichen Tod zu rüsten. Der Rabbiner und die Gemeindevorsteher, mit denen er sich verständigt hatte, erschienen nochmals auf dem Rathause, und legten den Ratsherren, mit Berufung auf das gute Verhältnis, in welchem die jüdische Gemeinde bisher immer zur Stadt gestanden hatte, die Bitte vor, dass man ihnen gestatten möchte, unter Musik und Tanz in den Tod zu gehen. Die Bitte war seltsam, aber der Rat fand eine Gewissenserleichterung darin, sie nicht abzuschlagen. Auf dem jüdischen Friedhofe, auf dem Tuchrähm, beim Judenturme, wo jetzt noch einige alte jüdische Grabsteine eingemauert sind, wurde eine tiefe, weite Grube gegraben und darin ein Scheiterhaufen geschichtet. Über die Grabe wurden Bretter gelegt, wie wenn im Freien zur Pfingstweihe ein Tanzboden gezimmert wird. Der Rabbiner hatte befohlen, dass am 4. Mai, wo dies geschah, niemand den Friedhof betreten solle, niemand solle das Blutgerüst sehen. Insgeheim hatten sie auch den Stadtmusikus mit seinen Spielleuten auf morgen früh zur bestimmten Stunde dorthin bestellt. Auf den Abend wurde die ganze Gemeinde mit den Frauen und Kindern, wer nur immer das Haus verlassen konnte, durch den Schulklopfer zum Gottesdienste gerufen. Dort blieben sie in der Nacht vom 4. zum 5. Mai beisammen. Gebet und Gesang wechselten mit Ansprachen, durch welche Rabbi Jakob sie auf den bevorstehenden Todesgang vorbereitete. Als die vom Rate anberaumte Morgenstunde gekommen war, forderte der Rabbi die Gemeinde auf, mit ihm nach dem Friedhofe zu ziehen, und dort unter Gesang und Tanz den Namen des Herrn zu heiligen, wie einst David und das ganze Haus Israel getan, da sie die Bundeslade nach Zion geleiteten. Die Gesetzesrollen, die reichgestickten Vorgänge des heiligen Schreines, die goldenen und silbernen Geräte, wurden verteilt und mitgenommen. Rabbi Jakob eröffnete den Zug, an welchen Wöchnerinnen und Kranke, in ihren Betten getragen, sich anschlossen, und sein Sohn Rabbi Meier schloss ihn, um zu sorgen, dass keiner zurückbleibe. Als man auf dem Friedhofe angelangt war, wurden die Gesetzrollen und die anderen Heiligtümer auf den bretternen Tanzsaal zusammengelegt. Auf ein Zeichen des Rabbi begann die Musik. Gleichzeitig intonierte der Vorsänger einen melodisch schönen, und das Nationalgefühlt mächtige anfachenden, liturgischen Gesang. Ehegatten, Geschwister und Freunde, umfingen sich und drehten sich, von todesmutiger Begeisterung, zugleich aber von niederzuhaltender Todesangst getrieben, immer stürmischer im Kreise. Die Stadtknechte hatten kurz vor Ankunft des Zuges die Holzschicht unter den Brettern angezündet. Das Feuer begann immer hörbarer zu knistern und zu prasseln; die Todesmutigsten aber machten es unhörbar durch immer lauteres Singen und stürmisches Walzen,  und Rabbi Meir, des Rabbiners Sohn, umging den Rand, damit nicht etwa einer aus Verzagtheit entweiche. Als nun aber die Bretter vom Feuer ergriffen wurden, und die Flammen emporzuschlagen begannen, da rief der Rabbi Jakob mit alles übertönender Stimm: Haus Jakobs! auf! und lasset uns wandeln im Lichte des Herrn! Die Paare umschlagen sich krampfhaft, und schwangen sich Herz an Herz auf dem immer enger werden Raume herum, bis der Tanzboden unter ihren Füßen krachte, und dieser ganze Menschenknäuel nebst Gesetzesrollen und Heiligtümer in die Flammengrube stürzte. Ein Bote, den Rabbi Eleazar, ein zweiter Sohn des Rabbiners, beauftragt hatte, meldete der außerthüringischen Judenschaft dieses Martyrium ihrer Nordhäuser Volksgenossen. Sie verbrannten alle - sagt die Handschrift - nicht Einer blieb übrig, aber es wurde kein Ach und Wehe vernommen, selbst nicht aus dem Munde der Kinder."        

  
Mittelalterlicher jüdischer Grabstein bei Abbrucharbeiten entdeckt (1898)      

Nordhausen Israelit 21041898.jpg (93431 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. April 1898: "Nordhausen, 15. April (1898). Bei dem Abbruche der aus den Zeichen zwischen 1220 und 1234 stammenden Mauer an der Stelle, an welcher jetzt das neue Schulhaus errichtet werden soll, wurde ein interessanter Fund gemacht, nämlich ein großer Grabstein mit hebräischen Lettern. Zwar sind von der Inschrift fast zwei Drittel herausgebrochen, doch ist der ganze obere Teil der letzteren so wohlerhalten, dass er ohne Schwierigkeit wird entziffert werden können. Der Grabstein wird entweder in das Museum gebracht, oder in die Mauer beim Judenturme eingelassen werden. Er stammt von dem vor Jahrhunderten auf dem Rähmen befindlich gewesenen 'Joddenkerchhoffe' und wird denselben Zeiten angehören, wie die aus 1416 bis 1439 stammenden vier jüdischen Grabsteine, die in den Judenturm eingesetzt sind und deren Inschriften Förstemann in seinen 'kleinen Schriften zur Geschichte der Stadt Nordhausen' in deutscher Übertragung bringt. Der aufgefundene Stein lag oben breit auf der Mauer, anscheinend zum Schutz derselben gegen das Eindringen von Regen."        

   
Vortrag von Volksschullehrer Karl Meyer über "Die Geschichte der Juden in Nordhausen" (1903)     

Nordhausen Frf IsrFambl 13021903.jpg (335698 Byte)Artikel im '"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 13. Februar 1903: Nordhausen, 24 Januar (1903). Der Nordhäuser Geschichts- und Altertumsverein hielt gestern Abend in Kohlmanns Restaurant seine Januarsitzung ab, in der Volkschullehrer Karl Meyer einen interessanten, auf urkundlichen Quellen beruhenden Vortrag über 'Die Geschichte der Juden in Nordhausen' hielt und mitteilte, dass schon im 13. Jahrhundert Juden in Nordhausen gewohnt haben, die ihre Synagoge in der Hütersgasse und ihren Friedhof in der Südostecke des Rähnenplatzes gehabt haben. Die vorhandenen Quellen berichten über die kleine Nordhäuser Judengemeinde seit dem Jahre 1300. Im Frühling 1349 sind die hiesigen Juden erschlagen, nach einer legendenhaften Erzählung am 5. Mai 1349 auf ihrem Friedhofe auf dem Rähmen verbrannt worden. Seit dem Anfang des 14. Jahrhunderst befand sich die zweite Synagoge im 3. Hause (von oben) in der Jüdengasse bis 1344, wo sie der Rat verkaufte. König Karl IV. hat das Gut der in Nordhausen 1349 erschlagenen Juden dem Grafen Heinrich von Hohnstein-Sondershausen verliehen und dieser hat es für 400 Mark lötigen Silbers an den Rat der Reichsstadt Nordhausen abgetreten. Von 1350 an kamen wieder einige Juden nach Nordhausen, die aber, wie die Juden im ganzen deutschen Reiche, unter König Wenzel um 1391 eine arge Bedrückung erfuhren. Aus dem 15. Jahrhundert sind vier Grabsteine mit hebräischen Inschriften, die von dem Judenfriedhof auf dem Rähmen stammen, an dem auf dem Rähmen stehenden sog. 'Judenturm' eingemauert. Bis zum Jahre 1544 saß in dem Judenhause in der Jüdengasse der Ratsschutzjude, bei dem dessen von auswärts nach Nordhausen kommende Glaubensgenossen Nachtherberge finden konnten. Im 16. Jahrhundert suchte der Rat den Geschäftsverkehr der Juden in Nordhausen einzuschränken, verbot ihnen das Begräbnis ihrer Toten auf dem Judenkirchhofe zu Nordhausen und gebot ihnen das öffentliche Tragen des Judenzeichens (eines großen gelben Ringes) am Arm. Infolge einer leichtsinnigen Äußerung des Ratsschutzjuden Joachim Färber über Jesus im Herbste 1550 ging der Rat, angereizt durch eine Predigt und Vorstellung von Dr. Justus Jonas, energischer gegen die Juden vor und verschaffte sich vom Kaiser Karl V. ein Privilegium, in dem den Juden das Wohnen in der Stadt Nordhausen verboten wurde. Der Rat wies die Juden nun aus der Stadt und schaffte um 1558 auch den Ratsjuden ab. Den bisherigen Judenfriedhof übergab er den Tuchmachern als Rähmenplatz. Das dritte und letzte Judenhaus (Synagoge) befand sich von 1544 bis 1558 in der Kiekersgasse (neuen Straße). Kaiser Ferdinand I. gab 1559 dem Rate der Reichsstadt Nordhausen eine Urkunde, in der das Privilegium Kaiser Karls V. bestätigt und dahin ausgedehnt wurde, dass den Juden aller Handels- und Geldverkehr mit den Nordhäuser Bürgern verboten wurde; Kapital und Zinsen sollen als verwirkt dem Rate zufallen. Der Nordhäuser Rat verbot nun seinerseits den Bürgern, Handels- und Geldgeschäfte mit den Juden, die von auswärts in die Stadt kommen, zu treiben. Seit 1581 hatten die Juden im Nachbardorfe Salza gewohnt. Jetzt zogen sie von Salza fort nach Sülzhayn und Werna, wo sie unter dem Schutze des Herrn von Spiegel wohnten, und nach Immenrode, wo sie unter dem Schutze der Grafen von Schwarzburg wohnten. Von 1558 bis 1803 haben Juden ständig in Nordhausen nicht gewohnt (nur vorübergehend auf einige Zeit). Erst als Nordhausen eine westfälische Stadt geworden, wurde am 1. Juli 1808 wieder ein Jude als Nordhäuser Bürger aufgenommen; er hieß Meyer Ilberg. Seitdem sind nach und nach die Juden von Sülzhain, Werna und Immenrode größtenteils wieder nach Nordhausen gezogen; 1822 waren in Nordhausen 150 Juden, jetzt gegen 500 (nach der Volkszählung von 1900 wohnten 474 Juden in Nordhausen). Sie erbauten sich am Pferdemarkt eine Synagoge, die am 12. September 1845 und nach einer Renovation abermals am 17. August 1888 eingeweiht worden ist."          
 

Ein textlich fast identischer Berichte über 
den Vortrag von Volksschullehrer Karl Meyer
 findet sich in der Zeitschrift "Der Israelit" 
vom 16. März 1903: 

Nordhausen Israelit 16031903.jpg (135996 Byte)

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Über die Judenverfolgung in der Pestzeit (Artikel von 1921)    

Nordhausen AZJ 30091921.jpg (147223 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. September 1921: "Nordhausen, 23. September (1921). Das dunkelste Blatt in der Geschichte der Juden unserer alten, alten Stadt bildet die schwere Verfolgung zur Zeit des Schwarzen Todes. Die Pest, die damals ganz Europa verheerte, wurde den Juden zur Last gelegt. Dass die Infektionskeime im Wasser vorhanden seien, ist eine Überzeugung, die zwar auch dem Mittelalter geläufig war, nur dass man glaubte, dieses Wasser sei künstlich vergiftet worden. Natürlich suchte man nach den Urhebern dieses vermeintlichen Verbrechens und verfiel dabei auf die Juden, die man für ein bequemes Ableitungsobjekt des Volkszornes hielt, umso mehr, als sie sich nicht wehren konnten, und somit ihre Verfolgung ohne Gefahr für den süßen Pöbel verbunden war. Charakteristisch für die Denkweise der damaligen Zeit ist ein Brief, den während der Pest von 1439 Landgraf Friedrich der Strenge von Thüringen, Markgraf von Meißen, an den Rat der Stadt Nordhausen schickte. Ins Neuhochdeutsche übertragen lautet der Brief so: 'Ihr Ratsmeister und Rat der Stadt Nordhausen! Wisset, dass wir alle unsere Juden haben verbrennen lassen, soweit unser Land reicht, der großen Schuld wegen, die sie der Christenheit getan haben, indem sie sie mit Gift töten wollten, das sie in alle Brunnen geworfen haben. Darum raten wir euch, dass ihr eure Juden töten lasst, Gott zu Lob und Ehre und zur Seligkeit der Christenheit. Damit sie die Christen nicht schwächen können. Wollte einer darum wider euch klage, so wollen wir euch vor unserem Herrn dem Könige und vor allen Herren das abnehmen. Auch wisset, dass wir Herrn Heinrich Suoze, unseren Vogt von Salza, zu euch senden; der soll eure Juden der vorgenannten Schuld anklagen, die sie an der Christenheit getan haben. Darum bitten wir euch fleißig, dass ihr ihm dazu helft. Das wollen wir zu eurem Besten. Gegeben zu Eisenach am Sonnabend nach Walpurgis unter unserem Siegel. Friedrich."       

 
Publikation von Dr. Heinrich Stern über die "Geschichte der Juden in Nordhausen" (1927)   

Nordhausen Israelit 09061927.jpg (112243 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni 1927: 
"Geschichte der Juden in Nordhausen. Von Dr. Heinrich Stern. Nordhausen 1927. Selbstverlag des Verfassers. 
Auch hier eine gut ausgestattete Festschrift, entstanden anlässlich der Tausendjahrfeier der 'freien Reichsstadt', Vorteilhaft und anziehend wirken vor allem auch die zahlreich eingefügten Illustrationen und Faksimilien von 'kaiserlichen Verordnungen', Privilegien usw. An der Hand der Urkunden des Stadtarchivs und der Akten der jüdischen Gemeinde sind die buntbewegten Schicksale der Gemeinde dargestellt. Eine Art Schächtverbot gab es für die Nordhäuser schon 1400: doch nicht so schlimm! Gegen Zahlung von 12 Groschen an die Innung konnte der 'Knochenbauermeister' schächten lassen. Zuzugsverbot, Gewerbeverbot, Gebot des Judenzeichens, Denunzierungen, Ausweisungen sind auch für Nordhausen die Schatten vergangener Jahrhunderte. Die Synagoge steht seit 1845. Von S. 63 an ist eine Aufzählung der Gemeindemitglieder in den zwanziger und dreißiger Jahren des 10. Jahrhunderts, zugleich mit Angabe des Alters und Geburtsortes. Ein glücklicher Griff ist auch die Aufzählung der Amtspersonen der jüdischen Gemeinde seit Anfang des vorigen Jahrhunderts, mit 1817 beginnend. Gegenwärtig zählt die Nordhäuser jüdische Gemeinde etwa 450 Seelen."        
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 27. Mai 1927: 
Weiterer Hinweis auf die Publikation von Heinrich Stern.     

     
Erinnerung an einen antijüdischen Brief des Landgrafen Friedrich der Strenge von Thüringen 1493 (Artikel von 1929)   

Nordhausen Juedlib Ztg 01031929.jpg (104806 Byte)Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 1. März 1929: "Martyrium deutscher Juden am Ausgang des Mittelalters. Der 'Vorwärts' gibt als charakteristisch für die Denkweise in Deutschland am Ausgang des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit einen Brief wieder, den während der Pest von 1493 Landgraf Friedrich der Strenge von Thüringen, Markgraf von Meißen, an den Rat der Stadt Nordhausen schickten. Ins Hochdeutsche übertragen lautet der Brief so: 
'Ihr Ratsmeister und Rat der Stadt zu Nordhausen! Wisset, dass wir alle unsere Juden haben verbrennen lassen, soweit unser Land reicht, der großen Schuld wegen, die sie der Christenheit getan haben, indem sie mit Gift töten wollten, das sie in alle Brunnen geworfen haben. Darum waten wir euch, dass ihr eure Juden töten lasst, Gott zu Lob und Ehre und zur Seligkeit der Christenheit, damit sie die Christen nicht schwächen können. Wollte einer deshalb gegen euch klagen, so wollen wir euch vor unserem Herrn dem Könige, und vor allen Herren beistehen. Auch wisset, dass wir Herrn Heinrich Suoze, unseren Vogt von Salza zu euch senden; der soll eure Juden der vorgenannten Schuld anklagen, die sie an der Christenheit getan haben. Darum bitten wir euch fleißig, dass ihr ihm dazu helft. Das wollen wir zu eurem besten. Gegeben zu Eisenach, am Sonnabend nach Walpurgis, unter unserem Siegel. Friedrich.' 
Der 'Vorwärts ' bemerkt dazu: 'Man begreift die furchtbaren Folgen solchen Erlasses, wenn man bedenkt, dass sich das zu einer Zeit abspielte, in der die Dumpfheit und Verwirrung der Geister ihren Höhepunkt erreicht hatte."         

