Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Weimar (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeine Gemeindebeschreibung (1877)   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben und allgemeine Berichte   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
Anzeigen jüdischer Privatpersonen und Gewerbebetriebe   
bulletZur Geschichte des Betraumes   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)     
   
In Weimar lebten Juden bereits im Mittelalter. Erstmals werden jüdische Bewohner Anfang des 14. Jahrhunderts genannt. In den Jahren nach 1323 lebte eine jüdische Frau Guta aus Weimar in Erfurt. Unter den Würzburger Juden, die 1327 Erzbischof Mathias von Mainz eine größere Summe liehen, wird Abraham von Weimar genannt. Dieser war Hausbesitzer in Würzburg. 1338 werden Moses von Weimar und sein Sohn Joseph in Eckartsberga genannt. Von der Judenverfolgung in der Pestzeit 1348/49 waren vermutlich auch die Juden Weimars betroffen. Danach wird nach einer allerdings unsicheren Quelle erst 1379 wieder ein Weimarer Jude genannt. Eine sichere Erwähnung liegt von 1390 vor. 1418 gab es in der Stadt acht erwachsene erwerbstätige Juden (sechs Männer, zwei Frauen in sechs Familien). Sie lebten vom Geldhandel. Auch ein Rabbiner Isag mit einem Schüler wird in der Stadt genannt. Juden aus Weimar lassen sich auch in anderen Orten nachweisen (u.a. in Erfurt 1393 und 1398, in Hildesheim 1395). Über eine Vertreibung der Weimarer Juden am Ende des Mittelalters ist nichts bekannt.
  
Nach 1529 lebte in der Stadt der im Dienst des Kurfürsten von Sachsen stehende Arzt Moses Staffelsteiner (gest. vermutlich 1554).           
  
Eine neue Gemeinde bildete sich in Weimar erst wieder im 19. Jahrhundert. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. 1770 ernannte Herzogin Anna Amalia den Juden Jacob Elkan (aus Schwanfeld, 1742-1805) zum Hofjuden im Fürstentum Weimar. Ihm folgten in den kommenden Jahren weitere jüdische Personen / Familien nach, sodass 1789 drei jüdische Familien in Weimar lebten: die des Jacob Elkan, des Jacob Löser und des Gabriel Ulmann. Gabriel Ulmann (1743-1816) belieferte als "Großherzoglicher Hofcommisair und Banquier" zusammen mit Jacob Elkan und dessen Schwager Jacob Löser (1753-1818) die herzliche Münze in Eisenach mit Silber. Auch Jacob Elkans Sohn, Israel Julius Elkan war als Bankier für den Weimarer Hof tätig, darunter auch für Staatsminister Johann Wolfgang von Goethe. Das "Bankhaus Julius Elkan" bestand bis 1905 und wurde danach von der "Magdeburger Privatbank" übernommen (siehe Pressebericht unten).      

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner in Weimar wie folgt: Anfang des 19. Jahrhunderts drei jüdische Familien, 1818 36 jüdische Einwohner, 1843 30, 1878 22 jüdische Familien, 1880 80 jüdische Einwohner, 1895 84, 1905 etwa 100. Unter den Weimarer jüdischen Einwohnern gab es einige Personen, die im kulturellen Leben der Stadt eine besondere Rolle spielten (als Kapellmeister, Hofopernsänger, Hofschauspielerin). Es gab auch jüdische Ärzte und Juristen, Fabrikanten und - wie zu Familie Elkan genannt - Bankiers.   

An Einrichtungen bestand einige Zeit ein Betraum (s.u.), zeitweise (jedoch erst in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg) eine Religionsschule sowie ein überwiegend privat genutzter jüdischer Friedhof (Privatfriedhof von Jacob Elkans Familie, unmittelbar daneben Privatfriedhof von Gabriel Ulmanns Familie). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der jüdischen Familien war zu keiner Zeit im 19./20. Jahrhundert ein Lehrer angestellt. Aus dem Bericht von 1877 (siehe unten) ist allerdings zu entnehmen, dass damals die jüdischen Kinder der Gemeinde vor ihrer "Konfirmation" (Bar Mizwa, Bat Mizwa) Unterricht durch einen auswärtigen jüdischen Lehrer erhielten. Die jüdische Gemeinschaft der Stadt gehörte zum Landesrabbinat Sachsen-Weimar-Eisenbach mit Sitz in Stadtlengsfeld, ab 1912 in Eisenach
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde: Offz.St. Hans Salomon (geb. 25.3.1893 in Dessau, gest. an der Kriegsverletzung am 5.6.1919). Außerdem ist gefallen: Unteroffizier Erich Michelsohn (geb. 17.2.1897 in Weimar, vor 1914 in Hannover wohnhaft, gef. 9.5.1915).                  
  
Um 1924, als zur Gemeinde (gemeint der 1903 gegründete "Jüdische Religions-Verein", dem jedoch nur ein Teil der jüdischen Einwohner der Stadt angehörte; die Bildung einer autonomen Synagogengemeinde in Weimar scheiterte mehrfach) etwa 25 Personen gehörten, war Gemeindevorsteher S. Kauffmann (Schillerstraße 2). Insgesamt lebten 1925 etwa 105 jüdische Personen in der Stadt. 
   
Bis Anfang der 1930er-Jahre gab es mehrere kleine jüdische Geschäfte im Handels- und Dienstleistungsbereich, dazu gab es ein Kaufhaus von "Bermann Tiertz" am Markt sowie von "Sachs & Berlowitz" in der Schillerstrasse.  
  
1933 lebten 91 jüdische Personen in der Stadt. In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Der Opernsänger Emil Fischer erhielt am Deutschen Nationaltheater Auftrittsverbot. Drei Künstler und eine Lehrerin wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft entlassen. 1935 wurden an den Zufahrtsstraßen und an Hotels der Stadt Schilder mit der Aufschrift "Juden nicht erwünscht" angebracht. Schon vor 1938 wurden fast alle jüdischen Geschäfte und Gewerbebetriebe gezwungenermaßen aufgegeben, darunter das Kaufhaus Sachs & Berlowitz. Das letzte jüdische Geschäft (Schreibwaren- und Puppenladen Hetemann in der Teichgasse) wurde beim Novemberpogrom 1938 verwüstet. Im Zusammenhang mit dem Pogrom wurden zwölf jüdische Männer in das KZ Buchenwald verschleppt. Ernst Bendix überlebte die Lagerzeit nicht; nach der Entlassung starb der Chemiker Hans Salomon an Suizid. Die jüdischen Einwohner (1939 noch elf Familien) wurden bei Kriegsbeginn zwangsweise in "Judenhäusern" einquartiert (u.a. Belvederer Allee 6 und Brühl 6; an letzterem Haus ist 1995 eine Gedenktafel angebracht worden). Mehrere der jüdischen Einwohner starben an Suizid. Von 1942 bis Januar 1945 wurden die letzten jüdischen Einwohner deportiert - Sammellager für die Deportation waren die Reithalle im Marstall und der Güterbahnhof in der Ettersburger Straße.   
  
