Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Hessen"
Zur Übersicht
"Synagogen im Kreis Bergstraße"
Lampertheim
(Kreis
Bergstraße)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Lampertheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung
geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1615
Juden in der Stadt erwähnt. Bis um 1700 dürfte es wohl meist nicht mehr
als jeweils eine Familie sein, die in Lampertheim wohnte (1616, 1698 und 1701-02
wird jeweils nur ein Jude erwähnt). 1710 hört man von dem Viehhändler Jakob
Levi, wenig später von weiteren Angehörigen der Familie Levi. 1758 gab
es drei jüdische Familien (Veitel Levi, Samuel Levi, Moyses Hirsch), 1800
vier Familien.
Nach 1808 erhielten die im Lampertheim wohnenden Juden zum Teil die
Rechte als "Ortsbürger". Die jüdischen Familien mussten feste
Familiennamen annehmen. Die Zahl der jüdischen Einwohner stieg von 49 (1809)
auf 60 (1815), 76 (1822), 114 (1840), 137 (1846) auf eine Höchstzahl von 160
(1861, 3.3 % der Gesamteinwohnerschaft von 4.957 Personen), um danach
durch Aus- und Abwanderung wieder zurückzugehen: 134 (1880, 2.2 % von 5.950),
115 (1890), 110 (1895, 1,8 % von 6.218), 95 (1900). 1885 waren es nach
einem Verzeichnis 27 jüdische Familien, davon neun Familien Hochstädter, drei
Familien Retwitzer, zwei Familie Strauß, sechs Familien Süß (einzelne
Familiennamen waren Jakob, Joseph, Mai, Marx, Neustädter, Oppenheimer und Straßburger).
Als sich seit den 1870er-/1880-Jahren in ganz Deutschland der Antisemitismus
verbreitete, wurde dies auch in Lampertheim spürbar (dazu Artikel zu einem
Vorfall von 1891 siehe unten).
An Einrichtungen waren neben der Synagoge (s.u.) ein rituelles Bad und
eine Religionsschule vorhanden. 1896 baute die jüdische Gemeinde
ein neues Schulhaus, wozu ihr von der bürgerlichen Gemeinde ein Zuschuss
von 1.000 Mark bewilligt worden war.
Dazu berichtete die Zeitschrift "Der Israelit"
am 21. September 1896: "Lampertheim Kreis Bensheim. Es ist eine angenehme
und eine recht betrübende Nachricht, die ich Ihnen von hier aus zu melden habe.
Die israelitische Gemeinde dahier baut zur Zeit ein neues Schulhaus. In überaus
loyaler Weise hat ihr die politische Gemeinde hierzu 1000 Mark bewilligt. So
erfreulich diese Nachricht ist, so betrübend ist die andere, dass auf
dem hiesigen israelitischen Friedhofe von ruchloser Hand 11 Grabsteine
umgeworfen und teilweise demoliert wurden. Die Polizei gibt sich alle Mühe, die
Übeltäter zu ermitteln." |
Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden bis 1867 in Hemsbach
beigesetzt, danach gab es einen eigenen jüdischen
Friedhof in Lampertheim. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Stellenausschreibungen unten). Als
Religionslehrer der Gemeinde werden u.a. genannt: 1859 bis 1892 Wolf
Joseph, der 1885 sein 25-jähriges Jubiläum als Lehrer und Kantor der Gemeinde Lampertheim feiern
konnte (gestorben 1892, siehe Artikel unten). Noch länger war Jonas Meyer in der Gemeinde: er feierte 1932 sein
35-jähriges Amtsjubiläum, war also seit 1897 Lehrer in Lampertheim (siehe
Artikel unten); er starb 1935 (Grab im jüdischen
Friedhof der Gemeinde).
Die Gemeinde gehörte zum liberalen Rabbinat Darmstadt I.
Im Ersten Weltkrieg
fielen aus der jüdischen Gemeinde: Samuel May (geb. 5.3.1889 in Lampertheim,
gef. 12.7.1915), Unteroffizier Julius Strauß (geb. 21.9.1882 in Lampertheim,
gef. 31.8.1918), Gefreiter Eugen Oppenheimer (geb. 27.4.1884 in Lampertheim, vor
1914 in Sandhofen wohnhaft, gef. 21.11.1914), Ludwig Strauß und Moritz Frank.
Andere der Kriegsteilnehmer kamen mit teilweise hohen Auszeichnungen zurück
.
So war u.a.
am 11. Dezember 1914 in der Zeitschrift "Der Israelit" zu lesen: "Lampertheim. Theodor Süß, Sohn des
Zigarrenfabrikanten Samuel Süß, erhielt unter Beförderung zum Vizefeldwebel
das Eiserne Kreuz".
|
Um 1924, als zur
Gemeinde etwa 75 Personen gehörten (0,6 % von insgesamt etwa 12.000
Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher: Leopold Oppenheimer (gest.
März 1927; Grab im jüdischen Friedhof),
Karl Hochstädter und Ferdinand Guggenheim. Als Lehrer, Kantor und Schochet war
weiterhin der bereits genannte Jonas Meyer tätig; er unterrichtete an der
Religionsschule der Gemeinde zehn Kinder und erteilte den Religionsunterricht an
der Volksschule in Lampertheim. An jüdischen Vereinen gab es u.a. den
Israelitischen Wohltätigkeitsverein (1924 unter Vorsitz von Leopold
Oppenheimer; 1932 unter Vorsitz von Karl Hochstädter; Zweck und Arbeitsgebiete:
Unterstützung verarmter Mitglieder). 1932 waren die Gemeindevorsteher
Karl Hochstädter (1. Vors., Wilhelmstraße ) und Ferdinand Guggenheim (2.
Vors., Ernst-Ludwig-Straße). Lehrer Jonas Meyer erteilte im Schuljahr 1931/32
12 Kindern der Gemeinde den Religionsunterricht.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 86 Personen) auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert). Beim Novemberpoprom
1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.). Im Zusammenhang mit
dem Pogrom wurden fast alle jüdischen Männer für einige Wochen in das
KZ Buchenwald verschleppt. Josef May starb dort am 18. November 1938. Die
zunächst in das
Frauen-KZ Ravensbrück in "Schutzhaft" verbrachte Erika Frank starb am
23. März 1942 in der Vergasungsanstalt Bernburg als Opfer der "Aktion 14 f
13". 1942 wurden die letzten neun jüdischen Einwohner aus
Lampertheim in Vernichtungslager deportiert.
Von den in
Lampertheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):
Inge Baer
(1933), Selma Baer geb. Mayer (1904), Herta Henelene Behr (1922), Gertrude Blum (1907), Berta Frank geb. Süss (1878), Sally Frank
(1909), Selma Irmgard Erika Frank (1904), Settchen Guckenheimer geb. Hochstädter
(1880), Rosa Guthmann geb. Schott (1874), Anna Herzberger (1869), Lina
Hirschheimer (1877), Albert Hochstädter (1872), Antonie (Toni) Hochstädter
geb. Süss (1887), Ferdinand Hochstädter (1873), Friedrich (Frederic) Hochstädter
(1868), Karl Hochstädter (1876), Heinrich Jacob (1865), Helene Kaufmann geb.
Hochstädter (1910), Lina Kuchheimer geb. Guggenheim (1901), Josephine Levi geb.
Süss (1880), Sessie Lorch geb. Keller (1874), Josef May (1878), Berta Mayer
geb. Retwitzer (1863), Lilly Oppenheimer (1892), Lina Simon geb. Hochstädter
(1890), Markus Stern (1868), Karl Strassburger (1885), Berta Stückgold geb.
Jacob (1863), Gottschalk Süss (1889), Ludwig Süss (1875), Robert Süss (1922),
Ruth Süss (1920), Ferdinand Ullmann (1875), Fritz Ullmann (1921), Hilda Ullmann
geb. May (1885), Emmy Rudolphine Weil geb. Klein (1889), Berta Weiß (1891),
Mina Weiß (1894), Siegfried Weiss (1896), Dina Weissmann (1867), Henriette Wenk
(1876), Josef Wertheim (1895).
