Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Frankenberg (Eder) mit Stadtteilen Geismar und Röddenau (Kreis Waldeck-Frankenberg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Stadtarchivar Dr. Horst Hecker, Frankenberg)  
       

Übersicht:   

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Sonstiges     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

           

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
   
In Frankenberg bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück, doch lebten bereits im Mittelalter Juden in der Stadt. Es soll bereits 1295 und wieder bei der Pestzeit 1349 zu Verfolgungen gekommen sein. Urkundlich wird 1364 ein Frankenberger Jude genannt, der damals in Marburg ansässig war.  
  
1751 gab es sieben "Schutzjuden" beziehungsweise jüdische Familien in der Stadt; 1785 wurden 30 jüdische Einwohner gezählt. 

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1827 47 jüdische Einwohner (1,7 % von insgesamt 2.803 Einwohnern, 11 jüdische Familien), 1861 58 (2,1 % von 2.719), 1871 68 (2,7 % von 2.537), 1885 104 (2,9 % von 2.660), 1895 121 (4,3 % von 2.793), 1905 133 (4,0 % von 3.314). Die jüdischen Haushaltsvorsteher verdienten den Lebensunterhalt als Kaufleute (seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts mit mehreren Einzel- und Großhandelsgeschäften in der Stadt) und Viehhändler; es gab auch jüdische Handwerker (Schuhmacher, Weißbindermeister) sowie einen jüdischen Arzt.    
   
Zur jüdischen Gemeinde in Frankenberg gehörten auch die in Geismar (wenige Personen im 18./19. Jahrhundert) und Röddenau lebenden jüdischen Personen (im 19. Jahrhundert nur jeweils ein bis zwei Familien; 1835 10 jüdische Einwohner, 1861 16, 1905 10, 1924 7, 1932 7).   
   
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Israelitische Volksschule von 1831 bis 1939), ein rituelles Bad und seit 1868 ein Friedhof. Die Israelitische Volksschule wurde von der Gemeinde 1828 beantragt. 1831 konnte sie eröffnet werden. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter tätig war. Als Lehrer werden genannt: Samy Levi aus Gelnhausen (1828 bis 1871), Israel Goldschmidt (aus Hausen im Kreis Ziegenhain; 1872 bis 1902, siehe Bericht zu seinem Tod unten), Levi Plaut (1902 bis 1914), danach Lehrer Ferdinand Stern (1914/15 bis 1938). Als Schochet gab es zeitweise eine weitere beauftragte Person in der Gemeinde. 1905 bis 1906 konnte ein neues Schulgebäude mit Lehrerwohnung erbaut und im August 1906 eingeweiht werden (Hainstraße 31); bis dahin war der Unterrichtsraum im Gebäude der Synagoge. Die Gemeinde gehörte mit den anderen Gemeinden des ehemaligen Kreises Frankenberg zum Rabbinatsbezirk Oberhessen mit Sitz in Marburg.   
 
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Frankenberg David Katz (geb. 20.5.1893 in Frankenberg, gef. 27.5.1918) und Albert Katzenstein (geb. 5.12.1897 in Frankenberg, gef. 2.11.1910). Als im Juni 1939 in der Rathausschirn eine Ehrenhalle für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Frankenberg eingeweiht wurde, sind die Namen der beiden jüdischen Gefallenen nicht aufgeführt worden. Außerdem ist gefallen: Unteroffizier Isidor Marx (geb. 5.12.1876 in Frankenberg, vor 1914 in Osterfeld wohnhaft, gef. 21.10.1917). 
Aus Röddenau sind die Brüder Friedrich (Fritz) Bachenheimer (geb. 11.9.1889 in Röddenau, gef. 28.7.1917) und Leopold Bachenheimer (geb. 2.1.1894 in Röddenau, vor 1914 in Dortmund wohnhaft, gef. 6.12.1916) gefallen. Ihre Namen stehen auf dem Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege im dortigen Friedhof.   
  
Um 1924, als zur Gemeinde 109 Personen gehörten (2,6 % von insgesamt 4.123 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Alexander Katten und Moritz Katzenstein. Als Lehrer und Kantor war der bereits genannte Ferdinand Stern in der Gemeinde tätig. Die Aufgabe des Schochet hatte Bernhard Dilloff übernommen. In der Volksschule der Gemeinde wurden noch fünf Kinder unterrichtet; weitere acht Kinder erhielten hier ihren Religionsunterricht. An jüdischen Vereinen gab es den Wohltätigkeitsverein Chewra Kaddischa (Israelitische Männerchewra, gegründet 1872, 1924 unter Leitung von Alexander Katten und G. Bachenheimer mit 25 Mitgliedern; 1932 unter Leitung von Jakob Katzenstein mit 27 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger) sowie den Israelitischen Frauenverein (Israelitische Frauenchewra; gegründet 1874, 1924 unter Leitung von Emma Katten und Frau Goldschmidt, 1932 unter Leitung von Hilda Marx mit 25 Mitgliedern; Zwecke und Arbeitsgebiete: Unterstützung Kranker und Hilfsbedürftiger). 1932 war Gemeindevorsteher Emil Plaut (1. Vors.). Lehrer Ferdinand Stern war weiterhin in der Gemeinde; er war auch Schriftführer des Vorstandes. An der Israelitischen Volksschule unterrichtete er im Schuljahr 1931/32 12 Kinder. 
 
Anfang der 1930er-Jahre gab es u.a. noch folgende Gewerbebetriebe im Besitz jüdischer Familien:  Textilgeschäft Blum (Obermarkt 2), Viehhandlung Katz (Obermarkt 5), Spirituosen- und Textilhandlung von Samson Dilloff (Obermarkt 13), Metzgerei Leopold Freund (Pferdemarkt 3), Schuhgeschäft Sally Stern (Pferdemarkt 8), Viehhandlung Josef Kaiser (Untermarkt 8), Viehhandlung Meier Buchheim (Geismarer Straße 7), Viehhandlung Meier Marx (Steubergasse 12), Schuhgeschäft Katzenstein (Ritterstraße 20), Viehhandlung Marx (Bremer Straße 6), Textilgeschäft Jakob Katzenstein (Bahnhofstraße 4), Holzhandlung Albert Katten (Bahnhofstraße 23).   
Es gab mehrere jüdische Ärzte in der Stadt, insbesondere Vertreter der Familie Lissard. So hatte bis zu seinem Tod 1917 Dr. Albert Lissard eine Praxis in der Bahnhofstraße 22; sein Sohn Ernst Lissard ließ sich gleichfalls zum Arzt ausbilden. 
Zur Geschichte der jüdischen Ärzte in Frankenberg siehe den unter der Literatur angegebenen Beitrag von Horst Hecker
.                

1933 lebten noch 105 jüdische Personen in Frankenberg (2,3 % von insgesamt 4.356 Einwohnern). In den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen (insbesondere nach Frankfurt) beziehungsweise ausgewandert. 49 Personen konnten bis 1939 in die USA emigrieren, 6 nach Südamerika, 3 nach Palästina, 4 nach England, 2 nach Holland. 8 Personen verstorben in dieser Zeit in Frankenberg. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge demoliert (s.u.), jüdische Männer wurden in das KZ Buchenwald eingeliefert, darunter auch Lehrer Ferdinand Stern, der wenige Tage nach der Ankunft in Buchenwald am 14. November 1938 im Alter von 48 Jahren auf Grund der vorausgegangenen schweren Misshandlungen im Frankenberger Amtsgericht starb. Die jüdische Schule wurde zum 1. März 1939 aufgelöst; damals gab es im gesamten Kreis Frankenberg nur noch 17 Schulkinder, davon in Frankenberg und Röddenau je eines. Die letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 aus Frankenberg deportiert.        
          