Die ehemalige, 2015 durch Brandstiftung zerstörte Viehauktionshalle in der Nähe des Bahnhofes war Sammelort bei der Deportation der Thüringer Juden ab 1942. 877 jüdische Menschen wurden von hier aus deportiert (vgl. unten bei Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte).    
   
Von den in Weimar geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Gerda Abraham geb. Benjamin (1910), Günter Appel (1924), Jakob Appel (1885), Susanne Appel geb. Ortweiler (1894), Ernst Bendix (1895), Sonja Bromberg (1886), Meta Bibo (1877), Nathan Cahn (1872), Else Carillon geb. Kaufmann (1889), Emanuel Eisenbruch (1870), Ruth Eisenbruch (1927), Charlotte Vera Feldstein geb. Rosenthal (1906), Ella Fischer geb. Oppenheimer (1889), Emil Fischer (1880), Wolf Fischer (1926), Käthe Friedlaender (1887), Edith Gál (1888), Ilka Gál geb. Alt (), Ruth Glücksmann geb. Gutmann (1914), Emmy Göttinger geb. Rosenfeld (1885), Melanie Gottschalk geb. Peiser (1870), Fritz Gutmann (1906), Erika Haase (1936), Hedwig Hetemann geb. Markus (1866), Martha Kahn (1885), Selma Kahn (1881), Ida Katz geb. Frankenstein (1882), Jacob Katzenstein (1878), Selma Katzenstein geb. Freudenthal (1881), Karin Keins (1934), Hedwig Lasch geb. Davidson (1879), Elfriede Leopold geb. Lewkowitz (1887), Ludwig Leopold (), Therese (Rosa) Marchand geb. Strauss (1858), Siegmund Oskar Mayer (1885), Paul Moosbach (1861), Friedrich Nathan (1888), Lucy Ortlepp geb. Bock (1883), Albert Ortweiler (1855), Lina Ortweiler geb. Ledermann (1866), Eduard Rosé geb. Rosenblum (1859), Max Salomon (), Rosa Schmidt geb. Grill-Freimann (1882), Ruth Stern (1934), Johanna Straubing geb. Hetemann (1886), Hedwig Thate geb. Baumann (1873), David Tultschinsky (1891), Ludwig Waelder (1888), Bertha Wallach geb. Schönbeck (1880), Albert Wallhausen (1899), Herbert Wolff (1914), Jakob Wolff (1910), Martin Wolff (1894).      

Weimar Stolpersteine 13001.jpg (93886 Byte)Hinweis: Seit Mai 2007 (2. Verlegung am 7. Mai 2008) erinnern in Weimar auch "Stolpersteine" an einige der in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Personen: in der Belvederer Allee 6 für Jenny Fleischer-Alt geb. Alt, Edith Gál und Ilka Gál geb. Alt; in der Brennerstraße 42 für Rosa Schmidt geb. Grill-Freimann; in der Brühl 6 für Günter Appel, Jakob Appel und Susanna Appel geb. Ortweiler sowie für Albert Ortweiler und Lina Ortweiler geb. Ledermann; in der Carl-von-Ossietzky-Straße 18 für Richard Kohlmann; in der Marienstraße 16 für Eduard Rosé geb. Rosenblum; in der Wielandstraße 2 für Bertha Kahn, Martha Kahn und Selma Kahn.
Foto links (Hahn, Aufnahme vom 13.5.2013): "Stolperstein" für Eduard Rosé geb. Rosenblum in der Marienstraße 16.  

      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
    
Allgemeine Gemeindebeschreibung (1877)    
Anmerkung:  der in der konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" erschienene Bericht ist außerordentlich kritisch gegenüber dem damals offenbar nicht gerade regen jüdischen Gemeindeleben in Weimar geschrieben.        

