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Weimar (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Weimar lebten Juden bereits im Mittelalter. Erstmals
werden jüdische Bewohner Anfang des 14. Jahrhunderts genannt. In den Jahren
nach 1323 lebte eine jüdische Frau Guta aus Weimar in Erfurt. Unter den
Würzburger Juden, die 1327 Erzbischof Mathias von Mainz eine größere Summe
liehen, wird Abraham von Weimar genannt. Dieser war Hausbesitzer in Würzburg.
1338 werden Moses von Weimar und sein Sohn Joseph in Eckartsberga genannt. Von
der Judenverfolgung in der Pestzeit 1348/49 waren vermutlich auch die
Juden Weimars betroffen. Danach wird nach einer allerdings unsicheren Quelle
erst 1379 wieder ein Weimarer Jude genannt. Eine sichere Erwähnung liegt von
1390 vor. 1418 gab es in der Stadt acht erwachsene erwerbstätige Juden (sechs
Männer, zwei Frauen in sechs Familien). Sie lebten vom Geldhandel. Auch ein
Rabbiner Isag mit einem Schüler wird in der Stadt genannt. Juden aus
Weimar lassen sich auch in anderen Orten nachweisen (u.a. in Erfurt 1393 und 1398, in
Hildesheim 1395). Über eine Vertreibung der Weimarer Juden am Ende des
Mittelalters ist nichts bekannt.
Nach 1529 lebte in der Stadt der im Dienst des Kurfürsten von Sachsen
stehende Arzt Moses Staffelsteiner (gest. vermutlich 1554).
Eine neue Gemeinde bildete sich in Weimar erst wieder im 19. Jahrhundert. Ihre Entstehung geht in die Zeit des
18. Jahrhunderts
zurück. 1770 ernannte Herzogin Anna Amalia den Juden Jacob Elkan (aus Schwanfeld,
1742-1805) zum Hofjuden im Fürstentum Weimar. Ihm folgten in den kommenden
Jahren weitere jüdische Personen / Familien nach, sodass 1789 drei
jüdische Familien in Weimar lebten: die des Jacob Elkan, des Jacob Löser und
des Gabriel Ulmann. Gabriel Ulmann (1743-1816) belieferte als
"Großherzoglicher Hofcommisair und Banquier" zusammen mit Jacob Elkan
und dessen Schwager Jacob Löser (1753-1818) die herzliche Münze in Eisenach
mit Silber. Auch Jacob Elkans Sohn, Israel Julius Elkan war als Bankier für den
Weimarer Hof tätig, darunter auch für Staatsminister Johann Wolfgang von
Goethe. Das "Bankhaus Julius Elkan" bestand bis 1905 und wurde danach
von der "Magdeburger Privatbank" übernommen (siehe Pressebericht
unten).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
in Weimar wie
folgt: Anfang des 19. Jahrhunderts drei jüdische Familien, 1818 36 jüdische
Einwohner, 1843 30, 1878 22 jüdische Familien, 1880 80 jüdische Einwohner,
1895 84, 1905 etwa 100. Unter den Weimarer jüdischen Einwohnern gab es einige
Personen, die im kulturellen Leben der Stadt eine besondere Rolle spielten (als
Kapellmeister, Hofopernsänger, Hofschauspielerin). Es gab auch jüdische Ärzte
und Juristen, Fabrikanten und - wie zu Familie Elkan genannt - Bankiers.
An Einrichtungen bestand einige Zeit ein Betraum (s.u.), zeitweise
(jedoch erst in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg) eine Religionsschule sowie ein
überwiegend privat genutzter jüdischer Friedhof
(Privatfriedhof von Jacob Elkans Familie, unmittelbar daneben Privatfriedhof von
Gabriel Ulmanns Familie). Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der jüdischen Familien war zu keiner Zeit im 19./20.
Jahrhundert ein Lehrer angestellt. Aus dem Bericht von
1877 (siehe unten) ist allerdings zu entnehmen, dass damals die jüdischen
Kinder der Gemeinde vor ihrer "Konfirmation" (Bar Mizwa, Bat Mizwa)
Unterricht durch einen auswärtigen jüdischen Lehrer erhielten. Die jüdische
Gemeinschaft der Stadt gehörte zum Landesrabbinat Sachsen-Weimar-Eisenbach mit Sitz in
Stadtlengsfeld, ab 1912 in Eisenach.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde: Offz.St. Hans
Salomon (geb. 25.3.1893 in Dessau, gest. an der Kriegsverletzung am 5.6.1919).
Außerdem ist gefallen: Unteroffizier Erich Michelsohn (geb. 17.2.1897 in
Weimar, vor 1914 in Hannover wohnhaft, gef.
9.5.1915).
Um 1924, als zur Gemeinde (gemeint der 1903 gegründete "Jüdische Religions-Verein",
dem jedoch nur ein Teil der jüdischen Einwohner der Stadt angehörte; die
Bildung einer autonomen Synagogengemeinde in Weimar scheiterte mehrfach)
etwa 25 Personen gehörten, war Gemeindevorsteher S. Kauffmann (Schillerstraße
2). Insgesamt lebten 1925 etwa 105 jüdische Personen in der Stadt.
Bis Anfang der 1930er-Jahre gab es mehrere kleine jüdische Geschäfte im
Handels- und Dienstleistungsbereich, dazu gab es ein Kaufhaus von "Bermann
Tiertz" am Markt sowie von "Sachs & Berlowitz" in der Schillerstrasse.
1933 lebten 91 jüdische Personen in der Stadt. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Der Opernsänger Emil
Fischer erhielt am Deutschen Nationaltheater Auftrittsverbot. Drei Künstler und
eine Lehrerin wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft entlassen. 1935
wurden an den Zufahrtsstraßen und an Hotels der Stadt Schilder mit der
Aufschrift "Juden nicht erwünscht" angebracht. Schon vor 1938 wurden
fast alle jüdischen Geschäfte und Gewerbebetriebe gezwungenermaßen
aufgegeben, darunter das Kaufhaus Sachs & Berlowitz. Das letzte jüdische Geschäft
(Schreibwaren- und Puppenladen Hetemann in der Teichgasse) wurde beim
Novemberpogrom 1938 verwüstet. Im Zusammenhang mit dem Pogrom wurden zwölf
jüdische Männer in das KZ Buchenwald verschleppt. Ernst Bendix überlebte die
Lagerzeit nicht; nach der Entlassung starb der Chemiker Hans Salomon an Suizid.
