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Oberhof (Kreis
Schmalkaden-Meiningen)
Jüdische Geschichte
(Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Wolfgang Lerch,
Oberhof)
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Oberhof
In Oberhof lebten bis Ende des 19. Jahrhunderts keine Juden.
Der Ort entwickelte sich seit den 1860er-Jahren zu einem Ferien- und
Erholungsort, nach 1900 zu einem Wintersportzentrum (von den Einheimischen gerne
als das "deutsche Sankt Moritz" bezeichnet).
Nach 1900 bis Anfang der 1930er-Jahre gab es rituell geführte Pensionen für
jüdische Gäste, insbesondere das seit 1924 von Benjamin Blum geführte "Hotel
Blum" (das bisherige "Trösters Hotel" in der Zellaer
Straße). Blum richtete in seinem Hotel einen Betsaal ein. Dadurch wurde es
alsbald zum Mittelpunkt jüdischen Lebens in Oberhof. Das koschere Fleisch wurde
von den Gebrüdern Katz und Sachs aus Bibra
geliefert. Wein wurde von der Weingroßhandlung Stern in Würzburg bezogen. Auch
einige nichtjüdische Hoteliers bezogen für ihre jüdischen Gäste koscheres
Fleisch und koscheren Wein.
Außer dem Hotel Blum gab es zeitweise noch eine Pension des Wiesbadener Kaufmannes Louis
Levy in der früheren Kaiser-Wilhelm-Straße 100 (heute Rudolf-Breitscheid-Straße);
Geschäftsführer war Richard Levy.
Neben den jüdischen Unterkünften gab es an jüdischen Geschäften am Ort: eine
Filiale des Bankgeschäftes der Gebr. Goldschmidt (Hofbankhaus Gotha; siehe
Anzeige unten).
Mehrere jüdische Familien hatten Sommervillen in Oberhof, insbesondere in der
Tambacher Straße. Der Berliner Professor Dr. Werner Magnus (jüdischer
Herkunft) ließ 1923/24 ein "Sommerhaus" unmittelbar am Rande des
Golfplatzes ("Herzoglicher Golfclub Oberhof") erbauen; seine Frau
gehörte damals zur Riege der besten Golferinnen Deutschlands.
Nach 1933 gab es von Seiten der Nationalsozialisten energische
Bemühungen, die Forderung des Reichsstatthalters von Thüringen, Fritz Sauckel
umzusetzen: "Oberhof muss judenfrei werden". 1933 musste Dr. Alexander
Lion
(s.u.) seine Praxis im Haus Gutenberg räumen; vor seinen neuen Praxisräumen in
der Breitscheid-Straße zogen SA-Männer mit antisemitischen Parolen auf. 1935
gab die Familie Levy ihre Pension auf. 1937/38 wurden die jüdischen
Hausbesitzer in der Tambacher Straße zum Verkauf ihrer Häuser und Wohnungen gezwungen.
1938 wurde Benjamin Blum nach bereits langen Schikanen durch die Behörden gezwungen, sein Hotel zu verkaufen; die Familie Blum
verließ Oberhof. Aus dem "Hotel Blum" wurde unter seinem neuen
Besitzer das Hotel "Zum Rennsteig" mit der Beifügung
"altdeutsche Gaststätte". 1941 brannte das Hotel ab.
Im September
1939 wurde Professor Magnus (dem "Juden Magnus") der Aufenthalt in
Oberhof durch Oberhofs Bürgermeister (zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP)
gekündigt.
Von den in Oberhof geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Gustav Blum (1879), Hedwig
Blum geb. Friesen (1895), Leopold Blum (1926).
Berichte aus der
jüdischen Geschichte
Aus der jüdischen Geschichte
in Oberhof
Konzertveranstaltung des Hauses Nix
(1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1925: "Oberhof,
1. August (1925). Auf Veranlassung des Inhabers des Hauses Nix, Herrn B. Zeitlin,
veranstaltete Herr Oberkantor Manfred Lewandowski, Berlin, der sich
in diesem Hause zum Sommeraufenthalt während seiner Ferien befand, ein
Konzert, in dem er mit seiner schönen Stimme Arien italienischer und
deutscher Komponisten und als Zugabe Lieder von Brahms darbot. Das
jüdische Publikum des Hotels dankte dem Ausführenden für sein
abwechslungsreiches Programm, das er mit Geschmack und Können vortrug,
durch zahlreichen Besuch und herzlichsten Beifall. Auf Veranlassung des
Herrn Zeitlin wurde das Programm zu Gunsten des Keren Hathora
verkauft. Es wäre wünschenswert, dass die Besitzer anderer jüdischer
Hotels diesem nachahmenswerten Beispiel folgen
würden." |
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Abbildungen zur obigen
Pressemitteilung
(erhalten von
Wolfgang Lerch, Oberhof) |
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Anzeigen des Pensionshauses
"Pensionshaus 'Villa Nix' Oberhof i. Thür.