Weimar Israelit 30051877a.jpg (389583 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Mai 1877: nach einigen einleitenden Bemerkungen zur Neuerungen in der jüdischen Gemeinde Eisenach: "Wenden wir uns aber von hier nach der Landeshauptstadt, nach Weimar, um zu erfahren, wie es alldort mit dem jüdisch-religiösen Gemeindeleben beschaffen ist: was nehmen wir da wahr? Wenn ich es ein Tauhu wowauho (sc. Tohu wabohu = Chaos) nennen könnte, so wäre das zwar schlimm; aber es läge dennoch etwas Tröstliches darin; denn aus einem Tauhu wowauhu ist ja einst eine Welt hervorgegangen, welcher der erhabene Schöpfer das Zeugnis geben konnte, dass sie zweckentsprechend gut sei. Aber hier ist nicht einmal dieses vorhanden. Hier blickt man in eine untröstliche Leere. Hier existiert, was eigentlich die Abwesenheit einer jeden Existenz bedeutet: das leere Nichts! In Weimar wohnen 12-15 israelitische Familien, respektive selbständiger Israeliten, welche zu den bestbesteuerten Israeliten des Landes gehören. Erkundigt sich nun der Besucher Weimars, wo in dieser Stadt, in welcher einst ein Herder gelebt, und in seinen Schriften den Geist der gebildeten Welt auf den, nur in der Ursprache recht zu würdigenden unübertrefflichen, ja bis jetzt unerreichten Gehalt der poetischen Bücher des alten Testaments aufmerksam gemacht hat, die Schule befindlich ist, in welcher die, in den alttestamentlichen Schriften verkündete israelitische Religion den israelitischen Kindern gelehrt und diesen der hochheilige Inhalt dieser alttestamentlichen Bücher, wenn auch nur teilweise, in der Ursprache zugänglich gemacht wird, damit sie lebenslänglich aus diesem nimmer versiegenden Quelle der Wahrheit ihren Geist und ihr Gemüt zu laben und zu stärken im Stande seien, so kann man ihm am Besten nur mit dem echtthüringischen Ausdrucke antworten: 'Ist nicht!' Und die Synagoge oder doch wenigstens ein anderes entsprechendes Betlokal? 'Ist nicht!' Dass auf die Frage nach irgendeiner anderen jüdisch-religiösen Anstalt keine andere Antwort erfolgen kann, versteht sich nach Obigem von selbst. Und das ist nicht bloß jetzt so, sondern ist nie anders dort gewesen. Der ganze Religionsunterricht der betreffenden Kinder beschränkt sich auf die, von irgendeinem auswärtigen Lehrer jeweilig auf eine kurze Zeit besorgte Vorbereitung zu der gesetzlich vorgeschriebenen (?) Konfirmation. Wie wenig ein solcher, wie eine Badekur nur auf eine Saison berechneter Unterricht nachhaltig auf Geist und Gemüt zu wirken vermag, ist leicht begreiflich! Wenn nun von allen diesen Anstalten nichts vorhanden ist, was ist denn aber eigentlich vorhanden, worin das jüdische Gemeindeleben sich bekundet? Für das Leben nichts, mein lieber Leser, aber für den Tod! Das einzige, was daran erinnert, dass Israeliten in Weimar wohnen, ist ein jüdischer Totenhof! Das Verlangen, auch im Begräbnis mit denen vereint zu sein, mit welchem man im Leben und in der religiösen Übung vereint gewesen, ist dem menschlichen Gemüte so natürlich, dass es sündhaft wäre, demselben nicht Rechnung zu tragen. Aber die Religion ist nur für die Lebenden und für das Leben! Wenn daher im Leben, in seinem ganzen Leben, die Pflege und Erhaltung der angestammten Religion ein so sehr gleichgültiger Gegenstand ist, dass er, bei vorhanden Mitteln, selbst in seiner nächsten Nähe Alles unterbleiben lässt, was für diese Pflege und Erhaltung unerlässlich ist, dem könnte, sollte man meinen, kaum viel daran gelegen sein, ob der zurückbleibende Erdenteil nach den Vorschriften der Religion zur Erde bestattet werde und hier neben den Leibern von Religionsgenossen modere oder nicht. Aber natürlich, dem toten Leib kostet sein Judentum kein Opfer, keine Entsagung mehr und man glaubt sich mit der letzten Anordnung als Jude begraben zu sein, auf die leichteste Weise mit dem Judentum abgefunden zu haben. Es ist doch wahr, dass vom Erhabenen bis zum Lächerlichen oft nur ein Schritt ist.   
Vor etwas 10 Jahren hatte sich die Gemeinde Weimar auch einmal mit einem Schochet versehen. Ein junger Mensch, welcher eine dortige Schule besuchte, wurde mit diesem Posten betraut. Nach Jahresfrist machte man aber die sonderbare Entdeckung, dass derselbe während dieser ganzen Zeit gar nicht geschächtet, sondern bloß das Fleisch des von dem Metzger getöteten Viehes mit dem Koscherzeichen versehen hatte. Natürlich wurde er seines Amtes entlassen, und da dieser erste Versuch          
Weimar Israelit 30051877b.jpg (435468 Byte)so schlecht ausgefallen war, wurde ein weiterer zur Beschaffung eines solchen Luxusartikels nicht mehr gemacht. Seit einigen Jahren wohnt indessen ein israelitischer Geschäftsmann dort, der die Befähigung zum Schächten hat und diese Funktion zu seinem Bedarf auch übt. 
Die obige Geschichte erinnert mich zugleich an eine andere, die vor vielen Jahren spielte. Ein getaufter Israelite schilderte einem ihm verwandten jüdischen Arzte seinen ganzen Lebenslauf in einem Briefe. Der betreffende Arzt las mir diesen Brief vor. In demselben erzählte nun der Schreiber... Nachfolgendes wird nicht abgeschrieben, da es nicht Weimar betrifft.   
Doch zurück zum Gegenstand meiner Berichterstattung. Das Großherzogtum Weimar hat außer Weimar, Eisenach und Stadtlengsfeld nur noch fünf Synagogengemeinden. In diesen letzteren hat sich, trotz jahrelanger gegenteiliger Einflüsse, das israelitisch-religiöse Leben und die orthodoxe Praxis in Kultus- und in Familienleben ungeschwächt erhalten, ja sich teilweise wo sie in Abnahme begriffen waren, zu neuer Lebenskraft erhoben..."       

     
  
Aus dem jüdischen Gemeindeleben und allgemeine Berichte 
Landrabbiner Dr. Wiesen legt in der Hofkirche in Weimar einen Kranz für die verstorbene Großherzogin nieder (1905)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Februar 1905: "Weimar, 2. Februar (1905). Anlässlich des Hinscheidens Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Großherzogin Karoline von Sachsen widmeten die israelitischen Gemeinden des Großherzogtums eine Kranzspende, bestehend aus Palmen und Blumen, welche durch den Großherzoglichen Landrabbiner Dr. Wiesen am Sarge der hohen Verewigten in der Hofkirche zu Weimar niederlegt wurde. Derselbe beteiligte sich sodann in der Gruppe der Geistlichkeit am Leichenzuge und wohnte der feierlichen Beisetzung in der Grabkapelle der Fürstengruft bei. Am letzten Samstag, den 28. vorigen Monats fanden in den Synagogen des Landes Trauergottesdienste statt."    

   
Im Landtag sitzen mehrere antisemitische Abgeordnete (1906)    
Anmerkung: gemeint ist wohl der Landtag des 1903 bis 1918 bestehenden Großherzogtums Sachsen mit der Hauptstadt Weimar.  

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. Dezember 1906: "Weimar. Der neu gewählte Landtag hat zwei antisemitische Abgeordnete: Oberlandesgerichtsrat von Richthofen und Gastwirt Stein".        
    
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21. Dezember 1906: "Weimar. Nachdem nunmehr die letzten Wahlen zum Landtage vollzogen sind, werden die Antisemiten, die bisher im Landtage unvertreten waren, mit vier Mann ihren Einzug halten. Es sind dies: Rittergutsbesitzer von Boyneburgk, Großgrundbesitzer Allmer, Oberlandesgerichtsrat von Richthofen und Gastwirt Stein."        