Von den in Frankenberg geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ida Alexandrowitz geb. Buchheim (1904), Johanna Bachenheimer (1886), Albert Bär (1882), Hildegard Blum (1923), Johanna Blumenfeld (1878), Jonas Dilloff (1864), Philipp Dilloff (1863), Rudolf Dilloff (1892), Ruth Friesem geb. Liebmann (1921), Max Fürst (1883), David Goldschmidt (1873), Hedwig Heinrich geb. Dilloff (1880), Recha Joseph geb. Dilloff (1879), Johanna Keijzer geb. Fürst (1886), Josef Kaiser (1869), Mary Kaiser geb. Josephs (1881), Ida Katz geb. Schartenberg (1873), Sophie Katz (1891), Jakob Katzenstein (1865), Rosalie Katzenstein geb. Weitzenkorn (1870), Recha Lamm (1890), Jenny Liebmann geb. Kaiser (1895), Jenny Marx (1879), Bertha Marx geb. Biermann (1882), Eva Marx (1879), Sara Marx (1875), Emil Plaut (1871), Johanna Plaut geb. Marx (1876), Lina Rosenbaum geb. Marx (1882), Martha Rosenbaum (1889), Flora Charlotte Skapowker geb. Katz (1889), Else Sommer (1914), Lehrer Ferdinand Stern (1890), Heinz Stern (1936), Manfred Stern (1923), Martha Stern geb. Katz (1897), Richard Stern (1932), Irmgard Straus (1921), Hedwig Weitzenkorn (1885).   
Hinweis: es kommt in den Listen immer wieder zu Verwechslungen zwischen Frankenberg (Eder) und Frankenberg in Sachsen. Die obige Liste ist von Stadtarchiv Dr. Horst Hecker korrigiert und ergänzt worden (Stand: Juli 2009). 
   
Aus Röddenau sind umgekommen: Anneliese Bachenheimer (1927), Doris Bachenheimer (1924), Hilde Bachenheimer (1937), Julius Bachenheimer (1887), Selma Bachenheimer geb. Elsoffer (1897), Rosalie Elsoffer geb. Stern (1865). Mathilde Lindheim geb. Bachenheimer (1891).        
  
Seit Januar 1988 befindet sich am Rathaus in Frankenberg eine Gedenktafel mit dem Text: "In dieser Stadt lebten seit dem 13. Jahrhundert jüdische Einwohner. Die Menschen der ehemaligen jüdischen Gemeinde wurden während der Naziherrschaft 1933 - 1945 gedemütigt, entrechtet, vertrieben, verschleppt und ermordet. Ihr Schicksal darf nicht vergessen werden. Es mahnt uns, auch der anderen Opfer der Hitlerdiktatur zu gedenken. Die Stadt Frankenberg/Eder 1986".                    
 
In den Jahren 2006 und 2010 wurden Stolpersteine in der Stadt zur Erinnerung an umgekommene jüdische Einwohner verlegt (siehe unten). 
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Zum Tod von Lehrer Israel Goldschmidt (1902)   

Frankenberg Israelit 30091902.jpg (198656 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. September 1902: "Aus dem Regierungsbezirk Kassel. Wenn es auch berechtigt ist, einem jüdischen Lehrer, der nach fest vierzigjähriger Amtszeit zur ewigen Ruhe eingeht, ehrende Nachrufe zu widmen, so erachtet es doch Ihr Korrespondent als eine Pflicht, Ihnen aus der jüngsten Nummer der 'Hessischen Schulzeitung' einen Nekrolog über den heimgegangenen Lehrer Goldschmidt aus Frankenberg zu senden. Es dürfte wohl im deutschen Reiche wenig vorkommen, dass ein evangelischer Pfarrer, der in seinem Nebenamte Königlicher Kreisschulinspektor, seinem jüdischen Lehrer am offenen Grabe solch' ehrende Worte nachruft, die den Sprecher überaus ehren. Es ist dies ein beredtes Zeichen für die Stellung der jüdischen Lehrer im hiesigen Bezirk.  
'Ein treues Lehrerherz hat zu schlagen aufgehört. Der Lehrer Israel Goldschmidt zu Frankenberg schloss am 7. September auf immer die Augen. Am 9. September wurde da, was sterblich an ihm war, dem Mutterschoß der Erde übergeben. Von seiner großen Beliebtheit legte sein Leichenbegängnis Zeugnis ab. Die ganze jüdische Gemeinde, deren Lehrer er fast 30 Jahre war, sowie ein großer Teil der christlichen Bevölkerung gaben ihm das Geleite zum Grabe. Auch der Bezirkslehrerverein Frankenberg, dessen eifriges und beliebtes Mitglied der Verblichene war, sowie der hiesige Gesangverein befanden sich im Leichengefolge. Am Grabe schilderte Herr Rabbiner Dr. Munk die hohen Verdienste des Verstorbenen um Schule und Gemeinde. Nach einem Gesange des Bezirksvereins und des hiesigen Gesangvereins ergriff der Königliche Kreisschulinspektor, Herr Metropolitan Wessel, das Wort und schilderte bewegten Herzens das innige Verhältnis zwischen ihm und dem Verstorbenen. Er schloss mit den Worten: 'Wenn ich eher gestorben wäre, wie Herr Goldschmidt und Gott hätte mir die Macht dazu gegeben, Herrn Goldschmidt die Himmelspforte zu öffnen, ich hätte es gerne getan. Ebenso gerne würde der Verstorbene seinem alten Kreisschulinspektor die Himmelspforte öffnen, wenn ihm Gott hierzu die Macht gäbe.'   
In trefflichen Worten entwarf alsdann der Amtsnachfolger des Verstorbenen, Herr Lehrer Plaut, ein Bild von des Lehrers Aussaat und Ernte und kam zu dem Schlusse, dass Herr Goldschmidt die herrlichsten Früchte für seine Arbeit geerntet, nämlich die Liebe und Dankbarkeit seiner Schüler, sowie die Hochachtung und Wertschätzung seiner Vorgesetzten und seiner Gemeinde. 'Möchte der Verstorbene' - so schloss Herr Plaut und auch wir schließen uns diesem Wunsche an - 'auch seine himmlischen Garben  ernten.'" 
Anmerkung: der einzige Sohn von Lehrer Israel Goldschmidt war David Goldschmidt - für ihn liegt in Frankenberg ein "Stolperstein" vor dem Haus Pferdemarkt 8, siehe unten.   
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Oktober 1902: "Frankenberg, im September (1902). Ein treues Lehrerherz hat zu schlagen aufgehört. Der Lehrer Israel Goldschmidt zu Frankenberg schloss am 7. dieses Monats auf immer die Augen. Am 9. dieses Monats wurde das, was sterblich an ihm war, dem Mutterschoß der Erde übergeben. Von seiner großen Beliebtheit legte sein Leichenbegängnis Zeugnis ab. Die ganze jüdische Gemeinde, deren Lehrer er fast 30 Jahre war, sowie ein großer Teil der christlichen Bevölkerung gaben ihm das Geleite zum Grabe. Auch der Bezirkslehrerverein Frankenberg, dessen eifriges und beliebtes Mitglied der Verblichene war, sowie der hiesige Gesangverein befanden sich im Leichengefolge. Am Grab schilderte Rabbiner Dr. Munk die hohen Verdienste des Verstorbenen um Schule und Gemeinde. Nach einem Gesange des Bezirksvereins und des hiesigen Gesangvereins ergriff der königliche Kreisschulinspektor, Metropolitan Wessel, das Wort und schilderte bewegten Herzens das innige Verhältnis zwischen ihm und dem Verstorbenen. Er schloss mit den Worten: 'Wenn ich eher gestorben wäre wie Herr Goldschmidt, und Gott hätte mir die Macht dazu gegeben, Herrn Goldschmidt die Himmelspforte zu öffnen, ich hätte es gern getan. Ebenso gern würde der Verstorbene seinem alten Kreisschulinspektor die Himmelspforte öffnen, wenn ihm Gott hierzu die Macht gäbe.' In trefflichen Worten entwarf alsdann der Amtsnachfolger des Verstorbenen, Lehrer Plaut, ein Bild von des Lehrers Aussaat und Ernte und kam zu dem Schlusse, dass Herr Goldschmidt die herrlichsten Früchte für seine treue Arbeit geerntet, nämlich die Liebe und Dankbarkeit seiner Schüler sowie die Hochachtung und Wertschätzung seiner Vorgesetzten und seiner Gemeinde."    