   
Ergebnis der Volkszählung 1895: In Nordhausen leben 489 jüdische Einwohner (1897)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Februar 1897: "Weißenfels, 7. Februar (1896). Nach der endgültigen Feststellung der Volkszählung vom 1. Dezember 1895 wohnen in der Provinz Sachsen unter 2.698.549 Einwohnern 7.850 Juden, und zwar im Regierungsbezirk Magdeburg 4.066, Merseburg 1.808 und Erfurt 1.976. Für die größeren Städte über 20.000 Einwohner stellt sich die Zahl der Juden folgendermaßen: Magdeburg unter 215.000 Einwohner - 2006 Juden, Halle 116.000 Einwohner - 1.046 Juden, Erfurt 80.000 Einwohner - 768 Juden, Halberstadt 42.000 Einwohner - 780 Juden, Mühlhausen 30.000 Einwohner - 220 Juden, Nordhausen 27.500 Einwohner - 489 Juden, Weißenfels 26.000 Einwohner - 90 Juden, Zeitz 25.000 Einwohner - 44 Juden, Aschersleben 24.000 Einwohner - 157 Juden, Eisleben 23.000 Einwohner - 130 Juden, Quedlinburg 22.000 Einwohner - 89 Juden, Naumburg 21.000 Einwohner - 16 Juden, Stendal 21.000 Einwohner - 100 Juden. - Der medizinische Verein in Jena hatte am schwarzen Brett seine Statuten angeschlagen, in denen der Passus enthalten war: 'Wir nehmen nicht auf Angehörige der mosaischen Religion.' Der derzeitige Prorektor, Professor Dr. Linck, ließ den Anschlag abnehmen. Nunmehr schlug der medizinische Verein an: 'Wir nehmen auf christliche Studenten deutscher Nation'. Auch dieser Anschlag wurde entfernt. Auf eingelegte Beschwerde des medizinischen Vereins an das Staatsministeriums wurde er von diesem an den akademischen Senat verwiesen. Dieser erklärt sich für unzuständig, im übrigen aber mit den Maßnahmen des Prorektors einverstanden. Der medizinische Verein will sich jetzt beschwerend an das Staatsministerium wenden."          

  
  
Aus der Geschichte des Rabbinates in Nordhausen  

Zum Tod von Rabbiner Dr. Samuel Auerbach (1884, Rabbiner in Nordhausen von 1856 bis 1876)  

Bad Homburg Israelit 30101884.jpg (226370 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Oktober 1884: "Aus Frankfurt am Main meldet man uns den am vorigen Freitag, den 5. Marcheschwan (= 24. Oktober 1884) erfolgten Tod des Rabbiners Dr. Samuel Auerbach – er ruhe in Frieden. Der Verewigte war der jüngste Sohn des ehemaligen Oberrabbiners R. Abraham Auerbach – das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen, nach dessen Tode er zu seinem ältesten Bruder, Dr. B. H. Auerbach, damals Rabbiner zu Darmstadt kam, um sich in der talmudisch-rabbinischen Wissenschaft auszubilden. Mit regem Eifer und emsigem Fleiße oblag er fünf Jahre lang dem Studium von Tora und Posekim und bezog dann die Universität Bonn zur Absolvierung philosophischer Studien. Mitte der fünfziger Jahre wurde ihm das Rabbinat in Nordhausen, Provinz Sachsen übertragen, das er ungefähr 20 Jahre in Ehren und allgemeiner Anerkennung seiner Leistungen, besonders als Kanzelredner und Lehrer, bekleidet. Sein religiös-konservativer Standpunkt, den er während des ganzen Lebens innehielt, wurde zwar zuweilen von Gegnern der gesetzestreuen Richtung innerhalb der Gemeinde Nordhausen missbilligt, doch gelang es ihm bis in die Mitte der siebziger Jahre eigentliche Reformen in Synagoge und Gottesdienst zu verhindern. Als man aber in der genannten Zeit seitens der Gemeindeverwaltung auf Einführung der Orgel bestand, hatte Dr. Samuel Auerbach den Mut, sein Amt niederzulegen. Er privatisierte darauf einige Jahre, bis er als Rabbiner nach Bad Homburg berufen wurde. Auch dort war es ihm nicht beschieden, seines Amtes zu walten; eine plötzliche Erkrankung, die ein schweres Nervenleiden im Gefolge hatte, zwang ihn, seine Stelle aufzugeben. Von dieser Zeit an siechte der früher so kräftige und arbeitsfrohe Mann hin, der Besuch der Bäder brachte ihm keine Heilung. Er zog mit seiner Familie nach Frankfurt, woselbst er zu Zeiten, in denen seine Leiden etwas nachließen, mit Verwandten und Bekannten, die ihn wegen seines biederen Charakters hochschätzen, einen anregenden und ihn selbst aufheiternden Verkehr unterhielt. Seit einem Jahre war aber die Krankheit so vorgeschritten, dass er das Haus nicht mehr verlassen konnte. Die treue Pflege einer hingebenden Gattin und liebevoller Kinder war bemüht, ihm die Schmerzen zu erleichtern. – Nun hat der edle Mann, der viel im Leben gekämpft und gelitten, seine irdische Laufbahn vollendet; er ist eingegangen in die Welt des ewigen Friedens und der ewigen Freude, um den Lohn für sein Wirken zu empfangen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. Möge der 'Arzt für alle gebrochenen Herzen' der schwer geprüften Gattin und den trauernden Kindern Trost senden in ihrem großen, gerechten Schmerze! Mögen die Kinder im Sinne ihres verklärten Vater und nach dessen Beispiel und Lehren sich gleichfalls als edle Menschen und gewissenhafte Juden bewähren – das schönste Denkmal, das Kinder ihrem Vater errichten können." 
Anmerkungen:  - Rabbiner Abraham Auerbach: https://en.wikipedia.org/wiki/Abraham_Auerbach
- Rabbiner B. H. Auerbach: https://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Hirsch_Auerbach
- Posekim: Pluralform von Posek https://de.wikipedia.org/wiki/Posek  
  

 
Rabbiner Dr. David Leimdörfer wurde gewählt (1875)   

Nordhausen Israelit 17111875.jpg (35264 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1875: "Nordhausen, 25. Oktober (1875). Die hiesige Synagogengemeinde hat den Rabbiner Dr. Leimdörfer (statt: Leindörfer) aus Wien zum Prediger und Religionslehrer auf ein Probejahr gewählt."    


Zur Trauerfeier für Kaiser Friedrich wird die Predigt von Rabbiner Dr. Siegmund Gelbhaus publiziert (1888)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Juli 1888: "Aus allen Gegenden des Deutschen Reiches kommen uns Berichte über die mit außergewöhnlicher Teilnahme in den Synagogen vollzogene Trauerfeier beim Hinscheiden des Kaisers Friedrich zu. Außer dem badischen israelitischen Oberrat hatte auch das Rabbinat zu Gießen (Dr. Levi) durch ein Zirkular an die Vorstände der Gemeinden der Provinz Oberhessen die Trauerfeier angeordnet und für die Gemeinden ohne Rabbiner ein sehr tief empfundenes, die Predigt ersetzendes Gebet eingeschlossen. Im Drucke erschienene, bei diesen Trauerfeierlichkeiten gehaltene Predigten sind uns bis jetzt zugekommen: von Bezirksrabbiner Dr. M. Landsberg in Kaiserslautern, Dr. S. Gelbhaus zu Nordhausen, zwei Reden zum Gedächtnisse der Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. von Dr. M. Silberstein in Wiesbaden, dem Großherzoglichen Landrabbiner Dr. Landsberger in Darmstadt und Rabbiner Dr. Vogelstein in Stettin..."  

  
Rabbiner Dr. Philipp Schönberger wurde als Nachfolger von Rabbiner Dr. Siegmund Gelbhaus gewählt (1889)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. September 1889:  "An Stelle des Herrn Dr. Gelbhaus ist Herr Dr. Schönberger, Rabbiner in Pasewalk, zum Rabbiner in Nordhausen gewählt.      

  
25-jähriges Amtsjubiläum von Rabbiner Dr. Philipp Schönberger (1905)      

Nordhausen FrfIsrFambl 24111905.jpg (26799 Byte)Artikel im '"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. November 1905: "Nordhausen, 18. November (1905). Der hier seit 15 Jahren amtierende Rabbiner Dr. Schönberger - vorher Rabbiner in Dessau, Bellovar (Kroatien) und Pasewalk - feiert am 20. dieses Monats sein 25-jähriges Amtsjubiläum."        

   
Vortragsreihe von Rabbiner Dr. Gustav Pfingst an der Volkshochschule (1928)       

Nordhausen Juedlib Ztg 14091928.jpg (34195 Byte)Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 14. September 1928:  "Nordhausen. (Vorlesung an der Volkshochschule). An der hiesigen Volkshochschule liest Herr Rabbiner Dr. Pfingst eine Vortragsreihe über: 'Die Philosophie des Sokrates und des Platon' sowie: 'Der Prophetismus Israels'. Die Vorlesung ist wiederum hauptsächlich von Nichtjuden belegt worden; die Hörerzahl ist gegen das vorige Semester um fast das Doppelte gestiegen, ein Beweis, welcher Beliebtheit sich Herr Rabbiner Dr. Pfingst hier in Nordhausen erfreut."    

  
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer    
    
Anzeige von Kantor Warenheim (1873)      

Nordhausen AZJ 04021873.jpg (23765 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Februar 1873: "Zur selbstständigen Führung eines leichten noblen Haushaltes empfiehlt sich, gestützt auf vorzügliche Zeugnisse, eine erfahrene Dame pro 1. März oder 1. April dieses Jahres. 
Näheres beim Kantor Warenheim in Nordhausen".             

  
Gedächtnisfeier für den verstorbenen Rektor A. Horwitz (1882)       

Nordhausen AZJ 05091882kn.jpg (55065 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September 1882: "In dem Hörsaal der Knabenschule der jüdischen Gemeinde fand am 25. dieses Monats (August) eine Gedächtnisfeier für den vor einem Jahre verstorbenen Rektor A. Horwitz, den Leiter der genannten Anstalt statt. Um 11 Uhr versammelten sich die Schüler der Knabenschule, die Zöglinge des Lehrerseminars, welches letztere dem Verstorbenen seine Entstehung verdankt, sowie die Lehrerkollegien beider Anstalten. Nach einleitendem Gesang hielt der interimistische Leiter der Anstalten, Dr. Simon, die Gedächtnisrede, worauf abermaliger Gesang die Feier beschloss".         

  
Ausschreibung der Stelle des Predigers und Religionslehrers (1883)    

Nordhausen AZJ 27021883.jpg (52200 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Februar 1883: 
"In unserer Gemeinde wird zum 1. April dieses Jahres die Stelle eines Predigers und Religionslehrers vakant. 
Wir wünschen dieselbe baldigst wieder besetzt zu sehen und bitten Reflektanten sich unter Einsendung ihrer Zeugnisse und eines curriculum vitae bis zum 15. März diesen Jahres an unterzeichneten Vorstand zu melden. 
Die Stelle ist mit einem festen Einkommen von Reichsmark 2.600 pro anno - exkl. Akzidenzien - dotiert. 
Nordhausen, den 20. Februar 1883. 
Der Vorstand der Synagogengemeinde
. Im Auftrag Moritz Eisner."            

  
Der jüdische Religionsunterricht ist anerkannt (1885)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Mai 1885: "Aus Nordhausen schreibt man uns, dass die Anerkennung des jüdischen Religionsunterrichtes als obligater Lehrgegenstand im Gymnasium durch die Aufnahme desselben in die Zensuren der Schüler stattgefunden. Bei der vom Rabbiner Dr. Gelbhaus in der Aula abgehaltenen Prüfung der Schüler war auch der Direktor des Gymnasiums anwesend."        

  
  
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben  
Ein Antisemit steht vor dem Gericht (1885)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. April 1885: "Nordhausen, 16. April (1885). Gestern wurde vor der Strafkammer I des hiesigen königlichen Landgerichts ein Prozess entschieden, dessen Ausgang man schon seit länger als einem halben Jahre mit großer Spannung entgegensah. Es handelte sich um die Gefährdung des Landfriedens durch Verbreitung antisemitischer Flugschriften. Angeklagter war der Weber Eduard Meier aus Bleicherode, welchen die Anklage beschuldigt, Anfang Oktober in Bleicherode ein Lied verbreitet zu haben, das, die Melodie dem bekannten Angotliede entlehnend, folgenden von der königlichen Staatsanwaltschaft inkriminierten Schlussvers hatte: 'Drum auf, Ihr Deutschen Alle - Ermannt Euch, werdet wach! - Die Judenherrschaft falle! - Getilgt sei unsere Schmacht! - Aller Juden - Handelsbuden - Machen wir der Erde gleich. - Jeder Schwindel, - Jed' Gesindel - Sei verbannt aus unserm Reich!' Die königliche Staatsanwaltschaft beantragte, nachdem in der Sache nicht weniger als 22 Zeugen vernommen waren, die Verurteilung des Angeklagten zu 1 Monat Gefängnisstraße und den auf viele hundert Mark sich belaufenden Kosten; der Gerichtshof jedoch stützte sich auf das Zeugnis des Bürgermeisters von Bleicherode, Major a.D. Francke, welcher den Angeklagten als einen durchaus zuverlässigen, in bestem Rufe stehenden Mann bezeichnete und konstatierte, dass auch bei der stärksten Verbreitung der Gedichte in Bleicherode nicht zu befürchten gewesen sei, dass der Aufforderung des Gesichtes, die Häuser der Juden der Erde gleich zu machen, Folge geleistet worden wäre, oder dass überhaupt Gewalttätigkeiten irgendwelcher Art gegen die Juden verübt worden wären. In Folge dessen erfolgte die Freisprechung des Mannes. (Nordd. Allg. Ztg.)   
(Wir nehmen an, dass die königliche Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil die Revision einlegen wird, und sind begierig, zu erfahren, ob das königliche Kammergericht hierselbe dieser Motivierung beitreten wird. Die Red. des B.T.)"       

 
Einweihung des neuen jüdischen Gemeindehauses (1885)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. August 1885: "Bonn, 9. August (1884). Man schreibt uns aus Nordhausen vom 2. dieses Monats: Heute fand die Einweihung des prächtigen, neuerbauten Gemeindehauses statt. Rabbiner Dr. Gelbhaus hielt in einem der Schulräume nach Rezitierung des 3. Psalmes die Einweihungsrede vor den Gästen und vor der versammelten Schuljugend, worauf die Unterrichtslokalitäten, die aufs herrlichste eingerichtet sind, dem Gebrauche übergeben wurden. Der Vorstand, die Repräsentanten und die Baukommission haben sich hierdurch um unsere Gemeinde sehr verdient gemacht. Gestern wurde in der Synagoge ein sehr feierlicher Trauergottesdienst für Sir Moses Montefiore abgehalten".             

     
Eine antisemitische Zeitschrift ist eingegangen (1897)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitschrift des Judentums" vom 8. Januar 1897: "Das antisemitische 'Deutsche Wochenblatt' in Nordhausen ist mit Nr. 39 des I. Jahrgangs selig entschlafen."      

 
Örtliche Ferienkolonie für die Kinder der Gemeinde - geschaffen von der Jacob-Plaut-Loge (1911)     

Nordhausen AZJ 08091911.jpg (133668 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. September 1911: "Nordhausen, 1. September (1911). Die hiesige Jacob-Plaut-Loge hatte während der großen Ferien eine höchst anerkennenswerte Einrichtung für die Kinder der hiesigen Gemeinde aus allem Schichten getroffen, welche von uns Müttern den herzlichsten Dank verdient hat. Unsere Kleinen machten täglich vor- und nachmittags unter Leitung und Aufsicht einer Lehrerin und junger Mädchen kleine Ausflüge und Spaziergänge in die nähere Umgebung unserer schonen Heimat, wobei ihnen Milch, Obst und andere Erfrischungen verabreicht wurden und reizende Spiele unsere Lieblinge erfreuten. Solche leicht einzurichtenden, örtlichen Ferienkolonien verdienen die größte Nachahmung besonders für kleinere Gemeinden. Wenn bedürftige Kinder zur Erholung weggeschickt werden, so kommt es unter großen Geldopfern nur wenigen zugute, während unsere Kolonie vier Wochen lang täglich 18 bis 24 Kinder unter verhältnismäßig geringen Kosten erfrischt und erfreut hat. Und welche Erholung und ruhige Ferien für uns Mütter, da wir unsere Kinder unter solch guter Aufsicht wussten und täglich die Freude genossen, die Kinder abends entzückt und begeistert zu empfangen. Wir sind für diese segensreiche Einrichtung unendlich dankbar, ebenso der Lehrerin und den jungen Mädchen aus allen Kreisen der Gemeinde, die sich mit großer Hingabe und unendlicher Geduld unserer Kleinen widmeten, und geben der Hoffnung Ausdruck, dass dieser erstmalige Versuch, der sich so glänzend bewährt hat, zu einer dauernden Institution werden möge!"     