   
Kritische Artikel über die Politik von Minister Wilhelm Frick (1930)  
Anmerkung: Wilhelm Frick war in Thüringen seit Januar 1930 Staatsminister für Inneres und Volksbildung in einer Koalitionsregierung und somit der erste Minister der NSDAP zu Zeiten der Weimarer Republik. In der Zeitschrift "Der Israelit" wurde seine Politik kritisch verfolgt. Zu Wilhelm Frick siehe Wikipedia-Artikel "Wilhelm Frick".  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Mai 1930: "Weimar. Eine neue Bestimmung Fricks verbietet den Stadtverwaltungen, Gesuche 'fremdrassiger Ausländer' um Naturalisierung weiter zu empfehlen."   
 
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1930: "Weimar. Im Landtag begründete der nationalsozialistische Sprecher den Schächtverbotsantrag mit den Worten: 'Wenn dadurch die Juden unsere Kurorte meiden, dann hätten wir erreicht, was wir erreichen wollten.' Der Antrag wurde zurückgestellt."      
 
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juli 1930: "Weimar. Mit 25 gegen 22 Stimmen wurde im Landtage ein Misstrauensvotum gegen Frick angenommen. Von national-sozialistischer Seite wird aber erklärt, dass Frick garnicht daran denke, aus dieser Abstimmung die Konsequenzen zu ziehen, da die Verfassung für den Rücktritt eines Ministers mindestens die Hälfte der Stimmen aller Abgeordneten vorsieht. Moralische Bedenken gelten für diese Herren nicht."   

      
Das Schwanseebad ist für Juden geschlossen (1935)       

Artikel in "Der Israelit" vom 15. August 1935: "Neue Bädersperren für Juden.
Berlin, 12. August.  ... Im städtischen Freibad zu Bielefeld ist mit Verordnung des stellvertretenden Bürgermeisters den Juden der Zutritt verboten. Ebenso hat die Polizeiverwaltung in Bad Hönningen das Betreten des Thermalschwimmbades verboten. Mit sofortiger Wirkung wurde das Schwanseebad in Weimar für Juden geschlossen."   

    
     
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde 
     
Über den Juden Elkan von Weimar und sein patriotisches Verhalten in den Freiheitskriegen 1813-1815    
Anmerkung: gemeint ist wohl Israel Julius Elkan, der Sohn von Jakob Elkan. vgl. Wikipedia-Artikel über Israel Julius Elkan.  

Weimar AZJ 02101914.jpg (363939 Byte) Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Oktober 1914: 
"Bluttaufe (Anm. Aus 'Nord und Süd', Juli 1914). (Nach dem von Karl Kuhn in seinem Buch 'Aus dem alten Weimar' berichteten geschichtlichen Vorgang. Von Otto Franz Gensichen.  
   
Bei Leipzig war geschlagen die Schlacht, Die Sieger marschierten nach Frankreich hinein. 
Zerstoben war des Rheinbunds Macht, Auch Weimar konnte von ihr sich befrei'n. 
Abschüttelnd schnell den verhassten Bann, Tief zu den Waffen Karl August, 
Und todesmutig strömt heran, Wem deutsch noch schlug das Herz in der Brust.  

Doch Elkans Witwe, die Jüdin verbot Ihrem einzigen Sohn, in den Krieg zu ziehn: 
Den Juden kümmre nicht Deutschlands Not, Das doch nicht Vaterland für ihn, 
Nein, wo noch heut er ein Fremdling sei, Bedrückt und des Bürgerrechtes beraubt, 
Und trete der Sohn den Freiwilligen bei, Versage den Segen sie seinem Haupt!  

Ist deutsch nach Glauben und Stamm er auch nicht, Fühlt Elkan doch deutsch für das Volk und das Land, 
Wo den Juden es dennoch an Schutz nicht gebricht,  Und wo die Wiege der Kindheit ihm stand, 
Wo redlichen Reichtum sein Vater gehäuft, Dem Goethe im Lied 'Auf Miedings Tod' 
Durch den Vers 'Der tätige Elkan läuft Mit manchem Rest' die Unsterblichkeit bot.  
 
Für das Land, wo der Segen des Vaters das Haus  Dem Sohn erbaute, will dieser nun  
Beim nahenden, blutigen Waffenstrauß  In dankbarer Treue das Seine tun. 
Zieht morgen früh der Jünglinge Schar  Kampffreudig hinaus, steht er nicht zurück, 
Und bleibt er des Segens der Mutter aus bar, Wagt doch er für Deutschland sein Leben, sein Glück!  
 
In der engen Gasse, im kleinen Haus, Der Stadtkirche nah, drin Herder ruht, 
Sah heute es düster und traurig aus, Bei der Sabbatlichter schwelender Glut. 
Mahnt auch bei Thora und Talmud heiß  Die Mutter den Sohn an die Kindespflicht - 
Ehrfürchtig küsst er das Haupt ihr leis, Doch wankt er in seinem Vorsatz nicht.  
 
Auch hier bringt endlich den Schlaf die Nacht. Die Glocken der Stadtkirche läuten schon, 
Als Elkan spät vom Schlummer erwacht. Fest schläft die Mutter, Sanft küsst sie der Sohn. 
Er weiß in der Sippe fürsorglicher Hut. Sie sicher geboren. Stumm eilt er hinaus, 
Dorthin, wo sich mit Kampfesmut Die Freiwilligen sammeln vorm Gotteshaus. 
 
Er tritt zu ihnen.  Hand streckt sich um Hand Ihm jubelnd entgegen. Der letzte Rest 
Von Glaubens- und Rassenunterschied schwand, Die Waffenbrüderschaft knüpft sich fest. 
Mit der Christenjugend tritt Elkan auch  Im festlichen Zug vor den Hochaltar, 
Wo heut schon alles nach frommem Brauch  Zur Abendmahlsspende bereitet war.  

Kaum einen befremdet's, an diesem Ort  Den Juden zu sehn. Schon dröhnt der Choral, 
Und herein drängt das Volk noch immerfort, Bis die Gitter schließen der Kirche Portal, 
Um das die Menge sich draußen staut, Um durch die Stäbe hineinzuschaun  
Und an der Predigt, die feurig und laut  Der Priester beginnt, sich von fern zu erbaun.  