Streng rituelles Haus
ersten Randes, Besitzer B. Zeitlin" (linke Anzeige von 1922) |
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Historische Ansicht der "Villa Nix"
mit Garten und Schwimmbad |
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Nach Informationen von
Wolfgang Lerch war in der Villa Nix nach 1945 ein "Haus des
Sports" eingerichtet; das Gebäude steht derzeit leer. |
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Hinweis zu dem in der
Pressemitteilung genannten Kantor Manfred Lewandowski (geb. 1895 in
Hamburg, gest. 1970 in Elkins Park bei Philadelphia): Manfred Lewandowski
war ein Sohn des Hamburger Kantors Isidor Lewandowski und ein Großneffe
des bekannten Komponisten Louis Lewandowski. 1921 wurde Manfred
Lewandowski Kantor in Königsberg, von 1923 bis 1928 Kantor am
Friedenstempel in Berlin, von 1928 bis 1938 an der Synagoge in der
Lindenstraße in Berlin. Er war von 1924 bis 1933 regelmäßig über
Rundfunksender zu hören. 1939 konnte er in die USA emigrieren (seine
beiden Brüder wurden deportiert und ermordet), wo er noch einige Jahre
als Kantor tätig war.
Weitere Informationen über http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00003583 |
Werbung für das koschere Hotel (sc. Blum) in Oberhof
(1927)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1927: "Oberhof
in Thüringen. Auch in diesem Jahre ist das als Luftkurort rühmlichst
bekannte Oberhof von vielen Fremden besucht, die in den herrlichen
Fichtenwaldungen Erholung suchen. Die Anforderungen, die an einen
klimatischen Höhenluftkurort gestellt werden, sind hier erfüllt. Die
vorzüglich angelegten Wege trocknen schnell ab und zeigen nur selten
Staubentwicklung. Die Luft ist stets frisch und erquickend. Da sich hier
ein Hotel des Hamburger Speisevereins befindet, besuchen viele jüdische
Kurgäste von Kissingen, Nauheim und anderen Badeorten Oberhof zur
Nachkur". |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 21. Juli 1927: "Oberhof in Thüringen, 825 m, HOTEL BLUM,
erstklassig geführtes Haus, Tel. 14, einziges jüdisches Haus am
Platze." |
Reisebrief aus Oberhof
(1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Januar 1928: "Reisebrief aus
Oberhof. Von Fabius Schach. Jude und Wintersport scheinen vom
Hause aus Gegensätze zu sein. Der Wintersport ist nicht nur geschichtlich,
sondern auch psychologisch nordischen Ursprungs. Nur der Nordländer versteht
die Sprache der gewaltigen Winternatur, nur ihm offenbart sie sich in ihrer
ganzen Größe. Und der Jude ist südlich gestimmt, seine Sehnsucht ist die
Natur in grün und nicht in weiß. Er lechzt nach Wärme und nicht nach Kälte.
Aber - schließlich bedeutet Sport nicht Natur, sondern Überwindung der
Natur, Wille, Energie. Und darin war der Jude stets Meister. Seine
Lehre und seine Schicksalsgeschichte zwangen ihn immer wieder, seine
Begierden zu beherrschen, seine Leidenschaft zu dämpfen, seine Willenskraft
zum höchsten Instrument auszubilden. Nur so ist es zu erklären, dass die
Juden, die man lange für körperlich degeneriert hielt, in kürzester Zeit
sich einen Ehrenplatz auf allen Gebieten des Sports erwarben. So befremdet
uns der Anblick der jüdischen Jugend auf dem Rodel oder auf den Skiern
nicht. Wir freuen uns über die jüdische Kraft, über die jüdische
Lebensfreude und erhoffen daraus auch geistig viel für die Zukunft. Auch der
Winter ist eine Zeit des Lebens und auch er kann der Seele in der Natur
Gottes mehr als in der Atmosphäre des Tanzsalons geben. Nennet es nicht
Sport, sondern Leben in der Natur, und die Sache hat auch ihre
religiös-ethische Seite, oder kann sie wenigstens haben. Denn alle Freude
ist Lebensbejahung im Dienste einer sittlichen Idee, eines höheren Willens.
