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Bauerbach
(Gemeinde
Grabfeld, Kreis Schmalkalden)
mit Ritschenhausen (VG Dolmar-Salzbrücke, Kreis Schmalkalden)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Bauerbach bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/41. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts
zurück. Der älteste Hinweis auf Juden am Ort ist vermutlich eine
Grabinschrift des Bauerbacher Friedhofes von 1722.
Nach 1774 konnten mehrere jüdische Familien in das bisherige, an der
Straße nach Nordheim/Bibra gelegene "Herrenhaus" der Freiherrenfamilie von Wolzogen
einziehen. Die Freiherrenfamilie hatte Bauerbach um 1700 zusammen mit dem Rittergut
Mühlfeld erworben, wo bereits eine jüdische
Gemeinde bestand. Nachdem der damalige Patron Bauerbachs, Ernst Ludwig von Wolzogen 1774
gestorben war, wurde seiner Witwe Henriette das Herrenhaus zu groß. Aus diesem
Grund verpachtete sie es an mehrere jüdische Familien und zog selbst in ein
zuvor gekauftes Gutshaus (später sogenanntes "Schillerhaus" bzw. heutiges
Schiller-Museum Friedrich-Schiller-Str. 1). Das bisherige "Herrenhaus" wurde fortan
"Judenbau" genannt (so auf einer Karte von 1786/1828 unten). Nach dem von C. von Wolzogen 1736 gemessenen und gezeichneten, 1828 berichtigten "Grundriß vom Dorfe
Bauerbach mit seinen Gärten" (Karte von 1786/1828 unten) lebten folgende jüdische Familien im "Judenbau": Marcus
Mayer (Hausteil 1), Abraham Gottmann und Joseph Mühlfelder (2), Jehel (?)
Friedmann (3), Lev Friedmann (4), Moses Friedmann (5), Moses Gottmann (6), Menle
Kaufmann (7), Jesel Friedmann (8), Löb Gottmann (9), Maier Ledermann (10), Enoch
Epstein (11).
Für 1782 ist in der Ortschronik (vgl. unten die Artikel in der Allgemeinen
Zeitung des Judentum von 1906 und 1922) ein Jude namens Mattich in Bauerbach genannt, den der Dichter Friedrich
Schiller während seines Aufenthaltes in Bauerbach mehrfach getroffen haben
soll, sowie Jonas
Oberländer, den Schiller aus einer lebensgefährlichen Lage befreite. Schiller
lebte während seiner Bauerbacher Exilszeit im oben genannten Gutshaus der Henriette von Wollzogen
(daher "Schillerhaus" genannt) und soll sich in dieser Zeit auch mit den Schriften Moses Mendelsohns
beschäftigt haben.
1794
wird Joseph Mühlfelder als Schnittwaren- und Tabakhändler am Ort genannt; er
war aus dem benachbarten Mühlfeld
zugezogen.
Genaue
Zahlen von jüdischen Einwohnern am Ort liegen aus dem 19. Jahrhundert vor:
1811 lebten im Dorf 91 jüdische Personen in 18 Familien neben 145 christlichen
Einwohnern, 1833 sind es 107 jüdische und 231 christliche Einwohner, 1841 121
jüdische Einwohner, 1851 116
jüdische Einwohner in 26 Familien, 1898 75 jüdische Einwohner in 15
Haushaltungen. Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh, Schnittwaren,
kleinen Waren und Alteisen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es
mehrere jüdische Handlungen und Läden am Ort.
Dazu eingestellt (Dateien erhalten von Christoph von Wolzogen):
- Schutzgeldliste von 1814 (Berichtsjahr 1815, Bauerbach, 20. Februar 1814,
Thüringisches Staatsarchiv Meiningen, ZM 1322, Bl 3):
Originalliste (pdf-Datei);
Abschrift
der Liste (pdf-Datei).
- Liste von 1825: Harding (Verwalter von Bauerbach): Verzeichniß der
Resten in Bauerbach seit der RechnungsFührung des Unterzeichneten.
Meiningen, 22. September 1825, Auszug, Wolzogensches Familienarchiv:
Originalliste
(pdf-Datei),
Abschrift der Liste (pdf-Datei).