Inzwischen ist Elkans Mutter erwacht. Sie sieht sich allein, sie durchirrt das Haus... 
So hat er sich heimlich doch fortgemacht? Sie weint, sie jammert, sie stürmt hinaus, 
Sie drängt sich zu der Kirche Portal, Das Mutterauge erspäht den Sohn: 
Die Predigt endet; zum Abendmahl  Ergebt der Priester die Hostie schon.  

Nur die Freiwilligen ladet heut  Das heilige Sakrament hier ein, 
Und kniend Jüngling um Jüngling beut  Die Lippen dar für das Brot und den Wein. 
Nur der neuen Blutsbrüderschaft sich bewusst, Nach Segen lechzend, des Segens bar, 
Folgt Elkan wahllos Dem Drang seiner Brust Und bietet kniend die Lippen dar.  

Die Mutter gewahrt es. Das Herz steht ihr still  Vor Gram und schreckt. 
Wird jetzt sich nicht  Der Glaubenszwiespalt wiederum schrill Bekunden? Ist's nicht des Priesters Pflicht, 
Den Juden zurückzuweisen? Stutzt jetzt   Nicht auch die Gemeinde, und bebt und bangt  
Vor der Lösung? Sieht nicht auch der Priester zuletzt  Wer kniend das Sakrament verlangt?  

Doch der dort steht, wo Herder stand, Sein Nachfolger nicht nur in Amt und Haus, 
Nein auch im Geist, legt aus der Hand Die Hostie, breitet die Rechte aus  
Auf Elkan und spricht: 'So segne dich Der Gott deiner Väter Abraham, Isaak und Jakob!' - 
Wie Alpdruck entwich Von der lauschenden Mutter Schreck und Gram.  

Wie sie des Sohnes Beweggrund erriet, So fühlt sie: die anderen verstanden ihn auch, 
Und verwischt sei der Glaubensunterschied  Durch der großen Stunde versöhnenden Hauch; 
Fühlt auch: Gesegnet ward doch ihr Sohn  Im Namen Jehovas auch durch den Mund 
Des Christuspriesters! Statt Hass und Hohn Gibt rings nur Bruderliebe sich kund.  

Denn wer die bebende Jüdin erkannt,  Nickt hier warm leuchtenden Auges ihr zu, 
Drückt dort ihr stumm, doch innig die Hand, Und das zagende Mutterherz kommt zur Ruh. 
Als ob von Herders Gruft sein Wort 'Licht, Liebe, Leben!' verwirklicht ward,  
Verklingt in befreiendem Schlussakkord, Was anfangs in bangender Spannung erstarrt.    
Weimar AZJ 02101914a.jpg (125025 Byte) Vorbei ist das Hochamt, verstummt der Choral. Und Zunkel, der Priester, schreitet hervor  
Und führt durch das weit erschlossene Portal  Die Freiwilligen fort zum Erfurter Tor. 
Fern, seitwärts vom Priester, wandelt verzückt  Die greise Jüdin, blickt bald zu ihm, 
Bald zu dem Sohn und lächelt beglückt, Als lausche sie Liedern der Seraphim.  

Das Tor ist erreicht. Noch einmal erhebt. Zum Abschiedssegen Zunkel die Hand, 
Im Kuss der letzten Umarmung erbebt Noch einmal, wer miteinander verwandt. 
Stumm sinkt vor der Mutter Elkan ins Knie, Sie herzt ihn und jauchzt mit begeistertem Sinn: 
'Zieh hin mit dem Segen Jehovas! Doch zieh' Auch mit dem Segen der Mutter dahin!'  

Von dannen eilt der Freiwilligen Schar, Die Ihren kehren nach Hause zurück, 
In Sorgen die meisten. Nur eine war  Verklärt wie von überirdischem Glück: 
Die Mutter Elkans. Von allem Gram  Und allem Zweifel ist jetzt sie quitt, 
Und groß und ruhig wie Abraham, Als er zur Opferung Isaaks schritt.  

Die Monde verstrichen. Durchs Erfurter Tor  Kehrt siegreich zurück der Freiwilligen Schar, 
Laut jauchzend stürzt sich Elkan hervor  Und küsst der Mutter schneeiges Haar. 
Sie staunt nicht, sie hat es gläubig gewusst, Er werde kommen! Zum heimischen Herd  
Führt sie ihn und zeigt ihm mit schwellender Brust, Wie treu sie seinen Wohlstand gemehrt.   

Der Segen blieb ihm. Und treu blieb er  Dem Glauben der Väter, Bluttaufe empfing  
Auch er mit den Deutschen - was braucht es mehr? 
Geehrt und geachtet bei hoch und gering  Blieb er und die Mutter. Bevor sie verschied, Umarmte mit Zunkels Segenswort 
Sie den Sohn, und er küsste vom Augenlid  Die letzten brechenden Blicke ihr fort.  

Hoch kam er zu Jahren, Vorsteher ward Er seiner Glaubensgenossen. Doch fromm 
Hat oft er zur Stadtkirche sinnend gestarrt, Wo einst ihm das Licht des Segens erglomm, 
Wo Herder und Zunkel gepredigt - der Ort  Blieb ihm auf immer heilig geweiht, 
Und er betete: Wirke das Herderwort  Licht, Liebe, Leben! in Ewigkeit!"    

    
Der Schriftsteller Johann August Oppenheim nennt sich nun Hans Olden (1894)  
Anmerkung: vgl. Wikipedia-Artikel "Hans Olden (Schriftsteller)"    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Februar 1894: "Dem Schriftsteller Johann August Oppenheim in Weimar, der bisher den Schriftstellernamen Hans Olden führte, ist, wie die 'Weimarer Zeitung' amtlich meldet, 'höchster Entschließung zufolge', gestattet worden, diesen jetzt als Familiennamen zu führen."          