Wenn wir Juden trotz aller tragischen Geschicke uns den Optimismus als
Lebenselement erhalten haben, so verdanken wir es in erster Reihe unserer
Religion, unserer Lebensführung im Geiste unserer Lehre. Auch die
körperliche Kraft des Juden ist, richtig verstanden, ein Erbe des
Judentums. |
Man
wird also die Beteiligung der Juden an dem Wintersport nicht tadeln. Nur
wird man wünschen, dass er nicht zum Selbstzweck wird. Man stählt seine
Kräfte, um sie hohen Zielen dienstbar zu machen. Eine körperliche
Erstarkung, um damit zu protzen, entspricht weder einer gesunden Kultur,
noch dem Ideale des Judentums. Und man wird auch verlangen dürfen, dass das
Jüdische beim Sportlichen nicht zu kurz kommt, dass der jüdische Name
verherrlicht und nicht verdunkelt wird.
Oberhof ist durch seine glückliche Lage im Herzen Deutschlands, durch
seine Höhe, seine Schönheit und seine eigenartigen Reize für den Sport wie
für die Erholung auch im Winter geradezu auserwählt. Dazu kommt, dass es
alle Bequemlichkeiten eines modernen Luftkurortes bietet, ohne die
unerschwinglichen Ansprüche der europäischen Weltbäder an den Geldbeutel zu
stellen. Kein Wunder daher, dass diese Perle des Thüringer Waldes sich in
den letzten Jahren zum Eldorado für Jung und Alt entwickelt hat. Und dass
auch die Juden hier stark vertreten sind, wer mag darüber staunen? Die Juden
Deutschlands sind zum größten Teil Kopfarbeiter und Großstadtmenschen, und
sie bedürfen der Auffrischung ihrer Kräfte in der Natur Gottes am meisten.
Ärzte raten in letzten zeit immer mehr zur Erholung im Winter, wo die Luft
reiner und die Natur nervenberuhigender ist. Wir Juden sind durch unsere
religiöse Weltanschauung lebensfreudig und die Bewunderung der Natur als
Werk Gottes ist uns hohe Seelenfreude. Niemand wird sich darüber ärgern,
dass viele Juden in Oberhof Zuflucht suchen. Nur möchte man wünschen, dass
sie sich auch jüdisch fühlen. Das wird man aber leider von vielen
nicht sagen dürfen. Viele verwenden ihre ganze Lebenskunst darauf, ihr
Judentum zu verstecken, und - fallen gerade dadurch unangenehm auf. Eine
Unnatur mitten in der Natur, - kann man sich etwas Hässlicheres denken? ...
In der Weihnachtswoche waren in Oberhof mindestens 200 Juden, zum
Gottesdienst am Freitagabend und Sabbatmorgen waren wir 13-14 Männer. Man
braucht nur diese beiden Tatsachen nebeneinander zu stellen, um zu erkennen,
wie es mit uns bestellt ist. Die meisten wohnen in christlichen Hotels und
Pensionen und sind sentimental am Lichte des Weihnachtsbaums und lustig
gestimmt bei der Silvesterbowle. Dabei ist im jüdischen Hotel Blum
eine geradezu ideale Verpflegung und aufmerksame Bedienung geboten, die auch
den Verwöhntesten befriedigen muss. Und auch im Preise ist der Aufenthalt in
dieser echt gemütlichen jüdischen Gaststätte nicht höher als in
nichtjüdischen besseren Hotels. Aber - es ist 'moderner', nichtjüdisch zu
leben und 'sich nicht zu erkennen zu geben'. Der gebildete Christ höhnt
darüber und macht Witze, die umso mehr schmerzen, weil sie nicht ganz
unberechtigt sind. Am 31. Dezember hörten wir folgendes Gespräch zwiscchen
zwei christlichen Herren:
'Gehen wir zur Silvesterfeier nach dem Sch.-Hotel?'
'Nein, in diesen Judenmarkt kriegst Du mich nicht hinein.'