Am Befreiungskrieg 1813
nahm Simon Ledermann aus Bauerbach teil (gest. 1875 und mit militärischen Ehren
begraben). Ab den 1820er-Jahren gehörte Bauerbach dem General Ludwig von
Wolzogen. Er erreichte es, dass mit Hilfe der Rothschild-Familie die jüdische
Gemeinde in Bauerbach aktiv mit Geld und Stipendien unterstützt wurde.
- Siehe hierzu:
"...der Bauerbacher Judengemeinde eine neue Unterstützung..." Aus dem
Briefwechsel des Generals Ludwig von Wolzogen mit Salomon und Amschel Mayer von
Rothschild. Transkription Christoph von Wolzogen. Frankfurt 2020 (als
pdf-Datei eingestellt).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (seit 1835 eigenes Schulhaus als jüdische Volks-
beziehungsweise Elementarschule), ein
rituelles Bad (im Schulhaus) und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. 1833 wird als Lehrer Hirsch Mühlfelder genannt; er löste
Lehrer Simon Würzburger ab; 1835 folgt Lehrer Manko Friedemann, 1836 Lehrer
Salomon Berg, 1837 Lehrer Markus Koppel Kramer aus Gleicherwiesen (bis 1851). 1839 wurden in der jüdischen Volksschule 24 Schüler
unterrichtet, 1863 18. 1853 wird Lehrer Mendel Maßbacher aus Gleicherwiesen angestellt,
er bleibt bis 1856. 1857 folgt Lehrer Sachs aus Walldorf, 1864
(nach Ausschreibung der Stelle vom November 1863 siehe unten) Georg Holländer,
1866 Samuel Weißbacher. Seit 1868 wurde der Religionsunterricht durch einen Lehrer aus
Bibra erteilt, da die Zahl der schulpflichtigen jüdischen Kinder in Bauerbach
stark zurückgegangen war. Einige Jahre später (siehe unten den Bericht über
die Einweihung der Synagoge 1892) war der Lehrer aus Berkach für die Gemeinde
in Bauerbach zuständig. Die jüdische Konfessionsschule bestand bis 1875 und
wurde danach mit der christlichen Schule vereinigt. 1899 waren von den 76
Kindern der Schule 10 jüdisch.
Im Ersten Weltkrieg sind gefallen: Gefreiter
Gottfried Mühlfelder (geb. 17.3.1882 in Bauerbach, vor 1914 in Meiningen
wohnhaft, gef. 20.11.1914) und Max Mühlfelder (geb. 2.8.1895 in Bauerbach, vor
1914 in Meiningen wohnhaft, gef. 26.1.1917). Der laut Gedenkbuch des RjF
gefallene Heinemann Wallach (geb. 7.1.1877, gef. 12.6.1918) ist nicht in
Bauerbach (RjF) geboren, sondern in Baumbach
(Verlustlisten von 1918 sind korrekt).
1913 wurden nur noch 25 jüdische Einwohner gezählt, 1924/25 noch elf.
Folgende jüdische Geschäfte waren noch am Ort: Lebensmittelgeschäft Wallach,
Textilhandelsgeschäft Eisemann und Schuhmachergeschäft Jonas
Mühlfelder. Um 1924 waren die Gemeindevorsteher Louis Eisemann, A. Eisemann und
E. Mühlfelder. Der jüdische Lehrer Höxter aus Bibra erteilte den
Religionsunterricht noch einem schulpflichtigen Kind der jüdischen Gemeinde.
Auch die drei Einwohner von Ritschenhausen (VG Dolmar-Salzbrücke)
gehörten damals zur Bauerbacher jüdischen Gemeinde. 1932 war der jüdische
Gemeindevorsteher weiterhin Louis Eisemann.
1933 wurden noch 13 jüdische Einwohner in vier Familien gezählt. In den
folgenden Jahren sind mehrere von ihnen auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien vom
Ort verzogen. Johanna Holländer verstarb 1934. Familie Wallach verzog 1936 nach Meiningen. Louis Eisemann und
seine Frau Rosette emigrierten 1938 in die USA. Beim Novemberpogrom 1938 wurden im Wohnhaus von Regina und
Rieckchen Eisemann die Fensterscheiben eingeworfen sowie der jüdische Friedhof
geschändet.