 
70. Geburtstag des Großherzoglichen Generalmusikdirektors Dr. Eduard Lassen (1900)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Mai 1900: "Weimar, 2. Mai (1900). Der siebzigste Geburtstag unseres Glaubensgenossen, der Großherzoglichen Generalmusikdirektors Dr. Eduard Lassen, gab in hiesiger Stadt zu seltenen Ehrungen des greisen Tondichters Anlass. Im Hoftheater fand ein Festkonzert statt, in dem die Kammersänger Karl Scheidemantel und Hans Gießen aus Dresden, die früher der Weimarer Bühne angehörten, mitwirkten. Sämtliche Kompositionen, die zum Vortrage gelangten, stammten von Lassen. Aus dem überfüllten Hause, in dem sich auch der Großherzog befand, wurden dem Jubilar freundliche Kundgebungen zuteil, für die er schließlich von der Bühne herab in herzlichen Worten dankte. Im Hoftheater wird eine bronzene Büste Lassens Aufstellung finden, die von Freunden und Kunstgenossen des Tondichters gewidmet ist. Der Großherzog hat den Jubilar durch Verleihung des Komturkreuzes des Großherzoglichen Falkenordens ausgezeichnet, die Erbgroßherzogin sandte ein wertvolles Festgeschenk. Der Gemeinderat der Stadt hat in Würdigung der Verdienste Lassens um das musikalische Leben Weimars einer neuen Straße den Namen Lassenstraße beigelegt. Lassen, welcher in Kopenhagen geboren ist, kam 1858 als Hofmusikdirektor nach Weimer und trat 1861 als Hofkapellmeister an die Stelle Franz Liszts."   

  
Zum Tod der Bankierswitwe Cäcilie Callmann geb. Hirschberg (1898)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. März 1898: "Weimar, 27. Februar (1898). Am 17. dieses Monats verstarb Frau Witwe Bankier Cäcilie Callmann geb. Hirschberg. Als Tochter eines Buchhändlers in Bromberg 1824 geboren, heiratete sie im Jahre 1847 den 1869 verstorbenen Bankier August Callmann. Schon im Kriegsjahre 1866 hat sie sich als echte Patriotin ausgezeichnet und ganze Kompanien preußischer Landwehr, welche am Ettersberg um Weimar auf Vorposten lagen, aus eigenen Mitteln mit Nahrung etc. versorgt. Eine größere Tätigkeit entfaltete sie in den Kriegsjahren 1870/71. Ihr Haus am Markt bildete eine große freiwillige Arbeitsstätte für Verbandartikel und Unterzeug der Truppen im Felde. Aus allen Straßen der Stadt kamen die Damen, alt und jung, herbei, zu helfen und unter ihrer Anordnung zu arbeiten. Viele Nähmaschinen gingen Tag und Nacht und im kleinen Garten saßen Kinder, Charpie zu zupfen. Wer etwas übrig hatte, brachte es zu Frau Callmann, dort wurde alles noch verarbeitet, alles für die Braven im Gelde hergerichtet, und allwöchentlich gingen viele große Kosten fertiger Waren an das Bezirkskommando zur Weiterbeförderung in Feindesland. Das waren die Taten, mit denen die biedere Frau an die Öffentlichkeit trat. Ihrem Rufe folgten gern Weimars Bürgerinnen zu neuer Arbeit. Gar manche Träne verschämter Armen linderte sie im Stillen, keine Bitte ging unerhört an ihrem Ohre vorüber. Neben reichen Auszeichnungen vom verstorbenen Kaiser Wilhelm und der Kaiserin Augusta, von unserem Großherzog und der hochseligen Frau Großherzogin, auf welche sie in den letzten Tagen mit großer Freude zurückblickte - ihr Schulter zierte das Eiserne Kreuz für frauen und Jungfrauen, der großherzoglich sächsische Verdienst-Orden für ruhmreiche Tätigkeit im Kriege und die Kriegsmedaille von 1870/71 -, ist ihr auch mancher schwere Schicksalsschlag nicht erspart geblieben. Ein langes Leiden erlöste ihr irdisches Sein im 74. Lebensjahre. Die Beerdigung hat am 18. dieses Monats stattgefunden. Die edle Frau wollte laut letztwilliger Bestimmung in aller Stille zur Ruhe gebettet werden, darum wurde weder Tag noch Stunde der Bestattung bekannt gegeben; dennoch haben die Weimarer sich zahlreich zur Trauerfeier eingefunden. Die Leichenrede wurde auf Wunsch der Familie von Herrn Rabbiner Dr. Salzberger gehalten. Da es in Weimar sehr wenig Glaubensgenossen gibt, so bestand der Trauerzug fast nur aus Christen."    

   
Das Bankhaus Julius Elkan schließt (1905)      

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Dezember 1905: "Weimar. Am künftigen 1. Januar (1906) wird das hiesige Bankhaus Julius Elkan seine über mehr als fünf Menschenalter ausgedehnte Tätigkeit beschließen, indem es an die 'Magdeburger Privatbank' übergeht und sein Chef, Dr. Moritz, sich ins Privatleben zurückzieht. Mit dem Hause Elkan verknüpfen sich manche Erinnerungen an die klassische Zeit Weimars. Hingewiesen sei nur auf Goethes Verse auf 'Miedings Tod' (1789): 'Der tätige Elkan läuft mit manchem Rest, Und diese Gährung deutet auf ein Fest.' J. Elkan war bekanntlich der 'Hofjude', mit dem auch Goethe in geschäftlicher Verbindung stand. Er war lange Zeit der einzige Jude, der in Weimar lebte."   

      
Zum Tod von Samuel Lublinski in Weimar (1911)  
Anmerkung: Samuel Lublinski (1868-1910) war ein vor allem in Berlin wirkender jüdischer Schriftsteller, Literarhistoriker, Kritiker und Religionsphilosoph; vgl. den Wikipedia-Artikel Samuel Lublinski. Lublinski lebte die letzten Jahre seines Lebens in Weimar.       

Weimar AZJ 03031911.jpg (117168 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung 
des Judentums" 
vom 3. März 1911:  
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Anzeigen von jüdischen Privatpersonen und Gewerbebetrieben  
   
Anzeige der Tuch- und Modewarenhandlung J. Peiser (1873)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Juni 1873: "Für meine Tuch- und Modewarenhandlung suche unter günstigen Bedingungen einen Lehrling mit nötiger Schulbildung zum baldigen Antritt. 
Weimar
, Mai 1873. J. Peiser".          

       
Nach der Emigration: Verlobungsanzeige von Margot Sonder und Harry K. Gutman (1944)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 10. März 1944: 
"Margot Sonder - Harry L. Gutman   
Engaged  Purim 5704.  
545 W. 162nd Sa.   717 W. 177th St.   New York City   
(formerly Munich)  (formerly Weimar)"   

       
       
  
   
  
Zur Geschichte des Betraumes           
   
1805 richtete Jacob Elkan in seinem Privathaus eine Synagoge (Betsaal) ein. Bis zu seinem Tod fanden in dieser Privatsynagoge die Gottesdienste der jüdischen Familien in Weimar statt.   
  