Judenmarkt? Ein furchtbares, widerliches, aber leider nicht ganz falsches
Wort. Im modernen telegraphischen Stil ausgedruckt, wird man vom
wunderschönen winterlichen Oberhof berichten dürfen: 'Eine weiße, aber nicht
unschuldsvolle Welt, viele Juden, wenig Judentum.'
Ja, es gibt kein besseres Mittel, sich lächerlich zu machen, als sein
Judentum zu einer Karrikatur herabzuwürdigen. Das, was man ist, soll man
ganz sein und es mit Würde tragen, ohne Feigheit und ohne Übermut. Wenn man
jüdische Frauen in auffallenden Sportkleidern sieht, wenn man jüdische
Männer germanisches Heldentum mimen sieht, dann weiß man wirklich nicht, ob
man darüber lachen oder weinen soll.
Der richtig erkannte Sport soll Harmonien erzeugen und keinen Widerspruch
zwischen Körper und Seele bilden. Auch dem Sport sind Grenzen gezogen, er
darf nicht zur hohlen Mode werden. Der Jude kann und soll Sport treiben, um
das jüdische Wesen zu stärken und es in Einklang mit der jüdischen Ethik zu
bringen. Jeder Sport ohne höheres Ziel ist verfehlt und bringt uns Schaden
und nicht Nutzen.
Der Aufenthalt in der Natur soll uns erheben, soll uns im Sinne des
Psalmisten von der Schöpfung zum Schöpfer führen, uns vertiefen und
harmonischer stimmen. Der Jude kann, wenn er in die Sommer- oder
Winterfrische geht, nicht sein Judentum zu Hause lassen, weil darin sein
Bestes und Schönstes ist." |
Sabbat mit einer "Esra-Gruppe" in Oberhof (Bericht von 1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1928: "Oberhof.
Es ist Freitagnachmittag. Dort läuft ein jüdischer Junge, die Hände
voll mit Broten, hier Mädels Körbe mit Kartoffeln tragend, wiederum
sieht man einen Jungen, der auf die Frage, wohin er mit seinem großen
Kochtopf gehen will, antwortet, er will sich Milch einmelken lassen und
dort kommt ein Mädel mit großen Tüten aus einem Kolonialwarengeschäft.
Und nun erfahren wir, dass wohl ungefähr 60 Jungens und Mädels, die an
der Bezirkstagung des Esra in der Nähe von Jena teilnahmen, anschließend
eine Wanderung in den Thüringer Wald unternommen haben und über Schabbat
in Oberhof verweilen werden.
Sobald sich dieses unter den Kurgästen herumgesprochen hat, sind diese
bemüht, es den Esräern so gemütlich wie möglich zu machen und fast
sämtlich Kurgäste sind bereit, einen dieser sonnenverbrannten, frischen
jungen Freunde zu Tisch zu laden. Mit anregenden Unterhaltungen verbringen
wir gemeinsam den Schabbat, bis wenige Stunden vor Nacht die
Esräer der Einladung der Kurgäste zur Scholausch Szudaus-Mahlzeit
folgen. Welche Begeisterung erweckten bei uns die schönen Semirous
(Gesänge), die die Esräer uns vortrugen, unterbrochen von herrlichen
Diwreh-Tauroh (Toraworten), die Herr Dr. Wohlgemut - sein Licht leuchte
- Berlin, zu uns sprach. - Wir werden gerne an den gemeinsam verbrachten Schabbat
zurückdenken, der uns auch Gelegenheit gab, die Ideale des Esra kennen zu
lernen, wenn auch die Notwendigkeit bestand, dass Herr Dr. Wohlgemuth -
sein Licht leuchte -, in seinem Worten einige Mussar-Sätze einfügen
musste. - Aber viele schöne Lebensideale haben uns die Esräer gezeigt
und was mich besonders ergriffen hat, war die Kwonoh, mit der die Jungens
die Tfillos (Gebete) verrichteten. - Am Schabbat-Ausgang
verabschiedeten wir uns mit den Worten. Sei stark - nächstes Jahr in
Jerusalem." |
Über das jüdische "Hotel Blum" in Oberhof (1928 / 1930 / 1931)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1928:
"Wer keine weite Reise machen will, dem sei Oberhof in Thüringen,
825 Meter über dem Meer empfohlen. An der Hauptstrecke Berlin - Würzburg
- Stuttgart gelegen, ist Oberhof auch von Hamburg, vom Rheinland und von
Süddeutschland aus durch gute Verbindungen schnell zu
erreichen.