Die jüdischen Einwohner (1939 noch elf Familien) wurden bei Kriegsbeginn
zwangsweise in "Judenhäusern" einquartiert (u.a. Belvederer Allee 6
und Brühl 6; an letzterem Haus ist 1995 eine Gedenktafel angebracht worden). Mehrere der jüdischen Einwohner starben an Suizid. Von 1942 bis
Januar 1945 wurden die letzten jüdischen Einwohner deportiert - Sammellager
für die Deportation waren die Reithalle im Marstall und der Güterbahnhof in
der Ettersburger Straße.
Die ehemalige, 2015 durch Brandstiftung zerstörte Viehauktionshalle in
der Nähe des Bahnhofes war Sammelort bei der Deportation der Thüringer
Juden ab 1942. 877 jüdische Menschen wurden von hier aus deportiert (vgl.
unten bei Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte).
Von den in Weimar geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Gerda Abraham geb.
Benjamin (1910), Günter Appel (1924), Jakob Appel (1885), Susanne Appel geb.
Ortweiler (1894), Ernst Bendix (1895), Sonja Bromberg (1886), Meta Bibo (1877),
Nathan Cahn (1872), Else Carillon geb. Kaufmann (1889), Emanuel Eisenbruch
(1870), Ruth Eisenbruch (1927), Charlotte Vera Feldstein geb. Rosenthal (1906),
Ella Fischer geb. Oppenheimer (1889), Emil Fischer (1880), Wolf Fischer (1926),
Käthe Friedlaender (1887), Edith Gál (1888), Ilka Gál geb. Alt (), Ruth Glücksmann geb. Gutmann
(1914), Emmy Göttinger geb. Rosenfeld (1885), Melanie Gottschalk geb. Peiser
(1870), Fritz Gutmann (1906), Erika Haase (1936), Hedwig Hetemann geb. Markus
(1866), Martha Kahn (1885), Selma Kahn (1881), Ida Katz geb. Frankenstein
(1882), Jacob Katzenstein (1878), Selma Katzenstein geb. Freudenthal (1881),
Karin Keins (1934), Hedwig Lasch geb. Davidson (1879), Elfriede Leopold geb.
Lewkowitz (1887), Ludwig Leopold (), Therese (Rosa) Marchand geb. Strauss
(1858), Siegmund Oskar Mayer (1885), Paul Moosbach (1861), Friedrich Nathan
(1888), Lucy Ortlepp geb. Bock (1883), Albert Ortweiler (1855), Lina Ortweiler geb. Ledermann (1866),
Eduard Rosé geb. Rosenblum (1859), Max Salomon (), Rosa Schmidt geb. Grill-Freimann (1882),
Ruth Stern (1934), Johanna Straubing geb. Hetemann (1886), Hedwig Thate geb.
Baumann (1873), David Tultschinsky (1891), Ludwig Waelder (1888), Bertha Wallach
geb. Schönbeck (1880), Albert Wallhausen (1899), Herbert Wolff (1914), Jakob
Wolff (1910), Martin Wolff (1894).
Hinweis:
Seit Mai 2007 (2. Verlegung am 7. Mai 2008) erinnern in Weimar auch "Stolpersteine"
an einige der in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Personen: in der
Belvederer Allee 6 für Jenny Fleischer-Alt geb. Alt, Edith Gál und Ilka
Gál geb. Alt; in der Brennerstraße 42 für Rosa Schmidt geb.
Grill-Freimann; in der Brühl 6 für Günter Appel, Jakob Appel und
Susanna Appel geb. Ortweiler sowie für Albert Ortweiler und Lina
Ortweiler geb. Ledermann; in der Carl-von-Ossietzky-Straße 18 für
Richard Kohlmann; in der Marienstraße 16 für Eduard Rosé geb. Rosenblum;
in der Wielandstraße 2 für Bertha Kahn, Martha Kahn und Selma Kahn.
Foto links (Hahn, Aufnahme vom 13.5.2013): "Stolperstein"
für Eduard Rosé geb. Rosenblum in der Marienstraße 16. |
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Gemeindebeschreibung
(1877)
Anmerkung: der in der konservativ-orthodoxen Zeitschrift
"Der Israelit" erschienene Bericht ist außerordentlich kritisch
gegenüber dem damals offenbar nicht gerade regen jüdischen Gemeindeleben in
Weimar geschrieben.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Mai 1877: nach
einigen einleitenden Bemerkungen zur Neuerungen in der jüdischen Gemeinde
Eisenach: "Wenden wir uns aber von hier nach der
Landeshauptstadt, nach Weimar, um zu erfahren, wie es alldort mit
dem jüdisch-religiösen Gemeindeleben beschaffen ist: was nehmen wir da
wahr? Wenn ich es ein Tauhu wowauho (sc. Tohu wabohu = Chaos)
nennen könnte, so wäre das zwar schlimm; aber es läge dennoch etwas
Tröstliches darin; denn aus einem Tauhu wowauhu ist ja einst eine Welt
hervorgegangen, welcher der erhabene Schöpfer das Zeugnis geben konnte,
dass sie zweckentsprechend gut sei. Aber hier ist nicht einmal dieses
vorhanden. Hier blickt man in eine untröstliche Leere. Hier existiert,
was eigentlich die Abwesenheit einer jeden Existenz bedeutet: das leere
Nichts! In Weimar wohnen 12-15 israelitische Familien, respektive
selbständiger Israeliten, welche zu den bestbesteuerten Israeliten des
Landes gehören. Erkundigt sich nun der Besucher Weimars, wo in dieser
Stadt, in welcher einst ein Herder gelebt, und in seinen Schriften den
Geist der gebildeten Welt auf den, nur in der Ursprache recht zu
würdigenden unübertrefflichen, ja bis jetzt unerreichten Gehalt der
poetischen Bücher des alten Testaments aufmerksam gemacht hat, die Schule
befindlich ist, in welcher die, in den alttestamentlichen Schriften
verkündete israelitische Religion den israelitischen Kindern gelehrt und
diesen der hochheilige Inhalt dieser alttestamentlichen Bücher, wenn auch
nur teilweise, in der Ursprache zugänglich gemacht wird, damit sie lebenslänglich
aus diesem nimmer versiegenden Quelle der Wahrheit ihren Geist und ihr
Gemüt zu laben und zu stärken im Stande seien, so kann man ihm am Besten
nur mit dem echtthüringischen Ausdrucke antworten: 'Ist nicht!' Und die
Synagoge oder doch wenigstens ein anderes entsprechendes Betlokal? 'Ist
nicht!' Dass auf die Frage nach irgendeiner anderen jüdisch-religiösen
Anstalt keine andere Antwort erfolgen kann, versteht sich nach Obigem von
selbst. Und das ist nicht bloß jetzt so, sondern ist nie anders dort
gewesen. Der ganze Religionsunterricht der betreffenden Kinder beschränkt
sich auf die, von irgendeinem auswärtigen Lehrer jeweilig auf eine kurze
Zeit besorgte Vorbereitung zu der gesetzlich vorgeschriebenen (?)