Im September 1942 wurden die letzten
jüdischen Bauerbacher Einwohner, die bereits genannten Regina und Rieckchen Eisemann
deportiert.
Von den in Bauerbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Bertha Bach geb. Neumann
(1868), Leopold Blum (1867), Abraham Adolf Eisemann (1869), Bernhard (Benno)
Eisemann (1900), Berta Eisemann geb. Mühlfelder (1886), Hugo Eisemann (1892),
Max Moses Eisemann (1886), Regina Eisemann geb. Maier (1859), Regina (Rieckchen,
Ricke)
Eisemann (1894), Sophie Eisemann geb. Löwenstein (1902), Klara Frank geb.
Eisemann (1884), Jacob Friedmann (1870), Louis Friedmann (1863), Ida Grünebaum
geb. Mühlfelder (1874), Frieda Heilbrunn geb. Katzenstein (1880), Meta Hofmann
geb. Doktor (1871), Rosy Holländer geb. Mühlfelder (1890), Frieda Hommel geb.
Rosenbach (1875), Sofie Jaffé geb. Neumann (1866), Renate Kirschner geb. Goldschmidt (1894), Theodor Köhler
(1869), Ida Krämer geb. Eisemann (1890), Friederike Ledermann (1862), Frieda
Meyer geb. Eisemann (1892), Johanna Meyerstein geb. Holländer (1868), Friedrich
(Fritz) Mühlfelder (1889), Julius Mühlfelder (1881), Sally Mühlfelder (1884),
Hedwig Neuberger geb.
Mühlfelder (1878), Lina Ortweiler geb. Ledermann (1866), Ludwig Reis (1875),
Philipp Reis (1877), Henriette Rothschild geb. Friedmann (1861), Julius Wallach
(1908), Milly Gretchen
Walter geb. Haas (1898), Elisabeth Weyrauch (1875), Hermann Würzburger (1866),
Sofie Würzburger (1867), Therese Würzburger (1876).
Hinweis: es gab auch in Bauerbach (heute
Stadtteil von Bretten) eine jüdische Gemeinde. Daher kann es zu Verwechslungen
zwischen beiden Orten kommen.
Aus Ritschenhausen sind umgekommen: Alfred Friedmann (1892), Erna
Friedmann geb. Friedmann (1899), Isaak Friedmann (1939), Max Friedmann (1896).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte
Zahl der jüdischen Einwohner im Herzogtum Meiningen (1841)
Mitteilung in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1841: "Die
Zahl der jüdischen Einwohner des Herzogtums Meiningen beläuft sich dermalen
auf 1494, und es wohnen hiervon 19 in der Stadt
Meiningen, 548 in
Walldorf, 63 in
Dreißigacker, 121 in Bauerbach,
114 in Bibra, 100 in der Stadt
Hildburghausen, 51 in
Simmershausen, 153 in
Berkach, 185 in
Gleicherwiesen, 131 in
Marisfeld, 9 in
Liebenstein, 17 verstreut in
verschiedenen Ortschaften, 23 haben bereits das Staatsbürgerrecht, und zwar
nur im Hildburghausischen, 105 haben sich bürgerlichen Gewerben zugewendet." |
Aus
der Geschichte der jüdischen Lehrer und Vorbeter
Ausschreibung der Stelle des Lehrers (1863)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. November 1863: "Ein Lehrer, der sich
vorschriftsmäß0ig in einem Seminar ausgebildet, den Religions- und
Elementar-Unterricht, sowie das Vorbeter-Amt übernehmen kann, wird von
der israelitischen Gemeinde zu Bauerbach, im Herzogtum Meiningen, unter
Zusicherung eines festen Gehaltes 225 fl. und circa 75 (fl.) Akzidenzien,
zu engagieren gesucht. Die zu übernehmende Schule besteht gegenwärtig
aus 18 Schüler, und sind Wohn- und Schulgebäude in bester und
freundlichster Lage, bei Zufriedenheit der Gemeinde wird später der
Salair erhöht.
Reflektanten wollen sich franko an Kultus-Vorsteher Ledermann
wenden." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über den aus Bauerbach stammenden,
späteren Chemnitzer Rabbiner Dr. Mühlfelder (geb. 1844, gest. 1907)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Februar 1907:
"Chemnitz, 21. Januar (1907). Unser vor wenigen Wochen an
dieser Stelle zum Ausdruck gebrachte Wunsch, dass unserem Rabbiner Dr.