 
Ergänzungswahlen der Repräsentantenversammlung (1913)    

Nordhausen AZJ 10101913.jpg (49180 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Oktober 1913: "Aus Nordhausen wird uns geschrieben: Am 22. vorigen Monats fanden unter Leitung des Wahlkommissars Bürgermeister Becker die Ergänzungswahlen für die Repräsentantenversammlung statt. Gewählt sind auf sechs Jahre: Rentier Jos. Warburg, Fabrikant Ed. Mautner, Fabrikant Georg Cohn, Rechtsanwalt Dr. Frohnhausen, Kaufmann W. Katz, auf drei Jahre (als Ersatz für Kaufmann Collin) Bankdirektor a.D. Jak. Ballin; als Stellvertreter auf drei Jahre Bankier Blach, Kaufmann M. Marcuse, Kaufmann L. Herzfeld".         

 
Feier des Lag BaOmer in Nordhausen (1915)     

Nordhausen Israelit 06051915.jpg (35986 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Mai 1915: "Nordhausen, 2. Mai (1915). Den (Feiertag) Lag BaOmer ist hier ein vaterländischer Unterhaltungsabend zugunsten der Kriegsfürsorge von dem 'Moses Mendelsohn-Verein' und dem 'Verein der weiblichen jüdischen Jugend' veranstaltet worden. Der Abend ist von dem jüdischen Publikum reichlich besucht worden und hat für den bestimmten Zweck guten Erfolg gehabt."       

   
Vortrag von Dr. Alexander vom Central-Verein in der Gemeinde (1920)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Februar 1920: "Nordhausen, 6. Februar (1920). Mit großem Erfolg sprach hier Herr Dr. Alexander, stellvertretender Syndikus des Central-Vereins, in einer außerordentlich stark besuchten öffentlichen Versammlung über 'Die Juden im neuen Deutschland'. Das in Form und Inhalt gleich ausgezeichnete und mit lang anhaltendem Beifall aufgenommene Referat sowie die über dasselbe anschließende Aussprache waren, wie die 'Nordhauser Zeitung' freimütig zugibt, geeignet, 'einen Kräftigen Schlag gegen die Niedrigkeit des Antisemitismus' zu führen. Das Ergebnis solcher, in öffentlicher Versammlung erfolgten Auseinandersetzung bestärkt uns in der Annahme, dass sie nicht nur auf Nichtjuden aufklärend und beruhigend wirke, sondern gerade auch auf die Juden, die oft in Unkenntnis der wahren Ursachen und Verhältnisse den klaren Zusammenhang antisemitischer Erscheinungen nicht erfassen und deshalb rat- und hilflos diesen Anfeindungen gegenüberstehen. Eine Veranstaltung ähnlicher Kundgebungen in möglichst vielen Orten wäre dagegen zu wünschen".       

   
Nationalsozialisten besudeln jüdische Läden (1931)     

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 10. April 1931: "Hakenkreuzler besudeln jüdische Läden. 
Nordhausen
. (JTA). In Nordhausen sind zu nächtlicher Stunde in die Schaufenster aller jüdischen Geschäfte mit Diamantenglasschneidern große Hakenkreuze eingeritzt worden. Die Läden wurden in gemeinster Weise besudelt. Die Täter sind noch unbekannt."        

  
Aus der NS-Zeit: zwei jüdische Einwohner stehen auf Grund der "Nürnberger Gesetze" vor Gericht (1936)   

Nordhausen Juedlib Ztg 08011936.jpg (17025 Byte)Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 8. Januar 1936: "Nach einer Mitteilung der Nordhäuser Polizei wurden in Nordhausen zwei Juden wegen Verstoßes gegen das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre verhaftet".       

      
      
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde   
Zum Tod des Arztes Dr. Moritz August Wessely (1850)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. April 1850:  "Nekrolog. Nordhausen, 10. März (1850). Die Allgemeine Zeitung des Judentums hat es sich stets zur Pflicht gemacht, über Leben, Wirken und Schicksale berühmter Zeitgenossen israelitischen Glaubens getreulich Bericht zu erstatten, und so erfüllen wir denn durch dies weitverbreitete Organ auch von hier aus die schmerzliche Pflicht, den Tod eines Mannes anzuzeigen, dessen Hinscheiden in engeren und weiteren Kreisen mit Recht als ein großer, unersetzlicher Verlust tief empfunden wird. Am 7. dieses Monats starb nach längerem Leiden der hiesige königlich preußische Sanitätsrat, herzoglich nassauische geheime Hofrat und praktische Arzt Dr. med. Moritz August Wessely, Großneffe unseres berühmten Hartwig Wessely im noch nicht vollendeten 50. Lebensjahre. Er war am 15. Oktober 1800 in Bleicherode geboren, woselbst sein Vater als ein verständiger, geschickter Arzt in hoher Achtung stand und sich einer ausgebreiteten Praxis erfreute. Unter seiner Aufsicht und unter der Leitung einer edeln, tugendhaften Mutter verstrichen unserem Wessely die ersten Jahre seiner Kindheit und seines Knabenalters, und schon früh entwickelte sich in seinem Feiste und seinem Herzen der Sinn für alles Gute und Schöne, sowie jenes innige, menschenfreundliche Gemüt, das er bis zum letzten Lebenshauche nicht verleugnete. Die Vorbereitung zu seinen Studien empfing er auf dem Gymnasium hiesiger Stadt, wo ihm im Hause seines Oheims, des Herrn Hofagenten S. Schönfeld, die liebevollste Pflege zuteil wurde, und er sich durch regen Fleiß und Wohlverhalten die Zufriedenheit seiner Lehrer zu erwerben wusste. Nach redlich vollendeter Schulzeit bestimmte er sich für den Beruf seines Vaters und bezog die Universität Göttingen, wo er unter Leitung des berühmten Himly den Grund zu seiner nachmaligen Tüchtigkeit im Gebiete der Augenheilkunde legte. Zur Vervollständigung seiner Studien, und um sich schon in seinen Jugendjahren einen höhern Grad praktischer Erfahrung anzueignen, ging er, durch die Munifizenz seiner Oheime, der Herren Gebrüder Benedicks in Stockholm, mit den erforderlichen Mitteln versehen, nach Paris, wo er während eines Aufenthaltes von fünf Jahren in dem Umgange mit den hervorragendsten Ärzten und in den großartigen öffentlichen Heilanstalten der berühmten Weltstadt zur Erweiterung seines medizinischen Wissens und Könnens die günstigste Gelegenheit fand. Ganz besonders aber war es der in der medizinischen Welt hochberühmte Baron Dupuytren, Direktor des Hôtel Dieu in Paris und erster Chirurg Frankreichs, dessen vertrauter Schüler und Freund unser Wessely wurde, und durch dessen Lehre und Vorbild er sich zu einem anerkannt tüchtigen und geschickten Operateur ausbildete. Die schmeichelhaftesten Lobeserhebungen, welche Dupuytren in seinen Briefen an Wessely's Eltern aussprach und die Glückwünsche, die er ihnen zu dem Besitze eines so talentvollen Sohnes zurief, waren ganz geeignet, das Herz der treuen Eltern mit gerechter Freude und frohen Hoffnungen zu erfüllen. Und sie wurden nicht getäuscht, diese Hoffnungen. Ausgestattet mit einem reichen Schatze wissenschaftlicher und praktischer Erfahrungen kehrte Wessely in seinen Geburtsort (sc. Bleicherode) zurück, wo er sich an der Seite seines Vaters durch glücklich ausgeführte Kuren Achtung und Vertrauen in der ganzen Umgegend erwarb. Nachdem er auch den vorschriftsmäßigen medizinischen Kursus in Berlin durchgemacht und glänzend überstanden hatte, vermählte er sich mit Fräulein Adelheid Franck aus Breslau, einer Dame von hoher Bildung, mit welcher er bis zu seinem Tode in einer durch gegenseitige Achtung, Liebe und Treue geglückten Ehe lebte. Nach seiner Verheiratung nahm er seinen Wohnsitz hier in Nordhausen. Hier erwarb er sich in einer Reihe von 16 Jahren durch seine ausgezeichnete praktische Befähigung am Krankenbette, durch die mit wahrer Humanität verbundene Entschiedenheit und Vertrauen erweckende Sicherheit, mit welcher er seine Patienten behandelte, durch seinen emsigen Fleiß, mit welchem er den Fortschritten und neuen Entdeckungen auf dem Gebiete seiner Wissenschaft folgte (Anm.: seine 4 bis 5000 Bände starke Bibliothek, in welcher die vorzüglichsten medizinischen und chirurgischen Werke älterer und neuerer Zeit nciht fehlen und zu deren Vervollständigung er kein Opfer scheute, ist eine kostbare Hinterlassenschaft), durch seine rastlose, unermüdliche Tätigkeit in seinem Berufe, noch mehr aber durch sein edles, wohltätiges Herz und seinen biedern Charakter die allgemeinste Anerkennung und wohlverdiente Auszeichnung sowohl in den Palästen der Hochgestellten       
Nordhausen AZJ 01041850a.jpg (247195 Byte)und Reichen, als auch in den Hütten der Armen, denen er nicht nur als ärztlicher Beistand, sondern oft auch als Helfer in materieller Not erschien. Auch an hohen und höchsten Stellen blieben seine Leistungen auf dem Gebiete der praktischen Heilkunde nicht ohne Anerkennung. So wurde er von des Königs von Preußen Majestät zum Sanitätsrat und von Seiner Hoheit dem Herzoge von Nassau zum geheimen Hofrat ernannt. Seit vorigem Jahre war er auch Begründer und Hauptredakteur der hier erscheinenden 'Neuen Zeitung für Medizin und Medizinalreform'. So im fortwährenden, rastlosen Wirken für Wissenschaft und Menschenheil ereilte ihn der Tod zwar nach längerem Leiden, aber doch nach menschlicher Berechnung viel zu früh für seine Gattin und seine drei unmündigen Kinder, viel zu früh für seine zahlreichen Freunde und Verehrer, viel zu früh für die hiesige israelitische Gemeinde, welcher er eine Zierde war, für unsere Stadt und Umgegend, wie überhaupt für die leidende Menschheit. Er starb am 7. dieses Monats abends 9 Uhr in Folge einer Gehirnlähmung. Die Liebe und hohe Achtung, welche sich der Dahingeschiedene zu erfreuen hatte, zeigte sich in erhebender Weise bei seiner heute in früher Morgenstunde stattgehabten ehrenvollen Beerdigung. Ein überaus langer Zug, bestehend aus den Mitgliedern der israelitischen Gemeinde, und aus den angesehensten christlichen Einwohnern, worunter sich viele Gelehrte, Ärzte, Gerichtspersonen und mehrere evangelische Geistliche im Ornat befanden, folgte der irdischen Hülle des teueren Entschlafenen bis zum israelitischen Friedhof, wo der Prediger Cohn mit tief empfundenen Worten den großen Verlust beklagte, welchen die Gattin, Kinder und Angehörige, die Wissenschaft und die leidende Menschheit, durch den Tod dieses hochverdienten Mannes erlitten haben; wobei er zugleich tröstend hervorhob, wie ja das ganze Leben des Verstorbenen dem Dienste der Menschheit gewidmet, also im wahren Sinne des Worts ein immerwährender Gottesdienst gewesen sei, und dass nach einem so segensreichen Wirken der verklärte Geist gewiss die Palme des ewigen, seligen Friedens errungen habe. Wir schließen dieses Referat mit den Worten des Nachrufes, welchen ihm sein Mitarbeiter, Herr Dr. Bloedau in No. 20 seiner medizinischen Zeitung gewidmet hat: 'Ein liebvoller Familienvater, ein treuer, zu jeder Aufopferung fähiger und bereiter Freund, ein menschenfreundlicher, uneigennütziger, unermüdlicher Arzt, wird unser Wessely schmerzlich genug vermisst werden. Er war ebenso durch seine praktische Tätigkeit, zumal auch in operativer Hinsicht ausgezeichnet, wie durch seine gründliche und wissenschaftliche Bildung, die er rastlos weiterzuführen bemüht war. Wer unsern Verstorbenen näher gekannt hat, wird mit uns sein Andenken hoch und heilig halten.'"     
 
vgl. Artikel zu Moritz August Wessely in wikisource und der Deutschen Biographie (hier findet sich die Angabe von einem Übertritt zum Christentum Wesselys, was jedoch schwer zu der Anmerkung passt, dass er für die israelitische Gemeinde in Nordhausen "eine Zierde war".   
Literatur: Rolf R. A. Hecker: Wessely 1630 - 1988. 4 Generationen als Handelsleute in Amsterdam - Wesel - Glückstadt - Hamburg - Kopenhagen; 5 Generationen als Ärzte in Bleicherode - Nordhausen - Berlin - München. Ein heimat- und medizingeschichtlicher Beitrag. 1992. 28 S. 

       
Das von Bankier Jakob Plaut an die Stadt Nordhausen gestiftete Altersheim der "Jacob-Plaut-Stiftung" für Bedürftige aller Konfessionen wird eingeweiht (1881)       

Nordhausen Israelit 23111881.jpg (94075 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. November 1881: "Nordhausen. Am Tage der Feier der goldenen Hochzeitsfeier unseres verehrten Kaiserpaares, am 11. Juni 1879, überreichte Herr Jacob Plaut, ein Kind unserer Stadt, der im Jahre 1852 nach Leipzig übersiedelte, aus Anhänglichkeit an seine Vaterstadt, zu Händen des Oberbürgermeisters Riemann ein Geschenk von 300.000 Mark zur Stiftung einer Alter-Versorgungsanstalt mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass arme und würdige, über 50 Jahre alte, hilflose Personen unserer Kommune, ohne Unterschied des Geschlechtes, der Religion und des Standes in dieser Anstalt eine Zufluchtsstätte finden mögen. Schon vorher hatte Herr Jacob Plaut, mit Rücksicht auf seine hier verlebte Jugendzeit und die erfreuliche Tatsache, dass der Grund zu den nachherigen ausgedehnten Geschäftsunternehmungen des Bankhauses Plaut hier in Nordhausen gelegt worden ist, (Inhaber des früher Plaut'schen Bankgeschäftes ist jetzt sein Schwager S. Fränkel hier) unsere Stadt in Gemeinschaft mit seinen zwei Brüdern in hochherziger Weise mit verschiedenen Legaten zu milden Zwecken bedacht. Betreffs der Alterversorgungsanstalt genannt Plaut'sche Stiftung          
Nordhausen Israelit 23111881b.jpg (395387 Byte)bestimmt Herr Plaut ein Kuratorium von fünf Personen, bestehend a) aus einem Magistratsmitgliede, welches den Vorsitz führt, zur Zeit Herr Oberbürgermeister Riemann, b) aus einem Mitgliede der Familie des Stifters, vorläufig dem Herrn Bankier Samuel Frenkel, c) einem christlichen Geistlichen,  zur Zeit Herr Oberprediger Dr. Haase, d) dem jeweiligen Rabbiner der jüdischen Gemeinde, zur Zeit Herrn Rabbiner Dr. Leimdörfer und e) einem Bürger der Stadt Nordhausen, zur Zeit Buchdruckereibesitzer und Herausgeber der 'Nordhäuser Zeitung' Herr Theobald Müller, nach dessen Ableben die Stadtverordneten die Wahl vorzunehmen haben. Ferner wünschte der Stifter, dass die Familie des Stifters über ein Fünftel der Stimmen vorzugsweise zu bestimmen habe, und dass aus den nach Vollendung des Baues übrig bleibenden Mitteln außer freier Wohnung auch ganz oder teilweise Verpflegung zu gewähren sei. Dieser hochherzigen Schenkung schloss sich der Schwager des Stifters, Herr Samuel Frenkel in rühmlicher Weise an durch Schenkung eines an der Halle'schen Chaussee gelegenen Areals von ca. 5 Morgen zum Bauterrain. Am 6. August 1879 erteilte Seine Majestät der Kaiser und König zur Errichtung der Stiftung seine Genehmigung, am 21. Juni vorigen Jahres fand die feierliche Grundsteinlegung statt. In dem Grundstein wurden eingefügt die vidimierten Abschriften der Stiftungsurkunde, der allerhöchste Erlasse der Bestätigungsurkunde, Notizen über die Plaut'sche Familie, ein Verzeichnis der jüdischen hiesigen Mitbürger, ein Gedicht des Herrn Dr. Leimdörfer, ein Verzeichnis der Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordneten-Versammlung, ein Exemplar des Adressbuches von 1880 und beide hiesigen Zeitungen vom vorhergehenden Tage. Der Bau schritt unter Leitung des Herrn Baumeisters Kämmerer so rüstig vorwärts, dass am 18. August vorigen Jahres das Richtfest auf dem Bauplatz begangen werden konnte. Gemäß den Intentionen des Stifters ist das Gebäude massiv, einfach, um Kapital für die Verpflegung zu sparen, ohne außergewöhnlichen Schmuck, aber solide ausgeführt. Das Gebäude enthält: 28 Zimmer für je eine Person bewohnbar, sämtliche Zimmer werden durch Zentralbeheizung (Heißwassersystem) geheizt, 16 Zimmer für je 2 Personen, sodass also 60 Personen untergebracht werden können. Nachdem im Laufe der verflossenen Woche die sämtlichen Aufgenommenen ihren Einzug gehalten, fand heute Vormittag punkt 11 Uhr die feierliche Einweihung der Stiftung in dem einfach und dem ernsten Zweck entsprechend ausgeschmückten Erbauungssaal der zweiten Etage statt. Nur eine kleine Anzahl Leute konnte dieses Zimmer aufnehmen und mit Rücksicht darauf mussten auch die Einladungen beschränkt werden. Es waren zugegen die Mitglieder des Magistrates und der Stadtverordneten, die Mitglieder des Kuratoriums und sämtliche Insassen. Nach dem Vortrage eines Chorals auf dem Harmonium hielt zuerst Herr Oberbürgermeister Riemann eine Ansprache an die Versammelten, in welcher er mit Hinweis auf die heftigen Wellen, welche der Wahlkampf geschlagen, den Beitrag zu einer friedlichen Lösung der sozialen Frage pries, welchen Menschenliebe in dem Institute geschaffen, zu dessen Einweihung die Anwesenden sich hier vereinigt hatte, jener friedlichen Lösung, welche anzustreben eine schöne Aufgabe der Begüterten sei. Herr Oberbürgermeister Riemann gab hierauf einen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Anstalt, welcher im Wesentlichen die Daten enthielt, die wir bereits oben angeführt haben. Namens der Stadt sprach er sodann herzlichen Dank dem Stifter, Herrn Jakob Plaut, ferner dem Spender des Grundstückes, Herrn Samuel Frenkel und dem Baumeister Kämmerer aus, der das Gebäude dem Plane gemäß in schöner, gediegener Weise ausgeführt hat und schloss mit dem Wunsche, dass die Stiftung sich immer mehr zu dem entwickeln möge, was ihr Begründer geplant, zu einem friedlichen Daheim des hilflosen Alters, und dass das hier gegebene Beispiel noch Nachahmung finden möge zu jeder Zeit. Herr Superintendent Haase hielt darauf die Weiherede, welche auf die anwesenden Pfleglinge des Stifts sichtlich den tiefsten Eindruck machte und in welcher er die schon von dem Vorredner ausgeführte Idee, dass man in dem verdienstlichen Werke echter Humanität, wie es Jakob Plaut geschaffen, eine Ergänzung der staatlichen Bestrebungen zur Lösung der sozialen Frage anzuerkennen habe, weiter ausführte. Sein eindringliches Schlusswort an die Insassen des Instituts, in welchem er versuchte, den mannigfaltigen Gefühlen, welche dieselben heute bewegen, Deutung zu geben, erweckte bei vielen Zuhörerinnen Tränen der Rührung, welche davon Zeugnis ablegten, wie tief auch sie die Bedeutung des Tages mitempfangen und wie lebhaft die Dankgefühle sind, welche sie gegen den hochherzigen Stifter hegen. An diese Feier schloss sich ein gemeinsames Diner, an welchem die Insassen der Anstalt, die Hausverwalter und einige Mitglieder des Kuratoriums teilnehmen. Herr Rabbiner Dr. Leimdörfer brachte dabei den ersten Toast auf den Kaiser aus, wobei er auf die Menschenliebe, die Toleranz und den Patriotismus des Stifters der Anstalt hinwies. Hierauf folgten noch weitere Trinksprüche auf Jakob Plaut und die Familie Frenkel, auf das Kuratorium und die Pfleglinge der Anstalt. (Nordhäuser Zeitung)."      