   
Aus der Zeit von Lehrer Levi Plaut (1902 bis 1914 Lehrer in Frankenberg)   

Frankenberg Schule 090.jpg (130505 Byte)Foto links, aufgenommen im August 1906: Die Schulkinder der jüdischen Volksschule in Frankenberg auf den Stufen des neu erbauten Schulgebäudes in der Hainstraße 31. Lehrer Levi Plaut steht hinten in der Mitte.  
Dieses und weitere historische Fotos zur jüdischen Geschichte in Hessen siehe in der Website 
http://www.before-the-holocaust.net/  (eine Website des Fritz-Bauer-Institutes Frankfurt)  

       
Lehrer Levi Plaut tritt in den Ruhestand (1914)          

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Dezember 1914: "Aus Kassel wird uns gemeldet: nach 33-jähriger Tätigkeit trat am 1. Oktober dieses Jahres Lehrer Levi Plaut aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand. In den Gemeinden Zimmersrode, Witzenhausen und Frankenberg, in welchen er gewirkt, war er wegen seiner Tüchtigkeit und seines bescheidenen, freundlichen Wesens sehr geachtet. In Anerkennung seiner treuen Dienste wurde ihm allerhöchst der Adler der Inhaber des königlichen Hausordens vom Hohenzollern         

      
70. Geburtstag des emeritierten Lehrers Plaut (1931)      

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck" vom 5. Juni 1931: "70. Geburtstag des emeritierten Lehrers Plaut. Am 11. dieses Monats kann Lehrer i.R. Levy Plaut auf 70 Lebensjahre zurückblicken. Wenngleich er diesen Tag infolge seines leidenden Zustandes im engsten Familienkreis verbringen will, sei doch in der Öffentlichkeit seiner Wertschätzung gedacht. Gehört er doch zu den Veteranen des Lehrerstandes, der nur in seinem Heimatlande amtierte. Aus Frielendorf stammend, bestand er am hiesigen Seminar (sc. Kassel) im Frühjahr 1881 die erste und zwei Jahre später die zweite Prüfung. Mit besten Zeugnissen versehen, übertrag ihm die Regierung die Schulstelle in Zimmersrode; damals waren dort 54 jüdische Kinder aus dem Orte und den umliegenden Dörfern zu unterrichten, für einen jungen Menschen eine schwere Aufgabe. Noch heute gedenken viele ehemaligen Schüler ihres Lehrers in Verehrung und Dankbarkeit. Mit aller Kraft arbeitete Plaut an der ihm anvertrauten Jugend, und seine Erfolge wurden von der Schulaufsichtsbehörde wie vom Provinzialrabbiner Dr. Munk seligen Andenkens vollauf anerkannt, zumal er durch Lehre und Leben auch in religiöser Hinsicht der Jugend das beste Vorbild war und bis heute darin sich treu blieb. Die Behörden bezeigten ihm daher vielfaches Wohlwollen. Sein Verhältnis zu seinen Kollegen und Gemeinden war immer ein gutes auch noch als Lehrer in Witzenhausen und Frankenberg. Gar zeitig waren Plauts körperliche Kräfte verbraucht. Wochenlang lag er schwer krank in der Marburger Klinik, nur sein Gottvertrauen und der feste Willen zur Gesundung ließen ihn genesen. Der Heroismus versagte aber, und so musste er schon 1914 in den Ruhestand treten. Die Segnungen seiner emsigen Arbeit konnte er in seinem hiesigen Ruhesitz (sc. Kassel) nicht genießen. Wiederum traten Leiden ein, und Heilung fand er nur für kurze Zeit. So lange es sein Zustand ermöglichte, fand er hier Beschäftigung. Während der Kriegsjahre unterrichtete Plaut an der Luisenschule und wiederholt auch an unserer Volksschule, stets bereit, zu helfen. Die ihm gebührende Anerkennung war ihm nie versagt. - Plauts Familienleben ist ein musterhaftes; seine Frau, geb. Stahl, ist eine wahre Heldin an Hingebung und Pflege, und sie trug viel dazu bei, den 70. Geburtstag ihres Mannes zu begehen. Möge unserem lieben Mitbürger noch ein langes, recht gesundes Leben besieden sein zur Freude seiner Familie, seiner guten Kinder und vieler Freunde. Wir rufen ihm zu: 'Chasak - sei stark.' L. Horwitz."   

 
Besetzung der Lehrerstelle mit Ferdinand Stern (1915)  

Frankenberg Israelit 07011915.jpg (20287 Byte)Meldung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1915: "Frankenberg, 4. Januar (1915). An Stelle des in den Ruhestand getretenen Herrn Lehrer S. Plaut wählte die Gemeinde Herrn Ferdinand Stern aus Volkmarsen zum Lehrer."  
  
Frankenberg Frf IsrFambl 14011915.jpg (64140 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. Januar 1915: "Frankenberg. Die Besetzung der Lehrerstelle ist durch Lehrer F. Stern, seither an der Privatelementarschule zu Volkmarsen, von der Regierung bestätigt worden. - Letzten Dienstag wurde Herr Stern durch den Kreisschulinspektor in sein Amt eingeführt. Andern Tags, Mittwoch, übertrug Provinzialrabbiner Dr. Munk - Marburg, den Religionsunterricht, der seit 9 Monaten ausgesetzt gewesen, während die Kinder am Elementarunterricht in der christlichen, evangelischen Stadtschule teilgenommen, in Gegenwart sämtlicher Religionsschüler - an Herr Stern. Beim Abendgottesdienst am selbst Tage wurde Stern als Vorsänger vor versammelter Gemeinde eingeführt."
   
Volkmarsen Israelit 21011915.jpg (86003 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1915: "Frankenberg, Hessisch-Nassau, 10. Januar (1915). Die Besetzung der hiesigen israelitischen Lehrer und Vorsängerstelle ist durch den Herrn Lehrer F. Stern, seither an der Privat-Elementarschule zu Volkmarsen, auf Wunsch der hiesigen Synagogen-Gemeinde durch Königliche Regierung zu Kassel bestätigt worden. -  Letzten Dienstag wurde Herr Stern durch den Kreisschulinspektor Herrn Pfarrer Koch dahier in sein Amt eingeführt. Andern Tags, Mittwoch, übertrug Provinzialrabbiner Dr.Munk - Marburg, den Religionsunterricht, welcher seit Pfingsten vorigen Jahres ausgesetzt gewesen, während die Kinder am Elementarunterricht in der christlichen, evangelischen Stadtschule teilgenommen, in Gegenwart sämtlicher Religionsschüler an Herrn Stern. Beim Abendgottesdienst am selben Tage wurde Herr Stern als Vorsänger vor versammelter Gemeinde eingeführt."   

         
Nachtrag
zur Besetzung der Lehrerstelle (1915)  

Frankenberg Israelit 04021915.jpg (79112 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1915: "Frankenberg, Hessen-Nassau, 27. Januar (1915). Der in Nr. 4 unter Personalien stehende Bericht über die Besetzung der hiesigen Lehrerstelle ist dahin zu ergänzen beziehungsweise zu berichtigen, dass die Besetzung derselben vorerst nur auftragsweise erfolgt ist und dass die Stelle nach beendigtem Kriege zwecks endgültiger Besetzung von neuem ausgeschrieben werden wird. Um sowohl den Bedürfnissen der Gemeinde nach einem geordneten Gottesdienste und Religionsunterrichte, der von keinem Nachbarkollegen erteilt werden konnte, als auch den im Felde stehenden Lehrersoldaten entgegenzukommen und auch ihnen eine Bewerbung zu ermöglichen, hat Königliche Regierung zu Kassel diesen vom Vorsteheramte der Israeliten Marburg gemachten Vorschlag gebilligt. Beide Körperschaften haben hiermit, wie schon sehr oft, von neuem den Beweis erbracht, dass sie für das Wohl der ihr unterstellten jüdischen Lehrerschaft nicht nur Verständnis, sondern auch Herz haben."  
  
Anmerkung: die endgültige Anstellung von Lehrer Ferdinand Stern erfolgt im Frühjahr 1919. 

      
      
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde    
Isaac Buchheim meldet sich als Kriegsfreiwilliger nach China (1900)  

Frankenberg Israelit 09081900.jpg (55930 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1900: "Frankenberg, 7. August (1900), In Ergänzung der von Ihnen in Nr. 62 Ihres geschätzten Blattes gebrachten Mitteilung betreffend Teilnahme jüdischer Soldaten an der Expedition nach China möchte ich Ihnen mitteilen, dass ein jüdischer Soldat namens Isaak Buchheim auch aus unserer Stadt sich zum Zuge angeschlossen hat. Derselbe diente im ersten Jahre bei der reitenden Abteilung des Feld-Artillerie-Regiments Nr. 15 in Saarburg und ist auf dem Dampfer 'Adria' von Bremerhaven aus verladen."    
 