Im Februar 2014 wurden zur Erinnerung an jüdische Opfer des Holocausts
sechs "Stolpersteine" verlegt: vor der Wilhelmstraße 46
für Max Bär (geb. 1898 in Griedel,
hatte das Geschäft von Karl Hochstädter übernommen und ist mit der Familie im
Dezember 1938 nach Frankfurt verzogen, er überlebte die NS-Zeit in England),
seine Frau Selma Bär geb. Mayer (geb. 1904, ermordet), die Tochter Inge
Baer (geb. 1933, ermordet), den Sohn Edgar Bär (Schicksal
unbekannt); für den Bruder von Max Bär: Julius Bär (Schicksal
unbekannt, möglicherweise in die USA emigriert), die Hausangestellte Herta Helene
Behr (geb. 1922, ermordet). Weitere acht Stolpersteine wurden 2015
verlegt (Familie Mann, siehe Bericht unten), fünf in 2016 (für Ludwig
Süß, Else Süß, Dietmar Süß, Ruth Süß und Götz Israel).
Hinweis: die in einigen Listen aufgeführte, in Lampertheim 1868 geborene und
später in Großsachsen wohnhafte
Johanna Buchheimer geb. Süss ist nach den Recherchen von Prof. Dr. Erhard
Schnurr 1938 in die USA emigriert und am 30.5.1949 in Newark/NJ gestorben
(Information erhalten 11. Juni 2010).
Zum DP-Lager in Lampertheim nach 1945
(Foto unten aus dem Archiv
des JDC)
|
|
In Lampertheim bestand von Dezember 1946
bis Mai 1949 ein jüdisches DP-Lager (Jewish DP Camp), in dem zeitweise
über 1.100 jüdische "Displaced Persons" untergebracht waren.
Es handelte sich beim Lager um eine zentrale Wohnsiedlung in der
Stadtmitte in bis zu 138 Häusern. Verschiedene Einrichtungen waren für
die jüdischen Familien vorhanden wie Kindergarten, Volksschule,
Berufsschule, Religionsschule (Cheder/Talmud Torah-Schule). Weitere
Informationen (Website www.after-the-shoah.org),
vgl. auch (englisch): http://dpcamps.ort.org/camps/germany/us-zone/us-zone-vi/lampertheim/.
|
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen einer Hilfsvorbeterstelle zu den Hohen
Feiertagen 1872 und der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1892
/ 1893
Anmerkung: Die Ausschreibung 1892/93 war nach dem Tod von Lehrer
Wolf Joseph (siehe unten) nötig geworden.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. September 1872:
"Die Religionsgemeinde Lampertheim bei Worms sucht einen Hilfs-Baal
Tefila (Hilfsvorbeter) auf Rosch Haschana und Jom Kippur. Anmeldungen
nimmt der Vorstand entgegen." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Mai 1892:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schochets in
hiesiger Gemeinde ist baldigst zu besetzen. Der fixe Gehalt beträgt 700
Mark, bei freier Wohnung, das Nebeneinkommen circa 4 bis 500 Mark.
Geeignete Bewerber (womöglich ledig) wollen sich unter Einreichung ihrer
Zeugnisse bei dem unterzeichneten Vorstande melden.
Der Vorstand der
israelitischen Gemeinde zu Lampertheim." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Februar 1893:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorsängers und Schächters bei
der israelitischen Religionsgemeinde zu Lampertheim (bei Worms) ist bis
zum 15. Juni dieses Jahres neu zu besetzen.
Der Gehalt beträgt bar Mark
700 und freie Wohnung. Außerdem kann auf einen Nebenverdienst von Mark
300-400 gerechnet werden.
Bewerber wollen sich unter Vorlage ihrer
Zeugnisse baldigst bei dem Vorstand genannter Gemeinde melden." |
25-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer und Kantor Wolf Joseph (1885)
Aus
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Februar 1885: Lampertheim,
15. Februar (1885). Gestern feierte der hiesige jüdische Lehrer und Kantor,
Herr Wolf Joseph, sein 25jähriges Jubiläumsfest.
Der Jubilar erfreut sich hierorts, nicht allein in der israelitischen, sondern
auch in der christlichen Gemeinde, einer großen Achtung und Beliebheit, und
wurden ihm von hier und auswärts, sowie von dem hiesigen Lehrerkollegium und
dem Pfarrer, zahlreiche Glückwunschadressen zugesandt; außerdem wurde ihm von
der jüdischen Gemeinde als sichtbares Zeichen der großen Anhänglichkeit ein
sehr schönes Geschenk überreicht. Mit Recht verdient der verehrte Jubilar
diese Anerkennung, indem man in ihm einen würdigen Vertreter des Lehrerstandes,
einen biederen Bürger des Staates und auch ein Muster der Religiosität
verehrt. Ein kleines Festessen beschloss die Feier.
Möge dem Jubilar vom Allmächtigen beschieden werden, dass er in
ungeschwächter Körper- und Geisteskraft auch sein 50jähriges Jubiläum
mit seiner Familie und der ihm treuen Gemeinde feiern könne. |
Zum Tod von Lehrer und Kantor Wolf Joseph (1892)
Aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1892: "Worms.
Am vergangenen Sonntag hat man in dem benachbarten Lampertheim einen Mann zu
Grabe getragen, der es wert ist, dass man seiner auch in Ihren geschätzten
Blättern gedenke. Es ist Lehrer Wolf Joseph, der im Alter von 59 Jahren nach
12-wöchentlicher Krankheit von seiner irdischen Laufbahn abgerufen wurde. Als
17-jähriger Jüngling kam er aus Russland nach Deutschland, übernahm an einem
kleinen Orte eine Lehrerstelle und hatte sich so bald in die deutsche Sprache
und das deutsche Wesen eingelebt, dass er die Religionslehrerstelle in
Groß-Rohrheim bei Darmstadt übernehmen konnte. Von hier wurde ihm die Kantor-,
Lehrer- und Schochet-Stelle in Lampertheim übertragen, an welch letztgenanntem
Orte er 33 Jahre wirkte. Joseph war ein sehr religiöser Jehudi und
tüchtiger Lehrer, der besonders auf dem Gebiete des Talmuds sehr zu Hause war.
Mit besonderer Meisterschaft beherrschte er die hebräische Sprache. Mit diesem
Wissen verband er ein ungemein leutseliges, bescheidenes, braves Wesen, das bei
nur kurzer Begegnung mit dem Verblichenen sofort zur Geltung kam. Darf es uns da
wundern, wenn nach so vielen persönlichen und dienstlichen Eigenschaften die
Gemeinde Lampertheim ihren Lehrer liebgewonnen hatte! Wer daran noch zweifeln
wollte, den hätte die Teilnahme an der Beerdigung davon überzeugen können.
Nicht nur die Juden von Lampertheim und Umgegend, sondern auch die Christen
hatten sich so zahlreich eingefunden, dass die Zahl der Teilnehmer an der
Beerdigung auf 1.500 geschätzt wird. Der Bürgermeister, Schulvorstand,
Gemeinderat, Geistliche, Lehrer und Bürger, sie alle waren gekommen, um dem
geliebten Lehrer noch die letzte Ehre zu erweisen, der sich auch ihnen dadurch
nützlich gemacht hatte, dass er der Mitbegründer der Kleinkinderschule und des
Allgemeinen Krankenvereins gewesen, welchen Vereinen er seit der Begründung als
Vorstandsmitglied angehört hatte.
Wenn wir recht unterrichtet sind, soll sogar
der Trauergottesdienst in der katholischen Kirche für den verstorbenen
Großherzog Königlich Hoheit wegen der Beerdigung verlegt worden sein. Auf dem
Friedhofe sprach Herr Rabbiner Dr. Stein von hier in bewegten Worten über den
Verlust eines so edlen Mannes und eines so tüchtigen Lehrers; Worte, die auf
alle Anwesenden einen tiefen Eindruck hinterließen. Möge der Allmächtige die
Hinterbliebene in ihrem großen Schmerze stärken und aufrechterhalten. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens".
(Links: Grabstein für Lehrer Wolf Joseph im jüdischen Friedhof
in Lampertheim) |
Gedicht zum Pessachfeste von Lehrer Jonas Meyer
(1928)
|
Aus der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 4. April 1928: "Die Lehre des Frühlings.