Mühlfelder nach Genesung von schwerer Krankheit noch viele Jahre des
Ruhestandes vergönnt sein möchten, ist, wie bereits mitgeteilt, leider
nicht in Erfüllung gegangen. Am 16. dieses Monats wurde der verehrte
Seelsorger unserer Gemeinde heimberufen, der an der Entwicklung derselben
hervorragenden Anteil genommen hat. Als der Verstorbene 1884 sein Amt
antrat, zählte die Gemeinde kaum 50 Familien und die Religionsschule,
welche jetzt von ca. 200 Kindern besucht wird, noch nicht ein Fünftel
derselben. Das Begräbnis des Heimgegangenen am 20. Januar zeugte von der
Verehrung, welche demselben verdientermaß0en seitens der Gemeinde und
weiterer Kreise auch über das Grab hinaus gezollt wurde. Der Beerdigung
ging eine Trauerfeier in der Synagoge voraus. Die Gemeindemitglieder
hatten sich zahlreich eingefunden, ferner waren anwesend Oberbürgermeister
Dr. Buk und andere offizielle Persönlichkeiten, sowie Vertreter der
Schwestergemeinden Dresden, Leipzig, Annaberg und Zwickau. Die Feier
begann mit einem stimmungsvollen Orgelpräludium, dem ein Gesang von
Kantor und Chor folgte. Hierauf hielt Rabbiner Dr. Schwartz - Prag, der
Schwiegersohn des Verstorbenen, die Trauerrede. In reicher Gedankenfülle zeichnete
der gewandte Redner ein getreues Lebensbild des Verblichenen, der - selbst
bedürfnislos und überaus bescheiden - stets nur das Beste seiner Familie
und Gemeinde erstrebt und als wahrer Seelsorger Frieden gestiftet und
werktätige Liebe geübt habe. Die Bescheidenheit war auch der Grund
dafür, dass der Verewigte seine herrlichen Geistesgaben vor allem nur
innerhalb der Gemeinde und Religionsschule betätigte, welch letzterer er
sich mit ganz besonderer Hingabe widmete. Doch, wenn es das Interesse der
Religion und des Gesamtjudentums erforderte, dann loderte die Flamme
heiliger Begeisterung in ihm auf; überzeugend verstand er es, in Wort und
Schrift dem Gegner zu widerlegen und die angegriffene Glaubensgemeinschaft
zu verteidigen. In solchem Falle scheute er auch nicht die Härten und
Widerwärtigkeiten der Öffentlichkeit. Einer der Besten sei mit dem
Verstorbenen dahingegangen, sein Andenken werde immerdar ein gesegnetes
bleiben! Der eindrucksvollen Predigt folgte das von unserem Kantor N.
Goldberg ergreifend vorgetragene El mole rachamim, worauf der Vorsitzende
des Vorstandes, Herr Louis Ladewig, in einer längeren herzlichen
Ansprache dem verewigten Rabbiner den innigsten Dank der verwaisten
Gemeinde nachrief. Nach einem weiteren Gesange des Synagogenchors sprachen
sodann die Rabbiner Dr. Winter - Dresden und Dr. Porges - Leipzig, dem
Beileid der von denselben vertretenen Gemeinden in zu Herzen gehenden
Worten Ausdruck gebend; der Erstgenannte zugleich auch namens des
Deutschen Rabbinerverbandes. Hierauf wurde unter Orgelklängen der Sarg
von den Mitgliedern des Vorstandes der Chebrah Kedoschah, deren
langjähriges Ehrenmitglied der Verstorbene gewesen, aus der Synagoge in
den Leichenwagen getragen und mit großem Gefolge nach dem Friedhofe
geführt, woselbst nach einem Gebete des Rabbiners Dr. Schwartz die
Beisetzung in der Ehrenreihe erfolgte. Das Andenken der Gerechten bleibt
ein Segen! - Dr. Jacob Mühlfelder wurde 1844 zu Bauerbach
(Sachsen-Meiningen) geboren, besuchte die Rabbinerschule zu Würzburg, das
Gymnasium zu Mainz, die Universitäten und gleichzeitig Rabbinerseminare
zu Breslau und Berlin und promovierte bei der philosophischen Fakultät
der Universität Halle. Seit 1884 amtierte Dr. Mühlfelder als Rabbiner
und Leiter der Religionsschule in Chemnitz. Allgemein in Erinnerung ist
wohl noch sein offener Brief an den Oberpfarrer Graue, welcher eine
herrliche, überzeugende Verteidigungsschrift des Judentums
darstellt." |
Der aus Bauerbach stammende
jüdische Landtagsabgeordnete Dr. Ledermann darf nicht über die Sonntagsheiligung
referieren (1905)
Anmerkung: Julius Ledermann (geb. 1858 in Bauerbach) war nach seinem
Jura-Studium ab 1887 Gerichtsassessor in Eisfeld, 1889 in
Rudolstadt, 1893 Amtsrichter in Steinach.