Als einziges jüdisches Hotel in Thüringen eröffnet das Hotel Blum am
15. Dezember wieder seinen Betrieb und erwartet zahlreichen Zuspruch. Die
Aufsicht führt Seine Exzellenz Herr Bezirksrabbiner Dr. Wohlgemuth in
Kitzingen am Main." |
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Anzeige
des Hotels Blum aus einem Reiseführer Thüringen, ohne Datum (Quelle:
Sammlung W. Lerch):
"Hotel Blum.
Einziges, rituell geführtes Haus.
Zentralheizung - Bäder - Fließendes Wasser.
Gesellschaftsräume.
Telefon 214." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1930: "Auch in
Oberhof (Thür. Wald) hat der Frühling seinen Einzug gehalten. Unter der
Einwirkung der in dieser Höhe besonders starken Frühlingssonne ist der
Schnee weggeschmolzen. Man denkt nicht mehr an Wintersport; man rüstet schon
überall zu Ostern. Zum ersten Male in diesem Jahre wird auch das Hotel
Blum zu Pessach geöffnet sein und den Gästen einen angenehmen Aufenthalt
in einem modern ausgestatteten Hotel bei bekannt erstklassiger Verpflegung
bieten." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1931: "Oberhof,
D- und F.D.-Zugstation, an der Hauptstrecke Berlin, Erfurt, Würzburg,
Stuttgart gelegen, im Herzen Deutschlands, eröffnet seine Wintersaison am
15. Dezember. Dank günstiger Verkehrs- und Lageverhältnissen nimmt
Oberhof als einer der größten, ältesten und höchstgelegenen
Wintersportplätze Deutschlands eine begründete Vorrangstellung ein.
Durch die während des ganzen Winters günstige, gleichmäßige Schneelage
(1 bis 2 Meter) und durch die vorzüglich angelegten Sportbahnen werden
die Besucher Oberhofs in die Lage versetzt, jegliche Art Wintersport, wie
Skilauf, Skijörring, Rodel, Lenkrodel, Bobsleigh, Curling und Eislauf
auszuüben.
Die Sonne, die den Gesunden zum friedlichen sportlichen Kampf anspornt,
scheint nicht zuletzt auch den Erholungsbedürftigen: sie schafft ihm, die
Möglichkeit, seine Gesundheit wieder zu erlangen. Das Hotel Blum
bietet als einziges jüdisches Hotel bei erstklassiger Verpflegung jeden
Komfort. Die Preise sind denkbar niedrig gehalten. Die Aufsicht führt S.E.
Herr Bezirksrabbiner Dr. J. Wohlgemuth, Kitzingen am
Main." |
Jüdische Gäste sind in Oberhof "nach wie
vor willkommen" (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 13. Mai 1930: "Thüringen.
Von einem in Thüringen reisenden Freund unseres Blattes wird uns
berichtet, dass die von einigen Zeitungen gebrachten Nachrichten über
nationalsozialistische Ausschreitungen jeder Grundlage entbehren und
unwahr sind. Der Thüringer Bäder-Verband und der Thüringer
Hotelbesitzer-Verband geben offiziell in der Presse bekannt, dass sie
antisemitischen Bestrebungen nach jeder Richtung fern stehen und dass in
den thüringischen Hotels jeder Gast ohne Unterschied der Konfession, der
Parteiangehörigkeit oder Nationalität aufs herzlichste willkommen
ist.
Die Kurverwaltung Oberhof legt Wert auf die Feststellung, dass,
ungeachtet der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Thüringen, jüdische
Gäste nach wie vor in Oberhof willkommen sind. Der unpolitischen
Einstellung der Kurverwaltung entsprechend, sind politische Umzüge nicht
gestattet, sodass eine ungestörte Erholung aller Kurgäste
gewährleistet ist." |
1935: das "Hotel Blum" wird im Hotelverzeichnis in Oberhof als "nichtarisch"
markiert
Rechts: "Oberhof...
Wohnungsverzeichnis und Preisliste der Hotels, Pensionen und
Logierhäuser. Sommer 1935"
(Sammlung W. Lerch) |
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1937: Sanktionen gegen das Hotel
Blum
(Quelle: "Arisierung" in Thüringen. Entregung,
Enteignung und Vernichtung der jüdischen Bürger Thüringens 1933-1945. Hrsg.
von Monika Gibas. Schriftenreihe der Landeszentrale
für politische Bildung Thüringen. 2. überarbeitete Auflage 2008. I.