(Zum Pessachfeste).
Sieh an die Flur! Wie schön sie liegt
Im hellen, grünen Glanz!
Wie hell sich Blum' an Blume schmiegt
Zu farbenreichem Kranz!
Sieh an den schönen, grünen Wald!
Wie reiht sich Baum an Baum!
Horch, wie das Lied der Vögel schallt
Empor zum Himmelsraum!
Wenn, Israel! im Frühlingsmond
Befreit wird die Natur,
Dann spricht, der über Sternen thront,
Zu dir durch Wald und Flur:
"Wenn die Natur auch jedes Jahr
Sich schmücket neu mit Pracht,
Sie bringt doch stets die Gaben dar,
Die sie seit je gebracht. |
So war es schon in jener Zeit,
Da Ich die Erde schuf;
So wird es sein in Ewigkeit:
Natur folgt Meinem Ruf.
Nicht spricht die Flur: 'Ich hab' es satt,
Zu bringen Gras und Blum';
Der Waldbaum soll an ihrer Statt
Jetzt schmücken mich zum Ruhm.'
Nicht spricht der Wald:
'Ich will nicht mehr
Stets tragen Baum an Baum;
Der grünen Wiese Blumenheer
Jetzt decke meinen Raum.'
Nein! Die Natur hat immer treu
Erfüllt Mein Schöpfungswort;
Und jedes Jahr tut sie es neu,
Frei, tut sie's fort und fort. |
Frei bist auch du, wie die Natur,
Wie munt'rer Vöglein Heer.
So blicke an den Wald, die Flur;
Sie künden laut die Lehr':
So wie nur weh'n die Lüfte weich,
Und frei sich's in uns regt,
Befolgen das Gesetz wir gleich,
Das Gott in uns gelegt.'
O, diese Lehre, schreibe sie
Tief in das Herz dir ein:
Dass Freiheit sich in Harmonie
Mit Gottesdienst verein'.
Du bist ja frei! Es hemmen nicht
Dir Fesseln deinen Willen.
O, mögst du in der Freiheit Licht
Doch stets Mein Wort erfüllen!'"
Lampertheim. Lehrer J. Meyer." |
Dienstjubiläum des Lehrers Jonas Meyer (1932)
Aus
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juni 1932: Lampertheim am
Rhein, 27. Juni (1932). Am 25. Nissan konnte der Lehrer der hiesigen
Gemeinde, Herr Jonas Meyer, in seltener Rüstigkeit und bei voller
Amtstätigkeit seinen siebzigsten Geburtstag und gleichzeitig das 35-jährigee
Amtsjubiläum in der Gemeinde Lampertheim begehen. Der Jubilar, der in Lehre und
Lebensführung stets unermüdlich für die Ideale des überlieferten Judentums
eingetreten ist, erfreut sich wegen seiner aufrichtigen Frömmigkeit und seines
menschenfreundlichen bescheidenen Wesens allgemeiner Achtung und Wertschätzung,
auch in andersgläubigen Kreisen. Neben seiner rednerischen Begabung verdient
besonders seine Tätigkeit als vorbildlicher Jugenderzieher hervorgehoben zu
werden, durch die allein schon er sich in den Herzen ganzer Generationen von ihm
ausgebildeter Schüler und Schülerinnen ein dauerndes dankbares Andenken
geschaffen hat. Möge dem Jubilar noch eine Reihe von Jahren in gleicher
Gesundheit und Kraft an der Seite seiner ihm ebenbürtigen Gattin beschieden
sein zur Freude seiner Familie, zum Segen seiner Gemeinde und zur Ehre des
Judentums. "(alles Gute) bis 120 Jahre". |
Zum Tod von Lehrer Jonas Meyer (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1935: "Jonas
Mayer - er ruhe in Frieden -.
Würzburg, 15. Mai (1935). Am vergangenen
Montag, dem 10. Ijjar (= 13. Mai 1935), brachten wir Jonas Mayer unter
großer Beteiligung zur letzten Ruhe. Jonas Mayer, im Odenwaldstädtchen
Reichelsheim geboren, zeigte in jungen Jahren bereits einen starken Drang
nach jüdischem und profanem Wissen. Mit 33 Jahren berief man ihn als
Lehrer und Kantor an die Gemeinde Lampertheim, wo er bis zu seinem
am letzten Schabbat Paraschat Emor (Schabbat mit der Toralesung
Emor, d.i. 3. Mose 21,1 - 24,23, dies war am 11. Mai 1935) erfolgten
Ableben, also nahezu 40 Jahre, für die Jüdische Gemeinde wirkte. In
allen nur möglichen Fragen des praktischen Lebens holte man sich bei ihm
Rat und Hilfe. Seine hervorragenden Eigenschaften waren seine Güte und
seine Bescheidenheit. Daraus erklärt sich sein einzigartiges Verhältnis
zu seiner Gemeinde, zu jedem einzelnen Mitglied dieser Gemeinde und nicht
zuletzt zur nichtjüdischen Bevölkerung der Stadt Lampertheim. Ein
köstlicher Humor, der gespeist wurde von einer Quelle reichen Wissens,
zeichnete ihn aus. Er war auch jahrelang Mitarbeiter der 'Laubhütte' und
vor allem ein ausgezeichneter Kenner der jüdischen Geschichte. Es war ein
ergreifendes Bild, als die ganze Gemeinde vor der geöffneten Pforte des
Gotteshauses weinend die Bahre ihres Lehrers und Kantors umstand, der in
diesem Hause viele, viele Jahre mit Andacht und Weihe den Gottesdienst
versehen hatte.
Vor der Synagoge sprach Rabbiner Dr. Michalski, Karlsruhe (ein Neffe des
Verstorbenen) zu Herzen gehende Abschiedsworte. Für den hessischen
Lehrerverein sprach Lehrer Müller, Bensheim dem Kollegen Dank und
Anerkennung für treue Mitarbeit aus. Als Nachbarkollege und Freund nahm
Herr Lehrer Lob, Viernheim, in bewegten Worten Abschied. Am Grabe
schilderte Herr Rabbiner Dr. Michaelski in treffender Weise die Haupteigenschaften
von J. Mayer - er ruhe in Frieden. Für die Gemeinde Lampertheim stattete
Herr Guggenheim den Dank ab mit dem Gelöbnis, im Sinne des Verstorbenen
die jüdischen Belange der Gemeinde nicht zu vernachlässigen und so sein
Andenken am besten zu ehren. Ein Schüler sprach für die gesamte Jugend
rührende Abschiedsworte.
Für die Familie nahmen die Schwiegersöhne, die Herren Michel, Nürnberg
und Verwalter Sonn, Würzburg, ergreifenden Abschied. Möge die allseitige
Achtung und Verehrung, die der Verstorbene genoss, der trauernden Gattin
und der ganzen Familie reichen Trost spenden. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens."