Konfirmation. Wie wenig ein solcher, wie eine Badekur nur auf eine Saison
berechneter Unterricht nachhaltig auf Geist und Gemüt zu wirken vermag,
ist leicht begreiflich! Wenn nun von allen diesen Anstalten nichts
vorhanden ist, was ist denn aber eigentlich vorhanden, worin das jüdische
Gemeindeleben sich bekundet? Für das Leben nichts, mein lieber Leser,
aber für den Tod! Das einzige, was daran erinnert, dass Israeliten in
Weimar wohnen, ist ein jüdischer
Totenhof! Das Verlangen, auch im Begräbnis mit denen vereint zu sein, mit
welchem man im Leben und in der religiösen Übung vereint gewesen, ist
dem menschlichen Gemüte so natürlich, dass es sündhaft wäre, demselben
nicht Rechnung zu tragen. Aber die Religion ist nur für die Lebenden und
für das Leben! Wenn daher im Leben, in seinem ganzen Leben, die Pflege
und Erhaltung der angestammten Religion ein so sehr gleichgültiger
Gegenstand ist, dass er, bei vorhanden Mitteln, selbst in seiner nächsten
Nähe Alles unterbleiben lässt, was für diese Pflege und Erhaltung
unerlässlich ist, dem könnte, sollte man meinen, kaum viel daran gelegen
sein, ob der zurückbleibende Erdenteil nach den Vorschriften der Religion
zur Erde bestattet werde und hier neben den Leibern von Religionsgenossen
modere oder nicht. Aber natürlich, dem toten Leib kostet sein Judentum
kein Opfer, keine Entsagung mehr und man glaubt sich mit der letzten
Anordnung als Jude begraben zu sein, auf die leichteste Weise mit dem
Judentum abgefunden zu haben. Es ist doch wahr, dass vom Erhabenen bis zum
Lächerlichen oft nur ein Schritt ist.
Vor etwas 10 Jahren hatte sich die Gemeinde Weimar auch einmal mit einem
Schochet versehen. Ein junger Mensch, welcher eine dortige Schule
besuchte, wurde mit diesem Posten betraut. Nach Jahresfrist machte man
aber die sonderbare Entdeckung, dass derselbe während dieser ganzen Zeit gar nicht
geschächtet, sondern bloß das Fleisch des von dem Metzger getöteten
Viehes mit dem Koscherzeichen versehen hatte. Natürlich wurde er seines
Amtes entlassen, und da dieser erste Versuch |
so
schlecht ausgefallen war, wurde ein weiterer zur Beschaffung eines solchen
Luxusartikels nicht mehr gemacht. Seit einigen Jahren wohnt indessen ein
israelitischer Geschäftsmann dort, der die Befähigung zum Schächten hat
und diese Funktion zu seinem Bedarf auch übt.
Die obige Geschichte erinnert mich zugleich an eine andere, die vor vielen
Jahren spielte. Ein getaufter Israelite schilderte einem ihm verwandten
jüdischen Arzte seinen ganzen Lebenslauf in einem Briefe. Der betreffende
Arzt las mir diesen Brief vor. In demselben erzählte nun der Schreiber...
Nachfolgendes wird nicht abgeschrieben, da es nicht Weimar betrifft.
Doch zurück zum Gegenstand meiner Berichterstattung. Das Großherzogtum
Weimar hat außer Weimar, Eisenach und
Stadtlengsfeld nur noch fünf
Synagogengemeinden. In diesen letzteren hat sich, trotz jahrelanger
gegenteiliger Einflüsse, das israelitisch-religiöse Leben und die
orthodoxe Praxis in Kultus- und in Familienleben ungeschwächt erhalten,
ja sich teilweise wo sie in Abnahme begriffen waren, zu neuer Lebenskraft
erhoben..." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
und allgemeine Berichte
Landrabbiner Dr. Wiesen legt in der Hofkirche in Weimar
einen Kranz für die verstorbene Großherzogin nieder
(1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Februar 1905:
"Weimar, 2. Februar (1905). Anlässlich des Hinscheidens Ihrer
Königlichen Hoheit der Frau Großherzogin Karoline von Sachsen
widmeten die israelitischen Gemeinden des Großherzogtums eine
Kranzspende, bestehend aus Palmen und Blumen, welche durch den
Großherzoglichen Landrabbiner Dr. Wiesen am Sarge der hohen Verewigten in
der Hofkirche zu Weimar niederlegt wurde. Derselbe beteiligte sich sodann
in der Gruppe der Geistlichkeit am Leichenzuge und wohnte der feierlichen
Beisetzung in der Grabkapelle der Fürstengruft bei. Am letzten Samstag,
den 28. vorigen Monats fanden in den Synagogen des Landes
Trauergottesdienste statt." |
Im Landtag sitzen mehrere antisemitische Abgeordnete
(1906)
Anmerkung: gemeint ist wohl der Landtag des 1903 bis 1918 bestehenden
Großherzogtums Sachsen mit der Hauptstadt Weimar.