Halbband S. 78-80.
Die Publikation
ist online zugänglich als pdf-Datei)
Berichte zu einzelnen Personen
Dr. Alexander Lion
(1870-1962, Arzt, Generaloberst a.D. Gründer der deutschen
Pfadfinderbewegung)
Alexander
Lion (geb. 1870 in Berlin als zweiter Sohn einer jüdischen
Bankiersfamilie; Eltern: Max Lion und Cäcilia geb. Loeser): verließ mit
16 Jahren die jüdische Gemeinde und ließ sich später katholisch taufen;
1891 bis 1896 Studium der Medizin in Würzburg, Berlin und Kiel; im Ersten
Weltkrieg u.a. Chefarzt im Bayerischen Armee-Korps, später Divisionsarzt
in Frankreich, wurde hoch ausgezeichnet; nach der Entlassung aus der
Reichswehr arbeitete Lion von 1921 bis 1935 als praktischer Arzt und
Badearzt in Oberhof (Praxis zunächst im "Haus in der
Sonne", seit Mitte der 1920er-Jahre im "Kurhaus Esplanade",
dann im Haus Gutenberg (ehem. "Pension Holland"), dem heutigen
Rathaus, 1935 wurden ihm auf Grund der Nürnberger Gesetze die
Bürgerrechte entzogen. Dr. Lion konnte nur noch in einem Hinterhaus
(ehemaliger Pferdestall) des Hauses "In der Sonne" seine Praxis
betreiben. Auf Grund von Kontakten zu ausländischen
Pfadfinderfreunden u.a.m. nach 1939 Inhaftierungen und Prozesse; sein
Bruder Richard und dessen Frau wurden 1944/45 im KZ Bergen-Belsen
ermordet. Nach 1945 von Bad Aibling aus Mitwirkung beim Aufbau des Bundes
Deutscher Pfadfinder, seit 1948 Ehrenpräsident. Er starb 1962 auf Schloss
Elmischwang und wurde auf dem Friedhof in Fischach beigesetzt.
Quelle des Fotos: Archiv des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder
in Bayern, Seite über
Alexander Lion. |
Dokumente zu den Stationen seines Wirkens
in Oberhof siehe unten. |
Anzeigen jüdischer
Gewerbebetriebe
(Quelle: Sammlung W. Lerch)
Anzeige des Hofbankhauses Gotha der Gebr. Goldschmidt
mit Filiale in Oberhof
Anzeige
der Gebrüder Goldschmidt aus einem Kuranzeiger von Oberhof (aus der
Sammlung W. Lerch):
"Gebr. Goldschmidt - Hofbankhaus Gotha.
Gegründet 1868. Filiale Oberhof. Zellaer Straße 89 (Villa
Horn).
Ausführung sämtlicher bankmäßigen Geschäfte..." |
Anmerkung: Die Filiale der Bank
Goldschmidt wurde 1932 aufgegeben; die in Gotha lebenden Inhaber konnten
nach 1933 in die USA emigrieren. |
Anzeige des Arztes Dr. Paul Weiß (1920er-Jahre)
Der
Arzt Dr. med. Paul Weiß, der im Sommer in
Bad Homburg v.d.H. und im
Winter in Oberhof praktizierte, war nach Erinnerungen am Ort jüdischer
Konfessionsangehörigkeit. |
Zur Geschichte des Betsaales
Im Hotel Blum war ein Betsaal
vorhanden.