(Links: Grabstein für Lehrer Jonas Meyer im jüdischen Friedhof
in Lampertheim) |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Antisemitische Regungen 1891
1891 ereignete sich ein
Vorfall, über den die Zeitschrift "Der Israelit" am 12. November 1891
berichtete: "Worms, 6. November (1891). Aus
Worms wird dem 'Darmstädter Täglichen Anzeiger' von hier geschrieben: 'Von
einem Studiosus N. von hier, welcher sich in dem benachbarten Orte Lampertheim
aufzuhalten pflegt, ist folgender Akt von Antisemitismus verübt worden. Im
Gasthause 'Zum Rebstock' in Lampertheim fand ein israelitischer Ball statt. Der
Herr Studiosus trank sich an dem Ballabend zuerst Courage an, äußerte zu seinen
Bekannten: 'Heute Abend müssen die Juden dran glauben!' und rückte um 11 Uhr
mit einem Begleiter in das Balllokal. Hier verhöhnte er die Ballgäste, blies
mit einer Kindertrompete und warf zuletzt Steinkohlen in den Ballsaal... In der
ganzen Umgegend spricht man mit Empörung von diesem rohen Betragen.' Soweit
der 'Darmstädter Tägliche Anzeigen.' Aber warum in aller Welt haben denn die
männlichen Teilnehmer an dem Balle dem Burschen nicht die ihm gebührende
Strafe gleich an Ort und Stelle appliziert?" |
Einige Monate später erschien der folgende
Artikel: |
Aus
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1892:
"Lampertheim (Kreis Bensheim). Es ist noch nicht lange, dass durch
die Zeitungen die Nachricht lief, dass ein antisemitische angehauchter
Student eine von Israeliten abgehaltene Abendunterhaltung zu stören
suchte. Man ist so leicht geneigt, die Rohheit eines Einzelnen der
Gesamtheit zur Last zu legen. Dass dies in Lampertheim nicht zutrifft, hat
sich in den letzten Tagen gezeigt. In feierlicher Weise wurde nämlich
daselbst ein neues Schulhaus eingeweiht. In dem Zuge befand sich neben dem
katholischen und evangelischen Kirchvorstand auch der Vorstand der
israelitischen Gemeinde, der offiziell zur Feier eingeladen
war." |
Finanzbericht der jüdischen Gemeinde (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. September 1901: "Lampertheim,
Ende August (1901). Die hiesige israelitische Kultusgemeinde besteht zur
Zeit aus achtzehn selbstständigen Gemeindemitgliedern (Männern), ferner
aus zwei Witwen und vierzehn Jünglingen. Hierbei sei konstatiert, dass
seit einigen Jahren schon ein langsamer, aber steter Rückgang der Zahl
der israelitischen Gemeindemitglieder sich bemerkbar macht. Deshalb war
zur Deckung der Bedürfnisse, die sich im letzten Jahre ohnedies
außergewöhnlich durch Anschluss an das Rabbinat Darmstadt I steigerten,
notwendigerweise eine stärkere Heranziehung des Geldbeutels der einzelnen
Mitglieder erforderlich. Das Vermögen der israelitischen Gemeinde
beträgt 16.905 Mark, wobei besonders das neue Schulhaus mit Lehrerwohnung
im Werte von 7.300 Mark, der Friedhof mit 2.057 Mark und die Synagoge mit
5.182 Mark erwähnt sein mögen. Die Schulden beziffern sich auf 6.519
Mark, darunter ist eine Hypothekenschuld im Betrage von 6.000 Mark
enthalten, welche behufs Erbauung des neuen Schulhauses im Jahre 1896
aufgenommen wurde. Die Gesamt-Einnahme für das laufende Rechnungsjahr
beläuft sich nach dem Voranschlage auf 2.517,42 Mark, welchen eine ebenso
große Ausgabe gegenüber steht." |
Die Boykottmaßnahmen werden noch nicht von allen
jüdischen Geschäftsinhabern ernst genommen (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 20. Dezember 1934: "Darmstadt. Die 'Lampertheimer Zeitung'
berichtet: In der Nacht zum Mittwoch wurden durch unbekannte Täter an
verschiedenen hiesigen jüdischen Geschäftshäusern Beschriftungen
angebracht mit dem Wortlaut: 'Kauft nicht beim Juden.' Während der eine
Geschäftsinhaber die Schrift entfernen ließ, änderte der andere den
Schriftsatz, indem er das Wort 'nicht' in 'doch' abänderte und am Schluss
das Wort 'billiger' hinzufügte. Infolge dieses Vorganges erfolgte gegen 5
Uhr abends eine Ansammlung vor dem Schuhhaus Mann, die jedoch bald
zerstreut wurde, nachdem man den Demonstranten mitgeteilt hatte, dass die
hiesige Polizei den Sohn des Inhabers Franz Mann bereits am Nachmittag in Schutzhaft
genommen hatte." |
Anzeigen jüdischer
Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Metzgerei Herrmann Schott (1878)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Dezember 1878: "Koscher
Fleischwaren und alle Sorten Wurst etc. Einem geehrten Publikum
empfehle ich meine berühmte echt koschere Wurst nebst Rauchfleisch in
prima Qualität zu billigsten Preisen. Lampertheim (Hessen), Herrmann
Schott, Metzger." |
Anzeige der Metzgerei David Süß (1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November 1890: "In
mein Metzgergeschäft suche per sofort einen Lehrling. Kost und
Logis im Hause. Schabbat und Feiertag geschlossen.
David Süß, Lampertheim,
Hessen." |
Verlobungsanzeige von Else Meyer und Julius Sichel
(1921)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juni 1921: "Else
Meyer - Julius Sichel. Verlobte.
Lampertheim bei Mannheim - Nürnberg,
Osianderstraße 8. Schawuoth 5681." |
Hinweis: Schwierigkeiten
bei der Aufarbeitung der Geschichte in den 1950erJahren
Beitrag von
Siegfried Einstein zu den "Lampertheimer Vorgängen" (1958;
Schwierigkeiten mit der Aufarbeitung des "Täterkreises" aus der
NS-Zeit) |
Artikel in "Die andere
Zeitung" vom 29. Mai 1958: "Die
Geschichte vom heiligen Kriegsverbrecher..." (Beitrag
erhalten von Volker Ochs; eingestellt als pdf-Datei, Hinweis: Dateigröße
ca. 9 MB)
Über Siegfried Einstein (1919 in Laupheim
- 1983 in Mannheim; lebte seit 1953 in Lampertheim, verzog jedoch 1959 von
hier auf Grund massiver antisemitischer Hetze am Ort nach Mannheim.
Siehe Wikipedia-Artikel
"Siegfried Einstein" |
Zur Geschichte der Synagoge
Ein "Judenschulmeister" wurde erstmals 1767 angestellt.
Somit dürfte damals ein Betsaal vorhanden gewesen sein. Bis zur Mitte
des 19. Jahrhunderts kam die Gemeinde zu ihren Gottesdiensten in einem Raum in
der Wohnung des Salomon Süß (Römerstraße 74) zusammen. Seit 1835
plante man den Bau einer Synagoge. 1843 konnte ein Grundstück erworben werden,
doch auf Grund der schlechten Finanzlage der Gemeinde konnte man damals nicht
mit dem Bau beginnen. Die politische Gemeinde gewährte einen Zuschuss von 500
Gulden als Schenkung zum Bau mit der Begründung, dass die Juden als Ortsbürger
ja auch zu den Bau- und Unterhaltungskosten der Schulen und Kirchen beitragen
würden. 1850 wurde von der Behörde die Schenkung genehmigt. 1851 konnte
die Synagoge erbaut werden. Sie hatte 92 Männer- und 55 Frauenplätze.
Im Zusammenhang mit dem 75jährigen Bestehen der Synagoge 1926 wurde eine
Renovierung durchgeführt und bei der Wiedereinweihung eine Gedenktafel für die
im Ersten Weltkrieg aus der Gemeinde gefallenen Juden enthüllt (befindet sich
heute im jüdischen Friedhof als letzter
erhaltener Rest der Synagoge). Die Brüder
Ludwig und Sally Hochstädter stifteten damals zwei Kronleuchter aus Messing mit
je fünf elektrischen Kerzen zum Gedenken an ihre verstorbenen Eltern.
Beim
Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge niedergebrannt.
1992 wurde auf dem Synagogengrundstück
ein Geschäfts- und Parkhaus gebaut. Nach dessen Fertigstellung brachte man an
der Rückseite des Parkhauses eine neue Bronzetafel zur Erinnerung an die
Synagoge an.
Adresse/Standort der Synagoge: Römerstraße 95-97
Fotos
(Quelle: Foto obere Zeile links: Stadtarchiv Lampertheim; historische Innenansicht aus Arnsberg Bilder s.Lit. S. 131;
Fotos der zweiten Fotozeile vom 15.11.2007: Quinn Jacobson, Viernheim, übernommen aus www.synagogen.info;
sowie (Darstellung der Synagoge) von Michael Ohmsen, Aufnahme von Anfang Oktober
2010).
Ansichten
der Synagoge |
|
|
|
Die Synagoge in Lampertheim
- Außenansicht |
Die Synagoge in
Lampertheim
- Innenansicht |
|
|
|
Gedenken an
die Synagoge |
|
|
|
Gedenkstätte für
die Synagoge mit der Gedenktafel - Darstellung der Synagoge und Inschrift: "An dieser Stelle stand
von 1851-1938 die Synagoge der ehemaligen jüdischen Gemeinde Lampertheim.