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 14. Dezember 1906: "Weimar. Der neu gewählte Landtag hat
zwei antisemitische Abgeordnete: Oberlandesgerichtsrat von Richthofen und
Gastwirt Stein". |
|
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 21. Dezember 1906: "Weimar. Nachdem nunmehr die letzten
Wahlen zum Landtage vollzogen sind, werden die Antisemiten, die bisher im
Landtage unvertreten waren, mit vier Mann ihren Einzug halten. Es sind
dies: Rittergutsbesitzer von Boyneburgk, Großgrundbesitzer Allmer,
Oberlandesgerichtsrat von Richthofen und Gastwirt Stein."
|
Kritische Artikel über die Politik von Minister
Wilhelm Frick (1930)
Anmerkung: Wilhelm Frick war in Thüringen seit Januar 1930 Staatsminister
für Inneres und Volksbildung in einer Koalitionsregierung und somit der erste
Minister der NSDAP zu Zeiten der Weimarer Republik. In der Zeitschrift "Der
Israelit" wurde seine Politik kritisch verfolgt. Zu Wilhelm Frick siehe Wikipedia-Artikel
"Wilhelm Frick".
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
22. Mai 1930: "Weimar. Eine neue Bestimmung Fricks
verbietet den Stadtverwaltungen, Gesuche 'fremdrassiger Ausländer' um
Naturalisierung weiter zu empfehlen." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 5. Juni 1930: "Weimar. Im Landtag begründete der
nationalsozialistische Sprecher den Schächtverbotsantrag mit den Worten:
'Wenn dadurch die Juden unsere Kurorte meiden, dann hätten wir erreicht,
was wir erreichen wollten.' Der Antrag wurde
zurückgestellt." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. Juli 1930: "Weimar. Mit 25 gegen 22 Stimmen
wurde im Landtage ein Misstrauensvotum gegen Frick angenommen. Von
national-sozialistischer Seite wird aber erklärt, dass Frick garnicht
daran denke, aus dieser Abstimmung die Konsequenzen zu ziehen, da die
Verfassung für den Rücktritt eines Ministers mindestens die Hälfte der
Stimmen aller Abgeordneten vorsieht. Moralische Bedenken gelten für diese
Herren nicht." |
Das Schwanseebad ist für Juden
geschlossen (1935)
Artikel in "Der Israelit" vom 15. August 1935: "Neue
Bädersperren für Juden.
Berlin, 12. August. ... Im städtischen Freibad zu Bielefeld ist mit
Verordnung des stellvertretenden Bürgermeisters den Juden der Zutritt
verboten. Ebenso hat die Polizeiverwaltung in
Bad Hönningen das Betreten des
Thermalschwimmbades verboten. Mit sofortiger Wirkung wurde das Schwanseebad
in Weimar für Juden geschlossen." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen
Gemeinde
Über den Juden Elkan von Weimar und sein patriotisches
Verhalten in den Freiheitskriegen 1813-1815
Anmerkung: gemeint ist wohl Israel Julius Elkan, der Sohn von Jakob Elkan.
vgl.
Wikipedia-Artikel über Israel Julius Elkan.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 2. Oktober 1914:
"Bluttaufe (Anm. Aus
'Nord und Süd', Juli 1914). (Nach dem von Karl Kuhn in seinem Buch
'Aus dem alten Weimar' berichteten geschichtlichen Vorgang. Von Otto
Franz Gensichen.
Bei Leipzig war geschlagen die Schlacht, Die Sieger marschierten nach
Frankreich hinein.
Zerstoben war des Rheinbunds Macht, Auch Weimar konnte von ihr sich
befrei'n.
Abschüttelnd schnell den verhassten Bann, Tief zu den Waffen Karl
August,
Und todesmutig strömt heran, Wem deutsch noch schlug das Herz in der
Brust.
Doch Elkans Witwe, die Jüdin verbot Ihrem einzigen Sohn, in den Krieg zu
ziehn:
Den Juden kümmre nicht Deutschlands Not, Das doch nicht Vaterland für
ihn,
Nein, wo noch heut er ein Fremdling sei, Bedrückt und des Bürgerrechtes
beraubt,
Und trete der Sohn den Freiwilligen bei, Versage den Segen sie seinem
Haupt!
Ist deutsch nach Glauben und Stamm er auch nicht, Fühlt Elkan doch
deutsch für das Volk und das Land,
Wo den Juden es dennoch an Schutz nicht gebricht, Und wo die Wiege
der Kindheit ihm stand,
Wo redlichen Reichtum sein Vater gehäuft, Dem Goethe im Lied 'Auf
Miedings Tod'
Durch den Vers 'Der tätige Elkan läuft Mit manchem Rest' die
Unsterblichkeit bot.
Für das Land, wo der Segen des Vaters das Haus Dem Sohn erbaute,
will dieser nun
Beim nahenden, blutigen Waffenstrauß In dankbarer Treue das Seine
tun.
Zieht morgen früh der Jünglinge Schar Kampffreudig hinaus, steht
er nicht zurück,
Und bleibt er des Segens der Mutter aus bar, Wagt doch er für Deutschland
sein Leben, sein Glück!
In der engen Gasse, im kleinen Haus, Der Stadtkirche nah, drin Herder
ruht,
Sah heute es düster und traurig aus, Bei der Sabbatlichter schwelender
Glut.
Mahnt auch bei Thora und Talmud heiß Die Mutter den Sohn an die
Kindespflicht -
Ehrfürchtig küsst er das Haupt ihr leis, Doch wankt er in seinem Vorsatz
nicht.
Auch hier bringt endlich den Schlaf die Nacht. Die Glocken der Stadtkirche
läuten schon,
Als Elkan spät vom Schlummer erwacht. Fest schläft die Mutter, Sanft
küsst sie der Sohn.
Er weiß in der Sippe fürsorglicher Hut. Sie sicher geboren. Stumm eilt
er hinaus,
Dorthin, wo sich mit Kampfesmut Die Freiwilligen sammeln vorm
Gotteshaus.
Er tritt zu ihnen. Hand streckt sich um Hand Ihm jubelnd entgegen.
Der letzte Rest
Von Glaubens- und Rassenunterschied schwand, Die Waffenbrüderschaft knüpft
sich fest.
Mit der Christenjugend tritt Elkan auch Im festlichen Zug vor den
Hochaltar,
Wo heut schon alles nach frommem Brauch Zur Abendmahlsspende
bereitet war.
Kaum einen befremdet's, an diesem Ort Den Juden zu sehn. Schon dröhnt
der Choral,
Und herein drängt das Volk noch immerfort, Bis die Gitter schließen der
Kirche Portal,
Um das die Menge sich draußen staut, Um durch die Stäbe hineinzuschaun
Und an der Predigt, die feurig und laut Der Priester beginnt, sich
von fern zu erbaun.