Frankenberg Israelit 27081900.jpg (53379 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1900: "Berlin. Als jüdische China-Freiwillige werden uns ferner genannt: Karl Groddek aus Landsberg a.W., dient auf dem Torpedoboot 94, Torpedomaschinenmaat bei der II. Torpedoabteilung, 1. Kompagnie und hat kapituliert. - Heymann aus Altona vom 50. Infanterieregiment befindet sich an Bord der 'Phoenicia' (4. Ostasiatisches Infanterie-Regiment 1. Bataillon, 3. Kompanie). - Fröhlich vom 53. Infanterie-Regiment in Kalk, der Artillerist Isaac Buchheim (geboren in Frankenberg in Hessen) in Saarburg."   

     
Goldene Hochzeit von Lehrer Joseph Wertheim und seiner Frau Jettchen geb. Abt (1913)  
Anmerkung: Lehrer Wertheim zog nach der Pensionierung 1909 mit seiner Frau nach Frankenberg, um hier den Lebensabend bei seiner Tochter Helene und dem Schwiegersohn Salli Marx zu verbringen. Salli und Helene Marx geb. Wertheim hatten im Juni 1904 geheiratet und führten ein Textilgeschäft in der Bahnhofstraße. Nach ihrem Tod 1917 bzw. 1914 wurden Joseph Wertheim und seine Ehefrau nach Volkmarsen überführt und auf dem dortigen jüdischen Friedhof bestattet, vermutlich aus dem Grunde, weil Joseph Wertheim über 40 Jahre an der israelitischen Schule in Volkmarsen unterrichtet hatte. Geboren war er 1839 in Gudensberg, seine Frau Jettchen geb. Abt (geb. 1841) stammte aus Melsungen. Salli und Helene Marx emigrierten Ende der 1930er Jahre nach Johannesburg, Südafrika.  
(Angaben von Dr. Horst Hecker, Frankenberg)      

Frankenberg Frf IsrFambl 05091913.jpg (92303 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. September 1913: "Frankenberg (Kurhessen). Am 2. September feierte der emeritierte israelitische Lehrer Joseph Wertheim mit seiner Gattin Jettchen geb. Abt das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Beide erfreuen sich noch einer besonderen körperlichen und auch geistigen Frische.   
Lehrer Wertheim ist eine in Lehrerkreisen sehr geschätzte Persönlichkeit. Er kann auf eine fast 52-jährige segensreiche Amtstätigkeit zurückblicken, wovon 8 Jahre auf Beiseförth von 1858-1866 und 43 Jahre auf Volkmarsen von 1866-1909 entfallen. Bei seinem Dienstaustritt wurde ihm der Adler der Inhaber des Hohenzollern'schen Hausordens verliehen. Das Jubelpaar hat es verstanden, durch sein loyales, menschenfreundliches Wesen sich die allgemeine Wertschätzung zu erringen, was sich in geradezu hervorragender Weise bei seinem 50-jährigen Amtsjubiläum gezeigt hat."   
   
Frankenberg AZJ 05091913.jpg (54677 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September 1913: "Frankenberg, 29. August (1913). Am 2. September feiern der Lehrer a.D. Joseph Wertheim und Frau Jettchen geb. Abt das schöne Fest der goldenen Hochzeit. Die Jubilare erfreuen sich der besten körperlichen Rüstigkeit und geistigen Frische. Lehrer Wertheim stand 50 Jahre segensreich im kurhessischen öffentlichen Schuldienste; 7 Jahre in Beiseförth und 43 Jahre in Volkmarsen. Unter großer Anteilnahme der Bürgerschaft, der hessischen Lehrerschaft, auch zahlreicher Schüler und Schülerinnen, die von nah und fern herbeigeeilt waren, wurde vor drei Jahren in der Gemeinde Volkmarsen das 50-jährige Dienstjubiläum feierlichst begangen: der König verlieh ihm den Adlerorden. Lehrer Wertheim war auch Mitbegründer der hessischen Lehrerkonferenz."     

  
75. Geburtstag von Bernhard Dilloff (1928)  

Meldung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1928: "Frankenberg, 5. September (1928). Seinen 75. Geburtstag beging in bester Frische Herr Bernhard Dilloff dahier."  
 
Anmerkung: Bei der Familie Dilloff handelte es sich um eine der alteingesessenen jüdischen Familien in Frankenberg. Ein Heinemann Dilloff machte 1814 im Regiment Kurfürst den Feldzug gegen Frankreich mit - sein Name steht auf einer Gedenktafel in der Liebfrauenkirche. Philipp Dilloff gründete 1856 eine Branntweinbrennerei und Likörfabrik, die bis 1937 bestand. Sein Sohn Samson Dilloff war Mitglied der SPD und wurde 1919 als Spitzenkandidat in das Stadtparlament gewählt; er erhielt auch viele Stimmen von Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei. Im März 1933 wurde er erneut ins Stadtparlament gewählt; nach der ersten Sitzung wurde ihm jedoch der weitere Zutritt verwehrt (Angaben nach Arnsberg s. Lit. und Dolenschall s. Lit.). 

   
25-jähriges Geschäftsjubiläum des Manufaktur- und Modewarengeschäftes und 25-jähriges Ehejubiläum von Salli Marx und Helene geb. Wertheim (1929)  

Frankenberg Israelit 04071929.jpg (24227 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1929: "Frankenberg, 24. Juni (1929). Sein 25-jähriges Geschäftsjubiläum beging das Manufaktur- und Modewarengeschäft von Salli Marx dahier und gleichzeitig das 25-jährige Ehejubiläum mit seiner Frau Helene geb. Wertheim."   
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 21. Juni 1929: "Frankenberg a. Eder. Geschäfts- und Ehejubiläum. Am 14. Juni beging das Manufaktur- und Modewarengeschäft von Salli Marx, Bahnhofstraße, das Jubiläum seines 25-jährigen Bestehens. Aus kleinen Anfängen heraus hat sich das im Jahre 1904 gegründete Geschäft ständig ausgedehnt und sind die Geschäftsräume durch modernen Anbau erweitert und ausgestaltet zu einem erstklassigen Geschäftshaus. Die Firma erfreut sich des besten Rufes, Fleiß, streng reelle Geschäftsprinzipien gab die Richtlinien hierzu. Mit dem Geschäftsjubiläum verbunden war auch das 25-jährige Ehejubiläum des Inhabers Herrn Salli Marx und seiner wackeren Gattin Helene geb. Wertheim, Tochter des althessischen Lehrer-Veteranen Joseph Wertheim zu Volkmarsen. Leider konnte das Jubiläum nicht entsprechend gefeiert werden, weil Herr Salli Marx einige Tage vorher von einem Auto überfahren wurde und zur Zeit zu Marburg, Chirurgische Klinik, mit Arm- und Beinbruch sich befindet."    

   
Zum Tod von Kaufmann Moritz Katzenstein (1929)   
Anmerkung: Moritz Katzenstein war von 1899 bis zu seinem Tod zweiter Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde Frankenberg. Unklar ist im nachstehenden Artikel, wieso die pädagogischen Geschicke usw. des "Nachbarkollegen" von Lehrer Löwenstein in Meimbressen hervorgehoben werden. Hier sind möglicherweise zwei Artikel für zwei Personen vermischt worden.     