Sie wurde am 10. Nov. 1938 zerstört. (Hebräisch und deutsch): Zum
Andenken an die Opfer von Lampertheim und Umgebung
1938-1945". |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Februar 2014:
"Stolpersteine" werden in Lampertheim
verlegt
Anmerkung: 2007 wurde in Lampertheim der erste Stolperstein für Alfred
Delp verlegt, anlässlich des 100. Geburtstages des Jesuitenpaters. Im
Februar 2014 wurden Stolpersteine für die Familie Bär verlegt, die bis
1938 in der Wilhelmstraße gelebt hatte. |
Artikel von Marco Partner in der
"Lampertheimer Zeitung" (Rhein Main Presse) vom 21. Februar
2014:
"Lampertheim. Verbeugung vor dem Schicksal
MAHNMAL Künstler Gunter Demnig verlegt sechs neue 'Stolpersteine' in der Wilhelmstraße in Erinnerung an Familie Bär..."
Link
zum Artikel |
Verbeugung vor dem Schicksal (Lampertheimer Zeitung, 21.02.2014) |
|
Oktober 2015:
Für die Familie Mann werden
"Stolpersteine" verlegt
Anmerkung: vor dem Haus Römerstraße 67, in dem die jüdische Familie
Mann bis 1939 lebte und arbeitete, wurden am 14. Oktober 2015 acht
"Stolpersteine" verlegt. |
Artikel von Susanne Wassmuth-Gumbel im
morgenweb.de: "Künstler Gunter Demnig verlegt am nächsten Mittwoch acht Stolpersteine für die jüdische Familie Mann.
Stehen, schauen, nicht vergessen.
Lampertheim. Der Kölner Künstler Gunter Demnig wird am Mittwoch, 14.Oktober, neue Stolpersteine in Lampertheim verlegen. Mit ihnen soll an die jüdische Familie Mann erinnert werden, die bis 1939 in der Römerstraße gelebt hat.
Die Stadtverordnetenversammlung hatte 2012 beschlossen, jedes Jahr 1000
€ im Haushalt für die Aktion einzuplanen und möglichst einmal jährlich den Künstler zur Verlegung weiterer Messingblöcke in die Stadt zu holen. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass es in Lampertheim etwa 100 Personen gab, die aus politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen von den Nationalsozialisten während des Dritten Reichs verfolgt und vertrieben wurden.
'Die derzeitige Liste ist aber vermutlich noch erweiterbar', sagt Manfred Scholz, der die Verlege-Aktion in der Verwaltung organisiert. Erklärtes Ziel sei, für alle Opfer des NS-Regimes einen solchen Stein zu verlegen.
Bisher wurden in Lampertheim Stolpersteine für den Jesuitenpater Alfred Delp und die jüdische Familie Bär verlegt. Mit der Verlegung am Mittwoch soll nun die Erinnerung an die Familie Mann in der Römerstraße wachgerufen werden. Nathan Mann wurde 1872 in Carlsberg/Frankenthal geboren und war mit der aus Pirmasens stammenden Blandine Mann, geborene Mann, verheiratet. Sie hatten fünf Kinder. 1927 kam die Familie nach Lampertheim und eröffnete in der Römerstraße ein Schuhgeschäft - zunächst im Haus Nummer 67, später dann in Nummer 63 (Ecke heutige Domgasse). Nathan Mann wurde 1938 ins KZ Buchenwald verschleppt, kam von dort aber noch einmal zurück. Nach der Zerstörung ihres Geschäfts im Mai 1939 zogen die Manns nach Mannheim um. Wie viele andere hofften sie, in der Anonymität der Großstadt besser als Juden leben zu können. Dies berichtet Karl Klemm, der in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Volker Ochs die Schicksale Lampertheimer Verfolgter recherchiert und auch den Werdegang der Manns in der Schrift
'Der Erinnerung Namen geben' dokumentiert hat. Im Oktober 1940 wurden die Manns nach Gurs deportiert. Über das Sammellager Drancy kam das Ehepaar im März 1944 nach Auschwitz, wo es nur wenige Tage später ermordet wurde. Auch an die Kinder der Manns werden Messingblöcke erinnern: Siegbert Mann (Jahrgang 1904) kam wie seine Eltern im März 1944 in Auschwitz um, er war 1942 deportiert worden. Der Tochter Betty (Jahrgang 1906) gelang 1939 die Flucht in die USA. Ihre ein Jahr jüngere Schwester Johanna wurde 1940 ebenfalls nach Gurs deportiert, über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Tochter Ella (Jahrgang 1909) emigrierte 1937 nach Amerika, ebenso ihr Bruder Franz (1911) mit seiner Frau Sidonie. Das Haus der Manns steht nicht mehr, hier ist heute die Domwiese. Dort werden am kommenden Mittwoch die Stolpersteine verlegt. Die Aktion beginnt um 10.30
Uhr."
Link
zum Artikel |
Bericht zur Verlegung in tip-verlag.de mit
zahlreichen Fotos: http://tip-verlag.de/zum-gedenken-an-juedische-mitbuerger/ |
Artikel in der "Lampertheimer Zeitung"
vom 15. Oktober 2015: "Erinnern und wachrütteln..."
http://www.lampertheimer-zeitung.de/lokales/lampertheim/erinnern-und-wachruetteln_16281906.htm |
|
August 2016:
Erinnerung an die Lampertheimer
Synagoge |
Artikel von Helmut Kaupe in "echo-online.de"
vom 12. August 2016: "Dem Judenhass zum Opfer gefallen.
LAMPERTHEIM - Aus Anlass der beiden kürzlich erschienenen Beiträge über
Frederick Rosenbaum als einem der vermutlich letzten Überlebenden aus der
ehemaligen jüdischen Gemeinde in Lampertheim starten wir eine neue Serie mit
einem Bericht über die ehemalige jüdische Synagoge in der Römerstraße 97.
Rosenbaums Spuren hatten Karl Klemm und Volker Ochs im Rahmen ihrer
Recherchen zur NS-Verfolgung in Lampertheim und zu ihrem Buchprojekt 'Der
Erinnerung Namen geben. Verfolgung in Lampertheim während der Zeit des
Nationalsozialismus 1933-1945' akribisch verfolgt. Bereits im Jahre 1835
fasste die jüdische Gemeinde Lampertheim den Entschluss, eine eigene
Synagoge sowie ein Schulhaus zu errichten. Mit Hilfe gemeinsamer
Anstrengungen der Gemeindemitglieder gelang es, innerhalb der folgenden
zwölf Jahre das notwendige Geld für den Erwerb eines entsprechenden
Grundstücks zusammenzutragen. So konnte 1847 ein Grundstück in der
Römerstraße 97 erworben werden, das bis an die Wilhelmstraße reichte.
Nachdem die politische Gemeinde nach umfangreichen Aktivitäten und
Begründungen gegenüber dem Kreisamt einen Baukostenzuschuss in Höhe von 500
Gulden gewährte, konnte im Jahr 1851 die Synagoge errichtet werden. Die
dafür notwendigen Baupläne existierten bereits Jahre zuvor. Wie auf einem
historischen Foto zu erkennen ist, wurde das Gebäude als ein einfacher,
rechteckiger Bruchsteinbau mit Rundbogenfenstern errichtet und mit einem
Ziegelsatteldach versehen. Seine Abmessungen betrugen in der Länge 14,5
Meter und in der Breite 9 Meter. Eine Synagogen-Ordnung regelte das
Verhalten während des Aufenthalts in den Räumlichkeiten. Ebenso war der
genaue Ablauf der Gottesdienste durch die Liturgie der Wochenfeste sowie der
hohen Feiertage exakt vorgegeben. Im Jahre 1855 hatte die jüdische Gemeinde
Lampertheim mit 159 Personen ihren höchsten Personenstand, der bis zum Jahr
1933 auf insgesamt 88 Personen zurückging. Eine vergleichbare Entwicklung
hinsichtlich der Personenzahlen (höchste Zahl vor 1900/Zahl 1933) war auch
in den umliegenden Gemeinden wie zum Beispiel in Bürstadt (45/23), in
Hemsbach (111/54), in Heppenheim (148/105), in Lorsch (101/66) oder in
Viernheim (143/69) zu beobachten. Aus unserer Geschichte wissen wir, dass im
Jahr 1933 zunächst in ganz Deutschland der 'Judenboykott' ausgerufen wurde.
