Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Nieder-Wiesen (VG Alzey-Land, Kreis Alzey-Worms) 
Jüdische Geschichte / Synagoge 

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Nach der Emigration: Anzeigen in der amerikanisch-jüdischen Zeitschrift "Der Aufbau"   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
    
In Nieder-Wiesen bestand eine jüdische Gemeinde bis nach 1933. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. 

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1804 76 jüdische Einwohner, 1824 84, 1828 91, 1861 124 (21,1 % von insgesamt 588 Einwohnern), 1880 82 (14,3 % von 573), 1900 62, 1910 53 (9,1 % von 568).  

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (zunächst israelitische Elementarschule, s.u. Bericht von 1858, dann noch Religionsschule; zwischen 1900 und 1910 gab es 14 israelitische Schulkinder), ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben in der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Seitdem die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder stark zurückgegangen war, wurde gemeinsam mit der Nachbargemeinde Flonheim ein Lehrer angestellt (siehe Ausschreibungen unten von 1902 und 1904). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Alzey.   
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Ludwig Mendel (geb. 27.5.1887 in Nieder-Wiesen, gef. 6.4.1917). 
 
Die jüdischen Einwohner waren im Leben des Ortes völlig integriert. Bereits 1874 wurde mit Seligmann Herzog ein jüdischer Mann in den Gemeinderat gewählt. Er gehörte ihm mehrere Jahrzehnte an (1910 nochmals wiedergewählt, siehe Bericht unten).   
 
Um 1924, als zur Gemeinde noch 30 Personen gehörten (4,9 % von insgesamt 606 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Simon Strauß, Moses Herzog und Moses Mendel II.   

1933 lebten noch 20 jüdische Personen am Ort (3,4 % von insgesamt 586 Einwohnern). Es waren noch sechs Familien und zwei unverheiratete Personen. Schon damals war die Auflösung der Gemeinde beabsichtigt, wurde jedoch behördlicherseits abgelehnt. 1934-35 fand letztmals eine Vorstandswahl statt. Gewählt wurde als Gemeindevorsteher Sigmund Mendel. In den folgenden Jahren sind die meisten der jüdischen Einwohner auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört. 1939 gab es noch fünf jüdische Einwohner am Ort, die bis Ende dieses Jahres aus Nieder-Wiesen verzogen sind und später teilweise aus anderen Orten deportiert wurden (s.u. das Schicksal der nach Schwäbisch Gmünd verzogenen Laura und Emma Mendel).   
  
Von den in Nieder-Wiesen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Siegmund Herzog (1880), Felicie Heymann geb. Cerf (1877), Pauline König (1886), Otto Levi (1861), Fernande Levy geb. Mayer (1880), Bina (Jakobine) Marx geb. Mendel (1866), Emma Mendel (1878, "Stolperstein" in Schwäbisch Gmünd), Heinrich Mendel (1883), Laura Mendel (1882, "Stolperstein" in Schwäbisch Gmünd), Leo Mendel (1884), Mina Mendel (1873), Bernhard Strauß (1862).   
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet für Flonheim mit Nieder-Wiesen 1902 / 1904  

Flonheim Israelit 23061902.jpg (58875 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juni 1902: "die Lehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle in hiesiger Gemeinde wird zur sofortigen, auch späteren Besetzung, ausgeschrieben. Gehalt Mark 500 nebst freier Wohnung und Heizung. Nebeneinkommen durch Schechitoh etc. Mark 300. Außerdem ist mit dieser Stelle die Erteilung des Religionsunterrichts in der Nebengemeinde Nieder-Wiesen verbunden. Jährliches Honorar Mark 250. Seminaristisch gebildete, ledige Bewerber wollen ihre Gesuche an den Unterzeichneten einsenden. 
Flonheim
(Rheinhessen), im Juni. J. Althoff." 
  