Eine Synagoge wurde im 19./20. Jahrhundert in Weimar nicht gebaut. Das religiöse Leben fand überwiegend nur privat in den Familien statt. Zu gottesdienstlichen Feiern an den Festtagen wurden Räume - meist in Hotels - angemietet.   
    
    
Adresse/Standort des Betraumes         Betsaal von Jacob Elkan in dem bis heute erhaltenen Haus in der Windischenstraße 25 (über der geschmückten Eingangstür des Gebäudes finden sich die ineinander verschlungenen Initiale "J.E." für Jacob Elkan). 
  
  
Fotos   
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 29.6.2011)    

 Haus des Jacob Elkan    
An den früheren Hausbesitzer Jacob Elkan erinnert bis heute die Initiale "J.E." über der geschmückten Eingangstüre
     

  
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

2018: Die Viehauktionshalle soll Erinnerungsort an das Schicksal der deportierten Thüringer Juden werden  
Zur Geschichte der Viehauktionshalle: https://de.wikipedia.org/wiki/Viehauktionshalle_Weimar    http://www.weimar-im-ns.de/ort14.php       
Die Viehauktionshalle wurde Ende der 1930er Jahre in der Nähe des Weimarer Hauptbahnhofes errichtet. Ab Mai 1942 wurde die Halle genutzt, um Juden aus ganz Thüringen zusammenzutreiben und über den nahe gelegenen Bahnhof zu deportieren. Daher galt sie als Symbol der Judenverfolgung in Thüringen. Im weiteren Verlauf des Krieges wurde auf dem Gelände der Halle ein Material- und Gerätedepot der Wehrmacht eingerichtet, in dem auch Häftlinge des KZ Buchenwald als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. In der Nacht zum 22. April 2015 brannte die Halle auf Grund einer vorsätzlichen Brandstiftung durch drei Jugendliche nieder. In der Folgezeit sprachen sich Vertreter der Erinnerungsstätte J.A. Topf & Söhne und der Gedenkstätte Buchenwald für den Erhalt von Teilen der Halle als Gedenkstätte aus, um einen Erinnerungsort an das Schicksal der deportierten Thüringer Juden zu schaffen.  
    
Artikel in der "Thüringer Allgemeinen" vom 16. Februar 2018: "Vogt auch in Weimar Nord. Umfeldplaner vom Bauhausmuseum gewinnen Wettbewerb für Gedenkort
Weimar. Die Vogt Landschaft GmbH Berlin soll den Gedenkort Viehauktionshalle nach einem Entwurf von Lars Müller gestalten. Eine Jury erkannte dem mit dem Umfeld des Bauhausmuseums beauftragten Büro den 1. Preis zu. Der Siegerentwurf sieht einen Volkspark aus Zitterpappeln mit vier markanten Elementen vor: einem herausgehobenen Einzelbaum mit Rundbank, dem Rest der Hallenruine, der zugleich eine Ecke einer Lichtung von der Größe der Viehauktionshalle markiert, sowie einem runden Brunnentisch, dessen Edelstahlabdeckung alle Namen der 877 aus Weimar deportierten Juden aufführt.
Mit der Zerstörung der Viehauktionshalle durch eine Brandstiftung im Jahr 2015 war eine Gestaltung für diesen Bereich erforderlich geworden. Freistaat und Stadt lobten einen Realisierungswettbewerb für den Gedenkort aus. Er soll an die Deportation von 877 Thüringer Juden aus Weimar im Jahre 1942 erinnern. Mit der Gestaltung des Areals wollen die Stadt und der Freistaat dazu beitragen, dass die Opfer von Deportationen und Gräueltaten der nationalsozialistischen Ära nicht in Vergessenheit geraten..."  
Link zum Artikel      
 
November 2018:Führung zu den "Stolpersteinen" mit Putzaktion 
Artikel in der "Thüringer Allgemeinen" vom 7. November 2018: "Weimar. Seit 2007 werden auf Initiative des Vereins Lernort Weimar in der Stadt Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an Bürgerinnen und Bürger, die im Nationalsozialismus verfolgt und/oder ermordet wurden. Am Donnerstag, 8. November, werden zwei Führungen zu einigen Stolpersteinen angeboten, um an die Lebenswege der Menschen zu erinnern, für die die Steine verlegt wurden. Dabei soll es nach Angaben des Vereins vor allem um jene gehen, die von den Novemberpogromen 1938 direkt betroffen waren. Während der Führung werden die Stolpersteine gereinigt und der Opfer gedacht..."  
Link zum Artikel
 