Von 1901 bis 1924 war er aufsichtsführender Amtsrichter in
Pößneck, 1904 Amtsgerichtsrat. Von
1903 bis 1909 war er Abgeordneter der höchstbesteuerten Grundbesitzer des
Wahlkreises Saalfeld-Sonneberg. Er war auch kommunalpolitisch tätig (1903
Mitglied des Gemeinderates in Pößneck).
Ledermann war Mitglied der Freisinnigen Volkspartei. 1924 trat er in den
Ruhestand. 1936 übersiedelte er nach Dresden, wo er 1939 starb.
Literatur: Ernest Hamburger: Juden im öffentlichen Leben Deutschlands.
Regierungsmitglieder, Beamte und Parlamentarier in der monarchischen Zeit
1848-1918. Tübingen 1968 S. 388-389.
Artikel
in "Der Gemeindebote" vom 15. Dezember 1905: "Meiningen, 7. Dezember
(1905). Unser Landtag hat bereits im Jahre 1904 einen Antrag auf Abänderung
des Gesetzes von 1835, enthaltend Vorschriften über die Sonntagsheiligung,
angenommen. Als Referent des Gesetzgebungsausschusses, dem inzwischen eine
entsprechende Regierungsvorlage zugegangen ist, war der Abgeordnete Dr.
Ledermann - Pößneck ausersehen. Wie das 'Saalfelder Volksblatt'
berichtet, hat Dr. Ledermann aber auf das Referat verzichten müssen, weil
zwei Landtagskollegen die Ansicht äußerten, Abgeordneter Ledermann könne als
Jude nicht über das christliche Sonntagsgesetz referieren; die Pfarrer im
Lande könnten an dem Zustandekommen des Gesetzes auf diese Art Anstoß
nehmen!" |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige von Johanna Katz
und Hugo Eisemann (1921)
Anmerkung: Hugo Eisemann (geb. 1892) und Johanna geb. Eisemann (geb. 1895)
sind nach der Deportation in der NS-Zeit umgekommen.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Dezember 1921: "Statt Karten!
Johanna Katz - Hugo Eisemann
Verlobte
Egelsbach bei Frankfurt am Main
Bauerbach S.M.
Frankfurt am Main Lange Straße 3 und 60 ." |
Sonstiges
Über Friedrich Schillers jüdischen Freund Mattich in Bauerbach (Artikel von
1905 und 1922)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. Mai 1905: "Zu den Schillertagen.
In den jüngst verflossenen, Schiller geweihten Tagen ist mehrfach auch
des Jubeljahres 1859 gedacht worden, als die Begeisterung, gesteigert
durch die politischen Verhältnisse, nicht minder hohe Wellen schlug als
heute. Auch damals flutete es in Zeitungen, Zeitschriften von
Schillerreden, Schillererinnerungen etc. Und damals lebten noch und
schrieben viele, denen der Dichter nicht nur der große lebensvolle Tote,
sondern noch ein Lebendiger war, denen aus der Jugend Tagen die
Erinnerung an ihn und die unmittelbare Wirkung seiner Persönlichkeit und
seiner Dichtungen herüberklang.
In einer Nummer der Gartenlaube von 1860 findet sich ein Artikel über
Schillers Aufenthalt in Bauerbach, dem wir folgende amüsante, für die
Leser dieses Blattes nicht uninteressante Einzelheit
entnehmen.