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 15. März 1929: "Frankenberg. (Todesfall). Im 72. Lebensjahr verstarb der Kaufmann M. Katzenstein. Viele Jahre stand er an der Spitze der israelitischen Gemeinde, deren Institutionen er mit regem Eifer gefördert hat. Die Gemeinde beklagt sein Ableben tief und wird ihm auf alle Zeiten ein getreues Andenken bewahren. Lehrer Löwenstein, Meimbressen, widmete dem Nachbarkollegen tief empfundene Abschiedsworte. Namens der Familie sprach Dr. Rosenthal, Berlin. Lehrer Nagel, Kassel würdigte die Verdienste des Verstorbenen um die Berufsinteressen, die er als Vorsitzender der Freien Vereinigung und als eifriges Mitglied der Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens mit Geschickt vertrat. Tiefen Eindruck machten auch die Gedenkworte des evangelischen Pfarrers Uffelmann, der als früherer Schulinspektor das pädagogische Wirken des tüchtigen Schulmannes, seine persönlichen Vorzüge mit Wärme und rückhaltloser Anerkennung betonte."         
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 8.März 1929: "Frankenberg. Fünf Tage nach dem Hinscheiden seiner Gattin starb im Alter von 72 Jahren Herr Moritz Katzenstein. Viele Jahre war er Vorsteher der israelitischen Gemeinde, deren Wohl er stets zu fördern bestrebt war. Besonderes Interesse zeigte er für die Schule, deren Leistungen und Einrichtungen. Einem früheren Inhaber der Schulstelle gegenüber äußerte er einmal: 'Alles, was für de Schule getan wird, wird für uns getan, darum sind Anschaffungen für die Schule Kapitalanlagen für die Gemeinde.' Herr Katzenstein war ein Mann von hoher Bildung und seltenem Wissen. Wegen seines gütigen Herzens und seiner steten Hilfsbereitschaft stand er bei allen Einwohnern der Stadt in hohem Ansehen. Ehre seinem Andenken! P."        

  
Zum Tod von Gemeindevorsteher Alexander Katten (1931)     

Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 21. Januar 1931: "Frankenberg. (Todesfall). Acht Tage nach dem Heimgang seiner Gattin ist Herr Alexander Katten, der erste Vorsteher hiesiger Gemeinde, aus dem Leben geschieden. 36 Jahre hat er mit Treue und Hingabe die Interessen der Gemeinde wirksam vertreten. Eine große Trauergemeinde, in der sich viele andere gläubige Bürger und auch Mitglieder des Kriegerbundes befanden, gaben dem Entschlafenen das letzte Geleit. Provinzialrabbiner Dr. Cohn, Marburg, und der hiesige Lehrer Stern hielten Ansprachen, in denen sie die Verdienste der Verblichenen um die Gemeinde hervorhoben und daran die Mahnung knüpften, im Sinne des Verstorbenen fortzuwirken."           
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 16. Januar 1931:
Ähnlicher Bericht wie in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" (siehe oben)       

    
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Minna Goldschmidt sucht für ihr Putzgeschäft eine Volontärin (1899)  

Frankenberg Israelit 12101899.jpg (47037 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Oktober 1899: 
"Für mein Schabbat und Feiertag geschlossenes Putzgeschäft suche ich auf sofort eine 
Volontärin
bei freier Station und Familienanschluss.  
M. Goldschmidt, Frankenberg, Hessen."   

   
Salli Marx sucht für sein gemischtes Warengeschäft einen Lehrling (1901 / 1912)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Juli 1901
"Für mein gemischtes Waren-Geschäft suche ich per 1. August, eventuell auch früher, einen Lehrling
Samstags und Feiertage streng geschlossen. 
S. Marx
, vormals A. D. Trost, Frankenberg, Hessen."    
 
Frankenberg FrfIsrFambl 26041912.jpg (39442 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. April 1912
"Suche für mein gemischtes Warengeschäft auf sofort einen Lehrling bei freier Station im Hause. 
Salli Marx, Frankenberg in Hessen, Bahnhofstraße."  
 
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 20. Dezember 1912:  "Zum baldigen Eintritt oder 1. April suche für mein gemischtes Warengeschäft einen Lehrling. Kost und Wohnung im Hause. Schabbos und Feiertage geschlossen. Salli Marx  Frankenberg in Hessen  Bahnhofstraße."     

       
Anzeige von Moritz Katzenstein (1901)    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Dezember 1901: 
"Junger Mann, flotter Verkäufer, mit schöner Handschrift, welcher am 1. Januar 1902 seine Lehrzeit in einem Schuhwarengeschäft beendet, sucht per 1. März oder April Stelle als Volontär in einem Manufakturwarengeschäft, welches Samstags geschlossen ist. Gefällige Offerten an 
Moritz Katzenstein,
 
Frankenberg, Hessen, erbeten".           

       
       
Sonstiges 
Über die antisemitische Bewegung in der Region (1894)  

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Juni 1894: "Frankenberg, 29. Mai (1894). Antisemitische Blätter veröffentlichen den folgenden geheimen Erlass des hiesigen Landrates: 'Frankenberg, den 1. Dezember 1893. Die antisemitische Bewegung, wie sie in unserem Kreise zutage getreten ist, unterscheidet sich in ihrer Wirkung nur dem Namen nach von der sozialdemokratischen Agitation. Wird ihr nicht mit allen gesetzlichen Mitteln entgegen gearbeitet, so findet in absehbarer Zeit die Sozialdemokratie Eingang in unseren Kreis. Es ist daher Pflicht aller ordnungsliebenden Parteien und Kreiseingesessenen, diesen Antisemitismus zu bekämpfen. Zweifellos haben die Antisemiten die Weisung von ihrem Führer erhalten, sich zur Ausdehnung ihres Einflusses an allen Gemeinde- und Kreistagswahlen lebhaft zu beteiligen. Gelingt es ihnen, sich in den wichtigsten Gemeindeämtern festzusetzen, so haben sie bei künftigen politischen Wahlen leichtes Spiel. Es unterliegt keinem Zweifel, dass in denjenigen Gemeinden der Antisemitismus zur Herrschaft gelangen wird, wo zum Bürgermeister ein Antisemit gewählt worden ist. In welcher Weise die Antisemiten im Gemeinderate und Gemeindeausschusse bei jeder Gelegenheit prinzipielle Opposition machen würden, davon werden einige Bürgermeister sich bereits überzeugt haben. Zur Vermeidung dieses Eindringens antisemitischer Elemente in die Gemeindeämter muss vor jeder Wahl mit den Gutgesinnten der wahlberechtigten Gemeindebürger in Verbindung getreten werden, um energisch für die Wahl der zeitig aufzustellenden Kandidaten agitieren zu können. Ohne Furcht muss eine solche Agitation kräftig in die Hand genommen werden, und gleichgültig ist es, ob die schmutzige antisemitische Presse ihrer Entrüstung Ausdruck verleiht oder nicht, sie ist nicht zu beachten. Zweckmäßig wird es sein, wenn schon jetzt in allen Gemeinden Wahlausschüsse aus allen Teilen der Bevölkerung gebildet werden, die zur Eindämmung des Antisemitismus kräftig mitwirken. Dieses Zirkular ist geheim zu halten. Der Königliche Landrat. Riesch.'"         
 
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Juni 1894: "Aus Hessen wird uns mit Bezug auf den jüngst veröffentlichten Erlass des Landrats Riesch zu Frankenberg geschrieben:   
Es ist nicht das erste Mal, dass der freikonservative Abgeordnete und Landrat seiner Meinung darüber Ausdruck gibt, wohin die antisemitische Agitation schließlich führen muss. Und nicht etwa philosemitische Regungen, sondern die zucht- und respektlose Sprache der antisemitischen Presse haben dem Landrat zu dieser Einsicht verholfen. Möglich auch, dass er von gewissen sozialdemokratischen Aspirationen Wind erhalten. Bekanntlich sehen die Sozialdemokraten die vom Antisemitismus befallenen länglichen Westkreise als diejenigen an, die ihnen in nicht zu ferner Zukunft 'als die reifsten' in die Hände fallen werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass erste Sozialistenführer seit längerer Zeit eine große Eroberungsreise gerade in die Wahlkreise planen, die zuerst von antisemitischen Abgeordneten beglückt worden sind. Möge die Abwehrtätigkeit der Behörden nicht zu spät kommen."    

       
       
   
    
Zur Geschichte der Synagoge           
       
Bereits im Mittelalter soll es einen Betraum beziehungsweise eine Synagoge gegeben haben. In der alten Frankenberger Chronik (geschrieben um 1500 von Gerstenberg) wird von einer Synagoge in der Steingasse berichtet, ein wenig oberhalb des Brunnens. Noch heute ist die Stelle unter der Bezeichnung "Judenschul" bekannt.   
  
Auch im 18. Jahrhundert war ein Betraum oder eine erste Synagoge vorhanden.  