Dabei mussten sämtliche Judeneinbürgerungen, die nach 1918 erfolgt waren,
widerrufen werden. 1935 wurden das 'Reichsbürgergesetz' und das 'Gesetz zum
Schutz des deutschen Blutes' erlassen und die Aberkennung des Wahlrechts für
Juden und deren Entfernung aus allen öffentlichen Ämtern veranlasst.
Synagoge 1938 vollkommen zerstört. Am Morgen des 10. November 1938
führte die Reichspogromnacht zur völligen Zerstörung der Lampertheimer
Synagoge. Nachdem zuerst von SS-Leuten und ihren Helfern die gesamte
Inneneinrichtung in den Garten geworfen worden war, wurde das Inventar
wieder im Gebäudeinneren aufgestapelt, mit Benzin übergossen und angezündet.
Da die Feuerwehr nicht eingreifen durfte, brannte das Gebäude bis auf die
Außenmauern ab. Heute erinnert eine Gedenktafel an der Rückwand des
Parkhauses Wilhelmstraße im Einvernehmen mit dem ehemaligen jüdischen
Lampertheimer Mitbürger Oskar Althausen an die schrecklichen Ereignisse
dieses unheilvollen Tages. Wer sich intensiver mit der Geschichte der
ehemaligen jüdischen Gemeinde Lampertheim beschäftigen möchte, dem sei unter
anderen das Buch 'Lampertheim – Beiträge aus der Geschichte der ehemaligen
jüdischen Gemeinde' empfohlen, das im Stadtarchiv Lampertheim erhältlich
ist"
Link zum Artikel |
|
September 2016:
Verlegung von fünf weiteren
"Stolpersteinen" in Lampertheim
Anmerkung: es wurden im Gehweg vor einer Tankstelle in der
Römerstraße fünf Stolpersteine verlegt, da hier das Haus stand, in dem
bis in die 1930er-Jahre gelebt haben: für Ludwig Süß (ermordet 1944 in
Auschwitz), Else Süß, Dietmar Süß (1939 nach England emigriert), Ruth
Süß (ermordet 1942 in Auschwitz), Götz
Israel. |
Artikel in der Bürstädter Zeitung vom 7.
September 2016: Schicksale machen nachdenklich (Bürstädter Zeitung, 07.09.2016) |
|
Februar 2020:
Weitere "Stolpersteine" werden
verlegt
Anmerkung: nach dieser Verlegung gibt es 37 "Stolpersteine" auf der
Lampertheimer Gemarkung |
Artikel von Andre Heuwinkel in der
"Lampertheimer Zeitung" vom 16. Januar 2020: "Fünf Stolpersteine für
jüdische Familie.
Mithilfe der Recherchen von Volker Ochs und Karl Klemm ist es gelungen, das
Schicksal der Familie Frank näher zu beleuchten. Am 6. Februar kommt Gunter
Demnig nach Lampertheim.
LAMPERTHEIM - Er zählt zu den Angehörigen jener Familie, die wohl zu den
letzten deportierten Juden Lampertheims gehörte: Der Lampertheimer Soziologe
Volker Ochs, inzwischen in Saarbrücken wohnhaft, hat das Schicksal der
Familie Frank weiter ausgeleuchtet und ist während seiner Arbeit im Falle
von Sally Frank zu weiteren Erkenntnissen gekommen. Nun sollen ab dem 6.
Februar fünf Stolpersteine an das Schicksal der Familie Frank, die zeitweise
in der Wilhelmstraße 67 wohnte, erinnern. Gunter Demnig, der Initiator des
weltweit größten dezentralen Mahnmal-Projekts, hat sein Kommen bereits
zugesagt. Bereits in der Vergangenheit haben Ochs und sein Kollege vom
Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Karl Klemm, intensiv über die Opfer
nationalsozialistischer Verfolgung geforscht. Die Ergebnisse mündeten in die
Veröffentlichung 'Der Erinnerung Namen geben', welche das Forscher-Duo 2014
der Öffentlichkeit vorstellte. Darin konnten sie die Namen von mindestens
110 Lampertheimern ausfindig machen, die Opfer politischer Verfolgung und
Entrechtung geworden sind. Auch das heiße Eisen der Täterschaft scheute Ochs
im Fortgang nicht und veröffentlichte drei Jahre später 'Täter, Gehilfen und
Biedermänner' – ein Dossier über verschiedene Tätertypen, die exemplarisch
für das nationalsozialistische Terror-Regime stehen sollen.
Die fünf neuen Stolpersteine sind Berta Frank (geborene Süß, gestorben im KZ
Treblinka), ihrer Tochter Erika Irmgard Frank (vergast in Tötungsanstalt
Bernburg), dem Sohn Sally Frank sowie den Söhnen von Erika Irmgard – Hans
und Werner – gewidmet. Das Schicksal Hans Franks haben Ochs und Klemm
bereits ausführlich geschildert: Er konnte per Adoption 1939 in die USA
vermittelt werden und lebt unter dem Namen Frederick Rosenbaum im
Bundesstaat Ohio. Neu sind allerdings die Erkenntnisse zu Sally Frank. 'Die
Quellenlage über ihn war bislang recht bescheiden', erklärt Ochs. Über seine
Forschungen hat er Lampertheims Stadtarchivar Hubert Simon unterrichtet.
Im berüchtigen Hotel Terminus in Lyon verhört. Demnach gibt es in
Sally Franks Heimatgemeinde Kusel
(Rheinland-Pfalz) bereits seit 2013 einen Stolperstein. Obgleich er erst
seit 1928 in der Lampertheimer Meldekarte aufgeführt war, vermutet Ochs,
dass er bereits davor mit Mutter Berta in der Spargelstadt lebte. Nach einer
Ausbildung (wahrscheinlich zum Metzger) im Elsass kehrte er 1932 nach
Lampertheim zurück, um nach der 'Machtergreifung' 1933 wiederum mehrfach den
Wohnort (unter anderem Mühlhausen, Saarbrücken) zu wechseln. Es folgten nach
den Novemberpogromen die Flucht nach Frankreich (Belfort), ein Einsatz in
der Französischen Fremdenlegion sowie die Internierung, aus der Frank
fliehen konnte. Nach längerem Abtauchen – Ochs vermutet in der 'Resistance'
– wurde Frank von Gestapo und französischer Polizei gesucht und letztlich
1943 in Lyon verhaftet. Dort sorgte der 'Schlächter' Klaus Barbie
(1913-1991) für Schrecken. Laut Ochs wurde Frank auch in dem berüchtigten
Hotel Terminus verhört. Auch wenn der Todestag Franks nicht genau geklärt
ist, geht Ochs davon aus, dass er – nach Aufenthalt im Internierungslager
Drancy – nach Auschwitz deportiert wurde und dort 1943 starb. 'Die Suche hat
sich gelohnt', so Ochs’ Fazit."
Link zum Artikel |
Artikel von Andre Heuwinkel in
"echo-online.de" vom 7. Februar 2020: "Stolpersteine für Lampertheimer
Familie Frank verlegt
Frederick Rosenbaums Familie wurde durch die Nazis ermordet. Heute lebt er
in Ohio. Zur Stolpersteinverlegung trägt seine Tochter vor, wie er über
diesen besonderen Moment denkt.
LAMPERTHEIM - Manchmal tragen Gefühle und Erinnerungen 7000 Kilometer
weit. Das ist genau die Distanz von Lampertheim bis zum US-Bundesstaat Ohio.
Als Lynne Ravas, begleitet von ihren Söhnen Seth und Mathew, neben
Bürgermeister Gottfried Störmer stehend ihren Zettel auseinanderfaltet, sind
darauf jene Gedanken festgehalten, die Frederick Rosenbaum an die
Lampertheimer Bevölkerung richten möchte – vorgetragen aus dem Munde seiner
Tochter. Fünf Stolpersteine verlegt Künstler Gunter Demnig an diesem
Nachmittag – zum bereits siebten Male ist er dafür in die Spargelstadt
gekommen. Der Amerikaner Rosenbaum kann aus gesundheitlichen Gründen nicht
unter der Gemeinde weilen, die an das Schicksal der Familie Frank erinnert.