Inzwischen ist Elkans Mutter erwacht. Sie sieht sich allein, sie durchirrt
das Haus...
So hat er sich heimlich doch fortgemacht? Sie weint, sie jammert, sie
stürmt hinaus,
Sie drängt sich zu der Kirche Portal, Das Mutterauge erspäht den
Sohn:
Die Predigt endet; zum Abendmahl Ergebt der Priester die Hostie
schon.
Nur die Freiwilligen ladet heut Das heilige Sakrament hier
ein,
Und kniend Jüngling um Jüngling beut Die Lippen dar für das Brot
und den Wein.
Nur der neuen Blutsbrüderschaft sich bewusst, Nach Segen lechzend, des Segens
bar,
Folgt Elkan wahllos Dem Drang seiner Brust Und bietet kniend die Lippen
dar.
Die Mutter gewahrt es. Das Herz steht ihr still Vor Gram und
schreckt.
Wird jetzt sich nicht Der Glaubenszwiespalt wiederum schrill
Bekunden? Ist's nicht des Priesters Pflicht,
Den Juden zurückzuweisen? Stutzt jetzt Nicht auch die
Gemeinde, und bebt und bangt
Vor der Lösung? Sieht nicht auch der Priester zuletzt Wer kniend
das Sakrament verlangt?
Doch der dort steht, wo Herder stand, Sein Nachfolger nicht nur in Amt und
Haus,
Nein auch im Geist, legt aus der Hand Die Hostie, breitet die Rechte
aus
Auf Elkan und spricht: 'So segne dich Der Gott deiner Väter Abraham,
Isaak und Jakob!' -
Wie Alpdruck entwich Von der lauschenden Mutter Schreck und
Gram.
Wie sie des Sohnes Beweggrund erriet, So fühlt sie: die anderen
verstanden ihn auch,
Und verwischt sei der Glaubensunterschied Durch der großen Stunde
versöhnenden Hauch;
Fühlt auch: Gesegnet ward doch ihr Sohn Im Namen Jehovas auch durch
den Mund
Des Christuspriesters! Statt Hass und Hohn Gibt rings nur Bruderliebe sich
kund.
Denn wer die bebende Jüdin erkannt, Nickt hier warm leuchtenden
Auges ihr zu,
Drückt dort ihr stumm, doch innig die Hand, Und das zagende Mutterherz
kommt zur Ruh.
Als ob von Herders Gruft sein Wort 'Licht, Liebe, Leben!' verwirklicht
ward,
Verklingt in befreiendem Schlussakkord, Was anfangs in bangender Spannung
erstarrt. |
Vorbei
ist das Hochamt, verstummt der Choral. Und Zunkel, der Priester, schreitet
hervor
Und führt durch das weit erschlossene Portal Die Freiwilligen fort
zum Erfurter Tor.
Fern, seitwärts vom Priester, wandelt verzückt Die greise Jüdin,
blickt bald zu ihm,
Bald zu dem Sohn und lächelt beglückt, Als lausche sie Liedern der
Seraphim.
Das Tor ist erreicht. Noch einmal erhebt. Zum Abschiedssegen Zunkel die
Hand,
Im Kuss der letzten Umarmung erbebt Noch einmal, wer miteinander
verwandt.
Stumm sinkt vor der Mutter Elkan ins Knie, Sie herzt ihn und jauchzt mit begeistertem
Sinn:
'Zieh hin mit dem Segen Jehovas! Doch zieh' Auch mit dem Segen der Mutter
dahin!'
Von dannen eilt der Freiwilligen Schar, Die Ihren kehren nach Hause
zurück,
In Sorgen die meisten. Nur eine war Verklärt wie von überirdischem
Glück:
Die Mutter Elkans. Von allem Gram Und allem Zweifel ist jetzt sie
quitt,
Und groß und ruhig wie Abraham, Als er zur Opferung Isaaks
schritt.
Die Monde verstrichen. Durchs Erfurter Tor Kehrt siegreich zurück
der Freiwilligen Schar,
Laut jauchzend stürzt sich Elkan hervor Und küsst der Mutter
schneeiges Haar.
Sie staunt nicht, sie hat es gläubig gewusst, Er werde kommen! Zum
heimischen Herd
Führt sie ihn und zeigt ihm mit schwellender Brust, Wie treu sie seinen Wohlstand
gemehrt.
Der Segen blieb ihm. Und treu blieb er Dem Glauben der Väter,
Bluttaufe empfing
Auch er mit den Deutschen - was braucht es mehr?
Geehrt und geachtet bei hoch und gering Blieb er und die Mutter.
Bevor sie verschied, Umarmte mit Zunkels Segenswort
Sie den Sohn, und er küsste vom Augenlid Die letzten brechenden
Blicke ihr fort.
Hoch kam er zu Jahren, Vorsteher ward Er seiner Glaubensgenossen. Doch
fromm
Hat oft er zur Stadtkirche sinnend gestarrt, Wo einst ihm das Licht des
Segens erglomm,
Wo Herder und Zunkel gepredigt - der Ort Blieb ihm auf immer heilig geweiht,
Und er betete: Wirke das Herderwort Licht, Liebe, Leben! in
Ewigkeit!" |
Der Schriftsteller Johann August Oppenheim nennt sich
nun Hans Olden (1894)
Anmerkung: vgl. Wikipedia-Artikel
"Hans Olden (Schriftsteller)"
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Februar 1894: "Dem Schriftsteller Johann August
Oppenheim in Weimar, der bisher den Schriftstellernamen Hans
Olden führte, ist, wie die 'Weimarer Zeitung' amtlich meldet,
'höchster Entschließung zufolge', gestattet worden, diesen jetzt als
Familiennamen zu führen." |
70. Geburtstag des Großherzoglichen
Generalmusikdirektors Dr. Eduard Lassen (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Mai 1900: "Weimar,
2. Mai (1900). Der siebzigste Geburtstag unseres Glaubensgenossen, der Großherzoglichen
Generalmusikdirektors Dr. Eduard Lassen, gab in hiesiger Stadt zu
seltenen Ehrungen des greisen Tondichters Anlass. Im Hoftheater fand ein
Festkonzert statt, in dem die Kammersänger Karl Scheidemantel und Hans
Gießen aus Dresden, die früher der Weimarer Bühne angehörten,
mitwirkten. Sämtliche Kompositionen, die zum Vortrage gelangten, stammten
von Lassen. Aus dem überfüllten Hause, in dem sich auch der Großherzog
befand, wurden dem Jubilar freundliche Kundgebungen zuteil, für die er
schließlich von der Bühne herab in herzlichen Worten dankte. Im
Hoftheater wird eine bronzene Büste Lassens Aufstellung finden, die von
Freunden und Kunstgenossen des Tondichters gewidmet ist. Der Großherzog
hat den Jubilar durch Verleihung des Komturkreuzes des Großherzoglichen
Falkenordens ausgezeichnet, die Erbgroßherzogin sandte ein wertvolles
Festgeschenk. Der Gemeinderat der Stadt hat in Würdigung der Verdienste
Lassens um das musikalische Leben Weimars einer neuen Straße den Namen
Lassenstraße beigelegt. Lassen, welcher in Kopenhagen geboren ist, kam
1858 als Hofmusikdirektor nach Weimer und trat 1861 als Hofkapellmeister
an die Stelle Franz Liszts." |
Zum Tod der Bankierswitwe Cäcilie Callmann geb.