1836 beantragte die jüdische Gemeinde die behördliche Genehmigung zum Bau einer Synagoge, wofür gleichzeitig ein Darlehen aufgenommen wurde. Im Jahr zuvor hatten zum Synagogenbau bereits zwei Scheunengrundstück zwischen dem Gässchen Scharwinkel und der Hauptstraße gekauft werden können. 1837 bis 1838 konnte die Synagoge erstellt und am 10. November 1838 eingeweiht werden. Beim Synagogengebäude handelt es sich um ein zweigeschossiges Fachwerkhaus mit einem Walmdach. Im Betraum (mit Emporen an beiden Längsseiten) gab es 68 Plätze für Männer, 36 für Frauen.   
 
In der Synagoge gab es bis zum Bau des neuen Schulhauses 1913 einen Schulraum. Im Herbst 1913 konnte das 75-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert werden. 
   
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von vier bis fünf Männern in Uniform (SS-Männer) geschändet; die Fenster wurden eingeschlagen, der Innenraum wurde völlig verwüstet; alle Kultgegenstände wurden vernichtet. Das Gebäude wurde mit Rücksicht auf die enge Bebauung nicht angezündet. Auch das jüdische Schulhaus wurde völlig verwüstet; das Auto des Lehrers wurde angezündet.   
 
1939 ging die ehemalige Synagoge wie auch das Schulhaus in den Besitz der Stadt Frankenberg über; in den 1950er-Jahren wurden beide Gebäude zu Wohnhäusern umgebaut. Eine Gedenk- oder Hinweistafel konnte bislang am Synagogengebäude auf Grund des Widerstandes des Eigentümers nicht angebracht werden. Am Haus der ehemaligen jüdischen Schule in der Hainstraße ist seit mehreren Jahren eine Hinweistafel mit Angaben zur Geschichte des Gebäudes angebracht.     
   
  
Adresse/Standort der Synagoge      Scharwinkel 4;   das jüdische Schulhaus war im Haus Hainstraße 31.  
  
  
Fotos
(Quelle: Fotos 1950 und 1987 aus Altaras 1988 S. 66; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 8.4.2010) 

Historisches Foto der Synagoge
(Quelle: Stadtarchiv Frankenberg)  
     Blick in den Scharwinkel mit der Synagoge um 1940   
     
Fotos des Synagogengebäudes 
nach 1945  
Frankenberg Synagoge 110.jpg (90107 Byte) Frankenberg Synagoge 111.jpg (93092 Byte)
  Das Synagogengebäude (Ost und Südseite)
 1950; die Rundbogenfenster erinnern an 
die Vergangenheit des Gebäudes
Das Synagogengebäude im April 1987; durch
 Umbauten ist das Gebäude als ehemalige
 Synagoge inzwischen unkenntlich gemacht
      
 Frankenberg Synagoge 470.jpg (79554 Byte)  Frankenberg Synagoge 473.jpg (62255 Byte) Frankenberg Synagoge 471.jpg (83403 Byte) 
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge im Frühjahr 2010 
     
     
Schulgebäude mit Lehrerwohnung 
(Hainstraße 31)
Frankenberg Stolpersteine 474.jpg (114218 Byte)   hainstr_31h.jpg (79694 Byte)
     Das Gebäude wurde 1905/06 erstellt und 
im September 1906 eingeweiht
  Hinweistafel am 
Gebäude
     
Emil Plaut, letzter Vorsitzender der
 jüdischen Gemeinde (1871-1942)
Frankenberg Dok 010.jpg (63109 Byte)
    Emil Plaut, geboren 1871 in Frankenau, diente von 1891 bis 1894 bei der Kaiserlichen Marine und nahm am Ersten Weltkrieg als Obermatrose teil. Er war aktiv in der jüdischen Gemeinde als ehrenamtlicher Vorbeter und gelegentlich als Schochet. Er war auch Kassier bei der Männer-Chewra. Seit der Jahrhundertwende führte er mit seiner Frau Johanna Plaut geb. Marx (aus Grüsen) ein Textilgeschäft in Frankenberg. Im Oktober 1942 ist er im KZ Sachsenhausen umgekommen. Seine Frau Johanna geb. Marx ist im November 1942 in Theresienstadt umgekommen. Die Tochter Greta verheiratete Rapp ist 1936 in die USA emigriert. Das Foto zeigt Emil Plaut als Obermatrose im Ersten Weltkrieg (Quelle: Arnsberg Bilder S. 54)  
     
"Stolpersteine" in Frankenberg
(Auswahl)
 Dazu ausführlich: "Rundgang zu den früher von jüdischen Bürgern bewohnten Häusern in Frankenberg (Eder)" in der Website des Förderkreises "Synagoge in Vöhl" e.V.   
Haus Obermarkt 16 Frankenberg Stolpersteine 470a.jpg (99658 Byte) Frankenberg Stolpersteine 470.jpg (86438 Byte)
   Am Haus liegen "Stolpersteine" für die beiden in Frankenberg geborenen Geschwister
  Johanna Keyzer (Keijzer) geb. Fürst und Max Fürst. Johanna Kejzer war in Menden in Westfalen verheiratet und wurde 1941 aus Amsterdam deportiert (Westerbork, 1944 im KZ Auschwitz ermordet). Max Fürst lebte zuletzt in Hannover, von wo er im Dezember 1941 in das Ghetto Riga deportiert wurde.   
         
Haus Obermarkt 14  Frankenberg Stolpersteine 471a.jpg (90198 Byte) Frankenberg Stolpersteine 471.jpg (86699 Byte)
     Am Haus liegen "Stolpersteine" für Emil Plaut und Johanna Plaut geb. Marx
Zur Geschichte der beiden siehe oben. 
     
Haus Obermarkt 2 Frankenberg Stolpersteine 472a.jpg (111294 Byte) Frankenberg Stolpersteine 472.jpg (98294 Byte)
   Am Haus liegt ein "Stolperstein" für Johanna Blumenfeld. Sie stammte aus Marburg und wohnte zeitweise im Haus der Kaufmannsfamilie Moritz Blum. Im April 1936 verzog sie nach Hersfeld. Von Frankfurt aus wurde sie im Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert, wo sie umgekommen ist. 
     
Haus Pferdemarkt 8 Frankenberg Stolpersteine 473a.jpg (89980 Byte) Frankenberg Stolpersteine 473.jpg (99577 Byte)
   Am Haus liegen "Stolpersteine" für David Goldschmidt, Sara Marx, Jenny Marx und Lina Rosenbaum geb. Marx. David Goldschmidt war der einzige Sohn des Frankenberger Lehrers Israel Goldschmidt (s.o.). Er war verheiratet mit Pauline Blach aus Frankershausen, wo er bis 1940 lebte (als langjähriger Gemeindevorsteher). Im Gerbst 1940 zog das Ehepaar nach Eschwege, von wo aus die Deportation in das Ghetto Theresienstadt erfolgt (beide umgekommen). Die Schwestern Sara Marx und Jenny Marx lebten zuletzt in Mühlheim an der Ruhr, von wo aus sie 1942 deportiert wurden (ermordet im Vernichtungslager Sobibor). Ihre jüngere Schwester Lina Rosenbaum geb. Marx betrieb in Mühlheim ein feines Herren- und Damenmodengeschäft (bis 1935). Sie wurde 1941 in das Ghetto Minsk deportiert (umgekommen) 
        
Weitere Stolpersteine liegen vor den Gebäuden Bahnhofstraße 4 (Jacob Katzenstein, Rosalie Katzenstein geb. Weitzenkorn, Hedwig Weitzenkorn, Else Sommer, Irmgard Straus, Hildegard Blum), Bremer Straße 16 (Martha Rosenbaum), Geismarer Straße 7 (Ida Alexandrowitz geb. Buchheim), Hainstraße 11 (Lehrer Ferdinand Stern, Martha Stern geb. Katz, Manfred Stern, Richard Stern, Heinz Stern, Ida Katz geb. Schartenberg), Neustädter Straße 38 (Albert Bär), Obermarkt 5 (Johanna Bachenheimer geb. Katz, Flora Skapowker geb. Katz, Sophie Katz), Obermarkt 15 (Recha Ruth Lamm), Pferdemarkt 3 (Philipp Dilloff), Schmiedegasse 2 (Bertha Marx geb. Biermann), Steingasse 10 (Eva Marx), Steingasse 20 (Recha Joseph geb. Dilloff, Hedwig Heinrich geb. Dilloff, Rudolf Dilloff), Untermarkt 8 (Josef Kaiser, Marx Kaiser geb. Josephs, Jenny Liebmann geb. Kaiser), Untermarkt 10 (Jonas Dilloff, Ruth Friesem geb. Liebmann).         
Anfang Mai 2010 wurden weitere "Stolpersteine" für Ida Katz, Bertha Marx, Ruth Friesem und Eva Marx verlegt.    