 
Zum Tod des Gemeindeältesten Lazarus Schönheim (1882)     

Nordhausen AZJ 05091882.jpg (132481 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September 1882 "Man schreibt uns aus Nordhausen vom 23. August (1882): Heute wurde unser Gemeindeältester, der Rentier Herr Lazarus Schönheim nach vollendetem 82. Lebensjahre zur Erde bestattet. Über ein halbes Jahrhundert stand er im Dienste der Gemeinden Bleicherode und Nordhausen, die Ehrenämter eines Vorbeters, Repräsentanten und Zedoko-Verwalters bekleidend. Er war vielleicht der erste Abonnent auf die Literaturwerke des Instituts zur Verbreitung der jüdischen Wissenschaft, wie er oft erzählte. Eine große Anzahl jüdischer und nichtjüdischer Freunde folgte seiner Bahre, die ganze Gemeinde Nordhausen, Deputationen aus Bleicherode, der Männerbildungsverein, die Gesangvereine Concordia und Orpheus, deren langjähriges Mitglied der Verblichene gewesen, sie alle kamen, letztere mit den Vereinsfahnen, um dem würdigen Veteranen das letzte Geleit zu geben. Am Grabe sprach Rabbiner Dr. Leimdörfer über den Text Jesaja 46,5 und schilderte in ergreifender Weise Leben und Wirken des in der Geschichte unserer Gemeinde eine hervorragende Rolle spielenden Mannes, der im Geburtshause eines weltberühmten Hebräers (Wilhelm Gesenius) verstorben sei. Vor und nach der Leichenrede stimmten die christlichen Gesangvereine erhebende Choräle an. Des verdienten Mannes Andenken sei uns zum Segen."       

      
Stiftungen des Bankiers Jakob Plaut (1884)    

Nordhausen AZJ 13051884.JPG (25629 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Mai 1884: "Nordhausen, 24. April (1884) (Magdeburger Zeitung). Der Bankier Jakob Plaut in Leipzig, beziehungsweise in Italien, der unserer Stadt bereits 300.000 Mark und 30.000 Mark geschenkt, hat jetzt 15.000 Mark der Synagogengemeinde zum Neubau eines Hauses für Rabbiner und Kantor bewilligt."      

  
Goldene Hochzeit von Bankier Samuel Frenkel und seiner Frau geb. Plaut und Spenden zu diesem Anlass (1891)      

Nordhausen Israelit 11061891.jpg (79119 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juni 1891: "Nordhausen, 3. Juni (1891). Der hiesige Bankier Samuel Frenkel und Frau, geborene Plaut, welche heute das Fest ihrer goldenen Hochzeit feierten, schenkten aus diesem Anlasse der J. Plaut'schen Stiftung ein Kapital von 20.000 Mark, der Freimaurerloge 'Zur gekrönten Unschuld' 1.000 Mark, dem Armenverein 500 Mark usw. Die Plaut-Stiftung ist im Jahre 1879 von dem früheren Bankier Jakob Plaut zu Berlin zum Gedächtnis an seine Eltern, sowie in Veranlassung des kaiserlichen goldenen Ehejubelfestes am 11. Juni desselben Jahres mit einem Kapital von 300.00 Mark ins Leben gerufen. In dem Stiftsgrundstücke, zu dem Herr Samuel Frenkel damals den Grund und Boden schenkte, sind 50 Personen, ohne Unterschied des Glaubens, auf ihre alten Tage untergebracht."        

    
Zum Tod des Fabrikanten und langjährigen Gemeindevorstehers Adolf Eisner (1911)       

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Februar 1911: "In Nordhausen ist der Vorsitzende des Vorstandes der jüdischen Gemeinde, Herr Adolf Eisner, nach kurzer Krankheit gestorben. Der Verblichene war ein wahrhaft liberaler Jude, dessen Wirksamkeit der Gemeinde zum Segen gereichte".      
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. März 1911: "Nordhausen, 21. Februar (1911). Am Sonntag, den 11. dieses Monats erlag der langjährige Vorsitzende unseres Gemeinde-Vorstandes, Herr Fabrikant Adolf Eisner, einer tückischen Krankheit im 51. Lebensjahre. In tiefstem Schmerze betrauert unsere Gemeinde in ihm einen unersetzlichen Führer, der mit klugem Scharfblick die Interessen unserer Gemeinde erkannte, und das schwere Werk vollbrachte, alle Parteien, auch die, die seine Überzeugung nicht teilten, zu gegenseitiger Duldung und gemeinsamer friedlicher Arbeit zusammenzuführen. Von der allgemeinen Wertschätzung, deren sich der so früh Verstorbene in weiten Kreisen unserer Bürgerschaft erfreute, legten die Trauerfeier und das Leichenbegängnis beredtes Zeugnis ab. In der Synagoge war der Sarg aufgebahrt, dich übersät und umgeben von Palmen, Kränzen und Blumenschmuck. An der Trauerfeier beteiligten sich offiziell außer den Vorständen und Repräsentanten der israelitischen Gemeinde die städtischen Körperschaften fast vollzählig, zahlreiche Angehörige der Loge und sonstige Leidtragende, sodass das in Trauerschmuck stehende Gotteshaus auf allen Plätzen dicht gefüllt war. Feierliche Klänge des Synagogenchors mit Orgelbegleitung sowie ein Gebet des Herrn Kantors Seelig leiteten die würdige Feier ein. Die Trauerrede hielt Herr Rabbiner Dr. Loevy, in welcher er mit ergreifenden Worten das Lebens- und Charakterbild Adolf Eisners vor uns hinstellte, sein schlichtes und dabei großzügiges Wirken schilderte als 1. Vorsitzender der Synagogengemeinde, als Mann des öffentlichen Lebens in der Kommune und in der Politik, als werktätiger Pflichtmensch in den Berufskorporationen, auf dem Gebiete der Wohltätigkeit, wo er besonders zuletzt sich hohe Verdienste erwarb um die israelitische Wanderfürsorge, und dann in der Familie, seinem Allerheiligsten. Überall hat er sich ein unvergängliches Denkmal gesetzt, sein Geist wird weiter leben. Herr Sanitätsrat Dr. Stern rief alsdann warme Abschiedsworte dem unvergesslichen Freunde und Führer nach namens der Repräsentanten und des Synagogenvorstandes, Herr Emil Hirsch namens des israelitischen Wohltätigkeits- und Frauenvereins. Unter Trauergesängen des Chors trug man dann die irdische Hülle Adolf Eisners hinaus aus dem Tempel zur Grabstätte auf dem israelitischen Friedhofe, gefolgt von einem nach Hunderten zählenden, großen Trauergefolge! Dort wurde mit dem üblichen Gebet der Sarg beigesetzt, und das Grab schloss sich für immer über den Überresten eines wahrhaft guten Menschen."      

 
Patriotisches Gedicht von Jenny Bergmann (1916)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Januar 1915: 
Zum Lesen des Gedichtes bitte Textabbildungen anklicken. 
Anmerkung der Redaktion: "Die Verfasserin der nachstehenden Lieder ist von Geburt blind und seit vielen Jahren taub. Sie ist die Tochter eines angesehenen Fabrikanten in Nordhausen und steht jetzt etwa im 40. Lebensjahre. Nach dem Tode des Vaters, dessen blühendes Geschäft infolge des Aufkommens der großen mechanischen Webereien zurückgegangen war, blieb das mutterlose Mädchen mit ihren sechs Geschwistern in bedrängter Lage zurück. Sie lebte bei ihrem Bruder zuerst in Gera, seit einigen Jahren weilt sie mit diesem und seiner Gattin, die jüdische Lehrerin ist, in deren Obhut in Hamburg. Trotz ihres Leidens hat sie sich Lebensmut bewahrt und übt gern ihr hübsches poetisches Talent aus. Möchte diese Veröffentlichung dazu dienen, der mutigen und begabten Lebenskämpferin Freunde und Gönner zu werben. Die Red."      
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Sanitätsrat und Gemeindevorsteher Dr. Carl Stern feiert sein goldenes Doktor- und Berufsjubiläum und weitere Mitteilungen (1928)     

Nordhausen Juedlib Ztg 09031928.jpg (102817 Byte)Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 9. März 1928: "Nordhausen. (Aus dem Gemeindeleben). Am 13. März 1928 feiert der 1. Vorsteher der Israelitischen Kultusgemeinde in Nordhausen, Herr Sanitätsrat Dr. Carl Stern, sein goldenes Doktor- und Berufsjubiläum. Herr Sanitätsrat Dr. Stern ist ebenfalls 1. Vorsitzender des hiesigen Ärzte-Vereins. In vorbildlicher Treue und Hingabe, mit seltenem Geschick, versieht Herr Sanitätsrat Dr. Stern die schwierige Aufgabe als 1. Vorsteher unserer Gemeinde! Mögen dem allseits hochgeschätzten und hochverehrten Jubilar noch recht viele Jahre segensreichen Wirkens und Schaffens in geistiger und körperlicher Kraft und Frische beschieden sein! - Kürzlich besuchten Sekundaner des Staatlichen Gymnasiums in Nordhausen unter Führung des Herrn Studienrat Dr. Weyhemann die Synagoge. - Herr Rabbiner Dr. Pfingst wies auf die Einfachheit und Schlichtheit jüdischer Gotteshäuser hin; jede bildliche und figürliche Darstellung wird gemäß dem 2. Gebot vermieden; davon legt beredtes Zeugnis die hiesige Synagoge ab. Es wurde den Schülern der heilige Schrein mit den Torarollen gezeigt; dann verlas und erklärte Herr Rabbiner Dr. Pfingst einen Abschnitt aus einer Torarolle, und nach fast einstündigem Verweilen verließen die Schüler befriedigt das Gotteshaus. - An der hiesigen Volkshochschule liest Herr Rabbiner Dr. Pfingst eine Vortragsreihe über 'Das Judentum'. Die Vorlesung ist hauptsächlich von Nichtjuden belegt worden und gehört mit zu den besuchtesten."          

    
Zum Tod des langjährigen Vorsitzenden des Repräsentantenkollegiums Emil Hirsch (1928)   

Nordhausen Juedlib Ztg 07091928.jpg (47823 Byte)Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 7. September 1928: "Nordhausen (Todesfall). In dem verstorbenen Herrn Emil Hirsch verliert die hiesige Gemeinde ihren langjährigen Vorsitzenden des Repräsentantenkollegiums, der sich auf allen Gebieten religiöser Interessen, namentlich aber in der Wohlfahrtspflege, betätigte und auch ein halbes Jahrhundert dem Israelitischen Wohltätigkeitsverein als Mitglied, Vorsitzender und in der letzten Zeit auch als Ehrenvorsitzender wertvolle Dienste geleistet hat. An seiner Bahre würdigte Rabbiner Dr. Pfingst die mannigfachen Verdienste des allgemein geachteten Mannes, dem die Gemeinde ein treues Gedenken bewahren wird."     


Gemeindevorsteher Sanitätsrat Dr. Stern tritt von seinem Amt zurück und wird Ehrenvorsitzender der Gemeinde (1931)    

Nordhausen Juedlib Ztg 14011931.jpg (34854 Byte)Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 14. Januar 1931: "Nordhausen (Persönliches). Sanitätsrat Dr. Stern, der fast zwanzig Jahre als Vorsitzender der Gemeinde mit vorbildlicher Treue und großem Eifer die Geschicke der Gemeinde leitete, trat mit dem Ende des letzten Jahres von seinem Amte zurück und wurde nach einstimmigem Beschluss des Vorstands und des Repräsentanten-Kollegiums zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Außerdem wurde ihm in Würdigung seiner Verdienste um die Gemeinde eine von Künstlerhand ausgeführte Adresse überreicht".         

     
     
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Anzeige der Tuchhandlung S. Frankenheim (1847)       

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Oktober 1847: "Lehrlingsgesuch
Ein Jüngling, welcher Lust hat die Tuchhandlung zu erlernen, kann unter sehr annehmbaren Bedingungen sofort in die Lehre treten bei S. Frankenheim in Nordhausen."      

   
Anzeige der Manufaktur- und Modewarenhandlung Bach & Herzfeld (1850)     

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. August 1850: "Zu kommende Michaeli kann ein junger Mann, welcher tüchtige Schulkenntnisse sich angeeignet hat, in unsere Manufaktur- und Modewarenhandlung als Lehrling eintreten, und werden wir auf frankierte bezügliche Anfragen die näheren Bedingungen mitteilen. Noch bemerken wir, dass an den Sabbat- und Festtagen unser Geschäftslokal geschlossen bleibt. 
Nordhausen
, den 15. August 1850. Bach & Herzfeld."             


Anzeige der Leinen-, Wäsche- und Weißwarenhandlung von Robert Pintus (1859)   

Nordhausen AZJ 11041859.jpg (45117 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. April 1859: "In meine Leinen-, Wäsche- und Weißwaren-Handlung suche ich einen Lehrling aus guter Familie, der ein angenehmes Äußeres und tüchtige Schulkenntnisse besitzt, unter annehmbaren Bedingungen.  
Nordhausen, den 4. April 1859. Robert Pintus."     

      
Anzeige des Ledergeschäftes S. Sonnenfeld (1859)       

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. August 1859: "Ein junger Mann, der die nötigen Schulkenntnisse besitzt, kann sofort oder in Kürze als Lehrling in mein Ledergeschäft eintreten. Darauf Reflektierende wollen sich an mich wenden. 
S. Sonnenfeld in Nordhausen
."       

  
Anzeige des Manufakturwaren- usw. Geschäftes von J. Hamburger (1859)      

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. August 1859: "Für ein Manufakturwaren Engros-, Agentur- und Kommissions-Geschäft suche ich zu Michaelis dieses Jahres einen Lehrling, der die nötigen Schulkenntnisse besitz. Offerten werden franco erbeten. J. Hamburger in Nordhausen."          