Flonheim Israelit 16051904.jpg (56139 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Mai 1904: "Die Lehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle in hiesiger Gemeinde wird zur baldigen Besetzung ausgeschrieben. Gehalt Mark 500 nebst freier Wohnung. Nebeneinkommen durch Schechitah Mark 300. Außerdem ist mit der Stelle die Erteilung des Religionsunterrichts in der Neben-Gemeinde Nieder-Wiesen verbunden. Jährliches Honorar Mark 250. Seminaristisch gebildet, ledige Bewerber, wollen ihre Gesuche an den Unterzeichneten einsenden. 
Flonheim, Rheinhessen, 12. Mai. Isaac Althoff." 

      
Lobende Erwähnung der israelitischen Elementarschule in Niederwiesen (1858)
    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Juli 1858: "Wenn in einer Korrespondenz aus Worms neulich (in No. 22 dieser Zeitung) von der Gleichgültigkeit mehrerer Landgemeinden des Kreises Worms gegen allen Religionsunterricht gesprochen wurde, so muss andererseits wieder hervorgehoben werden, dass in einem anderen Teile Rheinhessens gerade die bestgestellten Schulen des Großherzogtums sich befinden, dass zum Beispiel in Oppenheim, Guntersblum, Odernheim, Niederwiesen und Bechtheim gut dotierte Elementarschulen mit definitiv vom Großherzoge angestellten Lehrern sich befinden, die zumeist seit langen Jahren dort wirken, und dass außerdem die Lehrer in Schornsheim, Sprendlingen von ihren Gemeinden freiwillig als Religionslehrer etc. definitiv angestellt sind, außer anderen, die wir vielleicht nicht wissen; und dass aus all diesem zu schließen ist, dass es um das jüdische Schulwesen hierzulande nicht so schlecht bestellt ist."       

 
     
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Seligmann Herzog wird wiederum in den Gemeinderat gewählt (1910)  

Niederwiesen FrfIsrFambl 23091910.jpg (18334 Byte)Mitteilung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. September 1910: "Niederwiesen (Rheinhessen). Seligmann Herzog wurde wiederum in den Gemeinderat gewählt. Er gehört diesem seit 1874 an."   

  
Über das Schicksal von Angehörigen der Familie Mendel 

Eine der größeren jüdischen Familien in Nieder-Wiesen hatte den Familiennamen Mendel. An den Geschwistern Richard, Laura und Emma Mendel lassen sich die unterschiedlichen Schicksale in der NS-Zeit aufzeigen. 
Mendel Niederwiesen 010.jpg (75350 Byte)Richard Mendel (geb. 13.3.1887 als Sohn von Moses Mendel und Helene geb. Lieber in Nieder-Wiesen; auf Foto links mit Frau Erna) war seit 1922 mit Erna geb. Lindauer (geb. 12.7.1899 in Esslingen) verheiratet. Das Ehepaar wohnte nach der Heirat in Schwäbisch Gmünd, wo Richard Mendel als Teilhaber der Firma Stern, Glas- und Haushaltswaren tätig gewesen ist und die Kinder Sigrid und Manfred (1924 beziehungsweise 1929) geboren sind. Am 16. Januar 1940 konnte die Familie über Holland und Belgien in die USA auswandern. Erna starb 1980 in Philadelphia. 
  
Mendel Niederwiesen 011.jpg (78776 Byte)Nach 1933 (Laura vor 1938, Emma erst 1939) sind zu ihrem Bruder Richard in Schwäbisch Gmünd auch die unverheirateten Schwestern  Laura Mendel (geb. 3.4.1882 in Nieder-Wiesen, Foto rechts) und Emma Mendel (geb. 1878 in Niederwiesen, Foto links) gezogen. Sie wollten 1940 - sobald wie möglich - der Familie des Bruder Richard in die USA folgen. Die Überfahrt in die USA war bereits bezahlt, aber wegen der Quotenregelung durften sie nicht in die USA einreisen. Am 1. Dezember 1941 sind sie von Stuttgart aus nach Riga deportiert worden und sind umgekommen.     
Quellen/Literatur: Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Esslingen. 1994 S. 315-316; Ortrud Seidel: Mut zur Erinnerung: Geschichte der Gmünder Juden. 1999 passim. 