  
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 

Mai 2010: Weitere Stolpersteine wurden verlegt   
Mitteilung in der "Hessischen Allgemeinen" (online-Ausgabe hna.de) vom 13. Mai 2010 (Artikel):  
"Künstler Gunter Demnig setzt Aktion fort - Mehr Stolpersteine für Frankenberg
Frankenberg. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat in Frankenberg weitere "Stolpersteine" verlegt, die Opfer der Nazi-Barbarei geworden waren.
Die Steine erinnern an Ida Katz, Bertha Marx, Ruth Friesem und Eva Marx...".  
  
November 2018: Gedenkrundgang mit Zeitzeugen zur Erinnerung an die Ereignisse in der Pogromnacht 1938 in Frankenberg     
Artikel in "lokalo24.de" vom 16. November 2018: "Zeitzeugen berichten über die Schrecken der Pogromnacht vor 80 Jahren in Frankenberg
Bei einem Stadtrundgang haben die Frankenberger Edmund Völker und Fritz Neuschäfer berichtet, wie sie die Pogromnacht erlebt haben. Der Rundgang wurde auch genutzt um die Stolpersteine zu reinigen.
Frankenberg -
Der SPD-Ortsverein Frankenberg hat anlässlich der 80. Jährung der Reichspogromnacht einen öffentlichen Stadtrundgang veranstaltet, bei dem den Opfern des NS-Regimes gedacht wurde. Unter den Opfern waren nicht nur jüdische Bürger, sondern auch der sozialdemokratische Widerstandskämpfer Karl Richter. Die Teilnehmer nutzten den Rundgang auch, um die Stolpersteine zu reinigen, die im Stadtgebiet vor den ehemaligen Wohnhäusern der Opfer in den Bürgersteig eingelassen sind. Unter den Teilnehmern waren auch zwei Zeitzeugen, die die NS-Ausschreitungen als Kinder miterlebt hatten. 'Sie schleppten die Gebetbücher aus der Synagoge über die Straße, stapelten sie auf einem Haufen und zündeten sie an', erzählte der Frankenberger Edmund Völker. Er war 1938 vier Jahre alt, wohnte mit seiner Familie im Scharwinkel direkt neben der Fachwerksynagoge und beobachtete aus dem Fenster, wie SA-Leute in Uniform Möbelteile durch die Glasscheiben warfen. Auch der 90-jährige Fritz Neuschäfer, der in seiner Kindheit noch mit jüdischen Nachbarskindern am Obermarkt gespielt hat, berichtete von den Übergriffen im November 1938. Er konnte sich aber auch noch daran erinnern, wie die letzten noch lebenden älteren Juden ihre Wohnungen verlassen und in der Synagoge zusammengepfercht leben mussten, bis sie 1942 nach Theresienstadt und von dort in die Todeslager deportiert worden sind. Vor dem Haus Steingasse 20 nahm die Teilnehmergruppe den Stolperstein für Rudolf Dilloff zum Anlass, der Opfer aller Kranken- und Behindertenmorde der NS-Verbrecher zu gedenken. Schwer traumatisiert war Dilloff aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, ab 1920 Patient in der Heilanstalt Haina. 1940 brachten ihn die NS-Täter in der Euthanasie-Mordanstalt Brandenburg um.
Dass es damals für die durch viele NS-Schikanen bedrohten Frankenberger Juden immer noch christliche Nachbarn gab, die ihnen treu zur Seite standen, klang aus Zeitzeugenberichten der verstorbenen Geschwister Emmi und Maria Rindelaub, die am Haus Schmiedegasse 2 verlesen wurden. Ihre Mutter versorgte die Nachbarfamilie des Kaufmanns Moritz Marx, indem sie ihr nachts Körbchen mit Gemüse und Eiern auf den Hof stellte. An der Gedenktafel für die NS-Opfer in Frankenberg in der Rathausschirn hatte zu Beginn Hendrik Klinge der kürzlich verstorbenen Sozialdemokratin Jutta Emde ehrend gedacht, die neben ihren vielen ehrenamtlichen Funktionen auch als Mitinitiatorin der Stolpersteine früher bei solchen alternativen Stadtrundgängen aktiv mitgewirkt hatte. Bei dem anschließenden Kaffeetrinken im SPD-Parteibüro kritisierte die Landtagsabgeordnete Dr. Daniela Sommer, 'dass Antisemitismus in unserem Land wieder salonfähig geworden ist'. Sie appellierte an alle Teilnehmer des Gedenkens, deshalb wachsam zu sein und nicht zu schweigen. 'Das sind wir den Opfern schuldig.'" 
Link zum Artikel    
 
Januar 2019: Erinnerung an jüdische Schicksale zum Holocaust-Gedenktag 
Artikel in der "Hessischen Allgemeinen" (online Ausgabe hna.de) vom 26. Januar 2019: "Jüdische Bürger aus der Region deportiert.
Im KZ Auschwitz kamen auch viele Frankenberger um: Gedenken an die Opfer des Holocaust

Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die letzten, schwerkranken Überlebenden des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Kurz zuvor waren die marschfähigen Häftlinge von SS-Wachen in Richtung Westen zu einem grausamen Todesmarsch abgeführt worden. 'Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Menschheit. Hier ermordeten die Nazis über anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas', steht auf einer der Steinplatten in der Gedenkstätte des Lagers Birkenau. Unter denen, die zumeist direkt nach Ankunft ihres Transportes an der Rampe der Todesfabrik von SS-Leuten ausgesondert und durch Gas ermordet wurden, waren mindestens auch 155 Männer, Frauen und Kinder aus dem heutigen Kreis Waldeck-Frankenberg. Insgesamt kamen im Holocaust mehr als 600 Menschen aus dem Kreisgebiet um. Ihnen und allen 5,6 Millionen Opfern des NS-Regimes gilt seit 2005 der von den Vereinten Nationen eingeführte 27. Januar als 'Internationaler Tag des Gedenkens an den Holocaust'. Der Landkreis Waldeck-Frankenberg und der Förderkreis Synagoge in Vöhl laden in diesem Jahr gemeinsam für Sonntag, 27. Januar, ab 16 Uhr in Vöhl zu einer öffentlichen Gedenkveranstaltung ein. Es vergingen fast vier Jahrzehnte nach der Zerschlagung des Nazi-Systems, bis mit der Aufarbeitung der Holocaust-Schicksale auch im Frankenberger Land begonnen wurde. Die Stadt Frankenberg beispielsweise tat sich schwer daran, bis sie 1988 in der Rathausschirn erstmals eine Gedenktafel an ihre NS-Opfer aufhängen ließ - noch ohne alle ihre Namen zu kennen. Erst 2011 konnte Stadtarchivar Dr. Horst Hecker ein 600-seitiges Werk mit allen jüdischen Familiengeschichten aus Frankenberg vorlegen. Die alte Synagoge in Vöhl, getragen von einem 1999 gegründeten Förderverein, wurde mit Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen zu einem Zentrum der Gedenkkultur. In Frankenberg erinnern seit Beginn ihrer Verlegung 2006 durch den Künstler Gunter Demnig insgesamt 38 'Stolpersteine' an jüdische Frankenberger Bürger, viele mit dem Zusatz 'ermordet in Auschwitz'. Einige Beispiele: Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes Josef Kaiser in Mauthausen wurde 1944 auch Mary Kaiser vom Untermarkt 8 in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. In dieser NS-Todesfabrik kamen auch aus dem Haus Obermarkt 5 die drei Schwestern Johanna Bachenheimer, Flora Skapowker und Sophie Katz um. Nur weil er als Zwangsarbeiter nach Oranienburg verschleppt wurde, überlebte der Sinti Robert Ebender das Todeslager. Als 17-Jähriger war er in das so genannte 'Zigeunerlager' Birkenau deportiert worden, wo die NS-Verbrecher alle seine vier Brüder umbrachten. Vergeblich hatte er noch einen Bruder zu retten versucht. Robert 'Zweigeli' Ebender starb 2003 in Frankenberg."  
Link zum Artikel  

  
      
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Stadt Frankenberg   
bulletZahlreiche Beiträge zur jüdischen Geschichte Frankenbergs auf der Website des Förderkreises "Synagoge in Vöhl"  
bulletWebportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Frankenberg.  