    
Anzeige des Baumwollwaren-Geschäftes Gebr. Cramer (1860)     

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Februar 1860: "Lehrlings-Gesuch. Wir suchen für unser Baumwollwaren-Fabrik-Geschäft einen Lehrling mosaischen Glaubens, und erteilen alle nähere Auskunft auf frankierte Anfragen. Gebrüder Cramer in Nordhausen."            


Anzeige von B. Schönfeld auf Groß Wechsungen bei Nordhausen (1860)      

Nordhausen AZJ 27031860.jpg (41332 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. März 1860: "Ein gebildeter jüdischer junger Mann, mit den erforderlichen Kenntnissen, um zwei Knaben für die Tertia eines Gymnasiums vorzubereiten, wird auf ein Rittergut in der Provinz Sachsen zu Ostern oder später gesucht. 
Derselbe kann zeremoniell fromm daselbst nicht leben. Meldungen zu richten an Herrn B. Schönfeld auf Groß Wechsungen bei Nordhausen". 

    
Anzeige der Lederhandlung M. L. Friedländer (1861)      

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Dezember 1861: 
"Für meine Lederhandlung suche ich zu Neujahr einen Lehrling.  
Nordhausen.  M. L. Friedländer
."          

      
Anzeige der Band-, Garn- und Kurzwarenhandlung J. Mankiewitz (1863)    

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. November 1863: "Ein Commis, militärfrei und im Besitze guter Empfehlungen, welcher in Band-, Garn- und kurzen Waren bewandert ist und sich zu jeder Funktion im Engros-Geschäfte qualifiziert, findet zum 1. Januar 1864 bei mir Engagement. 
Nordhausen
, den 1. November 1863. J. Mankiewitz."          

  
Anzeige des Manufaktur- und Modewaren-Geschäftes L. Herzfeld (1864)      

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Oktober 1864: "Für mein am Sonnabend und den Feiertagen geschlossenes Manufaktur- und Modewaren-Geschäft suche ich einen Lehrling mit den erforderlichen Schulkenntnissen. Nordhausen. L. Herzfeld."            


Anzeige des Baumwollen- und Leinenwaren-Fabrikgeschäftes Cusel Hamburger (1866)     

Nordhausen AZJ 02011866.jpg (60083 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Januar 1866: 
"Für mein Baumwollen- und Leinen-Waren-Fabrikgeschäft suche ich zum sofortigen Antritt einen tüchtigen soliden Reisenden (Israelit). Derselbe muss diese Branche genau kennen, und schön längere Zeit gereist haben. 
Offerten unter Beifügung der Zeugnisse werden franco erbeten. 
Nordhausen, den 10. Dezember 1865, Cusel Hamburger."           

  
Anzeigen des Manufaktur- und Modewarengeschäftes von M. Grelling (1867 / 1869)   

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Januar 1867:  "In meinem Manufaktur- und Modewarengeschäft ist eine Lehrlingsstelle zum sofortigen Antritt vakant.
 Nordhausen.  M. Grelling".         
 
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. August 1869: "Für mein Manufakturwaren-Geschäft suche ich einen Lehrling zum sofortigen Antritt, oder 1. Oktober.
 Nordhausen. M. Grelling."      

  
Anzeige des Kurz- und Eisenwarengeschäftes von S. Frankenheim (1870)      

Nordhausen AZJ 11101870.jpg (31424 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Oktober 1870: "Zu vermieten. 
Ein Laden in Nordhausen am Markt, worin seit einer Reihe von Jahren ein Kurz- und Eisenwarengeschäft mit gutem Erfolge betrieben worden ist, sich auch zu jedem andern Geschäft eignet, ist zum 1. Januar kommenden Jahres zu vermieten. 
S. Frankenheim
".           

   
Anzeigen des Tuch- und Modewaren- beziehungsweise Manufakturwaren-Geschäftes von S. Frankenheim / J. Frankenheim (1872)    

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Januar 1872: "Commis-Gesuch
Für mein Tuch- und Modewaren-Geschäft suche ich per 1. April einen Commis. 
S. Frankenheim in Nordhausen."      
 
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober 1872: "Commis-Gesuch
Für mein Tuch- und Manufakturwaren-Geschäft suche per 1. Dezember einen Commis. 
J. Frankenheim in Nordhausen.
"            


Anzeige von Martin Blumenthal (1873)      

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Mai 1873: "Für einen jungen Menschen von 14 1/2 Jahren suche ich eine Lehrlingsstelle in einer feineren Profession. Martin Blumenthal, Nordhausen".       


Anzeige des Tuch- und Modewarengeschäftes von A. Katz und Co. (1873)     

Nordhausen AZJ 11021873.jpg (26606 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Februar 1873: 
"Für unser Tuch- und Modewarengeschäft suchen wir einen jungen Mann, jüdischen Glaubens, (Commis) bis zum 15. März oder 1. April dieses Jahres. 
Reflektierende wollen sich direkt an uns wenden. 
Nordhausen a H.     A. Katz und Co
."           

   
Anzeige der Lederhandlung D. Hecht (1873)     

Nordhausen AZJ 11021873xx.jpg (19784 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Februar 1873:  "Lehrlings-Gesuch
Für meine Lederhandlung suche möglichst zum sofortigen Eintritt einen Lehrling unter günstigen Bedingungen.
 Nordhausen am Harz.           D. Hecht."         

    
Anzeige des Leinen- und Baumwollwaren-Fabrikgeschäftes Moritz Eisner (1873)     

Nordhausen AZJ 28101873.jpg (28273 Byte) Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Oktober 1873: "Für mein Leinen- und Baumwollwaren-Fabrik-Geschäft suche ich zum 1. Januar 1874 einen Lehrling mit den nötigen Schulkenntnissen ausgerüstet, womöglich einen solchen, welcher die Sekunda einer Realschule I. Ordnung besucht hat. 
Moritz Eisner in Nordhausen in Thüringen."          

     
Anzeigen des Herren-Konfektionsgeschäftes Gebr. Pintus (1873 / 1875)    

Nordhausen AZJ 28101873x.jpg (23197 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Oktober 1873: "Einen jungen Mann, flotten Verkäufer, suchen wir zum sofortigen Antritt für unser Herren-Konfektions-Geschäft. 
Nordhausen
in Thüringen, den 20. Oktober 1873. Gebrüder Pintus".            
 
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. August 1875: "Für unser Herren-Konfektions-Geschäft suchen wir per 1. Oktober einen mit dieser Branche vertrauten jungen Mann, flotten Verkäufer. Gebrüder Pintus, Nordhausen am Harz."    

 
Anzeige der Geschwister Wildau (1874)     

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. August 1874: "Wir suchen für unser frequentes Putzgeschäft eine in allen Fächern des Putzfaches geübte Directrice.
Geschwister Wildau, Nordhausen a/H."     


Anzeige von L. J. Warburg (1903)    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. August 1903: "Suche 
für meinen Sohn, 16 Jahre alt, und im Besitze des Zeugnisses für Einjährig-Freiwillige, Lehrlingsstelle in einem Geschäft der Metall-, Droguen- oder Kolonialwarenbranche, das an jüdischen Feiertagen streng geschlossen ist. Eintritt nach Übereinkunft.  
L. J. Warburg,
Nordhausen."            

  
Hochzeitsanzeige von Ernst Kleimenhagen und Else geb. Ballin (1924)     

Anzeige in der "CV-Zeitung" vom 8. Mai 1924: 
"Ernst Kleimenhagen - Else Kleimenhagen geb. Ballin. Vermählte. 
Nordhausen (Harz) z.Z. auf Reisen. Bahnhofstraße 15 I."  

   
Anzeige der Baumwollwarenhandlung Schlesinger & Herrmann (1924)    

Anzeige in der "CV-Zeitung" vom 8. Mai 1924: "Reisender
jüngerer, unverheiratet, I. Kraft aus der Baumwollwarenbranche, der sehr gut bei Detailleuren eingeführt ist, möglichst bald gesucht. Etwas Lagerarbeit Bedingung. Meldungen mit Bild und Gehaltsansprüchen und sonstigen Angaben.
Schlesinger & Herrmann. 
Nordhausen am Harz. 
Baumwollwaren en gros.
"   

   
Verlobungsanzeige von Carola Zlotnitzki und Kurt Kleimenhagen (1928)    

Nordhausen CV-Ztg 14091928.jpg (37614 Byte)Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins) vom 14. September 1928:  "Statt Karten! 
Carola Zlotnitzki - Kurt Kleimenhagen. Verlobte. 
Dresden - A.20  Palaisstraße 15   -   Nordhausen a.H.    den 9. September 1928".    

   
   
Weiteres Dokument 
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)   

Brief an Frau Oppenheimer,
 Pfandleihgeschäft am Königshof 
in Nordhausen (1872) 
Nordhausen Dok 167.jpg (183566 Byte)
   In Nordhausen lebten bereits seit den 1820er-Jahren mehrere Familien Oppenheimer; 
vgl. Beitrag von Peter Kuhlbrodt, online s.Lit. Bei wem es sich um Frau Oppenheimer genau
 gehandelt hat, konnte noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Der Brief wurde am 
27. September vermutlich 1872 von Ellrich nach Nordhausen geschickt. 

    
    
Sonstiges        
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein in New York für Isaac Plaut aus Nordhausen (1813-1896)      
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn; der Geburtsname von Babette Plaut wird nicht mitgeteilt.  .      

Nordhausen New York Salem 1673.jpg (135627 Byte)   Grabstein für 
"Our beloved Father 
Isaac Plaut
 
Husband of Babette Plaut  
Born in Nordhausen - Germany 
August 14, 1813  
Died October 20, 1896"   

     
     
     
Zur Geschichte der Synagoge    
        
Eine Synagoge war bereits im Mittelalter vorhanden. Zunächst (um 1300) befand sich sich in der Hütersgasse, Ecke Frauenbergerstiege ("erstes Judenhaus" beziehungsweise "altes Judenhaus"), später wurde sie in die Jüdenstraße verlegt, die danach ihren Namen erhielt. Die Synagoge wurde als das "zweite Judenhaus" bezeichnet; sie war im dritten Haus auf der Ostseite der Jüdenstraße, von Nord her gezählt. Die Verlegung hängt möglicherweise mit einem Aufruhr der Nordhausener gegen die Statthalterschaft der Domherren im Jahr 1324 zusammen. Damals wurde die Synagoge ausgeplündert und zerstört. Auch während der Verfolgung in der Pestzeit wurde die Synagoge vermutlich ausgeplündert und geschändet. 
  
Im 15. Jahrhundert wird wiederum eine Synagoge genannt (1421: "Judenschule"), vermutlich in demselben Gebäude in der "Jüdenstraße", in dem auch vor der Verfolgung in der Pestzeit die Synagoge war. Zwischenzeitlich war das Gebäude als Wohnhaus verwendet worden. Es ist nicht mehr erhalten.    
       
   
Im 19. Jahrhundert konnte zunächst ein Betsaal (Synagoge) in der Ritterstraße 4 eingerichtet werden. Anfang 1839 erhielt die jüdische Gemeinde die königliche Erlaubnis zum Neubau einer Synagoge, worauf der Geburtstag des Königs nach einem Bericht vom August 1839 mit besonderer Freude begangen wurde:   
      
Feier des Geburtstages des Königs in der Synagoge (1839) 
Anmerkung: es geht um die Feier des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., geb. 3. August 1770.       

Nordhausen AZJ 31081839.jpg (107181 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. August 1839: "Nordhausen, 4. August (1839). Die hiesige israelitische Gemeinde hat am gestrigen Sabbat den Geburtstag Seiner Majestät des König auf eine dem frommen Sinne Allerhöchstdesselben entsprechende Weise begangen. 
Die Synagoge war mit Blumen festlich ausgeschmückt. Während des Vormittags-Gottesdienstes und zwar vor der Vorlesung des Bibelabschnittes aus der Tora, waren die Psalmen 21, 61 und 72, welche von dem Herrn Kantor und der Gemeinde Vers und Vers rezitiert wurden, eingeschaltet, Hierauf hielt der Herr Prediger Cohn eine, auf den festlichen Geburtstag bezügliche Predigt über das Thema: Was empfindet der preußische Israelit am 70. Geburtstage seines Königs? - und führte dieses Thema in 4 Abteilungen (herzlichen Dank gegen Gott - innige Freude - frohe Hoffnungen - und fromme Wünsche) als Beantwortung jener Frage aus; worauf er das Gebet für Seiner Majestät und Allerhöchstdessen Königliches Haus sprach. 
Diese Feier beging die Gemeinde mit desto innigerer Teilnahme, als ihr zu Anfang dieses Jahres die Allerhöchste Erlaubnis zum Neubau einer Synagoge zuteil geworden ist; und war sie so der ungeheuchelte Ausdruck ihrer Dankbarkeit. H."        

Die neue Synagoge wurde von 1843 bis 1845 am Pferdemarkt errichtet und am 12. September 1845 durch den aus Ellrich stammenden Landrabbiner Dr. Levi Herzfeld eingeweiht. Seine Einweihungspredigt war ein Aufruf zur Durchführung von umfassenden Reformen im Judentum seiner Zeit:    
   
Predigt von Landrabbiner Dr. Herzfeld zur Synagogeneinweihung (1845)     

Nordhausen Israelit 19Jh 01021846.jpg (219755 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 1. Februar 1846: "Die religiöse Reform, besprochen in einer Predigt von Dr. Herzfeld (Nordhausen 1845 Schmidt'sche Buchhandlung). 
Unter diesem Titel hat der Landrabbiner Dr. Herzfeld in Braunschweig eine bei der Synagogen-Einweihung zu Nordhausen gehaltene Predigt veröffentlicht, die im hohen Grade unsere Aufmerksamkeit verdient. 'Wovon ich - hebt er an - in dieser Stunde reden will, das ist noch ein dritter (Anmerkung: als den zweiten hatte der Redner den Bau des Menschen an sich selbst bezeichnet) Bau, dass Israel das verfallene Gebäude seiner Religion wieder aufrichte. Bis auf Mendelssohn schlief das Judentum eine Reihe von Jahrhunderten. Er erkannte, dass die äußere Lage der Juden angebahnt werden müsse durch Verbreitung nützlicher Kenntnisse und durch Annäherung derselben an die Völker, unter welchen sie lebten. Er übersetzte deshalb die Bücher Moscheh's und die Psalmen ins Deutsche, damit seine vaterländischen Glaubensbrüder Deutsch aus ihnen lernten. - Jakobsohn betrat dann weiter den Weg der Reform, indem er den Gottesdienst zu vereinfachen und zu veredeln begann, und durch Einführung der deutschen Predigt eine bessere Zukunft aufschloss. Jetzt kam die Periode der studierten Rabbinen; denn da man selbst gebildet war, so wollte man doch auch Geistliche haben, welche Bildung besäßen, deutsch predigten, den Christen Achtung abnötigten usw. Allmählich sah man ein, dass in dieser Weise (nämlich durch die halben Reformen im Gottesdienste) dem Judentum bloß ein Leichenschmuck umgehängt, aber nicht die lebendige Kraft wiedererweckt werde, die in ihm schlummert etc. Ist es (fragt der Redner) denn auch einzig und allein unser Gottesdienst, der noch immer im Argen liegt, oder ist nicht vielmehr das ganze jüdische Leben schwer krank? Wenn unsere späteren Religions-Schriften zehntausend kleine Satzungen vorschreiben, und nicht bloß Leichtsinnige sie übertreten, sondern auch wahrhafte religiöse Gemüter, so viele derselben nicht mehr heilig finden können, weil sie auf irrtümlichen Auffassungen beruhen, weil sie zuweilen sogar heidnischen Ursprungs sind, weil sie oft das bessere Gefühl verletzen, soll gleichwohl solchen Satzungen immer noch ihre Verbindlichkeit zuerkannt werden, und sollen religiöse Gemüter sie gerner üben? ist ihre fortgesetzte Heiligerklärung nicht eine Lüge? Ist die Aufforderung sie dann noch zu üben, nicht die Aufforderung zur Heuchelei? Und ist die Übung derselben dann nicht ein frevelhaftes Spielen mit Gott dem Herrn? Also das ist das Volk Gottes, das verpflichtet wäre, von Religionswegen, von Gotteswegen, dem Heiligsten was der Mensch hat, seiner religiösen Überzeugung fortwährend zuwiderzuhandeln'. - Mit einem solchen Freimut spricht der würdige Verfasser. Und jeder, dem die Wahrheit ein Heiliges ist, wird ihm darüber die vollste Hochachtung zollen. Uns aber war es ein freudiges Geschäft, durch diesen kurzen Auszug auf die vortreffliche Predigt selbst aufmerksam gemacht und vielleicht dadurch beigetragen zu haben, dass dieselbe einen ebenso großen Kreis wohlwollender Leser finde, als sie empfängliche und begeisterte Hörer gefunden hat."      

1867 konnte auf Grund einer Spende von Nathan Cramer die Gasbeleuchtung in der Synagoge eingebaut werden.  