   
   

Nach der Emigration: Anzeigen in der jüdisch-amerikanischen Zeitschrift "Der Aufbau" 
Goldene Hochzeit von Simon Mendel und Emma geb. Levy (1943)  
(eingestellt nach Hinweis von Hans-Dieter Graf, Seeheim)    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 26. November 1943: "Am 27. November 1943 feiern das Ehepaar
 Simon Mendel und Frau Emma, geb. Levy 
das Fest ihrer goldenen Hochzeit. Bridgeport, Conn.  2032 N. Main St. 
(früher N. Wiesen, Rheinland)"        

  
Hochzeitsanzeige von Max Metzger und Trude geb. Strauss (1949)    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 22. April 1949: 
"Max Metzger - Trude Metzger 
Veit née Strauss   
Married  April 23, 1949   
formerly Dorsten Westfalen - formerly Nieder-Wiesen - Rhein-Hessen. 
2341 N. Park Ave. Philadelphia 32, Pa."    

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge              
    
1745 wird erstmals in der Ortschronik eine Synagoge genannt, die 1770 durch eine neue ersetzt wurde. Bei dieser neuen Synagoge handelte es sich wahrscheinlich schon um ein selbständiges Gebäude, da sich über dem Eingang als Portalinschrift Psalm 118,20 befand (übersetzt: "Dies ist das Tor des Herrn, Gerechte ziehen durch es hinein") und auch die jüdische Schule im Synagogengebäude untergebracht war.   
  
1864 wurde eine neue Synagoge erstellt.  

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch Brandstiftung zerstört. SA-Männer aus den Nachbarorten waren am Vormittag des 10. November in das Gebäude eingebrochen und hatten  mit Stroh und Benzin das Gebäude in Brand gesetzt. Mit einem Traktor versuchte man, die Giebelwand einzureißen. Die Ruine wurde 1940 für 100 RM an die Gemeinde Nieder-Wiesen verkauft und abgebrochen. 
  
An die ehemalige Synagoge erinnert eine Gedenktafel an der evangelischen Kirche. Der Text lautet: "Zur Erinnerung an die Synagoge, die von 1745 bis zum 10. November 1938 an dieser Stelle stand. In Feuer steckten sie dein Heiligtum, zum Erdland preisgaben sie die Wohnung deines Namens. Psalm 74,7 (nach Martin Buber) - Kirchgasse 13."     
  
Hinweis: In der evangelischen Kirche in Nieder-Wiesen findet sich ein Altarantependium des Darmstädter Künstlers Thomas Duttenhöfer von 1989: "Einzug Jesu in Jerusalem". Die Stadt Jerusalem erschließt sich allerdings bei näherem Hinsehen als der Ort Nieder-Wiesen mit der brennenden ehemaligen Synagoge. 
  
  
Adresse/Standort der Synagoge         Kirchgasse 13  
   
   
Fotos    

Es sind - außer zu Familie Mendel s.o. - noch keine Fotos zur jüdischen Geschichte 
in Nieder-Wiesen vorhanden; über Hinweis oder Zusendungen freut sich der 
Webmaster der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite.
 Nieder-Wiesen Synagoge 190.jpg (66195 Byte)
     Gedenktafel für die Synagoge an der Kirche

   
    
Links und Literatur

Links:

bulletWebsite der Gemeinde Nieder-Wiesen  (innerhalb der Website von VG Alzey-Land)  

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bd. 2. S. 144-145.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 268.
bulletRalf Zahn: Die Geschichte der jüdischen Gemeinden in Wörrstadt und Nieder-Wiesen. In: Alzeyer Geschichtsblätter 14/1979 S. 142-151.
bulletTobias Kraft: Die Geschichte Nieder-Wiesens, der Pfarrei und seiner Kirchen. 2., erweiterte Auflage 1999 (maschinenschriftlich vervielfältigt).  
bullet Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 292 (mit weiteren Literaturangaben). 

  
   


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Nieder-Wiesen, Hesse. The community, established in the early 18th century, numbered 124 (21 % of the total) in 1861 but gradually declined. On Kristallnacht (9-10 November 1938) the synagogue was demolished and seven of the 20 Jews living there in 1933 emigrated to the United States.  
    
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020