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Frankenberg und umliegender Orte 
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Frankenberg sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,178  Die Führung der Synagogenbücher und die Erhebung von Kultussteuern in der jüdischen Gemeinde Frankenberg  1752 - 1842; enthält Listen von Steuerpflichtigen in der jüdischen Gemeinde Frankenberg 1834 - 1839 und Erlasse des Landratsamtes Frankenberg zur Führung von Geburts-, Trau- und Sterberegistern in den Synagogengemeinden des Landkreises, 1840 - 1840; enthält auch Angaben zu Personen in Dodenhausen, Frankenau, Geismar, Gemünden/Wohra, Grüsen, Röddenau, Rosenthal, Schiffelbach; darin auch: Verzeichnis aller männlichen Juden aus den Synagogengemeinden Gemünden/Wohra, Rosenthal und Frankenau mit Angabe von Namen, Gewerbe, Geburtsort sowie Geburts- und zum Teil Sterbedaten, 1752 - 1841 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732249        
HHStAW 365,184  Trauregister der Juden von Frankenberg  1824 - 1898; enthält auch Angaben zu Trauungen in Geismar und Röddenau  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4971246         
HHStAW 365,177  Geburtsregister der Juden von Frankenberg  1824 - 1899; enthält auch Angaben zu Geburten in Geismar und Röddenau; darin auch Jüdisches Geburtsregister zur Militär-Stammrolle der Gemeinde Frankenberg, 1824 - 1886 
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4607208                        
HHStAW 365,185  Sterberegister der Juden von Frankenberg  1824 - 1900; enthält auch Angaben zu Verstorbenen aus Geismar und Röddenau  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732250     
HHStAW 365,183  Geburtsregister der Juden von Frankenberg  1851 - 1864  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1030575      
HHStAW 365,181  Geburtsregister der Juden von Frankenberg  1851 - 1873  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v825430      
HHStAW 365,180  Sterberegister der Juden von Frankenberg  1851 - 1874  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3500075     
HHStAW 365,182  Geburtsregister der Juden von Frankenberg  1856 - 1868  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1900685    
HHStAW 365,179  Sterberegister der Juden von Frankenberg  1856 - 1874   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4782867    
   
Zu Röddenau sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,740  Geburtsregister der Juden von Röddenau  1852 - 1873   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1309600     
 
Familienregister bei LAGIS: allgemeine Register (inklusive der jüdischen Register) siehe über https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/gsearch/page/1/pageSize/30/sn/pstr?q=Stadtbezirk+Frankenberg.

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 237-238; kein Artikel in ebd. III,1.  
bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 190-192.   
bulletders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 54 (Foto von Emil Plaut, s.o.). 
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 66-67.  
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 65 (keine weiteren Informationen).
bulletdies.: Neubearbeitung der beiden Bücher. 2007 S. 182.
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 215-216.   
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 544-546.  
bullet Uli Dolenschall: Hier lebte... Zur Vertreibung der jüdischen Bevölkerung Frankenbergs. Hg. VHS Kreis-Volkshochschule 1994. Online zugänglich.  
bulletHorst Hecker: Jüdische Ärzte in Frankenberg. Online zugänglich auf der Website des Geschichtsvereins Frankenberg. 
bulletMonica Kingreen: Die Namen der ermordeten jüdischen Frankenberger. Synagoge Vöhl. http://www.synagoge-voehl.de/Juden_im_Landkreis/frankenberg/veroeff/artikel/05_11%20kingreen.htm Eingestellt November 2005.  
bulletFrankenberg Lit 0101.jpg (45660 Byte)Initiativgruppe Stolpersteine Frankenberg (Hrsg.): Hier wohnte... Stolpersteine in Frankenberg (Eder) - Erinnern an die Opfer des NS-Regimes. Frankenberg 2008.   
bullet
Frankenberg Lit 201.jpg (118469 Byte)Horst Hecker: Jüdisches Leben in Frankenberg. Geschichte der Gemeinde und ihrer Familien. 
Mit Beiträgen über die Juden in Geismar und Röddenau sowie einer Dokumentation des jüdischen Friedhofs 
(592 Seiten, reich bebildert, Farbteil mit sämtlichen Grabsteinen).  
Schon im Mittelalter lebten in Frankenberg Juden. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges entstand eine dauerhaft jüdische Gemeinde, die auf dem Höhepunkt über 130 Mitglieder zählte. Während der frühen Neuzeit führten sie eine höchst unsichere Existenz am Rande der Gesellschaft; bis zur Emanzipation im 19. Jahrhundert war ihr Leben geprägt von vielfältiger rechtlicher, sozialer und wirtschaftlicher Diskriminierung. Aufgrund ihrer beruflichen Beschränkungen mussten sie ihr Auskommen überwiegend als Vieh- und Warenhändler suchen, im 19. und 20. Jahrhundert spielte der Textilhandel eine große Rolle. 
Seit dem Kaiserreich waren die Juden in Frankenberg weitgehend integriert, mit der christlichen Bevölkerung lebten sie in guter Nachbarschaft. Viele von ihnen waren Mitglieder in städtischen Vereinen, sie engagierten sich auf sozialem Gebiet und waren gute Patrioten, die ihre Heimat liebten. 
Mit dem Machtantritt der Nazis 1933 änderte sich dies alles grundlegend: Systematische Verfolgung und Demütigung bestimmten fortan den Alltag der Juden auch in Frankenberg. Wer nicht rechtzeitig emigrieren konnte, wurde in den Konzentrationslagern und Vernichtungslagern umgebracht. Über 30 jüdische Frankenberger, Männer, Frauen und Kinder, fielen dem nationalsozialistischen Judenmord zum Opfer. Das Buch ist online zugänglich (pdf-Datei, auch über http://vhghessen.de/frankenberg/Hecker_Juedisches%20Leben%20in%20Frankenberg_web.pdf)     
Frankenberg Lit 201a.jpg (200415 Byte)In den fast sieben Jahrzehnten, die seit der Deportation der letzten Juden vergangen sind, ist die Erinnerung an die jüdische Geschichte Frankenbergs weitgehend verblasst, nur wenig zeugt heute noch von der einstmals blühenden Gemeinde. Um diesen wichtigen Teil der Stadtgeschichte im Gedächtnis künftiger Generationen zu bewahren und zugleich als Mahnung, Vorurteilen, Intoleranz und Rassenhass keinen Raum zu geben, hat der Frankenberger Stadtarchivar Dr. Horst Hecker dieses Buch mit großer wissenschaftlicher Gründlichkeit geschrieben, dabei eine Fülle von genealogischen Daten gesichert und sie mit vielen Bildzeugnissen aus dem Leben der jüdischen Bürger der Stadt illustriert.   
Das Buch "Jüdisches Leben in Frankenberg" ist erhältlich beim Verein für hessische Geschichte und Landeskunde Kassel, Zweigverein Frankenberg, zum Preis von 30 Euro. 
Bestelladresse: Karl-Hermann Völker, Waldenserstraße 3, 35099 Burgwald.  Mail
(Karl-Hermann.Voelker[et]t-online.de).   

   

     
       


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Frankenberg Hesse-Nassau. Although Jews lived there in medieval times, the community dated from the 17th century. It maintained an elementary school from 1828 to 1939 and a synagogue was established on 1838. The community numbered 133 (4 % of the total) in 1905. Zionism gained support after 1933. On Kristallnacht (9-10 November 1938) both the synagogue and a Jewish teacher fell victim to the pogrom. Of the 101 Jews registered in 1933, 57 emigrated (mostly to the United States); others were sent to Nazi death camps in 1942. 
   
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020