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Oktober 1867:  "Danksagung. Dem früheren langjährigen Mitgliede der hiesigen Synagogengemeinde, Herrn Nathan Cramer zu Berlin, welcher jetzt unter Aufwendung einer bedeutenden Kostensumme die hiesige Synagoge mit einer prachtvollen Gasbeleuchtung hat versehen lassen, sprechen wir für diese Hochherzigkeit, im Namen der von uns vertretenen Gemeinde, hierdurch den tiefgefühltesten Dank aus.
Nordhausen, den 17. Oktober 1867. Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde."      

         
Im Gottesdienst werden Harmonium und Chorgesang eingeführt - Spannungen zwischen Rabbiner Dr. Auerbach und dem Gemeindevorstand (1875)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25, August 1875: "Nordhausen, im August (1875). In unserer Gemeinde hat sich in den letzten Tagen ein bedeutsames Ereignis abgespielt. Über den Kopf unseres Rabbiners hinweg dekretierte der Vorstand tief eingreifende Reformen, wie Orgel, dreijährigen Zyklus (sc. der Toralesungen) etc. in den Gottesdienst einzuführen. Hatte der Vorstand geglaubt, dass sich Herr Rabbiner Dr. Auerbach den Anordnungen eines reformsüchtigen Vorstandes fügen, oder höchstens einen Protest gegen die Neuerungen erlassen würde, so hatte sich derselbe sehr geirrt. Herr Dr. Auerbach erklärte in einer am vergangenen Sabbat (Paraschat Matot uMasse) gehaltenen Predigt, dass er den gefassten Beschlüssen seine Zustimmung nicht erteilen könne. Mit einer großen Beredsamkeit, - die Herrn Dr. Auerbach so sehr auszeichnet - setzte er auseinander, wie diese Reformbeschlüsse gegen das Religionsgesetz verstoßen. Seit zwanzig Jahren vertrete er das gesetzestreue Prinzip in der hiesigen Gemeinde und nicht könne er dazu gebracht werden, irdischen Gewinnes halber demselben untreu zu werden. Mit Hinweis auf den Midrasch zur Stelle im Wochenabschnitt: 'Schafhürden wollen wir hier bauen für unsere Herde und Städte für unsere Kinder', wodurch die Söhne Rubens etc. in ihrem egoistischen Streben nach Reichtum und Glücksgütern selbst die Sorge für ihre Kinder und deren Seelenheil vernachlässigt, schilderte der Redner, wie er seit Jahren unablässig bemüht gewesen, den Jugendunterricht in der Gemeinde zu heben, dass aber alle Pläne der Reorganisation des daniederliegenden jüdischen Schulwesens und zur Pflege des religiösen Sinnes in der Gemeinde an dem Indifferentismus der Verwaltung gescheitert, welche auch die bescheidensten Mittel für die religiöse Erziehung und Heranbildung verweigert. Durch Werke des Egoismus und der Nachahmungssucht wähne man, religiösen Sinn zu heben und die durch Vernachlässigung der religiösen Bildung indifferent gewordene Menge an das Gotteshaus zu fesseln etc. Zum Schluss seiner bedeutsamen Rede, die auf alle Hörer einen großen Eindruckt machte, erklärte Herr Dr. Auerbach, dass er den Beschlüssen seine Zustimmung versage und unter solchen Umständen nicht länger Rabbiner der Gemeinde sein könne und nach 20-jährigem innigen Zusammenleben aus ihr scheiden müsse. Wofern der Vorstand nicht noch in letzter Stunde seinen Beschluss zurücknimmt, hat derselbe vor Gott und der ganzen Welt die schwere Verantwortung zu tragen, einen Familienvater mit sechs Kindern, der sich während seines 20-jährigen Wirkens in hiesiger Gemeinde durch sein bescheidenes Wesen und friedfertiges Auftreten, wodurch er die religiösen Gegensätze stets zu vermitteln gesucht, die Achtung und die Sympathien aller Redlichdenkenden erworben, von Amt und Stelle               
  getrieben zu haben. Noch ist es Zeit, Einhalt zu tun auf der abschüssigen Bahn, der unsere Gemeinde entgegeneilt. Noch kann das Unrecht wieder gutgemacht werden, wenn nciht eine unsinnige Reformsucht jede Regung des Menschlichkeits- und Gerechtigkeitsgefühls ersticken lassen will. So sehr schmerzlich alle diese Vorgänge sind, so ist es in der gegenwärtigen Zeit, wo man so oft schimpflichen Schacher mit religiösen Prinzipien treiben sieht, und Prediger und Rabbiner jedweder Reform in Synagoge und Haus durch beredtes Schweigen begegnen, um nur die fette Pfründe zu retten, ein wohltuendes Gefühl, in Herrn Dr. Auerbach einen Mann zu sehen, der pflichtgetreu seine religiösen Prinzipien nicht um des schnöden Mammons willen verleugnet. (Jüd.Pr.) 
Nachbemerkung der Redaktion: Wie die geehrten Leser aus dem Inseraten-Teile ersehen, hat Herr Rabbiner Dr. Auerbach seine Stellung definitiv aufgegeben. Sehr bald wird ein Zögling des Breslauer Seminars den vakanten Rabbinersitz zu Nordhausen einnehmen."   
  Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. September 1875: "Nordhausen, im September (Anmerkung: Artikel ist uns vom Vorstande der israelitischen Gemeinde Nordhausen unter Berufung auf das Pressgesetz eingesandt worden. - Red.). 'Der Israelit' bringt einen Artikel aus Nordhausen im August, entnommen aus der jüdischen Presse, worin gesagt wird, dass der hiesige Vorstand Reformen eingeführt habe, die den Rabbiner Herrn Auerbach veranlasst haben, seine hiesige Stelle aufzugeben.  
Jener Artikel trägt den niedrigen Charakter der Unwahrheit; denn es ist uns nicht in den Sinn gekommen, den dreijährigen Zyklus, noch andere Neuerungen beim Gottesdienst einführen zu wollen oder Mittel zur religiösen Erziehung der Kinder zu verweigern, ebenso ist die von Herrn Auerbach an Schabbat Matot uMasse gehaltene Predigt, in jenem Artikel ganz entstellt und gefälscht wiedergegeben worden.  
Wir haben allerdings auf Wunsch fast sämtlicher Gemeindemitglieder Chor mit Harmonium-Begleitung eingeführt; dies hat aber zu einem Zerwürfnis zwischen Rabbiner und Vorstand nicht geführt. Der Umstand, dass wir für Dotierung der Stellen, die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ins Auge zu fassen und wesentliche Gehaltsaufbesserungen nicht eintreten lassen konnten, hat den Herrn Rabbiner Auerbach zu unserm Bedauern veranlasst, seine hiesige Stelle aufzugeben."             

   
1888
wurde die Synagoge umfassend renoviert und erweitert. Die Neueinweihung erfolgte am 17. August 1888 durch Rabbiner Dr. Siegmund Gelbhaus:   
  
Die erweiterte und renovierte Synagoge wird wieder eingeweiht (1888)      

Nordhausen AZJ 06091888.jpg (68852 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. September 1888:  "Man schreibt uns aus Nordhausen, vom 17. August (1888). Am 17. dieses Monats wurde die hiesige, durch einen Vorbau erweiterte und sonst renovierte Synagoge in üblicher und würdiger Weise eingeweiht. Herr Rabbiner Dr. Gelbhaus fesselte und begeisterte durch seine schwungvolle (demnächst auf allgemeines Verlangen in Druck erscheinende) Rede die zahlreichen Hörer, worunter sich auch viele christliche Teilnehmer befanden. Auf der wohlgeschulte Synagogen-Chor wirkte durch seine herrlichen Gesänge. Dankbar anzuerkennen ist insonders die eifrige Tätigkeit des Gemeindevorstandes, sowie nicht minder die bedeutende Opferwilligkeit der Repräsentanten und der hiesigen Gemeindemitglieder."      

 
Publikation der Ansprache von Rabbiner Dr. Gelbhaus zur Einweihung der restaurierten Synagoge (1888)   

Nordhausen AZJ 27091888.jpg (53202 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. September 1888: "Die Rede, welche der Rabbiner Dr. S. Gelbhaus zur Einweihung der renovierten und vergrößerten Synagoge zu Nordhausen am 17. August dieses Jahres gehalten, ist jetzt (Nordhausen, Kirchner 1888) im Druck erschienen, und verdient die Veröffentlichung im vollsten Sinne, sowohl durch den Gedankenreichtum, der darin entwickelt wird, als auch durch die schwungreiche, doch überall die rechte Linie einhaltende Form."          

Heinrich Stern beschrieb die Synagoge in seiner 1927 erschienenen "Geschichte der Juden in Nordhausen" wie folgt: "Die Synagoge ist ein Salbau mit Emporen und tonnengewölbter Decke, den im Osten eine Konche (= Nischenwölbung) abschließt. Innerhalb letzterer erhebt sich in der Achse des Raumes das wie ein Triumphbogen ... aufgeführte, die Torarollen bergende Allerheiligste. Die Gestalt des bei der Erneuerung 1888 im Westen hinzugefügten Vorbaues ist im Grundzuge romanisch mit einem gewissen Anklange an Neobyzantinisches. Die Mitte nimmt ein mächtiges, oben mit Mastwerk, unten durch Rundbogen tragende Pfeiler gegliedertes Bogenfenster ein... Noch aus dem siebenzehnten Jahrhundert stammen, in starkgeschweiften Firmen des Barock stehen kupfergetrieben ein Lavoir und daneben ein Wasserkessel für die rituelle Priesterwachsung im Vorraume..." (S. 61-62). 
  
1895 konnte das 50-jährige Bestehen der Synagoge mit Rabbiner Dr. Philipp Schönberger gefeiert werden:       
  
50-jähriges Bestehen der Synagoge (1895)   

Nordhausen AZJ 13091895.jpg (139777 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. September 1895: "Nordhausen, 8. September (1895). Am Sonntag den 1. September fand hier anlässlich des 50-jährigen Bestehens unserer im Jahre 1888 sowohl durch Anbau vergrößerten, als auch in architektonischer Weise wesentlich verschönerten Synagoge in derselben eine Feier statt, die sich zu einem wahren Kiddusch haschem (Heiligung des Gottesnamens) gestaltete und zu welcher auf ergangene Einladung der Magistrat vollständig und eine größere Anzahl Stadtverordneter erschienen waren. Die Feier begann mit dem vom Synagogenchor gesungenen Ma towuo und einem Teile des von Gemeinde und dem Vorbeter abwechselnd gesungenen Hallelgebets, worauf unser Rabbiner Herr Dr. Schönberger die Kanzel bestieg und eine wirkungsvolle, formvollendete Rede hielt, die auf alle Zuhörer einen großen Eindruck machte. Wann ist ein Haus geweiht und von wem ist es geweiht? Das waren die Fragen, welche sich der Redner als Thema vorlegte und welche er in geschickter Weise löste, ausführend, dass ein Gotteshaus erst geweiht ist, sobald wir uns selbst weihen, und dass es für Jeden geweiht ist, der aus der Tiefe seines Herzens darin bete. In treffender Weise verband der Redner damit die Erinnerung an den glorreichen Tag von Sedan. Mit Segen für König, Vaterland und die Vertreter der Stadt, die durch ihr Erscheinen bewiesen hätten, dass ein Gotteshaus geweiht ist für Jeden, der darin beten will und mit dem vom Synagogenchor gesungenen Hallelujah schloss die wahrhaft erhebende Feier. - Unser erster Herr Bürgermeister verabschiedete sich mit Dankesworten an den Vorstand und gab dem Wunsche Ausdruck, dass die schönen Worte des Redners von allen Festteilnehmern beherzigt werden und ihre Früchte tragen mögen."            

Nach diesem Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen der Synagoge war sie nur noch gut 40 Jahre Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens in Nordhausen. 
    
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge aufgebrochen, der Innenraum von Männern des NSFK (NS-Fliegerkorps) mit Brandbeschleunigern versehen und anschließend angezündet. Im jüdischen Gemeindehaus neben der Synagoge wurden Kantor Kurt Singer und sein alter Vater aus den Betten geholt. Alle Räume des Gemeindehauses wurden durchstöbert. Die Bücher der Gemeindebibliothek wurden in die Flammen der brennenden Synagoge geworfen. Kantor Singer wurde auch in das Gotteshaus hineingestoßen und die Tür hinter ihm verschlossen. Wenig später konnte er halberstickt das brennende Gebäude wieder verlassen. 
  
An die Synagoge erinnert seit 1988 ein Gedenkstein an ihrem Standort Wolfstraße/Pferdemarkt. Unweit davon stehen zwei steinerne Stelen mit der Inschrift: "Unweit dieser Stelle stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Nordhausen - Geweiht 1845 - zerstört unter faschistischer Herrschaft in der Pogromnacht am 9. November 1938. Vergesst es nie!". 
  
2005 erinnerte ein gemeinsames Projekt von Nordhäuser Vereinen an den 160. Jahrestag der Einweihung der Synagoge. Am ehemaligen Standort wurden die ersten drei Eingangsstufen des Gotteshauses symbolisch nachgestaltet. 2008 wurde am Standort der Synagoge für einige Zeit eine Informationstafel mit Bildern aufgestellt.
     
     
Adresse/Standort der Synagoge:    Pferdemarkt 10    
     
     
Fotos
(Quelle der historischen Fotos: Heinrich Stern: Geschichte der Juden in Nordhausen. 1927; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 28.4.2011)   

Erinnerungen an die mittelalterliche
 jüdische Gemeinde
Nordhausen Stadt 150.jpg (112442 Byte) Nordhausen Stadt 151.jpg (130738 Byte) Nordhausen Stadt 152.jpg (123141 Byte)
Straßenschild 
"Jüdenstraße"  
Blick in die "Jüdenstraße" - vom Mittelalter
 ist keine Spur mehr vorhanden  
Der "Judenturm"  
   
     
      
Die Synagoge in Nordhausen
- 1845 bis 1938  
Nordhausen Synagoge 141.jpg (74977 Byte)  Nordhausen Synagoge 140.jpg (84212 Byte)
  Außenansicht mit Eingangsportal   Innenansicht mit Blick zum Toraschrein  
     
Haus des Betsaales in der Ritterstraße
(1. Hälfte des 19. Jahrhunderts)
   
Nordhausen Synagoge 152.jpg (112650 Byte) Nordhausen Synagoge 150.jpg (101401 Byte) Nordhausen Synagoge 151.jpg (79782 Byte)
Das Haus des Betsaales mit dem alten Einfahrtstor; der Betsaal lag 
hinter dem Fenster rechts des Tores  
Mesusa am 
Toreingang  
     
        
Gedenken an die zerstörte Synagoge      
Nordhausen Synagoge 162.jpg (186368 Byte) Nordhausen Synagoge 160.jpg (198531 Byte) Nordhausen Synagoge 161.jpg (135116 Byte)
Mahnmal / Gedenkstein unweit des Synagogenplatzes am Pferdemarkt mit Abbildung der Synagoge und der Inschrift: 
"Unweit dieser Stelle stand die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Nordhausen, geweiht 1845, zerstört unter faschistischer Herrschaft 
in der Pogromnacht am 9. November 1938. Vergesst es nie!"  
     
     

  
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    

Juli / November 2008: Ein von Jugendlichen erstelltes Modell der Synagoge wird im Rathaus ausgestellt. 
Nordhausen Synagoge R120.jpg (143540 Byte)Artikel aus der Website des "Lokalen Aktionsplanes Nordhausen" (Artikel): "Jugendkunstschule Nordhausen.
Die Nordhäuser Synagoge wurde im November 1938 während der 'Reichskristallnacht' von den ausführenden Organen der NSDAP zerstört. Im Rahmen des Bundesprogramms 'Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie- gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus' hat die Jugendkunstschule Nordhausen e.V. zusammen mit Jugendlichen aus Nordhausen ein Modell der Synagoge gebaut. Die Gruppe setzte sich aus jugendlichen Besuchern des Club Caritas Nordhausen und Kursteilnehmern der Jugendkunstschule zusammen. Die Teilnehmer waren zwischen 13 und 18 Jahre alt. Das Modell wurde ab Juli 2008 im Rathaus ausgestellt werden. Der Originalstandort der Synagoge am Pferdemarkt erhielt eine Informationstafel mit Bildern und Hinweisen zum Synagogen-Modell. 
Das Projekt 'Synagoge' wurde aus verschiedenen Blickwinkeln und Herangehensweisen heraus bearbeitet, um eine abwechslungsreiche und intensive Auseinandersetzung mit der Thematik zu sichern. Die Jugendlichen trafen sich einmal wöchentlich in der Jugendkunstschule, um gemeinsam unter fachlicher Anleitung durch Herrn Stürmer (Theaterwerkstatt Nordhausen) und Herrn Rennebach (Vorsitzender der Jugendkunstschule) das Modell zu konstruieren.
Neben dem praktischen Arbeiten wurden die Jugendlichen aktiv angehalten, sich mit der Geschichte des Judentums und der jüdischen Vergangenheit der Stadt Nordhausen zu beschäftigen. In Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde Nordhausen 'Schalom' wurden die Jugendlichen an die Thematik Judentum herangeführt. Insgesamt fanden vier Veranstaltungen in Form von Seminaren statt.
Darauf aufbauend ist die Gruppe gemeinsam mit Fr. Iwan und einer Mitarbeiterin des Club Caritas nach Berlin gefahren. In der Hauptstadt war der Besuch des Jüdischen Museums und des Holocaust Denkmals vorgesehen. Die Jugendlichen erkundeten aktiv das Museum und die Gedenkstätte mit museumspädagogischen Elementen. Im Jahr 2009 wird die Projektgruppe die jüdische Gemeinde von Erfurt kennen lernen und dort das Projekt den jugendlichen Gemeindemitgliedern vorstellen. Der Besuch in Erfurt soll die Möglichkeiten eröffnen, sich mit Gleichaltrigen über Religion und Glaube auszutauschen. Eine Stadtbesichtigung und ein gemeinsames Abendbrot runden den Projekttag in Erfurt ab."    
  