In Bauerbach waren zur Zeit schon Juden. Schiller, der aus
bekannten Gründen seinen Aufenthalt geheim hielt und äußerst einsam
lebte, hatte nur wenige Bewohner des Dorfes kennen gelernt. Nur mit einem Juden
Mattich kam er häufig zusammen, den er wegen seiner ziemlichen
Bildung und seines gesunden Mutterwitzes gern sag, und mit dem er
bisweilen das damals in Bauerbach beliebte Kartenspiel 'Sechs-Männchen'
spielte. Die Frau des Juden sag freilich den Umgang ihres Mannes mit dem
Unbekannten sehr ungern, ja sie machte ihm häufig darüber Vorwürfe.
'Was läufst Du zu dem Chattes (Lump)?' zankte sie. 'Geh' liebe Deinen
Massematten (Geschäften) nach.' Der brave Jude aber antwortete seinem
keifenden Weibe: 'Schwag' mer still! Ich was net, wie mer wird, wenn er
mich ruft. Ich muss folgen. Er ist ein braver, ein gescheiter Ma, und mehr
waß doch och nicht, was dahinter steckt.'
A.G." |
|
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. Februar
1922: "Eine Schiller-Reminiszenz. Als Schiller im Jahre 1783
auf dem der Frau von Wolzogen gehörigen Gute Bauerbach in Meiningen Gast
war, pflegte er, so erzählte der Meininger Archidiakonus Müller in
Meiningen in seiner Skizze 'Aus Schillers Asylzeit in Bauerbach' (in dem
soeben erschienenen Geschäftsbericht des Schwäbischen Schiller-Vereins
veröffentlicht), den Dorfjuden Mattich als Begleiter mitzunehmen. Abends
spielte er mit dem Verwalter Voigt Schach; noch häufiger aber mit Mattich,
den er wegen seiner braven Gesinnung, ziemlichen Bildung und besonders
wegen seines gesunden Mutterwitzes wohl leiden mochte, in den
Wintermonaten 'Sechs Männchen', ein hier noch beliebtes Kartenspiel und
in den Sommermonaten Kegel. Oft war Mattich von seinen Geschäftstouren
abends sehr ermüdet, dennoch folgte er stets dem Rufe des Dichters. Auf
den Spaziergängen muss es auch zu ernsten Gesprächen gekommen sein; der
Archidiakonus berichtet nämlich, Mattich habe erzählt, dass Schiller auf
diesen Spaziergängen heftig mit ihm disputiert hatte, namentlich über
Religionssachsen, über Judentum und Christentum, das letztere
verteidigend." |
Zur Geschichte der Synagoge
Im 18. Jahrhundert wurde ein Betsaal im
Bereich des sogenannten "Judenbaus" eingerichtet. Die Synagoge
ist unter Nr. 12 im unten abgebildeten historischen Plan von Bauerbach
eingetragen.
1824 wurde eine neue Synagoge eingeweiht. 1874 konnte das
50-jährige Jubiläum der Einweihung dieser Synagoge gefeiert werden. Viele
jüdische Gäste kamen nach Bauerbach zum Mitfeiern. In der Synagoge trat auch
der christliche Gesangverein auf. Diese Synagoge musste allerdings 1891 wegen
Baufälligkeit ("durch wiederholtes Ausbrechen des Schwammes unbrauchbar",
siehe Artikel unten) abgebrochen werden. Ein paar Jahre zuvor hatte die
jüdische Gemeinde noch Spenden für ihre "beschädigte Synagoge"
gesammelt.
Spende für die Synagoge in Bauerbach
(1884)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. September
1884:
"Für die Wiederherstellung der beschädigten Synagoge in
Bauerbach.
Von Ungenannten 10 M." |
Nach Abbruch der seitherigen Synagoge wurde 1892 eine
neue Synagoge
mit einem Schulraum eingeweiht. Für einen Neubau hatte sich damals auch Lehrer
G. Holländer aus Berkach eingesetzt. Herzog Georg von Meiningen spendete für
die Errichtung des Neubaus. Die Einweihung der Synagoge war am 17./18.