Adresse/Standort des Hotels Blum: Zellaer
Straße 73
Fotos / Abbildungen
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Luftaufnahmen von
Oberhof aus
dem Jahr
1939: auf dem rechten Foto sind zu
erkennen: links "Hotel Blum", rechts
die "Villa Horn" |
"Trösters
Hotel" an der Zellaer Straße
(rechts); 1924 wurde das Hotel von
Benjamin Blum erworben und als
"Hotel Blum" weitergeführt |
Friseurgeschäft
Thews an der
Zellaer Straße, rechts ist die
Aufschrift "Hotel Blum" zu erkennen
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Das "Hotel
zum Rennsteig" nach 1938,
rechts ist noch "Hotel Blum" zu lesen |
Ansichtskarte
des "Hotels zum Rennsteige", ehemals "Hotel Blum" nach
1938;
im "Gesellschaftsraum" (Vergrößerung der Karte rechts) war bis
1938 der Betsaal. |
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Die
"Villa Horn", in der die Filiale Oberhof des Bankhauses der
Gebr. Goldschmidt betrieben wurde |
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Villa Horn, noch
ohne
Geschäftseinbau |
Die
Villa Horn, nach
Einbau einer Apotheke
(vor dem Einzug des Bankhauses) |
Neueres
Foto der "Villa Horn"
mit Filiale der Sparkasse |
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Das
"Haus Spangenberg", bis 1937 Pension der Familie Louis Levy |
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Anzeige
des "Hauses Spangenberg.
Besitzer: Louis Levy" |
Das Haus
Spangenberg, in DDR-Zeiten
"FDJ-Heim Katja Niederkirchner" |
Heute im
ehemaligen Haus Spangenberg:
das "Hotel am Schloßberg" |
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Der
Berliner Professor Werner Magnus
(jüdischer Herkunft) ließ am Rand des Golfplatzes 1923/24 für sich und seine Frau ein "Sommerhaus" bauen;
1939 wurde
"dem Juden Magnus" vom Bürgermeister der Aufenthalt in Oberdorf untersagt
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Baupläne
für das "Sommerhaus" von
Prof. Werner Magnus |
Das
"Haus Golfeck"
nach 1945 |
In
stark umgebautem Zustand: neue Aufnahmen des "Hauses
Golfeck" |
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Dokumente
zu Alexander Lion: die Stationen seines Wirkens in Oberhof |
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Sein
1. und 4. Quartier hatte
Dr. Lion im "Haus in der Sonne" |
Das 1.
Quartier von Dr. Lion:
das "Haus in der Sonne" - Haupthaus |
"Haus in der
Sonne"
nach 1920 |
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Das
ehemalige "Haus in der Sonne",
heute "Hotel zum Gründl" |
Das
2. Quartier von Dr. Lion:
"Kurhaus Esplanade", ehemals Marienbad,
heute Berghotel Oberhof |
Anzeige
des "Kurhauses Esplanade"
(früher Marienbad); oben
mit Anzeige von Dr. Lion |
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Das
ehemalige "Hotel Esplanade"
heute Berghotel |
Die
3. Wohnung und Praxis von Dr. Lion
in der Zellaer Straße, ehem. Pension
Holland,
heute Rathaus (Foto rechts) |
Links:
Anzeige für "Hollands Hotel";
rechts: Dr. Lion als
Sportarzt: genannt
bei der Meisterschaft von Thüringen 1931 |
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Dr.
Alexander Lion mit Frau und
Tochter in Oberhof |
Dr.
Lion in Oberhof, wahrscheinlich
mit Sohn und Tochter |
Dr. Lion (weiße
Mütze) als Arzt der
Freiwilligen Sanitätskolonne Oberhof |
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Das 4.
Quartier von Dr. Lion war beim "Haus in der Sonne" im
Pferdestall
(auf Foto links rechtes Gebäude; auf Foto rechts links Gebäude;
inzwischen
abgebrochen für Garagenneubau) |
Heutiger
Garagenneubau an Stelle
des ehemaligen Pferdestalles des
"Hauses in der Sonne" |
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Dr.
Lion wird 1933 aus dem
Thüringer Wintersport-Verband,
Ortsgruppe Oberhof entlassen |
Schreiben
des Bürgermeisters an
Dr. Lion am 7. Dezember 1938 |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Rolf Hackel: Juden in Oberhof. In: Juden in
Südthüringen (Hrsg. von Hans Nothnagel). Bd. 6: Über jüdisches
Leben im mittleren Werra- und Rennsteiggebiet. Suhl 1999 S.
165-179. |
 | ders.: Oberhof. Vom Hospiz der Johanniter zur Stadt am
Rennsteig. Geschichte und Landschaft Oberhof - ein Zentrum des Wintersports.
Wandern im Herzen des Thüringer Waldes. Zella-Mehlis / Meiningen
1993. |
 | Israel Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit
in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes
Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de)
2007. Zum Download
der Dokumentation (interner Link). Zu Oberhof: S. 202. |
 | Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt am Main 2003. S. 255. |
n.e.

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