Artikel aus der Website der Stadt Nordhausen vom 9. November 2008 (Artikel): "Modell der Nordhäuser Synagoge enthüllt.  
Nordhausen
(psv) Im Foyer des Rathauses wurde heute das Modell der Nordhäuser Synagoge, die in der Nacht zum 10. November 1938 in der sogenannten Reichskristallnacht in Flammen aufging, feierlich durch Oberbürgermeisterin Barbara Rinke, den Schülern der Jugendkunstschule, den beteiligten Vereinen und vieler Gäste im Foyer enthüllt. 
Ein Jahr waren die Schüler der Jugendkunstschule Nordhausen mit dem Bau beschäftigt. 
'Ich bin froh, dass mit diesem Modell ein weiterer unsichtbarer Teil der Geschichte wieder sichtbar gemacht wurde', sagte die Oberbürgermeisterin und erinnerte dabei gleichzeitig an ähnliche Projekte in Nordhausen wie das der 'Stolpersteine' oder weiterer Projekte im Rahmen des Bundesprogrammes 'Vielfalt tut gut.' 
Thomas Kirchner, Kunststudent und langjähriges Mitglied der Jugendschule, erzählte von der aufwändigen Arbeit und Recherche. 'Wir waren erstaunt, über die wenigen Dokumente, die es noch von der Synagoge gibt', sagt er. Er dankte Herbert Gerhardt, der die Gruppe auf eine 2tägige Reise nach Berlin zum Holocaust-Mahnmal und ins jüdische Museum begleitete und Hans-Jürgen Grönke, der in Stadtrundgängen mit dem jüdischen Leben und der Geschichte in Nordhausen vertraut machte.
Die Nordhäuserin Inge Ernesti, die neben der Synagoge am Pferdemarkt wohnte, konnte sich noch gut an die schreckliche Nacht erinnern. Sie legte im Gedenken an die vielen Opfer einen Strauß Nelken auf das Modell des ehemaligen jüdischen Bethauses, das nun für jedermann hier zu den üblichen Öffnungszeiten des Rathauses besichtigt werden kann."     
 
    
November 2008Torarolleneinweihung - Artikel in der "Neuen Nordhäuser Zeitung" vom 27. November 2008 
 
November 2009: Erinnern mit Postkarte   
Artikel in der "Neuen Nordhäuser Zeitung" vom 23. November 2009 (Artikel): 
"Erinnern mit Postkarte. 
'Unsere Würde gebietet einen unübersehbaren Ausdruck der Erinnerung an die ermordeten europäischen Juden', forderte schon Altkanzler Willy Brandt. Auch die Stadtverwaltung Nordhausen will gleich mit mehreren Projekten das Verständnis der deutsch jüdischen Geschichte wecken.
'Bei uns ist jetzt eine Postkarte mit dem Motiv der ehemaligen Synagoge für 1 Euro sowie eine Broschüre erhältlich', sagte Birgit Adam aus der Stadtinformation am Rathaus. Damit wolle man die jüdische Erinnerungskultur in der Rolandstadt fördern und sich aktiv mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen. 
Die Broschüre entstand im Rahmen des Bundesprogramms 'Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus'. In einem Projekt der Jugendkunstschule Nordhausen und mit Unterstützung des Club Caritas Nordhausen haben sich Jugendliche mit der Nordhäuser Synagoge beschäftigt und dazu ein Modell gebaut, das im Rathaus-Foyer ausgestellt ist sowie diese Broschüre über das Projekt von der Idee bis zur Fertigstellung erstellt. Der ehemalige Standort am Pferdemarkt erhielt eine Informationstafel. 
Der Baubeginn der Synagoge war 1842, im September 1845 wurde sie eingeweiht. Während der antijüdischen Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 wurde sie zerstört. (nnz)."  
 
August 2010: Im Oktober werden weitere "Stolpersteine" in der Stadt verlegt - Broschüre geplant     
Artikel in der "Neuen Nordhäuser Zeitung" vom 27. August 2010 (Artikel): "Die Geschichte der Stolpersteine
18 Stolpersteine gibt es bereits in Nordhausen. Ende Oktober kommen noch einmal vier neue hinzu. Die Steine sollen als Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus dienen. Um die Erinnerungsarbeit zu unterstützen, plant der Verein 'Gegen Vergessen - Für Demokratie' eine Broschüre zu erstellen, die sich mit dem Schicksal der auf den Steinen verewigten Opfer näher auseinandersetzt...
Inzwischen liegen Stolpersteine in über 500 Orten Deutschlands und in mehreren Ländern Europas. Auf den Steinen, die vor den ehemaligen Wohnhäusern der Opfer in das Straßenpflaster eingelassen werden, sind Name, Geburtsjahrgang, Todestag und Todesort eingemeißelt. Der Kölner Künstler Gunter Demnig will mit den Steinen die Erinnerung an die Opfer des Naziterrors lebendig werden lassen. Die goldenen Pflastersteine sollen nicht nur als Denkmäler für jüdische Opfer dienen, sie erinnern auch an Regimegegner, Gewerkschafter, Sozialdemokraten, KPD-Mitglieder und andere Verfolgte die dem Regime ein Dorn im Auge waren. 
Mit bisher 18 eingelassenen Steinen ist das Nordhäuser Straßenpflaster eine der größten Stolpersteinsammlungen. Das ist nicht zuletzt der Nähe zum ehemaligen KZ Mittelbau Dora und der damit verbundenen Erinnerungsarbeit geschuldet. Die ersten Steine erwarb Nordhausen im Jahr 2004, nun sollen Ende Oktober noch einmal vier Steine hinzukommen. Da das lebendig werden der Erinnerung durch die reinen Daten, die auf den Steinen zu finden sind, aber nur bedingt erreicht werden kann, plant man bei dem überregionalem Verein 'Gegen Vergessen - Für Demokratie' eine Broschüre zu erstellen, die, die Geschichten hinter den Daten erzählt.
Am 30. Oktober um 9:30 Uhr wird Gunter Demnig die vier neuen Steine verlegen. Zwei werden ihren Platz in der Bahnhofstraße vor dem letztem selbst gewählten Wohnort des Ehepaares Hermann finden. Der einst im Wäschegroßhandel tätige Kaufmann kam, wie auch seine Frau, 1944 in Auschwitz ums Leben. Dort wurde auch die Erzieherin Cäcille Altmann umgebracht. Ihr wird der dritte Stein gewidmet, der am Pferdemarkt in das Pflaster eingelassen wird. Der vierte und letzte Stein wird an Ludwig Schierholz erinnern, der im bürgerlichen Widerstand tätig war, und 1943 starb. Sein Stolperstein soll an der Ecke Uferstraße/Friedrichstraße, wo einst sein Wohnhaus stand und nun ein Autoverkäufer ansässig ist, im Boden eingelassen werden. 
Die Broschüre wird diese eher allgemeinen Informationen um insgesamt 22 Biographien erweitern, und so den Steinen je eine Lebensgeschichte zur Seite stellen. Die abstrakten Einzelschicksale aus einer längst vergangenen, und oft schwer nachzuvollziehenden, Ära der deutschen Geschichte, werden so aus dem Dunkel der Historie geholt und geben der Vergangenheit mehr Substanz. 
So erfährt man zum Beispiel wie es dem katholischem Pfarrer Wilhelm Huntziger erging. Weil er die Nationalsozialisten öffentlich kritisierte wurde er 1935 von der SA schwer misshandelt und letzen Endes aus der Stadt gejagt. Auch an ihn erinnert einer der Gedenksteine vor dem Katholischem Pfarrhaus gegenüber des Domes. Durch die Personalisierung der Schicksale soll der Betrachter in die Lage versetzt werden, einen Bezug zu den einzelnen Opfern herzustellen, und so die Geschichte erfahrbarer und greifbarer zu machen, als ihm das mit reinen Daten und Zahlenkolonnen möglich wäre. 
Außerdem soll die Broschüre in Zukunft als Unterrichtsmaterial den Schulen des Landkreises als Lehrmaterial zur Verfügung gestellt werden und weitere Projekte rund um den geschichtlichen Topos, etwa in der Arbeit der Gedenkstätte Mittelbau Dora, begleiten. Die Broschüre ist teil des lokalen Aktionsplanes (LAP) und eines von vielen Projekten, die in den letzten zwei Jahren in der Rolandsstadt durch das Bundesprogramm 'Vielfalt tut gut- Jugend gegen Rechtsextremismus für Vielfalt und Demokratie' realisiert werden konnten. So wird die Broschüre auch eine kurze Einführung zur Geschichte Nordhausens während der Zeit des Nationalsozialismus enthalten. Die Informationen hierfür wurden, unter anderem, während der Arbeit für ein anderes 'Vielfalt tut gut'- Projekt, dem Stadtrundgang 'Nordhausen im Nationalsozialismus', gesammelt, der vom Jugendsozialwerk und der Gedenkstätte auf die Beine gestellt wurde.
Im Gegensatz zu den meisten 'Vielfalt tut gut'- Projektträgern, ist der Verein 'Gegen Vergessen - Für Demokratie', der die Erstellung der Broschüre initiiert hat, nicht auf das Gebiet in und um Nordhausen beschränkt. Der Hauptsitz des Vereines ist in Berlin, und man ist Bundesweit aktiv. Der Verein sieht seine Aufgabe darin, die historische Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit aktiv zu unterstützen. Man leistet Erinnerungs- und Dokumentationsarbeit nicht nur mit Blick auf das Dritte Reich, sondern setzt sich auch mit der DDR-Diktatur kritisch auseinander. Den Vorsitz des Vereines hat im übrigen Joachim Gauck inne, der dieses Jahr einer der Anwärter auf das Amt des Bundespräsidenten war. Neben diesem hochkarätigem Mitglied versammelt der Verein auch noch viele andere Prominente aus Politik, Gesellschaft und Kultur in seinen Reihen. 
Das sich 'Gegen Vergessen - Für Demokratie' auch in Nordhausen engagiert, ist dem Umstand zu Verdanken, das die Thüringer Regionalgruppe des Vereines von der Leiterin des Nordhäuser Amtes für Kultur, Soziales und Bildung, Dr. Cornelia Klose, vertreten wird. Sie hat das Broschürenprojekt in die Wege geleitet. Bereits vor einigen Jahren hatte das Jugendsozialwerk einen, im Umfang wesentlich kleineren, Flyer herausgegeben, der die Daten der Steine noch einmal zusammenfasste. Das neue Heft greift die alte Idee auf und erweitert sie konsequent. Frau Dr. Klose steht dabei natürlich nicht allein auf weiter Flur: zum einem weiß sie den Verein hinter sich, und zum anderem wurden viele der Informationen in stundenlanger Archivarbeit von freiwilligen, historiographisch interessierten Nordhäusern zusammengetragen."
  
Mai 2012: Erinnerung an die Deportation der Juden aus Nordhausen vor 70 Jahren   
Artikel von Jens Feuerriegel in der "Thüringer Allgemeinen" vom 4. Mai 2012: "Erinnerung an Deportation. 
Das sei 'der abscheulichste Teil der Nordhäuser Geschichte', meinte der Historiker Jens-Christian Wagner. Auch in der Rolandstradt wurden in den Jahren des Nationalsozialismus jüdische Menschen verfolgt, enteignet, misshandelt und verschleppt. Vor 70 Jahren - am 9. Mai 1942 - begann die Deportation der Nordhäuser Juden..."   
Link zum Artikel       
 
Juni 2015: Weitere drei Stolpersteine wurden verlegt 
Drei Stolpersteine wurden vor dem Haus Bahnhofstraße 2 verlegt für Hermann Bacharach (ermordet im KZ Buchenwald 1938), Tochter Karoline Bacharach (ermordet in Auschwitz 1943) und Paula Bacharach (1934 emigriert in die USA)  
Artikel in der "Neuen Nordhäuser Zeitung" (nnz-online.de) vom 9. Juni 2015: "Auf dass die Namen nicht getilgt werden
Hermann Bacharach, Karoline Steinberg und Paula Speier - sie sollten, wie so viele andere, vernichtet und vergessen werden. Die drei Namen und mit ihnen drei Menschen wurden mit der Verlegung ihrer Stolpersteine heute dem Dunkel der Geschichte entrissen. In der Bahnhofstraße hatten sich dazu nicht nur Politik und Zivilgesellschaft versammelt, sondern auch ihre Nachkommen...
Er war wohl der erste Nordhäuser Jude, der den Nazis zum Opfer fiel - Hermann Bacharach, geboren 1859, war Pferdehändler und lebte in seinem Haus in der Bahnhofstraße 2. Als die Nazis an die Macht kamen, und sich der lange schwelende Antisemitismus endgültig bahn brach, da war Hermann Bacharach schon über 70 Jahre alt, verwitwet und Vater dreier Kinder. Auf die Hilfe seiner Haushälterin konnte und wollte der alte Herr nicht mehr verzichten, auch nicht als die Nazis 1935 das sogenannte "Blutschutzgesetz" erließen. Das Gesetz verbot nicht nur Eheschließungen zwischen Juden und Nicht-Juden, sondern auch die Beschäftigung "arischer" Frauen in jüdischen Haushalten. Bacharach ignoriert das Gesetz. Die Reaktion der Nordhäuser Nazis folgt prompt: am 12. August 1935 marschiert ein brauner Mob vor der Bahnhofstraße 2 auf, holt Bacharach aus seinem Haus und treibt ihn unter Schlägen und Verhöhnungen bis zum Kornmarkt. Dort wird Bacharach einer "Taufe" unterzogen und sein Kopf in das Wasser des Neptunbrunnens getaucht. Am 10. November 1938 wird Bacharach schließlich, wie alle Nordhäuser Juden derer man noch habhaft werden konnte, verhaftet und in den Siechenhof gebracht und von dort nach Buchenwald deportiert. Die Lagerhaft muss er nicht lange ertragen, er stirbt bereits am 24. November 1938. Tochter Paula Speier und Sohn Georg können nach Amerika fliehen. Seine zweite Tochter, Karoline Steinberg hofft in den Niederlanden Schutz zu finden, stattdessen findet sie 1943 den Tod in Auschwitz. Für Hermann Bacharach und seine Töchter verlegte heute der Künstler Günther Demnig drei Stolpersteine am Eingang des Hauses in der Bahnhofstraße, das immer noch die Initialten Bacharachs trägt. Insgesamt gibt es damit 25 dieser kleinen Mahnmale in Nordhausen...." (Artikel ist abgekürzt zitiert).
Link zum (ganzen) Artikel   
 
Januar 2018: Gedenken zum Holocaust-Gedenktag mit Hilfe der "Stolpersteine" in der Stadt   
Pressemitteilung der Stadt Nordhausen vom 25. Januar 2018: "Stadt Nordhausen. 25 Stolpersteine in Nordhausen erinnern an Opfer des Nationalsozialismus
Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar wird die Stadtverwaltung zusammen mit Schülerinnen und Schülern der Regelschule 'Am Förstemannweg', Bürgerinnen und Bürgern sowie Stadträten am Vortag, dem 26. Januar, um 12 Uhr, auf dem Ehrenfriedhof der Opfer in Nordhausen gedenken.
'Es gibt in unserer Stadt seit 2004 eine Reihe von Stolpersteinen, die an jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie an Menschen unserer Stadt erinnern, die sich der nationalsozialistischen Politik wiedersetzt haben und ihr zum Opfer fielen', sagt die Beauftragte für Integration und Erinnerungskultur der Stadtverwaltung, Dr. Cornelia Klose. Gegenwärtig seien das 25 Stolpersteine, die nach den Jahren stumpf geworden seien und nun geputzt werden sollen, sagt sie.
Im Rahmen der Arbeitsgruppe Gedenkkultur wurden Paten für die einzelnen Stolpersteine gesucht und gefunden. Das sind Einzelpersonen, Angehörige von Opfern sowie Institutionen wie zum Beispiel das Jugendsozialwerk Nordhausen e.V., die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, die Stadtbibliothek 'Rudolf Hagelstange', die SPD-Ortsgruppe oder das Landratsamt. Einige Paten wie die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora haben die Stolpersteine, für die sie sich verantwortlich fühlen, bereits geputzt. Andere Paten wie das Jugendsozialwerk machen es symbolisch am Freitag, dem 26. Januar, um 10 Uhr, am Vortag des Gedenktages als Geste des Gedenkens. Für einzelne Stolpersteine, in der Rautenstraße 10, in der Halleschenstraße 13 oder Predigerstraße 4/6 werden noch Paten gesucht. Wer sich bereit erklärt, eine Patenschaft und damit die Pflege eines Stolpersteines zu übernehmen, kann sich gern bei der AG Gedenkkultur oder unter folgender E-Mail-Adresse erinnerungskultur@nordhausen.de melden. Den 25 Stolpersteinen sollen im März weitere vier Stolpersteine im Rahmen eines Projektes mit Schülerinnen und Schülern des Staatlichen Herder-Gymnasiums folgen. Der Künstler Gunter Demnig wird diese am Donnerstag, dem 22. März 2018, in Nordhausen setzen."   
 