Hirschberg (1898)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. März 1898:
"Weimar, 27. Februar (1898). Am 17. dieses Monats verstarb Frau
Witwe Bankier Cäcilie Callmann geb. Hirschberg. Als Tochter eines
Buchhändlers in Bromberg 1824 geboren, heiratete sie im Jahre 1847 den
1869 verstorbenen Bankier August Callmann. Schon im Kriegsjahre 1866 hat
sie sich als echte Patriotin ausgezeichnet und ganze Kompanien
preußischer Landwehr, welche am Ettersberg um Weimar auf Vorposten lagen,
aus eigenen Mitteln mit Nahrung etc. versorgt. Eine größere Tätigkeit
entfaltete sie in den Kriegsjahren 1870/71. Ihr Haus am Markt bildete eine
große freiwillige Arbeitsstätte für Verbandartikel und Unterzeug der
Truppen im Felde. Aus allen Straßen der Stadt kamen die Damen, alt und
jung, herbei, zu helfen und unter ihrer Anordnung zu arbeiten. Viele
Nähmaschinen gingen Tag und Nacht und im kleinen Garten saßen Kinder,
Charpie zu zupfen. Wer etwas übrig hatte, brachte es zu Frau Callmann,
dort wurde alles noch verarbeitet, alles für die Braven im Gelde
hergerichtet, und allwöchentlich gingen viele große Kosten fertiger
Waren an das Bezirkskommando zur Weiterbeförderung in Feindesland. Das
waren die Taten, mit denen die biedere Frau an die Öffentlichkeit trat.
Ihrem Rufe folgten gern Weimars Bürgerinnen zu neuer Arbeit. Gar manche
Träne verschämter Armen linderte sie im Stillen, keine Bitte ging
unerhört an ihrem Ohre vorüber. Neben reichen Auszeichnungen vom
verstorbenen Kaiser Wilhelm und der Kaiserin Augusta, von unserem
Großherzog und der hochseligen Frau Großherzogin, auf welche sie in den
letzten Tagen mit großer Freude zurückblickte - ihr Schulter zierte das
Eiserne Kreuz für frauen und Jungfrauen, der großherzoglich sächsische
Verdienst-Orden für ruhmreiche Tätigkeit im Kriege und die
Kriegsmedaille von 1870/71 -, ist ihr auch mancher schwere
Schicksalsschlag nicht erspart geblieben. Ein langes Leiden erlöste ihr
irdisches Sein im 74. Lebensjahre. Die Beerdigung hat am 18. dieses Monats
stattgefunden. Die edle Frau wollte laut letztwilliger Bestimmung in aller
Stille zur Ruhe gebettet werden, darum wurde weder Tag noch Stunde der
Bestattung bekannt gegeben; dennoch haben die Weimarer sich zahlreich zur
Trauerfeier eingefunden. Die Leichenrede wurde auf Wunsch der Familie von
Herrn Rabbiner Dr. Salzberger gehalten. Da es in Weimar sehr wenig
Glaubensgenossen gibt, so bestand der Trauerzug fast nur aus
Christen." |
Das
Bankhaus Julius Elkan schließt (1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Dezember
1905: "Weimar. Am künftigen 1. Januar (1906) wird das hiesige
Bankhaus Julius Elkan seine über mehr als fünf Menschenalter
ausgedehnte Tätigkeit beschließen, indem es an die 'Magdeburger
Privatbank' übergeht und sein Chef, Dr. Moritz, sich ins Privatleben
zurückzieht. Mit dem Hause Elkan verknüpfen sich manche Erinnerungen an
die klassische Zeit Weimars. Hingewiesen sei nur auf Goethes Verse auf 'Miedings
Tod' (1789): 'Der tätige Elkan läuft mit manchem Rest, Und diese
Gährung deutet auf ein Fest.' J. Elkan war bekanntlich der 'Hofjude', mit
dem auch Goethe in geschäftlicher Verbindung stand. Er war lange Zeit der
einzige Jude, der in Weimar lebte." |
Zum Tod von Samuel Lublinski in Weimar (1911)
Anmerkung: Samuel Lublinski (1868-1910) war ein vor allem in Berlin wirkender
jüdischer Schriftsteller, Literarhistoriker, Kritiker und Religionsphilosoph;
vgl. den Wikipedia-Artikel
Samuel Lublinski. Lublinski lebte die letzten Jahre seines Lebens in
Weimar.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung
des Judentums"
vom 3. März
1911:
Zum Lesen des Artikels
bitte Textabbildungen
anklicken.
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Anzeigen
von jüdischen Privatpersonen und Gewerbebetrieben
Anzeige der Tuch- und Modewarenhandlung J. Peiser
(1873)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 3. Juni 1873: "Für meine Tuch- und
Modewarenhandlung suche unter günstigen Bedingungen einen Lehrling mit
nötiger Schulbildung zum baldigen Antritt.
Weimar, Mai 1873. J. Peiser". |
Nach der Emigration: Verlobungsanzeige von Margot
Sonder und Harry K. Gutman (1944)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 10. März 1944:
"Margot Sonder - Harry L. Gutman
Engaged Purim 5704.