Oktober/November 2019: Ausstellung zu "Stolpersteinen" - im November werden zwölf weitere Stolpersteine verlegt        
Artikel in der "Thüringer Allgemeinen" vom 18. Oktober 2019: "Ausstellung zu Stolpersteinen beleuchtet Weimarer Schicksale. 
Weimar
Verein Lernort Weimar stellt Biografien im Hauptbahnhof aus. Im November werden zwölf weitere Stolpersteine verlegt
Mit einer Ausstellung bringt der Verein Lernort Weimar einen Teil der bisher in der Stadt verlegten Stolpersteine ab dem Wochenende im Hauptbahnhof zusammen. Die Ausstellung 'Stolpersteine in Weimar' berichtet von den Lebenswegen einiger Menschen, für die in Weimar seit dem Jahr 2008 Stolpersteine verlegt worden sind. Die Biografien von Kurt Nehrling, Jenny Fleischer-Alt, den Familien Appel, Ortweiler und Berlowitz und anderen geben Auskunft über Weimarer Bürgerinnen und Bürger, die aus der nationalsozialistischen 'Volksgemeinschaft' ausgeschlossen, entrechtet und verfolgt worden sind.
Die Ausstellung ist Teil des Projekts 'Demokratie braucht Erinnerung', das der Verein Lernort Weimar in diesem Jahr ins Leben gerufen hat. Im Rahmen des Projekts bietet der Verein kostenfreie Rundgänge zu Weimarer Stolpersteinen an und arbeitet mit Schülerinnen und Schülern zur lokalen Geschichte von Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung im Nationalsozialismus. Auch die Recherche zu weiteren Biographien und die Publikation der Ergebnisse im Internet ist Teil des Vorhabens 'Demokratie braucht Erinnerung'.
Seit 1995 verlegt der Künstler Gunter Demnig weltweit Steine mit einer Messingplatte im Pflaster europäischer Orte. Sie sollen den routinierten Gang der Passanten aus dem Takt bringen, sie gedanklich stolpern lassen, erinnerte der Verein Lernort Weimar. In der Stadt wurden bisher 34 Steine für Menschen verlegt, die in Weimar lebten, die jüdischen oder christlichen Glaubens oder nicht religiös waren, die politisch desinteressiert, deutschkonservativ, sozialdemokratisch engagiert oder kommunistisch orientiert waren, die kleine und große Geschäfte betrieben, die noch zur Schule gingen und im Garten spielten, ehe sie beispielsweise deportiert, ermordet oder in den Freitod getrieben worden sind. Der erste Weimarer Stolperstein erinnert seit 2007 in der Marienstraße an den Cellisten Eduard Rosé. Am 3. November dieses Jahres werden schließlich zwölf weitere Stolpersteine in Weimar verlegt.
'Stolpersteine in Weimar' enthält neben Biografien auch Schriftstücke wie ein Schreiben, des Weimarer Bürgermeisters mit der Anregung, allen städtischen Angestellten zu untersagen, mit ihrer Kaufkraft jüdische Bürger zu unterstützen.
Ausstellung: Vernissage Sonntag, 20. Oktober, 15 Uhr; bis 17. November; Hauptbahnhof Weimar; www.lernort-weimar.de/stolpersteine."
Link zum Artikel   
 
Artikel von Christiane Weber in der "Thüringer Allgemeinen" vom 4. November 2019: "Stolpersteine in Weimar als Bausteine der Erinnerungskultur.
Weimar Gedenkprojekt von Gunter Demnig wächst in der Stadt. Zwölf weitere Gedenksteine an fünf Orten treten gegen das Vergessen an

Mit gleich zwölf weiteren Stolpersteinen ist Gunter Demnigs Projekt der Erinnerung in Weimar am Sonntag auf derzeit insgesamt 46 Gedenksteine an 21 Standorten angewachsen. 'Wenn Stolpersteine verlegt werden, ist das im Kontext von damals und heute zu sehen', unterstrich Bürgermeister Ralf Kirsten an der Ernst-Kohl-Straße 27. Dort erinnern zwei neue Steine an Elfriede Leopold und Helene Lieselotte Rothschild, geb. Leopold. 'Wir dürfen nicht nachlässig werden in unserer Erinnerungsarbeit', warnte Kirsten auch mit Blick auf das Ergebnis der Landtagswahl vor einer Woche. Die Historikerin und Pädagogin Katja Demnig übernahm die Verlegung in Weimar, da ihr Mann Gunter Demnig selbst ebenfalls im Rahmen seines NS-Gedenkprojektes gefordert war. '2007 haben wir in Weimar den ersten Stolperstein für Eduard Rosé verlegt', erinnerte Jonny Thimm vom Verein 'Lernort Weimar', der das Projekt im Rahmen des durch den 'Lokalen Aktionsplan der Stadt Weimar' geförderten Projekts 'Demokratie braucht Erinnerung – Biografiearbeit zu Verfolgten des Nationalsozialismus in Weimar' koordiniert. Er dankte auch den Patinnen und Paten der Stolpersteine, welche die einzelnen Steine finanzieren, pflegen und den Verein bei der Recherche zu den Biografien unterstützen. Herzliche Dankesworte richtete er auch an Stefan Schilonka, Jakob Hausmann, Florian Henkel und Alexander Martin, die in ihrer Seminarfacharbeit am Schiller-Gymnasium das Projekt 'Stolpersteine – Bausteine deutscher Erinnerungskultur' thematisiert und Biografien in Erinnerung gerufen haben. Stolpersteine wurden am Sonntag auch in der Thälmann-Straße 41 für die Familie Eisenbruch, in der Paul-Schneider-Straße 4 für Familie Eisenbronner, in der Paul-Schneider-Straße 44 für Sonja Bromberg und in der Schillerstraße 17 für Edith Berlowitz verlegt. 'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist', heißt es im Talmud. Gegen dieses Vergessen gibt es die 'Stolpersteine'."  

      
       

Links und Literatur

Links:  

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Website der Stadt Weimar  

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Zur Seite über den jüdischen Friedhof in Weimar (interner Link)  

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Website www.lernort-weimar.de mit Unterseite www.lernort-weimar.de/stolpersteine    

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 869-870; III,2 S. 1562-1563.  
bulletEva Schmidt: Jüdische Familien im Weimar der Klassik und Nachklassik und ihr Friedhof. In: Weimarer Schriften Heft 8/1984 und Heft 48/1993. 
bulletErika Müller / Harry Stein: Jüdische Familien in Weimar. Vom 19. Jahrhundert bis 1945. Ihre Verfolgung und Vernichtung. In: Weimarer Schriften. Heft 55/1998.
bulletIsrael Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de) 2007. Zum Download der Dokumentation (interner Link). Zu Weimar S. 264-269. 
bulletZeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Berlin 1992. S. 290-291.     
bulletHeimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt 2003. S.  329-331.   

       
        


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Weimar  Thuringia. The first mention of Jews in Weimar dates back to the beginning of the 14th century. They were probably expelled from the city in the course of the Black Death persecutions (1348-49), but returned before the end of the century. The modern Jewish community begins with the settlement of the Courth Jew Jacob Elkan and his son Julius Elkan, the founder of a famous banking house. In 1878, there were 22 Jewish taxpayers of family heards in Weimar. By 1925 there were 105 Jews in Weimar and 91 in 1933 at the outset of Nazi rule. The fact that approximately 30 % were married to non-Jews helped to protect them to some extent from anti-Jewish measueres and possible may account for the disproportionately large number of survivors in Weimar. On Kristallnacht (9-10 November 1938), 12.500 Jews from all over Germany were brought to the newly erected Buchenwald concentration camp on the outskirts of Weimar. The Jews who still remained in Weimar after July 1941 were forced to vacate their apartments and crowded into a few 'Jewish houses'. In 1942, alle were deported.   
    
      

                    
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Stand: 30. Juni 2020