Juni 1892 durch Landrabbiner Dr. Dessauer:
Zur Einweihung der Synagoge in Bauerbach
(1892)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli
1892: "Am Freitag den 17. vorigen Monats und am darauf folgenden
Sabbat fand in Bauerbach bei Meiningen die Einweihung der neu
erbauten Synagoge durch Herrn Landrabbiner Dr. Dessauer statt. So
geringzählig die Gemeinde ist, so ließ sie es sich doch, da in ihr noch
ziemlich religiöser Sinn herrscht, angelegen sein, ein ihren bescheidenen
Verhältnissen entsprechendes Gotteshaus zu beschaffen, nachdem die alte
Synagoge durch wiederholtes Ausbrechen des Schwammes unbrauchbar geworden
war. Um die Beschaffung der erforderlichen Mittel hat sich deren
derzeitiger Religionslehrer - Lehrer G. Holländer aus Berkach
- durch persönliche und schriftliche Verwendung vielfach verdient
gemacht. Auf ein diesbezügliches Bittgesuch spendete auch Seine Hoheit,
der regierende Herzog Georg von Meiningen 500 M. zu dem Baue. Der
derzeitige Vorsteher H. Mühlfelder hat, um die Förderung des
Baues zu bewirken, weder Zeit noch Mühe gescheut. Die Anordnung der
Weihefeier, respektive die dabei vorkommenden Gesänge leitete Lehrer
Holländer und verlief diese Feier unter zahlreicher Beteiligung von
nah und fern in herrlicher, würdiger Weise. Alle Ortsbewohner trugen
durch ihre Beteiligung zur Verherrlichung des Festes bei. Die beiden
Predigten des Herrn Landrabbiners Dr. Dessauer, der am Freitag Nachmittag
über das Gebet und am Sonnabend Morgen über das Gottvertrauen unter
passender Bezugnahme auf die herrschende Zeitströmung sprach, rissen alle
Zuhörer mit sich fort. An beiden Tagen war das Gotteshaus zum Erdrücken
voll. Besonders hervorzuheben ist die Sympathie, die Seine Hoheit, der am
Comosee (= Comer See) weilende regierende Herzog für die Kultusgemeinde
Bauerbach, sowie überhaupt für die Israeliten Meiningens durch
zweimaliges Depeschieren kundgab, sowie auch das diesbezügliche Schreiben
des Herrn Staatsministers Heim, worin er bedauert, nicht an der
Einweihung teilnehmen zu können. Möge allen denen, die zum guten Werke
in Wort und Tat beitrugen, der reichste himmlische Segen zuteil
werden!" |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Juli 1892:
Ähnlicher, etwas kürzerer Bericht wie in der Zeitschrift "Der
Israelit". |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Juni
1892: "Meiningen, 20. Juni (1892). Die israelitische Gemeinde
Bauerbach
sandte anlässlich der Einweihung ihrer Synagoge ein Huldigungs-Telegramm
an den Herzog von Meiningen und erhielt als Antwort folgende Depesche: 'Cadenabbia
bei Como, 18. Juni. Herzlichen Dank für freundliches Gedenken. Angesichts
der Versuche, der Verirrung des Antisemitismus auch bei uns Eingang zu
verschaffen, können die Israeliten Meiningens auf mich zählen.
Georg." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Juli 1892: "Meiningen, 4. Juli (1892). Um allen
Missdeutungen und von Antisemitenblättern geäußerten Zweifeln an der
Echtheit des Telegramms Seiner Hoheit des Herzogs von Meiningen an den
Landrabbiner Dr. Dessauer, den Antisemitismus betreffend, zu begegnen,
kann ich Ihnen genau den Wortlaut der Depeschen sowohl Seiner Hoheit als
des Landrabbiners wie der Gemeinde Huldigungsdepesche mitteilen. Der Herr
Landrabbiner Dr. Dessauer depeschierte: 'An Seine Hoheit den Herzog von
Meiningen in Villa Carlotta bei Cadenabbia. Landrabbiner und
Kultusgemeinde Bauerbach danken für höchstdessen Wohlwollen, gedenken
bei der Synagogenweihe Eurer Hoheit und höchstdessen Gemahlin in tiefster
Verehrung.' Darauf erhielt Herr Dr. Dessauer in Meiningen folgende
Rückantwort: 'Landrabbiner Meiningen. Cadenabbia, den 18. Juni.