545 W. 162nd Sa. 717 W. 177th St. New York
City
(formerly Munich) (formerly Weimar)" |
Zur Geschichte des Betraumes
1805 richtete Jacob Elkan in seinem Privathaus eine
Synagoge (Betsaal) ein. Bis zu seinem Tod fanden in dieser Privatsynagoge die
Gottesdienste der jüdischen Familien in Weimar statt.
Eine Synagoge wurde im 19./20. Jahrhundert in Weimar nicht gebaut. Das
religiöse Leben fand überwiegend nur privat in den Familien statt. Zu
gottesdienstlichen Feiern an den Festtagen wurden Räume - meist in Hotels -
angemietet.
Adresse/Standort des Betraumes: Betsaal
von Jacob Elkan in dem bis heute erhaltenen Haus in der Windischenstraße 25
(über der geschmückten Eingangstür des Gebäudes finden sich die ineinander
verschlungenen Initiale "J.E." für Jacob Elkan).
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 29.6.2011)
Haus des Jacob Elkan |
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An den früheren
Hausbesitzer Jacob Elkan erinnert bis heute die Initiale "J.E."
über der geschmückten Eingangstüre |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
2018: Die
Viehauktionshalle soll Erinnerungsort an das Schicksal der deportierten
Thüringer Juden werden
Zur Geschichte der Viehauktionshalle: https://de.wikipedia.org/wiki/Viehauktionshalle_Weimar
http://www.weimar-im-ns.de/ort14.php
Die Viehauktionshalle wurde Ende der 1930er Jahre in der Nähe des
Weimarer Hauptbahnhofes errichtet. Ab Mai 1942 wurde die Halle genutzt, um
Juden aus ganz Thüringen zusammenzutreiben und über den nahe gelegenen
Bahnhof zu deportieren. Daher galt sie als Symbol der Judenverfolgung in
Thüringen. Im weiteren Verlauf des Krieges wurde auf dem Gelände der
Halle ein Material- und Gerätedepot der Wehrmacht eingerichtet, in dem
auch Häftlinge des KZ Buchenwald als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. In
der Nacht zum 22. April 2015 brannte die Halle auf Grund einer
vorsätzlichen Brandstiftung durch drei Jugendliche nieder. In der
Folgezeit sprachen sich Vertreter der Erinnerungsstätte J.A. Topf &
Söhne und der Gedenkstätte Buchenwald für den Erhalt von Teilen der
Halle als Gedenkstätte aus, um einen Erinnerungsort an das Schicksal der
deportierten Thüringer Juden zu schaffen. |
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Artikel in der "Thüringer
Allgemeinen" vom 16. Februar 2018: "Vogt auch in Weimar Nord.
Umfeldplaner vom Bauhausmuseum gewinnen Wettbewerb für Gedenkort.
Weimar. Die Vogt Landschaft GmbH Berlin soll den Gedenkort Viehauktionshalle nach einem Entwurf von Lars Müller gestalten. Eine Jury erkannte dem mit dem Umfeld des Bauhausmuseums beauftragten Büro den 1. Preis zu.
Der Siegerentwurf sieht einen Volkspark aus Zitterpappeln mit vier markanten Elementen vor: einem herausgehobenen Einzelbaum mit Rundbank, dem Rest der Hallenruine, der zugleich eine Ecke einer Lichtung von der Größe der Viehauktionshalle markiert, sowie einem runden Brunnentisch, dessen Edelstahlabdeckung alle Namen der 877 aus Weimar deportierten Juden aufführt.
Mit der Zerstörung der Viehauktionshalle durch eine Brandstiftung im Jahr 2015 war eine Gestaltung für diesen Bereich erforderlich geworden. Freistaat und Stadt lobten einen Realisierungswettbewerb für den Gedenkort aus. Er soll an die Deportation von 877 Thüringer Juden aus Weimar im Jahre 1942 erinnern. Mit der Gestaltung des Areals wollen die Stadt und der Freistaat dazu beitragen, dass die Opfer von Deportationen und Gräueltaten der nationalsozialistischen Ära nicht in Vergessenheit geraten..."
Link
zum Artikel |
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November 2018:Führung
zu den "Stolpersteinen" mit Putzaktion |
Artikel in der "Thüringer Allgemeinen" vom
7. November 2018: "Weimar. Seit 2007 werden auf Initiative des
Vereins Lernort Weimar in der Stadt Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an
Bürgerinnen und Bürger, die im Nationalsozialismus verfolgt und/oder
ermordet wurden. Am Donnerstag, 8. November, werden zwei Führungen zu
einigen Stolpersteinen angeboten, um an die Lebenswege der Menschen zu
erinnern, für die die Steine verlegt wurden. Dabei soll es nach Angaben des
Vereins vor allem um jene gehen, die von den Novemberpogromen 1938 direkt
betroffen waren. Während der Führung werden die Stolpersteine gereinigt und
der Opfer gedacht..."
Link zum Artikel |
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Oktober/November 2019:
Ausstellung zu "Stolpersteinen"
- im November werden zwölf weitere Stolpersteine verlegt
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Artikel in der "Thüringer Allgemeinen" vom
18. Oktober 2019: "Ausstellung zu Stolpersteinen beleuchtet Weimarer
Schicksale.
Weimar Verein Lernort Weimar stellt Biografien im Hauptbahnhof aus. Im
November werden zwölf weitere Stolpersteine verlegt
Mit einer Ausstellung bringt der Verein Lernort Weimar einen Teil der bisher
in der Stadt verlegten Stolpersteine ab dem Wochenende im Hauptbahnhof
zusammen. Die Ausstellung 'Stolpersteine in Weimar' berichtet von den
Lebenswegen einiger Menschen, für die in Weimar seit dem Jahr 2008
Stolpersteine verlegt worden sind. Die Biografien von Kurt Nehrling, Jenny
Fleischer-Alt, den Familien Appel, Ortweiler und Berlowitz und anderen geben
Auskunft über Weimarer Bürgerinnen und Bürger, die aus der
nationalsozialistischen 'Volksgemeinschaft' ausgeschlossen, entrechtet und
verfolgt worden sind.