Dieser Hinweis verrät, dass der heute 87-Jährige in seiner Kindheit einen
anderen Namen trug: Hans Frank, 1932 in einem israelitischen Krankenhaus in
Frankfurt als Sohn von Erika Irmgard Frank geboren. Der Name der Familie ist
verbunden mit einem der dunkelsten Kapitel der Lampertheimer
Lokalgeschichte: Denn die Franks gelten gemeinhin als die letzten Mitglieder
der jüdischen Gemeinde, die aus der Stadt deportiert wurden. Zu ihren
Hochzeiten Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die Gemeinde 160 Mitglieder –
spätestens 1942 war das einst 'rote Lampertheim' in der pervertierten
Sprache der NS-Unterdrücker 'judenrein'. Dass die Schicksale der Opfer
nationalsozialistischer Verfolgung in der Ortsgeschichte wieder so präsent
ist, war unter anderem Stadtarchivar Hubert Simon, Karl Klemm und dem
Soziologen Volker Ochs zu verdanken. Sie haben nicht nur aktiv den Kontakt
zu Rosenbaum und seinen Angehörigen gesucht, sondern sind in den vergangenen
Jahren tief in die Geschichte eingetaucht. Die Bemühungen mündeten in
mehrere Werke wie etwa 'Der Erinnerung Namen geben'. Ochs selbst beschreibt
die Suche nach Quellen 'wie eine Droge' – hat er etwas entdeckt, muss er
weiterforschen. Aus diesem Antrieb heraus gelang es den Detektiven der
Geschichte, das Leben der Franks nachzuvollziehen. Die knapp zehn mal zehn
Zentimeter umfassenden Stolpersteine, die fortan vor dem Haus Wilhelmstraße
67 eingesetzt sind, erinnern an Berta Frank, ihre Tochter Erika Irmgard,
Sohn Sally Frank sowie die Söhne Erika Irmgards – Werner und Hans, der heute
Frederick heißt.
Mutter Erika, gebürtig aus Kusel
(Rheinland-Pfalz), arbeitete in Lampertheim als Haushaltshilfe und lebte mit
ihrem unehelichen Sohn Werner und der verwitweten Mutter in der
Wilhelmstraße. Ihr zweiter Sohn Hans (Frederick) wuchs nicht bei ihr auf,
sondern in verschiedenen Kinderheimen (unter anderem
Neu-Isenburg), bis er 1938 in ein
israelitisches Waisenhaus nach Dinslaken kam. Über Holland gelangte er
mithilfe von Adoptiveltern 1939 schließlich nach New York, wuchs dort auf,
ging aufs College, studierte anschließend in Ohio. 'Später fand er Arbeit in
der Verwaltung eines Energieversorgers', erklärt Tochter Ravas. Rosenbaum
heiratete – vier Kinder, zehn Enkel und fünf Urenkel zählen nun zu seinen
Nachkommen. Doch der Neu-Amerikaner merkte, dass die Erinnerungen an die
Kindheit getrübt, lückenhaft, mitunter traumatisch waren: Konkrete Bilder
über seine Verwandten hatte er nicht, die Reichspogromnacht erlebte er als
Sechsjähriger in Dinslaken.
ÜBER DIE FAMILIE FRANK
Bertha Frank (geboren 1878) wurde 1942 deportiert und verstarb im KZ
Treblinka; Sally Frank (geboren 1909) lebte zeitweilig in Frankreich und
wurde in Lyon verhaftet. Er wurde 1943 in Auschwitz ermordet. Erika Irmgard
Frank (geboren 1904) hatte eine kurzfristige Liaison mit einem SA-Mann und
wurde wegen versuchter Abtreibung und Kindstötung verurteilt. Nach einer
Haftstrafe kam sie ins KZ Ravensbrück und wurde in der Tötungsanstalt
Bernburg ermordet. Werner Frank (geboren 1929) gelangte 1943 über Berlin in
das Vernichtungslager Ausschwitz und wurde dort ermordet.
Doch er wollte mehr wissen. 'Und ich war dafür wohl der Auslöser', sagt
Ravas schmunzelnd. Sie selbst macht Bildungsarbeit über die Geschichte des
Holocausts, unter anderem durch das 'Holocaust Center' in Pittsburgh und hat
ihren Vater ermutigt, weiterzuforschen. Der Zufall half schließlich nach:
Bei ihren eigenen Recherchen entdeckten Klemm und Ochs, dass Rosenbaum im
Jahr 1996 Kontakt zur Gedenkstätte Yad Vashem aufnahm. Über das
Leo-Baeck-Institut New York konnten sie schließlich mehr über den
87-Jährigen erfahren bis hin zur Kontaktaufnahme. 'Es ist schön, diesen
Namen nun die Gesichter zuordnen zu können', sagt Ravas dankend zu dem
besonderen Treffen in Lampertheim. Auch durch ihren Einsatz ist es gelungen,
die 'Erinnerungen, die in meinem Unterbewusstsein schlummerten, wieder
klarer werden zu lassen', zitiert sie ihren Vater. 'Denn Geschichte', so
meint ihr Vater mahnend, 'wiederholt sich, wenn sie vergessen oder ignoriert
wird.' Ein Satz, den auch Künstler Demnig gerne aufgreift: Den 75 000.
Stolperstein hat er kürzlich in Memmingen
verlegt und er wisse selbst, dass er zeitlebens nicht jedem NS-Opfer einen
Stein widmen könne. 'Aber das Symbol ist wichtig.'"
Link zum Artikel |
|
November 2023:
Fotos der Gedenkstunde zum
Novemberpogrom in Lampertheim in tip-suedhessen -
Link zum Artikel |
|
Mai 2024:
Verlegung von "Stolpersteinen" für
Angehörige der Familie May |
Artikel von Hannelore Nowacki in "TIP
Südhessen" vom 17. Mai 2024: "GEDENKEN: Neun Stolpersteine zum Gedenken
an Familie May gelegt - Erinnerungen in Worten und Bildern rührten zu Tränen
LAMPERTHEIM – Die Familiengeschichte reicht bis ins Jahr 1650 zurück
wie der Stammbaum von Ferdinand May aus Lampertheim zeigt, ein Stammbaum mit
Verzweigungen in Lampertheim, Worms und später in weiteren Städten und
Gemeinden im In- und Ausland, in Frankreich, USA, Kanada und Chile. Doch
viermal endete das Leben von Familienmitgliedern 1942 im KZ Auschwitz, Josef
May kam bereits 1938 im KZ Buchenwald ums Leben. Anderen Familienmitgliedern
wie Lore May (Rasmussen) gelang die Flucht 1938 zunächst nach Frankreich,
von dort emigrierte sie in die USA, heiratete und bekam die Söhne Peter,
Steven und David Rasmussen. Mit der ganzen Großfamilie und Freunden waren
sie für eine Woche nach Lampertheim gekommen, um den Spuren ihrer Vorfahren
nachzugehen, wobei Lore Mays Söhne eigene Erinnerungen an ihr Leben in
Lampertheim haben. Mit Stadtarchivarin Carmen Daramus führte sie der Weg zum
Jüdischen Friedhof und zu Stationen, an denen die Familie May gelebt hatte.
Nach dem Empfang am Dienstag im Rathaus mit Bürgermeister Gottfried Störmer
versammelte sich die Familie Rasmussen zur Stolpersteinverlegung gemeinsam
mit Stadtverordneten, Magistratsmitgliedern, Verwaltungsmitarbeitern,
Vertretern der Bürgerstiftung, der Sparkasse und Buchautoren Volker Ochs und
Karl Klemm ('Der Erinnerung einen Namen geben') sowie weiteren
interessierten Bürgern in der Kaiserstraße. Gunter Demnig hatte mit
Unterstützung von Bauhofmitarbeitern neun Stolpersteine vor der Hausnummer
34 ins Pflasterbett versenkt. Unzählige Stolpersteine hat er in Deutschland
und im Ausland bereits verlegt. Musikalisch einfühlsam haben Daria Chikovani
gesanglich und Sophie Lutzi mit berührendem Geigenspiel die Feier begleitet.