März 2018: Vier weitere Stolpersteine wurden verlegt - eine App soll für die Stolpersteine in Nordhausen entwickelt werden     
Anmerkung: die Stolpersteine wurden verlegt in der Rautenstraße 8 für Emil Reichardt, in der Karolingerstraße 31 für Arthur Warburg und in der Alexander-Puschkin-Straße 17 für Dr. Paul Frohnhausen und Melanie Frohnhausen. Damit liegen in Nordhausen nun 29 Stolpersteine.    
Artikel von Angelo Glashagel in nnz-online vom 22. März 2018: "VIER NEUE STOLPERSTEINE GESETZT. Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert
Ein Name, ein Wohnort, der Tag der Geburt, der Tag der Ermordung - Stolpersteine tragen die Erinnerung an die Verbrechen der Nazi-Zeit in den Alltag und geben den einzelnen Schicksalen hinter den Opferzahlen wieder mehr Gewicht. Vier neue Stolpersteine wurden in Nordhausen heute gesetzt. Die wird man demnächst auch zeitgemäß erkunden können...
Wer genau hinschaut, der findet in Nordhausen Zeichen der Vergangenheit auf Schritt und Tritt. Buchstäblich. Insgesamt 25 sogenannte 'Stolpersteine' wurden in Nordhausen bereits gesetzt, heute kamen noch einmal vier dazu. Die kleinen, glänzenden Mahnmale des Kölner Künstlers Gunter Demnig werden vor den ehemaligen Wohnorten der Opfer in den Boden eingelassen. Die vier jüngsten Steine erinnern an Emil Reichardt in der Rautenstraße 8, Arthur Warburg in der Karolingerstraße 31 sowie Dr. Paul Frohnhausen und Melanie Frohnhausen in der Alexander-Puschkin-Straße 18. Die Stolpersteine sind inzwischen fester Bestandteil der Erinnerungskultur, nicht nur in Deutschland sondern auch über die Landesgrenzen hinaus. Eine Erinnerung an das was geschehen ist, die einen ein ums andere mal für einen kurzen Moment aus dem Alltag reißen kann. Auch wenn von dem Nordhausen, in dem Menschen wie Emil Reichhardt gelebt haben, nicht mehr viel übrig ist, so bleiben doch die Namen und ihre Geschichte. Wer tiefer in die Einzelschicksale eintauchen wollte, der musste bisher entweder die Literatur wälzen, etwa die Ausarbeitungen von Dr. Manfred Schröder. Genau das hat eine Gruppe Schüler des Herder-Gymnasiums getan und sich eingehend mit Emil Reichhardt, Arthur Warburg sowie mit Paul und Melanie Frohnhausen befasst. Die Steine würden mehr tun, als nur auf die Schicksale einzelner Aufmerksam machen, berichteten die Schüler heute, sondern auch Opfergruppen miteinander verbinden. Emil Reichhardt etwa war SPD-Mitglied und engagierte sich gegen das Nazi-Regime. 1937 wird er verhaftet und am 15.4. 1942 in Buchenwald ermordet. Direkt unter dem neuen Stolperstein erinnert ein weiteres Mahnmal an Stephanie Pinthus, die im gleichen Jahr deportiert wird. Sie stirbt noch 1942 in Sobibor. Für die Erinnerung an Emil Reichhardt werden sich die Schülerinnen und Schüler auch persönlich weiter engagieren. Die Gruppe hat zusammengelegt um den Stolperstein selber zu finanzieren und wird in Zukunft auch die Pflege des Steines übernehmen. Hinter den reinen Daten gibt es freilich noch mehr zu erzählen über die Menschen und ihre Lebensumstände. Bisher musste man für diese Informationen auf Broschüren in Papierform zurückgreifen. Auch das wollten die Schüler des Herder-Gymnasiums ändern und die Nordhäuser Erinnerungskultur in das 21. Jahrhundert führen. Mit einer App wird man demnächst den Weg zu den einzelnen Stolpersteinen finden können. Die App bietet neben einer Kartenfunktion auch weiterführende Informationen, allerdings nicht alles auf einmal. Nur wer sich auf den Weg macht einzelne Stolpersteine zu entdecken, kann auch mehr erfahren und findet man alle 29 Mahmale werden weitere Hintergründe freigeschaltet. 'Gamefication' nennt man die Methode neudeutsch, in Anlehnung an moderne Computerspiele wird der belohnt, der weiter forscht und fortschreitet. 'Eine Broschüre nimmt die junge Generation kaum noch in die Hand', erklärt Lehrerein Heike Roeder, die Idee zur Digitalisierung des Wissens lag da nahe. Programmiert haben die Schülerinnen und Schüler indes nicht selber sondern sorgten vor allem für die Inhalte. Design und technische Umsetzung hat man einer Agentur überlassen, die nötige finanzielle Unterstützung konnte über das Bundesprogramm 'Demokratie Leben' sichergestellt werden. Noch ist die App nicht verfügbar, am 8. Mai soll die digitale Wanderkarte zu den Nordhäuser Stolpersteinen veröffentlicht werden und in den einschlägigen App-Stores kostenlos erhältlich sein. 
Link zum Artikel        
 
April 2018: Weitere fünf Stolpersteine wurden verlegt  
Anmerkung: die Stolpersteine wurden verlegt Auf dem Sand 3 für Walter Goldschmidt und in der Neustadtstraße 1 für Elise, Inge Ruth, Manfred und Hermann Birnbach.   
Artikel von Angeloa Glashagel in nnz-online.de vom 26. April 2018: "STOLPERSTEINE GESETZT. Verfolgt, verschleppt, ermordet
Auf dem Sand und in der Neustadtstraße lebten einst die Familien Goldschmidt und Birnbach. Die letzten Verwandten der einstigen Nordhäuser leben heute in den USA und haben sich aufgemacht, ihre Familiengeschichte zu ergründen. Hilfe fanden sie bei Dr. Manfred Schröter und den Schülerinnen und Schülern des Herdergymnasiums. Seit heute erinnern insgesamt fünf neue Stolpersteine an ihr Schicksal...
Dass die beiden Familien miteinander verwandt sind, das fällt den Schülerinnen und Schülern des Herdergymnasiums erst im Laufe ihrer Recherche auf. Auch Inge Ruth Kaplan wusste nicht, das ihr Vater noch eine Schwester mit Namen Elise hatte. Ihr Vater hatte Theresienstadt überlebt und war danach in die USA ausgewandert. Er habe viel von Nordhausen erzählt, berichtet die alte Dame, die extra aus den USA angereist ist um der Verlegung der Stolpersteine beizuwohnen, die an ihre Verwandten erinnern sollen. 'Ich glaube er hat die Stadt geliebt. Mein Vater hat viel über seine Kindheit in Nordhausen gesprochen, hier wurde er geboren, hier lebte seine Familie. Er hatte viele glückliche Jahre in Nordhausen. Wegen dem Krieg und seiner Zeit im KZ war es ihm nicht mehr möglich hier zu leben. Er ist noch einmal zurückgekommen, 1956 war das, vor allem weil meine Mutter die alte Heimat wiedersehen wollte. Als sie danach wieder zu Hause waren hat mein Vater gesagt das er nicht das Gefühl habe das man in Deutschland ein jüdisches Kind großziehen könne.' 
Jahre später ist die Tochter bemüht, die Familiengeschichte für die eigenen Kinder zu bewahren. Über Dr. Manfred Schröter konnte sie schließlich auch wieder den Kontakt mit Nordhausen herstellen. Vor Ort wird der verfolgten, vertriebenen und ermordeten Mitbürger immer noch gedacht. Eine Aufgabe, die zunehmend von einer jüngeren Generation übernommen wird. Schülerinnen und Schüler des Herdergymnasiums haben sich ausführlich mit dem Schicksal der von den Nazis verfolgten Nordhäuser befasst, ihre Biographien zusammengetragen und sogar zusammengelegt um selber einen Stolperstein sponsern zu können. Bessere Schulnoten gibt es dafür nicht, ihr Engagement findet freiwillig und außerhalb des Lehrplanes statt, erklärt Lehrerin Heike Roeder. Was sie zutage förderten war auch für die Hinterbliebene aus den USA zum Teil neu, auf den Namen Birnbach war sie nie gestoßen. Das Schicksal der Familie verschwimmt frühzeitig, bereits 1938 werden die Eltern und ihre beiden Kinder in der sogenannten 'Polenaktion' deportiert, von der Rund 17.000 Personen in ganz Deutschland betroffen waren. Danach verliert sich ihre Spur. Fast drei Millionen polnische Juden wurden während des Krieges ermordet, fast die gesamte jüdische Bevölkerung des Landes, das auch die Birnbachs darunter waren ist nicht unwahrscheinlich.
Die Geschichte der Nordhäuser Opfer ist inzwischen gut erforscht, dank engagierten Lokalhistorikern wie Dr. Schröter. Welche Geschichten sich hinter den Namen verbergen soll man bald auch digital erkunden können, die Schülerinnen und Schüler des Herdergymnasiums haben zwei Jahre Arbeit in die Erstellung einer 'Stolperstein-App' gesteckt und viele Informationen zusammengetragen. Am 8. Mai soll das kleine Programm vorgestellt werden und die Erinnerungskultur vor Ort ins 21. Jahrhundert tragen. 'Ich glaube nicht das man jemals aufhören sollte sich zu erinnern', sagt Inge Ruth Kaplan, 'jede Tragödie sollte erinnert werden. In jedem Fall möchte ich das sich meine Kinder und Enkelkinder ihrer Familiengeschichte erinnern.' Vor den Stolpersteinen ihrer Verwandten spricht Frau Kaplan ein altes Gebet, 'the mourners kaddish', das 'kaddish' des Trauernden, eines der wichtigsten Gebete im Judentum, das bis heute bei Begräbnissen und Trauerfeiern angestimmt wird. Es ist 2000 Jahre alt." 
Link zum Artikel       
Artikel in der "Thüringer Allgemeinen" vom 27. April 2018: "Fünf neue Stolpersteine bewahren Erinnerung..."    
Link zum Artikel    
 
Mai 2018: "Stolpersteine-App" vorgestellt  
Artkel von Angelo Glashagel in nnz-online.de vom 9. Mai 2018: "Stolperstein-App vogestellt - Stolpern erwünscht..."  
Anmerkung: die App ist ab dem 1. Juli 2018 unter dem Namen "Stolpersteine Südharz" in den einschlägigen App-Stores für mindestens drei Jahre zu finden
Link zum Artikel    
 
Juni 2019: Die "Stolpersteine" werden von Kindern und Jugendlichen des "Kinder-Kirchen-Ladens" gereinigt  
Artikel in "nnz.online.de" vom 5. Juni 2019: "KILA Aktionstag. Stolpern erwünscht!
Ein ganz besonderes Vorhaben plant der KILA am kommenden Freitag, gemeinsam mit dem Horizont Verein. Wie immer beginnt der Aktionstag im KILA um 15 Uhr. Diesmal geht es darum, die "Stolpersteine" der Stadt Nordhausen in Gruppen abzulaufen, sie zu reinigen und damit ins Bewusstsein zu rücken und zu würdigen... "Stolpersteine" sind sind kleine eingelassene Messingwürfel im Straßenpflaster, mit Lebensdaten von Opfern und mutigen Menschen, die sich dem Nationalsozialismus entgegen stellten und die unvergessen bleiben sollen. Bevor sich die Gruppen auf den Weg machen gibt es im Blasii Gemeindehaus für Kinder und Jugendliche die Möglichkeit mit Zeitzeugen zu sprechen. Anschließend werden die Kinder und Jugendlichen werden vom Gemeindehaus aus gemeinsam losziehen, die Stolpersteine putzen. Nach getaner Arbeit sind alle Helfer bei schönem Wetter auf dem Blasii Kirchplatz zur abschließenden Pizza Party herzlich eingeladen.
Eltern, Großeltern und Geschwister dürfen ihre Kinder gern zu den Aktionstagen begleiten. Der Kinder-Kirchen-Laden befindet sich neben der Blasii-Kirche. Informationen über weitere KILA-Angebote gibt es bei Gemeindepädagogen Frank Tuschy unter 03631/988340 oder unter www.kinder-kirchen-laden.de."  

     

     
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Stadt Nordhausen  
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Nordhausen (interner Link)  
bulletLebensgeschichte von Edith Twelkemeyer, später Edith Forrester (geb. 1931 in Nordhausen):  https://gatheringthevoices.com/testimonies/edith-forrester-life-before-the-war/    
bullet
Onlineplattform zum jüdischen Leben in Thüringen  
Der Förderverein Alte und Kleine Synagoge Erfurt e.V. erstellte 2011 mit Hilfe des Leo-Baeck-Programms der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" sowie des Thüringer Kultusministeriums ein Onlineportal zum jüdischen Leben in Thüringen schaffen. Ziel ist es, künftig einen gemeinsamen Veranstaltungskalender, wissenschaftliche Publikationen sowie Bild- und Tonarchive einzubinden. Ein besonderer Fokus liegt auf ehrenamtlich agierenden Initiativen vor Ort. Mit den Jüdisch-Israelischen Kulturtagen in Thüringen hat der Förderverein in den vergangenen Jahren seine Netzwerkfähigkeit unter Beweis stellen können. Weitere Informationen zum unter www.synagogenverein-erfurt.de.     

Literatur:  

bulletGermania Judaica I S. 247; II,2 S. 590-593; III,2 S. 994-1000. 
bulletHeinrich Stern: Geschichte der Juden in Nordhausen. Nordhausen 1927.   
bulletManfred Schröter: Judenverfolgung im Jahre 1938 in Nordhausen. In: Nordhäuser Nachrichten - Südharzer Heimatblätter. Sonderbeilage Thüringer Allgemeine vom 29.10.1988 S. 1-4. 
bulletders.: Die Verfolgung der Nordhäuser Juden 1933-1945. Bad Lauterberg/Harz 1992.   
bulletJörg-Michael Junker: Vom Schicksal der Nordhäuser Synagoge nach dem Pogrom. In: Beiträge zur Heimatkunde aus Stadt und Kreis Nordhausen. Heft 18/1993. S. 62-63. 
bulletPeter Kuhlbrodt: Verzeichnis der Nordhäuser jüdischen Familien zur Zeit des Neuanfanges im Jahre 1808, 1822 und 1829. Beitrag von 2006 - online zugänglich
bulletIsrael Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen (www.lzt.thueringen.de) 2007. Zum Download der Dokumentation (interner Link). Zu Nordhausen S. 190-196.   
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt am Main 2003. S. 192-199.     

Video zur gegenwärtigen jüdischen Gemeinde Schalom Nordhausen 
     
     
    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Nordhausen. The first definite evidence of Jews in Nordhausen dates from 1290. The community, which had a synagogue, a cemetery and a mikwe, was attacked several times, as in the Black Death persecutions of 1248-49. The community was finally expelled in 1559. Uninterrupted settlement began only in 1808. A prayer room and a cemetery were set up in 1821 and a synagogue was consecrated in 1845. The Jewish population was 495 in 1880 and 438 in 1925. The community maintained a broad range of social and cultural associations. The Jews were also active in public life, several serving as members of the city council or engaged in promoting cultural activities. Antisemitic incidents occured after Worldwar I, including the 1922 desecration of the synagogue. In 1933, there were 394 Jews living in Nordhausen. In the mid-1930s, an elderly Jewish businessman was accused of racial defilement (Rassenschande) dragged through the streets, and thrown into a well. In October 1938, 43 Jews with non German citizenship were deported to Poland. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was set on fire, Jewish businesses and homes were looted and wrecked, and about 140 Jews were arrested. About 75 men were deported to the Buchenwald concentration camp, where three, including the community's cantor, died. By 1939, 180 Jews from Nordhausen had managed to flee abroad. The 129 remaining Jews were billeted in 'Jewish homes'. Most were deported by October 1942, when only 19 Jewish residents were reported to be living in Nordhausen. Most were probably protected by marriage to non-Jews. A subterranean armaments factory was situated in nearby Dora-Nordhausen. Here, even as late as 1944-45, some 10.000 forced laborers brought in from Auschwitz were employed. 
   
    

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge    

                  

 

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Stand: 30. Juni 2020