Die Ausstellung ist Teil des Projekts 'Demokratie braucht Erinnerung', das
der Verein Lernort Weimar in diesem Jahr ins Leben gerufen hat. Im Rahmen
des Projekts bietet der Verein kostenfreie Rundgänge zu Weimarer
Stolpersteinen an und arbeitet mit Schülerinnen und Schülern zur lokalen
Geschichte von Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung im
Nationalsozialismus. Auch die Recherche zu weiteren Biographien und die
Publikation der Ergebnisse im Internet ist Teil des Vorhabens 'Demokratie
braucht Erinnerung'.
Seit 1995 verlegt der Künstler Gunter Demnig weltweit Steine mit einer
Messingplatte im Pflaster europäischer Orte. Sie sollen den routinierten
Gang der Passanten aus dem Takt bringen, sie gedanklich stolpern lassen,
erinnerte der Verein Lernort Weimar. In der Stadt wurden bisher 34 Steine
für Menschen verlegt, die in Weimar lebten, die jüdischen oder christlichen
Glaubens oder nicht religiös waren, die politisch desinteressiert,
deutschkonservativ, sozialdemokratisch engagiert oder kommunistisch
orientiert waren, die kleine und große Geschäfte betrieben, die noch zur
Schule gingen und im Garten spielten, ehe sie beispielsweise deportiert,
ermordet oder in den Freitod getrieben worden sind. Der erste Weimarer
Stolperstein erinnert seit 2007 in der Marienstraße an den Cellisten Eduard
Rosé. Am 3. November dieses Jahres werden schließlich zwölf weitere
Stolpersteine in Weimar verlegt.
'Stolpersteine in Weimar' enthält neben Biografien auch Schriftstücke wie
ein Schreiben, des Weimarer Bürgermeisters mit der Anregung, allen
städtischen Angestellten zu untersagen, mit ihrer Kaufkraft jüdische Bürger
zu unterstützen.
Ausstellung: Vernissage Sonntag, 20. Oktober, 15 Uhr; bis 17. November;
Hauptbahnhof Weimar;
www.lernort-weimar.de/stolpersteine."
Link zum Artikel |
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Artikel von Christiane Weber in der
"Thüringer Allgemeinen" vom 4. November 2019: "Stolpersteine in Weimar
als Bausteine der Erinnerungskultur.
Weimar Gedenkprojekt von Gunter Demnig wächst in der Stadt. Zwölf weitere
Gedenksteine an fünf Orten treten gegen das Vergessen an
Mit gleich zwölf weiteren Stolpersteinen ist Gunter Demnigs Projekt der
Erinnerung in Weimar am Sonntag auf derzeit insgesamt 46 Gedenksteine an 21
Standorten angewachsen. 'Wenn Stolpersteine verlegt werden, ist das im
Kontext von damals und heute zu sehen', unterstrich Bürgermeister Ralf
Kirsten an der Ernst-Kohl-Straße 27. Dort erinnern zwei neue Steine an
Elfriede Leopold und Helene Lieselotte Rothschild, geb. Leopold. 'Wir dürfen
nicht nachlässig werden in unserer Erinnerungsarbeit', warnte Kirsten auch
mit Blick auf das Ergebnis der Landtagswahl vor einer Woche. Die
Historikerin und Pädagogin Katja Demnig übernahm die Verlegung in Weimar, da
ihr Mann Gunter Demnig selbst ebenfalls im Rahmen seines NS-Gedenkprojektes
gefordert war. '2007 haben wir in Weimar den ersten Stolperstein für Eduard
Rosé verlegt', erinnerte Jonny Thimm vom Verein 'Lernort Weimar', der das
Projekt im Rahmen des durch den 'Lokalen Aktionsplan der Stadt Weimar'
geförderten Projekts 'Demokratie braucht Erinnerung – Biografiearbeit zu
Verfolgten des Nationalsozialismus in Weimar' koordiniert. Er dankte auch
den Patinnen und Paten der Stolpersteine, welche die einzelnen Steine
finanzieren, pflegen und den Verein bei der Recherche zu den Biografien
unterstützen. Herzliche Dankesworte richtete er auch an Stefan Schilonka,
Jakob Hausmann, Florian Henkel und Alexander Martin, die in ihrer
Seminarfacharbeit am Schiller-Gymnasium das Projekt 'Stolpersteine –
Bausteine deutscher Erinnerungskultur' thematisiert und Biografien in
Erinnerung gerufen haben. Stolpersteine wurden am Sonntag auch in der
Thälmann-Straße 41 für die Familie Eisenbruch, in der Paul-Schneider-Straße
4 für Familie Eisenbronner, in der Paul-Schneider-Straße 44 für Sonja
Bromberg und in der Schillerstraße 17 für Edith Berlowitz verlegt. 'Ein
Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist', heißt es im
Talmud. Gegen dieses Vergessen gibt es die 'Stolpersteine'."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 869-870; III,2 S.
1562-1563. |
| Eva Schmidt: Jüdische Familien im Weimar der
Klassik und Nachklassik und ihr Friedhof. In: Weimarer Schriften Heft 8/1984
und Heft 48/1993. |
| Erika Müller / Harry Stein: Jüdische
Familien in Weimar. Vom 19. Jahrhundert bis 1945. Ihre Verfolgung und
Vernichtung. In: Weimarer Schriften. Heft 55/1998. |
| Israel Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit
in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes
Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de)
2007. Zum Download
der Dokumentation (interner Link). Zu Weimar S. 264-269. |
| Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und
Thüringen. Berlin 1992. S. 290-291. |
| Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des
Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt 2003. S.
329-331. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Weimar
Thuringia. The first mention of Jews in Weimar dates back to the beginning of
the 14th century. They were probably expelled from the city in the course of the
Black Death persecutions (1348-49), but returned before the end of the century.
The modern Jewish community begins with the settlement of the Courth Jew Jacob
Elkan and his son Julius Elkan, the founder of a famous banking house. In 1878,
there were 22 Jewish taxpayers of family heards in Weimar. By 1925 there were
105 Jews in Weimar and 91 in 1933 at the outset of Nazi rule. The fact that
approximately 30 % were married to non-Jews helped to protect them to some
extent from anti-Jewish measueres and possible may account for the
disproportionately large number of survivors in Weimar. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), 12.500 Jews from all over Germany were brought to the
newly erected Buchenwald concentration camp on the outskirts of Weimar. The Jews
who still remained in Weimar after July 1941 were forced to vacate their
apartments and crowded into a few 'Jewish houses'. In 1942, alle were deported.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge
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