Während der zu Herzen gehenden Violinenklänge der 'Méditation Thais' von
Jean Massenet legten Familienmitglieder, Bürgermeister Gottfried Störmer,
Erster Stadtrat Marius Schmidt sowie Vertreter der Lokalpolitik weiße Rosen
auf die Stolpersteine. Zur Erinnerung an ihren Besuch in Lampertheim
überreichte Bürgermeister Störmer den Familienangehörigen eine Geschenktüte
mit einem Lampertheinmer Bildband und Kalender, eine 'Friedenskerze' und
Weinkühler.
Worte und Bilder, die berühren. Auch nach Jahrzehnten sind
Erinnerungen noch lebendig, besonders die schmerzhaften Erinnerungen können
zu Tränen rühren, wie es bei der Stolpersteinverlegung den Älteren und
Söhnen ging, als die Familie Rasmussen aus dem Leben ihrer Mutter,
Großmutter und Urgroßmutter Lore May und weiteren Familienangehörigen
berichtete und dabei Fotografien in Händen hielt. Vier Urenkel im Alter von
sieben, 14, 17 und 18 Jahren waren mitgereist.
Die Familie May und das Kaufhaus May. 1872 gründete Ferdinand May im
Alter von 32 Jahren das Kaufhaus May in der Wilhelmstraße 79, heiratete
seine Jettchen und führte das Kaufhaus erfolgreich bis zu seinem frühen Tod
im Alter von 59 Jahren. Jettchen May und später die Nachfahren führten das
Kaufhaus weiter, das 1912 ins neu erbaute Gebäude in der Kaiserstraße mit
der heutigen Hausnummer 34 (damals 22) umzog. Die Nazis gingen wie überall
in Deutschland auch in Lampertheim gegen die jüdischen Mitbürger vor – im
April 1938 wurde Ludwig May unter Mitwirkung des damaligen
Nazi-Bürgermeisters gezwungen, das Haus zu ungünstigen Bedingungen zu
verkaufen, im Mai 1939 mussten Jettchen und Ludwig May die Firma offiziell
durch ihre Unterschrift auflösen. Ludwig May gelang für drei Personen die
Überfahrt nach Chile, die zurückgebliebenen Familienmitglieder wurden in
Mannheim verhaftet und ins Internierungslager Gurs in Frankreich deportiert
und später im KZ Auschwitz ermordet. Das Gebäude verkaufte die
Bezirkssparkasse Lorsch an die spätere Kreis- und Stadtsparkasse Worms.
Heute ist das Gebäude im Besitz der Rheinhessen Sparkasse, deren Filiale
mittlerweile geschlossen ist. Eine Messingtafel zum Gedenken an Familie May
und ihr Kaufhaus wurde im Einverständnis mit der Sparkasse auf eigene Kosten
angebracht und am Dienstag im Rahmen der Stolpersteinverlegung enthüllt. Das
'Historische Schild' auf der Straßenseite gegenüber haben die drei Söhne von
Lore May gemeinsam mit der Bürgerstiftung gestaltet. Erich Maier,
Vorsitzender der Bürgerstiftung und Vorstandsmitglied. Elzbieta Liermann
enthüllten das Schild an der Seite von Peter Rasmussen. In einem 76 Seiten
starken Buch erzählen Peter, Steven und David Rasmussen ihre Geschichte und
die ihrer Familie, ein Exemplar konnte sich jeder mitnehmen."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 464-466. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 131. |
| Siegfried Einstein: Eichmann. Chefbuchhalter des
Todes. Frankfurt 1961.
Anmerkung: Beitrag zum "Nachkriegs-Antisemitismus" in
Lampertheim. Der Schriftsteller Siegfried Einstein verbrachte die Jahre 1953
bis 1959 einige schreckliche Jahre in Lampertheim, bevor er wegen den
andauernden antisemitischen Anfeindungen nach Mannheim "flüchten"
musste. Das Buch ist antiquarisch erhältlich, vgl. zvab.com. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Siegfried_Einstein
|
| Heinrich Friedrich Karb: Beiträge aus der
Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde Lampertheim. 1998. (Reihe:
Lampertheim - ein Blick in die Stadtgeschichte Bd. 2. Hrsg. vom Magistrat
der Stadt Lampertheim). Erhältlich beim Stadtarchiv Lampertheim.
|
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 23-24. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 221-223. |
| Monica Kingreen: "Oder Lampowitz, wie wir hier
sagen!" – Das DP-Lager "Lampertchajm" bei Mannheim und jüdische Displaced Persons in der amerikanischen Zone, in: Jüdisches Leben in Baden 1809 bis 2009. 200 Jahre Oberrat der Israeliten Badens. Festschrift herausgegeben von dem Oberrat der Israeliten Badens, Thorbecke Verlag, Ostfildern 2009, S. 183-193. |
| Karl Klemm / Volker Ochs: Der Erinnerung
Namen geben. Verfolgung in Lampertheim während der Zeit des
Nationalsozialismus 1933-1945. Hrsg. DGB Region Südhessen, Rheinstraße 50,
64283 Darmstadt. alpha prinz medien AG Darmstadt 2014. 154 S. Erhältlich
zum Preis von 9 € im Bürgeramt der Stadt Lampertheim und in den
Lampertheimer Buchläden. Der Verkaufserlös ist für "Lampertheimer
Stolpersteine" gedacht. E-Mail: rathaus-service@lampertheim.de
Soweit keine Bestellung möglich ist beziehungsweise zur Einsichtnahme: Download-Möglichkeit
der Publikation (pdf-Datei). |
|
Volker Ochs: Täter, Gehilfen, Biedermänner.
Blattlausverlag Saarbrücken 2017. 74 S.
Die Publikation kann für 7.90€ direkt beim Verlag (www.blattlausverlag.de) oder über den Buchhandel bezogen werden (ISBN 978-3-945996-12-6).
Soweit keine Bestellung möglich ist beziehungsweise zur Einsichtnahme: Download-Möglichkeit
der Publikation (pdf-Datei).
Zu diesem Buch: "In der 'Täter-Aufarbeitung' geht es einerseits um die Darstellung eines ausgesuchten Täterkreises, der an Misshandlungen und Tötungen (u.a. an der Ermordung von Juden in Polen) beteiligt war, und der Dokumentation des Personenkreises, der
wegen der Brandstiftung (im November 1938) auf die Lampertheimer Synagoge 1950 vor dem Landgericht Darmstadt stand und verurteilt wurde.
Anderseits geht es in der Arbeit auch um die politische wie strafrechtliche Aufarbeitung - oder besser Verdrängung- dieser Geschichte nach 1945. Insofern habe ich die Auseinandersetzung des 1945 transformierten NS-Personenkreises (der wieder in alte Funktionen gelangte) mit Siegfried Einstein in die Publikation aufgenommen, die aufzeigen soll, wie mit der Aufdeckung und Verfolgung von NS-Verbrechen umgegangen wurde.
Die lokale Geschichte - mit den bitteren Wahrheiten- und der fehlende Verantwortungsethik dieser Nachkriegsgeneration, sollte gerade am Beispiel des
'Fall Einstein' verdeutlicht werden.
Siegfried Einstein hatte mit seinen 'Täter-Recherchen' große Verdienste auch über Lampertheim hinaus, musste dafür aber bittere Anfeindungen hinnehmen, die fast bis zur Vernichtung seiner Existenzgrundlagen führen
sollte.
Buchbesprechung: Nachbarn, Kollegen, Täter (Lampertheimer Zeitung, 15.02.2017) |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Lampertheim
Hesse. There are references to Jews living in Lampertheim from 1615. The
community, numbering 160 (3 % of the population) in 1861, was affiliated with
Darmstadt's Liberal rabbinate. After the synagogue was burned down on Kristallnacht
(9-10 November 1938), SS men tortured a Jew to death and some townsfolk helped
to destroy Jewish property. Most of the 85 Jews living there in 1933 had left by
1939; three were deported to Auschwitz in 1942. Several thousand Displaced
Persons from Eastern Europe established a new community in Lampertheim after
Worldwar II, but almost all of them emigrated to Israel.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|