Herzlichen Dank für Ihr und der israelitischen Gemeinde Bauerbachs
freundliches Gedenken. Angesichts der Versuche, der Verirrung des
Antisemitismus auch bei uns Eingang zu verschaffen, können die Israeliten
Meiningens auf mich zählen.'" |
Die Synagoge war nur etwa vier
Jahrzehnte Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens am Ort. Bereits in den
1920er-Jahren konnte kein regelmäßiger Gottesdienst mehr durchgeführt werden.
In der Synagoge wurden nur noch Andachten abgehalten. 1930 wurde das
Synagogengebäude mit Schulraum verkauft, wurde noch kurze Zeit aus Schulraum
verwendet, kam 1937 in Privatbesitz über und wird seitdem als
Wohnhaus verwendet.
Adresse/Standort der Synagoge:
Henneberger Straße 58 (bzw. Hauptstraße 58)
Fotos
Historischer Plan von
Bauerbach 1786/1828
(aus dem Besitz von Christoph Freiherr von Wolzogen;
heute im Deutschen Literaturarchiv Marbach) |
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Der "Grundriß
vom Dorfe Bauerbach mit seinen Gärten" wurde "gemessen und gezeichnet von C.
von Wolzogen 1786" und "berichtiget 1828". An der Straße "von Nordheim und
Bibra" ist das frühere Herrenhaus der Freiherrenfamilie von Wolzogen zu
sehen, dem nach Einzug der jüdischen Familien sogenannten "Judenbau". Mit
der Nr. 12 ist dort auch die Synagoge eingetragen. In der Legende sind die
Namen der jüdischen Familien zu finden. |
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Plan des Judenhofes
und Plan des Ortes mit Eintragung
des Standortes der Synagoge und
einiger jüdischer Häuser
(Quelle: Nothnagel usw. s.Lit. 69.71) |
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Fotos der Reste des
ehemaligen "Judenbaus"
(Fotos von 1989/1992: Mechthild von Wolzogen) |
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Die Fotos
zeigen die ver- bzw. umbauten Reste des originalen "Judenbaues" in
Bauerbach;
rechts der Teil, in dem einst die Familie des Jacob Mühlfelder wohnte; die
Fotos oben zeigen den Zustand 1989. |
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Die Fotos in
der Mitte und rechts zeigen den Zustand 1992. |
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Die ehemalige Synagoge von
1892 -
zum Wohnhaus umgebaut
(Quelle: Nothnagel usw. s.Lit.) |
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Dokumente |
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Die Schutzgeldliste von
1814 (Berichtsjahr 1815,
Bauerbach, 20. Februar 1814,
Thüringisches Staatsarchiv Meiningen, ZM 1322, Bl 3):
Originalliste (pdf-Datei);
Abschrift
der Liste (pdf-Datei).
Wie oben im Text, rechts als Bilddateien eingestellt |
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Die Liste von 1825: Harding (Verwalter von Bauerbach):
Verzeichniß der
Resten in Bauerbach seit der
RechnungsFührung des Unterzeichneten.
Meiningen, 22. September 1825, Auszug,
Wolzogensches Familienarchiv:
Originalliste
(pdf-Datei),
Abschrift der Liste (pdf-Datei). |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Hans Nothnagel (Hrsg.): Juden in Südthüringen -
geschützt und gejagt. Bd. 3: Juden in der ehemaligen Residenzstadt
Meiningen und deren Umfeld. Suhl 1999. S. 69- . |
 | Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und
Thüringen. Berlin 1992. S. 260-261. |
 | Israel Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit
in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes
Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de)
2007. Zum Download
der Dokumentation (interner Link). Zu Bauerbach S- 64-69. |
 | Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des
Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt 2003. S.
248. |
 | Eike Küstner: Jüdische Kultur in Thüringen. Eine
Spurensuche. Sutton-Verlag. Erfurt 2012. ISBN 978-3-95400-083-8. S. 30-34. |
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...der Bauerbacher Judengemeinde eine neue Unterstützung..." Aus dem
Briefwechsel des Generals Ludwig von Wolzogen mit Salomon und Amschel Mayer
von Rothschild. Transkription Christoph von Wolzogen. Frankfurt
2020 (als pdf-Datei eingestellt). |
n.e.

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